Gottes Seegen möge zu Dir kommen, lieber Bruder, so wie er mich nun ganz verlassen hat. Wenn Du in Deinem Herzen noch an den armen Willy denkst, so bete für mich, daß ich bald unser gutes Englisches Ufer wiedersehe, und Dich mitten drinn' im schönen gottesfürchtigen Lande, wo alle Menschen meinen frommen, einfältigen Glauben haben, und die ganze Christenheit einen stillen, einträchtigen Wandel führt. Hier scheint zwar die Sonne schöner und wärmer, weil es Gottes gnädiger Wille ist, daß sie auch über die Gottlosen scheinen soll: aber nach meiner Einsicht thut er daran gar nicht ganz recht.
Du wirst mir abmerken, daß ich in der Fremde gar nicht mehr so vergnügt bin, wie ehemals; Lachen hat seine Zeit und Weinen hat seine Zeit. Freilich wohl! Aber es ist doch nicht Recht, daß man einen alten Mann so zur Betrübniß zwingt, der sich wegen der Seelen anderer Menschen abhärmt, daß ihm kein Bissen Brod und kein Tropfen Wein mehr schmeckt. Wir sind hier jetzt so lustig, Bruder, daß wir sogar auf dem Rande von Felsen tanzen und springen; – ich sah einmal einen Jungen, der
Du wirst aus meinen Jammerliedern nicht recht klug werden können, lieber Bruder! – Ach, wohl dem Manne, dem das Elend eine Wallisische Mundart spricht, und der nicht sitzet, wo die Spötter sitzen, noch wandelt den Weg der Gottlosen, den ich jetzt alle Tage mit meinem Herrn gehn muß. Er ist nicht mehr derselbe, er ist völlig ausgetauscht, er bringt sein Geld durch, als wenn er die Schatzkammer hätte; – aber das Geld ist doch am Ende immer nur ein irdisches Gut, an dem Gott keinen Wohlgefallen hat, aber seine Seele, Tom, seine Seele, die er von Gott geliehen bekommen hat, und die er ihm dereinst wieder bezahlen sollte, verschwendet er auch, als wenn Seelen nur so auf allen Jahrmärkten zum Kaufe ständen. – Wenn er sich nicht bald wieder ändert, wird es mit seiner Rechnung an dem großen Wechseltage
Ja, Bruder, unsre heilige Schrift ist jetzt noch mein einziger Trost in meinen trüben Jammerstunden; Du glaubst gar nicht, was für Kraft in dem Buche steckt. Ich packte es so sorgfältig mit in meinen Koffer ein, und ich sitze nun oft ganze Stunden und lese so andächtig, als wenn ich bald vor Gott geführt und ein Engel aus mir gemacht werden sollte. Man kann nicht wissen, wie schnell sich manchmal etwas fügt; es ist noch nicht aller Tage Abend, und sollte ich den großen Schritt thun müssen, so denke ich in meinem Examen nicht ganz schlecht zu bestehen.
Sage mir einmahl, lieber Bruder, warum manche Menschen so dumm, und bei allem ihren eingebildeten Verstande vor Dummheit ordentlich wie vor den Kopf geschlagen sind? daß sie die große breite Heerstraße des göttlichen Worts durchaus nicht sehn wollen, die ihnen vor den Füßen steht, und sich lieber durch einen dichten wildverwachsenen Wald einen Weg hauen, sich immer in dem Gesträuche reissen, und stehen und sich weiß machen, sie haben die
Wie gesagt, ich wollte, ich könnte nach England zurückreisen; gebe Gott, daß sich bald dazu eine Gelegenheit findet, denn es gefällt mir nun in den fremden Ländern hier gar nicht mehr. – Vielleicht geht aber noch alles wieder gut: lebe recht wohl, lieber Bruder, und bleibe Du mein guter Freund, ich bin gewiß zeitlebens
der Deinige.
Dein Brief, lieber Freund, der mich trösten, der mir den Zusammenhang der Dinge im wahren Gesichtspunkte zeigen sollte, ist zu spät gekommen. Ich war vielleicht schon ruhig, als Du die Feder ansetztest, um mich zu beruhigen. Es ist so etwas Jämmerliches in allen Bekümmernissen dieser Sterblichkeit, daß der Gram schon von selbst verschwindet, wenn man ihn nur genauer ins Auge faßt. Sollt' ich jammern und klagen, weil nicht jeder meiner übereilten Wünsche in Erfüllung geht? Da müßt' ich mein ganzes Leben verklagen und ich wäre ein Thor. Das Flehen der Sterblichen schlägt gegen die tauben Gewölbe des Himmels, weil alles sich in einem nichtigen schwindelnden Zirkeltanz dreht, nach Genüssen greift, die nur der Wiederschein von würklichen Gütern sind, und so jeder fühlt, wie ihm sein geträumtes Glück aus den Händen entschwindet. Wer aber vorher weiß, welche
Du wirst mir schon nach diesem Tone meines Briefes glauben, daß ich völlig getröstet bin, ich glaube jetzt, oder bilde mir es ein, alle Parthien dieses Lebens überblicken zu können, daß mich keine Anlage dieses seltsam geordneten Parks überrascht, daß ich es weiß, wenn ich durch krumme Labyrinthe auf meine Fußstapfen zurückgekehrt bin, und den Zaun recht gut bemerke, der sich hinter Gebüsche verstecken soll. Ich bin sogar seitdem in eine muthwillige Laune gefallen, in einen gewissen humoristischen Rausch, in welchem mir die Freuden und Leiden dieses Lebens weder wünschenswürdig noch verabscheuungswerth erscheinen, es ist alles um mich her ein breiter, mühsam erfundener Scherz, der, wenn man ihn zu genau beobachtet und anatomirt, nüchtern erscheint: aber wenn man sich auf dieser Maskerade dem Lachen und der guten Laune gutwillig hingiebt, so verfliegt der
Ist denn überhaupt nicht alles auf dieser Erde ein und eben dasselbe? Wir drücken uns selbst die Augen fest zu, um nur nicht diese Wahrheit zu bemerken, weil dadurch die Schranken einfallen, die Menschen von Menschen trennen. Ich könnte hier viel wieder erzählen, was ich vordem meinem guten Mortimer nicht glauben
Was wollt ich nun mit mir selber, als ich jene Briefe an Dich und an meinen Vater schrieb, in welchem ich so flehentlich um
Ich muß über mich und meinen Zustand lachen, wenn ich länger fortfahre, mir ihn deutlich zu entwickeln. – Daß wir Sinnlichkeit haben,
Ich halte selbst die Andacht nur für einen abgeleiteten Kanal des rohen Sinnentriebes, der sich in tausend mannichfaltigen Farben bricht, und auf jede Stunde unsers Lebens Einen Funken wirft. – Da mir die Augen nun darüber geöfnet sind, will ich mich geduldig in mein Schicksal ergeben, ich darf kein
Ich will dem Pfade folgen, der sich vor mir ausstreckt, die Freuden begegnen uns, so lange die Spitzen in unsern Sinnen noch scharf sind. Das ganze Leben ist ein taumelnder Tanz; schwenkt wild den Reigen herum, und laßt alle Instrumente noch lauter durcheinander klingen! Laßt das bunte Gewühl nicht ermüden, damit uns nicht die Nüchternheit entgegen kömmt, die hinter den Freuden lauert, und so immer wilder und wilder im jauchzenden Schwunge, bis uns Sinne und Athem stocken, die Welt sich vor unsern Augen in Millionen flimmernde Regenbogen zerspaltet, und wir wie verbannte Geister auf sie von einem fernen Planeten herunterblikken. Eine hohe bachantische Wuth entzünde den frechen Geist, daß er nie wieder in den Armseligkeiten der gewöhnlichen Welt einheimisch werde!
Warum schwärmen Sie schon wieder in Neapel herum und verlassen Ihren Freund? – Ich mag nicht Ihr Begleiter seyn, weil ich Baldern fürchte, sein Anblick und seine Art des Wahnsinns schneiden durch mein Herz. Ich fühle mich hier in manchen Stunden ausserordentlich einsam, ich gehe aus, um Sie zu sehen und vergesse, daß Sie nicht in Rom sind. Ich habe so eben einen Brief an meinen Freund Eduard gesiegelt und die Thränen stehen mir noch heiß in den Augen; alles, was ich je empfand, kam ungestüm, wie ein Waldstrom in meine Seele zurück, ich unterdrückte dis Gefühl, das immer heftiger in mir emporquoll und schrieb endlich in einer Angst, die zur Wuth ward, ich trotzte mir selber und ergab mich einer blinden Sucht zu übertreiben, mußte aber den Brief plötzlich abbrechen, weil die Thränen endlich ihrer Fesseln ledig wurden und ich laut schluchzend und klagend in meinen Sessel sank. Wie aus den
Ja das Blendwerk der jugendlichen Phantasie ist jetzt von meinen Augen genommen, ich habe mich über meine Empfindungen belehrt, und verachte mich jetzt eben da, wo ich mir einst als ein Gott erschien, – aber ach, Rosa, ich wünsche mir jetzt in manchen Stunden dis kindische Blendwerk zurück. Was ist aller Genuß der Welt am Ende, und warum wollen wir die Täuschung nicht beibehalten, die uns auf jedem Felsen einen Garten finden läßt? –
Und ist denn meine jetzige Meinung nicht vielleicht eben so wohl Täuschung, als meine vorhergehende? – Mir fällt es erst jetzt ein, daß beide Ansichten der Welt und ihrer Schäzze einseitig sind und es seyn müssen, – alles liegt dunkel und räthselhaft vor unsern Füßen, wer steht mir dafür ein, daß ich nicht einen weit größeren Irrthum gegen einen kleineren eingetauscht habe?
Als ich mich so meiner vorigen Existenz erinnerte, als ich alle Scenen, die mich sonst entzückten, meinen Augen vorübergehen ließ, als
Ist in jeglichem Lebenslaufe nicht vielleicht eine schöne blumenreiche Stelle, aus der sich ein Bach
Lieber Rosa, was sagen Sie zu diesem Briefe und zu Ihrem Freunde? – so weit hatte ich geschrieben, als ich unwillig die Feder niederwarf, und im rothen Abendschein durch die Straßen ging. Bald floß mein Blut schneller durch meine Adern, als mir so manche von den
Ich werde von ihr und von Ihnen träumen; antworten Sie mir bald.
Ihr Brief hat mich sehr amüsirt, lieber Freund; er macht so ein wahres Gemählde des Menschen aus, daß ich ihn oft gelesen habe. – Vorzüglich lustig ist die Schwermuth, mit der er anhebt; und der Uebergang aus diesem Adagio in das gesetzte und feste Andante ist so überraschend und doch so natürlich, daß mir alles so deutlich war, als hätte ich es selbst geschrieben. Ich denke, Sie werden noch öfter ähnliche Erfahrungen an sich machen, und die Klagen werden sich, wenn Sie sonst wollen, eben so kalt und philosophisch schließen, wie dieser Brief es thut. Es ist leider eben so demüthigend als wahr, daß bei Ihrer Melancholie nicht die philosophische, sondern die medicinische Untersuchung die richtigere war. Bianka hat sie von einer Krankheit geheilt, die kein Weiser, kein Dichter, kein Spaziergang, kein Gemählde, keine Musik heilen konnte.
Die klemmende unbekannte Sehnsucht, die so oft den Busen des Jünglings und des auf
Grüßen Sie Bianka von mir und weihen Sie ihr eine Ihrer feurigsten Oden, denn sie hat es um Sie verdient. Diese Mädchen verdienen nicht nur mit dem Rosenkranze der Liebe, sondern auch mit der eichenlaubigen Bürgerkrone geschmückt zu werden.
Ich sehe die Gegenden um Neapel und die Mädchen der Stadt mehr, als den finstern
Lord, what fools these mortals be!
Lesen Sie die Stelle und den ganzen Zusammenhang im Mod [sic] summer – nights dream, sie ist der beste Kommentar über meine Meinung.
Ich will Worte schreiben, William, Worte, – das, was die Menschen sagen und denken, Freundschaft und Haß, Unsterblichkeit und Tod – sind auch nur
Ich weiß selbst nicht, warum ich schreibe, – aber eben so wenig weiß ich, warum ich Athem schöpfe. – Es ist alles nur um die Zeit auszufüllen und etwas zu thun, die elende Sucht das Leben mit sogenannten Geschäften auszufüllen, – Länder erobern, Menschen bekehren, oder Seifenblasen machen, eine Sucht, die bei
Ich wette Du lachst schon jetzt, so wie ich über den Anfang meines Briefes gelacht habe, daß mich die Brust schmerzt. – Du liesest den ganzen Brief nehmlich nur aus Dir heraus und ich schreibe Dir im Grunde keinen Buchstaben. Aber mags seyn. Bin ich doch auch wohl ehedem ein Thor gewesen, ganze Bücher mit Vergnügen durchzulesen, und mir einzubilden, daß ich den Geist des Verfassers dicht vor meinen Augen habe. Mein Bedienter ist gutwillig genug und so geschäftig, mir Papier, Dinte, Feder und alles übrige zu besorgen, als wenn von diesem meinem Schreiben das Heil ganzer Länder abhinge. Daß es noch Menschen giebt, die das, was man Geschäfte nennt, ernsthaft treiben können, ist das wunderbarste in der Welt: – oder, ob sie noch gar nicht darauf gefallen sind, sich selbst und andre näher zu betrachten, wie
Manche von den Menschen, die mich besuchen, geben sich viele Mühe sich zu meinem kranken Verstande herabzulassen, wenn sie von ihren wichtigen Armseligkeiten sprechen. Sie glauben, ich verstehe sie nicht, wenn ich über dem düstern Abgrunde meiner Seele brüte, und setzen mir dann auf eine ekelhafte Art ihre Zwerggedanken auseinander. Ich höre sie in meiner Spannung zuweilen wie aus einer tiefen Ferne in meine Seele hineinreden, wie ein unartikulirter Wasserfall, der gegen die Ufer schlägt, ich antworte ihnen mit Worten, ohne sie zu überlegen, und sie verlassen mich mit tiefem Bedauern und halten mich für höchst unglückselig, weil ich ihre tiefen Ideen nicht verstehe, wie sie meinen.
Neulich war ich in einer Gesellschaft von einigen Menschen, die sich untereinander Freunde nannten. Es waren Künstler, und zwei darunter hielten sich für Dichter. Man hatte mich aus Mitleid gebeten, um mich zu zerstreuen und meinen trüben Geist aufzuheitern. Ich saß wie eine Statüe unter ihnen, und hörte dabei jedes Wort, das sie sprachen. Man machte sich
Ich kann mich nicht erinnern, was ich ohngefähr weiter gesagt haben mag: aber ich verachtete sie so tief, daß ich sie mit den Füßen hätte zertreten können, daß ich es für eine Wohlthat an ihnen selbst hielt, sie zu vernichten. – Als ich zum gewöhnlichen Leben zurückkehrte, fand ich mich von ihren Armen fest gehalten, man hatte meine Wuth gefürchtet und man schafte den überlästigen Redner nach Hause.
Könnt' ich nur Worte finden, um die Verachtung zu bezeichnen, in der mir alles erscheint, was
O ich muß fort, fort, ich will in wilden Wäldern die Seelen suchen, die mich mehr verstehn, ich will Kinder erziehn, die mit mir sympathisiren: es ist nur nicht Mode so zu denken, wie ich, weil es nicht einträglich ist.
Ich spiele mit den Menschen, die zu mir kommen wie mit bunten Bildern. Ich gab mir neulich die Mühe, mich zu dem dummen Geschwätze meines Arztes herunter zu lassen; wir sprachen über Stadtneuigkeiten, über Anekdoten, die er ungemein lächerlich fand; ich lieh ihm meine Zunge zum Dreinklingen und er
Ich habe ehedem einen Menschen gekannt, der taub, stumm und blind war. Keine Seele schien sich in ihm zu offenbaren, und er war vielleicht der Weiseste unter den Sterblichen.
Ich wohne jetzt in meinem Garten vor dem Thore. Wie auf der See treiben meine Gedanken ungestüm hin und wieder, ich fürchte mich vor dem blauen gewölbten Himmel über mir, der dort gebogen wie ein Schild über der
Ich schreibe beim heftigsten Gewitter. – Es braust mit Hagel und Regengüssen und der Sturmwind und Donner stimmen sich, und einer singt dem andern den tobenden Wechselgesang nach. Wie fliehende Heere jagen Wolken Wolken, und die Sonne flimmert bleich auf fernen Bergen, die ganz weit weg wie goldene Kinderjahre in der Sturmfinsterniß dastehen; das Meer schlägt hohe Wogen und donnert in seinem eigenthümlichen Ton. – Ich lache und wünsche das Wetter immer lauter und lauter, und schreie dazwischen und schelte den Donner furchtsam – brause und stürme wirbelnd, und reiße die Erde und ihre Gebilde zusammen, damit ein andres Geschlecht aus ihren Ruinen hervorgehe!! –
Ich fürchte mich des Nachts nicht mehr. – Als ich neulich allein um Mitternacht in meinem Zimmer stand und aus dem Fenster den Zug der trüben Wolken sah, und mir alles wie Menschengedanken und Empfindungen am Himmel dahinzog, als ich sichtbarlich in Dunstgestalt manche Erinnerung vor mir fliegen sah, – und ich zu ruhen und zu sterben wünschte, – da drehte ich mich plötzlich leise um, wie wenn mich ein Wind anders stellte. Und alle meine Vorfahren saßen, still und in Mänteln eingehüllt an meinem Tische, sie bemerkten mich nicht und aßen mit den nackten Gebissen von den Speisen, heimlich reckten sie die dürren Todtenarme aus den schwarzen Gewändern hervor, um kein Geräusch zu machen und nickten gegenseitig mit den Schädeln. Ich kannte sie alle, aber ich weiß
Ich durchstrich noch in derselben Mitternacht das todte Gefilde, und rief alle Gespenster herbei und gab ihnen Gewalt über mich. Ich rief es in alle Winde, aber ich ward nicht gehört. – Die Klocken schlugen aus der Ferne und sprachen so langsam und feierlich wie betende Priester, Wälder und Winde sangen Grabgesang, und prophezeiten allem, was da lebt, den unausbleiblichen Tod, aber alle Geschöpfe schliefen fest und hörten nichts davon, der Mond sah weinend
Lebe wohl, wenn es in dieser Welt möglich ist; sei recht glücklich, mag ich nicht hinzufügen, weil es kein Glück giebt, als zu sterben, und ich weiß, daß Du den Tod fürchtest. – Ich habe schon oft heimliche Verwünschungen ausgestoßen und gräßliche Sprüche versucht, um die Gegenstände um mich her in andre zu verwandeln. Aber noch hat sich mir kein Geheimniß enthüllt, noch hat die Natur nicht meinen Bezauberungen geantwortet: – es ist gräßlich, nichts mehr zu lernen und keine neue Erfahrung zu machen, – ich muß fort, in die Wildnisse der Appenninen und Pyrenäen hinein, – oder einen noch kürzern Weg in das kalte würmervolle Grab.
Die kleinen Bitterkeiten in Ihrem Briefe habe ich recht gut verstanden, und ich gebe zu, daß Sie im Ganzen Recht haben mögen. Der Scherz eines Freundes kann auf keine Weise beleidigen.
Balder hat mitten in den Ausbrüchen seines Wahnsinns einen Brief an mich geschrieben, in dem mir manche Ideen dunkel sind, er ist entweder seiner Heilung nahe, oder gefährlicher krank, als je. Was ich in seinem Briefe verstanden habe, hat mich betrübt. Lassen Sie doch ja etwas Acht auf ihn geben, er scheint die Idee zu haben, sich von Neapel zu entfernen. Er gewinnt freilich wenig, wenn man ihm das Leben erhält, – aber es sollte mir leid um ihn thun, wenn er ganz zu Grunde ginge. –
Ihr Rath, lieber Freund, ist zu spät gekommen, Balder ist fort, Niemand weiß wohin. Ob er entflohen ist, ob er sich ermordet hat, alles ist ungewiß. – Ich weiß nicht, ob Sie sich noch so wie ehemals für ihn interessiren; wenn dis der Fall wäre, so würde mir diese Entfernung Ihrentwegen sehr schmerzhaft seyn. Er ist in den letzten Tagen zuweilen bis auf die höchste Stufe der Raserei gekommen, in einer Gesellschaft von Fremden hat er neulich alle mit den verächtlichsten Reden beschimpft, geschändet und endlich bewußtlos mit dem Messer nach ihnen gestochen. – Er ist zu beklagen, sein Tod wäre Gewinn für ihn. – Grüßen Sie Bianka und Ihre übrigen schönen Freundinnen von mir, nur keine von den spröden Tugendhaften, die uns so oft zur Last gefallen sind. – Leben Sie recht wohl und vergessen Sie Balder.
Du wunderst Dich gewiß über diesen Brief, besonders wenn Du bemerkst, von wo aus er datirt ist. Wundre ich mich doch selbst darüber, ich kann es Dir also nicht übel nehmen. Du hast mich nun gewiß spätestens in diesen Tagen in London vermuthet, und ich selbst war fest überzeugt, daß ich morgen dort seyn würde, und nun sitz' ich plötzlich hier auf
Die Entschuldigung, Mortimer, magst Du mir erlassen. – In Glasgow saß ich wochenlang in dem Hause eines alten Onkels, ohne zu wissen, wie ich die Zeit hinbringen sollte. – Wie wir uns gewundert haben! Ich dachte unaufhörlich an Emilien und an die Zukunft. Man wollte mich gern lustig haben, aber ich hatte al
Langeweile ist gewiß die Qual der Hölle, denn bis jetzt habe ich keine größere kennen gelernt; die Schmerzen des Körpers und der Seele beschäftigen doch den Geist, der Unglückliche bringt doch die Zeit mit Klagen hinweg, und unter dem Gewühl stürmender Ideen verfliegen die Stunden schnell und unbemerkt: aber so wie ich dasitzen und die Nägel betrachten, im Zimmer auf und niedergehn, um sich wieder hinzusetzen, die Augenbraunen reiben, um sich auf irgend etwas zu besinnen, man weiß selbst nicht worauf; dann wieder einmal aus dem Fenster zu sehen, um sich nachher zur Abwechselung aufs Sopha werfen zu können, – ach Mortimer, nenne mir eine Pein, die diesem Krebse gleich käme, der nach und nach die Zeit verzehrt, und wo man Minute vor Minute mißt, wo die Tage so lang und der Stunden so viel sind, und man dann doch nach einem Monate überrascht ausruft: Mein Gott, wie flüchtig ist die Zeit! Wo sind denn diese vier Wochen geblieben?
Endlich dacht ich an Dich und an London, an die Zerstreuungen dort, an alle die philosophischen Gespräche, die wir miteinander führen könnten: ich unterdrückte es gewaltsam, wenn mir auch diese Aussicht manchmal langweilig vorkommen wollte. Ich entschloß mich kurz, nahm von allen meinen Freunden und Bekannten zärtlichen Abschied, setzte mich zu Pferde, und ritt mit frischem Leben erfüllt davon.
Mein Herz schlug immer gewaltiger, je mehr Meilen ich auf Englischem Boden zurücklegte. Ei! dacht ich, ein paar Tage mehr oder weniger! und beschloß dicht vor Bonstreet vorüberzureiten, aber ja niemand da zu besuchen, es könne doch von ohngefähr seyn, daß ich Emilien durch das Gartenthor erblickte. Ich machte gar keinen Plan, wie ich mich nehmen würde, wenn dis der Fall seyn würde, denn ich handle sehr
Ich ritt so in Gedanken vertieft hin und näherte mich dem Landhause
Ich sprach den jungen Burton, den Vater und
Emilie scheint sehr auf sich Acht zu geben; ich kann manchmal nicht klug daraus werden,
Schreibe mir ja, denn sonst habe ich noch einen Vorwand länger hier zu bleiben, als ich sollte, weil ich dann noch auf Deinen Brief warten würde. – Eduard läßt Dich grüßen; er ist ein vortrefflicher, herzensguter Mensch, und der Vater ist wieder ganz freundlich gegen mich und dann wieder plötzlich fremde, abwechselnd wie Herbstwetter; ich habe schon diese Gesichter bei mehreren reichen Leuten gefunden, sie setzen mich leicht in Verlegenheit. – Lebe wohl und antworte bald.
Wenn du noch nicht bald des seltsamen Herumtreibens überdrüßig bist, so weiß ich nicht, was ich von Dir denken soll. Ich habe Dich schon sehnlich erwartet, so sehr, daß ich es erst jetzt erfahren habe, wie sehr Du mein Freund bist. Ich kann nichts rechts thun und denken, weil ich noch immer Deine Ankunft als einen Abschnitt ansehe, hinter welchem mein Leben von neuem beginnen soll. Oft ist es mir seltsam, daß Du nach einer so langen Entfernung nun wieder da seyn sollst; ich bin Dir schon vor dem Thore entgegen gegangen; ich laufe ans Fenster, wenn ich den Trab eines Pferdes höre. Tausend Ideen möcht' ich Dir gern mittheilen und Deine Meinung erfahren.
William Lovell ist sich selbst kaum mehr ähnlich, und es ist würklich seltsam, wenn man bedenkt, daß ein Mensch nichts Fremdartiges in sich hineinnehmen kann, und daß dieser Leicht
Manches stimmt mich oft recht melancholisch, so unrecht es auch seyn mag, wenn man es ist: der alte
Was ist es überhaupt für ein armseeliges Ding um das, was man gewöhnlich
Du wirst bemerken, daß ich hier vorzüglich von meiner Liebe zu
Die Seelen sind viel werth, die sich noch nicht ganz der Mode und der sogenannten Lebensart zum Opfer gebracht haben. Sie sind sehr selten, und man sollte sie darum köstlich achten.
Grüße Eduard Burton und komme bald nach London.
Ich bin Ew. Wohledlen für die Nachrichten, die mir Dieselben durch den jungen Fenton haben zukommen lassen, außerordentlich verbunden. Ich freue mich über den Eifer und über die Thätigkeit, mit welchem Sie unaufhörlich zu meinem Besten beschäftigt sind, ich gebe Ihnen von neuem die Versicherung meiner ewigen unveränderlichen Dankbarkeit. Ich bin überzeugt, daß Ihre Bemühungen nun bald sichtbarere Folgen haben werden, die bis jetzt ein ungünstiger Zufall immer noch zurückgehalten hat. Eilen Sie aber, damit meine Hoffnungen nicht immer nur Hoffnungen bleiben, damit ich endlich aufhöre, mit jedem Tage wieder meinen Genuß auf viele Tage aufzuschieben. Ich bin alt, und nicht mehr so für Hoffnungen gemacht, wie der jüngere Mann, die Unentschiedenheit ängstigt mich, und je gewisser ich meiner Sache zu seyn glaube, um so mehr Einwürfe und Zweifel fallen
Ihr
Gönner und Freund
Lord Burton.
Deine Meinung ist auch vollkommen die meinige. So sonderbar das klingen mag, wenn ein junger Mensch dies einem alten Manne sagt, so ist es mir doch wahrscheinlich, daß ich hierin recht habe. Es ist schwer, sich in den Standpunkt zu stellen, aus welchem ein Greis die Welt ansieht, allein gewiß nicht unmöglich. Ich finde es so wahr, was Du in Deinem neulichen Brief sagst, es ist so schwer und wieder so leicht, die Seelen der Menschen zu beherrschen, wenn man nur etwas die Fähigkeit besitzt, sich in die Gesinnungen anderer zu versetzen, ihre Verschiedenheiten zu bemerken, und dann Fassung und Gleichmüthigkeit genug zu behalten, um in keinem Augenblicke ihnen sein
So ging ich lange Zeit mit Lovell um, ohne daß er es wußte, ich sprach mich ganz in ihn hinüber, und er erstaunte nicht wenig über die Sympathie unsrer Seelen, und traute mir nun jeden seiner flüchtigsten Gedanken, jede seiner seltsamen Empfindungen zu. Diejenigen, die er nicht bey mir wahrzunehmen glaubte, hielt er bald von selbst für unreif und thörigt, dagegen fing er emsig einen hingeworfenen Wink von
Nichts ist dem Menschen so natürlich, als Nachahmungssucht. Lovell ward in einigen Monathen eine bloße Kopie nach mir. Jeder Ausspruch, jedes Wort, das wir für klug nehmen, rückt an der Form unsrer Seele, und so hat sich Lovell ganz von selbst die Philosophie erschaffen, die ich gern für ihn bilden wollte. Er ist feurig und lebhaft, daher ist es ihm nicht möglich, so wie viele Menschen thun, unentschieden zwischen zwey Meinungen zu stehn, und sich im Schwanken für keine zu interessiren. Was er für Wahrheit nimmt, ergreift er mit einem Eifer, wie der andächtige Enthusiast die Bildsäule der Madonne umfängt. Er verachtet jetzt tief alle Meinungen, die seinen jetzigen widersprechen, und die beste Art allen Rückfällen vorzubeugen, scheint mir die, ihn mit allen möglichen Einwürfen selber bekannt zu machen; nur stelle ich immer die guten und schlechten Ideen ganz neben einander, und indem er diese über
Die Eitelkeit ist gewiß das Seil, an welchem die Menschen am leichtesten zu regieren sind; sobald man es nur dahin bringen kann, daß sie sich ihrer gestrigen Empfindung schämen, handeln sie morgen gewiß anders; ein Freund oder Bekannter darf ihnen nur zu verstehen geben, was er für groß hält, und morgen suchen sie sich ihm in dieser Größe unvermerkt zu präsentiren. Die Sucht sich auszubilden, ist im Grunde nur die Sucht zu gefallen, und zu erst denen, die uns umgeben; so formt sich der Mensch wider seinen Willen, und steht am Ende seiner Wanderschaft schwer behangen mit einem Trödelkram erlogner Meinungen und Gefühle.
Dein Brief hat mir gefallen, weiter kann ich Dir gar nichts darüber sagen. Nicht eben deswegen, weil ich so ganz Deiner Meinung beytrete, oder weil ich glaubte, daß Du alles, was ich Dir neulich schrieb, ganz so, wie ich es wünschte, gefaßt habest, sondern weil ich in diesem Briefe
Du sprichst über die Eitelkeit gut und richtig, weil Du über Dich selbst sprichst. Es ist gar nicht nöthig, daß die Menschen aufrichtig sind, man findet ihre Meinung doch unter dem Wust von Lügen heraus. Aber glaube mir, daß bey Dir nur ein Paar Zufälle nöthig wären, um Dich aus Deiner Philosophie, oder Ueberzeugung, oder Stimmung (nenn es wie Du willst) herauszuwerfen. Die meisten Menschen gehören gern zu irgend einer Schule, alle Vorzüge und Vortrefflichkeiten ihrer Vorgänger ziehn sie dann stillschweigend auf sich, weil sie den Nahmen ihrer Anhänger tragen: sie haben es gern, wenn sie alle Meinungen und Empfindungen wie in einem Schema vor Augen haben,
Bey Lovell magst Du übrigens im Ganzen Recht haben, aber er ist auch unter den Menschen einer von denen, die ich die Scheidemünze nennen möchte. Er gehört nicht zu den freyen Geistern, die
Jeder Mensch ist im Grunde gescheidter wie der andere, nur will dies keiner von ihnen glauben. Die Ecke des einen greift in die Fuge des andern, und so entsteht die seltsame Maschinerie, die wir das menschliche Leben nennen.
Sie sind es schon gewohnt, liebe Emilie, meine uninteressanten Briefe zu lesen, ich habe also nicht viel zu besorgen, wenn ich Ihnen noch einmal schreibe. Es ist gewiß nicht Eitelkeit oder Stolz, wenn ich niemals von Neuigkeiten oder wichtigen Vorfällen, sondern immer nur von mir spreche, und von dem, was mir zustößt. Ich habe mich leider von Jugend auf daran gewöhnt, mich nur mit mir selbst und mit dem kleinen Zirkel zu beschäfftigen, der mich umgiebt. Wenn mir eine Krankheit meiner Eltern, eine Reise meines Bruders, oder das Unglück eines Freundes wichtig ist; so vergesse ich darüber die ganze übrige Welt, und weine oder freue mich, ganz für mich, wenn indeß auch in einem entfernten Erdtheile vielleicht eine ganze Nation untergeht.
Ach, liebe Freundinn, wenn ich doch bey Ihnen wäre, oder Sie bey mir seyn könnten!
Lovell hat mich vergessen, ich muß es mit jedem Tage mehr glauben, und alle Nachrichten von ihm bestätigen es. Ach und es ist auch recht gut, daß ich nicht eine Ursache mehr werde, seinem kranken Vater Kummer zu machen. Er kömmt mir jetzt nur vor, wie ein Bild aus einem Traume der Kindheit, schön und glänzend, aber entfernt und unkenntlich. –
Mortimer spricht oft über alle diese Gegenstände sehr klug, und überredet mich manchmal auf ganze Tage; nur sagt er denn zuweilen wie
Bin ich nicht thörigt? Was sagen Sie dazu, liebe, nachsichtige Freundinn? – Ich bin ein Kind, nicht wahr, das ist Ihre ganze Meinung? –
Ihre Briefe, theuerste Freundinn! sind mir um so lieber, je mehr Sie darin von sich sprechen. Ich wollte, ich könnte bey Ihnen seyn, oder Ihnen in Ihrer Lage Rath ertheilen, aber leider ist mir beides unmöglich. Das Herz des Menschen liegt mit dem Verstande so oft im Kampfe, heute scheint uns das thöricht, was uns gestern edel vorkam, daß ich eben so wenig sagen mag: Handeln Sie nach Ihrem Herzen – als: ziehn Sie die Vernunft zu Rathe.
Ihr Bruder ist jetzt hier, und will morgen abreisen, ich wünschte ich könnte ihn begleiten, statt daß ich ihm jetzt nur diesen unbedeutenden Brief mitgeben kann. Er hat mir viel von Ihnen erzählen müssen, viel von Ihren Kinderjahren und Ihren frühern Spielwerken; es giebt nichts Reitzenders, als die Kleinigkeiten genau kennen zu lernen, an denen sich schöne Seelen hinaufranken, um schön zu wachsen. Mit Wohlgefallen denke ich oft daran, welche Kindereyen
Mein Bruder läßt herzlich grüßen; o wir sehn uns gewiß und bald einmahl wieder! –
Mir scheint es, als zögen Sie sich jetzt, wenn Sie hier sind, mehr von mir zurück. Die Ursache davon kann ich nicht auffinden, und ich wünsche sehr, daß es nur Schein seyn möge.
Ich lebe hier in einem Taumel von einem Tage zum andern, ohne Ruhepunkt oder Stillstand fort. Mein Gemüth ist in einer ewigen Empörung, und alles vor meinen Augen hat eine tanzende Bewegung. Durchschwärmte Nächte und wiederholte Trunkenheit machen, daß mir die Welt ganz anders erscheint, nicht fröhlicher oder betrübter, aber weit seltsamer und unwichtiger. Man urtheilt nur denn über das Leben am richtigsten, wenn man im eigentlichen Sinne recht viel lebt, nicht nur den Becher einer jeden Freude kostet, sondern ihn bis auf die Hefen leert, und so durch alle Empfindungen geht, deren der Mensch fähig ist. – Mein Blut fließt unbegreiflich leicht, und meine Imagination ist angefrischt, und erstreckt sich auf alle Ideen des menschlichen Geistes.
Sie munterten mich ehedem auf, das Leben zu genießen, und jetzt sind Sie zurückgezogener als ich. Kommen Sie her, damit ich den verworrenen Rausch in Ihrer Gesellschaft genieße, und meine Sinne noch trunkener werden. Ich bin eben bey unsrer Signora Bianca gewesen, die das Muster der Zärtlichkeit ist, sie kann den theuren Rosa immer noch nicht vergessen, und spricht mit Enthusiasmus von ihm; Sie thun unrecht, das zärtliche Geschöpf so ganz zu vernachlässigen, Ich habe noch viele andre Grüße zu bestellen, die Sie mir erlassen mögen, genug, Sie stehn bey allen unsern schönen Bekanntschaf
Wer kann die unbegreiflichen Launen zählen und beschreiben, die im Menschen wohnen? Die seit einigen Wochen in mir erwacht sind, und aus meinem Leben das bunteste und wunderlichste Gemählde bilden? Frohsinn und Melancholie, seltsame Ideen in der ungeheuersten Verbindung, schweben und gaukeln vor meinen Augen, ohne sich meinem Kopfe oder Herzen zu nähern. Man nenne doch die schöne Erweckung der innersten Gefühle nicht
O Wein! du herrliche Gabe des Himmels! fließt nicht mit dir ein Göttergefühl durch alle unsre Adern? Flieht nicht dann alles zurück, was uns in so manchen unsrer kalten Stunden demüthigt? Nie stehn wir in uns selbst auf
Spotten Sie nicht, Rosa, wenn ich Ihnen sage, daß jetzt eben diese Gluth des Weins aus mir spricht: oder spotten Sie vielmehr, so viel Sie wollen, denn auch das gehört zu den Vortrefflichkeiten des Menschen. Ich fühle es jetzt lebhaft, wie alles, alles was mich umgiebt, in Einem Range steht. – Der Wein läßt mich
Ich durchschweife oft in meinen abentheuerlichen Stimmungen die Stadt, und labe mich in der magischen Nacht an den wunderbaren und räthselhaften Bildern der äußern Gegenstände. Oft schwebt die Welt mit ihren Menschen und Zufälligkeiten wie ein bestandloses Schattenspiel vor meinen Augen. – Oft erschein ich mir dann selbst, wie ein mitspielender Schatten, der kömmt und geht, und sich wunderlich geberdet, ohne zu wissen warum. Die Straßen kommen mir dann nur vor, wie Reihen von nachgemachten Häusern mit ihren närrischen Bewohnern, die Menschen vorstellen; und der Mondschein, der sich mit seinem wehmüthigen Schimmer über die Gassen ausstreckt, ist wie ein Licht, das für andere Gegenstände glänzt, und durch einen Zufall auch in diese elende lächerliche Welt hineinfällt.
Wie seltsam wird mir oft, wenn ich einem Mädchen nachfolge, die mich in ihre finstre enge Wohnung führt, wo ein Krucifix über dem Bette hängt, und die Bilder der Madonne und von Märtyrern neben Schminktöpfen und schmutzigen Gläsern mit Schönheitswassern; oder wenn ich im Gedränge von Lazaroni's und Handarbeitern in einer Herberge hinter einer andern stehe, und mit eben so vieler Andacht den pöbelhaften Späßen eines Pulicinello zuhöre, mit der ich ehedem den Shakspear sah. – Das Leben ist nichts, wenn man es nicht auf die
Leben Sie wohl, und kommen Sie nach Rom, es ist endlich Zeit, kommen Sie gleich nach Empfang dieses Briefes; ein wiederkehrender Freund erregt eben die Empfindung in uns, wie dem Kinde der wiederkehrende Frühling.
Jetzt
Nun läßt es mir hier keine Ruhe mehr, ich habe viel geweint, denn ich bin einmahl etwas weibisch, ich kann es immer nicht vergessen, und der junge Lovell kommt mir nun ganz an
Und sollt' ich zu Fuße nach England gehn, so muß ich jetzt fort, und sollt' ich heimlich wie ein Schelm fortlaufen, so kann ich nicht hier bleiben. Ach Bruder, stirb mir ja nicht vorher, denn sonst hätt' ich ja gar keine Freunde auf dieser Erde mehr, sondern lebe im Gegentheil recht wohl, bis Dich mündlich wiedersieht
Dein
armer Bruder
Du hättest immer noch hier bleiben können, und nicht mit der Eile die Bitte Deines Lovell zu erfüllen nöthig gehabt. Ich melde Dir nur, daß sich der junge
Könnt' ich doch eben so warm sprechen, und die Feder mit eben der Kunst der Ueberredung führen, wie Du! Aber alle Talente, die auch ehedem vielleicht in mir lagen, sind jetzt durch Deine Abtrünnigkeit von unserm Bunde gedemüthigt, ich fühle mich wie verstoßen und enterbt, und seh, indem ich schreibe, über die Wiese nach der mittägigen fernen Gegend, als wenn Du dort vom Hügel herunter kommen
Sollten wir denn nun wirklich ganz von einander gerissen seyn? Ach ja, es ist, denn ich erkenne in Deinem Briefe den Lovell nicht wieder, den ich ehemals liebte. Damals war Dein Leben und Deine Art zu fühlen, wie ein sanfter, leise murmelnder Bach, den meine Wellen mit einer stillern und unmusikalischern Melodie begleiteten – jetzt erscheinst Du wie ein Wassersturz, dem ich erschrocken aus dem Wege trete. Ach, William, ich gebe Dir ja zu, daß Du in manchen Rücksichten jetzt klüger seyn magst, als vordem, aber ich beschwöre Dich, kehre, wenn es möglich ist, zu jener kindlichen Einfalt zurück. Ach ja wohl,
Eine schwarze Ahndung geht mir durch die Seele, daß Du vielleicht den altväterischen lahmen Ton in meinem Briefe belachst, und mir mit einer neuen, noch frechern Dithyrambe antwortest. Aber wenn Du es nun deutlich bemerkt hast, wie vieles, was man wahr und
Hast Du wohl den wahren Gesichtspunkt, wenn Du jetzt mit so vielem Muthwillen, mit solcher verachtenden Ereiferung über Dein voriges Wesen sprichst? Wir sollten doch immer daran denken, daß jede unsrer jetzigen Meinungen mit einer früheren zusammenhängen
Was soll ich Dir sagen, William? Ich fühl' es, daß alle Worte vergebens sind, wenn sich der Gegner einer eigensinnigen, rechthaberischen Sophisterey ergeben hat, die am Ende doch nur einseitig ist. Diese mit der Leidenschaft verbunden ist der Syrenengesang, dem vielleicht kein Sterblicher widerstehen kann, wenn er nicht wie der griechische Held von der Unmöglichkeit zurückgehalten wird. Und es kann seyn, daß auch dann die giftigen Töne durch das ganze
Wenn Dir jetzt Amalie und ihre Liebe so abgeschmackt erscheint, in welchem Lichte muß dann unsre Freundschaft vor Dir stehn? War
Ueberlege, daß das Leben eines so reizbaren Geistes, als der Deinige ist, nur einer magischen Laterne gleicht, die an der Wand die bunten Gegenstände abspiegelt, die ihr vorgehalten werden: daß es nur Sinnenreiz ist, was aus Dir spricht, nicht die innere, durch Gefühl und Nachdenken gereifte Ueberzeugung. Gieb mir wenigstens zu, daß dies
Gieb Deiner Seele einmahl das traurige Fest, laß die wehmüthigen tragischen Empfindungen ungehindert zu Dir kommen, und denke recht lebhaft mich, Deinen Vater und
Wärest Du mir nicht zu wichtig; so könnte ich Dir noch von meinem und Deinem Vater manche Umstände schreiben, Dich auf manches vorbereiten, Dir zeigen, wie oft mit dem Un
Lebe wohl, lebe wohl, theurer William! antworte mir bald, und zeige mir, daß Du noch etwas von Deinem ehemaligen Gefühle für Deinen Eduard übrig hast. – Es ist mir ängstlich den Brief zu schließen, weil ich nicht weiß, ob ich Dich im mindesten überzeugt habe, aber ich kann kein Wort mehr hinzusetzen. In manchen Rechtshändeln des Lebens kann nur das Gefühl allein das Wort führen, ein Händedruck, eine Thräne ersetzt eine ganze Abhandlung, – ach und meine Thränen kannst Du ja nicht sehn, die Seufzer hab' ich nicht niedergeschrieben. – Lebe wohl. –
Ja, Freund, Geliebter, Einziger, ich will, ich
Ach Eduard, wenn ich nicht meinen Vater fürchtete, so flög ich jetzt nach England zurück, und stürzte als reuiger und beschämter Sünder vor Amaliens Füßen nieder, daß sie mir vergäbe, oder ich den Tod von ihrer Hand empfinge. –
Es ist wie Wetterleuchten am Horizont meines Lebens, – wie Klocken, die aus der Ferne den Götterlästerer zur Kirche und zur Strafe rufen. – Vergieb Du mir zuerst, mein Eduard, – ach, weiß ich denn nicht, daß, wenn mein Schicksal in
Möcht' ich wenigstens nicht wieder von diesem Taumel der Angst erwachen, die mich allmächtig ergriffen hat, – ach ich fühle schon jetzt die düstere entsetzliche Leere, die ihr folgen wird. – Lebe wohl, Theurester meiner Seele, und erquicke mich durch Deine Briefe, so wie Du mir durch diesen den letzten Muth entrissen hast.
Ich kann nicht weiter. –
Hochwohlgebohrner Herr,
Ich bin den Befehlen, die mir Ew. Gnaden neulich zukommen ließen, auf das treulichste gefolgt. So viel es von mir abhängen konnte, habe ich den Gang des Prozesses beschleunigt, und ich bin fest überzeuget, daß ich jetzt so viel gethan habe, als nur in meinen Kräften stand. Dieselben werden auch Ihre neulichen Briefe allbereits zurück erhalten haben, so daß ich den Befehlen, die Sie mir ertheilten, die genauste Folge geleistet habe.
Jetzt hat sich nun ein Vorfall ereignet, der den ganzen Prozeß in kurzer Zeit völlig beendigen könnte, aber leider zu Ew. Gnaden Nachtheil. Neulich saß ich noch spät in der Nacht in einem Zimmer auf dem Lovellschen Landgute, das mir der Lord eingeräumt hat, um dort zu
Ich würde es für Ungerechtigkeit halten, wenn ich nunmehr sogleich den Prozeß zu Lovells Vortheil beendigte, wie es jetzt allerdings nur eine Kleinigkeit wäre. Ich glaubte, ich sey es Ew. Hochwohlgebohrn schuldig, Denenselben zuvor wenigstens von dieser Begebenheit Nachricht zu ertheilen, um zu erfahren, ob Sie
Bis ich das Glück gehabt habe, Ew. Gnaden persönlich zu sprechen, bleibt dieser ganze Vorfall übrigens ein Geheimniß.
Daß ich es nicht am Diensteifer habe fehlen lassen, wird ein so scharfsichtiger Beobachter, als Ew. Herrlichkeiten sind, gewiß nicht zu bemerken unterlassen haben; wie sehr ihn Dieselben werden zu schätzen wissen, dies zu erfahren, hängt von der ersten mündlichen Unterre
Ew. Herrlichkeiten
treuergebenster Diener
Sie fragten mich gestern, was mir fehle. – Was hilft es mir, wenn ich nicht ganz aufrichtig bin. – Ich will es Ihnen gestehen, daß ein Brief des jungen Burton mir allen Muth und alle Laune genommen hatte. Die Vergangenheit kam so freundlich auf mich zu, und war so glänzend, wie mit einem Heiligenschein umgeben. Sie werden sagen: Das ist sie immer, und zwar aus keinem andern Grunde, als weil sie Vergangenheit ist. Aber nein, es lag noch etwas anders darin, ein Etwas, das ich nicht beschreiben kann, und das ich um alles nicht noch einmahl fühlen möchte.
Sie werden vielleicht die Erfahrung an sich gemacht haben, daß nichts uns so sehr demüthigt, als wenn uns plötzlich über irgend eine Sache oder Person die Augen aufgethan werden, die wir bis dahin mit Enthusiasmus verehrt, ja fast angebetet haben. Der nüchterne Schwindel, der dann durch unsern Kopf fährt,
Ich erinnerte mich jetzt der trübseligen Augenblicke, die mich so oft im heftigsten Taumel der Sinne ergriffen hatten; der widrigen Empfindungen, die so oft schon mein Herz zusammenzogen, so vieler Vorstellungen, die mich unabläßig wie Gespenster verfolgt hatten. – Wozu bin ich so umständlich? Blos um Ihnen zu zeigen, wie aufrichtig ich bin; ich weiß, Sie werden meine Schwäche verachten, aber dem Freunde muß man keine Thorheit verbergen. Heilen Sie mich von meinen Albernheiten, und
Doch ich eile zu einer Begebenheit, die wichtiger ist, und die mich im Grunde schon alles hat vergessen lassen. Ich versuchte meinen Lieblings, Zeitvertreib, der mich am ersten tröstet; ich streifte in der Dämmerung durch enge und unbekannte Gassen; ergötzte mich, wenn ich einer Kirche vorbeygieng, an dem Gedanken, daß ich jetzt mitten in der Stadt gehe, deren Nahme mir in den Knabenjahren so schön und abentheuerlich geklungen hatte. Ich verirrte mich endlich in den kreuzenden Straßen, und gerieth, als es schon ziemlich spät war, an die Porta Capena. Ich gieng hindurch.
Sie kennen dort vor dem Thore die seltsamen und an manchen Stellen schauerlichen Ruinen. Es ward dunkler, und ich fürchtete mich endlich; ich erinnerte mich eines Menschen, von dem ich glaubte, ich weiß aber nicht warum, daß ich ihn nothwendig hier treffen müßte. Ich wollte umwenden, und sah seitwärts einige kleine unbedeutende Hütten in einer ziemlichen Entfernung; in einer von diesen brannten die Fenster hell und freundlich. Ich hatte einen unwi
Ich stand wie bezaubert, und vergaß ganz, wo ich war. Mein Ohr folgte den Tönen, und mein Auge jeder, auch der unmerklichsten Bewegung des Mädchens. Ich sah wie in eine
Die Lautentöne waren jetzt verstummt, und als ich endlich wieder näher trat, sah ich eben die Alte durch eine kleine Thür in die angränzende Kammer wanken. Das Mädchen stand mit herabrollenden Locken in der Mitte des Zimmers, und löste halbschläfrig das Busentuch auf. – O Rosa, ich habe bis jetzt noch gar kein Weib gesehn, ich habe nicht gewußt, was
Ich fuhr wie aus einem Traume auf; wie man im Bette nach dem Gegenstande faßt, von dem man geträumet hat, so sah ich mich betäubt nach allen Seiten um, sie zu entdecken. – Wie öde kam mir alles umher vor! Die Bäume erschienen mir wie Ruinen, nur das kleine Haus war für mich bewohnt und freundlich. – Ich taumelte in die Stadt, und träumte die ganze Nacht nur von dem schönen unbekannten Mädchen.
Heute am Morgen war mein erster Weg durch die Porta Capena. Es war mir schwer, die Häuser zu entdecken, so verdummt war ich gestern. Endlich fand ich sie auf. – Aber es war mir doch alles anders. Ein kleiner Garten, fast nicht größer, als mein Zimmer, ist neben dem Hause mit einem bäuerischen Staket
Sie verlangen also durchaus und unbedingt meine Meynung? – Nun gut, so kann ich nichts weiter thun, als Ihnen sagen, wie ich an Ihrer Stelle handeln würde. Ich darf Sie wohl nicht erst daran erinnern, liebe Freundinn, daß das im Grunde sehr wenig gesagt ist, denn der wichtigste Umstand ist eben der, daß Sie nicht
Lovell hat Sie gänzlich vergessen, und Mortimer liebt sie: beides gestehn Sie selber ein. Mortimer kann durch Sie glücklich werden, Lovell nicht mehr: Sie schätzen Lovell nicht mehr, wie ehedem, sondern lieben im Grunde Mortimer aufrichtiger, als ihn; – mich dünkt, hier sollte keine lange Untersuchung der Frage entstehen: Was zu thun sey? Die Erinnerungen, die Sie quälen, sollten Sie vielmehr durch Ihre Vernunft unterdrücken, als ihnen nachhängen;
Schelten Sie mich keine Vernunftschwätzerinn, liebste Freundinn, ich sage nur, wie ich denke, und denke vielleicht nur so, weil ich die Erfahrungen nicht gemacht habe, mit denen Sie bekannt geworden sind: ich bin auch vielleicht weniger reizbar, ich habe vielleicht nie geliebt, – kurz, ich kann am Ende nur meine bisher gesammelten Ideen vortragen, und das Lächerliche liegt blos darin, daß ein Frauenzimmer so ernsthaft und zusammenhängend schreiben will. Meine Amalie wird dieses Vorurtheil nicht haben, und Ihre herzlichste Freundinn daher billiger beurtheilen.
Aber wenn Sie nun einen schätzbaren und verständigen Mann durch Ihre Hand würklich
Mein Vater hat eine Geschäfftsreise nach London gemacht, ich glaube, er wird Sie und Ihren Bruder besuchen.
Leben Sie recht wohl, und nehmen Sie meinen Brief ja nicht wichtiger, als er seyn soll. – Grüßen Sie Ihren Bruder.
Mit Erstaunen hab ich von Deiner Schwester gehört, daß Du schon wieder, und zwar von neuem nach Bonstreet gereis't bist! O du unsteter Landstreicher! Möchtest Du doch auch erst einen Ort gefunden haben, wo Du Lust bekämest, Dich anzusiedeln. So bist Du mir nun schon wieder entlaufen, ehe ich noch angefangen habe, Dich recht zu genießen.
Wünsche mir Glück, Karl, denn alles was ich wünschte, ist nun in Erfüllung gegangen. Deine Schwester hat sich plötzlich entschlossen; sie will die Meinige werden. Ich danke Gott, daß es endlich so weit gekommen ist. – Die Verlobung ist bey Deinen Eltern gestern gefeyert, und in einem Monathe ohngefähr zieh ich nach dem kleinen Landgute in der Nähe von Southampton, und seyre dann meine Hochzeit mit Amalien. – Ich versetze mich schon ganz in die stillen häuslichen Scenen, und erträume mir nicht das Glück aus einem Feenlande, son
Mein Landhaus liegt angenehm, und hat umher die reizendsten Spatziergänge, ich will nun dort nach meinem Herumstreifen den ländlichen Freuden leben.
Was Deine Schwester so plötzlich bestimmt hat, weiß ich nicht. Meine ausdauernde Liebe, mein Gefühl, das sich immer gleich blieb, scheint sie endlich überzeugt zu haben, daß nur dies die wahre Liebe sey. – Ich habe Dir heute nichts mehr zu sagen. Lebe wohl.
Ja wohl bin ich wieder Dir und der Stadt entlaufen. Aber ich verdiente auch wahrhaftig nicht den unbedeutendsten Blick von Emilien, wenn ich eine so schöne Gelegenheit ungenutzt gelassen hätte. – Du weißt, daß der alte Burton seines Prozesses wegen in London war: da er grade einige Häuser in der Nachbarschaft besuchte, kam er auch zu uns. Er war außerordentlich vergnügt, und dann sind die Menschen gewöhnlich höflich und freundlich; er ließ sich mit mir in ein weitläuftiges Gespräch ein, und da ich ihm unter andern erzählte, ich hätte schon längst die schönen Seen in Northumberland besuchen wollen; so schlug er mir vor, es jetzt beym schönsten Frühlingswetter zu thun, und ihn bis Bonstreet zu begleiten. Ich versprach es, ohne mich zu bedenken, und mußte Wort halten; und so rollte ich schon am fol
Und wie vergnügt bin ich darüber, daß ich nicht ein so großer Narr gewesen bin, zurück zu bleiben. Emilie freute sich sehr, als sie mich so unerwartet wiedersah. Wir haben viel mit einander gesprochen, wir sind sehr zärtlich gewesen, und es kömmt mir nun ganz närrisch vor, daß ich ordentlich wieder abreisen soll. Indessen darf ich doch nicht zu lange hier bleiben, um mir kein Dementi zu geben, ich muß sogar nach Northumberland reisen, um dem Lord und allen Menschen nicht wie ein Narr vorzukommen.
Wie manches in der Welt muß man nicht blos andern Leuten zu Gefallen thun! – Indeß mag auch dies unangenehme Geschäfft noch vorübergehn, wie so viele andere; es ist hier schön, ich will die paar Tage, die ich hier zubringe, recht geizig genießen, und für die Zukunft den Himmel sorgen lassen. Denn wie es am Ende noch mit meiner Liebschaft ablaufen soll, kann ich wahrhaftig nicht einsehn.
Wer weiß aber, wie wunderbar sich manchmal alles fügt! – Ich habe Leute gekannt,
Aus den Bergen in Northumberland erhältst Du wieder einen Brief von mir.
Ich bin Ihrem Rathe gefolgt, liebste Freundinn, um nur endlich der marternden Unruhe los zu werden. Ich bin mit Mortimer verlobt, und fühle mich recht froh und leicht. – Sie haben recht, es sind meistentheils nur kränkliche Einbildungen, mit denen wir uns ängstigen, Sorgen, deren zehnter Theil nur aus Wirklichkeit besteht, das übrige ist Traumgestalt. Ich denke mir jetzt mein zukünftiges Leben recht schön und froh. Mortimer ist weit herzlicher, als ich je von ihm geglaubt hätte, denn er freute sich über meine Einwilligung so sehr, daß es mich bey einem so gescheuten Manne ordentlich überraschte. – Er findet mich gewiß viel zu gut und verständig, ich weiß es zu gut, daß ich kindisch und voller Thorheiten bin: ach, wenn er sich nur nicht so mit mir betrogen findet, wie ich mich an Lovell geirrt habe.
Doch, ich wollte ja nicht mehr an ihn denken. Ich soll mich ja mehr in meiner Gewalt haben, wie Sie mir selbst gerathen haben. Ich finde auch, daß ich es so ziemlich gelernt habe; nur manchmal widerstreben mir thörichte Erinnerungen. – O ich werde gewiß, auch wenn ich zuweilen an Lovell denke, an Mortimers Seite glücklich seyn. – Er kömmt mir jetzt immer vor, wie ein gestorbener Bruder, und ich muß noch manchmal weinen, aber es sind nicht mehr die brennenden Thränen, die ich ehemals vergoß.
Sie sehen, daß ich immer bleibe, wie ich war. Ich habe Sie schon oft um diesen schö
Mein Bruder hat Ihren Vater nach Bonstreet begleitet, und mich dünkt, ich habe die Ursache errathen. – Sind Sie gar nicht begierig, sie zu wissen? – Doch still, ich darf wohl über meine, aber nicht über die Geheimnisse andrer Leute schwatzen. Das letztere ist unerlaubt, wenn das erste nur kindisch ist.
Sie dauern mich mit Ihrer neuen Liebschaft. Rosaline mag nach Ihrer Beschreibung ein ganz hübsches Mädchen seyn, aber Sie sind und bleiben doch wahrhaftig ein Schwärmer. – Und die Noth bekannt mit ihr, und von ihr erhört zu werden! – Lieber Lovell, haben Sie denn Ihren ganzen Cursum mit so geringem Nutzen gemacht? – Es ist höchst unrecht, daß Sie noch von irgend einem Mädchen können in Verlegenheit gesetzt werden!
Wenn Sie einmal so sehr von ihr entzückt sind, so müssen Sie alles versuchen, ihr näher zu kommen. Es giebt nichts verdrießlichers, als Leute zu sehn, die ein Gut über alles wünschen, und nicht die kleinsten Mittel anwenden, seiner habhaft zu werden. Ich wollte, ich könnte Troclus seyn, um meinen armen Pandäus zu
Nehmen Sie meinen Brief nicht übel, ich bin hier durch einen Zufall in eine Stimmung versetzt, in welcher mir Ihre Anbetung eines kleinen unbedeutenden Mädchens nothwendig kindisch erscheinen muß.
Wenn mancher von unsern armseligen Bekannten dies Billet sähe, würde er mich mit hochweiser Miene Ihren Verführer nennen, und Wunder meinen, wie viel er dabey dächte. Ich höre von so manchen Menschen dies unschuldige Wort auf so unschuldige Leute anwenden, daß ich jetzt immer darüber lachen muß. Es giebt keinen größern Unsinn, als zu glauben, daß der Verstand auf unsre Gefühle und Handlungen Einfluß habe, und nun gar, daß eine fremde Idee jemals die meinige werden könne, wenn ich sie nicht schon vorher gehabt habe. –
Es ist alles vergebens. Ich bin mir in meinem Leben noch nicht so einfältig vorgekommen, als seit einigen Tagen. – Oder sollte das seltsame Ding, was in einem Lande Schande, im andern Ehre bringt, woran keiner glaubt, und wogegen die ganze Natur sich empört, – sollte die sogenannte
Spotten Sie übrigens, wie Sie wollen, es ist gewiß ein himmlisches Geschöpf!
Ich bin Dir noch die Nachricht schuldig, daß ich mich jetzt besser befinde, und daß ich nunmehr bey kälterem Blute Deinen Brief gründlicher zu verstehen glaube. Was Du gegen meine Ideen sagst, ist sehr wahr und gegründet; allein jeder Mensch hat seine eigene Philosophie, und die langsamere oder schnellere Cirkulation des Blutes macht im Grunde die Verschiedenheit in den Gesinnungen der Menschen aus. Daher hast Du in Deiner Person völlig Recht, und ich in der meinigen nicht Unrecht. Das ist eben das Hohe in der menschlichen Seele, daß sich ihr einfacher Strahl in so unendlich mannigfaltige Farben brechen kann; ich gebe Dir zu, daß keine von allen die wahre sey, aber eben so wenig kannst Du behaupten, jene ist ganz verwerflich, weil jedes Auge jede Farbe anders sieht, und Du das vielleicht Blau nennst, was mir als Roth erscheint.
Schilt mich nicht wieder einen Sophisten, denn ich will nun einmal recht kalt und gemäßigt sprechen. – Denke Dir den Fall, daß man einen guten unbefangenen Menschen nach und nach so betäubt, daß er unvermerkt in irgend eine Handlung hineintaumelt, die unsere strengere Moral nicht gut heißen kann; bey diesem Umstande ist nur
Aber unmöglich kann mein verständiger Eduard
Freundes
zärtlicher Freund
Lieber Sohn,
Ich weiß nicht, ob Du noch immer auf Deinen unglücklichen Vater zürnest, Deine sparsamen und wortkargen Briefe lassen es mich befürchten. Ich habe Dir bis jetzt unausgesetzt das verlangte Geld geschickt, ohne bisher ein Wort darüber zu verlieren, ob Du gleich in jedem Vierteljahre mehr als im vorigen gebraucht hast. Du findest hierbey auch den Wechsel, den Du so ungestüm gefordert hast; nur zwingen mich diesmal die äußern Umstände, einige Worte hinzuzufügen, die Dir und mir gleich unangenehm seyn müssen.
Ich habe seit mehrern Jahren nur in Dir und in der Aussicht einer schönen Zukunft gelebt: aber seit einem halben Jahre hat sich Dein Herz von Deinem Vater abwendig gemacht; ich wüßte kaum, daß Du noch lebtest, wenn Deine Briefe, in denen Du mich, wie ein ungestümer
Wenn Du aus diesem Briefe schließest, daß ich wieder krank bin, so irrst Du nicht. Ich bin es, und vielleicht gefährlicher, als je. Ich fühle die Lebenskraft gleichsam nur noch tropfenweise durch meinen Körper rinnen, darum kehre bald nach England zurück, theurer Sohn, damit ich Dich noch wiedersehe, und mir wenigstens noch Ein Glück auf dieser Erde übrig bleibt.
Ich kann nicht umhin, meine anfängliche Drohung zu erfüllen, denn Du mußt ja doch einmal alles erfahren. Meine schöne erträumte Zukunft, der Glanz unsers Hauses, Deine Größe, – alle meine Hoffnungen sind dahin, und auf ewig zernichtet! – Ich habe meinen Prozeß verlohren, und
Burton besuchte mich schadenfroh einige Tage vorher, ehe das Urtheil meines Prozesses gesprochen ward. Er war ungewöhnlich freundlich, er betrachtete das Haus und den Garten aufmerksam, schon als sein Eigenthum, – und ich will ihm auch mein hiesiges Gut verkaufen, um nicht in der Nähe von London zu leben.
Tröste Dich, mein Sohn, und wenn Du vielleicht von diesem Schlage weniger getroffen seyn solltest, als ich, so versuche Deinen Vater zu trösten. Ich ziehe in zwey Wochen von hier
Daß Du jetzt weniger Aufwand machen mußt; daß es das letztemal ist, daß ich Dir einen so ansehnlichen Wechsel schicke, brauche ich wohl nicht erst hinzuzufügen. – Ach mein Sohn! stände Dein Glück in
Ich habe mancherley Nachrichten aus England, die mich interessiren sollten, allein ich kann einzig an die schöne Rosaline denken. Himmel! welch ein Mädchen! Ich sehe unaufhörlich die hellen braunen Augen vor mir, ich kann nichts anders denken, als ihren Gang und ihren schlanken Wuchs. Ich habe sie seitdem mehr als einmal gesprochen; aber alles ist vergebens. Sie hat eine Menschenscheu, die unüberwindlich ist, sie geht mir aus dem Wege, und wenn ich vor ihr stehe, schlägt sie die Augen zur Erde, und sieht mich nicht einmal an. – Es ist, als wenn ich zu dem Mädchen hingezaubert wäre, ich habe noch nie ein Geschöpf mit dieser Heftigkeit, ich möchte sagen, mit diesem Wahnsinne geliebt. So wie ich nur die Augen schließe, steht sie vor mir; ich bin seit einigen Tagen wie verrückt.
Ich mag weder Bianka noch Laura sehen; jedes andre Mädchen erscheint mir langweilig
Ich habe jetzt eine Idee, die sich gewiß ausführen läßt, und die mir ganz ohne Zweifel weiter hilft. – Nächstens ein mehreres davon; dann will ich Ihnen alles weitläuftig auseinander setzen. Ja es soll förmlich der intriguante Plan einer Komödie werden.
O wie lebt man anders, wenn man ein Wesen kennt,
Ich bin jetzt hier, Thomas, so Gott will, etwas besser dran, darum werde ich auch wohl noch eine Zeitlang hier bleiben. Mit meinem Herrn steh ich wieder auf einem recht guten Fuß, er hat mir alles ganz ordentlich abgebeten, und er ist seit etlichen Tagen weit freundlicher mit mir, als er Zeit seines Lebens gewesen ist. Es ist gar nicht möglich, Thomas, daß man auf ihn recht böse seyn kann, ich habe sogleich alles vergessen und vergeben. – Mir ist wieder ganz wohl und leicht, aber doch gar nicht so, wie im vorigen Jahre, ich reise doch sobald als möglich fort, ich kann nicht hier bleiben.
Sieh, Thomas, die ganze Geschichte hat, so wie man zu sagen pflegt, ihren Haken. Mein Herr ist da vor dem Thore einem Mädchen gut, da wohn ich jetzt, – ach, nein Thomas, glaube nichts Böses von mir. Ich kann wahrhaftig nicht dafür, daß ich es meinem Herrn versprochen habe, daß ich mich so sehr
Nun wohn' ich hier vor dem einen Thore recht hübsch, recht wie auf dem Lande, und mir ist manchmal, als wenn ich in Bonstreet wäre. Aber ich weiß doch auch recht gut, daß es nicht ganz recht ist, und ich gräme mich in manchen Stunden recht sehr darüber, daß ich den Schritt gethan habe; aber der Mensch ist doch ein gar zu schwaches Geschöpf, und denn bin ich meinem Herrn Lovell gar zu gut, als daß ich ihm was abschlagen könnte, wenn er mich so recht herzbrechend darum bittet. – Je
Lebe wohl, lieber Bruder. Du hast mir lange nicht geschrieben, thu es doch nächstens einmal wieder, und sage mir Deine Bedenklichkeiten darüber, und wie man es ändern müßte. – Bis dahin lebe wohl.
Ich habe Ihnen seit einigen Tagen keine Nachrichten gegeben, weil ich so vielerley einzurichten und zu besorgen hatte, daß mir wirklich keine Zeit übrig blieb.
Ich habe nach vielen Umständen meinen alten Willy beredet, in die benachbarte leerstehende Hütte neben Rosalinen einzuziehen; dort gilt er für meinen Vater, einen alten Venetianer, der hieher gekommen ist, um in Rom sein dürftiges Auskommen zu finden. Ich heiße Antonio. – Ich bin nun den größten Theil des Tages in einer gemeinen Tracht, die mich recht gut verstellt, bey Willy. Wir haben schon mit unsern Nachbarinnen Bekanntschaft gemacht, die gegen Leute, die, so arm wie sie scheinen, außerordentlich zuvorkommend sind. So ist alles im schönsten Zuge, und ich verspreche mir den glücklichsten Fortgang.
Was das Mädchen närrisch ist! Sie hat nun schon viel mit mir gesprochen, und ist außer
Wenn ich ein Mahler wäre, schickt' ich Ihnen ihr Bild, und Sie sollten dann selbst entscheiden, ob ich wohl zu viel von ihr spreche. Wie versteinert betracht' ich oft die reizendste Form, die je aus den Händen der schaffenden Natur gieng, den sanften, zartgewölbten Busen, der sich manchmal bey einer häuslichen Beschäfftigung halb enthüllt, den schönsten kleinen Fuß, der kaum im Gange die Erde berührt. – O weh! ich bemerke, daß ich wörtlich wiederhole, was schon die abgeschmacktesten Dichter gesagt haben.
Ich lebe hier gewiß so romantisch, als es nur möglich ist; es kommt mir oft gar nicht vor, wie ein ordentliches Leben auf dieser Erde. Einen großen Theil des Tages bin ich in der kleinen Hütte, und sehe Rosalinen im kleinen Garten arbeiten; ich sehe in der Ferne Leute, die stolz vorüber fahren und reiten, und ich bedaure sie, denn sie kennen Rosalinen nicht; sie jagen mühsam nach Vergnügen, und denken nicht
Es thut mir leid, wenn ich fortgehen muß, um zu thun, als wenn ich irgendwo arbeitete. Einmal habe ich schon auf den einsamen Spatziergängen, die ich dann mache, die Alte getroffen, die in einem Korbe dürre Reiser sammlete. Ich muß mich also in Acht nehmen, und ich kleide mich daher oft bey Willy um, und schleiche mich nach der Stadt.
Mir ist alles dürre und unangenehm, jedes Gesicht widrig. Und warum liebt sie mich nicht
Sie fangen an mit Ihrer Geschichte recht amüsant zu werden. Es ist ja alles so schön, wie man es nur im besten Romane verlangen kann. Ich wünsche Ihnen Glück, denn es ist gewiß, daß nichts uns unser trocknes, prosaisches Leben so poetisch macht, als irgend eine seltsame Situation, in die wir uns selber versetzen. Im Grunde besteht unser ganzes Leben nur aus solchen Situationen, und ich tadle Sie daher gar nicht, wenn Sie sich Ihre Empfindungen so lebhaft als möglich machen. Fahren Sie nur fort, eben so aufrichtig gegen mich zu seyn, als bisher, so werden mir Ihre Nachrichten viel Vergnügen machen. Seyn Sie aber auch, wenn es irgend möglich ist, aufrichtig gegen sich selbst: denn sonst entsteht am Ende eine gewisse fade Leere, die man sich mit Enthusiasmus auszufüllen zwingt; dies sind die widrigsten Epochen des Lebens. Man quält sich dann, das Interesse noch an denselben Gegenständen zu finden, weil
Rom.
Es ist gewiß, daß man unter unschuldigen Menschen selbst wieder unschuldig wird. Jetzt kommen mir manche meiner Ideen zu gewagt vor, die mir sonst so natürlich schienen; ich bin hier in der kleinen Hütte demüthiger, ja ich fühl' es, daß ich ganz einer von den Menschen werden könnte, die ich mir bisher gar nicht deutlich denken konnte; die in einer engen dunkeln Stube geboren, nur so weit ihre Wünsche richten, als sie um sich sehen können; die mit einem Gebete erwachen und schlafen gehen, Mährchen hören und im Stillen überdenken, mit einem dumpfen, langsamen Fleiße eine Handarbeit lernen, und nichts so sehnlich als den Abend und die Schlafstunde erwarten. O Rosa, wenn man dies Leben näher kennen lernt, so verliert es sehr viel von seiner drückenden Beklemmung. Wir machen aus unserm Leben so gern Ein ununterbrochnes Vergnügen, und suchen Unannehmlichkeiten mühsam auf, um die Freude durch
Wenn ich in meinem kleinen Besitzthume jetzt auf, und abgehe, über das Feld und nach der Stadt hinüber sehe, Rosalinens Stimme von neben an höre, und ich mich so recht ruhig und glücklich fühle, der Tag ohne Verdruß und Widerwillen sich schließt; so komme ich manchmal auf den Gedanken, in dieser Lage zu bleiben, hier ein Bauer zu werden, und das reinste, frischeste Glück des Lebens zu genießen. – Vielleicht bliebe ich hier immer froh und zufrieden, – vielleicht! – ach, die Wünsche, die Neigungen des Menschen! – Welcher böse Genius hat diesem Bilde, als es vollendet war, so viel der widersprechenden Triebe beygemischt!
Doch hinweg davon. O Rosa, nennen Sie mir ein Schauspiel, das dem an Reiz gleich
Wenn ich ihr gegenüber sitze, – o wie Feuer weht mich ihr Athem an! Ich habe ihr schon an den Busen stürzen wollen, und diese Reize mit unzähligen Küssen bedecken; ich träume oft so lebhaft vor mir hin, daß ich nachher ungewiß bin, ob ich es nicht schon gethan habe. Es reißt mich eine unbekannte Kraft zu ihr hinüber, die Töne ihrer Laute klingen mir oft schmerzhaft im Kopfe nach – und bald, bald muß es sich ändern, oder ich verliere den Verstand.
Der Arme, er merkt nicht, daß es schon geschehn ist! werden Sie ausrufen. Sie sehn, daß ich Ihnen selhst die Waffen gegen mich in die Hand gebe. Ach ich mag an keine witzigen Einfälle denken, ich mag mir nicht meine heißen
Als ihre Mutter neulich schlafen gegangen war, und ich mit ihr vor der Thüre saß, entdeckt' ich ihr meine Liebe. Sie war gerührt und zärtlich, und sagte mir sehr naiv, daß sie schon einen Bräutigam habe, und mich daher nicht lieben dürfe, wenn sie auch herzlich gern wolle. Es ist ein armer Fischer, der jetzt einer kleinen Erbschaft wegen zu Fuße nach Calabrien gegangen ist; sie beschrieb ihn mir sogleich, und gestand mir ganz unverholen, daß er so hübsch nicht sey, als ich. Dasselbe Mädchen, das mich vor einigen Wochen keines freundlichen Blickes würdigte! O ihr Menschenkenner, wann werdet ihr das Herz der Weiber ergründen können!
Sie rührte mich, als sie mir die Einrichtung ihrer künftigen kleinen Wirthschaft beschrieb. Wie beschränkt sind die Wünsche dieser Menschen! Wenn ich an meine Verschwendung denke, wie ein weggeworfner oder verspiel
Sie ist sich mit ihren dunkeln Trieben selbst
Ich habe neulich in der Ferne für mich ein paar schalkhafte italiänische Liedchen gesungen, und ich ertappte sie gestern, wie sie eben, wie unwillkührlich, die ersten Takte griff, und den Anfang sang. – Plötzlich hielt sie inne, ward ohne zu lachen roth, und legte die Laute fort, gleichsam wie eine gefährliche, nicht genug verschwiegene Freundinn. – Ich kenne nichts schöners, als diese ungeschminkte Natur zu studiren; o sie wird, sie muß die Meinige werden! – Stammelnd hab' ich ihr die Ehe versprochen, und, das weiß Gott! wenigstens halb im Ernst. –
So eben seh ich sie vor die Thüre treten, ich gehe zu ihr; – leben Sie wohl.
Du bist schon wieder fort, Lieber, und ich glaubte Dich so gewiß zu treffen. Ich ließ Dich gestern gern die Laute mitnehmen, und that, als merkt' ich es nicht, weil ich sie heut wieder abholen wollte. – Du böser Mensch! mich vergebens kommen zu lassen! – Dein Vater sieht immer so verdrießlich aus, ich glaube, es will ihm noch gar nicht bey uns gefallen: ich scheue mich vor ihm, weil er mich immer so ernsthaft ansieht. – Komm doch ja heut Abend, ich will Dir ein neues Lied spielen, das ganz wie auf Dich gemacht ist. Komm ja und bleib hübsch lange. Die Abende sind jetzt so schön, und wir wollen denn noch mit einander singen. Aber Du mußt nicht wieder böse werden, ich will ja auch kein Wort wieder vom armen Pietro sprechen.
Nein, Liebe, sprich nicht wieder von ihm, denn sein Nahme geht mir immer wie ein Dolchstoß durch's Herz. Ich hoffe immer noch, daß er nie wieder zurück kommen wird; wer weiß was ihm begegnet ist, da er gar keine Nachrichten von sich giebt. – Thut es mir nicht selber weh, daß ich so oft von Deiner Seite muß? Du hättest mich aber gewiß getroffen, wenn ich daran gedacht hätte, daß Du kommen könntest.
O Rosaline, laß die Gesänge, die den kranken Rest meines Herzens zerschmelzen, und meine Seele ganz mit sich nehmen. Leb' ich nicht schon ganz bey Dir, nur allein in Deiner Gegenwart? Keine Arbeit will mir jetzt von der Hand gehn, da ich immer nach der Gegend hinsehe, in welcher Dein Haus steht. – Ach, wenn Du mich doch so lieben könntest, wie ich Dich liebe! o Rosaline, welche Aussicht würde sich mir eröffnen! – O ja, ja, singe das Liedchen, wenn es so wie auf mich gemacht ist,
Und warum wurdest Du denn nun doch so verdrießlich, als ich gestern das Liedchen sang? – Was willst Du von mir? – Seh ich Dich nicht gern kommen und ungern fortgehen? Denk' ich nicht fleißig an Dich? Hab' ich nicht gestern die versprochenen Küsse gewissenhaft abbezahlt, und sogar noch einige, ich weiß nicht wie viel, mehr gegeben? Was kannst Du denn noch verlangen? – Aber Du machst mich immer mit traurig, und ich weiß gar nicht, was ich Dir zu Gefallen thun kann; Dir ist nichts recht, und Du weißt gewiß selbst nicht, was Du willst. – Siehst Du, ich kann auch einmal böse werden, aber gewiß nur jetzt, nicht, wenn ich Dich vor mir sehe, dann hab' ich alles vergessen, worüber ich klagen könnte.
Meine Mutter hat heute schon ein ernsthaftes Gespräch mit mir gehabt, ich soll nicht so viel bey Dir seyn, hat sie gesagt. Ich seh aber nicht, warum. Sie ist alt und ein wenig eigensinnig, fast so ein Gemüth, wie Dein Va
Auch mit Deinem Vater bist Du nicht recht gut, der meint es mit seinen Ermahnungen doch gewiß sehr rechtschaffen. Mach' es, wie ich, ich lasse meine Mutter oft lange reden, und thu, als hör' ich ihr zu, und denke unterdessen an Dich.
Aber wie viel hab ich nun an Dir getadelt! Ach glaube nur nichts davon, das ist grade so, als wenn ich ein Lied von bösen Menschen singe, ich kann immer nicht daran glauben. Ich habe meine Altklugheit nur vom Hörensagen. – Noch eins, sey heut Abend etwas artiger, als gestern, denn sonst werd' ich noch den Hund abrichten, daß er Dich beißen soll. – Adieu, und komm hübsch früh.
O Rosa, warum bin ich nicht zufrieden und glücklich? Warum bleibt ein Wunsch nur so lange Wunsch, bis er erfüllt ist? Hab' ich nicht alles, was ich verlangte? und dennoch werd ich immer weiter vorgedrängt, und auch im höchsten Genusse lauert gewiß schon eine neue Begierde, die sich selbst nicht kennt. Welcher böse Geist ist es, der uns so durch alle Freuden anwinkt? Er lockt uns von einem Tage zum andern hinüber, wir folgen betäubt, ohne zu wissen, wohin wir treten, und sinken so in einer verächtlichen Trunkenheit in unser Grab. Ich schwöre Ihnen, daß mir in manchen Momenten aller Genuß der Sinne verabscheuungswürdig erscheint, daß ich mich vor mir selber schäme, wenn ich diese holden Züge betrachte, diese Unschuld, die sich auf der weißen reinen Stirn abspiegelt; es ist mir manchmal, als wenn mich eine Gottheit durch ihre hellen Augen anschaute, und ich erröthe dann wie ein Knabe.
Und was ist denn nun von einer andern Seite mein ganzes ängstliches Gefühl? Wozu alle diese seltsamen Windungen? Ich liebe sie, und sie liebt mich. Ich kann ja kein Glück eines fremden Wesens berechnen, oder mir vorstellen; folglich ist das Aufsuchen meines eigenen Glücks die einzige Regel, die wir in diesem Leben anwenden können. Ich glaube, das Mißvergnü
Sie haben nie ein Wesen, wie diese Rosaline, gekannt, und Sie kennen daher auch die schönste Blüthe des Vergnügens nicht. Sie sollten sie sehn, wie sie mir entgegen läuft, und denn wieder stille steht, und plötzlich thut, als habe sie nur irgend einen Gegenstand gesucht; die List, die sie bey aller frommen Unschuld hat, und die jedem Mädchen mit auf die Welt gegeben wird, und die, wenn ich so sagen darf, die Unschuldigen noch unschuldiger macht. Die Mutter schlief neulich in ihrem Lehnstuhle, und ich küßte sie, indem sie neben mir saß; von ohngefähr schallte der Kuß etwas stärker, und die Mutter wachte auf; in demselben Augenblicke aber hatte sie ihren kleinen Hund schon ein wenig gezwickt, so daß er schreien mußte, und die Mutter keinen Argwohn schöpfte.
Ich erhitze sie oft lebhaft durch boshaft geschlungene Umarmungen und wollüstige Küsse, die sie erwiedert, ohne zu wissen, was sie thut. Sie preßt sich denn ängstlich an meine Brust,
Werden Sie nicht bald nach Rom zurückkehren? Ich vermisse täglich Ihre Gesellschaft, vorzüglich, wenn ich nicht bey Rosalinen bin. In Rom fang' ich an, allen Leuten fremd zu werden, ich mag Niemand besuchen, ich mag nichts thun: schon seit lange ängstigt mich ein Brief, den ich an meinen Vater schreiben muß, ich kann nichts anders denken und sprechen. –
Ich bekomme keine Antwort auf meinen Brief, und ich werde mit jedem Tage schwächer. Der Arzt findet es jetzt bedenklich, und ich fühl' es, daß die Uhr meines Lebens zu Ende gelaufen ist. – Alles wird mir gleichgültig, was mir sonst wichtig war, meine ehemaligen Plane habe ich völlig vergessen, komm also ohne alle Scheu nach England zurück, lieber Sohn, heirathe, wenn Du durchaus willst, Amalien, ich will und kann nichts weiter dagegen einwenden, nur brich Dein Schweigen und komm. Ach, wenn Du willst, muß ich Dich freilich auch noch wegen einer meiner Briefe um Vergebung bitten, ich meinte es gut mit Dir, und damals war auch die Lage der Sachen anders.
Wenn der Wind hier durch den Wald bläs't, und die losgegangenen Tapeten im Nebenzimmer rauschen und klatschen, o dann, lieber William, fühl' ich mich so einsam, so heimathlos. Ich sehe
Die ganze, ganze lange Nacht hab' ich nicht schlafen können. Und daran bist blos Du Schuld! Immer war mir, als schliefest Du neben mir, ich hatte Dich in meinen Armen, und wachte von Deinen Küssen auf. Als der Mond durch eine Ritze der Fensterladen in meine Stube schien, und der Strahl sich so über den Boden goß und an der Decke schimmerte, hab' ich recht herzlich geweint, weil ich mich zum erstenmal im Leben so einsam fühlte. O Du böser Mensch kannst die Noth gar nicht verantworten, die Du mir machst. Mein Vater ist todt und meine Mutter stirbt auch vielleicht bald; wenn nun Pietro nicht zurück kömmt, so bist Du der einzige Mensch auf der Welt, der mir noch beystehn kann. Aber wenn Du alle meine Liebe nicht verdientest! Ach Anthonio, Du hast Dich so oft über meine Lustigkeit gefreut, ich bin nur frölich, wenn ich Dich sehe, Du siehst, wie betrübt ich werde, wenn ich allein bin. Drum
Du bleibst jetzt oft viel länger weg, als anfangs. Du freust Dich nicht mehr wie sonst darüber, wenn ich Dir einen Kuß gebe; sage mir, was hab' ich Dir gethan, du Unzufriedner? Oder ist es die Sitte in Eurem Lande, daß man immer so ernst und verdrießlich ist?
Was Du mir gethan hast, liebstes, bestes Mädchen? Nichts, als daß Du mich nicht eben so sehr liebst, wie ich Dich liebe. – Warum verläßt Du mich oft so plötzlich? Warum darf ich nicht in der Nacht bey Dir bleiben, wenn Du Dich ohne mich so einsam fühlst? Die wahre Liebe ist mit diesem Eigensinne unbekannt. Wenn Du mich nur hier sähest, wie ich oft in der Nacht nach Deinem Hause hinüber blicke, wie ich nicht schlafen kann, und mir schweigend Deine Lieder wiederhole, um mich nur etwas zu beruhigen, wie ich Dein Bild tausend und tausendmal küsse, das ich neulich bey Dir zeichnete! Das Papier ist von meinen Thränen naß; das Haus wird mir zu enge, und ich schweife im trüben Mondlichte dann zwischen den Ruinen umher, und Deine Gestalt begleitet mich allenthalben. O Rosaline, dieses Zagen, diese Angst kennst Du nicht, denn sonst würdest Du meinen Zustand mehr bemitleiden. Nein, Hartherzige! Du kennst die Liebe nicht, denn Du
O vergieb mir, Theure, wenn ich Dir Unrecht thue! Betrüben möcht ich Dich nicht.
Du kannst das Lied vom Anthonio nicht leiden? Mein liebstes Lied, weil es Deinen Nahmen führt? Ach, Lieber, wie unrecht thust Du mir! Dir zum Possen soll ich es singen, und ich will mich dadurch trösten, weil ich nicht wieder herausgehn konnte. Die Mutter war böse und hatte mir es streng verboten, und ich muß ihr doch gehorchen. Sie will nicht gern, daß ich so viel bey Dir bin. Nein, wenn es Dir nicht gefällt, will ich das Lied nie mehr spielen, so sehr ich es auch liebe. Ich Dich kränken! Ach, Anthonio, wie sollt ich das können? – Wenn Du da bist, schäm' ich mich nur immer zu sagen, wie gut ich Dir bin: man hat keine Worte dazu, ich müßte neue ausdenken, und das geht denn nicht. Aber wenn Du so weggegangen bist, und ich Dir nun nachsehe, oder wenn ich einen Deiner Briefe lese, sieh, so kehrt sich mir das ganze Herz um, und ich möchte Dir nachrennen, Dich vor der ganzen Welt in meine Arme drücken, Dein liebes Ge
Nein, ich will Dein Lied nicht mehr schelten, liebe Rosaline. Ich habe Dir und ihm Unrecht gethan, und ich will es ihm abbitten: Schicke mir zur Versöhnung die Abschrift, die Du davon hast, ich will es zu Deinen Briefen, zu Deinem Bilde legen, neben Deiner Locke; mehr kann ich ihm zur Ehre doch nicht thun. – Wie hat mich Dein lieber Brief gerührt! O, ich habe ihn um Vergebung gebeten, und will es mündlich bey Dir wiederholen. Bin ich Dir wirklich so theuer, als Du da schreibst? Ich kann es nicht glauben, und glaub' es doch so gern. Deine Stimme klingt mir, wie ein Ton aus einem Traume, der mir die Schätze der Erde verspricht, und dem die wirkliche Natur nicht Wort halten kann. Ach nein! die Liebe macht das Unmögliche leicht. Sie ersetzt uns jedes Glück der Erde. –
Siehst Du nun wohl, daß ich Recht habe? Dafür will ich Dir nun auch das Lied so zierlich und schön abschreiben, als es mir nur immer möglich ist. –
Ich habe schon oft versucht, statt Lucinde Rosaline zu singen, allein es will nicht in den Takt passen, und das thut mir sehr leid. – Wir wollen heut Abend einmal versuchen, ob wir das Lied nicht noch ein wenig abändern können. Du mußt mir helfen, denn Du weißt ja damit Bescheid. Ich lese Deine Verse alle Tage, und versteh sie jedesmal etwas besser. – O ich bin in manchen Stunden ordentlich stolz auf Dich, und daß Du unter den tausend, tausend Mädchen grade mich nur einzig und allein liebst. Und doch wieder nicht stolz, nur so froh,
Also heut, würklich nun
Es ist wunderbar, wie lange ich in dem Vorhofe der Seeligkeit aufgehalten werde; tausend Zufälle vereinigen sich, um mich immer wieder von der höchsten Wonne zu entfernen. Rosaline ist mein, unbedingt mein. – Sie hatte sich neulich für meine Bitten erweicht, und mir versprochen, mich in der Nacht heimlich zu sich kommen zu lassen, aber die Mutter wurde krank, und sie mußte bey ihrem Bette wachen. Welche Nacht hatt' ich! Die Sehnsucht regte sich mit allen ihren Gefühlen in mir, ich konnte nicht eine Minute schlafen, und doch auch nicht wachen. Ich lag in einer Art von Betäubung, in der sich Bilder auf Bilder drängten, und mein kleines Zimmer zum Tummelplatze der verworrensten Scenen machten. Es war eine Art von Fieberzustand, in welchem mir hundert Sachen einfielen, über die ich noch lange werde denken und träumen können.
Es ist um rasend zu werden! Alles ist dahin! Alle meine Ruhe, alle meine Liebe, ist gänzlich, durchaus verlohren! Ich kenne mich kaum wieder, ich verachte und hasse mich selbst, ob ich gleich nur auf den Zufall fluchen sollte. Denken Sie nur selbst, alles war bestimmt und fest gemacht, Rosaline war so zärtlich gegen mich, wie sie noch nie gewesen ist, sie war völlig davon überzeugt, daß ich sie heirathen wollte, und bey Gott ich hätt' es auch gethan; sie hatte mir die gestrige Nacht zugesagt, und ich erwartete mit Ungeduld die Adendröthe; tausend Ideen gingen durch meinen träumenden Sinn, ich konnte mir meine Phantasien und Hoffnungen gar nicht als würklich denken, – o und sie sind es auch nun nicht geworden! Ich stehe hier wie ein Schulknabe, der seinen Lehrer fürchtet, ich bin beschämt und verworfen: gestern kam noch bey Tische ein alter Mann als Bothe, der Pietro's, des armseligen Fischers, des Bräutigams
Und dann die Freude der Mutter! Die stille Beschämung Rosalinens, die mir plötzlich durch die bloße Nachricht ganz abgewandt wurde! O mich wundert, daß ich nicht den Verstand verlohren habe! Sie weicht mir seitdem ängstlich aus, sie ist kalt und fremde, und ich stehe auf demselben Punkte, auf dem ich mich am ersten Tage unsrer Bekanntschaft befand. – Ich könnte den Kerl ermorden, der sich so ungerufen zwischen uns drängt, und all mein Glück und meine schönen Träume vernichtet. – Warum hängen wir so oft von nichtswürdigen Zufälligkeiten ab! – Und nun jetzt, jetzt, da sich so eben alle meine Wünsche krönen wollten. – Wenn ich sie sehe, mit all ihren Reizen, und
Ich kann Ihnen keinen Rath ertheilen, lieber Freund, denn ich habe mich noch nie in einer ähnlichen Lage befunden; ich kann daher auch nicht einmal wissen, wie ich an Ihrer Stelle handeln würde. Freilich sollte es nicht möglich seyn, daß ein Zufall uns das plötzlich nähme, was wir für unser höchstes Glück halten, in dessen Besitz wir schon sind: indessen es geschieht alle Tage, und dies ist der Inhalt der meisten menschlichen Klagen. Ihre Wuth gegen den Bräutigam, der so plötzlich aus den Wolken fällt, ist sehr verzeihlich. Aber Sie sollten doch Mittel dagegen versuchen; unser ganzes Leben erscheint mir immer als ein Kampf mit dem Schicksale, es überlistet uns in jedem Augenblicke, aber wir müssen uns nicht sogleich für überwunden erkennen, sondern List gegen List setzen. Dieser Streit macht unser Daseyn interessant, er macht,
Ihren Brief habe ich erst jetzt bey meiner Zurückkunft gefunden. Sie haben Recht, und ich habe nach Ihrem Rathe gehandelt, ohne ihn zu kennen.
Ich bin noch wie im Traume, es ist Nacht, indem ich Ihnen schreibe, und ich weiß noch immer nicht, was morgen geschehen wird. Seit einer Stunde bin ich von einer kleinen Reise zurück gekommen, ich bin müde und kann doch nicht schlafen. – Die Ankunft Pietro's hatte mir alle Laune verdorben; ich wußte den Weg, den er kommen, und wann er anlangen würde. Ich ritt auf die Straße nach Neapel; bey Rosalinen schützte ich eine nothwendige Arbeit vor, die ich in der Stadt zu Ende bringen müßte. Hinter
Er brach auf, weil er gern bald nach Rom wollte; es war Mondschein, und er fühlte sich noch frisch. Ich ritt dieselbe Straße, und stieg vom Pferde, um mit ihm zu sprechen. Der Schändliche sprach von Rosalinen, wie er von einem Mittagsessen sprach, ohne alle Theilnahme, er wolle sie blos des ganz kleinen Vermögens wegen heirathen, das ihre Mutter besitze. – Ich weiß nicht, wie es kam, alles umher umgab mich, so wie ein Traum, ich zog plötzlich
Die Nacht und der heutige Tag sind mir in einem ununterbrochenen Schwindel verflossen. Ich erwarte den Schurken in jeder Minute. – Ich hätte vielleicht einen Handel mit ihm treffen können, daß er weiter keine Ansprüche auf Rosalinen machen solle, wenn ich bey kaltem Blute gewesen wäre; ich weiß nun nicht, wie alles sich endigen wird. – O ich bin böse auf mich selbst; ich muß es Ihnen gestehn, Rosa, ich freue mich inniglich, daß mir der tödtliche Streich mißglückte, ich fühle es, daß ich ewig diese rasche That bereuen würde. Sagen Sie mir dagegen, was Sie wollen, es empört sich das Gefühl, die Menschen, so wie die leblosen Gegenstände zu gebrauchen, und sie nur für Mittel anzusehn, uns selbst froh zu machen.
Wäre Pietro nicht dazwischen gekommen, so
Wenn ich es noch thun könnte! Was hindert mich, mich der Mutter zu entdecken? Aber der Bräutigam könnte einen Verdacht auf mich werfen: er wird nun vielleicht etwas länger bleiben, da ihn die Wunde wahrscheinlich am Gehen hindert, und diese paar Tage will ich noch in Rosalinens Gesellschaft genießen. – Ich bin zu müde, leben Sie wohl.
Ich habe mehrere Tage hindurch in einer Verworrenheit aller Begriffe und Empfindungen gelebt; ich mochte Ihnen nicht schreiben, weil ich zu träge war. Jetzt aber will ich Ihnen den Verfolg meiner Liebschaft melden, und ich bin auf Ihre Antwort äußerst begierig.
Ich habe so eben eine halbe Flasche Cyperwein getrunken, und meine Hand zittert, indem ich schreibe; ich bin äußerst froh und zufrieden, und mir ist so leicht, daß ich bey jedem Absatze aus vollem Halse lachen muß. Willy sieht mich von der Seite mit mißtrauischen Augen an, und scheint dabey halb eingeschlafen. Das Leben ist das allerlustigste und lächerlichste, was man sich denken kann; alle Menschen tummeln sich wie klappernde Marionetten durch einander, und werden an plumpen Dräthen regiert, und sprechen von ihrem freyen Willen. – Heut am Morgen kam die Nachricht von Pietro's Tode, man hatte den Leichnam an der Land
Es war ein groß Geheul im Hause, vorzüglich von der Alten; Rosaline grämte sich auch, aber ich bemerkte deutlich, wie sie sich im Stillen von leisen Gedanken trösten ließ. Ich ging fort, weil mir die Scene zur Last fiel, und fand Nachmittag Rosalinen allein, in Thränen gebadet. Die Alte war ausgegangen, und kam vor dem Abende nicht wieder. O wie sie schön
O mag alles um mich dunkel und ungewiß liegen, kein ander Gefühl giebt uns Befriedigung, kein Genuß des Geistes erquickt uns. Nur hier, hier versammlet sich alles, was durch unser ganzes Leben an Freuden und seeligen Empfindungen bey einzelnen Gelegenheiten zerstreut liegt. Nur dies ist der einzige Genuß, in welchem wir die kalte, wüste Leere in unserm Innern nicht bemerken, wir versinken in Wollust, und die hohen rauschenden Wogen schlagen über uns zusammen, dann liegen wir im Abgrunde der Seeligkeit, von dieser Welt und von uns selber abgerissen. – Nein, nur für sie, für Rosalinen allein will ich jetzt leben; Pietro ist ausgeblieben, und ich nehme sie mit mir, ich hab' es versprochen, nur ihr zu leben, und ich will ihr und mir mein Versprechen halten.
Alles dämmert vor meinen Augen, und ich sehe sie immer noch vor mir stehen, halb in sich
Sie hätten sie sehn sollen, Rosa, wie Schaam und Wonne in den hellen Augen kämpften: wie sie mich zurückstoßen wollte, und doch nur fester an sich drückte; wie sie klagen wollte, und doch ihren Mund meinen wollüstigen Küssen darbot. –
Ich fange jetzt würklich an, schläfrig zu werden; die Traumbilder, die mich begrüßen wollen, tanzen schon jetzt um mich herum, und necken mich. Alle haben die entkleidete Rosaline in ihrer Mitte. – Ich werfe mich aufs Lager. Willy, sey' ich, ist schon zu Bette gegangen; in Rom schlägt es drey Uhr. – Leben Sie recht wohl, lieber Rosa; ich beneide jetzt keinen Menschen, sondern bedaure sie alle. Noch nie hab' ich mich so darüber gefreut, daß ich Lovell hin. –
Ach, Anthonio, Anthonio! Komm doch sobald, als möglich. Ich getraue mich gar nicht, meine Mutter anzusehn; alles was ich sonst gern that, ist mir jetzt zur Last, mir ist, als gehört ich gar nicht mehr in dieses Haus. – Ich möchte einsam und unbemerkt im Winkel sitzen, und den ganzen Tag über weinen. Ach, Anthonio! was hast Du aus mir gemacht? – Ich lebte so still vor mich hin, und war mit allem zufrieden, und jetzt ist mir das ganze Haus zu enge, ich denke unaufhörlich an Dich und an gestern, und mit einer quälenden Unruhe; mein Herz schlägt schwer und gewaltsam. O komm heut recht früh, damit ich nur wieder ein paar Augen finde, die ich ansehn darf, und die ich, ach! so gern betrachte.
Und war das nun wohl recht gestern auf dem Spatziergange! Ich war in mir so froh und heiter, recht still und zufrieden, – und Du, – ach, Anthonio, Du weißt es gar zu gut, daß ich Dir nichts abschlagen kann, und das macht Dich so stark und dreist, weil ich nur zu schwach bin. Aber habe Mitleid mit mir. – Ach, was kann mir nun alles noch helfen? Meine Laute macht mir keine Freude mehr, meine Mutter ist mir oft in der Seele zuwider; und doch möcht' ich ihr manchmal um den Hals fallen, und ihr alles, alles sagen. Aber es hält mir die Zunge fest, es drängt mir in der Kehle, daß mir die Sprache versagt. Ich weine viel, und sie meynt, es sey um den armen Pietro. – Ach Anthonio, halte nur Dein Versprechen, ich beschwöre Dich bey der Mutter Gottes, denn sonst bin ich gänzlich verlohren.
Wenn man recht froh und zufrieden lebt, in einer schönen Einförmigkeit, den einen Tag, so wie den andern, so schreibt man ungern, weil man nichts zu schreiben hat. Ich habe mich mit Rosalinen nun ganz gut eingerichtet, und ich fühle nach langer Zeit die schöne Behaglichkeit wieder, die Erfüllung aller Wünsche zu sehn, ohne jenen Sturm des Bluts, ohne jenes ängstliche Herzklopfen, das aus unserm Leben unangenehme Abschnitte macht. Jetzt aber fließt mir die Zeit ruhig vorüber, und jeder Spaziergang, fast jeder Besuch bey Rosalinen macht uns eine Gelegenheit, der Göttinn der Liebe ein Opfer zu bringen. Ich wäre ganz glücklich, wenn mich der Eigensinn und die Launen Rosalinens nicht zuweilen störten. Daß sich doch keine von den Armseligkeiten ihres Geschlechtes losmachen kann! Wir streiten zuweilen, und es ist nichts widriger, als ein Zank mit einem Mädchen, das man gern hat; alle wollen be
Ich habe nach langer Zeit wieder einmal Laura und die schöne Bianka besucht. Mich wundert sehr, daß ich nicht schon eher darauf gefallen bin, meine Ergötzungen mannichfaltiger zu machen. Warum muß der Mensch selbst in seinen Vergnügungen einseitig und eigensinnig seyn? – Rosaline dringt jetzt in mich, daß ich sie heirathen soll, und ich glaube, unter solchen Umständen kann einem ein jedes Mädchen zuwider werden; dabey hat sie ihr kindliches unbefangenes Wesen verlohren, und spricht jetzt so altklug und überlegt. Lieber Freund! Wodurch entsteht doch die Philosophie unsrer Weiber? –
Mein Willy will nach England, und jetzt wäre die beste Gelegenheit, seiner los zu werden: einer meiner Bekannten reist dorthin, und will ihn herzlich gerne mitnehmen. Aber freylich würde denn mein ganzes Verhältniß mit Rosalinen gestört! Ich weiß noch gar nicht, wie ich das alles einrichten soll. – Kommen Sie doch nach Rom, ich beschwöre Sie, ich vermisse Sie bey jeder Gelegenheit.
Ja ich will nur endlich kommen, denn es scheint mir selbst, als wenn Sie meiner bedürften. Lieber Freund, Sie sind in Ihren Briefen nicht mehr so aufrichtig, als Sie es anfangs waren; Sie fangen an, sich zu maskiren, aber ich sehe gar nicht warum. Schämen Sie sich zu gestehen, daß Ihre Leidenschaft nun nach dem Genusse nicht mehr jenes stürmende, drängende Gefühl ist, voller Ahndung und Ungewißheit? Sagen Sie es nur dreist heraus, denn die Schuld davon liegt nicht an Ihnen, sondern an der Einrichtung unsrer Natur, der wir uns unbedingt unterwerfen müssen. – Erinnern Sie sich, was ich Ihnen mit prophetischem Geiste schon in einem meiner frühern Briefe sagte, daß man sich nie zwingen müsse, mit Enthusiasmus die Leere auszufüllen, die sich oft plötzlich in alle unsre Gefühle reißt, denn dies ist die höchste Quaal des Lebens, die wahre Tortur der Seele. Geben Sie sich und Ihren
Gottlob, Bruder, der Tag der Erlösung ist nun endlich da. Ach, mir ist recht froh und leicht, fast so, wie wenn ich manchmal von einem recht schlimmen Traume aufwache, und mich im warmen sichern Bette wieder finde; ich kann nun doch endlich nach England zurück reisen. Ein Franzose, ein Bekannter meines Herrn, auch so einer von den Herzensfreunden, reis't nach England; je nun, er ist immer noch gut genug, daß ich mit ihm reisen kann, und doch nun meinen lieben Bruder wiedersehe. Ich hätte auch hier das gotteslästerliche Leben nicht mehr aushalten können, das kannst Du mir glauben, lieber Thomas; ich war hier ganz, wie unter Heyden und Türken gerathen, und hatte keinen einzigen frohen Augenblick. Mein Herr ist verlohren, der böse Feind hat ihn gänzlich und ganz und gar eingenommen: lauter Unglück hat er angestiftet. Da ist hier ein armes, blutarmes und unschuldiges Kind, ein hübsches
Wo bleibst Du doch, Anthonio, daß ich Dich gestern gar nicht gesehn habe? Willst Du mich denn ganz allein lassen? – Ach, ich habe viel zu Gott und seinen Engeln gebetet, aber mir ist keine Erhörung geworden, recht ohne Trost bin ich vom Himmel, wie eine Sünderin, abgewiesen. – Die Saiten auf meiner Laute sind gesprungen, und ich mag keine neue aufziehn: meine Laute, die ich von Kindheit auf kenne, die ich sonst so innig liebte. Siehst Du, so weit ist es schon mit mir gekommen. Die Thränen sind eine Gabe des Himmels, ich kann manchmal ordentlich gar nicht weinen, wenn ich es auch so gerne möchte. – O komm, komm, Anthonio, ich bin sonst wie ein Kind, das sich im Walde verirrt hat. Alles erschreckt mich, aber wenn Du da bist, ist es wieder wie ein Frühlingsschein um mich her. – Wenn ich Dich heut nicht sehe, kann ich wieder die ganze Nacht nicht schlafen; mir fällt so mancherley ein, wovor mir graut. – Ach, wohl dem armen Pietro, daß er todt ist! –
Ja wohl möcht' ich sterben, sterben, Anthonio. Du kömmst also nicht und siehst nach der kranken Rosaline, der Du sonst so viel von Deiner innigen Liebe vorgesprochen hast? – Ach, bleib noch ein paar Tage länger, und Du kömmst dann vergebens, um sie zu suchen. – Wer ist nun treulos? Hab ich es nicht immer gefürchtet, daß Du so seyn würdest? – Wenn ich erst todt bin, so will ich Dir erscheinen, Dich gewiß auffinden, und Deine Seele martern. – Dein Vater ist auch fort; Gott, wie mag das alles zusammenhängen? – Ich will den Brief zu Dir hinübertragen, ich weiß nicht, ob Du ihn erhalten wirst. Ach, was kann es mir auch helfen? – Mein Bild, das Du gezeichnet hattest, lag bey Dir auf dem Boden, man hatte schon darauf getreten, es war ganz unkenntlich, ach, und es sieht mir jetzt gewiß sehr ähnlich. – Siehst Du, so ist Deine Liebe! Ach Anthonio, wenn
Ja, ja, nun ist mein Unglück gewiß. – Gott, ich werd' es nicht überleben. – Welche Ostern hab' ich gefeyert! es sind die letzten, das fühl' ich. – Du bist also nicht der, für den Du Dich ausgiebst? O Himmel! Mein Anthonio ist ein Betrüger! –
Verwünschungen, Flüche hinter Dir her! – Sie werden Dich ereilen und ergreifen. – Nein, ich kann nicht länger im Hause bey meiner Mutter bleiben, ich kann nicht länger in dieser Welt bleiben, wo jeder Baum, jeder Grashalm mich an Dich erinnert. – Mir ist seltsam, ich will durch die Welt wandern, und Dich suchen, und wenn ich sterbe, sieh! dann treff ich Dich doch jenseits, denn Du mußt auch sterben; da kannst Du meinen Vorwürfen nicht entlaufen. – O weh Dir, Anthonio, daß Du sterben mußt; dann wird Dir das Verzeichniß Deiner Sünden, aller, von der kleinsten, bis zur größten, verlesen. Mir ist der Tod ein Trost, Dir wird er wehe thun. – Ich hab' es schon lange heimlich geglaubt, aber keinem Menschen und auch Dir nicht sagen mögen, daß Du an Pietro's Tode Schuld bist. – O wehe Dir, wenn es so ist! – Ich werde hingejagt vom unbekannten Geiste in Tod und Grab, es brennt in
Ach, gnädiger Herr! Sie verzeihen es wohl einer alten Frau, wenn sie sich untersteht, Ihnen zur Last zu fallen. – Meine Tochter, die letzte Stütze meines Alters, ist todt; Gott mag ihrer Seele gnädig seyn! Sie ist in die Tiber gesprungen, gestern am Abend; vorher ist sie die ganze Stadt durchlaufen, und hat immer nach Ihnen gefragt. Auf der Brücke nach St. Angelo stand sie endlich still, und sah in's Wasser, sie deutete auf den Mondschein, und sagte: sie wolle jetzt in das goldene Paradies; ein Mann, der dort stand, hat es ganz deutlich gehört: so stürzte sie sich vom Geländer hinunter. – Man zog sie todt ans Land. – Ach, lieber gnädiger Herr, nun bin ich ganz verlassen, erzeigen Sie mir doch die Ehre, mich noch einmal zu besuchen, und eine arme, alte, verlaßne Frau etwas zu unterstützen. – Verzeihen Sie meine Dreistigkeit, der Kummer hat mich ganz niedergebeugt. Gott sey Rosalinens Seele gnädig; ich bete fleißig einen Rosenkranz zu ihrem Heil.
Wenn man sich noch einige Zeit nach dem geendigten Schauspiele verweilt, wie dann der Vorhang wieder in die Höhe geht, und einzelne Stücke von Dekorationen an den kahlen Wänden hängen, Waffen und Rüstungen zerstreut auf dem Boden liegen, die emsigen Aufseher die Lichter auslöschen und sammeln, hin und wieder ein schlechter Schauspieler noch mit tragischem Schritte auf- und niedergeht, und seine Rolle nicht vergessen kann: so, Rosa, in diesem armseligen Lichte erscheint mir jetzt das Leben. Alles sieht mir so abgetragen und dürftig aus. Die Menschen sind mir nichts als schlechte Komödianten, Tugendhelden oder witzige Köpfe, Liebhaber oder zärtliche Väter, nachdem es ihre Rolle mit sich bringt, die sie so schlecht, wie es nur immer
Warum schlagen so oft die höchsten Wogen in unsrer Seele, und dann so plötzlich ein träger dumpfer Stillstand? So wie das moosige, schlammige Gestade bey der Ebbe. – O ich möchte mir wieder Stürme in diese träge Blutmasse wünschen, Gefühle, die die Thränen aus ihren tiefen Kerkern reißen, Seufzer und Schmerz, Quaal und Wollust, um wieder in den Kreis der übrigen Menschen zu treten, den ich jetzt aus der Ferne anschaue und verachte.
Willy und sein altes, gutmüthiges Gesicht fehlt mir in jeder Stunde, er war sehr froh, daß er sein Vaterland wieder sehen sollte. Wie gern sich der Mensch doch an Erinnerungen und leblose Gegenstände fesselt, und jeden Berg und einheimischen Baum für einen Freund und Wohlthäter ansieht!
Rosalinens Mutter ist befriedigt, und alles mit ihr abgethan, ich glaube, sie wird nicht lange leben, und also auch meiner Unterstützung
Ja wohl, lieber Freund, es ist um die Menschen ein seltsames Ding! Ein Räthsel, das keiner je ganz auflösen wird. Es quält und ängstigt den Geist; indessen müssen wir wenigstens so viel zugeben, daß es ihn eben deswegen auch beschäfftigt und unterrichtet, wir müssen uns nur nie scheuen, einen Gedanken ganz zu Ende zu denken, unbekümmert, wohin er uns führen könnte. Sie fühlen es jetzt recht lebhaft, wie alles, was wir wissen und glauben, Nichts sey, aber bemerken Sie nur auch, wie Ihre Zweifel und Ihre nüchternen Gefühle, die daraus entstehen, ebenfalls nichts Festes, Unwandelbares sind. – Alles geht und zieht durch unsern Busen, alle Eindrücke existiren für uns nur, in sofern sie ihre Spuren zurück lassen: aber eben dies sollte uns bewegen, nie ganz und einzig in der Gegenwart zu leben; denn sie ist in unsrer Existenz das Unzuverläßigste.
Besuchen Sie mich heut wieder vor dem
Ich habe Ihnen noch einen kleinen Vorfall nicht erzählt, den ich jetzt in der Eile nachholen will. Ich sprach Rosalinen im heftigsten Ausbruche ihres Kummers; sie war wirklich schön: bald ward sie zutraulicher, da sie hörte, ich sey Ihr Freund, und so gelang es mir unvermerkt, sie von ihrem Kummer etwas abzuziehn, und eben die Freuden bey ihr zu genießen, die Sie mir damals so poetisch beschrieben haben. – Ich mag nichts weiter hinzusetzen. Lieber Freund,
Indem ich diesen Brief anfange, William, weiß ich nicht recht, was ich Dir sagen will, noch weniger, wie ich es Dir sagen soll. In meinem Sinn und Herzen liegt alles hell und klar, meine Meinung ist nicht Sophisterey oder Leidenschaft, die mir der Moment eingiebt, sondern meine Ideen sind gleichsam Ein Strom, der in der fernsten Kindheit entspringt, und so in gerader Richtung durch mein Leben fließt. Deine Gedanken sind einzelne Fragmente, die Dir vielleicht in der jedesmaligen Stimmung unumstößlich scheinen, weil sie eben durch diese Stimmung hervorgebracht sind, die Dir aber vielleicht selbst am folgenden Tage unverständlich sind. Du verachtest mich gewiß, wenn ich von Grundsätzen rede, nach denen man handeln müsse, aber seit ich Dich genauer kenne, ist diese Ueberzeugung eben durch Dich bey mir um so lebendiger geworden: diese Grundsätze müssen gleichsam der Faden seyn, an den w[i]r
Vergieb mir meine Weitschweifigkeit, und daß ich, um Dich zu überführen, selbst in den spitzen getadelten Ton Deiner Briefe falle: ich weiß, alles, was ich sage, ist unnöthig, denn Du glaubst Deine Behauptung nicht, ich sage alles dies blos, weil mich eben Dein neulicher Brief von der Sache überzeugt hat, die er wi
Ach ich sollte in einem ernstern Tone, mit tiefer Trauer sprechen, denn welche Nachricht hab' ich Dir zu hinterbringen! – Dein Vater ist nicht mehr, Gram und Krankheit haben endlich seinem mürben Leben ein Ende gemacht, das gleichsam nur noch an Einem Faden hing. – Ach, William, ich kann Dir unmöglich alles sagen, was ich denke. – Mit weinenden Augen habe ich die Papiere gesiegelt, die ich Dir hierbey überschicke, halte sie in Ehren, denn es sind die letzten Federzüge Deines Vaters, er muß oft in seinen einsamen Stunden nach Dir hinübergedacht, nach Dir sich hingesehnt haben. – Auch mein Vater ist jetzt krank, und ich habe viel mit seiner Pflege zu thun; ach, William, wenn man fürchtet, daß jemand, den wir so wohl kannten, nun von uns scheiden will, nach einem unbekannten Lande hin, und er selbst uns dann fremde wird, – o dann ma
Amalie Wilmont ist mit Deinem Freunde Mortimer verheirathet. Ich weiß nicht, wie Du diese Nachricht aufnehmen wirst; mir ist oft wie einem melancholischen Zuschauer zu Muthe, der im Schauspiele mit Widerwillen den Schluß des Stücks herannahen sieht, wie sich alles verläuft, die Hauptpersonen ausbleiben, die muntern Scherze schon erstorben sind, – endlich fällt der Vorhang, und unsre Freuden, unsre Theilnahme, unser Leben, alles, was wir hatten, ist dahin! –
Die größte Schwachheit des Menschen ist, Plane für die Zukunft zu machen, und doch besteht darin das Leben: auf nichts sollte man vertrauen, denn nie entspricht die Zukunft unsern Erwartungen, wenn sie zur Gegenwart wird, und wir selbst und unsre innersten Empfindungen sind eben so gut dem Wechsel unterworfen, wie alles, was uns umgiebt. Reut mich nicht jetzt, was mir vordem Freude machte? Ach mein Sohn, könnt' ich
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Wie alles von mir zurück weicht, was mich sonst aufrecht erhielt! Meine Hände zittern, mein Gedächtniß wird schwach, und alle schönen Vorstellungen verfliegen, wie die Dünste eines Rausches. Mein ganzes Leben liegt wie ein dunkler Abgrund da, in den ich hineintaumelte, ohne Besinnung da lag, und mich jetzt
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Nein, ich kann den Tod nicht fürchten, der mir in jeder Stunde näher tritt, ich sehe ihm mit festen Augen, ja mit einer Art von Sehnsucht entgegen. Jeder Klang ist versunken, nur eine innige Wehmuth schlägt unermüdet ihre Töne in mir an, so wie sich jedes fröhliche Geräusch in den ziehenden ernsten Kirchengesang verliert. Alle Gedanken sind nach dem Grabe hingerichtet, Sonnenaufgang und Untergang, alle Erscheinungen der Natur sind mir Bothen, die mich dorthin rufen. – Ich begreife die Verändrung nicht, die in mir vorgegangen ist, vieles steht verjüngt, wie in der Kindheit vor mir, ja ich bin wieder zum Kinde geworden, und gehe nun durch dasselbe rosenrothe Thor wieder aus dem Leben hinaus, durch welches ich eintrat. So ist mein ganzer Lebenslauf nur ein Kreis gewesen, indem ich immer glaubte, in grader Richtung fortzugehen. Die Welt mit allen Freuden und Leiden liegt hinter mir, wie ein weites Gebirge, das der Nebel unkenntlich macht, nur das Thal, in welchem ich Ruhe
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O könnt' ich den raschen Jüngling, könnt' ich Dich lieber Sohn nur einen Blick so in die Welt und ihren durch einander gezogenen ver
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Ich will immer anfangen einen Brief an Dich zu schreiben, und nehme die Feder und schreibe mancherley nieder, und vergesse Dich dabey. Dann fällst Du mir plötzlich wieder ein, und der ganze Brief wird dann durch einen Zufall abgebrochen, und es ist mir unmöglich den Faden wieder zu finden. So habe ich schon einige Blätter vollgeschrieben, aber ich habe sie
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Keine Antwort von Dir! Kein Laut aus der fernen Gegend herüber! – Wie ich mich hinsehne, wie sich oft mein Geist in mir ausstreckt, als wenn er zu Dir hinüberreichen wollte. Ich erinnre mich mancher Kindermärchen, und kann Stundenlang an das Wünschhütchen denken, das einen plötzlich von einem Orte zum
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Mir sind die Schilderungen der Schlachten nicht fürchterlich, die sonst so leicht unsre Phantasie erschrecken. Hier fällt ein Mann zur Rechten, dort zur Linken, streifende Kugeln quetschen ganze Glieder nieder, Köpfe und blutbesprützte Arme liegen umher, und der Soldat marschirt mit geradem Sinn den Gefahren entgegen, sieht nicht nach seinem Kameraden links, nicht nach seinem gefallenen Bruder zur Rechten, tritt auf den Leichnam, der vor ihm liegt. – Ich kann diesen Muth nicht bewundern, denn thun wir alle etwas anders im gewöhnlichen Leben? – Freunde sterben zur Rechten und zur Linken, und wir gehn dreist und grade fort, als würde uns der Tod niemals ereilen: wir erschrecken nicht vor dem Gifte, das diesen und
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Ach ja wohl könnte der Mensch viel besser seyn, wenn er immer in sich den kurzen Raum des Lebens bedächte. – Wie würden wir alles mit Liebe umfangen, wie warm jedem Gegenstande, dem wir nahe sind, die Hand drücken, wenn wir immer bedächten: ach, auch dieses Gebild zerfällt in kurzem, und Du weißt dann nicht, wohin es gekommen ist; es sehnt sich nach Deiner Liebe, o gieb sie ihm, so lange Du es noch vor Dir siehst. – Mein Vater
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Ich habe einen Blick hinab ins Thal des Todes gethan, und nun taumeln alle Wesen dieser Welt nüchtern und leer meinen Augen vorüber. Alles sind nur Larven, die sich einander selbst nicht kennen, wo einer dem andern vorübergeht, und ihm ein holes Wort giebt, das jener durch ein unverständliches Zeichen beantwortet. – Wie wüst' ist mir seitdem, und wie alles durch einander verworren! alles wie
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Nur Dich, William, vermiß ich noch, sonst nichts in der Welt, ich übersehe mein Leben und alle meine Erfahrungen gleichsam in einem Register. Unsre heftigen Begierden, unsre Entzückung und Verzweiflung entsteht nur daher, weil wir uns selbst und den kleinen Punkt unsers Lebens, auf dem wir grade stehen, zu sehr vor Augen haben, über unser kleines Unglück denken wir nicht daran, daß in demselben Momente viele Tausende unendlich elender sind, als wir, daß sich der Nachbar indessen freut, und in dieser Frölichkeit vielleicht schon unbemerkt die Quelle künftiger Trübsale sprudelt. – Alles ist mir jetzt gleich, nur nach Dir sehnt sich noch mein schwaches, väterliches Herz. – Du bist krank, mein Sohn, es leidet keinen Zweifel, sonst würdest Du schon vor mir stehen. –
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Ja wohl verfliegt alles und geht hinweg, und
O ihr Menschen mit euren gepriesenen Grundsätzen! den Pfeilern, an denen ihr euch lehnt, und die sogenannten schwächeren Menschen um euch her verachtet! – Was ist denn diese eure gepriesene Vernunft? Diese Seelenstärke, mit der ihr euch brüstet? Alles ist nur Feigheit,
Welcher Mensch ist denn der edlere – derjenige, der stets nach dem Gefühle handelt, das ihn grade in diesem Momente beseelt und ergreift, das ihn wie ein Gott im Busen vorwärts treibt, und er nun geht, ohne mit feiger Aengstlichkeit hinter sich zu blicken? Oder der, der nur als ein Sklave nach einem Gesetze sucht, nach dem er handeln müsse, weil es ihm lästig fällt, frey zu seyn, und er also auch die Freyheit nicht verdient? Der Mensch ist nur denn geadelt, wenn er aus stillen unbewußten Gefühlen auf die Art gut ist, wie das Thier durch Instinkt, Nahrung und Gesundheit erwirbt, wie die Pflanze von innen herauswächst, wider ihren Willen. –
Die Grundsätze werden von den Menschen nur erfunden, um in einer trägen Bequemlichkeit ihr Leben so vor sich hin zu treiben, und in jedem Moment das Ganze übersehn zu kön
Ich habe mit Andacht die Blätter von der Hand meines Vaters gelesen; seine Stimme tönt wie die Stimme eines unsichtbaren Geistes jenseit eines breiten Stromes zu mir herüber; er sagt in seiner Verklärung mit andern Worten eben das, was ich so eben behauptet habe. – O Du, der Du so sicher stehst, mit so vieler Eitelkeit Dich selbst und Deine Vollendung betrachtest, bedenke, daß wir allgesammt nur schwache Sterbliche sind, und so wie Du glaubst, daß ich endlich noch zu Deiner Meinung übertreten werde, so bin ich überzeugt, daß Dich nur Dein Eigensinn hindert, meine Gedanken für richtiger zu halten, als Du bisher gethan hast.
Ihr Edlen und Vollendeten! die ihr aus dem verklärten Himmel mit Hohn auf die Welt hinunterseht, und doch so sehr den gefallenen Engeln ähnlich seyd! – Glaubst Du nicht, daß ich Deinen ganzen Brief verstanden habe, selbst die Stellen, von denen Du vielleicht glaubtest, ich würde den Sinn, der sie niederschrieb, nicht entdecken? – Warum hast Du mir keine Sylbe
Ach, wenn ich den trüben Strom meiner Erfahrungen hinuntergehe, und daran denke, aus wie seltsamen Vorfällen sich so oft mein Leben zusammenfügte! Wie gedemüthigt stehe ich dann an denselben Plätzen, an denen ich mich ehemals so groß und edel fühlte, blos weil ich mir selber meine innern Empfindungen ab
Erinnerst Du Dich noch des Tages, an welchem zuerst aus einer langweiligen Bekanntschaft unsre sogenannte Freundschaft entstand? – Wir waren auf einem Spatziergange, es war ein schöner Tag, und wir bestiegen den Berg, auf welchem schauerlich und wild die Ruinen eines alten Schlosses liegen. – Du klettertest mir mit jugendlichem Muthe voran, um mich in der Kühnheit zu übertreffen, und mein Wetteifer vermehrte sich mit Deiner Geschicklichkeit. Wir standen oben, und sahen mit Entzücken in die romantische Gegend hinab; ich hatte Dich bewundert, aber Dir war es noch nicht genug, Du stelltest Dich jetzt auf den äußersten Punkt eines hervorragenden, zerbröckelten Gesteins, so daß mir hinter Dir schwindelte. Ich sah Dich frey in der Luft schweben, und eine unbegreifliche Lust ergriff mich, Dich von der Spitze des Felsen in die Tiefe hinunterzustoßen; je mehr ich mich dieser Begierde erwehren wollte, desto heftiger ward sie in mir; endlich um mich selbst zu überwältigen, riß ich Dich mit gewaltigen
in
Ich vereinige meine mit Amaliens Bitten, um Sie zu bewegen, uns mit Ihrer Schwester hier auf einige Tage zu besuchen. Ich finde mich hier außerordentlich glücklich und froh. – Ach, lieber Freund, folgen Sie meinem Beyspiele, verlieben Sie sich, und heirathen Sie dann, dies ist die schönste Epoche, das fühl' ich jetzt innig, die der Mensch erleben kann. Mag man doch vom Genusse der Philosophie und von den wunderbaren Empfindungen, die uns das Studium der schönen Wissenschaften gewähren soll, sprechen, was man will, es giebt immer Augenblicke im Leben, in denen der Mensch die Leere fühlt, die ihn dabey umgiebt, wie wenig alle seine Beschäfftigungen mit ihm selbst zusammenhängen. Aber wenn zwey Seelen mit einander verbunden sind, und der eine den andern mit jedem Tage mehr versteht, und sich ihr Band immer fester schlingt, wenn man selbst
Lächeln Sie immerhin über mich, was thut es mir? Nennen Sie mich einen Schwärmer, und ich will Ihnen danken. Zeigen Sie mir den Menschen, der im Grunde nicht schwärmt, wenn er sich froh und glücklich fühlt.
Ich weiß es selbst recht gut, daß, so wenig ich auch eigentlicher enthusiastischer Verliebter bin, ich doch selbst nach einigen Monathen noch etwas kälter sprechen werde, als jetzt; aber wahrlich blos darum, weil ich mich dann an mein Glück schon etwas gewöhnt habe, nicht, weil ich es weniger innig fühlen werde. – Ach, wir wol
Daß die meisten Leute in einem bejammernswürdigen Irrthume ihre Sinnlichkeit für hohe Liebe und für das Ebenbild der Gottheit halten, ist gewiß, und hat mir selbst ehedem zu manchen witzigen Einfällen Gelegenheit gegeben: aber die Zeit ist jetzt vorüber, wo mir der höhere Mensch nicht denkbar war, der beide Empfindungen in eine verbindet, und eben dadurch beyde veredelt. Wenn der Mensch sich in keiner Stunde durch diese Verbindung gestöhrt fühlt, dann glaub' ich hat er seine schönste Vollendung als Mann erhalten, er ist über niedriger Wollust und über schaaler, fein ausgesponnener und langweiliger Zärtlichkeit gleich weit erhaben.
Mein Landsitz begrüßte uns mit einem der schönsten Tage, als wir hieher zogen, und das Wetter ist sich seitdem fast gleich geblieben. Ich lerne mich jetzt in die Reize des Landlebens und einer schönen Einförmigkeit ein, die in der Ferne oft so langweilig aussieht, aber nur des
Kommen Sie und sehn Sie mich selbst und mein kleines Paradies um mich her; Neid, mehr zu besitzen, Widerstreben gegen eine Eingeschränktheit, die uns doch so wohlthätig und nöthig ist, diese Laster sind es, die jeden Menschen aus seinem Paradiese vertreiben, das er sonst ungestört genießen könnte: ach, und wer einmal über die glückliche Gränze gekommen ist, dem stellt sich auch ein Engel mit einem feurigen Schwerdte entgegen, daß er nicht zurück kann. Unsere vo
Mortimer schreibt nach Bonstreet, und ich will also einen Brief an Sie, liebste Freundin, mit einlegen. Ich bin hier außerordentlich froh und gesund, ich wünsche, daß Sie uns hier besuchten, und mit uns die frische Luft und angenehme Gegend genössen. Kommen Sie, sobald Sie können. – Ich bin in große Versuchung gekommen, Ihnen meinen hiesigen Aufenthalt zu beschreiben, weil ich gern schwatze, wenn ich mich so recht glücklich fühle. –
Sehn Sie, vor unserm Hause ist eine große Allee von schönen Bäumen, die weit hinunter gehn, bis sie sich in ein angenehmes Wäldchen verlieren; unter den Bäumen trinken wir des Morgens Thee, und gehn dann spazieren. Auf der andern Seite des Hauses hat man eine schöne weite Aussicht über Wiesen und Ebenen, die alle so frisch, wie hingegossen da liegen: ich kenne schon alle Dörfer in der Nähe, und so
Und denn die Menschen hier! – Ich gehe Sonntags mit großer Andacht in die Kirche,
Was mich am meisten froh macht, ist, daß ich nun doch oft Gelegenheit habe, manchen Armen zu trösten, und auf Tage glücklich zu machen. – Ach, wie viel hab' ich oft in London gelitten, wenn ich aus dem Fenster, aus dem warmen Zimmer das Elend der Menschen sah, und gern helfen wollte und nicht konnte. Ich verschenkte oft alles, was ich hatte, und schämte mich innerlich, wenn ich berechnete, wie viel mir mein unnützer Putz, Tapeten, Spitzen und dergleichen Kindereyen kosteten, die ich noch alle hätte entbehren können. Ich weinte oft, wenn ich nichts mehr wegzugeben hatte, und gelobte kindisch, wie viel ich einst thun wollte, wenn ich einmal durch einen Zufall reicher würde. – Jetzt sind mir die Gemählde des Jammers aus den Augen gerückt, und ich bilde mir ein, daß plötzlich alle getröstet sind, und im Ueberflusse leben, weil ich sie nicht mehr vor mir sehe. Hier hab' ich freyere Hand, weil ich mehr dazu anwenden darf, und weniger Gegenstände meines Mitleids finde. Es ist das schönste Gefühl, einen Armen wieder auf einen
Ich beneide Ihnen Ihr ruhiges, anspruchloses Glück, und wünschte, ich könnte ein Zeuge davon seyn, aber die Krankheit meines Vaters, die mit jedem Tage bedenklicher wird, vernichtet alle ähnliche Pläne und Entwürfe. Sein mürrisches Wesen, mit seiner Schwachheit verbunden, der Groll, den er auf die ganze Welt geworfen hat, verderben mir alle Laune; indessen trag' ich diese Schwächen des Alters gern, und sehe alles nur als eine nothwendige Aeußerung seiner Krankheit an. – Aber dann hat mir noch ein Brief von Lovell so alle Munterkeit, alle Energie des Herzens genommen, daß ich mich recht innig bedrängt fühle, von tausend Empfindungen angefallen, die ich bisher gar nicht kannte. Ich bemerke jetzt zuerst einen ungeheuren Irrthum, der mich durch mein ganzes Leben begleitet hat, der jetzt zum erstenmale in seiner ganzen Gräßlichkeit auf mich zutritt; ich fühle es, daß ich bisher einsam gelebt habe,
Sie haben Recht, Rosa, daß uns das Ungewöhnliche und Seltsame sehr oft näher liegt, als wir gemeiniglich glauben, ja, daß es oft mit dem Gewöhnlichen ganz dasselbe ist, nur daß es sich hier in einer andern Beziehung zeigt, als dort. Ich habe so eben den Brief Balders vor mir, und vergleiche ihn mit einigen Ideen meines Vaters, die er kurz vor seinem Tode niederschrieb, und ich finde, daß beide dasselbe nur mit andern Worten sagen, daß ich alles selbst schon außerordentlich oft gedacht, nur niemals ausgedrückt habe. Die verschiedenartigsten Meinungen der Menschen, zwischen denen ungeheure Klüfte befestigt scheinen, vereinigen sich wieder im Gefühle, die Worte, die äußern Kleider der Seele, sind es nur, die sie verschieden erscheinen lassen. Unsre kühnsten Gedanken, unsre frechsten Zweifel, die alles vertilgen, und gleichsam durch eine ungeheure Leere streifen, durch ein Land, das sie selbst entvölkert haben, beugen sich wieder unter
Aber sagen Sie mir, Rosa, warum mir sonst diese Gedanken fern blieben, ob sie gleich in mir lagen? Warum ich Balders Worte damals nicht verstand, ob sie ihm gleich im Stillen mein Geist nachsprach, so wie er sie schon lange vor ihm so gesprochen hatte? Warum sind wir uns selbst oft so fremd, und das Nächste
Ich kann Ihre Frage nicht so beantworten, lieber Freund, daß Sie mit meiner Antwort zufrieden seyn werden. Die Gedanken und Empfindungen drehen sich im Menschen wie zwey Zirkel herum, die sich in Einem Punkte berühren, an diesem wissen wir nicht zu unterscheiden, was Idee und Gefühl ist, und wir halten uns dann für vollendet. Die Zirkel drehn sich weiter, und wir glauben uns dann wieder verständiger, weil wir beydes zu sondern wissen. Der Mensch ist sich selbst so räthselhaft, daß er entweder gar nicht über sich nachdenken, oder aus diesem Nachdenken sein Hauptstudium machen muß: wer in der Mitte stehen bleibt, fühlt sich unbefriedigt und unglücklich. – Ich sinne oft dem Gange meiner Ideen nach, und verwickele mich nur um so tiefer in diese Labyrinthe, je mehr ich nachsinne. So viel ist gewiß, daß wir gewöhnlich viel zu sehr den gegenwärtigen Moment vor Augen haben, und darüber
Die Träume sind vielleicht unsre höchste Philosophie, die Schlüsse der Schwärmer sind für uns deswegen vielleicht unverständlich und lückenvoll, weil wir es nicht begreifen, wie in ihnen Vernunft und Gefühl vereinigt ist. So kömmt mir das jetzt ehrwürdig vor, was ich noch vor einem halben Jahre belachte, und ich möchte
Wir übersehn immer nur die Stelle unsers Lebens, auf der wir stehn, und alle unsre Gedanken, Empfindungen und Handlungen sind nur auf dieser Stelle einheimisch, jeder steht anders, alle Gesinnungen brechen sich in verschiedenen
Es müßte nichts schöner seyn, als sich selbst recht genau kennen zu lernen, und, lieber Freund, wenn man sich recht fleißig beobachtet, warum sollte es der Mensch nicht auch hierin zu einer gewissen mechanischen Fertigkeit bringen können, wie in so manchen andern Sachen, die uns doch so durchaus geistig vorkommen? so daß wir am Ende eine Festigkeit des Blickes erhalten, der die ungewissen, flatternden Gestalten fest und stehend werden läßt. Mir sind wenigstens seit einiger Zeit tausend Sachen aus den fernsten Jahren, aus den verworrensten Gemüthsstimmungen eingefallen, an die ich bisher entweder gar nicht dachte, oder sie mir doch nicht so deutlich aus einander setzen konnte. Man steigt vielleicht immer höher, alles erscheint dann immer mehr als Zufälligkeit, was wir jetzt als unser Wesen betrachten, bis wir uns unserm eigentlichen Selbst immer mehr nähern, je mehr wir unser jetziges Selbst aus den Augen ver
O wir sollten überhaupt zu unsern Kinderjahren in die Schule gehn, und das lernen, was wir so gern verlernen, und es dann mit nichtiger Eitelkeit die Ausbildung unserer Seele nennen. Es ist, als wenn noch ein flüchtiger Schein einer früheren Existenz in die zarten Kinderjahre hineinspiegelte, wie der Widerschein
Als Kind träumt' ich einst, die ganze Welt ginge unter, und aus allen den ungeheuren Massen schmolzen einzelne Töne heraus, die sich nun durch den leeren Raum spielend bewegten und um einander gaukelten, und sich verschlangen und bunt durch einander wühlten. Bald versank der helle Ton in den tiefern, und denn erklang ein wunderbares Gemisch; bald spaltete sich ein dumpfer tiefer Klang, wie ein Farbenstrahl in viele helle Streifen, die wie Sonnenstrahlen hochklingend ausfuhren, und wieder in den mütterlichen Ton zurückfielen. Ich hörte das wunderbarste Konzert, das mich in der ungeheuren Leere mit Schwindel erfüllte, so daß ich bald nichts mehr hörte, und in einen tiefen bewußtlosen Schlaf versank.
Ich weiß, daß dies für die meisten Menschen Unsinn ist, aber vielleicht ließe sich in dieser Ahndung der Wahrheit (denn das sind gewiß immer diese Spiele der Phantasie) ein sehr tiefer Sinn erforschen, wenn meine Beobach
Erschrecken Sie nicht, ums Himmels willen nicht, theuerste Freundinn, wenn Sie diesen Brief eröffnen und die Unterschrift gewahr werden; lesen Sie ihn lieber zu Ende, und thun Sie, als wüßten Sie nicht von wem er käme; o erstaunen Sie wenigstens so sehr, daß Sie in Gedanken immer weiter lesen, und sich nur beym Schlusse von Ihrer Verwunderung erholen können. Hören Sie mich wider Ihren Willen, so wie ich wider meinen Willen unaufhörlich an Sie denken muß. – Und doch, –
Meine Gedanken wandern von Osten nach Westen und von Süden nach Norden, und gehen
Ich möchte manchmal alle Leute, die das Unglück und unsre verdammten Verhältnisse erfunden haben, zum Henker wünschen! Müssen wir denn in dieser öden lumpigen Welt noch so thun, als wenn wir wunder wie viel gewonnen hätten, wenn man uns die schwarzen Brandstellen zeigt, an denen vorher so herrliche Bäume
Ich reiste von London hieher, um ruhiger zu werden, und ich bin nun unzufriedener, als je. O Emilie, verzeihen Sie den rauhen Ton meines Briefes, verzeihen Sie den ganzen Brief, ach verzeihen Sie mir, daß ich so unbeschreiblich an Ihnen hange. –
Wir sprechen täglich von Ihnen und von Ihrem lieben Bruder, wir ersetzen uns durch häufige Erzählungen von Ihnen Ihre Gegenwart, so gut wir es können: aber ich denke leider nur desto öfter an Sie, je mehr von Ihnen gesprochen wird, um so mehr fühl' ich Ihre Entfernung. –
Wir pflanzen und säen im Garten, und haben alle eine glückliche Hand. Meine Schwester wird hier ganz zur Bäuerinn, und lebt in
Wie kindisch Ihnen mein ganzer Brief vorkommen mag! Ich schäme mich, denn es ist gewiß der schlechteste, den ich in meinem Leben geschrieben habe, und daß der nun gerade in
Es wird Abend, und mein Trübsinn nimmt
Ich siegle schnell, und schicke den Brief fort, damit ich mich nicht von neuem schäme.
Ich fühle es zwar recht gut, daß ich nicht schreiben sollte, allein es ist derselbe Fall, wie mit Ihnen, ich thu' es wider meinen Willen. Lieber, seltsamer Freund, warum machen Sie sich muthwillig Ihr Leben so unruhig und freudenleer? Wenn ich Sie überführen könnte, daß Sie unrecht haben, so sollte mich ein sehr langer Brief gar nicht gereuen, aber ich glaube, daß Sie sich selbst alles eben so gut und noch besser sagen, was ich Ihnen sagen könnte, daher ist meine Weisheit überflüßig. Es ist zwar schon eine alte Bemerkung, daß die Menschen nie so sind, wie sie seyn sollten und könnten; allein versuchen Sie es einmal, diese Bemerkung durch Ihre Handlungen zu widerlegen, und Sie werden finden, daß es weit leichter ist, als man gemeiniglich glaubt. Wenn ich mündlich mit Ihnen sprach, waren Sie oft gutmüthig genug, mir Recht zu geben und zu thun, als hielten Sie sich für überzeugt, aber ich
Mein Vater ist sehr schwach, und ich bin sehr um ihn besorgt: dieser Kummer hat mir alle gute Laune geraubt.
Sehn Sie, wie freygebig ich bin! Sie verlangten nur einige Worte, und ich schicke Ihnen einen ganzen Brief, der noch überdies moralischen Inhalts ist. – Grüßen Sie Ihre liebe Schwester, und leben Sie recht wohl.
Lieber Bruder, mir kömmt nun unser liebes England schon ganz nahe vor, so weit es mir auch bey meiner ersten Reise war. Ich bin jetzt schon wieder in Paris, und meine übrige Reise ist mir nur noch wie ein Traum. Ach lieber Bruder, es war mir alles recht sonderbar, als ich wieder durch dieselben Gegenden und Steingebirge reiste, durch die ich mir meinem Herrn Lovell gefahren bin; oft war ich so in Gedanken, daß ich meinte, ich reise noch mit ihm, und dann war ich so zutraulich und behende mit dem Franzosen, wie mit meines gleichen. Ich wurde recht betrübt, wenn ich dann beym hellen Scheine der Lichter das fremde Gesicht sah, und ich hatte dann ein ordentliches Heimweh nach meinem Herrn, wenn er mich auch nicht mehr liebt.
Sey nicht böse über mich, lieber Bruder, wenn ich mich so gar sehr darauf freue, Dich wieder zu sehn; ich kann es eben so wenig lei
Wenn ich erst zu Hause bin, und Dich besuche, will ich Dir sehr viel von meiner Reise erzählen. Das ist denn doch am Ende meine ganze Freude, die ich in der langen Zeit gehabt habe.
Hier in Paris bin ich ordentlich wie zu Hause, so bekannt ist mir noch alles, und alles ist noch gerade so, wie damals, als ich hier war. Es ist eine närrische Gotteswelt, in der wir leben, und sie könnte gewiß besser seyn, wenn alle Menschen sich nur für Arbeiter in dem Weinberge hielten, aber alle wollen essen, und viele thun doch gar nichts, sondern verderben noch im Gegentheile die Reben, und stören andre Menschen in der Arbeit; und das soll denn heißen, daß sie den ganzen Weinberg regieren und in Ordnung halten.
In mehr die Menschen nach obenhin klettern, je mehr vergessen sie, daß sie auch nur Menschen sind, sie kennen dann ihre armen Brüder nicht mehr, und Gott nicht mehr. Die Got tesfurcht wohnt überhaupt nur bey den armen
In die Kirchen darf ich nicht allzugut hineingehn, sonst würd' ich es öfter thun; aber ich könnte mir bey Gott eine Verantwortung zuziehn, und die Musik, das Messelesen und die abgöttischen Gebräuche könnten auch meinem Glauben einen heimlichen Schaden beybringen; denn welcher Mensch kann so ganz und gar für
Ich war durch unser gestriges Gespräch außerordentlich erhitzt, und ging, wie berauscht, nach Hause. Es waren so viele der fernsten Erinnerungen in mir geweckt, die noch immer in wiederholten Gängen durch meinen Busen zogen. Es ist manchmal, als wollte sich das Räthsel in uns selber aufschließen, als sollten wir plötzlich die Anwendung aller unsrer Empfindungen und seltsamen Erfahrungen kennen lernen. Die Nacht umgab mich mit hundertfachen Schauern, der monderhellte durchsichtige Himmel wölbte sich wie ein Krystall über mir, und spiegelte die seltsamsten Empfindungen wie Schatten in diese Welt hinein. – Rosalinens wehmüthige Gestalt war mit unter den bunten Schatten, sie ging neben mir, und verlohr sich im krausen Dunkel jedes Baums, und stand im hellen Mondscheine wieder da: wie Tapeten voll seltsamer Geschichten gewirkt, hing die ganze Natur um mich her. Vergangenheit und Zukunft
Es fällt mir oft ein, warum ich gerade so und nicht anders empfinde, und warum ich vorzüglich auf diese Frage geführt bin, die mir gewiß in keiner andern Seelenstimmung beyfallen würde. Die Vorstellung unsrer Individualität ist die seltsamste, die uns überraschen kann.
Ich bin äußerst begierig, nun endlich den wunderbaren Mann kennen zu lernen, von dem wir fast täglich gesprochen haben. Ich kann mir sehr gut einen Menschen vorstellen, der eine unumschränkte Gewalt über alle Gemüther hat, die ihn umgeben; aber es muß das interessanteste Studium seyn, einen solchen näher kennen zu lernen, selbst zu fühlen, auf welche Art er an unsern Ideen und Gefühlen reist, und sich so gleichsam zu ihm hinaufzuheben, in dem wir lernen, wie er auf uns würkt, und er begreift, wie er auf uns würken kann. Ich wünsche seine Bekanntschaft, und fürchte mich doch vor unsrer ersten Unterredung. Sie haben gewiß viel zu freundschaftlich das Wort geführt, und er findet mich vielleicht einfältig und abge
Ihre Besorgnisse, lieber Freund, sind ungegründet; der Mann, von dem wir gesprochen haben, gehört nicht zu jenen verständigen Leuten, die mit dem Fragmente ihrer Vernunft so ungeschickt umgehn, es so linkisch handhaben und widerwärtig regieren, daß man von ihrer Aufklärung keinen Genuß empfängt, sondern nur Verworrenheit der Begriffe, und Resultate, die fremd und unpassend unter den eigenen Mobilien unsers Gehirnes stehen. Diesem Manne wird es leicht, sich alle Gedanken, selbst die entferntesten, zu vergegenwärtigen, und sie zu seinen eigenen zu machen, für ihn giebt es keine
Leben Sie wohl.
O Freund, welche seltsame Nacht hab' ich gehabt! welche Empfindungen hab' ich kennen gelernt! – Wie verhüllte Spiegel hing es in meinem Innern, heut ist der Vorhang hinuntergezogen, und ich erblicke mich selbst in veränderter Gestalt, und tausend seltsame Gegenstände um mich her.
Ich kann immer noch nicht zur Ruhe und zur Besinnung kommen; ich weiß noch immer nicht, was ich denke oder schreibe; ich liege noch wie in einem Traume, und hefte mein Auge auf das Papier und die hingeschriebenen Worte, um zu erwachen.
Ein andermal, morgen will ich Ihnen erzählen, wenn ich etwas beruhigter bin. Ich werfe mich ins Bette, um mich vor dem Grauen zu verbergen, das mir nachschleicht.
Ich habe zu Ihnen geschickt, und vom Bothen leider vernehmen müssen, daß sie schon wieder nach Tivoli abgereist sind, ich hätte Sie so gern gesprochen und Ihren Rath und Beystand erbeten.
Ich habe in dieser Nacht nur wenig geschlafen, und bin im Schlafe von unangenehmen Träumen verfolgt. Ach Freund, ich kann Ihnen unmöglich sagen, was ich alles empfunden und gelitten habe, mir ist, als wenn sich vom gestrigen Abende eine Epoche durch mein ganzes künftiges Leben ausstrecken würde, viele Ahndungen sind mir näher getreten, und tausend ungewisse Zweifel haben sich inniger mit meiner Natur verbunden.
Ich gieng vor das Kapenische Thor. Der letzte Schimmer der Abendröthe glänzte in dem durchsichtigen Moose, das an den Ecken der Gebäude hängt, alles umher vereinigte sich zu großen Massen, und die Schatten kamen immer
Ach ist nicht alles nur Erfindung und Gedicht, was vergangen ist? Die Gegenwart ist nur ein Traum, die Vergangenheit dunkle Erinnerungen aus dem Traume, die Zukunft eine Schattenwelt, deren wir uns einst auch nur mit Mühe erinnern werden.
In Rosalinens Fenstern brannte kein Licht, keine Lautentöne erklangen durch die Nacht, keine Schatten bewegten sich auf dem grünen Rasen. Ich konnte es nicht unterlassen, dicht zum verlassenen Hause hinzugehn, und meine Arme, wie in Gedanken, nach dem verödeten Gebäude auszustrecken: ich konnte es nicht begreifen, warum die Hütte jetzt unbewohnt war, alles in meinen Erinnerungen war so ungewiß und doch
Ich hatte vergessen, wen ich erwartete, als mir eine schreckliche, ach nur zu bekannte Gestalt näher trat. Die Furchtbarkeit meiner Empfindung kam in sichtbarer Bildung auf mich zu, und ich entsetzte mich innig. – Was soll ich hier von kindischen Träumereyen reden, an die ich selbst nicht glauben kann, warum soll ich mich wie ein Knabe geberden, wenn mich ein seltsamer oder auch nicht seltsamer Zufall überrascht? – Aber es mag seyn, mir ist als habe mein Vater schon diesen wundervollen Andrea gekannt, den ich nun zum drittenmale mit innigem Entsetzen und in immer nähern Beziehungen auf mich gesehen habe.
Ich weiß nicht, was ich gesprochen haben mag, ich weiß eben so wenig, was jener sagte, und was mich umgab. Wie wenn alle meine
Im innersten Grausen sprach ich beherzt, ja frech, so wie im Rausche; der Alte schien verwundert. Ich sagte tausend Dinge, die ich nie gedacht habe, und die ich auch nur in diesen Augenblicken zur Hälfte dachte; ich war mir meiner selbst nur dunkel und ungewiß bewust, und es stand kein fremder Mann vor mir; ich sprach nur zu mir selber, und wie Wolken, Lichter und Schatten flatterten Gedanken durch meinen Kopf, wie wunderbare Töne von fremden ziehenden Vögeln erscholl es in meinem Innern, wie Mondschein, mit dem der Glanz der Morgenröthe kämpft, und beide ihre strahlenden Ge
Wir gingen auf und ab, und ich hörte ihn sprechen wie einen fernen Wasserfall, wie räthselhafte Donner, die beym Sonnenschein aus der Ferne den gerundeten Himmel hinanklimmen. – Wir verließen die Ruinen, und ich folgte ihm schweigend nach seiner Wohnung.
Ein blasses Licht erhellte sein altes, abgezehrtes Gesicht, in dem jede Falte und jeder Zug eine andere Sprache redeten. Wie wenn sich plötzlich der wohlbekannte Bruder an der Seite des Bruders in einen alten Mann umwandelt, so müßte jener die Empfindungen haben, die mich peinigten. Er ward mir so bekannt, und blieb mir doch so fremd, ich mußte ihn lieben und hassen, o ich hätt' ihn erwürgen mögen, um nur des Kampfes, um nur der Zweifel los zu werden. – Und ich kannte ihn dennoch, und sein Bild war von Jugend auf tief meiner Phantasie eingeprägt!
Es ist ein mühsames Geschäfft zu leben, unaufhörliche Zweifel und Furcht, Pein und Angst, das ganze Heer der Erinnerungen, alle jagen uns durch furchtbare Waldlabyrinthe, wo wir
Ich trat ans Fenster. Ein kleiner Rasenplatz und Rosalinens Hütte gerade vor mir; ich sah in dem kleinen Garten deutlich die wankenden Malven stehn, und der Mond stieg jetzt dunkelroth herauf, und sah zuerst in ihr Fenster hinein, und fand sie nicht. – Der Alte muß mich hier oft gesehn haben, wie ein Geist hat er mich umgeben, ich schämte mich nicht vor ihm, sondern sah ihm nur um so unbefangener ins Auge. Dann flog ich mit meinen Gedanken zu Rosalinen hinüber, und ich sah sie sitzen, und stumm und zwecklos in die Saiten der Laute schlagen, ich tröstete sie über ihren Tod, und sah ein bitteres Lächeln auf ihrem Gesichte; dann hört' ich mich von meinem Vater rufen, mit denselben Tönen, mit denen er mich in der
Und jetzt sitz ich hier und bin einsam, und sehe ihn doch im nebenstehenden Stuhle sitzen. Ich werde ihn wiedersehn und werde anders fühlen, und er wird vergehen, so wie ich, und keiner wird unsrer denken. –
Ist es Dir denn möglich, mich so ganz zu vergessen? Unsere munteren Gesellschaften haben an Dir ihre Seele verlohren, und jede Freude ist stumm und sitzt verlassen im Winkel. Denkst Du gar nicht mehr an unsere heiligen Bachanale zurück und an die stürmende Fröhlichkeit, die uns so wild und göttergleich begeistert? Sind Dir Deine schwermüthige Träumereyen und dein leeres Nachsinnen lieber als das Mädchen das Dich so innig liebt? – Schenke uns wenigstens den heutigen Abend, den wir allen Scherzen gewidmet haben und laß mich durch ein paar Worte die Du mit dem Boten zurückschicken kannst Deinen Entschluß erfahren. –
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Ich komme.
W.
Daß meine Reise hieher eine Art von Verbannung ist, fällt mir immer schwerer auf das Herz, je mehrere Tage ich von Rom entfernt bin. Daß ich gerade in diesem Zeitpunkte Deinen Umgang entbehren muß! Zu einer Zeit, wo ich mich immer mehr zu Dir hingedrängt fühle, wo sich gleichsam die Flügel meiner Seele von einander falten, um mich desto inniger an Dein Herz zu schließen. Du hast mich seit einiger Zeit mit neuen Ideen und Gefühlen überschüttet und eine neue Welt hat sich in mir eröffnet, eine Schaubühne, die unaufhörlich mit den wunderbarsten Scenen wechselt. Ich betrachte mein Leben seit jenem merkwürdigen Abende als ein neues, es hat sich mir ein Weg zu deiner Seele gebahnt, den ich weiter zu verfolgen brenne. Aber warum verwirfst Du mich und würdigst mich nicht Deines fernern Vertrauens? Darf ich den Argwohn schöpfen, daß Du Dich dem jugendlichen Lovell inniger
Es kann und soll nicht anders seyn als es ist, überlaß es mir meine Plane zu ersinnen und zu regieren, wenn sie Dir gleich noch wunderlicher erscheinen sollten. Was kümmert es Dich, wenn ich mir ein seltsames Spielwerk erlese, das mir die Zeit ausfüllt und auf meine eigene Art meinen Geist beschäftigt? Wenn ich bemerke, auf welche sonderbare Art die eine Seele auf die andere wirken kann? Du hast wohl mehrere Nächte unter Karten und Würfeln hingebracht; so vergönne mir, daß ich mir aus Menschen ein Glücksspiel und ernsthaft lächerliches Lotto bilde, daß ich ihre Seelen gleichsam entkörpert vor mir spielen lasse, und ihre Vernunft und ihr Gefühl wie Affen an Ketten hinter mir fühle, und danke dann dem Himmel, daß ich Dich als Freund und nicht als Spielzeug gebrauche.
Sie fragen mich: wie ich lebe. Ich bin seit langer Zeit in einer Verfassung, daß ich nicht ohne Sie leben kann. Ich habe Sie immer nöthig, um jeden Gedanken und jedes Gefühl in Ihren Busen auszuschütten. – Mir ist jetzt oft zu Muthe als wären Flügel an meine Brust gewachsen die mich immer höher und höher heben und durch die ich bald die Erde mit ihren Armseligkeiten aus den Augen verlieren werde.
Ich sehe jetzt den alten Andrea täglich; ich habe noch nie einen Menschen mit dieser hohen Bewunderung betrachtet, ich habe aber auch noch nie eine Seele angetroffen, die alles, was sonst schon einzeln die Menschen vortreflich macht, so in sich vereinigte. Die Erinnerung macht mir jetzt eine seltsame Empfindung, daß ich ehedem vor seiner Gestalt zurückschauder
Schon seit lange hatte mir Andrea versprochen mich in eine Gesellschaft von Männern zu führen, die sich um ihn, wie um einen Mittelpunkt versammelt haben, und so gleichsam eine Schule bilden; ich brannte, um sie kennen zu lernen. Gestern wurde ich dort eingeführt.
Mir war während der Zeit manches durch den Sinn gegangen, der Argwohn als wenn Andrea das Haupt irgend einer geheimen Gesellschaft sey, da man sagt, daß unser Zeitalter von der Wuth besessen sey, auf diese Art selt
Wir gingen erst am Morgen auseinander. Ein glühendes Roth streckte sich am Horizont empor und färbte Dächer und Baumwipfel; die freye Morgenluft und der helle Himmel kontrastirten seltsam mit dem dunklen nächtlichem Zimmer. Schaaren von Vögeln durchflatterten die Luft mit muntern Tönen, die Bewohner der Stadt schliefen fast noch alle und unsere Schritte hallten die Straßen hinab. – Könnt' ich begreifen warum diese sinnlichen Eindrücke mich stets so innig rühren! Der frische Morgen ist mir immer das Bild eines frohen und thätigen Lebens, die Luft ist gestärkt und theilt uns ih
Auch ich, lieber Lovell, fühle mich jetzt, ohne ihre Gesellschaft, einsam. Die Freundschaft wird unserer Seele schon darum ein unentbehrliches Bedürfniß, weil sie immer ein Herz sucht, dem sie sich ganz und in jeder Stunde mittheilen darf. Die Trennung unterbricht diese schöne Harmonie, denn die Briefe sind nur lahme und ungeschickte Boten, sie wissen die Stimmung nicht, in der sie uns antreffen, wenn sich im mündlichen Gespräche die Seelen fast unmittelbar berühren. Ich kann mir Sie und den alten Andrea recht lebhaft bey einander denken, ich sehe Ihren Enthusiasmus, denn ich weiß es aus eigener Erfahrung, wie viel dieser Greis nur durch einige Worte auf unsere Seele vermag. Ich kenne auch das Räthselhafte und fast Furchtbare das ihn umgiebt, er erscheint uns in jeder Stunde in einer veränderten Gestalt und es kostet ihn nichts, sich und eine ganze Ge
Soll ich es Ihnen gestehen, Rosa, daß mir Ihr Brief gewissermaßen wehe gethan hat? Denn es ist einmal eine Schwäche der menschlichen Seele die sie vielleicht nie ablegen kann, daß ihr gewisse Bemerkungen Schmerzen machen. Beim Anblicke aller Vortreflichkeiten scheint das menschliche Herz mit der Bewundrung zugleich einen gewissen Neid zu fühlen: ist der Eifer, irgend einem Muster ähnlich zu werden, wohl etwas anders? Wir suchen daher gern bey vorzüglichen Menschen eine Seite heraus, die unserm Tadel unterworfen seyn könnte, bloß um uns selbst als besser zu achten. Dieser Neid ist der Quell von allem, was wir in den gewöhnlichen Bedeutungen im Menschen Gut und Schlecht nennen, und eben darum, weil ich dies einsehe, sollte mich Ihr Brief auf keine Weise unzufrieden gemacht haben. Ich kann über meinen alten Freund durchaus nicht Ihrer Meynung seyn, am wenigsten kann ich jene
Wenn ich mich oft betrachte und mich stumm in Gedanken verliere, so möcht' ich ihn in manchen Stunden für ein fremdes, übermenschliches Wesen halten, ich habe mir im Stillen manche wunderbare Träume ausgesponnen, die ich mich schämen würde, Ihnen so mit kaltem Blute niederzuschreiben, so sehr sie auch meine Phantasie gefangen halten. Er begegnet oft auf eine unbegreifliche Weise meinen Schwärmereyen mit einem einzigen Worte, das sie mir deutlicher macht, und in ein helleres Licht stellt.
Neulich war ich durch seine Reden in eine ungewöhnlich feyerliche Stimmung versetzt, er
Ein gewaltiger Schauder zog meine Seele heftig zusammen, alle meine Nerven zuckten mächtig, und mein ganzes Wesen krümmte sich erschrocken, als wenn ich unvorsichtig an die
Sie haben zum Theil recht, lieber Freund. Ihre Gefühle kann ich auf keine Weise tadeln, denn ich bin zu gut mit diesen bekannt, aber lieber Freund, kann denn der große Mensch nicht das Gröste und Kleinste in sich vereinigen und liegt nicht eben darinn seine höchste Größe? Doch ich will lieber abbrechen, denn wir streiten beyde am Ende nur über Worte.
Manche Ihrer Gedanken über Andrea sind mir aus der Seele geschrieben, in seiner Gegenwart fühle ich mich immer wie in der Nähe eines Ueberirrdischen. Auch manches ist mir begegnet, was ich mir auf keine Art zu erklären weiß. Als ich neulich mit ihm hier in Tivoli war, waren wir fast täglich zusammen und unser Gespräch fiel vorzüglich auf den Aberglauben und die wunderbare Welt, vor der unser Geist so oft steht, und dringend Einlaß begehrt. Meine Phantasie ward mit jedem Tage mehr erhitzt, alle meine bisherigen Zweifel verlohren immer mehr von ihrem Gewicht; Sie können sich
Die kleine Laterne erhellte sparsam unsern Weg und Bäume und Stauden glitten uns, mit einem durchsichtigen Grün bekleidet, vorüber, mein Begleiter war stumm und ich ging wie im Traume hinter ihm. Jetzt waren wir nahe am Thore und der Mann mit der Laterne stand still; wir nahmen mit wenigen Worten Abschied und ein breiter Schimmer fiel auf sein Gesicht. Ich fuhr zusammen, denn es war ganz das bleiche Antlitz einer Leiche, die Augen waren wie weit hervorgetrieben, die Lippen blaß und wie in einem Todtenkrampfe verzerrt: ich glaubte ein Gespenst zu sehn, und erschrak nur noch inniger, als ich nach einigen Augenblicken die Züge
Aber wie fuhr ich zusammen, als mir
Und war es nicht eben die Gestalt unsers Andrea, mit Schrecken denke ich daran, die der unglückliche Balder so oft in den Exaltationen seiner Phantasie beschrieb? – Und doch hatte er ihn niemals gesehen. – Wer weiß, ob er mich nicht jetzt umgiebt, indem ich diesen Brief schrieb, und jeden Gedanken kennt, den ich denke! –
Warum hab' ich von Dir Argwöhnischen, nicht schon einen zweiten Brief erhalten? Ich bin auf Nachrichten von Dir begierig, weil ich mich von je für Dich interessirt habe. Ob Du es in dem Grade, wie ich Dich schätze und liebe, verdienst, ist eine andre Frage; indessen muß man sich darum bey den Menschen nie bekümmern; mein Eigensinn, den Du an mir neulich getadelt hast, besteht bloß darin, daß ich nie einen Gegenstand wieder fahren lasse, den meine Zuneigung einmal ergriffen hat; nur unterlaß die Forderung, daß ich Dir, wie ein Kind, von meinen Gedanken Rechenschaft ablegen soll. Erwarte erst das Ende jeder Prüfung, um meines ganzen Vertrauens werth zu seyn und begnüge Dich jetzt damit, daß Du von allen der Erste bist, der Ansprüche darauf machen kann. Wenn Dir also meine Liebe oder Achtung noch irgend etwas werth ist, so verschone mich mit ähnlichen Briefen, als Dein letzter war.
Ich habe nie, Rosa, mit diesem Blicke ins Leben gesehn; wie vorübereilendes Schattenwerk, wie wandelnder Rauch, der über die Heide schreitet, so nichtig fliegt alles durcheinander. Ich weiß nicht, ob ich wache oder träume, denke oder rase, die widerwärtigsten Gedanken und Gestalten haben sich innig mit einander verknüpft, und tausend Zweifel und Irrthümer, Schrecken und Truggestalten hängen wie ein Netz um mich her, das mich nicht wieder frey giebt.
Mein Herz ist die Höle des Aeolus geworden, in dem alle Stürme durch einander murren und sich mit wildem Grimme von ihren Ketten losreißen wollen. O, lassen Sie mich diesen
Ist die Welt nicht ein großes Gefängniß, in dem wir alle wie elende Missethäter sitzen,
Doch der schwarze Tag bricht endlich, endlich herein. Er kann nicht ausbleiben. Alle vorhergehenden Tage waren nur Vorbereitungen zum letzten schrecklichen. Die finstre Parze findet endlich die Stelle, wo sie den Faden zerreißt. – O wehe uns, Rosa, daß wir geboren wurden!
O des klagenden Thoren! mit ohnmächtiger Kraft sperrt sich das arme Thier, in den Stall zu gehn, wo das schlachtende Messer seiner wartet. Die Zeit, dieser unbarmherzige Henkersknecht, schleppt Dich hinein, das Thor schlägt hinter Dir zu und Du stehst einsam unter deinen Mördern.
Was kann der Mensch wollen und vollbringen? Was ist sein Thun und Streben? –
O daß wir wandern könnten in ein fremdes, andres Land; ausziehn aus der Knechtschaft, in der uns unsre Menschheit gefangen hält!
Einsam steh ich, mir selbst meine Qual und mein Henker, in der Ferne hör' ich die Ketten der andern rasseln. – Schauder stehn vor unserm Gefängnisse zur Wacht. – Da läßt sich keiner bestechen, – eisenfest und unwandelbar stehn sie da. – –
Ich habe den Ruf vom jenseitigen Ufer gehört; ich habe den seltsamen Wink verstanden, und das Boot eilt schon herüber, mich abzuholen; ich trage meine Sünden in meiner Hand und gebe sie als Fährgeld ab. – – Die Wogen rauschen, es schwankt das Boot, das Steuer ächzt, und bald tret ich an das düstre fremde Gestade, und in doppelter Vereinigung kommen mir alle meine Schmerzen entgegen.
Gestern war ich bey Andrea und seiner Gesellschaft. Sie sprachen viel durcheinander und saßen in Reihen hinab, wie gefüllte Bilder aus Erde. Alle waren mir fremd und armseelig,
Ich streckte meine Hand aus und berührte den nächstsitzenden; und wie ins Reich der Vernichtung griff ich hinein und war ein Glied der zerbröckelnden Kette. Ich gehörte nun mit zum Haufen, und war mir selber fremd und armseelig, so wie die übrigen.
Aller Augen waren starr auf die Wand geheftet, in allen spiegelte sich der Widerschein des Todes. Die Kerzen brannten dunkler, die Vorhänge rauschten geheimnißvoll, das Blut in meinen Adern wollte aufsieden und erstarrte.
Töne schlugen das Ohr mit seltsamer Bedeutung, wie Arabeskengebilde fuhr es durch meinen Sinn; ich erwartete etwas Fremdgestaltetes und lechzte nach etwas Ungeheuerm. Und ich vergaß hinter mir zu sehn und stand unter meinen Freunden einsam, wie in einem Walde von verdorrten Bäumen.
Schatten fielen von oben herunter und san
Es kreiste und wogte gewaltig durch einander, wie ein Unding das zum Entstehen reif wird, so kämpfte die Masse gegen sich selbst. – Es schritt näher und glich einer Nebelgestalt; vor mir vorüber wie ein pfeifender Wind, – und o,
Sie war es, ganz, wie sie lebte. Sie warf einen Blick auf mich und wie ein Messer traf er meine Augen, wie ein Berg mein Herz. Ich sträubte mich gegen meine innerliche Empfindung und es zog mich ihr nach; – ich stürzte laut schreiend nach ihrem Gewande und stieß mit dem Kopfe an die Mauer.
Ich erschrak nicht, verwunderte mich nicht und erwachte auch nicht. Wie andre Elemente umgab mich alles, ich sah die Freunde wieder, ich hörte wieder die Bäume und Wasser, die ganze Mühle der gewöhnlichen Welt, mit allen ihren Gängen.
Andrea und die übrigen waren stumm und
Man öffnete die Fenster; die Morgenluft brach herein, der Himmel war wie eine Platte buntgestreifter Marmor, die Wände der Welt waren wie immer mit ihren seltsamen Gewächsen ausgelegt, und wie ein wildes Thier, so fiel eine nüchterne Empfindung mein Herz an.
Wo steht die letzte Empfindung, daß ich zu ihr gehe? Wo wandeln die seltsamsten Gefühle, daß ich mich unter sie mische? Daß ich von
Wolken fliehn und kommen wieder, das seltsamste Morgenroth wird Tagesschein. – So wird es mit diesem Herzen gehn. – Leider, daß ich das schon jetzt empfinde!
Wie alles mich immer bestimmter zu jenen Schrecken hinwinkt, denen ich entfliehen wollte! Wie es mich verfolgt und drängt, und doch die gräßliche Leere in mir nicht ausfüllt! – Wie in einem Ocean schwimm ich mit unnützer Anstrengung umher; kein Schiff, kein Gestade, so weit das Auge reicht! unerbittlich streckt sich das wilde Meer vor mir aus, und Nebel streichen verspottend wie Ufer herum, und verschwinden dann wieder.
Nebelbänke sind unser Wissen und alles, was unsere Seele zu besitzen glaubt; der Zweifel rauft das Unkraut zusammt dem Getraide aus, und in der leeren Wüste schießen andre Pflanzen mit frischer Kraft hervor, deren Farben noch schöner und glänzender spielen. Der Mensch muß denken und eben darum glauben, schlafen und also träumen; es ist möglich, daß alle Gestalten nur in mir wandeln, alles ziehende Schattenbilder in der Hölung meines Au
Der Wechsel der Jahreszeiten zerstört die Berge und Felsen, die ewigen Pfeiler der Erde zerbröckeln sich durch Regengüsse, der Mensch durch den Lauf seines Bluts, ein Todtenwurm in ihm, der ihn von innen heraus zernagt. Jedes Ding ist Bild und Gegenbild zugleich, es erklärt sich selbst und man sollte nie fragen: Wie hängt diese Erscheinung mit jener zusammen? – Der Geist des Forschens ist die Erbsünde, die uns von unsern ersten gefallenen Eltern angestammt ist.
Alles, was ich sonst meine Gefühle nannte, liegt todt und geschlachtet um mich her, zerpflücktes Spielzeug meiner unreifen Jugend, die zerschlagene magische Laterne, mit der ich meine Zeit vertändelte; bunte Farben und Schattenspielwerk!
Ich nenne mir manchmal den Nahmen
Ich möchte in manchen Stunden von hier reisen und eine seltsame Natur mit ihren Wundern aufsuchen, steile Felsen erklettern, und in schwindelnde Abgründe hinunterkriechen, mich in Hölen verirren, und das dumpfe Rauschen unterirrdischer Wasser vernehmen, ich möchte Indiens seltsame Gesträuche besehen, und aus den Flüssen Wasser schöpfen, deren Nahme mich schon in den Kindermärchen erquickte, Stürme möcht' ich auf dem Meere erleben, und die Aegyptischen Pyramiden besuchen; – o Rosa, wohin mit dieser Ungenügsamkeit? und würde sie mir nicht selbst zum Orkus und in Elysium folgen? –
Und lern' und erfahr' ich denn nicht hier in Rom genug? Genügt mir nicht dies tiefe wunderbare Leben, in dem die Wunder mit den Stunden wechseln? Wohin von hier? Das Gewand der ganzen Erde ist kahl und dürftig, – o Balder, ich möchte dich in den tiefen Ge
Sollte es möglich seyn, daß ich schon hinter dem Vorhang stände, der die jenseitige Welt von den hiesigen Menschen sondert? Es ist vielleicht und ich erschrecke nicht mehr vor dem Gedanken. –
Mein Geist knüpfet sich immer vertrauter an Andrea, ich verstehe ihn, so viel sich zwey Menschen verstehen können, die immer das Nehmliche meynen und ganz etwas anders sprechen; in jedem Körper liegt die Seele, wie ein armer Gequälter in dem Stiere des Phalaris, sie will ihren Jammer und ihre Schmerzen ausdrücken, und die Töne verwandeln sich und dienen zur Belustigung der umgebenden Menge. – Sein feiner Sinn vermischt stets die Vernunft mit seinem innersten Gefühle, er baut sich keine Ueberzeugungen, um bequem in ihnen zu wohnen, er sucht nichts in sich zu verändern und auszurotten. –
Doch ich vergesse ganz, was ich erzählen wollte. Man vergißt über Worte sich und alles übrige, wir sprechen selten von uns selbst, sondern meist nur darüber, wie wir von uns
Es war vorgestern, als ich mit einer großen Gesellschaft zu einem prächtigen maskirten Balle fuhr. Ich liebe diese Maskeraden, weil sie mich stets in eine frölich wehmüthige Stimmung versetzen. Das Rauschen der seltsamen Gestalten durch die Säle und auf den Treppen, das räthselhafte Gezische und Geflüster, die Unbekanntschaft mit allen Menschen umher, alles ist für mich ein stilles Gedicht über das menschliche Leben, ein Schauspiel, worin die Schauspieler selbst ihre Rollen nicht verstehn, und sie dennoch meisterhaft darstellen. – Ich sah hier Pantalons und Pierrot's durcheinander springen, die Musik klang verworren in das bunte Geräusch hinein, die Kerzen flimmerten durch die Säle und glänzten gegen den Putz von schönkoeffirten Damen, ich stand an einen Pfeiler gelehnt und sah ohne Sehnsucht und ohne Ruhe in das große Findelhaus der mensch
Eine weibliche Gestalt strich kokettirend zu wiederholtenmalen bey mir vorüber. Ich hatte schon oft das Rauschen ihres seidnen Gewandes gehört und ward jetzt erst aufmerksamer. Mir war, als wenn sie mich recht geflissentlich vor allen übrigen Masken auszeichnete und eine Bekanntschaft mit mir suchte. Wir näherten
O was ist der Mensch mit seinen Empflndungen, die so oft an den letzten Grundstein seines Gebäudes rühren und dann wieder verschwinden und sich vielleicht nie wieder anmelden? Meine Sinnlichkeit erwachte und ich verfolgte die unbekannte Maske bald durch das dickste Gedränge, ich begleitete sie, als sie in
Hier sah ich den schönen Wuchs genauer und die zarten Arme, ich bat und flehte, aber sie wollte um keinen Preis die Maske vom Gesichte nehmen. –
Ich verlohr sie im Saale wieder aus den Augen, dessen Getön und Gebrause mir jetzt nach der augenblicklichen Ruhe, nach der stillern Erleuchtung des Zimmers innig zuwider war. Ich ging noch ein paarmal auf und ab, verlohr mich wieder in Träumereyen, und ging dann fort, um in meinen Wagen zu steigen. Zu meinem Erstaunen finde ich die oft gesuchte Maske vor der Thür, sie vermißt ihren Wagen ich biete ihr den meinigen an, und, o welche Freude! sie schlägt das Anerbieten nicht aus. –
Nun waren wir allein im Wagen, und ich wandte alle meine Beredsamkeit an, um sie zu bewegen, die entstellende Maske abzunehmen. Sie thut es endlich mit einer kaltblütigen Bewegung, – und o, – die Haare richten sich mir noch empor, – –
Alles ist Trug und Schein um uns her, aber warum wir uns selbst Phantasien erschaffen, die unser Inneres so gewaltig umrütteln, o
Meine Hände zittern noch, wenn ich daran denke, und doch ist es vorüber und ich zweifle jetzt selbst daran, daß es war. Weiß ich doch kaum, was ich jetzt thue und denke. –
In manchen Stunden, wenn ich so recht innig fühle, wie alles umher und in uns nur Dunst und Rauch ist, möcht' ich Dich fragen: aber was ist denn der Mensch und sein eigentliches Selbst? Was können wir in ihm gut und böse, thöricht und verständig nennen? – Alles ist ein vorübergehend Räthsel, fades Wortspiel und langweiliger Zeitvertreib.
Jedermann hat seine eigene Stimme und nur wenige wissen, was sie mit dieser sagen wollen. Die ganze Welt ist nichts als ein Gemählde, wo jedes Auge die Farben anders sieht. Auch meine Worte gehören nur mir zu und passen im Munde keines andern. –
Warum suchen wir immer nur Unterschiede zu machen? Alles in der Natur hat seinen nahen und fernen Endzweck, wenn wir ihn auch nicht gewahr werden, weil wir Menschen sind, und immer wider unsern Willen uns selbst zur Axe des Universums machen und machen müssen. Eben so ist es in uns selber. – Die Unterschiede erfand nur der blödere Sinn, um die Menschen in Reihen zu stellen; welcher Edle hatte nicht dieselben Neigungen und Triebe, dieselben Vorsätze, die der faßte, den wir einen Bösewicht nennen? Der Mensch kann nur unterscheiden nach den Erscheinungen, die äu
Freylich, lieber William, täuscht uns alles in und außer uns, aber eben deswegen sollte uns auch nichts hintergehen können. Wo sind denn nun die Quaalen, von denen ich so oft muß reden hören, die unsre Irrthümer, unsre Zweifelsucht, der erste Sonnenstrahl unserer Vernunft uns erschaffen? Es ist die Zeit, die auf ihrem Wege durch die große weite Welt auch durch unser Inneres zieht, und dort alles auf eine wunderbare Weise verändert. Veränderung ist die einzige Art, wie wir die Zeit bemerken, und weil wir die Fähigkeit haben zu denken, haben wir auch zugleich die Fertigkeit verschiedenartige Gedanken hervorzubringen. Weil eine Gedankenfolge uns ermüdet und am Ende nicht mehr beschäftigt, so macht eben dies eine andere nothwendig; und dies nennen die Menschen gewöhnlich eine Veränderung ihres Charakters und ihrer Seele, weil sie sich immer viel zu wichtig finden, und sich gern über und
Alles, was wir in uns kennen, ist Sinnlichkeit, dorthin führen alle Fußtapfen, die wir in der einsamen Wüste entdecken, zu dieser einzigen Höle werden wir immer wieder zurückgeführt, so seltsam sich der Weg auch krümmen mag. Nur in der Sinnlichkeit können wir uns begreifen, und sie regiert und ordnet das Gewebe, das wir immer von unserm Geiste getrieben glauben. Bloß hierauf können sich alle Plane und Entwürfe, Wünsche und stille Ahndungen gründen; in dieser Körperwelt bin ich mir selbst nur mein erstes und letztes Ziel, denn der Körper ordnet alles nur für seinen Körper an, er findet bloß Körper in seinem Wege, und
Damit die verächtlichen Maschinen sich brüsten können, haben sie Nahmen und Unterschiede wie bunte, klägliche Ordenszeichen erfunden; nur der Pöbel hat die tiefe Achtung vor diesen.
Die Empfindung geht daher einen kürzern und richtigern Weg, als der grübelnde Verstand; denn das Gefühl ist der Haushofmeister unserer Maschine, der erste Oberaufseher, der dem alten pedantischen Verstande alles überliefert, der es weitläuftig und auf seine ihm eigene Art bearbeitet. Gefühl und Verstand sind zwey nebeneinander laufende Seiltänzer, die sich ewig ihre Kunststücke nachahmen, einer verachtet den andern und will ihn übertreffen.
Wenn wir nicht bloße Maschinen sind, so reißt sich die Seele einst gewiß von allem los, was sie so lästig gefangen hält, sie wird nicht schließen und unterscheiden, nicht ahnden und glauben, sondern im raschen, reißenden Fluge nach ihrem ungekannten Vaterlande eilen, wo sie wirken und ungefesselt dauern kann.
Wenigen wundervollen Menschen war es vielleicht gegönnt, sich schon hier, von den
Heut scheint die Sonne freundlich und ich denke an Deinen Nahmen, denn er ist wie blauer Himmel. Da war mir, als hört' ich Deinen Gang hinter mir in den Gebüschen und ich sah mich um. Aber der Wind kletterte nur in den Bäumen umher, und pflückte einige reife Blätter, die er der Erde, seiner Mutter, zum Verzehren hinlegte. Nun hab' ich noch in meiner Schreibtafel ein Blatt Papier und ich will es nehmen, und jetzt mit Dir sprechen; vielleicht findet sich einst ein Mann, der es zu Dir hinüberträgt.
So werd' ich jetzt gezwungen, nach einem gewissen Klange zu reden, der wie ein Wasserfall in meiner Seele auf- und niedersteigt. Mich besuchen oft Leute in meiner einsamen Waldwohnung, und sagen es ganz laut, so daß ich es höre, ich sey ein Prophet von Gott gesandt. Die guten Leute meinen es aber in ihrem Sinne recht gut, nur schieben sie das meiste auf meinen Bart, der mir wider meinen Willen so lang gewachsen ist.
Die Sonne spielt fröhlich zwischen den dunkelgrünen Zweigen herab und ich sehe, wie je des Thier sich in ihr goldnes Netz so gern und willig fängt. Die ganze Natur ist begeistert und die Waldvögel singen lange und schöne Lieder, und die Bäume stimmen drein mit lautem ehrwürdigem Rauschen und wie Harfensaiten
Ich denke noch daran, daß wir oft über alles sprachen, was ich jetzt immer wirklich vor mir sehe.
Alle diese Leute sind nicht todt, sondern nur verdunkelt, sie kommen, wenn ich sie rufe, und vertragen sich brüderlich mit mir.
Ich weiß nicht in welchem Waldgebirge ich wohne, denn ich erkundige mich nie mehr nach Nahmen. Es sieht um meine Wohnung wunderlich und doch schön aus. Felsen stehn hoch und ernsthaft da, und Ulmen und Pappeln, und an den senkrechten Wänden hängt der Epheu dick wie Riesenlocken herunter. Es ist alles hier um mich lebendig und voll Freundschaft, die Bäume grüßen mich, wenn ich aufwache, der Himmel zieht purpurroth über meinen Kopf weg und seine bunten Lichter spielen um mich herum und necken mich. – Ach Freund, wenn man die Blumen und Pflanzen näher kennen lernt, was sie dann anders sind, als man gewöhnlich glaubt, sie sind klüger als die Leute denken, und haben auch mehr Gewalt, als man meint. Die Menschenwissenschaft kennt nur einen Theil ihrer geheimen Kraft.
O was würden die Menschen in der Nacht erblicken, wenn sie plötzlich in ihren Träumen aufwachen könnten. Der Traum steht vor ihnen und weiß wenn der Mensch nicht mehr schläft, der gewöhnliche Betrug giebt auf den ersten Wink Acht und rennt wieder an seine Stelle. – Aber ich war einmal krank und sah alles mit Augen, und griff es mit diesen Händen, mit denen ich jetzt schreibe, ich weiß selbst nicht warum; da hielt ein jedes Wunder or
Auch die Vögel und die Thiere, die Berge und die Felsen sind anders, als die Menschen sich einbilden wollen es zu wissen. Es ist nur zu weitläuftig, sonst könnt' ich hier viel davon schreiben und es würde doch weder Dir noch einem andern Menschen nützen, denn wer's nicht schon vorher weiß, kann mich doch immer nicht verstehn. So geht es mit allem Guten. Jeder Mensch spielt sein eigenes Instrument und hat einen andern Takt und ein anderes Lied abzuspielen.
Da hab' ich hier in einem Felsen einen Menschen gefunden, der alles so sehn kann, wie ich. Daß sich die Klugen doch so gern aus der Welt zurückziehn! Aber in der Einsamkeit denkt und fühlt die Seele anders, sie wird nicht durch das unordentliche Gezwitscher und Gepolter unterbrochen. In der freyen Natur ist alles mit der Seele verwandt und auf einen Ton gestimmt, in jedes Lied stimmt sie freywillig ein und ist das Echo und eben so oft der Vorsänger von allem was ich denke: ein kleiner Vogel kann mir vielen Verstand in mei
Wir leben wie Brüder bey einander und er hat gar kluge Einfälle. Uns beiden kommt die Welt anders vor, wie den übrigen Leuten, und doch ist die Kunst nur so klein und einfach.
Ich halte mir auch Tauben, die ganz zahm geworden sind und doch ihren natürlichen Muth und Verstand behalten haben. Ich habe sehr viel von ihnen gelernt, wenn sie manchmal so unter sich mit dem Kopfe nickten und girrten und sich ihre Zeichen machten, mit denen sie manchmal über den Menschen spotten. Diese und die Lämmer, die mit mir essen, sind die unschuldigsten und besten Geschöpfe von der Welt, und wenn sie Dich kennten, würden sie Dich grüßen lassen. Es ist nur um die Reise zu thun, so könntest du hier mit mir leben.
Und so will ich denn lieber enden, um mir kein Mißfallen zuzuziehn.
Lebe wohl, William, so schreibe ich hier in meinen Bergen. – Die Stauden winken mir, zu ihnen zu kommen, und ein Wort mit ihnen zu sprechen, denn sie halten alle viel von mir; meinen Rosen muß ich noch Wasser zu trinken geben, und dann muß ich die kranke Pappel besuchen, die der Wind eingeknickt hat. Es ist ganz mein freyer Wille, aber ich habe es mir selbst zum Gesetze gemacht; ich helfe ihnen
Die Lämmer wundern sich, weil ich schreibe, was sie von mir noch nicht gesehn haben. Die unschuldigen Thiere können nur auf ihre Art sprechen, und es ist auch eben so gut.
Lebe recht wohl, ich will das Blatt einem fremden Manne geben.
Wohin soll ich mich mit meinen Gedanken und Empfindungen wenden? Ueberall bin ich mir fremd, und überall find' ich mit meinen Ideen einen wundervollen Zusammenhang. Der höchste Klang des Schmerzes und der Quaal fließt wieder in den sanften Wohllaut der Freude ein, das Verächtliche steht erhaben und die Erhabenheit fällt zu Boden. Wie im Abgrunde der See Geschmeide und Kostbarkeiten unter Schlamm und neben verweseten Gerippen glänzen, so seltsam liegt alles in meinem Innern durcheinander.
O Rosa, hier hätten Sie nun von neuem Gelegenheit, über mich zu spotten, aber ich finde immer mehr, daß man manches nur in Versen und in einer Art von Wahnsinn sagen könne, die prosaische Sprache widerspricht diesem Unsinn in jeder Zeile.
Lesen Sie doch aufmerksam Balders wunderbaren Brief, der wie der Gesang eines fremden, verirrten Vogels zu uns herübertönt.
Ich möchte Ihnen gern noch so vieles schreiben und kann keine Worte und keine Begriffe finden, es ist alles in mir wüst und verlassen, wie eine Gegend nach einem Erdbeben. –
Ich kann in mir selber keine Ruhe finden. Geben Sie mir nur Eine Ueberzeugung und ich bin zufrieden. Dieser Zweifel ist der Henker, der unsre Seele auf die Folter legt. Andrea mag mir dagegen sagen, was er will: es ist die Arbeit der Danaiden in der Unterwelt, immer wieder von neuem und stets von neuem dieselben Gedanken ohne Erfolg durch unsern Kopf rinnen zu lassen.
Lieber Bruder. Ich habe Dich also doch nun wirklich endlich gesehen, und ich bin nun wieder umgekehrt, und sitze und denke hier in Kensea wieder an Dich, wo ich nach dem Willen meines lieben verstorbenen Herrn als ein Verwalter bleiben soll, bis mein Herr William aus Italien zurückkömmt. Wie ist die Zeit und das menschliche Leben doch so gar flüchtig! Es ist nicht anders, als wenn wir nur solche Bilder wären, die auf den Schießplätzen den Schützen oft vorbeygezogen werden, man sieht sie kaum, so sind sie auch schon wieder weg.
Hier leb' ich nun recht ruhig und von der ganzen Welt abgesondert. Ich denke oft an den guten alten Lord Lovell, der nun auch gestorben ist, und an alles, was ich so Zeit meines Lebens erfahren habe. Ich bin innerlich recht zur Ruhe gekommen und es ist mir, als wenn ich mich immerfort im Stillen grämte. Das
Ich gehe fleißig in die Kirche und halte mich jetzt mit meinen Gedanken mehr zu Gott, als jemals. Alles übrige ist doch nur eitel und vergänglich.
Der Garten hier ist gegen ehemals recht verwildert und ich kann ihn mit dem Gärtner unmöglich wieder recht in Ordnung bringen; das liebe Unkraut hat sich allenthalben eingeschlichen und tiefe Wurzel gefaßt; wir thun beide was wir können, aber es will immer nichts fruchten.
Bleib ja gesund, lieber Bruder, daß wir uns vor unserm Tode noch einmal sehn können, endlich muß es doch an's Sterben gehn, da hilft kein Widerstreben und dann wollen wir sanft und geruhig in dem Herrn entschlafen.
Deine Briefe, lieber Willy, sind mir jetzt immer gar zu fromm. Es ist freylich wohl wahr, daß man sich in Deinem Alter von dem Irrdischen etwas abziehen kann, und man thut ganz recht und wohl daran, aber alles Ding, Willy, hat auch sein Maaß und Ziel. Wir sind in der Welt, um zu arbeiten, und etwas zu thun und dazu möchte man alle Kourage verliehren, wenn man immer nur an die Vergänglichkeit der Dinge denken wollte, darum bilde ich mir manchmal ein, daß manches, was ich thue und verfertige, ewig dauern würde, und mir ist ganz wohl dabey zu Muthe.
Was du mir von Deinem Garten schreibst, will ich gar gern glauben, weil Du und der Gärtner vielleicht nicht mit dem Dinge umzugehen wissen. Auch gehören zu solchem Werke viele Arbeiter und Gartenknechte, wie du wohl auch hier an meinem Garten in Bonstreet wirst gesehn haben; die Natur hängt einmal nach
Der alte Lord Burton ist recht gefährlich krank und ich glaube, daß er schon zum Grabe reif ist. Die Unterthanen sind alle vergnügt, und seine Kinder sind die einzigen, die ich weinen sehe. Es ist ihre Pflicht, als Kinder, sonst hat er von den andern nicht leicht eine Thräne verdient; er bekehrt sich vielleicht noch in seinen letzten Stunden, welches ich von Herzen wünschen will. Auf den Sohn hoffen wir aber alle recht mit Sehnsucht, und ich denke, es soll denn auch mit meinem Garten hier ein ander Ansehn gewinnen. Ich habe mit allen meinen Herrschaften bisher immer Unglück gehabt; die alte Dame in Waterhall ließ den Garten fast ganz verwildern, und der alte Lord Burton hat gar keinen recht guten Geschmack, und man darf ihm nichts einmal dagegen sagen, sonst wird er noch obendrein böse. So alt ich bin, so hör' ich es doch gerne, wenn fremde Herrschaften so den Garten und den Fleiß des Gärtners loben, und der Sohn, der junge Herr, hat auch schon manchmal mit mir darüber gesprochen, ausser seit sein Vater so krank ist, wo
Ist denn Dein umherschweifendes, unruhiges Gemüth nun endlich zur Ruhe gebracht? Deine wilden Zweifel sind aufgelöst und Du wirst Dich und die Welt wieder unbefangener betrachten können. Ich habe alles für Dich gethan, was ich thun konnte, und der ungestümste Zweifler hätte dadurch befriedigt werden müssen.
Ich danke Dir, daß Du mich endlich aus den verworrenen Labyrinthen wieder zum Lichte des Tages geführt hast, denn meine Seele erlag allen den ungeduldigen Zweifeln. Aber jetzt ordnet sich alles Unstäte und Umherschweifende in meinem Gemüthe wie an Fäden die alle in Einem Mittelpunkte zusammentreffen. Du hast mich von der Wirklichkeit einer wunderbaren Welt überzeugt und alles hat sich in mir zufrieden gegeben, alle Ideen und Empfindungen nehmen wieder ihre natürliche Stelle ein und die Harmonie mit mir selbst ist hergestellt.
Endlich, Freund, bin ich beruhigt, ich habe die höchsten Spannungen der Phantasie überstanden und ein gewöhnlicheres Leben nimmt seinen Anfang. Andrea hat mich endlich von seiner Lehre überzeugt und ich fühle mich innerlich beruhigt, ich bin an eine stille ruhige Insel nach einem wilden Sturme verschlagen. Folgen Sie meinem Beyspiele, Rosa, und werfen Sie sich einer Ueberzeugung in die Arme, um beruhigt zu werden. Ueberzeugungen muß der Mensch haben, um sein Daseyn ertragen zu können, um nicht vor sich selbst und dem Abgrunde den er in seinem Innern entdeckt zurückzuschaudern. Ich mag diese Nothwendigkeit keine Schwäche nennen, denn durch Glaube und Ueberzeugung fühlt sich der Mensch stark; seine Zweifel waren nur ziehende Wogen die ihn an das feste Gestade trugen.
Ich habe seit lange, theurer Freund, keine Nachrichten von Ihnen erhalten, und ich gerathe fast in die Besorgniß, daß Sie ebenfalls krank sind. Mit Ihrem Vater hat es sich wahrscheinlich nicht gebessert, denn sonst würden Sie mir wohl einige Nachricht davon gegeben haben.
Ich fühle mich in der Einförmigkeit des Landlebens noch immer sehr glücklich; es scheinen mir lauter Mißverständnisse zu seyn, wenn die Menschen so ämsig nach ihrem Glücke suchen, selten denkt man sich bey dem Worte Glück etwas deutliches, und die Wandrer gehn nun oft auf wunderbaren Wegen um das Ziel herum. Amalia ist eben so froh und gesund, als ich bin, und ich möchte sagen, daß sie mit jedem Tage heiterer wird.
Ich habe mich jetzt daran gewöhnt, eine eigene Haushaltung zu führen, und ich und meine Frau haben uns noch nie gestritten, ein
Leben Sie recht wohl und antworten Sie mir bald.
Ich konnte Ihnen bisher nicht schreiben, theurer Freund, weil die Krankheit meines Vaters, die mit jedem Tage zunahm, mich zu sehr beschäftigte und zerstreute. Sie ahnden es vielleicht aus diesem Anfange, daß er nicht mehr ist, und diese Nachricht war es, die der Innhalt meines Briefes werden sollte. Ja Mortimer, er hat endlich alle Schmerzen die ihn folterten überstanden, und auch ich bin nun ruhiger. Seine Seele schied schwer von ihrem Körper, der sie doch nicht mehr zurückhalten konnte; ich kann es nicht unterlassen, ihn stets von neuem zu beweinen, wenn es mir wieder lebhaft einfällt, daß er nicht mehr ist, so viel ich auch in manchen Stunden von ihm habe leiden müssen. Ach, ich habe alles, alles vergessen, denn er war in seinen letzten Stunden so freundlich und zärtlich gegen mich; er hätte sich mit der ganzen Welt so gern versöhnt, und sprach oft mit vieler Rührung von Lovell, seinem gestorbe
Leben Sie recht wohl und glücklich, ich werde Sie auf einige Tage besuchen, um mich zu zerstreuen. Morgen ist das Begräbniß.
Mein Sinn ist wieder frey, und die Natur umher wieder heiter. Die tiefe Traurigkeit kann mit allem Rechte zu den gefährlichen Krankheiten gerechnet werden. Ich bin jetzt genesen, und der Schmerz der Rückerinnerung ist weit sanfter und geistiger; wenn ich jetzt nur noch einige Geschäfte in Ordnung gebracht habe, so sehn Sie mich auf einige Tage in Ihrer Wohnung.
Wozu die Klagen, die ungestümen Stürme gegen ein unabänderliches und gewiß gütiges Schicksal? – Er ist hinab, zur Ruhe gegangen, und es ist menschlich die Arme nach dem Verschwindenden auszustrecken; aber war denn das Leben sein Gewinn und sein Glück? Der Mensch betrachte den Himmel mit seiner Sonne und mit seinen Sternen, und alle ängstlichen
Aus jeder herben Empfindung entspringen bald fröliche Gefühle und ich glaube, daß meine Schwester schon jetzt mit Hoffnungen ihre Phantasie schmückt, die sie bis jetzt unterdrükken mußte. Es ist mir nie so recht gelungen, ihr eigentlicher Vertrauter zu werden, aber ich verarge ihr dies neue Leben nicht, obgleich Lovell in seiner jetzigen Stimmung schreckliche Sätze darinn über die Menschen entdecken würde. – O wie schmerzt es mich, so oft ich diesen Nahmen niederschreibe!
Leben Sie recht wohl, Emilie läßt Ihre Gattinn herzlich grüßen.
Du vermuthest mich vielleicht noch in Bonstreet und wunderst Dich den Brief von London datirt zu sehn? Nein, Mortimer, ich wünschte nicht, daß Du lange in Deinem Erstaunen bleiben mögest, denn ich fühle es, daß ich hier seyn muß.
Ich habe vier glückliche Tage in Bonstreet, an Emiliens Seite verlebt, und bey Gott, es hat mich noch nicht einen Augenblick gereuet, daß ich wieder so schnell abgereist bin. Ich sollte unwürdig genug seyn, Sie sogleich mit ihrer reichen Aussteuer zu heyrathen und dann gemächlich von ihrem Vermögen zu leben? Es kam bloß auf mich an, aber bey der ersten Nachricht von Burtons Tode ging mir der Gedanke durch den Kopf, daß ich ein unwürdiger Mensch wäre, wenn ich es thäte. Du weißt, daß ich mehrere gute Empfehlungen an den Minister hatte, und er nahm mich freundlicher
Ich lächle über mich selber wie ich bisher alles ernstere, festere Leben verabsäumt habe, sie nur so oft als möglich zu sehn suchte, und daß ich jetzt hier sitze, freywillig von ihr verbannt und mir noch aus meinem kältern Sinn ein großes Verdienst mache. Aber bisher war sie mir ungeist und ich verlängre nun gern meine poetische Idyllenexistenz, das goldne Zeitalter der reinen Liebe, das doch nachher auf immer verlohren ist.
Meine Lebensgeister sind sehr munter, und mir ist immer als wenn ich bey Emilien wäre. Die Stadt mit allen ihren Annehmlichkeiten und Unannehmlichkeiten gefällt mir, denn ich
Zuweilen mache ich mir Vorwürfe darüber, daß ich innerlich so froh bin. Die Menschen, (und ich mit eingerechnet,) sind ausgemachte Narren. Einen trüben, verkehrten Sinn, in dem sich alle Gegenstände dunkel und unkenntlich abspiegeln, halten Sie viel leichter für den Rahm der Tugend, als die frohe Gemüthsstimmung. Ich freue mich ja nicht über Burtons Tod, nicht daß er mir aus dem Wege gegangen ist, – o nein, nur über die Ebene, die plötzlich, ohne mein Zuthun, vor meinen Füßen liegt. Die Menschen sind darinn ganz gute Geschöpfe, und wohl mir, daß auch ich mir jetzt so recht wichtig und bedeutend vorkomme, daß ich alle Vorstellungen auf mich und mein künftiges Glück beziehe! Man lasse doch alle große kosmopolitische Plane, allen Kummer über Weltbegebenheiten fahren, und liebe sich und die Menschen recht innig, die der gütige Himmel dicht um uns angepflanzt hat! Dieser Empfin
Deinen Gruß an Charlotten magst Du bey der ersten Gelegenheit selbst bestellen, denn ich spreche nur ungern mit ihr, die übrigen sind besorgt und alle sagen von Herzen Dank, daß du Dich ihrer mit einem so fröhlichen Wohlwollen erinnerst. Dein Brief, Karl, hat mir sehr gefallen, denn eine liebenswürdige Menschlichkeit führt darinn das Wort, wir sollten alle so empfinden, und die Menschen würden sich aus dieser dürren Erde einen Garten machen.
Nein, du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen, lieber, unbefangener Mensch. Liegt es denn nicht in unserer Natur, daß wir das Glück willkommen heißen, wo wir es finden? Deine Seele hat ihre Unschuld behalten und Du wirst nie schlecht empfinden, und wenn auch bey der Betrübniß andrer Dein Mund sich zum frohsten Lachen zieht.
Mit Deinem Plane bin ich ebenfalls sehr zufrieden, die Thätigkeit wird Dich zum Manne
Alle Deine Wünsche mögen in Erfüllung gehn, nur erliege nicht unter Deinen Vorsätzen.
Morgen, liebe Freundinn, reise ich mit meinem Bruder von hier ab, um Sie auf einige Tage zu besuchen. Ich bin jetzt wie aus einem Kerker erlöst, seit ich nicht mehr so traurig bin; man fühlt nie so tief, wie wenig alle Vernunftgründe vermögen, man bemerkt nie so sehr, wie schwach wir sind, als wenn ein recht heftiger Schmerz unsre Seele durchdringt. Alle unsre Freuden und Hoffnungen fliehen dann plötzlich hinweg, und bleiben in einer unkenntlichen Ferne stehn; die Verzweiflung breitet sich in unserm ganzen Innern aus und wir kommen uns selber als Kinder vor, daß wir uns über irgend etwas freuen konnten.
Aber nach einem heftigen Schmerze, wenn die Brust sich erst durch Schluchzen freyern Athem gemacht hat, fühlen wir unser Leben dann auch mit frischem Wohlbehagen; und wie freue ich mich jetzt, Sie nach einer so langen
Warum fang' ich an so weitläuftig zu werden, da wir uns nun bald mündlich sprechen? – Denken Sie wohl noch zuweilen an den armen Lovell? Was er jetzt treiben mag, der arme in sich verunglückte Mensch! – Ich möchte ihn wohl noch einmal wieder sehn. – Leben Sie wohl.
Ich sehe Dich jetzt nur so selten, Du eigensinniger Träumer! und dann nur auf einzelne flüchtige Augenblicke! Es ist mir eingefallen, wenn ich manchmal Dein verdrüßliches Gesicht ansehe, daß Du selbst nichts weißt, was Du von Dir und von mir haben willst. Umsonst werden alle Scherze und jeder Muthwille wach, wenn Du bey mir bist; Du bleibst in Deiner Verschlossenheit, und lächelst nur zuweilen halb mitleidig, halb erzwungen, um mich nur nicht rasend zu machen. – Ist das derselbe Lovell den sich vor einem Jahre mein lüsternes Auge wünschte?
Laura ist bey mir und wir haben eben von Deiner unerträglichen Laune gesprochen. Daß wir uns so an Dich gewöhnt haben, ja daß wir Dich so lieben, ist um zu verzweifeln! Es fehlt nicht viel, daß wir Sonnette auf Dich machten; aber nimm Dich in Acht, daß es nicht im Ernste Satyren werden!
Aber besuche mich nur heut noch, wenn Du Dich nicht besser zu beschäftigen weißt, ich will meine ganze Phantasie aufbieten, Dich fröhlicher zu machen.
Hast du Verdruß, Händel und Prozesse vielleicht in Deinem Vaterlande? – O laß alles fahren und freue Dich des Lebens und der Liebe! Was ist alles übrige? – Nicht der Mühe werth um davon zu reden. – O das habe ich Dich so oft an meinem Busen beschwören hören, Du Ungetreuer! Komm und sey jetzt nicht
Sehr närrisch macht sich die Feder in meinen zum Schreiben ungelenken Fingern aber möchten die ungeschickten verwirrten Streiche doch Zaubercharakter seyn, die Dich unaufhaltsam herbannten!
Sie waren gestern ganz ohne Zweifel böse auf mich, weil ich Sie mit Adriano bey Ihrer Bianka störte, aber ich hoffe, ich habe mich doch im Ganzen so schnell wieder entfernt, daß Sie nicht unversöhnlich seyn werden. Ich reiche Ihnen mit aller meiner Gutmüthigkeit die Hand zum Frieden, denn es wäre unverzeihlich, wenn wir beyde noch vor Ihrer Abreise Feinde werden sollten.
Wenn ich nicht etwas zu fett wäre, so würde ich Sie begleiten und bey der Gelegenheit auch einmal andre Länder, als Italien zu sehn bekommen; aber so bin ich in mir selber gefangen, denn das Reisen bekömmt mir nie. Sonderbar, daß wenn man es sich gut schmecken läßt, man es nachher mühsam findet, einen Berg zu erklettern. – Indessen es lassen sich nicht alle Genüsse und alle Vortreflichkeiten verbinden.
Trinken Sie ja nicht gleich kalt Wasser, wenn Sie aus dem Wagen oder vom Pferde steigen, denn ich habe es aus eigner Erfahrung, daß das sehr schädlich ist.
Bleiben Sie einem Frauenzimmer zu gefallen nie einen Tag länger an einen Orte; man hat nur Undank davon.
Lassen Sie fleißig nachsehn ob keine Linse am Wagen fehlt, damit Ihnen nicht plötzlich ein Rad abläuft und Sie einen gewaltigen Stoß bekommen.
Nehmen Sie auf jeden Fall einige Flaschen vorzüglich guten Wein mit, man weiß sonst
Die Postillione sind am besten, wenn sie halb betrunken sind.
Wenn Sie Ihren Freunden Naturseltenheiten mitbringen sollen, so ist es am bequemsten daß Sie diese auf der letzten Station kaufen, und dann schwören, Sie hätten sie mit eigenen Händen aus dem oder dem Berge gebrochen; man kann manchen Leuten damit eine sehr fröliche Stunde machen.
Nehmen Sie sich besonders vor dem Morgenthau in Acht; es ist widerwärtig auf einer Reise krank zu werden.
Unterlassen Sie es nie, an die Aufwärterinnen einige Liebkosungen wegzuwerfen, Sie bekommen durch dieses Hausmittel allenthalben weit bessere Suppen.
Die Rechnungen der Wirthe braucht man nie zu überrechnen, denn richtig addirt werden sie selbst vom Einfältigsten; man spart beym Einsteigen in den Wagen damit einige Zeit.
Ihren Bedienten behandeln Sie ja recht
Ich halte Sie für meinen wahren Freund, denn ich bin wenigstens der Ihrige, und darum habe ich Ihnen einige Kenntnisse mitgetheilt, die ich mir ehemals auf meinen Reisen abstrahirt habe. Der ganze Brief macht wenigstens daß Sie auf der Reise vielleicht an mich zuweilen denken, damit habe ich schon genug und übergenug gewonnen, und gegen unsern Andrea will ich recht damit prahlen, daß ich Ihnen manchen vortreflichen Rath auf den Weg gegeben habe.
Besuchen Sie mich aber noch morgen Abend, Sie werden eine Gesellschaft von lustigen Freunden finden.
Und Du willst uns also wirklich verlassen? Ich sehe Dich nun in langer Zeit nicht, vielleicht nie wieder? – Willst Du auf der Reise zuweilen an Deine Bianka denken? Doch darauf darf ich kaum hoffen und meine Zudringlichkeit wird mich Dir nur noch verhaßter machen. Ich habe gehört, daß Du schon morgen früh abreisen willst und so wünsche ich Dir denn alles mögliche Glück. Wenn Du mich liebtest, würdest Du mich heut noch zum letztenmale besuchen, aber ich zweifle, daß Du kömmst. Ich möchte Dich so gern sprechen, aber Dir liegt nichts daran, – und so magst Du denn gehn. – Lebe wohl.
Ich habe mich nirgends aufgehalten, und darum haben Sie bis jetzt noch keinen Brief von mir erhalten, hier aber will ich nun mehrere Tage von den Beschwerlichkeiten der Reise ruhn.
Ich hätte nicht noch jenen lustigen Abend bey unserm Franzesko genießen sollen, denn die Einsamkeit, die Entfernung von Ihnen und allen unsern Freunden drückt mich nun um so schmerzhafter. Schon unter der Munterkeit, unter dem lauten Lachen sah ich in Gedanken meinen einsamen Wagen zwischen düstern Bergen fahren, und nun sitz ich hier in einer fremden Stadt, so ganz abgesondert, tief in Betrachtungen und Erinnerungen mancherley Art versenkt.
Ich wollte vor meiner Abreise noch Bianka besuchen, allein halb war es unmöglich, halb hab' ich es vergessen. Nichts ist für mich widriger und betrübter als jeder Abend vor ei
Mit dem ersten Ruck des Wagens hören dann gewöhnlich meine Beklemmungen auf, ich vergesse denn, daß ich den Ort, den ich verlas
In den wildesten Gegenden der Piemontesischen Gebürge fühlte ich mich oft auf eine seltsame Art glücklich, ich dachte an den Vorfall mit den Räubern, der mir vor ohngefähr anderthalb Jahren hier begegnete. Ich glaubte oft, daß Balder jetzt aus einem dunkeln Gebirgpfad heraustreten müßte, oder daß Niemand anders als Amalie in der Kutsche vor mir fahren könne, oft hatten auch die Gesichter, denen ich begegnete, eine auffallende Aehnlichkeit mit jenen, die ich suchte. Ich weiß selbst nicht, was mich zu so seltsamen Erwartungen stimmte, noch weniger warum ich es so innig wünschte, daß meine Träume zur Wirklichkeit werden möchten.
Wie mag sich in meinem Vaterlande jetzt alles verändert haben? – Wie habe ich mich selbst verändert! – Und doch bin ich innerlich noch so sehr dasselbe Wesen.
Das Wetter ist sehr trübe und ich will mich niederlegen, um zu schlafen.
Ich schicke Ihnen hier einige Papiere, die Sie, wie ich glaube, mit Intresse lesen werden. Unsre neulichen herzlichen Gespräche gegen mir ein Recht, nicht geheimnißvoll gegen Sie zu seyn, ob ich Sie gleich ersuche, diese Blätter in keine andre Hände zu geben, denn sie sind von meinem Vater.
Vorn habe ich mehrere Bogen weggeschnitten, die, wie es scheint, zu Exercitien in der Sprache gedient haben, durch einen Zufall hat er in diesem Buche dann für sich weiter geschrieben und so sind diese Geständnisse entstanden. Es giebt vielen Aufschluß über seine Art zu denken und über den Menschen vielleicht überhaupt. Er hat es selbst späterhin angemerkt, was er in seiner Jugend geschrieben hat.
Mich hat die Lectüre betrübt und nachdenkend gemacht. – Ist es nicht wunderbar, daß sich aus einem Schreibebuche der Charakter eines Menschen zum Theil entwickeln konnte?
Schicken Sie es mir zurück, so bald Sie es geendigt haben.
In meinem sechszehnten Jahre geschrieben.
Ja ja, Herr Wilkens ich habe Ihre Regeln recht gut verstanden, und vielleicht besser als Sie es glauben. Ihr ganzer Unterricht bezieht sich am Ende dahin, daß ich die Sprache zu meinem Nutzen gebrauchen lerne, und dann ist der Mensch gebildet. Habe ich mich nicht noch gestern an einem schwierigen Briefe üben müssen, in welchem eine gut angebrachte captatio benevolentiae, gleich im Anfange mein Hauptaugenmerk seyn mußte?
Ich bin seit gestern gegen jedermann besonders gegen die Bedienten sehr auf meiner Hut, denn ich sehe in jedem freundlichen Gesichte, in jedem ehrerbietigen Gruß nur eine captatio benevolentiae und gegen meinen Vater habe ich sie selbst auf die glücklichste Art benutzt, denn ich habe nun endlich die schöne goldne Uhr, nach der so lange mein Sinn trachtete. – Nur muß ich dafür sorgen daß niemanden diese Be
Es ist aber, als wenn der Unterricht aller meiner Lehrer, ja selbst meines Vaters nur dahin ginge, daß ich lügen und mit den Worten spielen lernte, wenigstens ist die kluge Schmeicheley gewiß die Poesie, die am unmittelbarsten auf die Seele wirkt. – Ich glaube, alle Complimente die meinem Vater gemacht werden, und die er zurückgiebt, sind nur Repetitionen aus einem frühern Unterrichte.
Ich muß selbst die Probe an den Menschen machen, die mich umgeben, vorzüglich am Koch und am Gärtner. Wenn der Satz richtig ist, so hat vielleicht jedermann eine schwache Seite, die man ihm abgewinnen muß, um ihn nach Gefallen zu benutzen. Das wäre wenigstens ein sehr lustiges Leben, wenn mir plötzlich alle Trauben des Gartens, alle Leckerbissen der Küche, ja selbst alle Goldstücke meines Vaters zu Gebote ständen.
Der Schlüssel zur ganzen Welt könnte am Ende nichts anders, als die gepriesene Captatio benevolentiae seyn.
Wenn Herr Wilkins nur nicht wieder darauf fällt, daß ich Verse machen soll, eine andre Art Lügen zu bauen, die ich verabscheue, weil sie zu gar nichts führt. Man sage mir doch ja nicht vor, daß Empfindungen diese trostlosen abgezirkelten Zeilen hervorbringen; ich habe schon manchen weinen sehen, aber nie auf eine ähnliche Art sprechen gehört. Ich begreife auch nicht, wie ich oder irgend jemand durch ein fingirtes Trauerspiel gerührt werden kann. – Diejenigen die Trähnen vergießen können, sind am Ende wieder eine andere Art
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Zwey Jahre nachher.
Gottlob! daß ich endlich von meinen lästigen Lehrern befreyet bin! Nichts als Worte und Phrasen! Ich habe bey diesem Unterricht nur die Menschen kennen gelernt, die ihn mir ertheilten, die so schwach und blöde waren, daß sie es gar nicht bemerkten, wie sie von mir und meinem Eigensinne abhingen.
Nichts kann mich so sehr aufbringen, als die Unbeholfenheit im Menschen, jene Blindheit in der sie nicht sehen, welche Talente zu ihrem Gebote stehen, und wie Fremde ihnen plötzlich Zügel und Gebiß anlegen, und aus einem freyen Thiere ein dienstbares machen.
In der Sprache muß man sich gewisse Worte und Redensarten merken, die wie Zaubergesänge dazu dienen, eine gewisse Gattung von Leuten einzuschläfern. Auf jeden Menschen würken Worte, nur muß man ihn etwas kennen, damit man die rechten nimmt, um sein Ohr zu bezaubern. Der Verwalter hört nun gern von Ehrlichkeit der Menschen reden, er liebt es wenn man auf Niederträchtigkeit schimpft; wenn ich dies thue, und die Worte mit einer gewissen Hitze ausspreche, so weiß er sich vor Freuden nicht zu lassen, und drückt mir in seinem Entzücken die Hände. Auf diese Art muß man den Schatz unserer Sprache studiren, um die wahre Art zu sprechen zu finden. Es fällt mir immer ein, daß die Menschen offenbar
Die sogenannten Wahrheitsfreunde sind daher Menschen, die ausgemachte Thoren sind, die selbst nicht wissen, was sie wollen, oder sie sind eine andere Art von Lügnern. Sie haben sich in den Kopf gesetzt, daß in ihrer Wahrheitssagerey ihr Charakter bestehe, und sie sagen daher von sich und andern Leuten eine Menge Sachen die sie wirklich nicht denken, sie wollen sich auf diese Art etwas auszeichnen, und sich freywillig verhaßt machen. Sie sehen nicht ein, daß unsere ganze Sprache
Der Grund von allen unsern Künsten, von allen unsern Vergnügungen, von allem was wir denken und träumen, – was ist er anders als Unwahrheit? – Plane und Entwürfe, Tragödien und Lustspiele, Liebe und Haß, alles, alles ist nur eine Täuschung, die wir in uns selber erzeugen; unsere Sinne und unsere Phantasie hintergehen uns, unsere Vernunft muß daher falsche Schlüsse machen, alle Bücher die geschrieben sind, sind nur Lügen, wovon die Letzteren die Ersteren in ihrer Blöße darstellen sollen; und doch soll ich den kleinen Theil meines Körpers, die Zunge, der Wahrheit widmen? Und wenn ich es wollte wie kann ich es?
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Ein Jahr nachher.
Mein Vater ist gestorben, und die ganze Welt wünscht mir Glück, mit Worten die wie Kondolenzen gestellt sind. Viele suchen sich mir zu empfehlen, und manche darunter meine schwa
Die Menschen sind gewiß nicht werth, daß man sie achtet, aber doch muß man sich die Mühe geben, mit ihnen zu leben. Ich will sie kennen lernen, um nicht von ihnen betrogen zu werden, denn wie kann ich dafür stehen, daß nicht irgend einmal meine Eitelkeit, oder ir
Alles schmeichelt mir jetzt, selbst die Menschen von denen ich weiß, daß sie mich nicht leiden können und mich verachten. Alle denken, wenn sie mich erblicken, an mein Vermögen, und alle Bücklinge und Erniedrigungen gelten diesem Begriff, der nur auf eine zufällige Weise mit mir selber zusammengefallen ist. Diese Vorstellung von meinem Reichthum beherrscht alle die Menschen, die in meine Atmosphäre gerathen, und wohin ich trete, folgt mir diese Vortreflichkeit nach. Ich kann es also niemand verargen, wenn er sein Vermögen und seine Herrschaft über die Gemüther zu vergrößern sucht, denn dadurch wird er im eigentlichsten Verstande Regent der Welt. Ein goldner Zauberstab bewaffnet seine Hand, der allen gebeut. Dies ist das einzige, was noch mehr würkt, als alle möglichen Captationes benevolentiae.
So lange man bey recht vielen Leuten den Gedanken erzeugen kann, daß man ihnen wohl nützlich seyn könnte, hat man recht viele Freunde. Alle sprechen von Aufopferung und hohen Tugenden, bloß um uns in eine solche
Man lebt in der Gesellschaft wie ein Fremdling, der an eine wilde barbarische Küste verschlagen ist; er muß seine ganze Bedachtsamkeit, alle seine List zusammen nehmen, um nicht der Rotte zu erliegen, die ihn mit tausendfachen Künsten bestürmt. Wenn man es vermeiden kann, daß das Leben ein Hazardspiel wird, so hat man schon gewonnen. Seltsam daß alle zu gewinnen trachten, und manche doch die Karten nicht zu ihrem Vortheile mischen wollen! Für den Klügern muß es keinen Zufall geben.
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Im zwanzigsten Jahre.
Der junge Lovell ist ein Narr, recht so, wie man sie immer in den Büchern findet. Ich habe das wunderbare Glück gehabt, ihn zu meinem Freunde zu machen. Er spricht gerade so wie die Dichter die er sehr fleißig liest, und ich möchte wetten er macht selber Verse. Er
Freundschaft ist eines von den Worten, die im Leben am häufigsten genannt werden, und man muß eben sowohl Freunde als Kleider haben, und von eben so verschiedener Art. Freunde die mit uns spatzieren gehn, und uns Neuigkeiten erzählen; Freunde die uns mit Leuten bekannt machen, mit denen wir gern in Connexion kommen möchten. Freunde die uns gegen andere loben, und uns Zutrauen erwerben; andere Freunde, von denen wir im gesellschaftlichen Gespräche manches lernen, was zu wissen doch nicht unnöthig ist; Freunde die für uns schwören; Freunde die, wenn wir es so weit bringen können, und die Gelegenheit es erfordert, sich für uns todt schlagen lassen. Aus
Lovell ist etwas jünger als ich, und er macht vielleicht noch dieselben Erfahrungen, die ich schon jetzt gesammelt habe. Das Alter ist bey gleichjungen Menschen oft sehr verschieden, und ich bin mir durch einen Zufall vielleicht selbst um viele Jahre vorausgeeilt; ich fühle wenigstens von dem Jugendlichen und Kindischen nichts in mir, daß ich an den meisten Jünglingen und an Lovell so vorzüglich bemerke. Mich verleitet die Hitze nie, mich selbst zu vergessen; ich werde durch keine Erzählung in einen Enthusiasmus versetzt, der mir schaden könnte. Mein Blick richtet sich immer auf das große Gemählde des verworrenen menschlichen Lebens, und ich fühle, daß ich mich selbst zum Mittelpunkte machen, daß ich das Auge wieder auf mich selbst zurück wenden muß, um nicht zu schwindeln.
Viele Menschen wissen gar nicht, was sie von den übrigen fordern sollen, und zu diesen gehört Lovell. In Gedanken macht er sehr große Prätensionen an meine Freundschaft. Ich fordre von den Menschen nicht mehr, als was sie mir leisten; und dies vorher zu wissen, ist der Kalkül meines Umgangs; je gewisser ich diesen rechne, jemehr kenne ich die Menschen, und das ganze übrige Leben von Zuneigung und Wohlwollen uneigennütziger Freundschaft,
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Bald nachher geschrieben.
Immer ist es mir zuwider gewesen, wenn ich den Nahmen
Cromwell war vielleicht der reinste und eifrigste Schwärmer, als er sich im Anfange zur Parthey der Puritaner schlug. Wider sein Erwarten fand er, daß es leichter sey, die Menschen unter seinen Geist zu beugen, als er im Anfange gedacht hatte. Er durchdrang mit seinem scharfen Blicke die Gemüther aller derer die ihn umgaben, er bemerkte es, auf welchen Armseligkeiten meistentheils das Ansehen beruhte, das er unter seinen Freunden hatte, und er schämte sich vor sich selber, und verachtete die Menschen. Seine Schwärmerey und sein Enthusiasmus waren es vorzüglich, die die Menge an ihn band, denn der Schwärmer zieht einen weiten Feuerkreis um sich herum, und selbst in die kälteren Menschen gehen Funken über, die sie unwillkührlich mit Liebe und Wohlwollen zu ihrem Anführer drängen.
Des Glück folgte ihm auf seinen Fußstapfen, und welcher Sterbliche kann sich wohl von der Schwachheit losreißen, den glücklichsten Erfolg seiner kühnsten Plane nicht für den wahren Orakelspruch der Natur und der Gottheit zu halten? Fast jeder Unglückliche zweifelt an seinem Werthe, er hält nur gar zu oft sein Unglück für seine Strafe. So glaubt der Sieger im Glück seinen Lohn zu finden, seine Bestätigung von oben her. Vom Erfolge begünstiget, schrieb er neue Zirkel in seine Plane, und alles erfüllte sich immer auf die wunderbarste Weise. Durch ein unruhiges thatenreiches, und glückgekröntes Leben, sah er sich plötzlich wie durch einen muntern Traum an die Spitze des Staats gestellt, und sein ganzes voriges Leben war nur Zubereitung und Gerüst zu diesem großen Momente.
An ihm war die Wohlfahrt seiner Parthei gekettet; und was war natürlicher und einem Menschen verzeihlicher, als daß er jetzt seine Persönlichkeit mit seiner Sache verwechselte? Er glaubte für seine Parthey zu kämpfen, wenn
Er konnte gegen seine Freunde nicht dankbar seyn, denn er glaubte durch eigene Kraft alles errungen zu haben, er konnte sie nicht achten, da er sie nicht kannte. Ihre Verehrung seiner aber, so wenig Autorität sie auch für ihn hätte haben sollen, trug er doch gern und ganz zu seinen Verdiensten über, denn denen Menschen die uns loben, übertragen wir
Ich will mir heute ernsthaft vornehmen, nie daran zu glauben, wenn man meinen Gang, meine Häuser, meinen Scharfsinn, oder meine Gesichtsbildung lobt, und wer weiß ob ich nicht darauf falle, mir einzubilden, daß in meinem Garten die besten Blumen stehen, und daß hier dann ein elender Schmeichler seine volle Erndte findet! Der Himmel ist vielleicht so grausam mir in den Kopf zu setzen, ich hätte mehr Geschmack als andere Menschen. – O! statt memento mori sollte man in seine Taschenuhr setzen lassen: Hüte dich vor der Eitelkeit!
Je mehr ich seinen Charakter überdenke, je menschlicher finde ich ihn; nur daß er ein großer Mensch, ein leuchtendes Meteor war. Wer ihn ein Ungeheuer nennt, hat nie über ihn, oder über sich selber nachgedacht.
Er hatte das Unglück einen einfältigen Sohn zu haben.
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Die Menschen sind Narren, denn obgleich einer den andern betrügt, so nehmen sie doch nichts so sehr übel, als daß sie betrogen werden, besonders wenn man sie auf eine andre Art hintergeht, als sie die übrigen Menschen täuschen. Lovell ist mein unversöhnlicher Feind, wenn er erfährt, daß ich mit daran arbeiten half, ihm seine zärtliche Braut zu entführen, und er würde es nie zur Entschuldigung dienen lassen, daß Waterlov auch mein Freund und sogar mein Oheim sey. – Aber da der ganze Plan doch verunglückt ist, so denke ich mich auf jeden Fall wieder mit ihm zu versöhnen.
Aber Waterloo, ob er gleich mein Oheim ist, ob er gleich älter ist, wie ich glaube, als vierzig Jahre, ob er gleich schon große Reisen gemacht hat, ist dennoch ein weit größerer und in die Augen fallenderer Narr, als der jugendliche Lovell. Er glaubt alles zu haben, indem er Witz hat, er meint die Menschen genug zu kennen, wenn er nur weiß, wodurch er sie zum Lachen bewegen kann, er wäre vielleicht ein guter Komödiendichter geworden, aber zum Umgange mit Menschen ist er verdorben. – Er
Waterlo[o] ist abgereist, und wie ich eben höre, gestorben. Er ist vielleicht närrisch genug gewesen, sich selbst umzubringen.
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In meinem vier und zwanzigsten Jahre.
Ich hoffe, es soll mir gelingen, die Tochter der reichen Lady Sackville zur Frau zu bekommen. Die Mutter spielt die Aufgeklärte und die Tochter ist ziemlich empfindsam und
Wie platt sind doch alle die Komödien, in denen eine ähnliche Situation dargestellt wird! Eine Karrikatur treibt sich immer zwischen allen mit schlecht erfundenen Lügen herum, um am Ende an allen seinen Spöttern zu scheitern. Ich finde es eben so leicht, als sicher, sich als Mittelsperson zwischen wiedersprechende Charaktere einzuschieben, denn man muß sich jedem nur unter gewissen Bedingungen nähern, die aber so gestellt seyn müssen, daß jener glaubt, es komme nur auf eine nähere Bekanntschaft, auf ein vertraulicheres Gespräch an, um auch diese Bedingungen wegzuschaffen. Die Mutter glaubt, ich spiele nur aus Liebe zu ihrer Tochter den Religiösen und um diese nachher von ihren Irrthümern zurückzubringen; die Tochter ist überzeugt, nur aus großer Liebe zu ihr finde ich die Mutter erträglich. Man darf nur ernsthaft vor sich selber heucheln, so ist die Heucheley das leichteste Handwerk auf der Erde. Alle unsere Gespräche in der Welt, unser
Ich bin schon so glücklich gewesen, einige Liebhaber zu verdrängen, und wenn ich an den Tod oder an andere betrübte Gegenstände in der Gesellschaft meiner Geliebten denke, so wird es mir ganz leicht, eine melancholische Mine zu machen, und empfindsame Sachen zu sagen. – Oft verschiebe ich viele ernsthafte Betrachtungen, die sich mir aufdrängen, bis ich dorthin komme, und Tochter und Mutter sind immer mit mir zufrieden, und ich kann auf die Art noch Zeit in meinen Geschäften sparen. Diese Sparsamkeit kömmt mir jetzt selber lächerlich vor, aber genug, daß es mir bequem ist.
Ich will dieses Buch aufbewahren, um mir im Alter das Vergnügen zu machen, es wieder durchzulesen. Man kann dann nur eine richtige Vorstellung von sich selber haben, wenn man solche Proben von den ehemaligen Kleidern aufbewahrt. Aus diesem Grunde würde ich fast
Warum sollt' ich nicht auf eine recht gute Art den empfindsamen Verliebten spielen können, da es viele Dichter giebt, die sich poetisch irgend eine Liebschaft ersinnen, um poetische und herzrührende Verse darüber zu machen? Meine Rolle ist bey weitem leichter, da ich doch einen wirklichen Gegenstand, und noch überdies mit einem reichen Vermögen ausgestattet, vor mir habe.
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In meinem fünf und vierzigsten Jahre geschrieben.
Eine sonderbare Empfindung befällt mich, da ich dies alte, staubige Buch wieder in die Hände nehme und durchblättere. Ich kehre aus der Welt und zur Ruhe zurück, und finde hier nun die skizzirte Geschichte meiner Jugendideen. Manches finde ich noch wahr, und ohne daß ich es wußte, habe ich mir während meines geschäftigen Lebens den hier beschriebenen Charakter Cromwell's zum Muster gewählt. Gefiel mir dieser Character, weil verwandte Züge in
In der Welt hat mir der Zufall den verhaßten Lovell stets gegen über gestellt, er kreuzte durch alle meine Plane und unaufhörlich mußt' ich mit ihm kämpfen. Er war gleichsam das aufgestellte Ziel, an dem ich meinen Verstand und Scharfsinn üben mußte.
Meine Gemahlinn ist todt und nur in den letzten Jahren war ich so glücklich einen Sohn und eine Tochter von ihr zu bekommen. Ihr ist jetzt wohl, denn sie fühlte sich immer unglücklich. Sie gehörte zu den Menschen, die sich durch abgeschmackte Erwartungen den Genuß ihres Lebens selber verbittern. Man sollte es schon in den Schulen lernen, was man von der Welt und den Menschen fordern kann, um sich und andre nachher nicht zu peinigen. Ich war keiner von den Menschen, wie sie ihr einige Dichter geschildert hatten, diese luftigen, bestandlosen Wesen hatte sie ihrer Phantasie fest imprimirt, und an diese Schimären maß sie alle wirkliche Menschen, die ihr aufstießen.
Man gebe mir den abgefeimtesten Schurken, den Menschen, der in einem Athem zehn Lügen sagt, den Eiteln, der hoch von seinem eigenen Werthe aufgeblasen ist, den rohen, ungebildeten Menschen, dem die gemeinste Lebensart fehlt, und ich will mit allen fertig werden, nur nicht mit dem, der allenthalben die reine Bruderliebe erwartet, der mit den Menschen, wie mit Blumen oder Nachtigallen, umgehen will.
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Nach einem Jahre.
Mein Sohn
Emilie ist halb das Bild ihrer Mutter, und halb eine Kopie nach ihrem Bruder. Ich hoffe beide werden noch richtigere Ideen über das Leben gewinnen. Stolz darf man nicht auf sich seyn, denn das erzeugt eine Menge empfindsamer Thorheiten, aber man muß sich schätzen, um sich nicht unter die übrigen Menschen zu erniedrigen, um ihnen nicht dadurch unmittelbar Gelegenheit zu geben, daß sie Vortheile über uns gewinnen.
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Nach mehrern Jahren.
Mein Sohn wird mit jedem Tage ein größerer Thor und er läßt es mir sogar merken, daß er mich und meine Grundsätze nicht achtet. Er schließt sich mit Innigkeit an jedes übertriebene und unnatürliche Gefühl. Es schmerzt ihn nicht, daß er sich dadurch von meinem Herzen entfernt, denn er ist unter Luftgestalten einheimisch.
Die Erfahrungen, die mir aus dem Gewühle der Welt hieher gefolgt sind, haben mich nun
Wenn man mit Leuten umgeht, die aus Unwissenheit, oder weil sie selbst keinen Grund davon anzugeben wissen, rechtschaffen sind, so muß man ihre Tugend nie auf die Probe stellen, wenn sie uns dadurch nützlich bleiben sollen; denn in dem Augenblicke, in welchem sie darüber nachdenken, werden sie verwandelt, und wenn sie auch ihre Ehrlichkeit noch aus dem gegenwärtigen Gedränge bringen, so kann man sich im nächstfolgenden zweifelhaften Falle niemals auf sie verlassen. – Wie viel ist aber die Ehrlichkeit werth, wenn sie nur darin besteht, daß der Mensch gar nicht weiß, daß man ihm diesen Vorzug beylegt? Selbst der Pöbel
Ich bin darum nur wenig hintergangen, weil ich den Betrug immer als möglich voraussetzte.
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Ich fühle mich sehr matt, und meine Ideen werden schwach und unstät. Dies unnütze Buch ist mit mir alt geworden, es läuft zu Ende, so wie vielleicht mein Leben. Alles hat für mich heut dunkle und melancholische Umrisse; Lovell ist vor einem Monathe gestorben und ich bin nicht viel älter, als er.
Ich habe nur schlecht geschlafen, und ihn bleich und abgefallen beständig in meinen abgerissenen Träumen gesehn. Sein Andenken verfolgt mich noch nach seinem Tode und mattet meine Kräfte ab.
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Sollte ich Dir doch vielleicht unrecht gethan haben, alter Lovell? – Warum richtet sich mein Gedanke so unaufhörlich nach Dir hin, wie die Magnetnadel nach Norden? – Ich habe Dir vergeben, vergieb Du mir auch, unsre Spiele und Kämpfe sind jetzt geendigt.
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Ich fühle mich freundlicher nach meinem Sohne und nach allen Menschen hingezogen. – Wer weiß, in welchem gesundern Theile meines Körpers meine vorige Empfindung lag, wer weiß, aus welchem ungeänderten meine jetzige entspringt!
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Das Leben und alles darin ist nichts, alles ist verächtlich und selbst, daß man die Verächtlichkeit bemerkt. – – –
Ich bin nun wieder in Paris, das zuerst die Bühne meiner Irrthümer war. Ich weiß nicht wie ich das Gefühl nennen soll, mit welchem ich hier herumstreife. Ich kenne noch die Häuser bey denen ich es damals vorzüglich bereuete bey denen mich eine besonders schmerzhafte Empfindung darüber anfiel, daß ich Amalien während einiger Tage vergessen hatte.
Ob sie noch lebt und wie sie leben mag! – Mir kömmt alles frisch und neu in die Erinnerung, was ich ehemals für sie empfand.
Die Blainville ist mit einem Chevalier de Valois von hier fortgegangen, der sich nach einigen Erzählungen in England erschossen hat. Was aus ihr geworden ist, weiß man nicht.
In wenigen Tagen reise ich von hier ab. – Alle Straßen und alle Gesellschaften sind mir zuwider.
Lieber Bruder, ich schreibe Dir heute einen Brief und in wenigen Tagen mache ich mich auf, um zu Dir zu kommen; denn ich habe keine Ruhe, ich habe keine Rast, es treibt mich weg und ruft mir in die Ohren, daß ich Dich vor meinem Tode noch einmal sehen soll, daß ich unter Deinen Augen sterben soll.
Schon seit einigen Tagen ist mir so gar heimlich und einsam zu Muthe, die Fahne des Kirchthurms knarrt so betrübt, und wenn ich am Abend am Fenster stehe, ist es, als wenn ich auf dem Kirchhofe schwarze Männer stehen sehe, die mit den Fingern nach mir hinweisen. Ich habe im Stillen geweint und gebetet und bin mir dabey hier so verlassen vorgekommen, und so auch alle Menschen um mich her, sie waren mir alle fremd. – Der Tod treibt sich hier im Hause herum, das ist nicht anders, lieber Bruder, und nach mir sucht er,
Sieh, ich habe so an Dein altes freundliches Gesicht gedacht und an Deine Art zu reden, und an alles, was Du an Dir hast und was mir immer so gefällt und das Dein Nahme Thomas so recht ausdrückt und beschreibt. Und da hab' ich geweint und mir die weite Reise von neuem vorgenommen. Diese Nacht ist es aber erst recht gewiß geworden.
Sieh, mir träumte, als stünde ich in einer wüsten, schwarzen Gegend, rund mit Bergen eingefaßt. Und oben von den Bergen kuckte ein Kopf herüber, und das war mein Herr Lovell, ich kannte gleich das alte, blasse Gesicht. Da fing ich vor Freude laut an zu schreyen, und ich glaubte, mir hätte nur immer geträumt daß er gestorben sey, und jetzt käme es nun heraus, daß es nur eine Einbildung von mir wäre. Er sagte ganz freundlich: Guten Tag, lieber Willy! – Ich wollte gleich munter die Berge hinaufklettern und ich nahm mir vor, mich nicht zu schämen, sondern ihm dreist um den Hals zu fallen. Er mußte es merken, denn er sagte: Bleib nur Willy, wir sehn uns
Da wacht' ich mitten in der dunkeln Nacht müde und ermattet auf, und es war mir noch immer, als stünde ich noch in der schwarzen Wüste. –
Siehst Du, Bruder, der verstorbene Herr hat mich gerufen, ich muß kommen und nun will ich nur noch von Dir Abschied nehmen. Es ist ja so nur noch so wenige Zeit übrig, in der wir uns lieben und gut seyn können, wir wollen also das wenige noch mitnehmen.
Gott seegne meinen Herrn William, ich wünschte, ich könnte auch von dem noch Abschied nehmen, und daß er mir noch zur völligen Versöhnung die Hand drückte, daß ich doch ganz als ein guter Freund von ihm zu seinem
Wie gesagt, in etlichen Tagen bin ich bey Dir und wenn Du mich auch wieder für etwas närrisch hältst, lieber Bruder, so mache mir doch ein freundliches Gesicht, wenn ich komme.