III Vorbericht.

Endlich gelingt es mir, den Freunden der schönen Gartenkunst hier den fünften und letzten Band dieses Werks zu überreichen. So viele glückliche Stunden ich bey der Ausarbeitung genossen, so wurden sie doch oft von den mancherley Schwierigkeiten getrübt, womit ich zu kämpfen hatte. Schon die Entfernung von den Zeichnern, den Kupferstechern und dem Druckort hatte mancherley Unbequemlichkeit. Ich habe an meinem Wohnort nichts gehabt, was zur Beförderung dieses Werks hätte beytragen können; alles mußte ich erst aus der Ferne suchen. Ich war daher genöthigt, nicht allein einen kostbaren Briefwechsel zu unterhalten, sondern auch manche theure und seltene Architecturwerke und Kupferstiche anzukaufen; und außer den kleinern Reisen, die ich in den Jahren der Ausgabe dieser Theorie jeden Sommer machte, unternahm ich zuletzt noch eine durch ganz Deutschland bis an die Gränze Helvetiens, um selbst zu sehen, wie weit es mit der Verbesserung des Gartengeschmacks gekommen sey. Man wird durch dieses ganze Werk, und besonders in dem gegenwärtigen Bande, die Früchte dieser Reisen sehen. Aber man sieht nicht die beträchtlichen und unersetzten Kosten, die ich aufgeopfert habe, um diese Theorie so vollkommen zu liefern, als nur möglich war.

IV Indessen hat der rechtschaffene Buchhändler, der den Verlag dieser Theorie besorgte, von seiner Seite zur Beförderung und Verzierung der Ausgabe nicht wenig beygetragen. Mit einer edlen und unverdrossenen Bereitwilligkeit erfüllte er alle meine Wünsche, die auf die Verschönerung dieses Werks giengen, und woran Kunstliebhaber und Künstler vom ersten Range mit uns vereinigt gearbeitet haben. Die Erfindungen der Herren Weinlig, Brandt, Schuricht, Zingg und andrer hat Herr Geyser, der als Kupferstecher so vielen Antheil an den Verzierungen dieses Buchs hat, auf eine Art ausgeführt, wodurch sie noch mehr schätzbare Denkmäler der Kunst und des Geschmacks aus unsrer Zeit geworden sind. Der Reichthum und die Mannichfaltigkeit der Abbildungen von Gartenscenen, Landhäusern und Gartengebäuden, die theils als wirkliche Ausführungen fast aus ganz Europa gesammelt, theils als schöne Ideale und Erfindungen von den berühmtesten Künstlern vorgezeichnet sind, enthalten eine beträchtliche Erweiterung der Architectur, und sind nicht weniger lehrreich für den jungen Architecten, als für den Gartenkünstler. Wenigstens hat er hiet eine bequeme und ziemlich weite Uebersicht sowohl über das Vorzüglichste, was in allen Ländern in diesem Fache vorhanden ist, als auch über eine Menge von neuen Erfindungen, wodurch die Kunst noch erweitert werden kann.

Verschiedene Gartenkenner, die an ihrem Orte genannt sind, haben durch eingeschickte Beschreibungen, Nachrichten und Zeichnungen sich um die Vollständigkeit dieses Werks so verdient gemacht, daß ich ihnen hier öffentlich meinen verpflichteten Dank wiederhole. Die Aerndte ist freylich nicht so reich ausgefallen, als ich erwartete; indessen sah ich auf meinen Reisen selbst, daß in sehr vielen Provinzen gar nichts gesäet war, daß in andern die Saat erst aufsproßte, und in V noch andern die Früchte nur eben anfiengen zu reifen. Doch giebt besonders der zweyte Anhang dieses Bandes eine fast allgemeine Aussicht über alle beträchtliche Gärten in Europa. Alle neue Beschreibungen, womit dieser Band am meisten bereichert ist, sind von mir selbst entworfen, wenn kein andrer Verfasser angeführt ist.

Ich muß hiebey bemerken, daß die eingerückten Beschreibungen in der Zukunft nothwendig viel von ihrer Wahrheit verlieren müssen; nothwendig, weil die Gärten den beständigen Veränderungen der Zeit und des Menschen unterworfen sind. Schon an zwey bis drey Gärten, die so reizend waren, kann ich jetzt nicht mehr ohne Wehmuth denken; verlassen und verändert von neuen geschmacklosen Besitzern, denen sie zufielen, trauern sie schon ihrem Untergange entgegen. Man betrachte demnach die Beschreibungen davon als Kopien von Gemälden, wovon die Originale sich verloren haben, oder von der Hand der Zeit oder unwissender Ausbesserer unkenntlich geworden sind.

Es scheint ein glücklicher Zufall, daß diese Theorie gerade in einem Zeitpunkt erscheint, wo eine fast allgemeine Liebe der Gärten sich durch Europa zu verbreiten angefangen hat. Der Geist der nützlichen Gartenkultur belebt überall die wahren Patrioten, und wenigstens herrscht die unbedingte Nachahmung der englischen Manier überall da, wo man keine andere Anleitung kennt. Man kann mit Recht behaupten, daß fast alles, was Deutschland, Frankreich und Norden an guten Gartenanlagen aufzuweisen haben, erst in der letzten Hälfte dieses Jahrhunderts entstanden ist. Es gehört bloß zur Geschichte dieser Theorie, zu bemerken, daß sie seit ihrer Erscheinung schon manche glückliche Wirkung in verschiedenen Ländern, wohin sie zum Theil durch die französische Uebersetzung gebracht ist, veranlaßt hat.

VI Man darf nun doch nicht sagen, daß es an einer Anleitung zur Beurtheilung und Anlage der Gärten und zu den mannichfaltigen Arten der Verschönerung des Landes fehle. So lange die wahren Grundsätze der Kunst noch unentwickelt waren, ließ es sich eher entschuldigen, wenn man immer nach englischen Zeichnungen und Planen lief, immer kopirte, was man in diesem oder jenem Garten fand, der in Ruf stand. Der Weg ist wenigstens gebahnt, worauf man nun durch Nachdenken und Studium der Natur weiter fortschreiten kann.

Der schönste Garten ist der, welcher in seiner Art ganz das ist, was er seyn kann, nach dem Genius des Orts und der Gegend; der vollkommenste Garten ist der, welcher die wenigsten Fehler hat. Wenn inzwischen noch jetzt in den neuen Anlagen so manche Verirrungen des Geschmacks erscheinen, so darf man die Schuld nicht immer den Gärtnern oder den Anlegern beymessen. Ich habe es selbst gesehen, wie es an so manchen Höfen geht. Ist der Liebling des Fürsten oder der Gartendirector ein Ingenieur, so muß der Garten Wälle und Verschanzungen aufnehmen. Ist er ein französischer Marquis, so schlägt er Labyrinthe, Theater und Tombeaux des Poëtes dramatiques vor. Kennt er nur Versailles, Marly u. s. w., so müssen die Bäume und Gebüsche sich in die kunstreichste Architectur umbilden lassen. Hat er nur die neuen Anlagen um Paris gesehen, so wird der Bezirk mit chinesischen Thürmchen, Moscheen, Kiosken u. s. w. bunt genug verziert werden. Leitet eine geistlose Hofdame die Anordnung, so wird sie die schönsten Plätze mit kleinen Spielwerken verderben. Bey allen diesen Thorheiten und Künsteleyen ist immer das Gewöhnliche auch das Schlimmste, nämlich, daß aufgeklärte Gartenkenner, die weit darüber hinaussehen, nicht gefragt oder doch nicht gehört werden. Der hirnlose Hofschranze weiß sie bald zu überschreyen. Dieß ist auch die UrVIIsache, daß im Ganzen betrachtet der Adel, der von diesen Fesseln frey ist, weit bessere Gärten hat, als die Fürsten. Es ist ein schädliches Vorurtheil, wenn man sagt: ein Fürst könne machen was er wolle; er habe zu befehlen; es koste ihm sein Geld. „Nein, gnädiger Hert, würde ich einem Prinzen sagen, lassen Sie dieses Vorurtheil nicht gelten. Um einen Höfling, der diese Meynung äußert, bekümmert sich die Welt nicht viel, aber wohl um den Fürsten, der dieser Meynung folgt. Sie dürfen nicht geradezu machen, was Ihnen einfällt. Ihre Werke stehen öffentlich da; der Kenner, der Ihre Gebäude, Ihre Gärten sieht, beurtheilt sie zugleich, und ein Urtheil, das sich auf Kenntniß stützt, kann einem Fürsten nicht gleichgültig seyn. Der Geschmack Ihrer Werke geht mit in Ihre Geschichte über. Man nennt Ihren Namen wenn der Name Ihrer übel unterrichteten Rathgeber längst vergessen ist.“

Jeder ansehnliche Hof sollte billig einen aufgeklärten Mann zum besondern Gartendirector wählen, der ganz allein seine Talente, Kräfte und Zeit diesem Geschäfte widmete, der Kenntniß, Geschmack, Eifer, Verbindung und Ansehen genug hätte, um sowohl die Ehre der Gärten des Landes, als auch die Ausbreitung der nutzbaren Gartenkultur befördern zu können. So lange ein so wichtiges Geschäfte Personen aufgetragen wird, die entweder gar nicht die dazu nöthigen Eigenschaften besitzen, oder schon mit andern Arbeiten zu sehr überladen sind, so lange darf man sich wenig Fortgang für die wahre Kultur der Gärten versprechen. Man kann ein braver Officier, ein feiner Cavalier, ein guter Hofmarschall seyn; man kann durch Witz und Verstand glänzen; und doch ein elender Gartendirector seyn. Wie wenige giebt es, die eben die Wissenschaft, eben den Geschmack, eben das Studium, eben die Beobachtung, eben die Uebung besitzen, die gerade zu einem solchen Posten erfordert werden!

VIII Unsre Zeit scheint sich durch eine so große und ausgebreitete Revolution in Ansehung der Gärten auszuzeichnen, als noch niemals war. Ich werde die Fortgänge der schönen Gartenkunst sowohl, als auch alle Veränderungen, die sie betreffen, künftig im Gartenkalender berichten; man wird darinn unter einem besondern Abschnitt Nachträge zu diesem Werke finden.

Einer der schätzbarsten Vortheile, die ich dieser Theorie verdanke, ist die Ehre der Bekanntschaft mit vielen Höfen, mit vielen Personen vom ersten Stande, und von den ersten Verdiensten. Die mancherley Beweise des Wohlwollens und der Gefälligkeit, womit man mich auf meinen Gartenreisen überall aufzunehmen gewürdigt hat, verlangen hier noch meine ehrerbietigste und wärmste Dankbarkeit. Diese huldreiche und gütige Aufnahme bin ich freylich mehr dem Gegenstande, der die Fürsten, den Adel und alle Freunde der schönen Natur so nahe interessirt, als der Behandlung schuldig; sie hat indessen nicht wenig meinen Eifer belebt, um die Gartenkunst so weit dem Ziel ihrer Ausbildung entgegen zu führen, als es meine Kräfte und unser Zeitalter verstatten.

 

1 Theorie

der

Gartenkunst.

 

3 Fünfter Abschnitt.

Gärten oder Scenen nach den Tageszeiten.

Die verschiedenen Abschnitte des Sommertages kündigen sich durch einen verschiedenen Charakter an. Heiterkeit und Lebhaftigkeit umschweben den Morgen; Stärke des Lichts und Schwüle drückt den Mittag; Milde und Ruhe erfrischet den Abend. Die Natur verbindet mit jedem Theil des Tages eine Menge von Erscheinungen, die ihm eigenthümlich zugehören, und die Gegenstände der Landschaft zeigen sich unter den Abwechselungen der Beleuchtung in immer neuen Gestalten. Es lassen sich demnach Scenen anordnen, wo die Eigenthümlichkeiten von jedem Theil des Tages nicht blos wahrgenommen, sondern auch, von ihren Beschwerlichkeiten befreyet, unter einem erhöheten Reize genossen werden. Man kann bald aus besonders gestimmtem Geschmack, bald nach der Lage der Gegend, die man bewohnt, bald aus Bedürfniß der Lebensart und der Geschäfte sich seinen Garten für den Morgen, oder für den Mittag, oder für den Abend bilden. Man kann selbst diese verschiedenen Arten von Anlagen in einem ausgedehnten Park, als eben so viele besondere Scenen, in eine harmonische Verbindung mit dem Ganzen bringen.

4 I.
Morgengarten oder Morgenscene.

Wie glänzt die Morgenröthe
Auf Berg und Wald,
Wo schon des Hirten Flöte
Ins Land erschallt!

Die Hügel und die Weide
Stehn aufgehellt;
Und Fruchtbarkeit und Freude
Beblümt das Feld.

Die Lerche steigt und schwirret
Von Lust erregt;
Die Taube lacht und girret,
Die Wachtel schlägt.

Der Schmelz der bunten Flächen
Glänzt voller Pracht;
Und von den lauten Bächen
Entweicht die Nacht. *)

Diese liebliche Heiterkeit, diese frische Anmuth, diese laute Wonne der erwachenden Natur, wie belebt und erweitert sie jedes Herz! Alles ist Freude und ruft zur Freude.

Der Morgengarten eröffne sich demnach, um die Freude des jungen Tages zu empfangen. Er verbreite sich in einem blühenden Thale, an dessen Seite sich ein Berg oder eine Felsenspitze erhebt, auf welche die aufgehende Sonne ihren röthenden Glanz hinstreue; oder er schmiege sich über ein hügeligtes Gefilde mit sanften Abhängen hinab. Allezeit aber breite er seinen ganzen Bezirk vor dem östlichen Strahl hin, und gewähre die ganze Pracht des Anblicks der aufsteigenden Sonne, mit tausend zufälligen Reizen begleitet. Noch erquicket das Licht, ohne zu beschweren; der Glanz, der sich auf den Fluren zerstreut, erheitert, ohne zu blenden. Tausend flimmernde Lichter spielen, zur Ergötzung des Auges, in dem Laube der Bäume, auf den blumigten Wiesen, und auf dem vermischten Grün der Felder; ein wunderbar entzückendes Schauspiel, das selbst in gefühllose Seelen ein stummes Erstaunen strahlt. Grün ist das Feyerkleid der Natur, die Seele der Gärten, und die Entzückung des Auges; aber Grün ist nirgends gesuchter, nirgends schöner, als unter den Malereyen des aufgehenden sowohl als des untergehenden Lichts. Der Morgengarten wähle, wo er kann, seine Lage mit Aussichten auf angränzende Wiesen und Gebüsche.

————

*) Von Hagedorn.

 

5 Die Helligkeit eines nahen Sees ist ein wichtiger Umstand für diesen Charakter, und die mannichfaltigen verschönernden Schauspiele des frühen Lichts, die sich auf seiner Fläche und an seinem Ufer umher malen, geben dem Auge eine Unterhaltung, wobey es gerne verweilt. Ein beträchtlicher Strom, der sich vor dem Morgengarten vorüber wälzt, gewährt eine noch größere Lebhaftigkeit. Allein auch kleine Bäche, die unter dem Spiel des Lichts, zwischen Gras und Blumen hüpfen, oder mit einem hellen Geräusch dahin sprudeln, tragen nicht wenig zur Belebung der Scene bey, und sind zugleich mehr in der Macht des Gartenkünstlers.

Die Gipfel der Hayne und Wälder, die Höhen der Berge und die Spitzen der Felsen stellen in den Morgenstunden zauberische Spiele des Lichts dar, das zuerst an ihnen sanft aufglimmt, sie gelb und röthlich färbt, und endlich mit einem strahlenden Glanze überströmt, der sie in der ganzen Landschaft stark heraushebt, indessen sich an ihren Seiten lange Schatten hinstrecken, und angenehme Ruhestellen für das Auge bilden. Selbst ein Kirchthurm oder die Spitze eines andern ansehnlichen Gebäudes in der Nähe kann in dieser Absicht wichtig werden. Diese Gemälde des Morgenlichts sind so reizend, daß der Anleger sie nicht übersehen darf, wo er Gelegenheit hat, sie zu gewinnen.

Der Morgengarten liebt viel freye Plätze, Rasen und Blumen, diese lieblichen Bilder der Jugend, die sich im Glanz des Thaues schöner heben. Die Freyheit ist dem Auge, das von so vielen heitern Gegenständen gerufen wird, hier doppelt angenehm. Sie ist zugleich ein besonderes Eigenthum dieser Scene. Manche Gegenstände gewinnen eine größere und schönere Wirkung, wenn sie nicht gedrängt sind, sondern von einander mehr abgesondert erscheinen, sich ganz übersehen und an verschiedenen Stellen einzeln betrachten lassen. Wir athmen in diesen Stunden so gern die Frischheit der hereinstreichenden Luft und die neuen Wohlgerüche der Kräuter, wir lieben so sehr die Milde des Lichts und die Freyheit der Aussicht umher, daß wir jede Verschließung, die uns einen dieser Vortheile raubt, mit Recht anklagen.

Die Bepflanzung des Morgengartens folge dieser Bemerkung. Sie wähle Bäume von zarten, dünnen, gefiederten und leichten Blättern, die einen gemilderten Schatten verstreuen, wie

der Quitschernbaum (Sorbus aucuparia, L.)
die Zitterpappel (Populus tremula, L.)
6 die virginische Robinie (Robinia Pseudo-acacia, L.)
die Gleditsia (Gleditsia triacanthos, L.)
die Amorpha (Amorpha fruticosa, L.)
die Sophora (Sophora tetraptera, J. Miller.)

Einige dieser Bäume schicken sich noch besonders wegen des Hellgrünen ihrer Blätter in eine Morgenscene, als die virginische Robinie und die Amorpha; und nach dieser Eigenschaft können auch

der virginische Ahorn (Acer negundo, L.)
der virginische Storaxbaum (Liquidambar Styraciflua, L.)

und noch einige andere dieser Art dazu gewählt werden. Die Gruppen, aus diesen Bäumen zusammengesetzt, gewinnen ein überaus gefälliges Ansehen, wenn sie nur klein und hin und her zerstreut sind, um die sanften Strahlen des Morgens durch ihre leichtere Belaubung freyer durchspielen zu lassen. Und wenn zwischen ihnen grünende Rasen und freye Blumenfluren sich herumwinden, und diese anmuthigen Plätze noch von herumirrenden lautrieselnden Bächen erfrischt und hin und wieder von umherschweifenden Lichtern und Schatten verschönert werden, so scheint die Anmuth dieser Scene vollendet zu seyn.

Die Gebäude, die in Morgengärten aufgeführt werden, müssen mit ihrer Lebhaftigkeit, Ergötzung und anmuthigen Geschäftigkeit übereinstimmen. Wallet ein See neben dem Garten, strömt ein Fluß vor ihm vorüber, oder durchstreicht er seinen Bezirk, so mag eine feine Fischerwohnung das Ufer zieren; denn die Geschäfte des Fischfangs gehören dem frühen Tage. Liebt der Besitzer den Umgang mit den Wissenschaften, so mag auf schönen Säulen ein Tempel, dem Apoll geheiligt, emporsteigen, und vor dem Eingang die Statue des Vaters der Musen, beglänzt vom Morgenstrahl, voll Entzückung die Leyer zu rühren scheinen. Allein auch außer diesen Beziehungen, können wir dieser Tageszeit *) einen Tempel weihen, der ganz seinem besondern Charakter zustimmt. Man sehe diesen Tempel des Morgens.

————

*) S. dritten B. S. 76–77.

 

7

 

 

8 Der junge Phöbus steigt über die Kupel, die als eine halbe Erdkugel in Basrelief gearbeitet ist, empor, und erleuchtet mit seiner Fackel ihre östliche Fläche; über dem Eingang zeigt sich der Kopf des Apoll, des Freundes der Morgenstunden.

Auch ein Vogelhaus ist ein sehr schickliches Gebäude in einem Morgengarten, indem ihn die gefiederten Bewohner mit einem Concert von mannichfaltigen Stimmen beleben, das nie froher und muthiger ist, als wenn sie den aufsteigenden Tag begrüßen. Man sehe diesen kleinen zum Theil verfallenen toscanischen Tempel.

9

 

 

10 Er steht auf einer Anhöhe, von welcher man die aufgehende Sonne den Horizont heraufsteigen sieht. Die Vorhalle dieses Tempels ist mit Gitterwerk verwahrt, und dient einer Menge Gesangvögel zum Aufenthalt. Ein daneben gelegenes Kabinet, das die Zelle des Tempels einnimmt, gewährt durch die nach der Vorhalle ebenfalls mit Gittern verschlossene Thüre den Genuß jener melodischen Nachbarschaft. Der über dem Kabinet befindliche Raum unter dem Dache ist zu einem sichern Aufenthalt bey ungestümem Wetter für die hier versammelten Vögel bestimmt. Ein angenehmer Hayn, der sich hinter dem Tempel ausbreitet, führt durch verschiedene schlängelnde Wege zu diesem dem Morgen geheiligten Monument.

Die Gebäude, die noch das Ansehen der Vollkommenheit haben, vertragen in einer Morgenscene einen lebhaften Anstrich; selbst das völlige Weiße ist hier schicklich, indem es die Erleuchtung noch mehr erhebt. Auch die Kupeln, die kleinen Thürme und übrigen Spitzen dieser Gebäude können eine solche Stellung erlangen, daß sie von dem glänzenden Strahl, den sie empfangen, über den anliegenden Auftritt einen verschönernden Schimmer ausstreuen. Die starken Kontraste von Licht und Schatten, die vornehmlich durch die Höhen der Gegenstände, durch Berge, Felsspitzen, Waldgipfel und Gebäude veranlaßt werden, machen überhaupt eine vorzügliche Schönheit der Landschaft in den Stunden des Morgens aus.

II.
Mittagsgarten oder Mittagsscene.

Der Mittag hat gegen die übrigen Abschnitte des Tages die wenigste Anmuth. Die über unferm Haupt stehende Sonne erfüllt alles mit einem Glanz, der das Auge blendet, und mit einem Feuer, das alle Munterkeit der thierischen Schöpfung verzehrt. Die dampfende Hitze der Luft scheint selbst die Kräfte des Geistes zu ersticken; mit Mühe erhebt er sich zu Arbeiten, die ihm sonst leicht und erfreulich sind. Alles wird in eine matte Unthätigkeit versenkt. Die Blumen und Pflanzen lassen entkräftet ihre Häupter sinken; die Thiere strecken sich an Sümpfen und Gewässern hin, und vergessen ihre Weide; die befiederten Sänger lassen ihre melodischen Lieder verstummen, und hangen träumend an laubreichen Zweigen; die Luft ist stille, das Wasser scheint in einen Spiegel gegossen, und unbewegt ruhen darauf die Schatten der Bäume. Dies sind die Stunden, wo Erquickung und Ruhe Bedürfniß der Natur werden.

11 Das erste, worauf der Anleger eines Mittagsgartens oder einer Mittagsscene seine Aufmerksamkeit zu richten hat, ist die Anwendung der Mittel, um die Unbequemlichkeit der Tageszeit zu mildern. Wir suchen den Schatten und seine Kühlung. Dichte Lauben, stark belaubte Hayne und nicht zu sehr verwilderte Dickigte bieten uns erwünschte Ruheplätze an. Zur Pflanzung in diesen Scenen empfehlen sich verschiedene Bäume durch den Reichthum und die Größe des Laubwerks, als

die großblättrige Linde,
die Roßkastanie,
der Ahorn, mit verschiedenen Arten,
Die carolinische Pappel (Populus Heterophylla, L.)
die Katalpa (Biguonia Catalpa, L.)
der nordamericanische Platanus (Platanus occidentalis, L.)
der Tulpenbaum u. a.

Diese laubreichen Anpflanzungen befriedigen nicht blos das Bedürfniß der Kühlung; sie geben zugleich liebliche Plätze zum Aufenthalt, zur Tafel, zum Lesen, zum Spiel, zum Schlaf; sie gewähren, indem man in ihnen verweilt, eine Folge von sanften Empfindungen; sie reizen selbst in der Ferne durch die Vorstellung der Erquickung, die sie in ihrem Schooß enthalten. Allein die Pflanzungen dürfen doch nicht so dicht seyn, daß sie der Luft allen Einzug verwehren; sie können demnach hin und wieder mit einigen luftigen Gruppen abwechseln. Nichts ist anmuthiger, als aus der tiefen Nacht der Belaubung zuweilen in eine mildere Dämmerung herüber zu irren, und hier bald das Auge an dem Spiel der durchfallenden Lichter, bald das Gefühl unter den kühlenden Athmungen der Luft zu beleben.

Außer den Anpflanzungen geben auch Grotten *) in Felsen und an Wasserfällen angenehme Zufluchtsörter vor der Hitze, und sind einem Mittagsgarten sehr angemessen.

Ein ausgebreiteter See ist in diesen Stunden zu blendend für das Auge, das, von dem Glanz des Tages belästigt, sich gern in der erquickenden Dunkelheit des Schattens verbirgt. Mäßige Wassergüsse, halb mit Gesträuch verdeckt, erfrischen die Einbildungskraft, wie die Scene. Selbst Springwasser, die in den Gärten der heißen Himmelsstriche ihren Ursprung hatten, scheinen mit dem Charakter dieser

————

*) S. 3ten B. S. 84–96.

 

12 Anlage vereinbar; sie können hie und da, z. B. vor einem Speisesaal, einen Grad der Schicklichkeit gewinnen, der ihnen sonst fehlt; und bey einem Ruhekabinet hat selbst ihr monotonisches Geplätscher einen geheimen Zauber, der zum Schlummer einladet. Allein starke Wasserfälle und rauschende Ströme haben zu viel Lebhaftigkeit, als daß sie bey der allgemeinen Ruhe, die über den Mittag schwebt, hier schicklich scheinen könnten.

In dieser Art von Gärten müssen die Gebäude nicht frey stehen, sondern sich, wo nicht ganz, doch zum Theil, in Schatten verhüllen. Denn ihre Lage muß dazu beytragen, den allgemeinen Charakter der Scene, Sehnsucht nach Kühlung, verbreiten zu helfen, und zugleich den Glanz zu verdunkeln, den sie auf einer schattenfreyen Stelle zum Nachtheil des Auftritts zurückwerfen würden. Eben diese Beschattung verlangt auch außerdem noch die Bestimmung der Gebäude in einem Mittagsgarten. Sie können fast nur allein dem Ausruhen von der Ermattung in der Hitze, der Erholung an der Tafel und den Erfrischungen des Bades gewidmet seyn. Man kann hier verschiedene Tempel, bald der Ruhe, bald dem Bacchus, bald dem Comus geweihet, aufführen, und sie mit einem eigenen Charakter und Gepräge ihrer Bestimmung bezeichnen: ein neues Feld zur Erfindung und zum Ruhm für den sinnreichen Architecten.

Ein schönes Beyspiel von diesem Verdienst betrachte man hier.

13

 

14 Ein freystehender mit Kabinetten umgebener cipicrinischer Saal, dem Mittag und der Gastfreundschaft geheiligt. Die nach den vier Weltgegenden gerichteten Eingänge stehen jedem Weltbürger offen, der mit reinen Händen und Herzen erscheint, wie die neben dem vordern und hintern Eingange sich erhebenden Springbrunnen andeuten; die Chimären mit Fruchtkörben auf den Häuptern aber laden zum Genuß der Güter der Natur ein. Das Gebäude steht in der Mitte einer freyen Pflanzung von schönen, geraden, edlen Fruchtbäumen, die ihre Schätze zur Kühlung der Sommerhitze geben, und ist inwendig nach Art der Oporotheken der Alten *) verziert. Eine solche von frischem Obst mit Geschmack und Einsicht angeordnete Verzierung ist eben so abwechselnd als angenehm.

Nicht minder ergötzend ist es, entweder einige Zeit vor der Tafel, oder in den Stunden des Nachmittags, die gegen den Abend hinabfließen, sich in einem kühlen Bade zu erfrischen. Ein Mittagsgarten kann daher in einem abgesonderten beschatteten Revier ein kleines Badhaus aufnehmen. Doch schöner noch ist ein freyer Badort, den sein Genius den Nymphen gewidmet zu haben scheint, die hier zuweilen unter dem Schutz einer Felsenwand den Gürtel lösen, um ihren Reiz der krystallenen Flut sanfter Wassergüsse anzuvertrauen.

 

 

————

*) Varro de re rustica Lib. I. cap. 2 und 59.

 

15 III.
Abendgarten oder Abendscene.

Wie reich der Sommerabend an sanften Schönheiten und malerischen Zufälligkeiten ist, das sagt uns so oft bey unverfälschter Empfindung der entzückte Anblick, das sagen uns tausend rührende Nachbildungen der Dichter und der Landschaftmaler. „Wenn die Kühle des Abends, bemerkt ein feiner Beobachter, *) jene liebliche und anmuthige Farbe verbreitet, welche die Stunden der Ruhe und des Vergnügens ankündigt, dann herrscht in der ganzen Natur eine erhabene Harmonie der Farben. In folchen Augenblicken hat Claude Lorrain die rührenden Kolorite seiner ruhigen Gemälde gewählt, wo die Seele mit den Augen zugleich gefesselt wird; um diese Zeit weiden sich unsere Blicke gern an einer großen Landschaft. Die Massen von Bäumen, wo das Licht durchschimmert, unter welchen das Auge einen angenehmen Spazierweg erblickt; große Flächen von Wiesen, deren Grün von den durchfichtigen Schatten des Abends noch verschönert wird; das reine Krystall eines ruhigen Gewässers, worinn sich die benachbarten Gegenstände bespiegeln; leichte Gründe von lieblicher Gestalt und dunstiger Farbe: dies sind überhaupt die Gegenstände, die sich am besten für die Abendseite schicken. Es scheint in diesen Augenblicken, als wenn die Sonne, bereit den Horizont zu verlassen, vor ihrem Abschiede erst gern die Erde mit dem Himmel vermähle; auch gehört der größte Theil von Abendgemälden für den Himmel. Denn da betrachtet der fühlende Mensch so gern diese unendliche Mannichfaltigkeit von reizenden und rührenden Nüancen, womit sich der Himmel und die Fernen der Landschaft verschönern; es sind die kostbaren Augenblicke der Ruhe und der Erholung.“

In der That ist es eine gewisse ruhige Milde und Lieblichkeit, eine unbeschreibliche Sanftheit, welche sich des Abends über alle Scenen der Natur ergießt, und den Charakter dieser Tageszeit ausmacht. Alle Abendbilder der Dichter und der Landschaftmaler, welche die Natur empfanden, sind in diesem Charakter.

Wenn des Abends Rosenflügel
Kühlend über Thal und Hügel,
Ueber Wald und Wiese schwebt;

Wenn der Thau die Bäume tränket,
Sich in bunte Blumen senket,
Und an jungen Aehren bebt;

————

*) Der Marquis von Girardin in der Composition des Paysages.

 

16 Wenn im Schalle heller Glocken
Heimwärts sich die Schafe locken,
Und im Gehn das Lämmchen saugt;

Wenn die Erlen duftend säuseln,
Wenn die Mücken Teiche kräuseln,
Wenn der Frosch sich quäkend bläht,

Wenn im Nachtigallenthale
Hesper mit verliebtem Strale
Heimlich meine Quelle küßt;

Wenn das Geißblatt süße Düfte
In dem Wehen leiser Lüfte
Labend mir entgegen haucht;

Wenn der Fisch im Wasser hüpfet,
Aus der kalten Tiefe schlüpfet,
Und der Schwan zu Neste geht;

Wenn, wie eine Braut erröthend,
Luna freundlich kömmt, und flötend
Philomele sie begrüßt – *)

Dies sind die Augenblicke der lieblichsten Bilder und der süßesten Empfindungen: eine frohe Erholung der erschöpften Kräfte, ein gelassenes Nachsinnen, eine sanfte Milde, die sich über alle unsere Gedanken, alle unsere Empfindungen verbreitet, ein Gefühl von der Veränderung und Verschwindung der Scenen der Welt, das nicht schmerzhaft, nicht niederschlagend ist, sondern das empfindsame Herz lehrreich unterhält. In diesen Augenblicken fühlen wir uns so geneigt zum Genusse jeder Art von gemilderter Empfindung, zu Ergießungen vertraulicher Zärtlichkeit, zu ruhigen Unterredungen über den Werth des Lebens, über seine Bestimmung und seine Hoffnungen. **) Alle Veränderungen, die jetzt in der Natur vorgehen, das allmälige Entweichen der Sonne, die Verlängerung der Schatten, die Verdüsterung ganzer Flächen, indessen nach und nach der noch an den Höhen schwebende falbe Schein verlischt, die verstummende Geschäftigkeit des Tages, die beginnende Ruhe aller Geschöpfe, das Aufglühen des Mondes und die feyerliche Majestät des sich hie und da sternenden Himmels, vereinigen sich, diese Stimmung der Seele zu unterhalten. Wie beseligend ist nicht dieser Selbstgenuß in der Feyer des Abends, wenn liebliche Gefühle und süße Phantasien mit ernsten Betrachtungen wechseln, bald in der Unterredung mit einem weisen Freund, bald in der stummen Unterhaltung der Einsamkeit! Wie manche sanfte Seele findet nicht ihre Empfindung in dieser Stelle wieder!

————

*) Fr. Leop. Graf zu Stolberg.

**) Das Landleben 4te Aufl. 1776 vorletzte Betrachtung.

 

17 Wenns in meiner Brust zu enge
Um die Abenddämmrung wird,
Schleich ich weg aus dem Gedränge,
Das am Tage mich umschwirrt;

Athme in der Laube Kühle
Hier der Blüthen Balsamduft,
Seh der Vögel letzte Spiele
In der stillen Abendluft;

Denk an alles, was auf Erden
Meines Lebens Wonne ist,
Bis in Scenen, die einst werden,
Ahndend sich der Geist vergißt.

Um uns diese Vortheile zu geben, breite sich der Abendgarten nach der Gegend hin, wo die Seele die Feyer der untergehenden Sonne, alle malerische Gestalten, worinn der Himmel, das Wasser und die Landschaft erscheinen, tausend bezaubernde Zufälligkeiten, die das sinkende Licht bildet, genießen kann. Ist die Pracht dieses Schauspiels geendigt, so verschwindet der blendende Glanz; eine liebliche Beleuchtung, schöner als der Tag gab, fließt über die Landschaft hin; der Schimmer, der hin und wieder von den wachsenden Schatten der Berge, der Bäume und Gebäude begränzt wird, finkt immer mehr in die Dämmerung herab; ein still aufwallender Dunst überschleyert die Wälder und selbst die Gewässer mit einem dünnen Flor; alle Scenen der Natur wechseln mit jedem Augenblicke ihre Gestalt.

Eine Mischung von kleinen Hügeln und Thälern, ein großer grüner Abhang gegen Westen, mit einer Anssicht auf benachbarte Wälder und Berge, auf Gebirge und andere prächtige Fernen der Landschaft, scheint die vortheilhafteste Lage für den Abendgarten darzubieten. Gewässer sind besonders für diese Art der Anlage wichtig; sie vervielsältigen die Schönheit der untergehenden Sonne, und verlängern die letzten Augenblicke des Tages. Ein angräuzender oder doch nicht zu entfernter See, wovon eine ansehnliche Fläche dem Auge übersehbar ist, stimmt sowohl der Anmuth, als auch besonders der Ruhe des Abendgartens so sehr zu, daß man ihn ungern vermißt. Sind seine Ufer mit Höhen und Wald verschönert, so stellen sie durch sanfte Wiederscheine, die sie auf der hellen Fluth bilden, und durch tausend Zufälle von Licht und Schatten einen wunderbar entzückenden Anblick dar. Ein wildrauschender Strom schickt sich nicht zu der Stille der Scene; allein ein mäßiger Wasserfall, halb von Büschen überschattet, und halb von den Strahlen der 18 Abendsonne vergoldet, verträgt sich ungemein mit dem Auftritt, indem er ihn etwas belebt, ohne die Ruhe zu unterbrechen, die zu seinem Charakter gehört. Aus diesem Grunde ist uns des Abends die, süße Schwermuth erregende, Musik der Waldhörner so angenehm, wenn wir sie aus der Ferne schwächer herübertönen hören.

Die ganze Einrichtung des Abendgartens ahme den Charakter des Sanften und Ruhigen nach, womit die Natur diesen Theil des Tages bezeichnet. Daher schicken sich sehr wohl für ihn, wie schon ein großer Kenner bemerkt hat, *) dunkelfarbigte Gebäude; obgleich die, welche einen lebhaften Anstrich haben, durch eine besondere Wirkung der untergehenden Sonne nicht selten angenehm ins Auge fallen. Man kann sich selbst der hellern Farbe oft bedienen, um die Einförmigkeit der Dämmerung zu unterbrechen. Zwar kann kein Kontrast des Lichts und des Schattens mehr erzeugt werden. Allein, wenn die Pflanzungen, die durch ihre Dichtheit am ersten anfangen, die Dämmerung aufzunehmen, zugleich vom dunkelsten Grün sind, wenn die nach der Abendseite stehenden Gebäude eine lichtere Farbe haben, und wenn die Flur und das Wasser dieser Absicht gemäß eingerichtet werden: so läßt sich, wenn schon lange die größern Wirkungen verschwunden sind, noch eine abwechselnde Schattirung gewinnen.

Einzelne, hohe und schattenreiche Waldbäume, worunter bequeme Sitze angelegt sind, erfreuen, wo die Natur sie schenket, den Freund des Abendgartens. Sie bieten überaus anmuthige Ruheplätze an, indem ihre Gipfel sich in der Abendröthe schöner heben, und außerdem über den benachbarten Bezirk verlängerte Schatten ausbreiten. Tiefe Dickigte verbieten den sanften Wirkungen der untergehenden Sonne den Eingang. Allein zerstreute Gruppen und luftige Hayne nehmen gern zu ihrer Verschönerung die lieblichen Gemälde des Abendlichts auf. Kleine Gebüsche, die in ihre Schatten die Nachtigall locken, um hier ihre zärtlichen Melodien durch die Abendstille freyer dahin fließen zu lassen, vermehren nicht wenig die Wollust dieser Scene.

Zu den Pflanzungen im Abendgarten sind überhaupt solche blühende Sträucher und Blumen zu wählen, die vornehmlich des Abends ihre Wohlgerüche reicher zu verspenden pflegen, als

die Syringen,
das Geißblatt mit seinen verschiedenen Arten,
die Coronilla (Coronilla glauca, L.)

————

*) Whately in Observations on modern Gardening.

 

19 die Nachtviole (Hesperis tristis, L.)
der Storchschnabel (Geranium gibbosum, L.)
die Asphodillilie (Hemerocallis flava, L.)
die wohlriechende Resede (Reseda odorata, L.)
die Jalappa (Mirabilis Jalappa, L.) und verschiedene andere.

Auch in Rücksicht auf die angenehmen Ausdünstungen sind Wälder und Wiesen in der Nähe des Abendgartens überaus erfrischend.

Für diese Art von Gärten kann der erfindende Architect nicht weniger Gebäude bestimmen, die ganz zu ihrem Charakter gehören. So ist dieser Tempel des Abends.

 

20 An den Wänden, die äußerst einfach gehalten sind, hängen Mohnzweige; über dem Eingange steht der Abendmond; auf dem meist flachen Dache ruhet Phöbus, nach vollbrachter Arbeit, mit umgekehrter Fackel; alles eilt, den Charakter des Gebäudes zu vollenden, das der Lieblingsaufenthalt eines Weisen zu seyn scheint, der nach den Geschäften des Tages gern einsam seinen Abend unter dem erquickenden Schatten der Betrachtung feyert.

Von einer andern nicht weniger glücklichen Erfindung ist dieser Pavillon, dem Abend und der Freundschaft im engern Verstande gewidmet.

21

 

22 Er ruhet am Ende eines Parks, wo ihn der Ankommende erst erblickt, wenn er ihm nahe ist. Zu dem offenen Porticus gelangt man aus dem hinter ihm gelegenen Gesellschaftszimmer, von außen aber gar nicht. Zwo zu beyden Seiten abwärts gehende breite Treppen führen in einen hinter dem Gebäude im Thal liegenden Platz, der mit Blumen und Orangeriebäumen besetzt ist. Der Unbekannte gelangt in diesen und wieder zurück, ohne in das Gebäude selbst zu kommen; der Freund aber kennt eine zur Rechten gelegene, verborgene, bequeme Treppe, und diese führt ihn in ein kleines Apartement, das aus einem Vorzimmer, einem Saal, und zweyen einander folgenden Kabinetten besteht. Das letztere von diesen liegt an den zum Bade bestimmten Gemächern. Das zweyte Stockwerk enthält die zur Erwärmung des Badwassers und andern Bequemlichkeiten erforderlichen Behältnisse.

Die Nacht, welche die Natur zur Ruhe aller Geschöpfe bestimmte, scheint zwar von dem Vorrecht der Tageszeiten, einen ihnen gewidmeten Garten zu haben, ausgeschlossen zu seyn. Wie gern entziehen wir indessen nicht zuweilen dem Schlafe einige Stunden der Sommernacht, um uns an ihren sanften Annehmlichkeiten zu laben! Und mit wie vielem Rechte beschäftigt nicht der Weise, während dieser heiligen Feyer der Natur, seinen Geist mit der Betrachtung der Welten, die über seinem Haupte leuchten!

Für das Auge sind die blühenden Schönheiten der Erde verschwunden. Aber der dunstfreye Himmel zeigt, wenn der Mond in feyerlicher Pracht an ihm heraufsteigt, ein Schauspiel, das die Erde wieder mit einem neuen Reize verschönert. Ein breites schweigendes Gewässer, oder ein See, worinn das Licht der Nacht in sanftem Abglanz zerfließt; murmelnde Bäche oder kleine Wassergüsse mit mäßigem Geräusch und regelmäßigem Fall; Gruppen, Hayne und Wälder, worinn der stille Silberschimmer umher schleicht, und sich in tausend erheiterte Stellen zerstreut; ein ruhiges Thal, von erfrischten Kräutern, oder gemähetem Klee duftend; Pflanzungen von wohlriechenden Blumen und Sträuchern – alles dies scheint zum wollüstigen Genuß einer schönen Sommernacht zu gehören. In einer Gegend, mit diesen Annehmlichkeiten bereichert, ist ein Schlafkabinet nicht blos eine schickliche Verzierung der Scene, sondern es kann auch zum anmuthigen Gebrauch eingerichtet werden, wie schon an einem andern Ort gezeiget ist. *) Seine Bestimmung kann durch die Form, durch

————

*) S. 3ten B. S. 37.

 

23 die äußere und innere Verzierung mit Bildhauerarbeit und Gemälden, und selbst durch eine kurze Inschrift deutlicher bezeichnet werden. Eine sanfte Einladung zur Ruhe empfange den Müden beym Eintritt.

Frey von des Tags unruhigem Getümmel
Entschlummert die Natur;
Die stille Racht senkt sich herab vom Himmel
Auf Wald und Flur.

Der Abendwind kühlt sanft die schwülen Lüfte,
Und Wiese, Hayn und Au
Streun ringsumher balsamischsüße Düfte,
Erfrischt vom Thau.

Schon winket mir der Schlummer, und schon sinken
Die müden Augen zu;
Kaum seh ich noch den Abendstern dort blinken;
O! süße Ruh!

Allein der schlaffliehende Forscher der Gestirne findet in einer solchen Gegend gerne auf einer Anhöhe ein Gebäude, das, wie dieses, der Mitternacht und der Sternkunde gewidmet ist.

24

 

25 Es stellt einen Windthurm nach der Beschreibung des Vitruv *) vor. Der Triton auf dem Gipfel zeigt mit einer Ruthe die verschiedenen Wendungen des Windes. Acht Hauptwinde sind auf der Friese abgebildet; diese achte aber sind wieder, durch die an den obern Rinnleisten angebrachten Köpfe und die muschelförmigen Rippen des Dachs in vier und zwanzig, die zwischen jenen liegen, abgetheilt. Das obere Stockwerk enthält einen zu astronomischen Beobachtungen eingerichteten großen Saal, mit weiten Oeffnungen nach allen Seiten.

————

*) Lib. I. cap. 6.

 

26 Sechster Abschnitt.

Gärten nach dem verschiedenen Charakter ihrer Besitzer.

I.

Königliche und fürstliche Gärten; Parks der ersten Größe oder in einem prächtigen Styl. Bey allen Nationen unterscheiden sich die Könige und Fürsten des Volks, auch durch die Art ihrer Wohnung, von ihren Unterthanen und von den übrigen Stämmen. Selbst der Anführer einer wilden Horde wohnet in einem größern Zelt oder in einer höher gelegenen Hütte. Es geschah nicht blos aus einem Gefühl der Verehrung, daß rohe Völker ihren Fürsten den Vorzug einer edlern Wohnung gaben; auch die Begriffe von Schicklichkeit und Würde, die sich in gesellschaftlichen Verbindungen so früh entwickeln, forderten ihn. Und auf die Wahrheit dieser Begriffe haben alle aufgeklärte Architekturlehrer das Gesetz gegründet, daß ein Fürst anders, als sein Unterthan, wohnen, und daß Würde, Pracht und Größe sein Schloß von der Einfalt und Bescheidenheit eines Privathauses unterscheiden müsse.

Eben dieser Unterschied der Wohnung breitet sich mit Recht auch über die Gärten aus. Sie dürfen dem Charakter ihrer Besitzer folgen, und sind nicht weniger, als die Gebäude, *) den allgemeinen Regeln der Schicklichkeit unterworfen. Man sucht in dem Park eines Lustschlosses doch etwas anders zu sehen, als in dem Garten einer Privatwohnung.

Durch Größe und Pracht müssen sich die Gärten der Könige und Fürsten auszeichnen. Man schien die Wahrheit dieser Forderung schon ehemals zu empfinden; allein man suchte ihre Befriedigung, wo sie nicht ganz zu finden war. Man überhäufte die Gärten der Fürsten mit einer größern Menge von Wasserkünsten, von Statuen, Büsten, Vasen, Triumphbögen, Obelisken und andern Prachtwerken der Kunst. Man vergaß aber, daß Pracht und Größe auch in der Natur und vor allen in ihr zu suchen sind.

Diesen Gesichtspunkt scheint selbst ein vortrefflicher Dichter in einem Lehrgedichte von classischem Werth **) übersehen zu haben. Indem er die verschiedene

————

*) S. 3ten Band S. 16–17.

**) Les Jardins. Poeme par M. l’Abbé Delille. Paris 1782. Cant. 1. p. 8.

 

27 Manier des Kent und le Notre einander entgegenstellt, so sagt er von dieser, daß sie in den Gärten der Großen doch ihren Platz verdiene.

L’un est fait pour briller chez les grands & les rois;
Les rois sont condamnés à la magnificence.
On attend autour d’eux l’effort de la puissance;
On y veut admirer, enivrer ses regards
Des prodiges du luxe & du faste des arts.
L’art peut donc subjuguer la nature rebelle.

Indessen setzt er eine mehr überlegte Einschränkung hinzu:

Mais c’est toujours en grand qu’il doit triompher d’elle:
Son éclat fait ses droits; c’est un usurpateur
Qui doit obtenir grace, à force de grandeur.

So mögen Versailles und Sans-Souci, als Muster zu dieser Vorschrift, durch die Wunder der Kunst glänzen. Aber sollen denn die Könige auch nicht die Wunder der Natur sehen? Sollen sie denn selbst in ihren Gärten noch immer von der blendenden, oft so leeren Pracht, die sie am Thron umgiebt, verfolgt werden?

Es giebt eine Größe in der Natur, die alle Macht der Kunst nicht hervorbringen kann. Eine Lage ganz nahe am Meer, oder auf einer Anhöhe, von welcher der Blick weite Landschaften überschaut, die in ferne Gebirge hinausdämmern, oder in eine Reihe prächtiger Wälder hinstreift, hinter deren Schatten der unermeßliche Ocean hervorglänzt, hat ohnstreitig eine Erhabenheit, die jede Kühnheit des menschlichen Geistes übersteigt. Gebt hier den Königen ihre Sommerschlösser, wie sie Dännemarks Könige zu Friedrichsberg, *) zu Sophienberg, **) zu Marienlust ***) haben. Laßt die Wellen des Meeres unter der Stärke ihrer Flotten sich schmiegen, oder die reichen Handlungsschiffe ihrer Völker sanft in friedfertige Häfen führen. Laßt sie in ihren weit gedehnten und gesegneten Provinzen die Städte überschauen, wo der Fleiß bey der Kunst wohnt, die Landhütten, wo Zufriedenheit sich der Arbeit zugesellt, die Hügel, die mit ungezählten Heerden bedeckt sind, die

————

*) S. 3ten B. S. 217.

**) S. 214.

***) S. 210.

 

28 Fluren, deren reiche Saaten in die Ferne hinwallen. Ist dieser Anblick nicht erhebend, nicht edler, als der Anblick von kostbaren unnützen Wasserkünsten, oder colossalischen Statuen, oft unglücklich genug bis zur Unkenntlichkeit nachgeformt?

Nach der Größe der Lage fordern die Gärten der Könige und der Fürsten einen weitern Umfang, als andere Gärten, sowohl nach den Begriffen der Würde, als auch, weil sie dem Gefolge des Hofes, oft auch dem Volke zum Spaziergang offen stehen. Es muß Platz zum Ausweichen seyn. Allein es muß auch eine Gegend oder vielmehr eine Folge von Gegenden seyn, die nichts Dürftiges, nichts Gemeines zeigen, sondern geschickt sind, durch Bepflanzung und Auszierung zu einer großen Wirkung eingerichtet zu werden. Alles, was diese Wirkung hervorbringt und unterstützt, gehört in den Plan der Anlage; jeder Zusatz, der einen Geist der Kleinigkeit verräth, jedes kunstreiche Spielwerk, jede gewitzelte Tändeley, so sehr auch alles dies nach dem jetzigen Geschmack der Höfe seyn möchte, die in ihren öffentlichen Werken so oft ihre Würde vergessen, alles dies ist hier zu verbannen.

Prächtige Wälder und majestätische Massen von Gruppen, weite Oeffnungen und Zwischenräume mit Rasen und Gebäuden erheitert, große helle Seen mit schön umkränzten Ufern, lebhafte Flüsse und starke Wasserfälle, Aussichten in reiche Landschaften, edle Tempel auf Anhöhen und wichtige Monumente machen, mit Weisheit angeordnet, eine Wirkung, die mit der Erwartung von königlichen und fürstlichen Gärten zutrifft. Jeder Theil hebe sich durch Größe und edle Schönheit; und in der Verbindung aller Theile, in der Uebereinstimmung der fernen und nahen Massen, leuchte ein Geist der Anordnung hervor, der ein Gefühl von Wonne vermischt mit Bewunderung erregt. Alles sey lebhaft und glänzend. Die Gebäude müssen wohl gewählt, und ihre Bestimmung nicht allein den Scenen, sondern auch der Würde dieser Gattung angemessen seyn. Einsiedlerwohnungen, so oft man sie auch findet, scheinen hier unschicklich. Der Fürst mag zuweilen die Erquickung der Einsamkeit suchen, er darf sich nur nicht in einen Waldbruder verkriechen; sein Volk verlangt ihn unter sich zu sehen, um Licht und Wärme von ihm zu empfangen. Aber Tempel von edlen Formen und Bestimmungen zieren mit Recht seinen Garten. Er mag sie der Weisheit, dem Apoll, den Musen, der Wohlthätigkeit, der Großmuth, der Vaterlandsliebe, dem Frieden widmen; wer huldigt nicht gern dem Fürsten, der diesen Gottheiten oder Tugenden auch an dem Ort seines Vergnügens huldigt? Allein diese Gebäude müssen nach dem, was ihre Bestimmung fordert, sich durch einen reichen, glänzenden und doch edlen Geschmack hervorheben; und selbst ihr äußeres Ansehen, selbst ihr Anstrich, kündige dem Auge an, was es bewundern soll.

29 Die Natur scheint einige Bäume und Gewächse, durch die Pracht ihrer Höhe und ihres Ansehens, für die Gärten der Fürsten besonders auszuzeichnen. Verschiedene Arten von Ahorn, als

die Lenne (Acer Platanoides, L.)
der Zuckerahorn (Acer Saccharinum, L.)
der italiänische Ahorn (Acer Opalus, L.)
der abendländische Platanus,
der Tulpenbaum,
die italiänische und carolinische Pappel,
die carolinische Linde,
die große amerikanische Eiche,
die Weyhmouthsfuhre,
die weiße Ceder (Cupressus Thyoides, L.)
die virginische Cypresse (Cupressus disticha, L.)
die Balsamtanne (Pinus balsamea, L.)
der Lerchenbaum –

diese und ihnen ähnliche Bäume von einem stolzen Wuchs oder einer vorzüglichen Seltenheit empfehlen sich mit Recht zur Bildung der Hayne und Gruppen in diefen Gärten. Der Künstler, der sie in seinen Pflanzungen gehörig zu verbinden weiß, kann sehr große Wirkungen gewinnen. Noch mehr wird er gewinnen, wenn er Beurtheilung genug besitzt, mit ihnen solche Stauden und Blumengewächse geschickt zu vereinigen, die sich durch ihren hohen Wuchs, durch die Größe, die Lebhaftigkeit, den Glanz und die Mannichfaltigkeit ihrer Blumen auszeichnen. Große Gruppen von solchen Gewächsen, wohl gepflanzt und unterhalten, erheben sowohl auf freyen Rasen, als auch in Haynen und zwischen Baumgruppen zerstreut, sehr fühlbar die Pracht der Scenen. Hiebey hängt nicht wenig von der Wahl der Gegenden ab. Ein Hayn oder eine Sammlung von Gruppen, die einen prächtigen Auftritt darstellen sollen, darf nicht in der Tiefe, kaum einmal auf einer Ebene, angepflanzt werden. Ein Berg oder eine mäßige Anhöhe giebt eine diesem Charakter mehr angemessene Lage. Eine Pflanzung, die sich allmälig aufsteigend auf einer Höhe hebt, gewinnt nicht blos einen Schein von Größe, sondern fällt auch edler ins Auge.

Fürstengärten bey Residenzen scheinen schon mehr Ausdehnung und Pracht zu erfordern. Sie müssen Raum haben für die größern Versammlungen des Volks, 30 nicht allein zu Spaziergängen, sondern auch zu den öffentlichen Festen, die hier zuweilen zu halten sind. Unter diesen Festen verstehen wir nicht die eben so schnell verprasselnden als unnützen Feuerwerke, wodurch oft an Einem Abend die Einkünfte einer ganzen Provinz, dem Landmann, den Künsten, den Krankenhäusern entrissen, in die Luft fliegen; nicht jene tobenden Ergötzlichkeiten, unter welchen der Donner der Kanonen die Pflanzungen zittern macht, und ihre gesangreichen Bewohner verscheucht. Es giebt sanftere und edlere Gartenfeste, Feste zum Andenken glücklicher Begebenheiten des Landes, wo der Fürst seinen Unterthanen die Freuden der Musik und des Tanzes vor seinen Augen erlaubt; Feste der Verbindungen armer Dorfmädchen auf Kosten des Staats mit tugendhaften Jünglingen; Feste des Frühlings und der Aerndte, belebt durch feyerliche Gesänge; verfeinerte Nachahmungen arcadischer Belustigungen durch Spiel und Handlung; so manche Arten von noch wenig eingeführten, noch unerkannten Ergötzungen der Prinzen, wobey ihre Wohlthätigkeit die Unschuld und die Lust ländlicher Scenen begleiten könnte.

Auch mag selbst in solchen Lustschlössern, die der gewöhnlichen Residenz sehr nahe sind, mehr Größe und Glanz der Architektur erscheinen, wie in diesen beyden Gebäuden. *)

————

*) Die innere Einrichtung dieser Gebäude sehe man hinten in dem Verzeichniß der Kupferverzierungen.

 

31

32

 

Je weiter sich die Lustschlösser der Könige und Fürsten von ihren Residenzstädten entfernen, desto mehr scheinen sie auch den Charakter einer gemäßigten Größe und Hoheit annehmen zu dürfen, doch ohne der Würde ihrer Bewohner etwas zu entziehen. *) Die Vorstellungen von Lustschlössern, die hier folgen, geben, mit den vorigen Gebäuden verglichen, hierüber sogleich dem Auge des Beurtheilers eine Aufklärung.

————

*) Man vergleiche 3ten B. S. 16.

 

33

34

 

35 So darf ein fürstlicher Park, dem Charakter dieser Lustschlösser zustimmend, in der Entfernung von der Residenz, schon weniger Umfang, weniger Reichthum und Pracht haben. Er darf mehr von der ungeschmückten Natur, weniger von den Bestrebungen der Kunst zeigen. Er darf selbst, als ein Ort der Erholung von den Geschäften der Regierung und den Unruhen des Hofes, durch die Einsamkeit seiner Lage, durch die Stille der Wälder, durch die sanfte geräuschlose Ländlichkeit seiner Aussichten sich auszeichnen. Manche Fürsten liebten mit Recht solche entferntere Gegenden; sie gaben hier ihren Schlössern mit ihrem Namen auch den Namen der Ruhe, die sie suchten.

Dieser schätzbare Geschmack der Prinzen an der Ruhe des Landlebens scheint sich unter ihnen in unsern Tagen mehr auszubreiten; und der neue Geist der Gärten kann ihn unstreitig mehr nähren, als die alte ekelhafte Symmetrie. Glückliche Fürsten, die schon in ihrer Jugend lernten, sich an den sanften Erholungen im Arm der Natur zu begnügen! Denn der Geschmack an der Natur verfeinert den Geist und veredelt die Empfindungen; er besänftigt jede ungestüme Leidenschaft; er erweckt den edlern Ehrgeiz, die Erde zu verschönern, nicht sie zu verheeren; er beseligt das Herz der Prinzen mit der vielleicht noch zu seltenen Erfahrung:

Nicht im Getümmel, nein, im Schooße der Natur,
Am Silberbach, in unbelauschten Schatten,
Besuchet uns die wahre Freude nur;
Und überrascht uns oft auf einer Spur,
Wo wir sie nicht vermuthet hatten. *)

————

*) Wieland.

 

36 II.
Gärten für den Adel und für Personen vom Stande; Parks in einem edlen Styl.

Die Gärten der Fürsten, wenn sie nach den eben angeführten Bemerkungen angelegt werden, machen mit ihren Gebäuden unstreitig Parks der ersten Größe, Parks in einem prächtigen Styl aus. Sie heben sich als die ansehnlichste Gattung von Gärten, durch Umfang, durch Erhabenheit und Glanz. Sie machen aber immer nur eine besondere und bestimmte Gattung aus; denn Park und Garten können durch keinen wesentlichen Unterschied getrennt werden, obgleich die gemeine Meynung unter jenem überhaupt mehr Ausdehnung der Gegenden, mehr freye landschaftliche Natur, mehr Mannichfaltigkeit der Scenen zu begreifen pflegt.

Die Landhäuser des Adels dürfen keine Majestät oder Hoheit zeigen; Würde, mit einer gewissen gemilderten Pracht vereinigt, ist ihr anständiger Charakter. *)

————

*) S. 3ten B. S. 16–17.

 

37

 

38 Und dieser Charakter muß auch ihre Parks auszeichnen. Sie dürfen schon weniger Umfang in der Landschaft einnehmen; die Pflanzungen dürfen weniger aus gewählten und seltenen Gewächsen zusammengesetzt seyn; die künstlichen Anlagen dürfen weniger Aufwand, besonders die Gebäude weniger Glanz und Pracht zeigen.

Dennoch findet in den Parks dieser Gattung, die näher an die Natur als an die Kunst sich halten, eine Würde, ein Reichthum, eine Mannichfaltigkeit von Scenen Platz, die sowohl dem Ansehen der Besitzer zustimmen, als auch von einer unerschöpflichen Unterhaltung sind.

Feyerliche, große und prächtige Scenen und Aussichten, als die Nachbarschaft des Meeres, oder über einander aufgethürmte Gebirge, sind nicht von diesen Parks ausgeschlossen; sie können vielmehr als zufällige Theile sehr willkommen und für das Ganze der übrigen dieser Klasse zugehörigen Auftritte von einer trefflichen Wirkung seyn. Allein man darf sie hier nicht als ein nothwendiges Zubehör dieser Gattung ansehen.

Alles aber, was die Natur in der Bildung ihrer Gegenden und Aussichten, in Wäldern, in Haynen und Gruppen, in Rasen, in Pflanzen und Blumen, in Seen und Wasserfällen, in Bächen und Flüssen Edles und Reizendes hat, und einzeln bereits entwickelt ist; *) was der Geschmack hierinn durch Anordnung, Verbindung und Bearbeitung erhöhen, was die Künste der Bepflanzung, der Bebauung und Auszierung **) zur Bestimmung und Verstärkung der Wirkungen mit Recht hinzufügen dürfen; das gehört in die Parks dieser Klasse. Sie verstatten, nach der Verschiedenheit der Gegenden, alle Arten von ländlichen Scenen, und Pflanzungen, von der feinsten Strauchgruppe an, die auf einem Rasen blüht, bis zu der kühlen Dämmerung des bejahrten Buchwaldes; doch unter diesem Gesetze, daß überall, wo keine Ueberraschung Statt hat, Verbindung und schicklicher Uebergang sey. Sie nehmen alle Gattungen von Gebäuden auf, von der dunkeln Waldhütte bis zu dem heitersten Tempel, von dem Musikhause bis zu der Todtenkapelle. Sie können daher, in einem sehr ausgebreiteten Umkreise, gleichsam eine Folge von verschiedenen kleinen Gärten oder bearbeiteten Gegenden, eine Gallerie von ausgewählten reizenden Gemälden, welche die Natur entwarf und der Geschmack vollendete, in sich fassen. In ausgedehnten Parks können selbst kleine Kirchen oder Kapellen, zum gottesdienstlichen Gebrauche bestimmt, Platz finden. Sie müssen zu dieser Absicht von dem

————

*) S. 2ten B.

**) S. 3ten B.

 

39 Landhause etwas entfernt seyn, in einer stillen, feyerlichen oder ernsten Lage, in einiger Dunkelheit, von alten Eichen oder edlen emporstrebenden Platanen umschattet; nichts Glänzendes oder Ueppiges in der Nähe. In ihrer Bauart muß sich mit der Einfalt Würde vereinigen und ein edles äußeres Gepräge, das ihre Bestimmung ankündigt. Hier sind zwo Vorstellungen dieser Art.

 

40

 

Obgleich solche Gebäude zu wichtig sind, als daß sie blos als Gegenstände zur Mitwirkung bey den Eindrücken der übrigen Scenen angelegt werden sollten, und obgleich auch ihre Lage eben keinen Genuß ihres Ansehens aus einer beträchtlichen Ferne verstattet: so dürfen doch ihre Wirkungen, wo sie zufällig eintreffen und zum Vortheil sich anbieten, nicht vernachläßigt werden; denn diese Wirkungen hängen ihnen so eigenthümlich an, daß sie von keinem andern Werke der Architektur leicht zu gewinnen sind.

Die Parks dieser Klasse stellen verschönerte Gegenden oder einen ausgeschmückten Theil der Landschaft dar, worinn der Adel seine Besitzungen hat. Dennoch können 41 darinn ganze Reviere dem Nützlichen gewidmet bleiben. Man darf keine fruchtbaren und fetten Striche blos dem Vergnügen aufopfern. *) Die Getreidefluren, die Wälder, die Wiesen dürfen sich nicht allein den Anlagen nähern, oder sie umkränzen; sie können selbst, wenn sie nicht zu ausgedehnt von Umfange sind, als ländliche Scenen und als anmuthige Unterbrechungen in dem Bezirk eines beträchtlichen Parks erscheinen. Die Viehweiden, besonders der Schafe und Rinder, stellen sehr frohe und belebende Auftritte dar, die eben so wenig aus dem Bezirk ländlicher Lustplätze auszuschließen sind, als ein kluger Landwirth sie von seinem Anblick verbannen wird.

Bey allen einzelnen Theilen, die in die Bildung eines solchen Parks kommen können, ist allerdings die Auswahl und die Verbindung zu einem bestimmten Ganzen die vornehmste Kunst; und hiebey kömmt nicht wenig auf die weise Absonderung alles Unschicklichen, auf die Vereinigung der innern Anlage mit den umliegenden Auftritten, auf die Einrichtung der Gränzen, und auf die Benutzung der Aussichten in die Landschaft an. Es ist über alle diese Gegenstände schon hin und wieder viel in diesem Werke gesagt. Auch sind darinn bereits so manche edle Parks, besonders der Britten, beschrieben. Und diese Beschreibungen, die weit mehr den Geschmack leiten, als eine Reihe von Regeln, und zugleich die Einbildungskraft mit so mannichfaltigen Bildern bereichern, sind unstreitig sehr vortheilhaft für das Genie des Künstlers, wenn es sich dabey von einer gesunden Beurtheilung unterstützen läßt. Auch ohne die Erinnerung an diese Vortheile, würde man wohl die folgende Sammlung von kurzen Entwürfen englischer Parks, die zu der edlern Gattung gehören, mit Vergnügen durchlaufen. Stourton oder Stourhead. **)

In diesem angenehmen und reich verzierten Park gelangt man zuerst auf einen großen Rasenplatz, worauf die Statue des Apoll, eine Kopie von der zu Belvedere in Rom, steht. Am Ende des Rasens führt ein schattigter schlängelnder Gang zu einer schönen Allee von Kiefern, die auf einen sehr hohen Obelisk stößt, der sich aber außer der Gränze des Parks erhebt. Von hier wählt man einen kurzen Weg durch ein Waldstück hinab, bis zu einem großen Zelte im morgenländischen Geschmack. Aus diesem genießt man einen reizenden Prospect über den See, das Pantheon, den Sonnentempel, einen herabhängenden Wald, u. s. w. welches eine sehr verschönerte Landschaft darstellt.

————

*) S. 4ten B. S. 11–13.

**) In Dortsetshire.

 

42 Man geht von hier auf die eine Seite des Sees hinab, und, mittelst einer hölzernen Brücke von einem weit gespannten Bogen im Geschmack des Palladio, über einen Arm desselben, in den erwähnten hängenden Wald, worinn hingesetzte Steine den Weg nach einer Grotte zeigen. Ihr mit Epheu bewachsenes Dach und der mit Kieseln gepflasterte Fußboden deuten an, daß es die Wohnung der Natur ist. Das Licht fällt von oben durch eine runde Oeffnung im Dach hinein; durch die hinabhängenden zarten Zweige sieht man einen Theil des Sees. In einem Winkel der Grotte erscheint ein marmornes Gefäß zum kalten Bade; das Wasser dazu kömmt aus einer klaren Quelle, die bey einer schlafenden Nymphe, die hinten in der Grotte liegt, langsam herabläuft.

Nicht weit davon ist eine kleinere Grotte, die charakteristisch verziert und der Aufenthalt eines Flußgottes ist, der sich auf eine Urne lehnt. Das herauslaufende klare Wasser ist wirklich die Quelle des Flusses Stour, der sich daraus ergießt und sodann in den See fällt. Von diesem angenehmen Ort steigt man einige Stufen von unbearbeiteten Steinen hinauf, und geht, durch das Gehölze über der Grotte, wieder zum grünen Ufer des Sees hinab, zum Pantheon.

Von dem Gange vor diesem Gebäude sieht man über den See nach der Anhöhe zurück, auf deren Abhange das gedachte Zelt steht. Dies Pantheon ist nach dem römischen eingerichtet, und nach dem Tempel der Eintracht zu Stowe wohl das edelste Gartengebäude in England. Die Rotunde hat 36 Fuß im Durchmesser, und wird durch eine Oeffnung von oben her erleuchtet. In den Nischen stehen Statuen und über ihnen Basreliefs, die auf sie Beziehung haben.

Von diesem Tempel wendet man sich rechts, und wird durch eine prächtige Kascade überrascht, die in ein rauhes Thal außerhalb des Gartens hinabstürzt. Der Weg führt durch ein kleines Gebüsch über eine wild angelegte Treppe. Jetzt befindet man sich auf einmal in einem andern Theil dieser Anlage; man steigt einen Hügel hinan, dem die steile Höhe durch einen in die Länge gezogenen Fußsteig benommen ist, und erreicht einen dick gepflanzten Hayn mit einer aus Baumwurzeln verfertigten Einfiedeley, worinn ein Todtenkopf und ein Stundenglas die ernsthafte Gesellschaft des Einsiedlers sind.

Wenn man von hier auf der Seite des Hügels fortwandert, zieht der Tempel der Sonne die Aufmerksamkeit auf sich. Aus diesem schönen Gebäude übersieht man nicht nur die bisher angeführten Gegenstände, sondern auch die umliegende Gegend und den Alfredsthurm. Man geht von hier einen Abhang von seinem Rasen hinab, und durch eine unterirrdische Grotte unter dem Weg hindurch, über den man zuvor vermittelst des rauhen Bogens weggegangen war. Auf einmal befindet man sich 43 wieder bey einer steinernen Brücke von drey Bogen, die über einen Arm des Sees gebaut ist. Von dieser Brücke und etwas weiter linker Hand sieht man eine Menge naher und ferner Gegenstände, die des Pinsels eines Claude Lorraine würdig sind. Von hier geht man am Raude des Gehölzes bey dem Tempel der Ceres von dorischer Ordnung, dessen Säulengang gegen den See liegt, vorbey, durch einen bedeckten Gang nach einem kleinen ländlichen Orangeriehause, mit Blumenfluren und wohlriechenden Sträuchern vor dem Eingang; und von hier führt ein Fußsteig wieder nach dem Thorweg, durch den man in diese Anlage gekommen war.

Man fährt durch den Park, um den Alfredsthurm zu sehen. Dies Gebäude ist zum Andenken eines Sieges errichtet, den dieser große König hier erfochten haben soll. Man gelangt zuerst an ein kleines Gebäude im gothischen Geschmack, das Kloster genannt, das eine romantische Lage hat. Man kömmt weiter, auf einem sich schlängelnden Wege, auf eine sehr lange Terrasse, von welcher sich dem Auge eine ungemein weite Aussicht über die umliegende Gegend darstellt. Am Ende derselben steht der Alfredsthurm, auf einer vorspringenden mit Kiefern bepflanzten Anhöhe. Es ist ein großes dreyeckigtes Gebäude von weißen Ziegelsteinen, 155 Fuß hoch. Auf jeder Ecke ist ein Thurm, und in einem eine Windeltreppe, die zu dem oben befindlichen kleinen Zimmer führt, das groß genug ist, um Telescope darinn zu haben. Man muß über den weiten Umfang des Laudes, das sich in der Aussicht verbreitet, erstaunen. Inwendig ist das Gebäude oben offen. Sein Hauptzweck ist, daß es einen Gesichtspunkt abgeben soll, und dieser ist in der That sehr edel. Es hat gar keine Verzierungen, ausgenommen Alfreds Statue in einer Nische über dem Eingang, und besteht aus nichts als hohen Mauern mit den hervorspringenden Thürmen. Die Verhältnisse sind aber so gut, daß man nicht leicht ein Gebäude sehen wird, worinn so viel Simplicität mit wahrer Größe verbunden ist. Donnington-Castle. *)

Der Platz um das Wohnhaus ist mit vielem Geschmack eingerichtet. Es liegt auf einer Anhöhe und hat hinter sich einen Hügel mit Waldung. Um das Haus herum ist ein schöner großer Rasenplatz, der sich zum Wasser hinabsenkt. Ein beträchtlicher durch die Kunst noch breiter gemachter Fluß läuft darneben mit sanfter Krümmung vorbey. In ihm liegen drey bis vier Inseln, wovon eine dick mit Buschwerk bepflanzt, und der Aufenthalt von Schwänen und allerley wildem Wassergeflü-

————

*) In Berkshire.

 

44gel ist, die das Wasser beleben. Jenseit des Wassers sieht man sanft aufsteigende Kornfelder. Der Rasenplatz ist mit vielem Geschmack theils mit einzelnen Bäumen, theils mit Klumpen besetzt. Zuletzt ist das Wasser an beyden Seiten mit Wald umgeben, und schließt die Aussicht auf eine angenehme Art. Durch beyde Wälder schlängelt sich ein Gang längs dem Ufer des Flusses, und giebt den Genuß von mancherley abwechselnden Aussichten. An einer Stelle steht ein wohlgebauter gothischer Tempel von Kieseln, bey einem Wasserfall, den der Fluß bildet, indem er eine natürliche Reihe von Steinen herabfällt. Donnington-Castle muß den Liebhabern der alten englischen Dichtkunst verehrungswürdig seyn, weil es der Aufenthalt ihres Vaters, des Geoffrey Chaucer, war. Man zeigt noch den Ort einer großen Eiche, die Chaucers Eiche hieß, worunter der Dichter zu sitzen und zu dichten pflegte.

Summer-Castle. *)

Der Prospect von Summer-Castle ist ungemein reizend. Das Thal ist reich mit Holz besetzt, und der See so angelegt, daß er sich auf eine glückliche Art mit der Waldung verbindet. Das Wasser thut eine gute Wirkung; es ist eine halbe (engl.) Meile lang, sehr breit, und hat die schönsten Ufer. Kleine Hayne, einzelne Bäume und Einzäunungen wechseln auf das angenehmste mit einander ab. Hier liegt das Dorf an einem sanften Abhange, und manche Häuser stecken zwischen den Gebüschen; dort schmiegen sich die Kornfelder zum Wasser hinab; alles dies verbreitet so mancherley Abwechselungen, als man nicht überall bey Wasserstücken findet. Seen, die sich durch ein Thal fortkrümmen, und an den Seiten mit großen grünen Plätzen und dicken Wäldern umgeben sind, nennt man nordamerikanische Scenen, und diese sind jetzt in den Parks so häufig anzutreffen, daß eine solche Abwechselung von Erscheinungen, die dem Auge allerley landwirthschaftliche Geschäfte darstellen, nicht anders als gefallen kann. Sie thun übrigens die Wirkung, daß das Wasser dadurch größer scheint, als wenn es von einer großen grünen Rasenfläche umgeben ist.

Formark. **)

Dieser Landsitz liegt einige (engl.) Meilen von Derby, am südlichen Ufer der Trent. Das schöne neue Wohnhaus hat eine weite herrliche Aussicht über das Thal, wodurch der Fluß läuft. Von der Hinterseite übersieht man verschiedene Hügel mit jungen Pflanzungen. Vom Hause führt ein Gang mit vielen Krümmungen

————

*) In Lincolnshire.

**) In Derbishire.

 

45 durch einen angenehmen Wald von Eichen ins Thal zur Trent hinab, und lenket sich wieder auf einen mit Holz besetzten Felsen, der unter das Sonderbarste in dieser Gegend gehört. Der Fluß hat nirgends ein so romantisches Ufer. Die Felsen stehen ziemlich hoch und senkrecht; an einigen Stellen hängen die Bäume von den Spitzen auf eine etwas fürchterliche Art herab, und überschatten das Wasser. Der Gang läuft vom Rande dieses Abgrundes fort, und man sieht auf eine malerische Weise durch die Bäume auf den unten sich fortkrümmenden Fluß hinab. Hin und wieder sind natürliche Durchsichten durch die Bäume, wodurch man die Landschaft mit den darinn abwechselnd liegenden Dörfern erblickt. Der Gang läuft längs diesem jähen Abhange, und durch ein Thal fort, dessen Ende mit dicker Waldung besetzt ist. Man steigt darauf einen steilen Hügel ohne Felsen hinan, der dick genug bepflanzt ist, um den Anblick des Wassers so lange zu verbergen, bis man die Spitze erreicht, und aus dem Schatten in einen Tempel tritt, wo einer der herrlichsten Prospecte auf einmal hervorbricht. In einer großen Tiefe sieht man die Trent sich in kühnen Wendungen durch das Thal krümmen, das aus eingezäunten Wiesen von dem schönsten Grün besteht. Zur Linken läuft sie nach einem Dorfe, aus dessen Mitte sich eine weiße Kirche erhebt, und hinter den Häusern schleicht sie sich wieder durch Umzäunungen von Hecken und einzelnen Bäumen fort. Hinterwärts erblickt man den vorher gedachten Felsen, und geht durch verschiedene mit einander verbundene Pflanzungen zurück.

Sandbec. *)

Dieser Park ist mit großem Geschmack angelegt. Ein mit Wasser versehenes Thal ist mit verschiedenen Abhängen umgeben, die sich sanft senken und oben mit einem dicken Walde bepflanzt sind. Rings herum geht ein mit Kies befahrner Weg durch ein großes Rasenstück, das durch die neuen Anpflanzungen viele Abwechselungen bekommen hat. An einigen Orten stehen die Bäume in Klumpen, an andern einzeln zerstreut. Die Schattirungen sind durch die Pflanzung der Bäume am rechten Ort abwechselnd und mit Geschmack angebracht. An einigen Stellen zeigt sich das Wasser in breiten Flächen, an andern wird es durch die sich hineinstreckenden Rasenstücke unterbrochen, und dadurch scheinen Flüsse nach verschiedenen Richtungen zu entstehen. Kleine Meerbusen verlieren sich zuletzt in den Wald. Zuweilen ist das Ufer mit einzelnen Bäumen besetzt, durch deren Zweige man das Wasser sieht; zuweilen stehen sie so dick, daß sie einen schwarzen Schatten auf das Wasser werfen; mit einem Worte, man übersieht ein schönes mit Bäumen besetztes Ufer.

————

*) In Yorkshire. Das Landhaus steht im 4ten B. S. 13.

 

46 Der Weg führt zu einem Hügel, von dem man einen herrlichen Prospect des Hauses, des Parks, des Sees und der Waldungen hat. Das weiße Gebäude mit einem Walde von fünfhundert Ackern macht hier eine schöne Wirkung, und nicht weniger zeigt sich auch das Wasser mit den offenen grünen Plätzen aus einem vortheilhaften Gesichtspunkt. Die malerischen Ruinen dieses Parks sind schon an einem andern Orte beschrieben. *)

 

————

*) S. 3ten B. S. 116–117. Die erste dieser Beschreibungen ist aus Volkmanns, die übrigen sind aus Youngs Reisen durch England. Zu den in dieser Theorie bereits angeführten Quellen, woraus man die Parks der Engländer kennen lernen kann, mögen, außer verschiedenen einzelnen Beschreibungen, noch diese gerechnet werden: Peep into the principal Seats and Gardens in and about Twickenham with a suitable companion for those who wish to visit Windsor or Hampton-Court. By a Lady of distinction in the Republic of Lettres. kl. 8. London 1775. Diese kleine Schrift von wenigen Bogen giebt zwar nur kurze Nachrichten, ist aber als Taschenbuch für Reisende bequem. Meist in dem Geschmack ist: Sketch of a Tour into Derbyshire and Yorkshire, including part of Buckingham, Warwick, Leicester, Nottingham, Northampton, Bedford, and Hertford-shires. 8. London 1778. und: A new pocket companion for Oxford.

 

47 III.
Privatgärten; bürgerliche Gärten; Blumengärten.
1.

Diese Gattung ist sehr zahlreich; man findet sie fast bey allen wohlangebauten, stark bewohnten und sich gut nährenden Städten; am meisten rings um reiche Handelsplätze. Die Geschäfte ihrer Besitzer verstatten selten, daß Gärten dieser Klasse in beträchtlicher Entfernung von den Städten angetroffen werden, fondern fordern fast immer, daß sie in ihrer Nachbarschaft umher liegen. Wer indessen die Ruhe eines glücklichen Privatlebens, das mit keinen öffentlichen Geschäften für den Staat und für seinen Mitbürger belastet ist, mit aller Freyheit genießen kann, der verbirgt sich lieber in den Schatten des Landes, ferne von der Stadt, als daß er in ihrer Nähe verweilen sollte.

————

1778. hat, als einen Anhang, Beschreibungen der Landsitze Blenheim, Ditchley, Heythorp, Nuneham und Stowe. Zu den Beschreibungen, die mit Abbildungen begleitet sind, gehören folgende Werke. A new Display of the beauties of England, or a description of the most elegant public Edifices, Royal Palaces, Noblemen’s and Gentlemen’s Seats &c. 3te Edit. London. 8. 1776. 2 Bände, enthält unter andern eine Menge von Beschreibungen und schönen Abbildungen der vornehmsten Landsitze und Parks. The modern universal British Traveller, or a new complete and accurate Tour trough England &c. Fol. London 1779. mit 100 Kupfern. Die Prospecte von Landsitzen sind fast dieselben, wie in dem oben angeführten Werke, und größer, aber nicht so sauber. Ein neues vortreffliches Werk ist: A Collection of one Hundred and Fifty select views in England, Scotland and Ireland, Drawn by P. Sandby Esqu. R. A. Vol. 2. Printed for John Boydell. London 1781. Außer den Abteyen, alten Schlössern, Ruinen, und mancherley herrlichen und romantischen Prospecten, trifft man hier verschiedene überaus feine Vorstellungen von Landhäusern des Adels und Scenen aus den Parks an. – Zur besondern Kenntniß alter Schlösser und Ruinen von Klöstern und Abteyen in malerischen Aussichten, dienen diese zwey Werke: England illustrated, or a compendium of the Natural History, Geography, Topography and Antiquities of England and Wales. 4. London. 2 Vol. 1764. und folgendes. The Antiquities of England and Wales, by Francis Grose. 4. London. 4 Vol. 1773. Nach den schon angeführten Beschreibungen und Abbildungen von Stowe (1ster B. S. 69. 3ter B. S. 135.) verdient noch diese bemerkt zu werden: Sixteen perspective views together with a General Plan of the magnificent Buildings and Gardens at Stow. Fol. London. 1752. Die Kupfer, die freylich viel besser seyn sollten, stellen verschiedene Theile des Parks, die Gebäude und übrigen Werke der Kunst doch deutlicher vor, als die kleinern Handbücher von diesem Garten.

 

48 Die Parks des Adels verschönern die Landschaft, und die Gärten der Bürger die Nachbarschaft der Städte. Sehr viele ansehnliche und berühmte Städte gewinnen von den umliegenden Gärten und Sommerhäusern eine Lebhaftigkeit, einen Glanz, ein so reiches Gemälde von Wohlstand und Ergötzung, daß alle empfindsame Reisende davon bis zu einem hohen Grade entzückt und gerührt werden, wenn gleich dies Gefühl bey den Einwohnern selbst durch den Einfluß der Gewohnheit schwächer wird. So ist das reizende Arnothal, in dessen Mitte die Stadt Florenz liegt, auf allen Seiten von einem Amphitheater fruchtbarer Hügel umkränzt, die mit Landhäusern und Gärten bedeckt sind; nirgends in Italien, das doch von Villen so sehr verschönert ist, *) erblickt man an einem Orte eine so reiche Sammlung von anmuthigen Landsitzen, die Privatpersonen gehören, als in der Nachbarschaft von dieser Stadt. So ist Marseille mit einer solchen Menge von Gärten und Sommerhäusern gleichsam umhüllt, daß man ihre Anzahl auf ohngefähr fünftausend angiebt. **) Wenn man bis auf eine Meile gegen die Stadt kömmt, so fährt man beständig von der Höhe herunter, unter dem Genuß der prächtigsten Aussicht; denn Marseille ist auf zwey Drittheile ihres Umkreises an der östlichen und nordöstlichen Seite mit hohen Bergen und einer Menge kleiner Hügel umgeben, und diese Hügel sind so mit Landhäusern bebaut, daß die Gegend von einem Umkreis von etlichen Meilen in der Ferne einer unermeßlichen Vorstadt von Wohnungen und Gärten gleich sieht. ***) So sind außer verschiedenen andern Städten der Schweiz, †) Zürch, Bern, Lausanne und Genf rings umher auf ihren Höhen mit Landsitzen und Sommerhäusern umkränzt. Auch in Deutschland giebt es wenige große und mittlere Städte, deren benachbarter Bezirk nicht mit Gärten und Landhäusern belebt wäre. Auch geringere Plätze gewinnen von umliegenden kleinen Gartenhäusern ein Ansehen von Größe und Wohlstand. Ich bin verschiedenemale durch die hannöverische Stadt Münden auf der Straße zwischen Göttingen und Cassel gereiset, und immer von der bezaubernden Schönheit ihrer Lage so sehr entzückt worden, daß ich mich kaum ihrem Anschauen wieder entreißen konnte. Das große reizende Thal nahe vor der Stadt, der Zusammenfluß der Fulde und der Werre, die hier zusammenstoßen, um die Weser zu bilden, die schönen mit Waldungen bekleideten Berge auf beyden Seiten, zwischen ihnen die weite grüne Ebene, durch welche der erste Fluß auf der jenseitigen hessischen Gränze sich herabwindet, an den Abhängen umher die vielen kleinen Som-

————

*) S. 1sten B. S. 31.

**) Papons Reise durch die Provence. Aus dem Franz. 1783. S. 149.

***) Sulzers Reise durch die mittäglichen Länder von Europa &c. S. 113.

†) S. 1sten Band S. 34–35.

 

49merhäuser, die von der Bauart nichts Schönes haben, aber durch ihre sanfte Lage, zwischen Gärtchen und Gebüschen halb versteckt, interessant werden, alles dies macht zusammen eine der anmuthigsten Landschaften in Deutschland aus, die in England lange schon einen Zeichner gefunden hätte, und bey uns kaum noch einen Beschreiber hat.

Vornehmlich sind es reiche Handelsplätze, um welche sich diese Gattung von Gärten zu häufen pflegt. Der Ueberfluß oder Wohlstand, den das Glück des Handels erzeugt, erregen sehr bald die Begierde, sich durch einen größern Aufwand in Wohnungen und Gärten, so wie in Gesellschaften und Gastmalen, auszuzeichnen. Auch suchte der Mann, der von der Last der Geschäfte und dem Gewühl des Handels ermüdet war, einen Ort, wo er an ruhigen Tagen sich wieder erholen, freyer athmen, sich selbst und seine Familie genießen konnte; er baute ein Landhaus in der Nähe der Stadt, und pflanzte sich einen Garten. So entstanden, nicht weniger aus Bedürfniß als aus Prachtsucht, die meisten Gärten um ansehnliche Handelsstädte, vornehmlich in Holland und in verschiedenen Provinzen von Deutschland.

Allein diese Gärten fiengen auch hier am ersten an, auszuarten. Der gute Geschmack ist nur selten im Gefolge des Reichthums. Der Hang zum Aufwand und zum Pomp handelt wenig mit Ueberlegung, und sucht sich bald durch jedes Mittel zu befriedigen, das er auf seinem Weg erhaschen kann. Er will Aufsehen und Bewunderung erregen; er will durchaus glänzen und übertreffen. Die Thorheit der Nachahmung gesellte sich zu ihm. Diese rieth ihm, die Gärten der Fürsten zu kopiren, und der Krämer blähete sich, wenn er, gleich ihnen, auf Wasserkünste und Statuen zeigen konnte. Der Genius des Orts rächte sich an der verwegenen Nachäffung. Der eingeschränkte Bezirk des Platzes machte die Unbesonnenheit nur desto sichtbarer. Was in einem ausgedehnten Garten schicklich oder erträglich war, ward hier lächerlich. Man eilte darauf von einer Thorheit zu der andern. Man bemalte den Boden mit Steinen und Muscheln, die Thüren mit Springwassern, und die bretterne Wand mit wilden Thieren; man schnitt aus Taxus Kanapees, und aus den Linden Fächel. So wurden viele holländische, so manche deutsche Gärten bey den niedersächsischen und andern Reichsstädten verunstaltet. Man verschwendete kostbare Spielwerke, und glänzte im Prunk lächerlicher Verzierungen; und überall stand zwischen dem Reichthum und dem Aufwand, die hier erschienen, ein Zeuge, der die Abwesenheit des Geschmacks anklagte. – Diesen Bemerkungen, an deren Wahrheit kein Zweifel gränzt, darf ich hier noch wohl das Urtheil eines einsichtsvollen Schrift50stellers *) beyfügen. „Der Handel, sagt er, ist gewissen Producten des Geschmacks gar nicht günstig. Werke der Dichtkunst trifft man kaum bey irgend einer handelnden Nation an, und die Geschichte ist hier wenig mehr, als eine trockene Erzählung einzelner Thatsachen und Begebenheiten. Andere Theile der Gelehrsamkeit hingegen, die bey einem ausgebreiteten Nutzen für die Gesellschaft wenig Unterhaltung gewähren, hat man hier mit großem Glück bearbeitet. Die Holländer z. B. haben uns mehrere treffliche Werke über das bürgerliche und natürliche Recht gegeben, und die Heilkunst danket ihnen einige der wichtigsten Erweiterungen. Allein zu solchen Künsten, wo es auf Geschmack oder auf die Fähigkeit ankömmt, die Schönheit wahrzunehmen, und zu empfinden, hat man bey solchen Nationen insgemein wenig Talente bemerkt. Dieser Mangel am Gefühl des Schönen zeigt sich an Gebäuden, Hausrath, und Anlegung der Gärten. Uebertünchte Bildsäulen, nach geraden Linien oder in Zirkeln gepflanzte Bäume, viereckig oder kugelförmig geschnittene, auch wohl in die Gestalten von Vögeln, Bären und Menschen gezwungene Taxus, und kleine Springbrunnen bezeichnen hier den Geschmack des reichen Städters, der überall nichts an der Natur bewundert, als die Bereitwilligkeit, womit sie so mannichfaltige Gestalten von der Künsteley annimmt, und dem alles schön ist, was in die Augen fällt, Aufwand erfordert, und, weil es sich von dem gewöhnlichen Lauf der Natur entfernt, bey dem Unwissenden Bewunderung erregt. Was von einigen Schriftstellern, setzt Falconer hinzu, von dem richtigen Geschmack der Chineser in Gärten behauptet wird, verdient keinen Beyfall. Eine neuere Schrift macht uns von den Kunstwerken dieser Nation eine Vorstellung, nach welcher man vermuthen möchte, ihr Verfasser, Chambers, habe nur im Scherz geschrieben. Andere glaubwürdige Schriftsteller hingegen sagen uns, daß Werke des Geschmacks bey den Chinesern, eben so wie bey andern handelnden Nationen, schwerfällig, schimmernd, mit Flitterstaat überladen, und mit einem gesuchten unnützen Aufwand verbunden sind. Die Pracht eines chinesischen Gebäudes besteht in der Größe der Balken und Pfeiler, die von dem kostbarsten Holz gearbeitet sind, und in dem Schnitzwerke an den Thoren. Gärten haben sie nur, um Küchengewächse darinn zu erziehen.“ **)

————

*) Falconers Bemerkungen über den Einfluß des Himmelsstrichs, der Lage u. s. w. aus dem Engl. 8. 1782. S. 542–543.

**) Eine Bestätigung dessen, was ich zuerst gegen Chambers über die chinesischen Gärten gesagt. 1ster B. S. 81–103. Ein anderes sehr wichtiges Zeugniß gegen ihn giebt ein neuer berühmter und unpartheyischer Reisender, Herr Sonnerat (Reise nach Ostindien und China in den Jahren

 

51

 

1774 bis 1781. Zürch 1783. 2ter Band. S. 21.). Man versteht in China, sagt er, nicht einmal die Kunst, Bäume zu verpflanzen, sie zu beschneiden und zu pfropfen. Ihre Gärten sehen gar nichts ähnlich; sie haben nicht einmal Fruchtbäume darinn, wenn die Natur sie nicht hineinpflanzt. Man hoffe ja nicht darinn, wie in den europäischen, Pflanzen aus allen vier Welttheilen zu finden; ein erkünstelter Fels, eine kleine Brücke, ein Belveder, und einige Irrgänge sind die ganze Verzierung davon. Der so hoch berühmte Ackerbau besteht in der Pflanzung des Reis, den ein bis an die Knie im Wasser stehender elender Kerl in die am Ufer der Flüsse gemachten Löcher vertheilt. Die Chineser haben nicht einen einzigen Maler; sie wissen weder Zeichnung noch Stellung in ihre Stücke zu bringen, und haben keinen Begriff von der Perspective. Man findet überall keinen Bauverständigen. Selbst die Tempel, die in allen übrigen Ländern durch ihre Pracht Ehrfurcht einflößen, haben in China nichts von Majestät an sich.

 

52 2.

Um dem wahren Charakter, der dieser Gattung von Landwohnungen und Gärten zukömmt, uns mehr zu nähern, verdient zuvörderst bemerkt zu werden, daß sehr viel von ihrer Lage abhängt, wenn sie einen vortheilhaften Prospect nicht allein zur Verschönerung einer Gegend verbreiten, sondern auch selbst genießen sollen. Eine ungemein frische Lage geben die Ufer eines Flusses, noch mehr eines Sees. Hier verdoppeln die Gebäude in dem Wiederschein den Reiz ihres Anschauens aus der Ferne, und empfangen selbst von dem Licht und der spielenden Bewegung des Wassers eine neue Heiterkeit. Auf Anhöhen, zwischen wellenförmig sich dahin schmiegenden Hügeln, an sanften Abhängen hoher Berge, gewinnen kleine Sommerhäuser mit ihren Gärten ein malerisch reizendes Ansehen. Noch schöner, wenn gleich an den Fuß der Höhen, von welchen sie herabhängen, das Meer seine Wogen hinwälzt, wie an dem seeländischen Ufer zwischen Kopenhagen und Helsingör, oder heitere Landseen, wie um Genf und Neuschatel, ihre leichtern Wellen sanft hinspielen lassen. Nicht weniger trägt zur Schönheit der Lage bey, wenn rings umher die Gegend um die Sommerhäuser viel Gebüsch und Pflanzung zeigt, aus deren dunklem Grün die weissen Vorderseiten hervorschimmern.

Alle diese Lagen gewähren den Vortheil einer anmuthig unterhaltenden Aussicht. Dieser Vortheil ist hier um so wichtiger, weil diese Gärten nicht allemal einen so weiten Bezirk umfassen, daß darinn eine beträchtliche Mannichfaltigkeit von innern Scenen Platz finden könnte. Die Aussicht in die Landschaft, die überhaupt bey jeder Anlage vom heitern Charakter unentbehrlich ist, vergütet hier die Einschränkung des Besitzes und den Mangel vieler Auftritte und Veränderungen in dem innern Bezirk. Ein kleiner Platz kann durch die Aussicht höchst interessant werden, wie man besonders in so vielen Gärten der Schweiz sieht. Und diese Lebhaftigkeit, diese Größe, dieser Reichthum, diese Mannichfaltigkeit, dieser Zauber in landschaftlichen Aussichten, die oft aus einem engen Winkel genossen werden, wird, wo die Natur sie versagt, von keiner Macht der Kunst für weite Anlagen hervorgerufen.

Eben der engere Raum, der gemeiniglich nur dieser Gattung von Gärten verstattet ist, erlaubt keinen Reichthum von Scenen, der ihn bald zu sehr überladen und verstellen würde. Die Gegend ist meistens nur von einem gewissen bestimmten, aber einfachen Charakter. Und diese Einfachheit muß auch bey allem, was Kunst und Geschmack bey einem solchen Platz vornehmen, beybehalten werden. Alle Verschönerungen müssen nach dem natürlichen Charakter der Gegend sich richten.

53 Wird nur dieses Gesetz beobachtet, so kann der Besitzer seinen Platz nach seinem Geschmack einrichten, er mag das Bebauete oder das Wilde, das Romantische oder das Anmuthige, das Muntere oder das Ernsthafte, das Zierliche oder das Nachläßige, das Verschlossene oder das Offene lieben. Er hat Freyheit in der Wahl seiner Gewächse und seiner Auszierungen, nur darf er nicht die Empfehlung einer bescheidenen Mäßigung vergessen. Das Wohlfeile und das Nutzbare ist hier weit schicklicher, als das Kostbare und weniger Nützliche. Viele edle Fruchtarten verdienen hier das Recht des Vorzugs vor blos seltenen Pflanzen. In jeder Anpflanzung und Einrichtung herrsche Geschmack, in jeder Verzierung Bescheidenheit. Die Laube oder das freyere Gebüsch mag sich mit der Büste eines Freundes des Besitzers, oder mit der Statue eines Patrioten seines Vaterlandes schmücken; von ihren schönen Kindern umringt, mag Flora sich hier einen Kranz winden. Allein solche Werke der Kunst müssen sich in Anlagen dieser Art nur sehr selten zeigen. Viel Grün der Pflanzungen hingegen, viel Schatten, viel anmuthige und duftende Gewächse, mit nützlichen Arten vermischt, ein reiner Bach oder ein kleiner Wasserfall, wo es die Gegend verstattet, freye und beschattete Spaziergänge, ruhige Sitze unter Bedeckungen des Laubes fordert diese Gattung. Die ganze Anordnung muß anziehend und unterhaltend seyn, und dazu gehört besonders auch eine kluge Wahl der landschaftlichen Aussichten, zumal, wenn der Bezirk an Einschränkung und an einer gewissen Dürftigkeit leidet. Doch kann die Anordnung sich hier nicht immer einer freyen Manier überlassen; die Symmetrie wird zuweilen zuläßig. *) Es ist nichts so schwer, als einen Garten natürlich einzurichten, wo die Natur selbst ihren Beystand dazu versagt; und dies ist nicht selten der Fall auf den Plätzen, wo kleine bürgerliche Gärten bey Städten angelegt werden.

Ein besonderer Unterschied dieser Gattung scheint darinn zu bestehen, daß sie mehr das Bearbeitete, das Verseinerte, das Geschmückte in einzelnen Theilen vergönnt, das die Parks bey ihrem Umfang und bey der Größe ihres Charakters nicht überall so vollenden können, noch dürfen. Weil die Theile kleiner, weniger vervielfältigt und verwickelt, dem Auge mehr übersehbar sind, und öfter erscheinen: so fallen ihre Mängel leichter auf, und desto geschäftiger ist daher der Fleiß der Ergänzung und der Politur. Demnach kann die Zierlichkeit sich in bürgerlichen Gärten mit einigem Vorrecht auszeichnen.

Dagegen, was ein Eigenthum ausgebreiteter und zusammengesetzter Gegenden ist, die Wirkung starker Contraste und schneller Uebergänge, der Eindruck der

————

*) S. 1sten B. S. 140.

 

54 Wildnisse, der Gebirge, der Felsen, alles dies ist, in so fern es nicht leicht in dem Bezirk dieser Gattung Platz hat, von ihr ausgeschlossen. Sie liebt aber das Feine der Umrisse, das Liebliche der Formen, das Sanfte der Verbindung, das Allmälige der Uebergänge, das Heitere der Farben, und das Lachende der Aussichten.

Selbst mit dem Theil, der ganz allein ein Eigenthum des Nützlichen zu seyn scheint, kann sich eine gewisse Anmuth verbinden. Plätze, mit edlen Fruchtbäumen bepflanzt, gehören allerdings in Privatgärten. Allein der gute Geschmack kann hier eine freye Pflanzung wählen, die steifen Linien, welche die Natur nicht kennt, verwerfen, und den nützlichen Obstbaum in anmuthigen Gruppen ziehen; er kann an den Fruchtbaum den Weinstock binden, ihn von Stamm zu Stamm in Kränzen leiten, oder unter den nutzbaren Zweigen sich zugleich eine Laube wölben; er kann in den Zwischenräumen schöne Grasplätze, kleine Vertiefungen und Erhöhungen bilden, und in ihrem Bezirk sich Pfade umherwinden lassen; er kann hier Bäche vertheilen, sie zwischen den Stämmen in dem grünen Boden lieblich dahin spielen oder in plätschernde Wassergüsse abfallen lassen; er kann bequeme Sitze anlegen, wo der Eigenthümer mit seinen Freunden gerne in süßen Gefühlen und Unterredungen unter dem geliebten Schatten selbstgepflanzter Obstbäume ruht. In der That überall kann der gesunde Geschmack seine Verschönerungen verbreiten, ohne dem Nützlichen etwas von seinem Vorrechte zu entziehen.

Weil es nirgends so leicht ist, als in dieser Gattung, die Natur zu verfehlen, so muß man sich sowohl vor der Unschicklichkeit, als vor dem Ueberfluß der Verzierungen hüten. Nichts ist gewöhnlicher, als hier Dinge aufgestellt zu sehen, die weder mit der Scene selbst, noch mit einem Garten überhaupt die geringste Verbindung noch Wahrscheinlichkeit haben. Solche Auftritte, so sehr sie auch dem gemeinen Vorurtheil gefallen, beweisen doch allemal eine dürftige oder verirrte Einbildungskraft und eine gänzliche Unwissenheit in den Grundsätzen der Kunst. Man glaubt einen Garten geschaffen zu haben, und hat nichts als ein Gemengsel von unharmonischen und fremden Theilen, eine bloße Decoration, bunt genug, aber ohne Geschmack und Interesse. So wirft man Statuen und Mühlen, Thürme und Hütten, Kirchen und chinesische Lusthäuser, Einsiedeleyen und Bäder, Tempel und Klosterruinen oft in einen Umkreis von hundert Schritten zusammen, und glaubt ein herrliches Werk von Gartenkunst geschaffen zu haben. Der sicherste Weg, diesen Ungereimtheiten zu entfliehen, ist der, daß man sich an die Natur hält, und nach ihrer Anleitung vornehmlich Bäumen, Sträuchern, Blumen, Rasen und Wasser, womit sie 55 ihre Landschaften malt, den Vorrang giebt. Sollten diese kraftvollen natürlichen Gegenstände nicht immer in einem Garten rühren und gefallen, wie in der Landschaft? Wenn sie diese Wirkung verfehlen, so liegt es nicht an ihnen, sondern an dem Künstler, der ohne Geschmack und Einbildungskraft sie nicht auszubilden, nicht zu verbinden, nicht zu einem bestimmten Charakter anzuordnen weiß, der arm an Erfindung nur das Gemeine aufstellt, nur wiederholt, was er anderwärts gesehen hat, der nicht das wahre Eigenthum jeder Gattung kennt, noch den Umständen und Situationen ihre Vortheile abzugewinnen versteht.

Das Landhaus oder Wohngebäude muß mit dem Garten ein Verhältniß haben. Sein Charakter für einen Privatmann vom Stande soll in Anmuth, in Zierlichkeit und Feinheit bestehen; *) für einen Bürger in einer bescheidenen Mäßigkeit mit Nettigkeit und Geschmack vereinigt; in beyden darf keine Pracht, keine Ueppigkeit, keine Begierde, mit Reichthum zu schimmern, erscheinen. Die innere Einrichtung ist sowohl von den Bedürfnissen des Besitzers und seiner Familie, als auch von dem Gebrauch abhängig. Wird das Haus das ganze Jahr hindurch bewohnt, so fordert es mehr Bequemlichkeit, als wenn es nur kurzen Besuchen auf einige Wochen oder Tage eröffnet wird. Seine Größe muß sich nicht allein nach dem Charakter seines Bewohners richten, sondern auch zum Theil nach dem Umfang der Besitzung. Nach diesem Unterschiede giebt es manche Abstufungen. Hier sind drey Muster von Landhäusern dieser Klasse, in der Folge, wie sie von dem Kleinern zu dem Größern, oder von dem blos Bequemen und Anständigen zu dem Zierlichen und Edlern hinaufsteigen.

————

*) S. 3ten B. S. 17.

 

56

57

58

 

59 Die kleinern Gartengebäude und einzelnen Lustkabinette, die diese Gattung zuläßt, müssen überhaupt von einer leichten, gefälligen, zierlichen, feinen und geschmackvollen Bauart seyn. Hat der Garten schon ein schönes Landhaus, so darf in seinem Bezirk ein Gebäude, das blos der Verzierung, dem Vergnügen, oder einer besondern gartenmäßigen Bestimmung *) gewidmet ist, durch keine sich erhebende Vorzüge sich auszeichnen. Herrscht aber ein solches Gebäude allein in seinem Umkreis, so mag es auch mehr Größe, mehr anziehende Schönheit annehmen. In kleinern Gärten machen die Gebäude am meisten Eindruck, indem sie sich als wichtige Gegenstände dem Auge weit freyer und geschwinder ankündigen, als unter den mannichfaltigen Naturscenen eines ausgebreiteten Parks; sie reizen gemeiniglich in der Ferne mehr den Blick des Anschauers, als der umliegende Platz. Sie scheinen daher in einem kleinern Bezirk mit einem doppelten Rechte ein zierliches und feines Ansehen zu fordern. Aber ihre Vervielfältigung würde hier die ersten Grundsätze des Geschmacks beleidigen. Das Landhaus oder das Lusthaus muß nicht allein die vortheilhafteste Lage für die Aussicht, sondern auch durch Umkränzung mit Blumen, Rasen und Sträuchern eine genaue Verbindung mit dem Garten haben.

 

 

————

*) S. 3ten B. S. 36–39.

 

60 3.

Zu dieser Gattung können am bequemsten die Blumengärten *) gerechnet werden. Obgleich Gruppen und andere Anordnungen von Blumen in großen Gärten zuweilen als fast unentbehrliche Theile anzusehen, und besonders ein Eigenthum des angenehmen und heitern Charakters sind; **) so werden sie doch da mehr wie Mittel zur Belebung und Verschönerung betrachtet, als Anlagen, die für sich ein Ganzes machen. Auf einen rauhen verwilderten Bezirk kann auf einmal eine geschmückte Blumenflur erscheinen, als ein lebhafter Contrast. Allein die feinern und edlern Töchter der Flora gehören mehr in den geschmückten Theil des Gartens, als in die Wildniß; denn sie fordern mehr das Auge ihres Freundes zum Genuß ihrer Schönheit und seine Hand zu ihrer Pflege. Der Privatmann, der Bürger, der nicht Land genug zu einem ausgedehnten Garten besitzt, belustigt sich daher gern an einem Blumengarten. Diese Gattung begnügt sich nicht allein mit einem geringern Raum; sie schickt sich auch vortrefflich zur Bepflanzung der Plätze in der Nähe um die Wohngebäude her und hinter ihnen. Hier sind Blumengärten nicht mehr besondere Theile, nicht mehr bloße Mittel zur Verschönerung; sie machen vielmehr ein Ganzes, eine eigene für sich bestehende Gattung aus.

Die Bestimmung der Blumengärten ist Belustigung des Auges durch Mannichfaltigkeit und Schönheit der Farben, vereinigt mit der Ergötzung des Geruchs. Daher wird der Besitzer zuvörderst sowohl für die Beständigkeit der Flor, als auch für eine solche Anordnung und Verbindung der Blumengewächse nach Größe und Farbe sorgen, daß dadurch eine anziehende Malerey hervorgebracht werde. Eine abgezirkelte Flur, wo die Blumen nur nach Geschlechtern, nach Arten und Varietäten geordnet sind, ist dieser Wirkung wenig vortheilhaft. Weit mehr günstig ist dazu eine mit kleinen Hügeln und sanften Vertiefungen unterbrochene, sich wellenförmig dahin schmiegende Gegend, und dabey eine Lage gegen das liebliche Licht des Morgens, das den von Thau glänzenden Pflanzen einen neuen Reiz entgegen streut. Neigt sich außerdem der Boden sonst zu einem klaren Wafserstück oder zu einem Bach herab, der zwischen den kleinen Vertiefungen umherirrt, bald ruhig mit dem Bilde der nachbarlichen Blumen dahin gleitet, bald muthwillig zwischen Kieseln umherhüpft, bald in murmelnden Fällen sich jagt, und an seinen Spielen selbst sich zu ergötzen scheint; so wird die Situation frischer, und das Gemälde lebendiger. Noch mehr gewinnt die Scene an Reiz, wenn hin und wieder blühende Sträucher

————

*) S. 1sten B. S. 76. u. s. w.

**) S. 77.

 

61 die Einfassung bilden, oder die kleinen Hügel bekränzen, und in die Malerey der niedrigen Blumenpflanzen mehr Schattirung und Abwechselung mischen. Ihre zufälligen Verschönerungen bestehen in den kleinen eben so flüchtigen als lieblichen Wirkungen, welche die Beleuchtung, besonders das Streiflicht des Morgens und Abends, schenkt; und in den Spielen umhergaukelnder Schmetterlinge, die den Tag über zwischen den farbigten Schönen mit eifersüchtigen Liebkosungen flattern, und erst am Abend die Geliebte wählen, in deren Arm sie unter dem süßen Athmen der Liebe einschlummern, und die Kühle der Nacht bis spät nach dem Aufglimmern der Morgenröthe verträumen. In diesen Scenen mögen die Bilder der Grazien und der Liebesgötter die Dauer süßer Empfindungen unterhalten; ein helles Springwasser mag, ohne gekünstelte Verzierung, die Lebhaftigkeit des Auftritts vergrösfern; überschattete seine Ruheplätze umher, und Lauben von Jasmin und Rosen mögen zum Genuß dieser Wollust oder zum leichten Schlummer einladen, den nichts, als etwa nur das Sumsen der geschäftigen Biene stört. Wie wohl ist dem Empfindenden in diesem Lustrevier! Wie glücklich, indem er hier, zwischen Unschuld und Frieden, seine Sommertage dahin wallen sieht, bald unter weisen Betrachtungen, bald unter holden Empfindungen oder Erinnerungen, womit er sich in die Freuden seiner verblühten Jugend zurückträumt. Harmloser Frühling meiner Tage! Süße Blüthe meines Lebens! Noch rührt mich hier dein immer trüber zurückkommendes Bild, einst die Wonne des Genusses, nun die Wehmuth der Erinnerung! Sanfte vorüberschimmernde Sommertage, da ich als Knabe unter den Blumen meines Vaters spielte, in dem ländlichen friedvollen Thale, nah und fern von ruhigen Wäldern und Höhen umkränzt, zwischen welchen blos ein hervorglänzender See die Dämmerung des weiten Hintergrundes erheiterte! Wie waret ihr damals so schön, sanfte vorüberschimmernde Sommertage! Wie lieblich war es, an jedem Geschäfte im Garten Antheil zu suchen, den Pflanzen in kleinen Eimern Wasser zu bringen, der Nachtigall nachzuflöten, und der glänzenden Abendröthe entgegen zu hüpfen! Kein anderer Schmerz, als wenn mich eine Biene stach, die ich muthwillig von den Blumen jagte, oder ein Dorn im Rosengebüsch verwundete; keine andere Sorge, als für die Verlängerung des Genusses; denn alles war Genuß des Gegenwärtigen, nichts war ruhlose Erwartung von der Zukunft. Ihr Städte, ihr Höfe, ihr Ergötzungen und Unruhen und Geschäfte der großen Welt, was waret ihr damals dem, der, nur von seiner Gespielinn, der ländlichen Freude, begleitet, kein anderes Glück kannte, als ihr zu gehören! – Doch das Leben ist nichts anders, als eine Blumenscene; alles ist in Bewegung, aufzugrünen, zu blühen, zu welken, und wieder aufzusprießen. Auch der spätere Sommer, selbst der Herbst unsers Lebens, 62 haben noch ihre Blumen; sie blühen stärker, sie blühen länger, als die flüchtigen Kinder des Frühlings. Glücklich ist der, welcher in jeder Jahreszeit des Lebens ihre Blumen zu finden weiß! Glücklich der Mann, der, sicher vor den Stürmen der Welt, seinen Abend im ruhigen Blumengarten genießt, und durch Weisheit wieder belebt, was die allmälig verblühende Phantasie welken ließ! –

 

 

Blumengärten machen nicht blos das Vergnügen der Jugend; sie sind auch ein geliebter Aufenthalt der Zärtlichkeit. Personen von einem sanften und milden Charakter, und demnach das andere Geschlecht, pflegen sich am meisten in diesen kleinen Scenen der stillen Schönheit und bescheidenen Anmuth zu unterhalten. Fast nirgends vereinigt die Natur mehr ihre Lieblichkeiten, als hier. Das Reine und Sanfte Einer Farbe, wie in der Hyacinthe, der Balsamine, der Lupine, der Lavatera; ihre feinen Schattirungen, wie in den mannichfaltigen Arten der Nelken; die Mischungen und Verschmelzungen mehrerer milden Farben, wie bey einigen Tulpen; das Süße, das Feine, das Liebkosende, das Erquickende, das Begeisternde des Wohlgeruchs bey so vielen Blumengattungen; alles dieses erzeugt und unterhält die Empfindung des Lieblichen, welche die ganze Seele mit einem Wohlbehagen, mit einer Vergnüglichkeit, mit einer so zauberischen Wollust füllt, daß die Sprache für sie keinen Ausdruck zu haben scheint.

63 Unstreitig kann der Geschmack die holden Wirkungen eines Blumengartens ungemein erhöhen. Blos bunte Scenen, die gewöhnlichsten, sind für das gemeine Auge, das nur geblendet, nur zerstreut seyn will; blos einfärbige Scenen geben bald Langeweile und Ermüdung. Das Malerische allein hat das Vorrecht, zu unterhalten. Dahin gehört zunächst, daß die Ordnung der Pflanzung nicht mehr den Regeln der Symmetrie folge, sondern in Gruppirungen erscheine, und in solchen Zusammensetzungen und Mischungen, woraus eine verständige Malerey der Blumenfarben entspringt. *) – Bey dieser Art von Gemälden kömmt es sowohl auf harmonische Verbindung, als auf Contrast der Farben an. Sehr glücklich verbindet sich das Weiße mit dem Blaßgelben, dieses mit dem Fleischfarbigen, das Rosenfarbige und das Himmelblaue mit dem Weißen, das Dunkelblaue mit dem Purpurfarbigen, das Dunkeltsthe mit dem Braunen, das Brandgelbe mit dem Hochrothen, das Graue mit dem Dunkelblauen. Das Weiße verbindet sich überall, mit dem Gelben, dem Rothen, dem Blauen; es macht Milderungen, die dem Auge so lieblich schmeicheln; dem Hellgelben, dem Fleischfarbigen, dem Rosenfarbigen, dem Hellblauen ist eine überaus einnehmende Sanstheit eigen. Die Mittelfarben machen das Gemälde harmonisch. Zwischen dem Gelben und Rothen steht das Brandgelbe, zwischen dem Rothen und Blauen das Violet, zwischen dem Blauen und Gelben das Grün; diese Farben können in einander gezogen werden, ohne sich zu beleidigen. Die aufsteigende Fortschreitung geht vom Weißen zum Weißgelben, Gelben, Röthlichgelben, Brandgelben, Brandgelbrothen, Rothen, Röthlichblauen, Violetten, Blaurothen, Blauen, Grauen, bis zum ganz Dunklen und Schwärzlichen, das entweder dunkelgelb, oder dunkelroth, oder dunkelblau ist; die herabsteigende vom Blauen zum Grünen, zum Grüngelben, zum Gelben, zum Weißgelben, zum Weißen. Diese natürlichen Fortschreitungen der Farben müssen das Auge des Künstlers in der Malerey seiner Blumenscenen leiten. Eine der vornehmsten Regeln ist diese, daß die hellern Farben voranstehen, und sich dem Auge, das den Umfang eines harmonisch fortgehenden Gemäldes überschauen soll, zunächst zeigen. – Im Contrast steht das Brandgelbe mit dem Weißen, das Purpurfarbige mit dem Hellgrünen, das Hellblaue mit dem Dunkelrothen. Die hellern Farben gewinnen in der Natur und in der Malerey durch die Gegenftellung der dunklen. – Diese Kunst, mit den Farben der blühenden Gewächse interessante Gemälde zu schaffen, eine Kunst, die für das Genie ein neues und weites Feld eröffnet, kann mehr in dem Blumengarten herrschen, als in den Zusammensetzungen der Blüthensträucher. Denn bey diesen machen fast immer die Art ihres Wuchses und ihre Blätter wichtige Eigenschaften, die das Auge an sich reißen; bey den Blumenpflan-

————

*) S. 2ten B. S. 79.

 

64zen hingegen sind es fast nur die Blumen. Sie kommen hier gemeiniglich häufiger, größer und anziehender zum Vorschein, als die Blätter, oder zeigen doch eine reichere Mannichfaltigkeit von Farbenmischungen.

 

 

65 IV.
Landgärten; ländliche Gärten.

Der ländliche Garten ist unter allen Gattungen der einfachste, und am meisten entfernt von Schmuck und Kunst. Er ist indessen doch von den gemeinen Gärten des Landmanns unterschieden, die nichts als Küchengewächse und einige Obstbäume zeigen, und von fruchttragenden Sträuchern umwildert sind. Auch ist der ländliche Garten nicht blos in die Dörfer verwiesen; der Bürger, der ansehnliche Privatmann kann ihn aus Geschmack wählen, und um sein bequemes Wohnhaus anpflanzen.

Seine Lage kann auf einem allmäligen Abhange, in einem gekrümmten Thal, und selbst in der Ebene seyn; sie verlangt keine großen, prächtigen, überraschenden Aussichten. Kleine Erhöhungen umher, wodurch der Prospect ins Weite versperrt wird, ein schattenreicher Wald, eine frische Wiese, ein ruhiges Gewässer, oder ein Fischteich, Viehtristen in der Nähe und selbst in dem Bezirk, scheinen dem Charakter dieser Lage am meisten angemessen; und als zufällige Belebung viel Gesang der Vögel, und in den Tagen des Frühlings das einförmige Getöne des Kukuks und das Gequäk der Frösche.

Die Anlage des ländlichen Gartens, er mag klein seyn, oder sein Bezirk sich etwas erweitern, ist auf Einfachheit und eine angenehme Nachläßigkeit eingeschränket. Er verstattet keine mannichfaltigen und reichen Gegenstände; er liebt die blos einfältigen Scenen der Natur, und er zeigt sie ohne viel Wahl und Anordnung. Seine Pflanzungen bestehen aus gewöhnlichen Bäumen des Landes; er ist zufrieden, wenn sie ihm Schatten und Früchte geben. Man erblicket zwischen Weiden, Linden und Ulmen Aepfel- und Birnbäume; diese wechseln mit Kirschen, Nüssen, Quitten, Mispeln und Pflaumen ab; und findet sich eine hohe Eiche oder eine bejahrte Buche auf dem Platz, so wird ihre wohlthätige Beschattung genutzt, und eine Bank unter ihren Laubdecken aufgestellt. Keine Allee, keine künstliche Anordnung der Bäume; sie erscheinen hin und wieder in freyen Gruppen, bald größer, bald kleiner, bald mehr, bald weniger von einander entfernt. Die Gänge, bequem und rein, winden sich neben diesen Gruppen, und zuweilen zwischen ihren Stämmen durch, und führen hier zu dunkeln Schatten, dort zu einem freyen Platz voll frischen Grases hin. Sie sind bald mit einem Rosengebüsch, bald mit Johannisbeeren, Stachelbeeren, Berberitzen, Hanebutten und andern Sträuchern, die eßbare Früchte tragen, eingefaßt. 66 Zwischen den Bäumen und Gebüschen, an den Gängen und neben den Ruhebänken, die hin und wieder an schattigten Plätzen stehen, erscheinen Pflanzen, die dem Charakter des Ganzen beystimmen, als Märzviolen, Mayblumen, Schlüsselblumen, Marienblümchen mit Krausemünze, Majoran, Thymian, Salvey und Lavendel untermischt. Ein anliegender Grasplatz, worauf einige Kühe umher irren, oder im Winkel die kleinen gelbhaarigten Kinder der Gans sich zu dem Gefieder ihrer Mutter drängen; ein Bach, der vom Springbrunnen, welcher im Vorhof plätschert, abfließt, sich mit mäßigem Geräusch durch die Pflanzung schlängelt, und sich in eine niedrige Wiese, oder in einen von Enten belebten Teich verliert; eine häusliche Familie von Tauben, die zwischen Schwalben, die nahe bey ihnen unter dem Schutz des Gastrechts wohnen, oft den Garten überflattert; in der Ecke einige Bienenkörbe – sind diesem Charakter sehr angemessene Auszierungen.

Keine Pracht, keine Kostbarkeit verträgt sich mit ihm; Nützlichkeit, Bequemlichkeit, Reinlichkeit und eine bescheidene Zierde sind sein Eigenthum. Daher keine Statue, keine Vasen, keine glänzenden Werke der Kunst in einem ländlichen Garten; auch keine edlen, noch weniger prächtigen Gebäude. Ein reicher Pavillon würde hier eben so übel stehen, als eine Grotte oder Einsiedeley. Eine Laube von Ligustrum, von Rosen, oder spanischem Hollunder, Geißblatt und Jasmin geflochten, oder von den Aesten einer Linde gewölbt; ein Waldhaus von Baumrinde zusammengeschlagen und mit Moos überzogen; ein einfaches Bauerhäuschen mit Stroh oder Schilf gedeckt; am Teiche eine Fischerhütte; oder auf einer kleinen Erhöhung ein Sonnenweiser, dies sind allein die Werke der Baukunst, die diese Gattung verträgt. Und doch dürfen hier Gebäude voll Einfalt nur einzeln, niemals zu häufig, erscheinen; denn der Charakter des Ländlichen schließt zugleich eine gewisse Einsamkeit in sich, die durch die Mehrheit dieser Werke verletzt würde. Ruhe, häusliche Eingezogenheit, stille Genügsamkeit, die

im eignen Schatten, durch den West gekühlet,
ihr Leben fühlet, *)

und eine nur von friedsamen Geschäften begleitete Behagung an den einfältigen Reizen der Natur, sind die Vorstellungen und Empfindungen, die der ländliche Garten erregen soll. Er gefällt durch das Sanfte und das Ruhige; seine Eindrücke sind nicht stark, aber einschmeichelnd; sie verschwinden vor einem Herzen, das voll Leidenschaft brennt, das nur nach rauschenden Ergötzungen strebt; aber sie rühren jede Seele, die noch nicht von der Welt verstimmt ward, die noch für das Gefühl des Friedens und

————

*) v. Kleist.

 

67 der Unschuld offen ist. Nur eine solche Seele empfindet ganz diesen sanftrührenden Auftritt an einem heitern Morgen im ländlichen Garten:

Das Bild der Anmuth, die Hausfrau,
In jener Laube von Reben, pflanzt Stauden und Blumen auf Leinwand,
Die Freude lächelt aus ihr; ein Kind, der Grazien Liebling,
Verhindert sie schmeichelnd, am Halse mit zarten Armen ihr hangend;
Ein anderes tändelt im Klee, sinnt nach, und stammelt Gedanken. *)

————

*) Ebenderselbe.

 

 

68 Siebenter Abschnitt.

Gärten, deren Charakter von besondern Bestimmungen abhängig ist.

I.
Volksgärten.
1.

Man wird, bey den Fortschritten der Polizey in den neuern Zeiten, nicht leicht eine beträchtliche Stadt finden, die nicht in ihrem Umkreis, oder in ihrer Nachbarschaft einen Platz des öffentlichen Spazierganges hätte; wenigstens dienen die bepflanzten Zugänge zugleich zu diesem Gebrauch. Eine anfehnliche Stadt muß in ihrem Umfang einen oder mehrere große offene Plätze haben, wo sich das Volk in gewissen Zeitpunkten der Freude oder der Noth versammeln und sich ausbreiten kann, wo eine freye und gesunde Luft athmet, und die Schönheit des Himmels und der Landschaft sich wieder zum Genuß eröffnet. Diese Plätze machen eine vorzügliche Zierde der Städte, wenn sie mit Rasen, mit Springbrunnen, mit Bildsäulen geschmückt, und von Baumpflanzungen und den schönern Gebäuden umkränzt sind. Sie locken den Fremden durch die Heiterkeit ihres Anfehens an, und unterhalten den Spaziergänger in einer gewissen Lebhaftigkeit der Empfindung.

Allein außer diesen Plätzen kann eine weise Polizey bald in dem Bezirk der Stadt, bald nahe vor ihren Thoren besondere Oerter für den Spaziergang des Volks einrichten. Bewegung, Genuß der freyen Luft, Erholung von Geschäften, gesellige Unterhaltung ist die Bestimmung solcher Oerter, und nach dieser Bestimmung muß ihre Einrichtung und Bepflanzung abgemessen seyn. Diese Volksgärten sind, nach vernünftigen Grundsätzen der Polizey, als ein wichtiges Bedürfniß des Stadtbewohners zu betrachten. Denn sie erquicken ihn nicht allein nach der Mühe des Tages mit anmuthigen Bildern und Empfindungen; sie ziehen ihn auch, indem sie ihn auf die Schauplätze der Natur locken, unmerklich von den unedlen und kostbaren Arten der städtischen Zeitverkürzungen ab, und gewöhnen ihn allmälig an das wohlfeile Vergnügen, an die sanftere Geselligkeit, an ein gesprächiges und umgängliches Wesen. Die verschiedenen Stände gewinnen, indem sie sich hier mehr einander nähern, 69 auf der einen Seite an anständiger Sittsamkeit und scheuloser Bescheidenheit, und auf der andern an herablassender Freundlichkeit und mittheilender Gefälligkeit. Alle gelangen hier ungehindert zu ihrem Rechte, sich an der Natur zu freuen.

Die Lage der Volksgärten muß, so viel als möglich, Freyheit der Luft und Heiterkeit der Aussichten haben. Nächstdem ist der Schatten hier in allen Stunden des Tages Bedürfniß, obgleich der Abend am meisten den Bürger zum Spaziergang einladet. Denn diese Oerter müssen zugleich dem Fremden, dem Siechen, dem Brunnentrinker, dem Mann ohne Geschäfte, dem Geselligen, der einen Freund aufsucht, in jeder Stunde offen stehen. Zu der Bepflanzung schicken sich vornehmlich Bäume, die mit der Größe ihres Laubes einen reichen Schatten verbreiten und ein dichtes Obdach wölben. Liegt ein Wald nahe an der Stadt, so ist es leicht, darinn öffentliche Spaziergänge voll Schatten anzuordnen. Die Gänge müssen breit, bequem, vielfältig und ausweichend seyn. Gerade Alleen sind hier nicht allein zuläßig, sondern verdienen selbst einen Vorzug, indem sie die Aufsicht der Polizey, die an solchen Plätzen oft unentbehrlich ist, erleichtern. Die Anordnung ist hier von der besondern Bestimmung des Orts abhängig. Man will sich finden, sich sehen, mit einander umherwandeln, sich unterhalten. Bequeme Gänge in einer geraden Linie stimmen diesen Absichten mehr zu, als lauter schmale sich immer krümmende Pfade. Doch kann ein Volksgarten von einem beträchtlichen Umfang, außer seinen geraden Wegen, auch schlängelnde Gänge in Waldstücken und angelegten Lustgebüschen enthalten, und er bedarf ihrer selbst zur Abwechselung. Die Bequemlichkeit und selbst die Sicherheit erfordert, daß die Wege für Fahrende und Reitende von den Pfaden der Fußgänger abgesondert werden.

Bänke und Ruhesitze müssen nicht blos unter dem Schatten der Gebüsche und Bäume, und an Stellen, wo sich anmuthige Aussichten eröffnen, sondern auch nach dem Verhältniß der Menge der Spaziergänger in der nöthigen Anzahl und in bequemen Entfernungen angelegt werden. Auch grüne schattigte Lauben und bedeckte Schirmhäuser, wohin man bey einem Ueberfall von Regen und Gewitter seine Zuflucht nehmen kann, gehören in die Anlage eines Volksgartens. Gebäude dieser Art müssen abwechselnd an Form, von leichter und einfacher Architektur seyn. Volksgärten bey großen Städten, zumal wenn sie von diesen in einiger Abgelegenheit liegen, erfordern noch Häuser, wo Erfrischungen gereicht werden, und diese können zugleich durch ihre Bauart anmuthige Gegenstände für das Auge werden.

Alles dies gehört mehr zur Bequemlichkeit dieser Gattung. Allein auch Anstalten zum Vergnügen dürfen hier nicht fehlen. Liegt der Garten an einem See, oder strömt ein Fluß oder ein anderes laufendes Gewässer durch seinen Bezirk, so 70 mögen Böte und andere Fahrzeuge zu Lustfahrten und zum Fischfang einladen. Die Musik in einem Gehölz ist nicht wenig reizend, und die zum wollüstigen Gefühl berauschenden Töne des Waldhorns geben einem heitern Sommerabend einen neuen Zauber. Man kann hier Musikhäuser anlegen, deren Architektur zugleich die Scene ziert.

Kostbare Kunstwerke, feine Verzierungen und seltene Gewächse, die Vorsorge erfordern, gehören nicht in Anlagen dieser Klasse. Doch lassen sich hier Werke aufstellen, die nützliche Eindrücke auf die Menge verbreiten. Hier scheint der Ort zu seyn, wo man leicht dem Volk mitten auf den Weg seiner Vergnügungen eine gute Lehre hinstreuen und seine Aufmerksamkeit durch wichtige Erinnerungen anhalten kann. Gebäude mit interessanten Gemälden aus der Geschichte der Nation, Bildsäulen ihrer verstorbenen Wohlthäter, Denkmäler von wichtigen Vorfällen und Begebenheiten mit lehrreichen Inschriften können hier mit Geschmack an schicklichen Plätzen zu sehr vortheilhaften Wirkungen angeordnet werden. Nur keine Urne, noch andere Monumente des Schmerzes gehören in diese Gärten. Jene Gebäude, jene Statuen, Büsten und andere Denkmäler, die das Volk an sein einheimisches Verdienst, an die Wohlthätigkeit seiner Patrioten, an das Glück seiner Nationalbegebenheiten erinnern, sind sie nicht an Würde und Kraft weit mehr, als die Bildsäule eines Faun? Einer der öffentlichen Spaziergänge in Athen war eine bedeckte Säulenlaube, die mit Abbildungen der Thaten der verdientesten Bürger angefüllt war. Wie wenig hat man noch in unsern Zeiten daran gedacht, nach dem Beyspiele der Alten, die fast auf allen Spaziergängen durch Denkmäler der bürgerlichen Tugend zur Tugend ermunterten, die Oerter des öffentlichen Vergnügens mit Werken der Kunst zu zieren, die an das nützliche Verdienst erinnern! Aber auch das schöne Verdienst kann hier seine Monumente fordern. Die Statue, die Büste oder die Denksäule des malenden Dichters, und des dichtenden Malers, des Lehrers der Naturschönheit und ihres Nachbilders sind interessante Vorstellungen in Volksgärten. Wie leicht wäre es, daß jede Stadt an dem Ort ihrer öffentlichen Spaziergänge, dem verdientesten Manne, der in ihrem Schooß geboren ward, oder dessen Talente sie erleuchteten, ein Denkmal setzte, und mit diesem Denkmal ihre Mitbürger erwärmte und ihre Nachkommen unterrichtete! Bey großen Residenzstädten ließe sich selbst eine Art von öffentlichen Nationalgärten anlegen, worinn den Dichtern, den Künstlern, den schönen Geistern, den Philosophen besondere heilige Hayne gewidmet, und diese mit ihren Monumenten in dazu angeordneten Scenen, die ihrem Charakter zustimmten, ausgeschmückt würden. Ein neues und fruchtbares Feld für die patriotische Gartenkunst!

71 2.

So lange indessen die Volksgärten noch nicht ganz die Würde haben, deren sie fähig sind, so lange müssen sie sich mit der Einrichtung begnügen, die ihnen bisher zugetheilet ward. Inzwischen giebt es Anlagen dieser Gattung, die sich durch Bequemlichkeit, Anmuth, und reiche Schönheiten der Natur auszeichnen. Die öffentlichen Spaziergänge zu London und Paris sind berühmt genug, obgleich keine Muster. Auch Deutschland hat bey seinen ansehnlichsten Städten Gärten dieser Art, die eine Empfehlung verdienen.

Der Prater bey Wien liegt eine Viertelstunde vom Stadtthor auf einer grossen Insel der Donau und erstreckt sich auf eine halbe Meile. Er ist mit dicken Waldungen bewachsen, die mit grünenden Auen und Wiesen untermengt sind. Eine vierfach gepflanzte Reihe Kastanienbäume vermehrt die ungekünstelte Anmuth dieser Insel. Sie stand vormals nur den Kutschen des Adels offen; allein Josephs edle Menschenliebe eröffnete hier allen Menschen, Gehenden, Reitenden und Fahrenden, den Eingang. Sogleich wurden die Auen mit Zelten, Hütten, Sommerhäusern zu Erfrischungen, Ringelrennen, Kegelschieben und andern Ergötzungen besäet. Diese Hütten und Sommerhäuser im Walde verschönerten sich bey dem Zulauf der Menschen von Jahr zu Jahr. Auch fehlt es nicht an Musik.

Ein anderer Volksgarten bey Wien ist der Augarten auf der Donaninsel, welche die Leopoldsstadt einnimmt. Er war ehemals der Garten des kaiserlichen Sommerpalastes, die alte Favorite genannt, der 1683 von den Türken verwüstet ward. Von der Zeit an diente der Garten zu einem öffentlichen Spaziergange, ward aber ganz vernachläßigt. Endlich übernahm der Kaiser Joseph selbst die Verschönerung des Platzes. Er ließ ihn erweitern, mit neuen Alleen von verschiedenen Arten von Bäumen und nach verschiedenen Richtungen bepflanzen, Terrassen zum Genuß der reizenden Aussichten der umliegenden Gegenden anlegen, Gebäude aufführen, besonders ein schönes Landhaus, das viele Zimmer enthält, und nicht nur zum Spiel und Tanz, sondern auch zum Speisen Mittags und Abends eingerichtet ist. Dieser Belustigungsort, der halb eine angenehme Wildniß der Natur und halb gartenmäßig eingerichtet ist, und hinten von der prächtigen Donau bespült wird, ward ebenfalls, sobald er verbessert war, vom Kaiser 1775 für alle Menschen ohne Unterschied des Standes eröffnet. Die Inschrift bey dem Eingang: Belustigungsort für alle Menschen, gewidmet von ihrem Freund, kündigt es an, und ist zugleich ein Denkmal der Gute des Stifters. Seitdem ist der Augarten, wo den ganzen Tag eine Menge von Spazierenden wimmelt, auf mancherley Art verschönert. Der menschenfreundliche Kaiser steht hier und im Prater oft mitten unter seinem Volke, ohne Gefolge, 72 blos von der Liebe seiner Unterthanen umgeben, und sieht mit edler theilnehmender Empfindung, wie sie sich frey in große und kleine Haufen zerstreuen, doch alle vereint in der Freude über ihren Wohlthäter, der, gleich dem allbelebenden Geiste der Natur, mit freundlicher Wärme über sie hinstrahlt.

Berlin hat verschiedene anmuthige öffentliche Spaziergänge *) sowohl in der Stadt selbst, als auch nahe vor dem Thore. Viele Plätze sind mit Alleen bepflanzt. Der Wald nach Treptow hat die schönsten Spazierwege. Die Kastanienallee im Lustgarten ist ein angenehmer Abendspaziergang. Der Weidendamm, der mit ungewöhnlich hohen und starken Weidenbäumen bepflanzt ist, gewinnt, ob er gleich mitten in der Stadt liegt, durch die Aussicht auf Gärten und Wiesen und die mit Schiffen belebte Spree ein reizendes Ansehen. Vornehmlich aber ist der königliche Thiergarten oder Park hier merkwürdig. Seine verbesserte Anlage und größte Schönheit verdankt er dem jetzt regierenden König, der ihn mit vielen Baumpflanzungen, Spaziergängen und Lustplätzen erweitern ließ. Dieser große Park enthält einige hundert Alleen, die sich auf eine mannichfaltige Art durchkreuzen und durchschlängeln, und eine reizende Mannichfaltigkeit von Bäumen und Sträuchern, die glücklich mit einander vermischt sind, und eine Menge angenehmer Parthien bilden, die den Spazierenden, der sie alle aufsuchen will, einige Wochen beschäftigen können. In den breiten Alleen darf man fahren und reiten; die schmalen aber sind blos zum Gehen. Auf der Seite nach der Spree ist den ganzen Sommer eine Anzahl von Zelten und Hütten aufgeschlagen, worinn Erfrischungen verkauft werden. An schönen Sommernachmittagen, besonders an Sonntagen und Feyertagen, pflegen sich hier einige tausend Spazierende zu Fuß, zu Pferde und im Wagen zu versammeln, und alsdann wird oft durch die Musik der in Berlin in Garnison liegenden Regimenter, die in die Gebüsche vertheilt wird, das Vergnügen der Menge erhöht.

Die öffentlichen Spaziergänge der Aue zu Cassel sind von einem sehr ansehnlichen Umfang nicht blos für Gehende, sondern auch für Fahrende und Reitende. Die Pflanzung, die schon im Anfange dieses Jahrhunderts mit damals bereits erwachsenen Stämmen angelegt ward, besteht aus großen herrlichen Bäumen, die hoch und schattenreich in ihrer natürlichen Freyheit wachsen, und den Anblick prächtiger Waldscenen bilden, in welchen die langen geraden Alleen fortlaufen. Zwischen diesen sind Hecken angelegt, die meistens in ihrem innern Bezirk mit Bäumen dicht angefüllt sind, welche aus ihnen emporsteigen und die Schatten umher verstärken. Neben den

————

*) Man sehe Hrn. Nicolai musterhafte Beschreibung der königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam. Neue Aufl. 8. Berlin 1779. 2ter B. S. 708. u. s. w.

 

73 Alleen und in den Heckengängen vermehren viele Rasen den Reichthum des Grüns, der, mit der Weitläuftigkeit des Ganzen und den Abwechselungen der Wege, diesen Ort sehr reizend macht. Ein Hirschgarten, eine Fasanerie und eine Menagerie, die vormals viele ausländische seltene Thiere enthielt, gränzen an die Aue und vermehren ihre Annehmlichkeit, so wie die an der Seite sanft vorbey gleitende Fulde. Doch ist der Geschmack der Zeit, worinn dieser öffentliche Garten angelegt ward, noch überall sichtbar. Denn nicht allein das Ganze der Pflanzung und der Wege ist nach einer genauen Symmetrie angeordnet, wiewohl diese hier nicht ganz unzuläßig ist; *) sondern auch die Auszierung ist in der vormaligen Manier. Man sieht noch Schneckenberge, ein Theater, einen Irrgarten, Bassins von regulairer Figur, und in einem derselben eine Insel, die wie ein Wall gebildet ist, Kugelbäume und Tannen in Pyramiden umgeformt, geschorne Heckenwände von Tannen, und am Ende der Aue die sogenannten sieben Berge, die ganz das Ansehen einer Festung haben. Um das obere Bassin wechseln pyramidenförmig geschnittene Tannen mit freyen natürlichen Stämmen dieser Gattung; sie hatten vormals alle die verkünstelte Form; das Beschneiden machte aber so viel Mühe, daß man aus Verdruß darüber einen Baum um den andern wieder nach seiner Natur wachsen ließ. Vielleicht gewinnen, aus eben dieser Mühseligkeit der alten widernatürlichen Manier, auch die noch übrigen in Pyramiden verkünstelten Bäume ihre schöne Waldgestalt wieder. – Alle die widrigen Eindrücke dieser Verkünstelung abgerechnet, ist die Aue doch immer, wegen der hohen waldigten Laubbäume, des vielen Grüns und der reichen Beschattungen, ein sehr angenehmer Ort. Einige ziemlich natürliche Bogengänge, die auch zum Durchfahren dienen, geben reizende Durchsichten. Das Orangeriehaus, das in einem edlen italiänischen Geschmack mit einem flachen Dach gebauet ist, und dessen beyde Flügel oder Seitenpavillons einige Monate des Sommers von dem Landgrafen und seiner Gemahlinn bewohnet werden, fällt in verschiedenen Gesichtspunkten vortheilhaft ins Auge; auch eröffnen sich von diesem Gebäude in die Alleen hinauf Prospecte voll hoher Anmuth. Es gehört überhaupt zu den prächtigen Werken, wodurch der Landgraf Carl seinen Namen zu verewigen suchte, ob es gleich nur erst ein Theil von dem großen Plan ist, der hier ausgeführt werden sollte, und wovon das Modelhaus zu Cassel eine Vorstellung zeigt. Vor und hinter dem Orangeriehause sind kleine Gärten oder gartenmäßig verzierte Plätze, mit der ausgestellten zahlreichen

————

*) S. 1sten B. S. 141.

 

74 und schönen Orangerie. Die Anlage der Aue ist verschiedener Veränderungen und Verschönerungen werth. *)

Der Charakter der Aussichten bey Volksgärten ist indessen nach der Verschiedenheit der Lage sehr abwechselnd. Bey Landstädten sind es gewöhnlich Wiesen, Wälder und Kornfluren, die das Auge unterhalten; bey Seestädten Prospecte auf die Pracht des Meeres und auf das geschäftige Gewühl schiffreicher Häfen; bey Bergstädten die Erhabenheit der Gebirge, das Getöse der Ströme und die Wildheit der Wasserfälle. Manche befestigte Städte haben ihre Wälle mit Vortheil in bepflanzte Spaziergänge verwandelt. In Hannover werden jetzt die Wälle mit vielen Kosten abgetragen, und die geebneten Plätze mit vortrefflichen Platanen, zum öffentlichen Spaziergang unter den schönen Aussichten in die umliegenden Landschaften, bepflanzt. Dennoch hat die Stadt, außer den königlichen Gärten, vor dem neuen Thore eine Allee von Birken und andern Waldbäumen mit untergemischten Maulbeerbäumen, die in ein überaus anmuthiges schattenreiches Lustgebüsch mit schlängelnden Gängen führt.

II.
Gärten bey Akademien.
1.

Die Musen lieben nicht finstre bestäubte Mauern, sondern heitere Höhen mit schattenreichen Haynen, mit klaren Quellen und Blumen. Der Helikon, ihre vormalige Wohnung, war einer der fruchtbarsten und waldigsten Berge in Griechenland. Ihn verschönerte die Frucht des Adrachnus, einer Art von Erdbeerbaum (Arbutus), die außerordentlich süß und heilsam war, und selbst das Gift der Schlangen weniger schädlich machen sollte. Der Berg näherte sich gegen Norden dem Parnaß, wo er Phocis berührte, und kam seinem Nachbar an Höhe, Umfang und Größe gleich. Die Beherrscherinnen des Helikons waren die Musen. Hier war ihr schattigter Hayn mit ihren Bildnissen und den Statuen des Apoll, Bacchus, Linus und Orpheus und der berühmten Dichter. Die Thäler des Helikons sind nach Whelers Beschreibung grün und beblümt, und werden von liebli-

————

*) Man hat von dem Prater und Augarten, von dem berliner Thiergarten und von der Aue verschiedene Grundrisse und Prospecte, deren Anführung hier unnöthig scheint, da sie, wegen der gewöhnlichen Veränderungen solcher Anlagen, bald unbrauchbar oder durch neuere Vorstellungen verdrängt werden.

 

75chen Quellen, von klaren Bächen und kleinen Wasserfällen belebt. Der Geschmack der Griechen war heiter und rein, wie die Luft um die Wohnung ihrer Musen.

Unstreitig gewinnen die Geschäfte des Geistes einen geschwindern und glücklichern Fortgang, wenn wir von Gegenständen umgeben sind, die ihrer Natur nach sanfte und angenehme Eindrücke auf uns machen. Die Schönheit und Heiterkeit einer Gegend schmeichelt nicht blos dem äußern Sinn, sie erwärmet nicht blos unsere Lebensgeister zu einer schnellern Bewegung; sie belebt auch die Einbildungskraft mit frischen Bildern, und erhöhet durch die Anmuthigkeit, die sie in den innern Sinn ergießt, zugleich die ganze Thätigkeit des Geistes. Wir fühlen es bald, wie aufgeweckt und heiter der Kopf ist, wenn wir uns in einer schönen Gegend oder im Garten eine frohe Bewegung gemacht, und dann zur Arbeit zurückkehren. Der Dichter, der Redner, der Schriftsteller, der Künstler müssen aus der reinen Quelle der Natur ihre Bilder schöpfen; sie müssen demnach sehr früh Gelegenheit haben, sie zu finden. Die Anmuthigkeit des Geistes, die von dem Genuß der schönen Natur eingeflößt wird, macht überall unser Glück im Privatleben und am Hofe, in der Familie und in der großen Gesellschaft. Die Stadt verwöhnt und verunstaltet so leicht den Geschmack der Jugend; das Land, der Garten giebt zu seiner Bildung nicht blos Reiz, sondern auch Anleitung. Die reinsten und edelsten Vergnügungen gewährt immer die Natur; wer sie in ihrem Schooß zu finden sich gewöhnt, der hat eine reiche Quelle angenehmer Empfindungen, die ihm das ganze Leben hinab nachfließt.

Sehr viel ist an den Umständen gelegen, unter welchen die erste Bildung des Menschen angefangen wird. Die ganze Stimmung unserer Empfindungskraft hängt meist von den ersten Eindrücken ab, die unsere Jugend empfängt; diese setzen uns fast immer in einen Ton, der uns durch das ganze Leben nicht verläßt. Junge Seelen, denen früh ein Gefühl der Reinlichkeit, der Harmonie, der Annehmlichkeit eingeflößt wird, werden dies Gefühl nicht leicht verlieren; es wird in ihre Urtheile, in ihre Handlungen übergehen, sie überall begleiten. Die Versperrung, die Unreinlichkeit, die Rauhigkeit, das geschmacklose Ansehen, das fast in allen Schulen volkreicher Städte herrscht, müssen sehr natürlich die Seelen der Jugend, die darinn verschlossen ist, erniedrigen, und sie allmälig gegen die feinern Eindrücke der Schönheit in den Werken der Natur und der Kunst unempfindlich machen. Daher so viel Stumpfheit, Geschmacklosigkeit, und niedrige Plumpheit in den Sitten junger Leute, welche die Schulen verlassen. Einrichtungen, welche Begriffe und Empfindungen von Ordnung, von Schicklichkeit, von Schönheit verbreiten, Gebäude und Gartenanlagen, die dazu beytragen, sind demnach bey Erziehungsanstalten nicht weniger nothwendig, als gute Lehrer. Wie selten ist noch wohl hieran gedacht Die Ge76bäude, zum öffentlichen Unterricht der Jugend bestimmt, sind fast überall noch unförmliche, finstere, schmutzige Steinmassen, die einem Kerker ähnlich sehen, und wenn sie noch einen Platz um sich her haben, so ist er gemeiniglich so versperrt, wie das Gebäude selbst, so dumpfigt, so öde und verlassen, daß er nicht die mindeste angenehme Empfindung veranlaßt. England hat noch von dieser Seite einen Vorzug. Bey verschiedenen Collegien der Universitäten zu Oxford und Cambridge sind angenehme Gärten. Auch die Universität zu Dublin hat einen Park zur Erholung des Geistes der jungen Leute, nachdem sie sich beym Studiren ermüdet haben. Er übertrifft nicht nur an Umfang, sondern auch an ländlicher Schönheit viele öffentliche Gärten. Die Collegiaten haben hier auch einen gut angelegten Garten, wo sie, von dem großen Haufen abgesondert, in der Einsamkeit zwischen stillen Haynen die Wahrheit suchen. Bey der neuen Militairakademie zu Stuttgard hat man den Anfang eines besondern akademischen Gartens gemacht, obgleich der Platz etwas eingeschränkt ist. Der junge Akademiker hat hier nicht allein seinen Spaziergang, sondern auch Stellen, die er nach seiner Willkühr bepflanzen kann; nächstdem findet man Wasserstücke, wo unter Aufsicht gebadet wird. Viele Universitäten in Deutschland haben öffentliche Spaziergänge; sie sind aber von besondern akademischen Gärten noch sehr entfernt.

2.

Akademien (das Wort hier in der weitern Bedeutung genommen) oder Oerter, wo die edlere Jugend des Staats für die Wissenschaften, für die Künste, und den öffentlichen Dienst des Vaterlandes gebildet wird, verlangen nicht blos eine gesunde, sondern auch eine angenehme und ruhige Lage. Bey den meisten Arten dieser Anstalten sind mittelmäßige Landstädte den Residenzörtern und volkreichen Handelsstädten vorzuziehen; und bey jenen ist auch eine ländliche, anmuthige und stille Gegend leichter, als bey diesen, aufzufinden. Die Gebäude sollten, bey der Einrichtung, die ihre Bestimmung fordert, zugleich das Gepräge einer reinen Architektur und einer edlen Simplicität tragen; ihr Ansehen sollte heiter und anmuthig seyn. Die Lage zwischen angenehmen Höhen und Wäldern ist sehr vortheilhaft; jene locken zum gesunden Steigen und zum Genuß belebender Aussichten, diese erfrischen mit Schatten und Ruhe. Die Bepflanzung des Gartens selbst muß heiter und fröhlich seyn. Wohlgeordnete Gruppen und Hayne von schönen Baumarten und duftenden Sträuchern, mit vielen Blumenpflanzen untermischt, bieten hier ihren Reiz an. Diese Hayne können bald dem Apoll, bald den Musen, bald der Hebe, bald der Göttinn der Freude gewidmet, charakteristisch angeordnet und mit den Statuen oder Büsten dieser Gottheiten geschmückt werden. Eine ausgesuchte Gartenbibliothek, eine 77 Sammlung von Naturalien, von Steinarten, von getrockneten Pflanzen können besondere Lustkabinette füllen, und diese anmuthig zwischen Baumgruppen zerstreut werden. Die Wissenschaften, oder die Männer, die sich um sie verdient gemacht, können hier ihre Tempel mit allegorischen Verzierungen, oder Monumente mit kurzen Inschriften finden. Die berühmtesten Philosophen und Dichter, sowohl des Alterthums als der neuern Zeiten, können hier ihnen besonders gewidmete Häuser haben, worinn ihre Schriften sich neben ihren Bildnissen befinden. Man kann hier mit Geschmack, immer der Bestimmung eines solchen Gartens gemäß, durch mancherley Arten der Denkmäler unterrichten oder erinnern. Einsame Lauben können hie und da den Freund der Lectüre in ihre Schatten einladen. Doch das Ganze muß Heiterkeit und Fröhlichkeit durchscheinen lassen. Daher viel offene und freye Plätze, viel helles Laub, viel glänzende Blumen, viel grüne Rasen und luftige Pflanzungen, Bäche und Wassergüsse, wo die Gegend sie verstattet; keine Versperrung der frischen Luft und der Aussichten. Die Anordnung des Ganzen muß frey, natürlich, und mit einer edlen Simplicität entworfen seyn, und in der Ausbildung Geschmack und Feinheit herrschen. Aber kein leerer Schimmer, keine kostbaren Verzierungen dürfen das Auge blenden.

Neben diesen Verschönerungen kann der akademische Garten auch Plätze enthalten, die zunächst der wissenschaftlichen Kenntniß der Pflanzen gewidmet sind. Denn die Pflanzenkenntniß ist jedem Erdbürger nützlich, und dem Adel, der Güter besitzt, und dem künftigen Landwirth unentbehrlich. Sie beschäftigt auf einsamen Spaziergängen und auf Reisen, und macht uns jedes Feld, jeden Wald durch die Bekanntschaft, die wir da finden, interessant; ohne sie bleibt uns ein großer Theil unserer Schöpfung fremd. Die Ordnung der Gewächse kann dem System folgen; sie erleichtert die Uebersicht des Ganzen und das Studium des Einzelnen. Das Nützliche muß vor dem blos Seltenen, das Einheimische vor dem Ausländischen den Vorrang haben; doch, wo Raum und Vermögen es verstatten, darf auch das Seltene und das Ausländische nicht ausgeschlossen werden. Nur das Unnöthige und das Gemeine ist zu verbannen. Eine vernünftige Auswahl der Pflanzen ist unentbehrlich. Der Jüngling muß nicht blos die Gewächse nach ihren Geschlechten und Arten, nicht blos nach den Ordnungen des Lehrgebäudes kennen lernen, sondern auch vornehmlich nach ihrem verschiedenen Nutzen. Er muß lernen, wie dieser schon so vervielfältigte Nutzen für den Hausstand, für die Manufakturen, für den Handel noch erweitert werden kann. Wie unzählig sind nicht die Verbindungen, worinn die Pflanzen mit dem bürgerlichen Leben stehen! Die Schätze des Pflanzenreichs sind die erste Unter78haltung und Bereicherung des Staats; der Fürst, der Minister, der ihnen seine Aufmerksamkeit entzieht, verliert Vortheile von der größten Wichtigkeit.

In Gärten von dieser Bestimmung kann auch die nutzbare Gärtnerey gelehrt werden. Die künstliche Behandlung der Pflanzen, besonders die Cultur der Fruchtbäume, giebt eine anziehende Unterhaltung für die Jugend, und dieser Zweig von Kenntniß ist oft für das künftige Leben nützlich. Es ist eine Erholung von ernsthaften Studien, wobey man wenigstens nichts wagt, und der Gewinn doch nicht ganz unbeträchtlich ist.

In den abgelegenen Gegenden eines akademischen Gartens können auch Wasserbehältnisse zum Baden, Reitbahnen, Plätze zu mancherley Spielen und Leibesübungen angelegt, anmuthig umpflanzt und beschattet, und mit Geschmack verziert werden. Die besondere Bestimmung einer jeden Erziehungsanstalt veranlaßt sehr leicht neue Ideen sowohl zur Einrichtung des Ganzen, als auch zur Auszierung einzelner Theile.

III.
Gärten bey Klöstern; Klostergärten.
1.

Mag es doch seyn, daß das Klosterleben, in der allmäligen Entfernung von der Güte seiner ersten Stiftungen, Misbrauch ward – daß es dem Staat eine Menge sowohl von Schätzen als von Menschen entzog, die er jetzt mit Recht zum nützlichern Gebrauch zurückfordert – daß es unwissende Müßiggänger sammelte und nährte – daß es das Brod des armen Landmanns verringerte, den Wohlstand frommer Familien verschlang, und die unerfahrne Jugend um die Ruhe des Lebens betrog – Mag es seyn, daß Völlerey, Unzucht und Gewaltthätigkeit oft die Heiligkeit der Klöster befleckte; daß oft die Zellen, worinn freywillige Andacht sich dem Himmel nähern sollte, nur die geheimen Seufzer hörten, die sich nach der Welt zurück sehnten; daß selbst mitten unter dem Pomp des feyerlichen Opfers die Thränen der Unglücklichen den Zwang, die Verführung, die Härte, die sie litten, und die Unauflöslichkeit ihrer Fesseln vor den Altären anklagten; daß von Tausenden Jugend, Gesundheit, Reichthum, Talente, Kräfte und eine erstickte Nachkommenschaft zwischen diesen finstern Mauern verschlungen wurden. Dennoch haben die Klöster ihre unläugbaren Verdienste. *) Sie waren nicht minder Wohnungen einer wahren

————

*) S. 1sten B. S. 27. 3ten B. S. 98.

 

79 Frömmigkeit; die Zufluchtsstätte der verfolgten Unschuld und der verlassenen Tugend. Sie schenkten vielen gedrückten Seelen den Frieden, den sie in der Welt nicht fanden, dem Streit der Leidenschaften Besänftigung, den Erwartungen aus der Zukunft Heiterkeit. Die Wohlthätigkeit, welche die Klöster erhielt, theilte sich nicht selten den Armen und Kranken auch außer ihren Mauern wieder mit, durch Nahrung, durch Arzeney und Pflege. In diese Wohnungen rettete sich der kleine Rest der von den Barbaren verfolgten Wissenschaften, und in eben den finstern Sälen, wo der Aberglaube und die Dummheit allein ihre ungestörte Freystatt zu haben schienen, ruheten in ungelesenen, aber wohl verwahrten Handschriften die Werke des Alterthums, bis sie aus ihrem Staube hervorgezogen wurden, und in Europa allmälig wieder Tag machten.

Die Menge der Klöster der römischen Kirche mag nicht weniger, als ihre Ausartung, hie und da ihre Aufhebung und Einschränkung nothwendig machen. Dennoch scheint es, daß in einem beträchtlichen Staat noch hie und da einzelne Stiftungen dieser Art beybehalten werden sollten. Es giebt doch so manche Unglückliche besonders unter dem andern Geschlecht, die einen Anspruch auf einen solchen sichern Zufluchtsort haben, wo sie, verborgen vor dem Auge und dem Lärm der Welt, den Rest ihrer Tage zu verleben wünschen. Wie viel hat nicht das Leben, das zu diesem Wunsch berechtigt! Ein kränkelnder oder abgehärmter Körper, eine Verarmung oder Herabsetzung der Familie, eine verunglückte Liebe, eine zerschlagene Hoffnung, die keine Ermannung zu einer neuen übrig läßt, ein schmerzhafter Verlust von einem Geliebten und von Kindern, oder eine besondere Anhänglichkeit an einer sanften Melancholie, eine Sehnsucht nach Ruhe am Abend des Lebens, eine Stimmung der Seele, die keinen Geschmack mehr an dem Umgang mit der Welt, keine Kraft mehr für ihre Geschäfte finden kann, – alle diese Siechen, diese Verwundeten, diese Verstimmten scheinen mit Recht das Kloster als den letzten Ruheplatz, der ihnen gehört, betrachten zu können. Allein auch für die Wissenschaften könnten die Klöster noch hin und wieder trefflich eingerichtet werden, wenn man sie blos mit guten Köpfen besetzte, und ihnen bestimmte Beschäftigungen mit den dazu erforderlichen Hülfsmitteln anwiese. Die Entfernung von allen übrigen Geschäften und Verbindungen mit der Welt, die Befreyung von aller Sorge für die Bedürfnisse des Körpers, die Genügsamkeit der Seele, die ruhige Einsamkeit, die gesunde Luft – wie vieles ist nicht hier zur Unterstützung des Nachdenkens und der Erfindung vereinigt! – Die protestantischen Klöster und Stifter für Frauenzimmer von Adel haben eine gute Bestimmung, und meistens auch eine gute Einrichtung. Sie sind Anstalten einer anständigen Versorgung, und erleichtern die Last der Familien; sie fesseln nicht durch 80 unüberlegte Gelübde einer ewigen Ehelosigkeit, sie bewachen nur die Unschuld, und geben die verwahrte Braut wieder zurück, sobald sie gefordert wird.

Es kann demnach bey diesen verschiedenen Klöstern auch besondere Gärten geben. Sie sind überhaupt mit der Idee eines Klosters sehr vereinbar. Sowohl die Einsamkeit, als auch die Frömmigkeit selbst laden zur Betrachtung der Natur und zur stillen Behagung an den Wundern ein, die den Geist zu dem Schöpfer emporheben. Selten ist ein Kloster ohne Garten; aber auch selten hat der Garten einen Charakter, wie seine Verbindung mit einem Kloster fordert. Fast alle Gärten bey solchen Stiftungen enthalten nur, was ihre nächsten Bedürfnisse fordern, Gemüse, oder Baumfrüchte, oder Wein. Einige Klöster lassen ihre Mönche in kleinen abgesonderten Häusern wohnen, wovon jeder sein Gärtchen hat, das von seinem Besitzer bearbeitet und bepflanzet wird, fast immer mit Küchengewächsen; bey diesen ist ohnehin der Platz zu eingeschränkt. Sie sind eben so wenig Klostergärten, wie wir sie hier suchen.

2.

Gärten bey Klöstern, die nicht dem Nutzbaren gewidmet sind, verlangen ihren eigenen Charakter; und dieser ist sowohl von der Bestimmung des Gebäudes, als auch von der Lebensart seiner Bewohner abhängig. Es wäre kein Werk der Ueberlegung, hier prächtige, glänzende oder wollüstige Scenen zu eröffnen, die für die, welche sie betreten sollen, der gewöhnlichen Stimmung ihrer Seele ganz widersprechen. Eingezogenheit, Ernst, Verläugnung, in sich selbst gekehrte Betrachtung sind das Eigenthum des ächten Klosterbewohners; sie ruhen bey ihm in der tiefen Stille seiner Zelle, sie folgen ihm nach, wenn er vom Fuß seines Altars sich erhebt und hinauswandelt, sein noch von Bußthränen nasses Auge in dem Angesicht der Natur wieder zu trocknen. Doch die Natur scheint ihm weniger, was sie andern Bürgern der Erde ist, und gleichwohl ist sie ihm mehr. Er sieht nicht in ihr den Strom von sinnlichen Freuden, worinn sich die Phantasie berauscht; aber er verwandelt den stillen Wald in einen Tempel der Gottheit, in einen Vorhof des Himmels. Die Rose ist ihm kein Schmuck für die Scheitel der Freude, oder für den Busen der Schönheit; sie entblättert sich vor ihm, fällt und welket dahin, nur ein Bild seiner eigenen Vergänglichkeit.

Der Klostergarten gehört zu der Gattung vom melancholischen Charakter. *) Entfernung von dem Getümmel der Welt, Verschlossenheit, feyerliche Stille, und zu ernsten Betrachtungen einladende Dunkelheit müssen ihn auszeichnen. Gleich beym Eintritt kündige sich dieser Charakter an, und empfange die Seele mit einem

————

*) S. 4ten B. S. 81 u. s. w.

 

81 heiligen Schauer. Eine Lage in einem buschvollen Thal von anliegenden steilen Höhen beschattet, in dem Dunkel eines dicken Waldes, zwischen Bergen von Tannen geschwärzt, an ruhenden mit Gebüschen eingeschlossenen Gewässern, die kein Hauch der Winde belebt, wo der blasse Schimmer des Mondes in feyerlicher Stille zerfließt, und die nahen Bäume und Gebüsche durch die Mischung von Finsterniß und Helle in unkennbare schauervolle Gestalten wandelt – eine solche Lage ist zu dieser Gattung unentbehrlich. Die Bepflanzung muß in dichten Haynen, gedrängten Klumpen und waldigten Wildnissen bestehen, mit Bäumen vom dunkeln und schwärzlichen Grün, als der gemeinen Eller, der schwarzen Eiche, besonders mit Taxus, abendländischen Lebensbäumen (Thuia occident. L.) Fichten, Tannen, und andern Nadelhölzern. Die Pflanzungen müssen sich nahe an einander anschließen, um keine beträchtliche heitere Zwischenräume zu lassen, die dem Eindruck des Ganzen schaden könnten, und um Schatten und Dunkelheit zu verstärken. Hohe bejahrte Eichen und andere ausgebreitete Waldbäume, die schon die Vorwelt beschatteten, sind für Anlagen dieser Art eben so willkommen, als dichte, waldigte, unwegsame Gebüsche und Wildnisse; sie können zu interessanten Scenen mit der besten Wirkung benutzt werden. Keine glänzende Blumengruppen, keine lebhaft blühende Sträucher, keine lachende Rasen, keine spielende Bäche, keine heitere Aussichten dürfen hier den Ernst der Pflanzung unterbrechen. Sie mag sich in gebildeten finstern Gruppen und melancholischen Haynen zeigen, oder in schmalen wilden Waldlabyrinthen von überhängenden Laubdecken verdüstert, oder in langen schauerlichen Bogengängen, welche die Roßkastanie und die Fichte, die Balsampappel und der Eibenbaum mit einem tiefen Dunkel füllen, oder in verborgenen Schattenwinkeln, die heilige Monumente einschließen – überall muß sie dem Charakter getreu bleiben, den diese Gattung heischt. Die Hayne, die Gruppen, die Schattengänge können mit kleinen Gebethäusern und Kapellen, *) mit Einsiedeleyen, **) mit Denkmälern abgeschiedener Freunde, ***) mit Ruinen, †) und selbst mit Gräbern besetzt werden, und dadurch an Feyerlichkeit und rührender Kraft gewinnen. Alles, was die Vergänglichkeit der Scenen dieser Welt fühlen läßt, und zugleich den Geist zu höhern Hoffnungen eines unverwelklichen Paradieses hebt, ist dieser Gattung gemäß. Noch interessanter werden die Denkmäler, wenn sie keine leere Urnen ohne Bestimmung sind, so ge-

————

*) S. 3ten B. S. 108 u. f.

**) S. 96 u. f.

***) S. 55-57. 80. 139 u. f.

†) S. 110 u. f.

 

82wöhnlich es auch ist, sie aufzustellen, sondern Erinnerungen an einen wahren Verlust. Kann hier nicht einem abgestorbenen frommen Freund eine Urne, ein Grabmal gesetzt werden, das seine Asche enthält? Wenn die Stille des Abends in den heiligen Hayn winkt, und der Mond, der an dem Grabe schleicht, mit seiner bleichen Fackel diese Inschrift an einer nahen Eiche erhellt:

Mein Freund ist hin!
Sein Schatten schwebt mir noch vor dem verwirrten Sinn.
Mich deucht, ich seh sein Bild, ich höre seine Worte;
Ihn aber hält am ernsten Orte,
Die nichts zurücke läßt,
Die Ewigkeit mit starken Armen fest. *)

wie reich an feyerlicher Rührung ist nicht eine solche Scene! Auch Erinnerungen an die Flucht der Zeit sind hier schicklich. Eine kleine Einsiedeley, blos mit einem Stundenglas auf dem Tische, und hinter ihm mit diesen Worten an der Wand:

En ruit hora, ruit sic vita ruentibus horis;
Sors, quamcunque dabit, non mihi vana ruat.

kann schon lehrreich rühren. Man möchte vielleicht Einsiedeleyen hier fast für überflüßig halten, weil schon das Hauptgebäude, die ganze Lebensart einsiedlerisch genug ist; indessen haben sie doch in Klostergärten eine Schicklichkeit, die ihnen an vielen andern Orten fehlt, und können, wenn sie auch nicht zur Bewohnung dienen, doch als Gegenstände der Bezeichnung gelten, welche die Wirkung des Ganzen verstärken helfen. Doch dürfen sie weder einander durch ihre Lage berühren, noch in einem einzelnen Garten gehäuft werden, indem sie sonst den Begriff der Einsamkeit durch die Vorstellung von Geselligkeit aufheben würden. Zerbrochene Grabsteine, verfallenes Gemäuer von Epheu durchwachsen, und andere Arten von Ruinen finden hier, als Bilder der Vergänglichkeit, ihre Stelle. Die Gebäude eines Klostergartens, als Kapellen, Gebeinhäuser, Einsiedlerwohnungen, und selbst die Ruinen müssen im gothischen Styl seyn; denn er hat ganz das Prachtlose, das Einfältige, das Ehrwürdige, das dieser Gattung von Anlagen zukommt, und interessirt zugleich durch die Erinnerung an längst verflossene Jahrhunderte.

Wo es Lage und Gegend verstattet, da winde sich, nach allen diesen Scenen der Melancholie, nach allen diesen labyrinthischen Gängen unter dunklen Schattengewölben, in einsamen Haynen und finstern Gebüschen ein schmaler Pfad durch ein sich immer mehr an Ernst verdüsterndes, immer mehr an Feyerlichkeit der Monumente

————

*) v. Haller.

 

83 sich verstärkendes Revier – und wende sich plötzlich zu einer heitern Höhe, und falle mit einer lebhaften Ueberraschung in weite, glänzende, entzückende Aussichten. Welch ein erfrischender Blick in die Herrlichkeit der Schöpfung! Doch der weise Klosterbewohner siehet hier mehr, als was blos das Auge entzückt, weiter, als sein sichtbarer Bezirk reicht.

Die finstre Decke der Zukunft wird aufgezogen; er siehet
Ganz andere Scenen der Dinge, und unbekannte Gefilde. *)

In dem Reiz dieser Aussichten schwebt vor ihm ein Bild von den nahen Wohnungen des Himmels, ein Vorschimmer aus den Gegenden, wo ein ewiger Frühling vor ihm blühen, und eine Heiterkeit ohne Untergang ihn umlächeln wird. Die blaue Ferne schließt nicht den Kreis der Blicke seines Geistes; sie durchdringen die letzte Dämmerung der Erddünste, fliegen fort und breiten sich aus durch die unermeßlichen Gefilde einer hellen Ewigkeit. Diese Aussicht ist der Lohn seiner kurzen Klostertage; von ihr gestärkt kehrt er in die Schule seines Gartens, in die Prüfungen seiner Zelle zurück, und wartet ruhig auf die Stunde seiner Versetzung in die Wonne der Gegenden, die ihn schon in der Ferne entzückten.

Zu diesem feyerlichen Ernst, welcher der Lebensart und dem Wohnplatz der Mönche zustimmt, dürfen sich aber Gärten bey protestantischen Klöstern und Stiftern nicht heben. Klosterpflichten, Gebräuche, Sitten sind hier milder, alles ist hier mehr herabgestimmt. Daher keine schauervollen Auftritte mehr, sondern sanftere Scenen der Melancholie. Die Unterhaltungen einer süßen Schwermuth, die Denkmäler voll rührender Erinnerungen können hier schon durch einige anmuthige Vorstellungen gemildert werden. Doch darf hier nichts einschleichen, was den Charakter eines weisen Ernstes in Munterkeit übergehen läßt, oder den Eindruck einer stillen Melancholie aufhebt, die in Gärten dieser Klasse herrschen müssen.

3.

Hier scheint der Ort zu seyn, um eines besondern Geschmacks an klostermäßig gebaueten Landhäusern zu erwähnen, der jetzt in England aufkömmt. Der Landsitz des berühmten Horace Walpole, Strawberryhill nahe bey Twikenham, ist ein Muster dieser Art. Das Haus sieht schon von außen einer alten mit Epheu bewachsenen Abtey gleich. Der Eingang geht durch einen engen dunkeln Klosterhof, an dessen Wänden alte aus Italien gebrachte Grabschriften eingemauert sind. Im Hause selbst findet man ein Refectorium, Kapitelsaal, Schlafzimmer, und Kapelle, so wie in allen Klöstern. Aus der Bauart, den Meublen, den gemalten Fenstern und allen Verzierungen sollte man schließen, es wäre ein Werk aus dem dreyzehnten Jahr-

————

*) v. Kleist.

 

84hundert. In der Bibliothek herrscht ebenfalls dieser gothische Geschmack; die Bücherschränke gleichen den heiligen Schreinen der alten Kirchen, und das schöne Schnitzwerk stimmt vollkommen mit der Zeit überein, woraus es geborgt ist. Die Tische, die Stühle, das ganze Hausgeräth, die alten bemalten Glasscheiben scheinen wirklich aus den vorigen Jahrhunderten zu seyn; alles ist mit einer sehr klugen Wahl und mit einer genauen Beobachtung des Kostums ausgeführt, ohne bey unserm veränderten Geschmack anstößig zu seyn. – Einzelne Werke in diesem Styl fallen als glückliche Nachahmungen auf, und überraschen durch den seltsamen oder auch ungewöhnlichen Geschmack, der darinn erscheint. Allein es ist eben nicht zu wünschen, daß Landhäuser in Klostergestalt durch die Mode allgemein werden. Sie geben indessen zur Wiederanwendung der gothischen Architektur eine seltene Veranlassung. *) Gebäude dieser Art sollten auch nur mit Gärten im Klosterstyl verbunden werden.

 

 

————

*) Einige Architekturwerke, vornehmlich der Engländer, beschäftigen sich besonders, den gothischen Geschmack in Gebäuden zu zeigen. Dahin gehört, was

 

85 IV.
Gärten bey Gesundheitsbrunnen.
1.

Die Gärten, die bey Gesundheitsbrunnen und bey Bädern angelegt werden, sind ebenfalls von ihrer besondern Bestimmung abhängig. Sie müssen nicht allein bequeme und mannichfaltige Spaziergänge haben, die zur Bewegung in der freyen Luft anreizen, sondern auch viele Plätze zur Versammlung, zu geseltschaftlichen Belustigungen, zur Ruhe im Schatten. Auf die Befriedigung dieser Bedürfnisse muß man bey allem Eigensinn doch sehen, welchen oft die Natur in solchen Gegenden zu zeigen pflegt.

Der Bezirk dieser Gärten darf nicht versperrt werden. Sie müssen frey und ungehindert über ihre Gränzen hinschauen, und diese sich allmälig in die umliegende Gegend verlieren. Offene und heitere Aussichten sind hier für das Bedürfniß des Auges unentbehrlich, und die gesunde, erfrischende, erquickende Luft muß frey die Lustplätze durchstreichen können.

Die Pflanzungen müssen nicht allein reiche Beschattungen in allen Stunden des Tages geben, sondern auch an einigen Stellen solche Spaziergänge, Ruheplätze und Lauben bilden, zu welchen man bey rauhem und windigtem Wetter fliehen und im Freyen beschützt verweilen kann. Die schönere Pflanzung bildet sich in Gruppen und Haynen. Doch dürfen auch breite und gerade Alleen, zumal in der Nähe

————

zuvörderst die Verzierung einzelner Theile und Gebäude betrifft: The City and Country Builder’s and Workman’s Theasury of Designs &c. by Batty Langley. London. 4. 1740. Demnächst Gothic Architecture &c. by B. & T. Langley. 4 London. 1747. enthält verschiedene Abbildungen und Gartengebäude im ächten gothischen Styl. Chinese and Gothic Architecture properly ornamented being Twenty New Plans and Elevations, on Twelve Copper-Plates &c. engraved from the Designs of William and John Halfpenny, Architects. 4. London. ohne Jahrzahl. Gothic Architecture decorated consisting of a large collection of Temples, Banqueting, Summer and Green Houses, Garden Seats and Hermitages &c. designed by P. Decker, Architect. London. 8. 1759. Mit 12 Kupfertafeln. Einige Werke der Architektur sind hier im wahren gothischen Geschmack, besonders die Gebäude Taf. 1. 2. und 3. die Gartensitze Taf. 6. 7. 8. 9. und die Einsiedeleyen Taf. 10. und 11. Dagegen enthält Taf. 3. 4. und 12. weit weniger richtige Vorstellungen.

 

86 der Wohngebäude, um das Brunnenhaus, oder um die Bäder, in diese Anlagen kommen. Sie sind hier nicht allein als Zugänge schicklich, sondern auch bequem zum gesellschaftlichen Spaziergang, zur Verbindung der Brunnengäste und zur Unterhaltung. Man ist an diesen Oertern vergnügt, sogleich aus dem Hause oder von dem Brunnen in den Schatten zu treten. Hier müssen demnach hohe und laubreiche Bäume ihre Zweige ausbreiten, und den Brunnengast, ohne ihn im geringsten von der Sonne leiden zu lassen, mit ihren kühlen Schattengewölben beschirmen. Diese geraden Alleen können sowohl mit erweiterten, doch immer beschatteten, Versammlungsplätzen in ihrem Bezirk, als auch an den Seiten mit schlängelnden Gängen wechseln, die in die übrigen Anlagen führen. Hohe Hecken, die schon an sich so verwerflich sind, werden an Brunnenörtern noch unerträglicher, indem sie zwischen ihren Wänden die Luft, wie den Menschen, einsperren, und in manchen Stunden des Tages wie ein Treibhaus erhitzen. Jede andere verständige Pflanzung giebt einen weit sicherern und reichern Schatten. Auch lange künstliche Bogengänge sind hier zu vermeiden, weil sie gemeiniglich eine feuchte und dumpfigte Luft in sich schließen.

Einheimische und ausländische Bäume und Sträucher mit mancherley Stauden und Blumenpflanzen vermischt, können die Alleen, oder die mehr freyen und natürlichen Gruppen, Hayne, Lauben und Schattengänge bilden. Von den Bäumen sind solche Gattungen zu wählen, die nicht allein reichen Schatten verbreiten, als Roßkastanien, Platanen, Ahornen, italiänische und carolinische Pappeln, Tulpenbäume, Katalpen, u. f. sondern auch wohlriechendes Laub und Blüthen haben, als Balsampappeln, Linden, virginische Robinien (Robinia Pseudoacacia, L.), blühende Eschen (Fraxinus ornus, L.) u. a. Die Sträucher, die zu diesen Pflanzungen gehören, blühen entweder fast den ganzen Sommer hindurch, oder sie empfehlen sich durch wohlriechendes Laub, oder durch den Duft und die Annehmlichkeit ihrer Blumen. *) Mit diesen Bäumen und Sträuchern können nicht allein solche Stauden, die in den Sommermonaten lange blühen, und besonders wohlriechende, sondern auch Arzeneykräuter von einem angenehmen gewürzhaften und stärkenden Geruch, als die römische Chamille (Anthemis nobilis, L.), Krausemünze, Melisse, Salvey, Lavendel u. s. w. zur Bereicherung der Gebüsche verbunden werden. Die niedrigen Sträucher, besonders die schönblühenden, demnächst die feinsten Blumen und die angenehmsten Pflanzen erscheinen an dem Rande der Gebüsche und bekränzen

————

*) S. 4ten B. S. 42–48. 141–142. 151–152.

 

87 die Spaziergänge. Alle diese Verbindungen von Bäumen, Sträuchern und Blumen stellen zusammen ein großes mannichfaltiges reizendes Gemälde dar. Eine blühende Heiterkeit der Natur, die auf allen Seiten Freude verbreitet, herrsche durch die ganze Anlage an einem Brunnenorte. Daher Abwechselung der schattigten und offenen Plätze, vornehmlich Abwechselung der Baumgruppen mit kleinen Blumenhügeln, mit Rasen, mit wohlriechenden Lauben, mit Sitzen unter Schatten. Die Ausgänge der Pfade müssen immer zu den angenehmsten Aussichten in die Landschaft führen.

Die Hayne und Gruppen können mit Gängen durchbrochen werden. Lustwälder von schönen, geraden und hohen Stämmen mit beschattendem Laube sind zum Spaziergang sowohl, als zum Ruhen überaus anmuthig. Die Pflanzung muß frey im Geschmack der Natur seyn, und durchaus die gerade Linie vermeiden. Daher ist eine Verschiedenheit in den Abständen der Bäume sorgfältig zu beobachten. Es ist ein angenehmes Schauspiel, zu sehen, wie sich die Spazierenden zwischen den vortretenden und zurückweichenden Stämmen zerstreuen, und diese sich selbst zu bewegen scheinen. – Viele einsame Lauben und abgesonderte Schattensitze sind hier willkommen. Doch ein weit wichtigeres Erforderniß sind große umpflanzte Plätze, wo ganze Gesellschaften sich im Freyen versammeln können, wo sie am Morgen ihren Kaffee trinken, an warmen Abenden speisen, spielen, tanzen, oder sich gesellig unterreden. Diese Plätze müssen heiter, von schönen Lustgebüschen, von Rasen, von Blumengruppen, von reizenden Aussichten umgeben, und zugleich von überschattenden Laubdecken vor den Strahlen der Sonne beschirmt seyn. Dichte Gruppen, oder eine doppelte oder dreyfache Umkränzung von Laubbäumen, zwischen welchen Rosen, Geisblatt und andere wohlriechende Sträucher die Zwischenräume füllen mögen, dienen zur anmuthigen Ueberschattung solcher frischen Versammlungsplätze, die so viel zur Unterhaltung der Geselligkeit beytragen. – Da, wo sich die Brunnengäste während des Trinkens am Morgen aufhalten, muß ein reiches Grün, das so erquickend und stärkend für das Auge ist, überall seinen sanften Teppich und seine schützenden Vorhänge ausbreiten. Daher kein nahes Wasser, wo der blitzende Sonnenstrahl das Auge verwundet, keine weiße blendende Wände an Gebäuden umher, kein schimmerndes brennendes Steinpflaster.

Ueberall müssen in den Spaziergängen eines Brunnenorts die Wege trocken seyn, eine Forderung nicht allein von der Bequemlichkeit, sondern auch von der Gesundheit. Ueberall müssen die Gruppen, Hayne und Schattengänge mit 88 Gartenstühlen, mit Bänken von Holz, und mit andern Arten von Sitzen besetzt seyn, damit der Spazierende ruhen könne, wo ihn Ermüdung überfällt.

Zu den Verschönerungen der Lustpflanzungen und offenen Plätze gehören Statuen und Gebäude. Die erstern stellen an einem Brunnenort mit Schicklichkeit den Aesculap, oder die Göttinn der Gesundheit mit der Schlange in der Hand vor. Aber warum wollen wir nicht auch hier mit größerm Vortheil dem wahren und erkannten Verdienst Denkmäler setzen? Die Statue eines Börhaave, Tissot, Zimmermann, Berger, und anderer Aerzte vom ersten Range, sollten sie an einem Brunnenort nicht weit mehr interessiren, durch die angenehmen Empfindungen der Dankbarkeit oder der Verehrung für die Retter der leidenden Menschheit nicht weit mehr unterhalten, als die weniger bekannten Gestalten des Alterthums, die wohl zu dem Kunstverständigen, nicht aber zu dem Menschen reden?

Die Gebäude, die in den Lustgebüschen und Haynen bey einem Brunnenort nicht blos zur Bequemlichkeit gereichen, sondern auch zur Verschönerung so viel beytragen, sind Musikhäuser, Tanzhäuser, Speisehäuser, Trinkhäuser, Spielhäuser oder Kabinette. Sie können alle in schönen, aber verschiedenen Formen, zum Theil als Tempel, gebauet, charakteristisch verziert und anmuthig umpflanzt werden; und sodann eine Reihe von mannichfaltigen Scenen bilden helfen. Auch der Gesundheit kann hier mit Geschmack ein besonderer Tempel gewidmet werden. Hier ist eine Erfindung von dieser Gattung von Gebäuden. *)

————

*) Dieser Tempel ward von mir für Meienberg vorgeschlagen, wo er aufgeführt werden soll, und von Herrn Architekt Schuricht sehr glücklich nach der angegebenen Idee gezeichnet.

 

89

 

90 Der Tempel ist rund, im Geschmack der Tempel des Alterthums, und offen, mit freyen jonischen Säulen, die seine mit Blumenkränzen verzierte Kupel tragen. Er erhebt sich auf einer etwas erhöheten Grundlage, und einige Stusen führen zu ihm hinan. In seinem Charakter ist Heiterkeit und Stärke vereinigt. Ueber dem Eingange sieht man in halberhabener Arbeit eine Opferhandlung im antiken Styl und die goldene Inschrift: Pietas Revalescentium. In seiner Mitte stehen zwey schöne weibliche Statuen in ebensgröße, die Göttinn der Gesundheit, und die Göttinn der Freude. Indem sich beyde Göttinnen zur Umarmung nähern, erscheint die Freude mit der rechten Hand in der Stellung, ihren eigenen Blumenkranz, ihr bestes Geschenk, der Gesundheit aufzusetzen. Der Tempelplatz ist mit niedrigen schön blühenden Sträuchern umkränzt; in seinem innern Bezirk sind rings umher kleine lebhafte Gruppen von Blumen zerstreut, zwischen welchen Pfade sich winden, und sein gebaute Bänke stehen, wo Gesellschaften unter frohen Unterredungen ruhen.

Doch die nothwendigen und vornehmsten Gebäude bey Brunnen und Bädern sind die, welche zur Wohnung der Gäste und zum Trinken oder Baden dienen. Ein großes Gebäude, worinn alle, oder doch viele Gäste neben einander wohnen, hat die Unbequemlichkeit eines öffentlichen Wirthshauses und mancherley andere Ungemächlichkeiten mehr. Doch, wenn es errichtet wird, muß darinn besonders für bequeme Absonderungen der Wohnzimmer, für Reinlichkeit und frische Luft gesorgt werden. Solche Gebäude können in den obern Stockwerken, auf den Seiten oder Flügeln, Gallerien und Austritte haben, und unten vornehmlich mit Arcaden oder Säulengängen umgeben seyn, die zum Spaziergang bey Regenwetter dienen, und hier oft ein wichtiges Bedürfniß werden. – Das Brunnenhaus, oder das Gebäude, womit die Quelle eingefaßt zu werden pflegt, wird am meisten gesehen, am meisten besucht. Es muß von einer edlen und einfachen Architektur seyn, und ein heiteres Ansehen haben. Es darf die Form eines runden Tempels annehmen. Sein Anstrich sey nicht blendend, sondern bestehe in einer sanftgemilderten, doch muntern Farbe. Eine umherlaufende Gruppe von Sträuchern mit angenehmen, wohlriechenden, und zum Theil lange dauernden Blüthen, als Spiräen, Rosen, Hollunder, wohlriechendem Himbeerenstrauch, Geisblatt, strauchartiger Potentille, Jasmin, Syringen, u. a. giebt dem Brunnenhause eine schickliche Verzierung. Diese Umpflanzung macht die Scene frischer. Man geht unter Wohlgerüchen und Blumen, diesen aufheiternden Bildern der Freude, zu der Quelle der Gesundheit. – Bey einem öffentlichen Badhause kömmt fast alles auf die innere zu seinem Gebrauch erforderliche Bequemlichkeit an; doch muß sich auch seine Aussenfeite durch eine schöne Architektur und durch einen Charakter auszeichnen, der seine Bestimmung ankündigt.

91 Noch gehört zu den Bedürfnissen eines Brunnenorts, daß er in den umliegenden Gegenden umher mancherley wilde Spazierwege zum Gehen, zum Reiten, zum Fahren den Brunnengästen anbiete, die längere und stärkere Bewegungen und Zerstreuungen suchen. Auch sind in seiner Nähe oft Plätze nöthig, wo zur gesunden Bewegung gymnastische Uebungen und allerley Spiele angestellt werden, und diese Plätze verstatten zugleich anmuthige Umpflanzungen und Verzierungen, die sich auf ihre Bestimmung beziehen. Alles, was leichte und angenehme Beschäftigung giebt, was die Seele von dem Mitgefühl der körperlichen Schwachheit abzieht, was den Geist durch neue reizende Bilder erheitert, alles, was dazu beyträgt, um in diesen

         inertibus horis
Ducere sollicitae jucunda oblivia vitae.

                                Horat.

dies alles gehört in den Plan der Anlagen bey Gesundheitsbrunnen.

 

 

92 2.

Nach diesen Vorschlägen wird es nicht unnütz scheinen, wenn wir hier eine kurze Uebersicht der vornehmsten Brunnen und Bäder *) folgen lassen, um zu bemerken, wie viel und wie wenig man bisher zu ihrer Verschönerung gethan hat. Von dieser Seite sind sie noch wenig bekannt, da man bisher sich nur mit Untersuchung des Gehalts und der Kräfte ihrer Wasser beschäftigt hat. Meienberg. **)

Die Gegend von Meienberg ist von einem sehr anmuthigen Charakter. Der Ort liegt am Fuß eines Berges, aus welchem das mineralische Wasser entspringt; gerade diesem Berg gegen über, den man bisher den Schanzenberg nennt, streckt sich gegen Süden der nahe Bellenberg. Die ganze Landschaft ist gebirgigt. Doch spreiten sich die benachbarten Berge alle aus einander, wodurch Meienberg eine freye und offene Lage gewinnt, welche die Lüfte bestreichen können. Die höhern Gebirge heben sich, in einer Entfernung von einer starken Stunde, von Süden nach Westen; sie sind alle vom Fuß bis an den Gipfel mit Waldung bewachsen, und schließen den Gesichtskreis mit einer prächtigen malerischen Scene. Ihre mäßige Höhe und ihre waldigte Bekleidung machen sie zu überaus reizenden Gegenständen; sie haben nichts von dem Wilden, Oeden oder Fürchterlichen, das oft ein Eigenthum der Gebirge ist. Der Velmerstoth erhebt zuerst in Süden seinen höher emporragenden Gipfel; an ihn schließen sich andere Gebirge, besonders der Externstein, und wo dieser aufhört, der teutonische Wald, der sich westlich bis in die Grafschaft Ravensberg erstreckt, und durch die Niederlage der Römer unter dem Varo berühmt ist. Man genießt aus den Zimmern der Wohngebäude die schöne Aussicht auf diese Gebirge, über die bis zu ihnen sich verbreitenden Gefilde, die mit Gärten, Wiesen, Hügeln, Kornfluren, Bächen, Gebüschen, Heerden und Landhütten auf eine lebhafte Art abwechseln. Schöner erscheinen sie noch in den Augenblicken des sinkenden Abendlichts, indem jede landschaftliche Scene in der Milde der falben Beleuchtung kenntlicher und sanfter dem Auge sich nähert, und die hohen Waldungen der mehr südlichen Gebirge ihren Schatten tiefer in die Hintergründe der Landschaft verlängern.

————

*) Außer einigen Bädern der Schweiz habe ich die vornehmsten Brunnenörter in Deutschland selbst besucht, als Maienberg, Pyrmont, Hofgeismar, Wilhelmsbad, Ems, Schwalbach, Wisbaden, und bey verschiedenen dieser Brunnen mich wochenlang aufgehalten.

**) In der Grafschaft Lippe-Detmold.

 

93 Diese Lage von Meienberg, so sehr sie auch zufällig ist, macht den Aufenthalt nicht wenig angenehm. Die freyen und mannichfaltigen Aussichten beleben jedes wohlgestimmte Herz. Die umliegenden Berge rufen zu gesunden und stärkenden Spaziergängen. Die kleine Mühe des Steigens wird bald durch bequeme Fußwege, durch den Reiz abwechselnder Aussichten, durch die frische Luft und die Wohlgerüche balsamischer Bergkräuter belohnt.

Das Brunnenhaus ruhet im Thal, in der Mitte eines sehr großen Platzes. Es hat keine schöne Architektur. Unter den Gebäuden zeichnen sich zwey durch ihre Größe aus, das Haus des jetzigen verdienten Brunnenarztes, Hrn. Hofraths Trampel, unter dessen Besorgung die ganze Anstalt entstand, und das herrschaftliche Curhaus, die beyde an den Brunnenplatz stoßen, und sowohl eine Menge von Wohnzimmern für die Brunnengäste, als auch im Erdgeschoß die Bäder enthalten. An dem Trampelschen Hause liegt das Ballhaus, das einen sehr großen Versammlungssaal hat. Zu dem Brunnenhause führen vier Alleen von Linden und Roßkastanien. An der östlichen Allee ist vor einigen Jahren ein Lustgebüsch angelegt, das fast ganz aus mancherley einheimischen Bäumen und Sträuchern besteht, die mit einigen ausländischen Gewächsen untermischt sind. Man genießt hier jetzt in allen Stunden einen kühlen Schatten, und, wenn kalte Winde durch die Alleen streichen, eine milde Beschützung. Schlängelnde Gänge, wo zwey Personen bequem neben einander gehen können, laufen durch diese Pflanzung. Sie ist ein überaus erfrischender, waldigter Spaziergang, der jedem Naturfreunde gefällt; anmuthig ist es, hier in den Morgenstunden den Dust des Laubes und des Grases zu athmen, und den Thau auf allen Blättern glänzen zu sehen. Diese freye und natürliche Pflanzung war bisher der schönste Theil der Anlagen; die übrige Pflanzung des Brunnenplatzes bestand in lauter steifen Heckenwänden von Haynbuchen, die den Schatten, den man suchte, nicht gaben, die Aussicht verschlossen, und den freyen Durchzug der gesunden Lüfte zurückhielten. Ich hatte hier bey meinem Aufenthalt das Vergnügen, daß die Ausführung meiner Vorschläge, die zur Verbesserung der Anlagen verlangt wurden, beschlossen ward. Schon ist der Anfang gemacht. Die versperrenden Hecken werden mit den schlechten und unschicklichen Statuen weggeworfen; der Brunnenplatz wird anmuthiger bepflanzt, und das Ganze erhält, so weit es die besondere Lage verstattet, eine natürliche und der Bestimmung des Orts mehr angemessene Einrichtung. *) Noch verdienten die überaus schlechten Wege, die hier und in allen umliegenden Gegenden eben nicht zu Lustfahrten reizen, eine große Verbesserung. Die wilden Spa-

————

*) S. Gartenkalender auf das Jahr 1783. S. 131–148.

 

94ziergänge *) um Meienberg, die so voll von Naturschönheiten sind, besonders auf dem Tempelberg, machen eine vorzügliche Annehmlichkeit des hiesigen Aufenthalts aus.

Pyrmont.

In dem Schooß eines sehr ausgebreiteten, angebaueten, schönen und heitern Thals sprudelt diese lange berühmte Quelle von Deutschlands ersten Gesundheitsbrunnen. Es ist fast rings umher von waldigten Bergen und romantischen Höhen umgeben, die eine Menge von Spazierwegen anbieten, und reich an den interessantesten Aussichten sind. Nichts ist reizender, als diese Umkränzung der Landschaft mit Bergen, die so frisch und heiter in ihrem Grün, so abwechselnd in ihrer Bildung und Größe sind, und die noch, wenn die ausbildende Kunst hier thätig würde, auf ihren Höhen und Abhängen durch mannichfaltige Arten von Gebäuden, so wie sie jede Lage forderte, der prächtigsten und erhabensten Verschönerungen fähig wären. Die muntersten Wiesen, Fluren, Landscenen und Spaziergänge, mit tausend malerischen Aussichten nach den Bergen, wetteifern gleichsam unter einander zur Belustigung des Auges.

Die Brunnengäste genießen hier die Bequemlichkeit, daß sie in abgesonderten Privathäusern ruhige und zum Theil anmuthige Wohnzimmer vorfinden. Zu den öffentlichen Gebäuden gehört das Badhaus, das Ballhaus, das Komödienhaus, das Kaffeehaus, die von vielen umher stehenden Boutiken noch mehr belebt werden. Das Brunnenhaus, worinn sich die Trinkquelle befindet, ist, ohne sich auszeichnende Architektur, doch gut und weit besser gebauet, als das Meienberger. Es steht vor dem Eingang einer sehr großen, langen und schattigten Allee, die am Morgen von einer Menge Brunnentrinker, von Musik, von Geselligkeit und Vergnügen belebt wird. Man hat in dem obern Theil dieser Allee rings um sich ein vermischtes Gewühl, findet aber bald unten und in den Seitengängen mehr Freyheit und mehr Entwickelung reizender Aussichten der Landschaft. In der geraden Aussicht dieser grossen Allee hinunter, an deren Ende aus einem Wasserbehältniß eine Fontaine emporsteigt, erheben sich in der Ferne die gegen über liegenden Berge in einer überaus malerischen Schönheit, die halb von dem sanften Dunst der Morgenluft überschleyert, und halb von milden Beleuchtungen aufgeheitert noch lieblicher erscheint.

Eine andere Allee läuft vom Brunnenhaus gegen Westen hin. Sie ist weniger schön, wird aber an Schattengewölben und Anmuth zunehmen, wenn die Bäume

————

*) S. den angeführten Gartenkalender S. 149–159.

 

95 ihren natürlichen Wachsthum wieder gewinnen. Sie hat zur Linken, nach dem Kloster Lüden hin, eine reizvolle Aussicht, und zur Rechten erscheint auf einem nahen, runden, von Bäumen umkränzten Platz die Statue des Aesculap. Man gelangt zu einem kleinen sehr anmuthigen, doch schmalen Lustgebüsch, das sich um ein rundes Wasserstück windet, und zum Theil aus Gruppen von schönen ausländischen Bäumen besteht, zwischen welchen sich Psade schlängeln. Ein heiterer Platz der Freude! Er verstattet, zumal wenn die Pflanzung auswendig umher noch etwas erweitert werden könnte, zu seiner Verschönerung sowohl auf der Erhöhung auf der Westseite eine offene Rotunde mit der Statue der Göttinn der Gesundheit, als auch auf beyden Seiten am Wasser eine mit ihr verbundene Kolonnade, mit den Brustbildern berühmter Aerzte besetzt; doch würde eins von beyden, der Tempel oder die Säulengänge, schon die Verzierung ausmachen. Die Säulen und die Büsten würden in dem nahen hellen Wasser sich spiegeln, und mit dem frischen und mannichfaltigen Grün des Rasen eine sanfte einnehmende Scene bilden; der Prospect von der Allee herab würde anziehender und doch nicht gesperrt werden; denn er würde durch die Säulen des offenen Tempels streichen, und die Pflanzung eine Bestimmung und einen eigenen Charakter gewinnen.

Pyrmont hat außer diesen Alleen noch manche andere Spaziergänge und angenehme Plätze, die den Freund der Natur und froher Bewegung zu sich locken. Hin und wieder ließen sich vielleicht noch einige Verschönerungen und Anlagen machen, die der Bestimmung dieses Brunnenorts angemessen sind, der, wegen der grossen Wohlthätigkeit seiner Quelle, noch immer aus der Nähe und der Ferne von so zahlreichen Hausen besucht wird. Und wer würde sie besser ausführen, als der vortreffliche Prinz, *) der mit der edlen, offenen Güte des Herzens, die in seinem Hause erblich scheint, so viel feinen Geschmack und so viel Sorgsalt für das Vergnügen aller Fremden vereinigt, die hier zusammen strömen, der so gerne mitten unter ihnen verweilt, und den Fürsten verbirgt, um ganz Mitgesellschafter zu seyn, und rings um sich her Freyheit, Geselligkeit und Heiterkeit zu verbreiten?

Hofgeismar.

Dieser Brunnenort, ein Paar Meilen von Cassel entfernt, gehört in mehr als einem Betracht zu den angenehmen Plätzen. Das Brunnenhaus ist mit heitern Blu-

————

*) Se. Durchl. der jetzt regierende Fürst von Waldeck, Carl August Friedrich, der sich während der Brunnenzeit in Pyrmont, zuweilen mit seinen Herren Brüdern, einige Zeit aufzuhalten pflegt.

 

96mengruppen umgeben, und in Ansehung der Architektur, die seiner Bestimmung vollkommen gemäß ist, eines der edelsten Gebäude dieser Art in Deutschland. Es ist von runder Form und hat ein flaches Dach, aus dessen Mitte sich eine schöne Kupel erhebt. In dem Erdgeschoß des eigentlichen Brunnenhauses, wohin verschiedene Eingänge hineinführen, befindet sich in der Mitte eines geräumigen Platzes, der einen runden mit Sitzen versehenen Arcadengang bildet, die eingefaßte Quelle, zu welcher einige Treppen hinabgehen. Licht, Reinlichkeit und Schönheit kündigen hier gleich eine Anstalt an, die mit Ueberlegung angeordnet ist. In dem zweyten Stockwerk befindet sich wieder ein runder und breiter Arcadengang, von welchem man über ein Dockengeländer in das Erdgeschoß zu dem Brunnen und den da herum wandelnden Figuren hinabsieht. Ueber sich erblickt man das Inwendige der Kupel, die gut ausgemalt und mit Fenstern durchbrochen ist, wodurch das Licht von oben vortheilhaft hereinfällt. Ueberall ist eine belebende Heiterkeit verbreitet. Aus diesem obern Arcadengang hat man kleine Altane, die über den Eingängen, die in das untere Stockwerk führen, ausgebaut sind, und wohin man zum Genuß frischer Luft treten, oder diese durch Eröffnung der Thüren hereinlocken kann. Mit diesem Brunnenhause sind Gallerien, die in einem halben Zirkel hinlaufen, sehr glücklich verbunden. Es sind große, breite, auf beyden Seiten mit Fenstern sowohl, als mit Thüren versehene Gänge, aus welchen man im obern Stockwerk einen Austritt in freye, offene, schmale und unbedeckte, von einem Dockengeländer eingefaßte Nebengallerien hat, die außen an dem Gebäude herumlaufen. Diese Gallerien geben sehr anmuthige und gesellige Spaziergänge beym ungestümen, kalten und regnigten Wetter, und sind eine fast unentbehrliche Anlage bey Brunnengebäuden; man kann durch die Fenster und Thüren nach Willkühr Licht und Wärme und Kühlung hereinrufen. An diese Gallerien, die, so wie das Brunnenhaus selbst, mit einem flachen von einem Dockengeländer umgebenen Dache gebauet sind, hat der Architekt wieder zwey große Flügel vortheilhaft anzuhängen gewußt. Die Gallerien winden sich oben und unten in die Flügel hinein, die meistens zum Aufenthalt des Hofes dienen, und mit einem gebrochenen, zur Bewohnung eingerichteten, Dache versehen sind. In dem untern Stockwerk des rechten Flügels nach der Gartenseite befindet sich ein langer, großer Saal, wo der Hof Tafel und Concerte hält; und in dem untern linken Flügel laufen aus der Gallerie dieser Seite mancherley Galanteriebuden fort, zwischen welchen spaziert, gespielt und getanzt wird, und man fast immer den Landgrafen, seinen Hosstaat, oder eine andere glänzende Gesellschaft erblickt. Dieser Platz ist daher der lebhafteste Theil der Brunnengebäude. Obgleich bey der Gegenwart des Hofes ihr größter Theil von ihm eingenommen ist, so können doch auch Brunnengäste hier ver97schiedene Zimmer haben, wenn sie nicht lieber in dem großen nahen Badehause wohnen wollen. Wie viel würden so manche andere berühmte Brunnenörter noch gewinnen, wenn sie ein solches schönes, mit bequemen Gallerien zum Spazieren und zu öffentlichen Vergnügungen eingerichtetes Brunnenhaus hätten! Nur macht der farbenreiche äußere Anstrich, worinn Weiß, Roth, Blau, Gelb, Grau in besondern Abtheilungen erscheinen, daß es ein ganz buntscheckigtes Ansehen bekömmt. Wie leicht man durch eine solche unvorsichtige Ueberladung von Farben an den Aussenseiten eines Gebäudes die Wirkung seiner guten Architektur schwächen kann, zeigt dieses Beyspiel; denn in einiger Entfernung sieht die wohlgebauete Kupel einem großen Papageyenbauer ähnlich.

Die Gegenwart des zahlreichen und glänzenden Hofes mag freylich für Brunnengäste, die sich hier so ganz in dem Genuß der Ruhe zu erfreuen wünschen, einige Unbequemlichkeit haben. Allein es ist doch auch gewiß, daß der Hof nicht den geringsten Zwang machen will, und daß Fremde hier unter seinen Augen eine vollkommene anständige Freyheit genießen können, wenn sie wollen. Der gute Fürst sorgt mit vielen Kosten *) für ihre Bequemlichkeit und für ihr Vergnügen. Alle Brunnengäste können ohnentgeldlich den französischen Schauspielen und den öffentlichen Concerten beywohnen, die der Hof hier beständig unterhält.

Doch bequeme und schattenreiche Spaziergänge gehören weit mehr zu den Bedürfnissen der Brunnenplätze. Man hat hier den Vortheil, sowohl aus dem Brunnenhause, als auch aus dem Badehause sogleich in den Schatten zu treten, indem die Baumpflanzungen sich nahe an die Thüren dieser Gebäude erstrecken. Der obere Theil des Gartens oder der öffentlichen Spaziergänge ist zwar ganz im französischen Geschmack angelegt: man sieht nur Hecken, die mit hohen Bäumen regelmäßig eingefaßt sind, oder deren Mitte damit angefüllt ist; Hecken mit Portalen, Fenstern und andern Oeffnungen. Aber man findet doch hier viel Grün und Schatten, indem in den breiten Zwischenräumen der Hecken sich hohe Roßkastanien und Linden nahe neben einander erheben, unter welchen man in jeder Stunde des Tages einen freyen kühlen Spaziergang auf dem Rasen hat. Zur Rechten liegen verschiedene große Lauben zum Speisen und kleinere Kabinette; man hat um sich her zur

————

*) Man rechnet die Einkünfte des Bades auf 800, und die jährliche Unterhaltung auf 6000 Reichsthaler.

 

98 Erquickung des Auges Laubdecken und Rasen, und, will man spazieren, die Bequemlichkeit, einander auszuweichen. Bey aller Symmetrie und Einförmigkeit der Anlage ist doch für viele Gänge und Sitze unter dichtem Schatten gesorgt, und dieser ist eine Folge von dem natürlichen Wuchs, der den Bäumen in den innern Revieren zwischen den Einfassungen der Hecken verstattet ist. An andern Stellen giebt es runde beschattete Plätze zum Tanzen für das Volk, das sich aus der Nachbarschaft gemeiniglich an Sonntagen bey Brunnenörtern häufig zu versammeln pflegt, um sich einen fröhlichen Tag zu machen.

Was in diesem Theil der Anlage das Auge am meisten angreift, das sind die auf Bretern gemalten Vasen, Termen und Statuen, selbst auf der Kupel eines Pavillon, und die gedrechselten Knöpfe, die über die Hecken hervorragen. Man sagt, daß man dergleichen Arten von Verzierungen übersehen müsse. Aber warum übersehen? Wer kann das? Warum und wozu sind sie da? Sie machen ja einen Theil des Ganzen, und sollen übersehen werden? Etwa denn auch das Ganze? Vermuthlich werden diese Reste der alten gothischen Gartenzierrathen, wie der verfallende Pavillon, der nichts Schönes hat, von der Zeit zerstört werden, die oft vergebens dem klügern Geschmack zeigt, was er thun sollte.

Die andere größere und schönere Hälfte des Gartens ist ein sogenanntes englisches Bosquet, oder ein Lustgebüsch im freyen natürlichen Geschmack, das seinem Anleger *) Ehre macht, und eins der ersten Pflanzungen dieser Art in Hessen war. Man hat vor einigen Jahren mit diesem Lustgebüsch ein neues, das noch im Wachsthum ist, verbunden, und dadurch die Spaziergänge verlängert. Diese Pflanzungen bestehen aus einer großen Mannichfaltigkeit von ausländischen und einheimischen schönen Bäumen und Sträuchern, aus blühenden und duftenden Stauden und niedrigen Blumenpflanzen. Die Anordnung ist die natürliche, da die Blumenpflanzen voran, dann die höhern perennirenden Stauden, demnächst die Sträucher, und endlich die Bäume, denen sie zugleich zum Untergebüsch dienen, folgen, und mit einem edlen Wuchs emporsteigen. Eine reizende Pflanzung für das Auge und für den Geruch. Man sieht mit kluger Wahl manche Blumensträucher angebracht, die fast den ganzen Sommer hindurch blühen. Der Baumkenner stößt hier auf manche schöne ausländische Bäume, als Tulpenbäume, morgenländische

————

*) Dem fürstlichen Hofgärtner, Herrn Schwarzkopf, einem Mann, der durch Kenntniß, Beobachtungsgeist und Geschmack sich vorzüglich auszeichnet.

 

99 und abendländische Platanen, Scharlacheichen und andere amerikanische Arten von Eichen, virginische Robinien von außerordentlich hohen und geraden Stämmen. Die neuere Einfassung der Pflanzung mit Ligustrum ist zu geziert und einförmig. Auch haben sich einige zirkelförmige Baumstellungen eingeschlichen, die hier zu gekünstelt scheinen, obgleich eine Stelle davon mit Rothtannen durch ihre Dunkelheit einen guten Contrast gegen das lebhafte Kolorit des Ganzen macht. Dem Spazierenden ist es nicht bequem, daß in diese runde Plätze die Pfade sich endigen, ohne wieder einen Ausgang zu haben, und ohne hier einen Ruhesitz zu finden. Das Umkehren auf den vorigen Weg ist verdrießlich, wie die Täuschung der alten Irrgänge, und hier immer ein Fehler in der Anlage; so oft man an den Eingang zurück kömmt, erinnert man sich der Verschließung, und hütet sich wohl, wieder hinein zu treten. Die Gebüsche sind hier dicht und groß genug, um diese Unbequemlichkeit zu vermeiden und den Gang in seinem Fortlauf zu erhalten; überhaupt könnten die Wege zum Vortheil des Spazierenden noch sehr vervielfältigt werden. An einer Stelle, bey dem Ausgang ins Feld, stößt man auf eine Sternpflanzung, die einen widrigen Eindruck macht. Doch alle die kleinen Striche, die das schöne Gemälde etwas verstellen, sind nicht von dem ersten Anleger, sondern nachher von einem fremden Pinsel hineingetragen.

Die Wendung der Gänge, die durch diese Pflanzung laufen, ist hie und da wohl etwas zu einförmig. Die gemeine Schlangenlinie in den ersten englischen Gärten ist nicht natürlich, und ermüdet nicht weniger, als der gerade Weg. Freye und mannichfaltige Wendungen aber unterhalten den Spaziergänger.

Eine besondere Lebhaftigkeit erhält diese Pflanzung von einem Bach, der überall schlängelnd durch sie geleitet ist, viele anmuthige Wassergüsse hat, mit einem grünen und mit Bäumen bepflanzten Ufer verschönert ist. Dieser Bach, seine kleinen Wasserfälle, seine Einfassung, seine Brücken bilden zusammen ein überaus heiteres Revier, das von den Gesängen der Vögel noch mehr belebt wird. Die Brücken könnten mehr schön und mannichfaltig an Form seyn. Die Bäume am Ufer des Baches könnten zuweilen mit überhängenden Blumengruppen und blühenden Sträuchern abwechseln; sie könnten sich zuweilen dem Wasser mehr nähern, zuweilen mehr von ihm zurückweichen; sie scheinen außerdem noch zu scharf auf der Linie zu stehen. Ein Strauch, der in den Wasserguß hängt, oder eine Blume, die freundlich über den Bach nickt, würde schon den Reiz des Gemäldes mehr heben. Die Rasen am Ufer sind hin und wieder zu künstlich ausgeschnitten. Die Bänke 100 haben hier noch alle einen grünen Anstrich. Warum Grün auf Grün? Warum nicht Weiß, wie die Brücken? Die Lebhaftigkeit des Weißen hebt sich zwischen dem Grün für das Auge, und dieser Anstrich ist schicklicher. Noch könnte der begränzende Zaun des Lustgebüsches entweder ganz aufgehoben, oder mit leichten und wohlgebauten Thüren und Ausgängen in Feld und Wiese durchbrochen werden.

Die Weitläuftigkeit der Anlage, der schwelgerische Wachsthum und die schattenreiche Dichtheit der Pflanzung, der Anblick der seltenen Bäume, die vielen Blumen und Wohlgerüche, die Anmuth des Baches und seiner Wasserfälle, die Lieder der Vögel, die Aussichten auf die angebauete Landschaft und auf zwey benachbarte waldigte Berge – alles dies vereinigt sich, diese Spaziergänge so unterhaltend und reizend zu machen, daß sie wohl die kleinen Verschönerungen noch zu verdienen scheinen, die hier bemerkt sind.

Eine allgemeine Erinnerung über die sogenannten englischen Bosquets, wie man sie jetzt bey uns antrifft, scheint hier noch Platz zu haben. Nichts wird jetzt gewöhnlicher, als dicke Gebüsche von mancherley einheimischen und ausländischen Bäumen und Sträuchern hinzuwerfen, sie mit schlängelnden Gängen zu durchschneiden, und mit dieser Art von Bepflanzung einen ganzen Bezirk anzufüllen. Man glaubt sodann gleich einen englischen Garten zu besitzen. In der That bestehen viele unserer neuen Anlagen blos aus einem solchen an einander hängenden weitläuftigen Gebüsch, oft mit einem einzigen schmalen Gang. Es ist wahr, daß diese Lustgebüsche durch Mannichfaltigkeit des Grüns, der Blätter und der Blüthen ergötzen, und den singenden Vögeln einen sichern Aufenthalt verstatten. Dennoch kommen wir, bey der ewigen Wiederholung dieser Bepflanzung, auf die Einförmigkeit der alten Manier zurück. Ein Lustgebüsch, das immer verschlossen, immer verengt lange fortläust, ist fast mehr ermüdend, als eine gerade Lindenallee, die zugleich auf den Seiten Aussichten in die Landschaft vergönnt. Man hat um sich her eine Art von Hecken, und man fängt sogar an, sie mit der Scheere zu beschneiden, wie vormals die Haynbuchen. Es entstehen glatte Wände, und nichts bleibt mehr übrig, wodurch sich die Pflanzung von den vorigen Heckengärten unterscheidet, als der gekrümmte Gang und die Verschiedenheit des Laubes. So mancher schöner Blüthenstrauch wird hier erstickt, auch so mancher Baum von Wuchs und edler Form versteckt. Die schönen Gemälde des Laubwerks finden hier nicht Platz, oder verlieren doch in den schmalen sich krümmenden Gängen ihre Wirkung für das Auge. Ein Garten, der blos aus einer solchen Pflanzung besteht, hat keinen Anspruch auf Schönheit und Mannichfaltigkeit. Wäre es demnach nicht besser, den Lustgebüschen, die immer einen Theil einer schönen Anlage 101 ausmachen können, das Einförmige, das Steife, das Verschlossene zu nehmen, sie zu mehr Licht, mehr Aussicht, mehr Abwechselung durchzubrechen, sie hin und wieder bald in abgesonderte freye Gruppen von Bäumen oder von Sträuchern umzubilden, bald mit einem feinen Rasenteppich, mit einem reich geschmückten Blumenplatz, oder einer andern anmuthigen Naturscene aufzuheitern?

 

 

Wilhelmsbad.

Wilhelmsbad, eine halbe Stunde von Hanau, behauptet von der Seite der Anmuth unter Deutschlands Bädern wohl den ersten Rang. Man mag auf die Schönheit der Gebäude, auf die Reinlichkeit und den guten Geschmack der Ausmöblirung der Wohnzimmer, auf die Sauberkeit der Bäder, auf die Tafel, wo Feinheit und Anstand herrschen, und Personen beyderley Geschlechts von der ersten Klasse erscheinen, auf die Anlagen und Spaziergänge, auf die Nachbarschaft von 102 einem der artigsten Höfe, auf die Ordnung in der Einrichtung des Ganzen, und sodann auf die überaus wohlfeilen Preise sehen, wozu alles angesetzt ist; so wird man hier sowohl die größte Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der Fremden, als auch Aufmunterung zum Genuß der angenehmsten Sommertage finden. Man erblickt hier einen Prinzen, *) der, wenn er bauet, pflanzt und verschönert, ganz Fürst ist, aber, um Natur und Geselligkeit zu genießen, und genießen zu lassen, sich wieder in dem Privatmann verbirgt, bey den Brunnengästen seine stille Wohnung hat, an ihrer Tafel und selbst bey ihren Spielen und Tänzen verweilt. Man hat täglich das Vergnügen, hier eine Prinzessinn **) zu sehen, die, so sehr sie Dännemarks Ruhm unter den Deutschen, und die Zierde der Königstöchter ist, sich dieser seltenen Vorzüge nicht erinnert, und, indem sie rings um sich her die Liebe aller Herzen zu sich in den Kreis ihrer jungen glücklichen Familie strömen sieht, sich nicht erinnert, daß es die Heiterkeit ihrer Blicke, die Leutseligkeit ihrer Gespräche, die sanfte rührende Güte ihrer Seele ist, die alles um sie her zur Empfindung aufbieten.

Unter den vielen Gebäuden, die alle eine gute Architektur und symmetrische Verbindung unter einander haben, zeichnet sich das Arcadenhaus, das in der Mitte steht, als das vornehmste aus. ***) Es kündigt sich gleich dem Auge nicht allein durch Größe, sondern auch durch eine reine und edle Architektur sehr vortheilhaft an, und sein Ansehen wird von dem saubern Anstrich noch unterstützt. Seinen Namen führt es von den hohen und breiten Arcaden, die sich an seiner Vorderseite hin erstrecken; sie dienen zum bequemen Spaziergang in der Hitze, und im Regen. An diesen Arcaden liegen ein großer und zwey kleinere Säle, die zusammen das Erdgeschoß ausmachen. Sie sind alle hell und heiter mit großen Glasthüren, die frische Luft und Kühlung einlassen, sehr edel angelegt und ausgeziert. Manches fürstliche Schloß hat keinen Saal mit solchen Spiegeln, Stühlen, Kanapees und Tischen, wie hier. Der größere Saal ist der Tafel und dem Tanz gewidmet; an Sonntagen, wenn viele Fremde aus Frankfurt und der Nachbarschaft die Gesellschaft der Curgäste und der Hofleute vermehren, sieht man darinn zuweilen über 150 Personen speisen. In dem mittlern kleinern Saal versammlet sich die Gesellschaft zum

————

*) Se. Durchl. der Landgraf Georg Wilhelm, regierender Graf zu Hanau und Erbprinz von Hessen-Cassel.

**) Ihro königl. Hoheit Wilhelmine Caroline, vermählte Erbprinzessinn von Hessen-Cassel, geborne königl. Prinzessinn von Dännemark.

***) Man hat davon verschiedene Kupferabbildungen, worunter sich besonders die drey neuen Blätter auszeichnen, welche Herr A. W. Tischbein in Hanau 1784 gezeichnet und Herr Weise in Cassel in Kupfer gestochen hat.

 

103

 

104 Frühstück, zur Unterredung, zum Spiel; und in dem letztern kleinern Saal stehen zwey Billardtische. Diese drey Säle haben durch große Glasthüren mit einander Verbindung. In dem zweyten und dritten Stockwerk, welches letztere schon die Mansarde ist, sind auf beyden Seiten große, bequeme und schöne Wohnzimmer, alle tapezirt; ein breiter heller Gang läuft zwischen diesen Wohnzimmern durch die ganze Länge des Gebäudes hin und bildet gleichsam einen prächtigen gemeinschaftlichen Vorsaal. In den Pavillons neben dem Arcadenhause befinden sich ebenfalls gute Wohnungen. Vor dem Arcadenhaus liegt ein großer freyer Platz mit Sitzen; und demnächst das Brunnenhaus oder der offene Tempel des Aesculap, unten die mineralische Quelle, oben die Statue des Gottes, von kleinen Kindergruppen umgeben, welche die vier Elemente und den Frühling und Sommer vorstellen.

Um die Gebäude laufen von allen Seiten große Alleen, die Zugänge sind, und zugleich mit den übrigen Anlagen in Verbindung stehen. Aus den Sälen des Arcadenhauses tritt man hinten gleich in einen großen schattenreichen Bogengang, der sich von einem Ende des Gebäudes zu dem andern um einen Rasen herumwindet, und zur Seite einige Kabinette und Tische hat. Gleich an der linken Seite dieses Gebäudes schattet eine vierfache Reihe von hohen schönen abendländischen Platanen, die noch besonders für die Zukunft einen herrlichen Spaziergang versprechen. Zur Rechten am Ende der Gebäude liegt ein sehr ansehnlicher Quincunx von hohen Linden, wo die Spaziergänger zugleich mit sanften ländlichen Aussichten über eine bebauete Ebene, und besonders mit dem Anblick einer schönen Meyerey, die in einiger Entfernung malerisch vor einem dunklen Walde ruht, unterhalten werden.

Wilhelmsbad liegt in einer zwar flachen, aber angenehmen Gegend, indem sie rings umher von Wäldern umkränzt ist. Sowohl von der Vorderseite des Arcadenhauses an, als auch hinter ihm verbreiten sich die Anlagen der Spaziergänge fast im Geschmack eines englischen Gartens.

Vor dem Arcadenhause erstreckt sich ein ziemlich ansehnlicher Wald von Eichen, der jedoch viele große Zwischenräume hat, worinn Pflanzungen von mancherley einheimischen und ausländischen Bäumen und Gesträuchen angelegt und mit Blumenstauden vermischt sind. Zur Abwechselung des Spazierganges und der Aussichten sind Vertiefungen und Anhöhen gemacht. Diese werden sich besser ausnehmen, wenn erst ihre Bepflanzung angewachsen ist. Die Gänge winden sich zwischen ihnen umher, steigen und senken sich wieder, und sind gut mit einander verbunden. Die Pflanzung ist noch jung und wird in der Folge den Schatten vermehren helfen, den jetzt die hohen Eichen um sich her verbreiten. Sie ist, um sich dem Wilden des Waldes zu nähern, mehr nachläßig hingeworfen, als malerisch angelegt. Die Spaziergänge 105 sind ziemlich weitläuftig. Ueberall findet man weiße Bänke, Sitze, Tische auf den Höhen und in den kleinen Thälern; unter den hohen Eichen und den Buchen, die zwischen ihnen erscheinen, locken beschattete Ruheplätze ein. Das Auge wird zuweilen von grünen mit Klee besäeten Flächen angelockt, vornehmlich in den Vertiefungen. Mancherley Arten von Spielen, die nicht blos zur Zeitverkürzung, sondern auch zur Bewegung dienen, sind auf den freyen Plätzen, zwischen den umpflanzten Spaziergängen angebracht. Auf einer Höhe liegt ein schönes Karossel, in der Gestalt eines großen runden offenen Tempels, von vier und zwanzig Säulen toscanischer Ordnung unterstützt; in der doppelten Reihe der Säulen laufen zwey Reitpferde, und zwey Wagen, jeder mit zwey Pferden bespannt, alles vortrefflich gearbeitet, in der Runde herum; in der Mitte des Gebäudes befindet sich ein Platz, wo der Zuschauer sitzen, und zugleich sein Auge mit der angenehmen Aussicht umher unterhalten kann; an der äußern Reihe der Säulen sind Vorhänge angebracht, die bey Sonnenhitze und Regen heruntergelassen werden; unten ist ein gemauertes Gewölbe, worinn sich das Triebwerk befindet, und ein kühler Weg durchgeht; ein herrliches und kostbares Werk!

Man geht von hier nach der Burg. Dies ist ein alter halb verfallener gothischer Thurm, in einem wahren täuschenden Styl, nach der Zeichnung des Prinzen vortrefflich gebauet. Die rohen Feldsteine, die kühnen Massen, die seltsame gothische Gestalt, die scheinbaren Merkmale von den Zerstörungen der Zeit, das Eckige sowohl, als das Abgestumpfte, die Oeffnungen, die Fenster, das ganze äußere Ansehen kündigt ein Werk vergangener Jahrhunderte an; und seine Lage zwischen ehrwürdigen Eichen, die ihren Nachbar zu befragen scheinen, ob er nicht mit ihnen von gleichem Alter ist, trägt nicht wenig zu der guten Wirkung seiner Außenseite bey. Das Inwendige enthält einige mit feinem Geschmack verzierte Zimmer. Hier wohnt während des Sommers der Prinz in einer geräuschlosen philosophischen Einsamkeit. Nicht weit davon liegt noch ein Ruinenstück, worinn sich Küche und Bedientenzimmer verhüllen. Der Thurm ist mit einem Graben von fließendem Wasser umgeben. Um die Gänge an seinem Rande laufen kleine Zäune von feinen Blüthensträuchern. Unter den Eichen liegen einfache Rasensitze. Verschiedene Brücken führen in dieses Revier.

Das angelegte Wasser erweitert sich etwas welter hin in einen größern Bezirk. Man sieht mancherley Arten von kleinen Jagden und Lustfahrzeugen darauf liegen. Es windet sich in verschiedenen schmalern Wendungen unter den laubreichen Aesten der Eichen umher, fließt unter einigen hohen Bogenbrücken durch, und bildet eine 106 kleine Halbinsel mit einem Sonnenweiser geziert und mit einem angenehmen Sitz im überschatteten Winkel.

Nicht weit von hier hebt sich ein aufgeworfener Hügel zum Genuß der eröffneten Aussicht nach Hanau über die Ebenen, über die umherlaufenden Alleen und Wälder hin. Er grünt von Gras, von Blumenpflanzen und Gesträuch, zwischen welchen sich ein Pfad auf den Gipfel hinaufwindet. Hier steht ein großer halboffener Sitz, mit einem kleinen Vordach, von zwey Säulen getragen. Man ruhet hier unter einer angenehmen Aussicht. Zunächst vor dem Auge blühende Pflanzen und Sträucher; in der Tiefe eine sehr weit ausgebreitete Wiese, die einen trefflichen Rasenteppich macht, und rings umher mit Wäldern umkränzt ist; über diese erheben sich in der Aussicht die Thürme von Hanau, dieser schönen, durch Kunstfleiß belebten, durch Sitten verfeinerten, und durch ihren Fürsten verschönerten Stadt, und hinter ihr streckt sich in der Ferne ein hohes dunkles Gebirge empor, das den Gesichtskreis schließt; näher zur Linken hin schaut das Auge über schlanke Pappeln nach dem Fasanengarten und seinen waldigten Spaziergängen hin. Ein anmuthiger Sitz am Abend, indem das blendende Licht der Sonne zurückweicht, und ihre sanftere Beleuchtung von der Seite her über die Wiese und die benachbarten Wälder streift.

Die Gegend hinter dem Arcadengebäude, die fast rings umher von einem nahen dunkeln Wald umgeben ist, hat ebenfalls ihre Verschönerungen. Man sieht hier Gebüsche von meistens einheimischen Hölzern gepflanzt, und darunter bejahrte Eichen und Buchen, schlängelnde Gänge, kleine Höhen und Vertiefungen, weiß angestrichene Bänke, die überall den Müden erwarten, Rasen mit Strauchgruppen verziert – einst ein schattenreicheres, noch anmuthigeres Revier. So viel Pracht und Reiz zeigt jetzt eine Gegend, die noch vor einigen Jahren eine menschenleere Wüste war. Wilhelmsbad ist ein geliebter Lustplatz für alle umliegende Oerter, besonders für Hanau und Frankfurt. Man kann hier zugleich alle Arten von fremden Gesundheitswassern zum Trinken, alle Arten von ländlichen Sommerergötzungen sich wählen. *)

————

*) Eine genaue und mehr ausführliche Beschreibung dieses Orts nebst der Geschichte des Baues, der Verschönerungen u. s. w. findet man in den Briefen eines Schweizers über das Wilhelmsbad. Neue Aufl. 8. 1780. Demnächst in den Betrach tungen eines Schweizers im Wilhelmsbad. 8. 1780. Der Verfasser &c. ist kein Schweizer, sondern der hanauische Rath, Herr Schäffer, ein durch Wissenschaft und Charakter des Herzens schätzbarer Mann.

 

107 Ems.

Die vier folgenden Gesundheitsörter liegen in einem kleinen Umkreis zwischen Maynz und Coblenz, in der Nachbarschaft des Rheins, neben einander. Man reiset zu ihnen durch Landschaften, die zu den schönsten in Deutschland gehören.

Ems hat in der Tiefe zwischen hohen felsigten Gebirgen eine sanft melancholische und einsame Lage; doch sind die Abhänge zum Theil fruchtbar und mit Wein bepflanzt; im Thal grünen schmale Wiesen, durch welche die Lahne sich schlängelt. Diese so tief versenkte, ruhige, vor jedem Blick der Neugierde und des Neides verborgene, von den Unruhen der Welt so weit entfernte Lage hat für kränkliche Seelen, die an einer kleinen Melancholie hängen, einen sehr einnehmenden Reiz. Sie glauben hier ganz in dem Schooß der gesuchten Ruhe sich einzusenken, ganz gesichert vor dem Gedränge der Thoren und selbst vor jedem Mislaut der Gesellschaft. In der That scheint auch die hiesige Lebensart etwas von dem sanften Frieden zu haben, der über dieses Thal schwebt. Keine Schauspiele, keine Concerte, keine Bälle pflegen hier Geräusch und Zerstreuung zu verbreiten. Auch sind hier keine Einrichtungen zu öffentlichen Ergötzungen. Die Gesellschaft schließt sich an einander, und ist auf einen sanft unterhaltenden Ton gestimmt.

Doch hat die Lage von Ems einige Unbequemlichkeit, indem die Berge das Thal zu enge verschließen, und sowohl die Hitze, als auch bey einfallendem Regen die Kälte einsperren. Das nassauische und das darmstädtische Haus, die beyden Hauptgebäude, haben einige plump gebauete Arcaden zum Spaziergang. Man sieht hier nur eine Allee, die noch dazu sehr schmal ist. Die Enge des Thals verstattet keine Anlagen ausgebreiteter Spaziergänge. Man muß sie in der Wildniß der Berge und der benachbarten Gegend suchen, die mit malerischen und romantischen Schönheiten von der Natur reichlich geziert sind. Auch die Lahne locket zu den angenehmsten Wasserfahrten ein, unter immer abwechselnden Aussichten von rauhen Felsen und blumigten Wiesen, von Weinbergen und alten zerstörten Schlössern, von heitern Dörfern und einsamen Kapellen auf nackten Höhen.

Schlangenbad.

Vom Schlangenbad wird man hier gerne die Beschreibung einer Dame lesen, *) die mit allen den sanften liebenswürdigen Gefühlen, die ein weibliches Herz veredeln können, die Stärke eines männlichen Verstandes und mit ihm einen heitern, schnell

————

*) Der Frau von Berleptsch, im hannöverischen Magazin 4tes Stück 1783.

 

108 und leicht überschauenden Geist der Beobachtung vereinigt, die Anstalten des Menschen sowohl, als seinen Charakter mit eben dem seinen Blick durchforscht, womit sie die Schönheiten der Natur ausspähet, und in dem Ausdruck ihrer Urtheile sich immer gleich, frey und edel ist.

„Schlangenbad liegt im Thal, und es erscheint mit den neuen großen Gebäuden, die von allen Seiten mit Heckengängen umringt sehr artig aussehen, als ein schönes Landgut. Zwey Wohnungen sind da. Die eine gehört dem Churfürsten von Maynz, der den größten Theil des angränzenden Landes besitzt, und wird das maynzische Haus genannt. Es ist ziemlich groß, ansehnlich gebauet, artig eingerichtet, hat einen schönen Saal und eine angenehmere Lage, als das andere, weil es unter einem hohen mit schönem Holz bewachsenen Berge liegt, der bis auf die Höhe, in der Mitte gerade dem Hause gegenüber, aufgehauen ist. Das andere Haus, das hessische genannt, gehört dem Landgrafen von Cassel, und ist, wie alle hessische Gebäude, äußerst vollständig und recht bequem eingerichtet. Eigentlich sind es drey Häuser, die durch lange bedeckte Gänge an einander hängen, so daß man bey üblem Wetter aus einer Wohnung in die andere mit Bequemlichkeit gehen kann, welches für Kranke sehr angenehm ist. Dieses Haus hat noch den großen Vorzug, daß sich darinn die Bäder befinden; anstatt daß man aus dem maynzischen Hause herübergehen muß, wenn man sich baden will. Die Wohnzimmer sind trefflich eingerichtet, geräumig und bequem. Zum hessischen Hause gehört noch ein Saal, oder vielmehr eine sehr lange Gallerie, wo sich die Curgäste versammeln, um zu tanzen und zu spielen.“

„Die Luft ist hier außerordentlich rein und heiter. Die Spaziergänge beym maynzischen Hause sind weitläuftig und groß. Eine sehr schöne hohe Allee geht, gewiß über vierhundert Schritte lang, schnurgerade, und gelinde steigend vom großen Saal bis ins Holz, wo sie sich verliert; und auf beyden Seiten sind unzählig viele Heckengänge, die wegen der Einförmigkeit nicht gefallen. Zu der Zeit, als das angelegt ward, kannte man in Deutschland den englischen Geschmack in Spaziergängen nicht, und diese könnten mit wenig Mühe und Kosten überaus artig darnach eingerichtet werden; denn die Lage ist vortrefflich.“

„Eine sehr nützliche Anstalt ist es, daß hier von den beyden Landesfürsten eine kleine Besatzung gehalten wird, die für Ordnung, Ruhe und Sicherheit wacht. Der verstorbene Landgraf von Cassel der diesen von Natur so reizenden Ort sehr liebte, sorgte viel für seine Verschönerung. Er ließ noch ein großes schönes Haus nicht weit vom alten aufbauen, das aber inwendig noch nicht eingerichtet ist.“

109 „Schlangenbad ist übrigens ein gar angenehmer Aufenthalt, die sanfteste, lieblichste Einsamkeit zwischen Bergen, die freylich die Aussicht verhindern, aber doch sich genug öffnen, um der Gegend nichts Dumpfes zu geben und nichts Finsteres. Schlangenbad ist nicht, wie Pyrmont, der Aufenthalt lauter rauschender Freude und glänzender Geselligkeit. Es ist keine einzige Allee da, wo viele Menschen bey einander könnten hergehen. Aber die schmalen Heckengänge laden, wie die ganze Gegend, die Seele ein zu einsamem und stillem Nachdenken. In jedem Lüftchen wehet philosophische Melancholie; aber es ist ruhige Melancholie, mehr Ernst, als Schwermuth, mehr ein Vergessen von allem, was dem Herzen wehe thut, als schwärmerischer Genuß des Gegenwärtigen. Die Einbildungskraft schwelgt nicht, sie schlummert in lieblich träumender Ruhe. Das liebe Thal, so eng, so grün, so still und einsam, scheint mit jedem Blick die Lehre ins Herz zu prägen: daß der Mensch wenig bedarf.“

Zu ähnlichen lieblichen Phantasien, zu eben solchen sanften Begeisterungen des Herzens werden leicht empfindsame Seelen in der stillen Ruhe dieses Thals hingerissen. Hier ist noch eine kleine Schilderung von den Eindrücken dieser Gegend. *)

„Der ganze Weg, der sich durch ein tiefes, einsames und schattigtes Thal geschlängelt, und der Pfad zu einer der verstecktesten Einsiedeleyen zu seyn scheint, prallt nun plötzlich auf einen Haufen von kostbaren Gebäuden und künstlich angelegten Spaziergängen an. Auch ohne das sanfte Gemurmel, das unaufhörlich und von allen Seiten durch kleine Wasserfälle und Springbrunnen erregt wird, würde hier einem jeden die Vorstellung eines bezauberten Palastes durch den Sinn fahren müssen. Wo man sich hinwendet, ist ein Gegenstand, der die Neugierde und den Reiz zum Vergnügen lockt. Der müdeste Wanderer wird hier durch immer neue Befriedigung und immer neues Verlangen, ungestört durch die Mattigkeit seiner Glieder, von einem Schooß des Vergnügens zum andern fortgerollt. Verdeckte Gänge, geräumige Säle, lange mit Zimmern besetzte Hallen, wechseln labyrinthisch mit grünen schattigten Lauben, Hecken, Grasstücken und Fruchtgärten ab. Rund umher sind aufgewälzte Berge, theils mit grünen beschattenden Bäumen, theils mit fürchterlichen mit Moos bedeckten hervorstechenden Felsenspitzen bekleidet. Unzählige lockende Fußsteige führen unvermuthet zu immer neuen und veränderten Gegenständen, bald auf eine rauhe ganz abgelegene Klippe, von der man plötzlich in eine weite herrliche Aussicht dringt, und der Blick auf viele Meilen weit herumschweifen kann; bald kömmt man wieder

————

*) Aus der Beschreibung eines Aufenthalts im Schlangenbade 1777. 8. Riga. 1779.

 

110 in stille einsame Scenen, voll ländlicher ungekünstelter Einfalt. Jene kleine blumigte Wiese, vom dämmernden Gesträuch umgränzt, vom murmelnden Bach durchschlängelt, ist ein recht warmes gefühlvolles Gemälde. Hinter meinem Rücken thürmt sich ein drohender Fels, dessen Fußgestell mir einen erquickenden Sitz vergönnt, und über ihn her verbreitet ein Wald von hundertjährigen Eichen den entscheidenden Schatten auf die liebliche Landschaft. Welche Stille scheint dort oben zu herrschen! Kein Geräusch, außer dem harmonischen Schall von liebefrohen unbekümmerten Geschöpfen. Ich muß hinauf. Die süße Erwartung ebnet mir die rauhe beschwerliche Höhe. O! wie wohl ist mir, ins Thal hinunter und in die duftenden Gewölbe des Waldes, zugleich mein gegenwärtiges und mein vergangenes Vergnügen mit wahrer Entzückung fühlen zu können! O! du sanfte, heilige Stille anmuthiger vom Geräusch und der Thorheit der Welt entlegener Wälder! du kannst wahre ungezwungene Begeisterung in die Seele gießen; zauberisch setzest du mich jetzt in den Kreis aller meiner Freunde und Liebsten auf der Welt; ich glaube sie alle um mich her in eben dem weichen Schooße des Vergnügens liegen zu sehen. Denn nichts zerreißt jetzt die Kette der Gedanken, die meine Seele sehnsuchtsvoll nach ihnen ausspannt. Meine Einbildungskraft macht mich durch ihre beseligenden Gaukeleyen zu dem glücklichsten der Menschen.“

„In diesem bezaubernden Winkel brachte ich mit meinen Freunden drey Monate zu, ohne Ekel oder Ueberdruß über die Einförmigkeit unserer stillen Freuden bemerkt zu haben. Man fühlt hier, daß man Vergnügen hat, ohne daß der Verstand sich abmattet, auszufinden, worinn das Vergnügen besteht. Diese süße Wirkung machen die ungekünstelten Vergnügungen auf uns. Die Seele fühlt in dieser weichen Lage ein unbeschreibliches Wohlbehagen, und ist bey dem angebornen Hang zur Veränderung, aus Furcht, ihr gemächliches Glück zu verlieren, doch der stillen einsamen Gegend immer getreu.“

„Es giebt offene große Gegenden mit allem, was die Natur gewöhnlich zu ihrer Pracht braucht, bis zum Ueberfluß ausgeschmückt, wo die Sonne mit ihrer ganzen Majestät bis in die verborgensten Winkel dringt, und ein festliches Ansehen, einen gewissen Firniß über das Allgemeine verbreitet. Diese Gegenstände sind schön, bis zum Entzücken schön, in den ersten Augenblicken oder Tagen. Aber bald kömmt dem immer nach neuem Genuß begierigen Herzen die Lüsternheit an, etwas Neues zu suchen und zu wünschen. Und alsdann ist ein schmaler Fußpfad unter schattigten Bäumen, am kleinen rieselnden Bach; ein rauher herabhängender Fels, um welchen schwermüthige Stille eine Sehnsucht nach Ruhe in dem Herzen erreget, das von dem zu vielem Genuß betäubt ist; kurz, die geringste einfältigste Gegend, so wie 111 sie aus den Händen der Natur als Skizze weggelegt worden, ist alsdann für uns voll von verführerischen Reizen, die uns mit weichen unmerklichen Rosenketten am unschuldigen Vergnügen fesseln. Deswegen habe ich nie eine Gegend so, wie Schlangenbad, geliebt, und werde alle die Gegenden immer vorzüglich lieben, wo die Natur, gleichsam als in ihrer Werkstätte, alles durcheinander geworfen, und in jeder dieser Skizzen die Größe des Unendlichen zeigt. Immer werden die Bilder dieses Edens, immer die Erinnerung der dort genossenen stillen Freuden mir ein Trost in trüben und ein Zuwachs von Freude in heitern Stunden seyn.“

Schwalbach.

Die Berge, die das lange Thal von Schwalbach umgeben, sind nicht so hoch, als um Ems, aber meistens kahl und ohne Schönheit. Doch spreiten sie sich hier aus einander und lassen die Heiterkeit des Himmels und erfrischende Lüfte hereinkommen. Das freye Eindringen der kühlenden Luft ist an diesem Orte, wo so wenig von der Natur, als von dem Menschen für das Bedürfniß des Schattens gesorgt ist, eine doppelte Wohlthat. Das Auge hat zu seiner Erquickung fast nichts anders, als den erfreulichen Anblick der Wiesen, die das Thal bekleiden.

An diesem Brunnenort ist fast gar keine Aufmerksamkeit für die Fremden, die hier doch aus allen umliegenden Gegenden zusammenströmen, sichtbar. Der einzige öffentliche Versammlungssaal ist ein Muster von geschmackloser Bauart und schlechter Ausmöblirung, und liegt halb in Ruinen. Die Brunnengäste wohnen und speisen in Privathäusern, die oft voll Schmutz und Unreinigkeit sind. Einige elende Arcaden bey dem Weinbrunnen und dem rothenburgischen Hause können den Mangel des Schattens nicht ersetzen, der hier so sehr empfunden wird. Bey der weitern Abgelegenheit des letztern schmachtet der Brunnentrinker oft unter einer unerträglichen Hitze, und bey allem Raum zur Anpflanzung, der nun wüste liegt, hat er nichts, als einige schlechte Hecken, die oben offen sind und nicht schatten. Blos eine einzige Allee ist da, die nichts schönes, aber doch einen guten Schatten hat; allein sie liegt von den Quellen entfernt, zu welchen der Kranke einen sehr beschwerlichen Weg machen muß. Bey einer solchen Verfassung, welche die Erwartung der Siechen so wenig befriedigt, hat dieser berühmte Brunnenort keinen andern Reiz, als für Juden, Pfaffen und Spieler, die sich am meisten in dieser Pfütze herumwälzen.

Wisbaden.

Wisbaden liegt in einer niedrigen Ebene, und in einer Gegend, die keine besondern Annehmlichkeiten in sich faßt, sondern sie erst in der Nachbarschaft und in 112 einiger Entfernung gegen den Rhein hin suchen muß. Auch fehlt es hier an schattigten Spaziergängen und an merkwürdigen Anstalten zu anständigen öffentlichen Vergnügungen. Wisbaden ist ein elendes Städtchen mit engen Gassen.

Für diesen Ort war ehemals ein sehr großes Brunnenhaus bestimmt, wovon sich eine Abbildung in dem Modelhaus zu Cassel befindet, und das hier eine Anzeige verdient. Dieses Gebäude hat eine vortheilhafte, seiner Bestimmung sehr gemäße Anordnung, indem um beyde Stockwerke in der Runde zwey große Arcadengänge laufen, die durch sechs gerade bedeckte Gallerien mit dem eigentlichen Brunnenhause, das in der Mitte liegt, verbunden sind. Auch das geräumige flache Dach dieser Arcaden und Gallerien dient bey kühlem Wetter zum Spazieren, und hat in seiner Mitte eine Kupel in Form eines antiken Tempels, die Ruhesitze enthält. An den Arcaden, die im ersten und zweyten Stockwerk rund um das Brunnenhaus sich winden, und es gleichsam einfassen, sind, als Wohnungen für die Brunnengäste, zwey lange Flügel ebenfalls mit einem flachen Dach angehängt, und diese endigen sich mit zwey Pavillons, die ein gebrochenes Dach haben. Bequeme Treppen und Thüren verbinden alle Theile zu einem vollständigen Zusammenhang. Man wird nicht leicht einen Entwurf zu einem großen Brunnenhaus finden, der mit der Schönheit des äußern Ansehens zugleich so viel gute Anordnung zu seinem Zweck, so viel Bequemlichkeit, so viel Anmuth und Heiterkeit der innern Einrichtung vereinigte. Wie viel hätte nicht Wisbaden durch die Ausführung eines solchen Gebäudes gewinnen müssen!

Matlock. *)

Die natürlichen Schönheiten der Gegend um Matlock, wo die warmen Bäder sind, übertreffen die schönsten Plätze in England, welche die menschliche Kunst zu verbessern gesucht hat. Es ist ein mit vielen Krümmungen versehenes Thal, wodurch die Derwent läuft, welche an einigen Orten ziemlich breit ist, und sanft fließt, an andern zwischen abgebrochenen Felsen durchrauscht, und allerley kleine Cascaden macht. An der einen Seite ist das Thal von fruchtbaren Hügeln, an der andern von fürchterlichen mit Waldung bewachsenen Felsen umgränzt.

Um diese schöne Gegend recht in Augenschein zu nehmen, thut man am besten, den Fluß bey dem Schlagbaume zu passiren, und dem sich schlängelnden Fußsteige

————

*) In Derbyshire in England. S. Youngs Reisen durch die östlichen Provinzen von England &c. 3ten Th. S. 103 u. s. w. Eine andere schöne Beschreibung dieser berühmten romantischen Gegend hat Whateley in seinen Betrachtungen über das heutige Gartenwesen S. 125 u. f.

 

113 den Felsen hinauf zu folgen, welcher zu der auf der Höhe liegenden Strecke von Feldern führet. Sie endigen sich hier mit dem Abgrunde, längst dem man hingeht. Einem jeden, der Matlock besehen will, ist dieser Weg zu empfehlen, weil hier ohne Zweifel die schönste natürliche Terrasse von der Welt ist. Oben lenkt man sich links zu der hervorragenden Spitze, Hagrock genannt, von der man senkrecht über die jähe Anhöhe hinab in den Fluß sieht, der hier einen schönen jenseits mit Bäumen eingefaßten Spiegel vorstellet, zweymal vom Felsen herunterstürzet, und die Scene durch das Geräusche belebet. Das Thal ist hier enge; aus demselben erheben sich die Hügel jähling empor, und stellen theils schöne grüne Einzäunungen, theils nackte Felsen, theils einen waldigten Rücken dar.

Geht man längst an diesem Abgrunde hin, und unter dem am Rande desselben wachsenden Gebüsche fort, so hat man viele malerische Aussichten, zuweilen blos ins Wasser hinab, zuweilen auf ein Stück finstere und melancholische Waldung; manchmal entdecket man auf einmal eine Durchsicht auf reizende Stellen des Thales, oder auf die fruchtbaren Hügel. Dieß währet so lange, bis man an eine große Ulme kömmt, die mit ihren breiten Zweigen eine felsichte Ecke an dem Abgrunde beschattet. Hier hat man über ein von der Natur gemachtes Geländer eine wirklich prächtige Scene. Zu beyden Seiten bildet der Fluß einige schöne Spiegel, und fällt viermal über Felsen hinab. Auf der linken Seite ist der ganze Abhang bis ans Wasser mit Wald besetzt, doch ragen hin und wieder Felsenspitzen hervor. Oben darauf sind zwey kleine ganz mit Wald umgebene Einzäunungen von Grasland, die durch sperrige Bäume von einander getrennt sind. Man kann nichts schöneres sehen. Auf der andern Seite des Thales liegen eingezäunte Wiesen, und höher hinauf sind die Hügel mit großer Abwechselung von Saatfeldern abgetheilt. Auf der rechten Seite ist der Anblick ganz verschieden. Das Gehölze steht so enge am Ufer, als wenn es aus dem Wasser herauswüchse; es verursacht einen dunkeln Schatten auf dem sanft darunter wegfließenden Flusse. Ueber den Wald weg zeigen sich einige mit Grasfeldern umgebene Häuser, und der grüne Teppich zieht sich zwischen einigen wilden Strecken von Wald und Felsen herab.

Bey der Ansicht dieser prächtigen Landschaft wünschet man billig, daß die Kunst etwas dazu beytragen möchte, um sie in ihrer ganzen Schönheit zu zeigen. Man dürfte nur einen gemeinen Weg (keinen künstlichen von kurz abgeschornen Rasen, wie in den Blumengärten,) längst dem Abgrunde durch ein kleines dickes Holz anlegen, um auf einmal unvermuthet zu jener Ulme zu kommen, und von dieser herrlichen Scene überrascht zu werden. Die Wirkung würde größer seyn, und nicht leicht ihres gleichen in England haben.

114 Geht man weiter, so kömmt man an eine vorragende mit niedrigen Eschen besetzte Ecke, von der man den Fluß durch einen dicken Wald erblicket, welches eine sanfte Abwechselung von den vorigen Scenen ist. Rechter Hand erhebt sich ein hundert und funfzig Fuß hoher Felsen senkrecht aus dem Walde, und ist selbst ganz mit Holz bewachsen. Man kömmt weiter in ein so dickes Holz, daß man nicht um sich sehen, aber wohl das Getöse des unten über Felsen wegrauschenden Stromes hören kann, und gelanget zuletzt an eine Felsenspitze, die höher als alle vorigen ist; und da das Gesicht hier frey ist, so hat man die ganze bewundernswürdige Schönheit des Thales vor Augen. Links fließt der Fluß längst dem schönen mit Wald besetzten Abhange, und darüber weg zeiget sich eine große Strecke von Einzäunungen, da immer eine höher liegt als die andere.

Von hier hindert einen der dicke Wald eine Weile an der Aussicht, bis man zu der sogenannten Adamsbank gelanget. Hier geht der Felsen weit ins Thal hinein, weswegen man den bisher zurückgelegten Weg sehr gut übersehen kann. Man erstaunet über die senkrechte Höhe der Felsen, die mit überhängenden Bäumen besetzt sind, und gerade bis an das Wasser hinuntergehen. Hin und wieder gucken die nackten Felsen hervor, und geben mit den aus ihnen hervorwachsenden Gesträuchen einen wirklich malerischen Anblick. Gegen über stößt der Wald an das Ufer; überhaupt kann man sich keine prächtigere Verbindung des Wassers mit der Waldung gedenken.

Von der steilen Anhöhe ist ein Weg bis in den Grund hinab durch den Felsen getrieben; unten ist ein anderer längst dem Ufer unter dem Gewölbe hoher Bäume geführt. Er hat sanfte Krümmungen, in einem so guten Geschmacke, als man sie fast nirgends sieht. Das Geräusche des Flusses ist sehr angenehm; an manchen Stellen ist der Busch dünne genug, daß man das Wasser durchschimmern sieht, welches in einem so einsamen und finstern Gange eine treffliche Wirkung thut. Man muß sich wundern, wenn man hört, daß alle diese Gänge, die Stufen nach dem Felsen hinauf, die Bank oben auf demselben, die Arbeit eines gewissen Mannes sind, der den Leuten im Bade die Stiefeln auszieht. Er hat auch ein Schiffchen, um zum Vergnügen auf dem Flusse zu fahren, angeschafft. Ein solcher Fleiß, und zugleich so viel guter Geschmack, verdient Beyfall. Er ist der einzige, der etwas zur Verschönerung von Matlock beygetragen hat.

Der gedachte schattigte Gang führet zu einer Bank, in deren Angesicht der Fluß einen kleinen Fall macht. Dieser Fall sollte umher etwas mit Waldung besetzt seyn. Hernach möchte man rathen, den nicht weit davon liegenden Felsen zu besteigen, zumal da ein angenehmer Gang, von dem man allerley Aussichten hat, dahin führet. Der Felsen ist senkrecht vierhundert und funfzig Fuß hoch, und unten fließt der Fluß in einer 115 sanften Krümmung vorbey. Gegen über steigt ein Hügel kühn empor, und zeiget auf seinem Rücken viele Einzäunungen. An der einen Seite ist eine steile Felsenspitze, und an der andern ein jäher Abgrund von Felsen und Bäumen. Man sieht auf das alte Bad hinab, und auf den entfernten Hügeln liegen große Strecken von Einzäunungen.

Ueberhaupt betrachtet, muß Matlock die Neugierde eines jeden, der es sieht, befriedigen. Es unterscheidet sich von allen merkwürdigen Plätzen dieser Art in ganz England. Die Felsen zu Keswick sind majestätischer, und das Wasser sowohl daselbst, als bey dem sogenannten Winandermeer, übertrifft das hiesige weit. Dort suchet die Kunst die Localschönheiten in einem immer schönern Lichte zu zeigen: aber hier ist alles blos Natur. Die natürliche Terrasse am Rande der Abgründe, und die große Abwechselung der Prospecte, die man von derselben übersieht, übertrifft in seiner Art alles, was man in England sehen kann.

V.
Gärten bey Hospitälern.

Da Hospitäler in Rücksicht sowohl auf die Gesunden, als auch auf die Kranken, außer den Städten anzulegen sind, so verstatten sie noch leichter besondere Gärten, die ihnen zugehören. Sie müssen demnach in einiger Entfernung von der Stadt und andern stark bewohnten Plätzen, in einer gesunden und anmuthigen Gegend, nicht in Thälern und Niedrigungen, sondern an heitern, von der Sonne erwärmten und vor rauhen Winden beschützten Höhen, an südlichen Abhängen von Hügeln oder mässigen Bergen, auf einem sehr trockenen Grunde, liegen. Bey einer verhältnißmäßigen Größe müssen diese Gebäude geräumige, heitere und zum Auslüften bequem angelegte Zimmer, sonnigte Gallerien zum Spazieren oder Sitzen für die Schwachen, eine Kapelle, oder einen Saal zum Gottesdienst, und eine Apotheke enthalten. Ihr äußeres Ansehen muß nichts Finsteres haben, sondern eine gewisse mäßige Munterkeit, wie ruhige zunehmende Hoffnung der Wiedergenesung mitzutheilen pflegt. Ihre Vorderseite kann mit Inschriften und Sinnbildern, die auf ihre Bestimmung hinwinken, verziert werden.

Ein Hospital muß frey liegen, nicht von hohen dumpfigten Mauern, nicht von großen überschattenden Bäumen eingesperrt seyn. Der Garten muß unmittelbar mit dem Gebäude Verbindung haben, oder es vielmehr, wenn es die Lage verstattet, umkränzen. Denn ein Blick aus den Fenstern in diese blühenden und fröhlichen Scenen hin belebt schon den Kranken; auch kann er seinen Spaziergang nicht weit suchen. Die Anlagen, die sich gleich von den Thüren zu verbreiten anfangen, dürfen nicht 116 weitläuftig, nicht mannichfaltig seyn, wenn sie übrigens nur ihrer Bestimmung gemäß eingerichtet sind.

Ein Hospitalgarten soll dem Schwachen einen bequemen Spaziergang, liebliche Erwärmung der Sonne, Erfrischung durch freye Luft, und durch Wohlgerüche der Pflanzen geben; giebt er zugleich lebhafte und erfreuende Aussichten, so hat er ein Verdienst mehr. Die Pflanzungen müssen sich demnach um kiesigte, trockene Wege winden, die mit Bänken und Stühlen besetzt sind. Freye Gruppen haben hier einen Vorzug vor Alleen, die, wenn sie bejahrt werden, oben zuwachsen, und die Luft so leicht feucht und dumpfigt machen. Es darf hier nicht an Schatten fehlen; nur soll er nicht überall herrschen. Demnach müssen die Gruppen sich nicht zu eng an einander schließen, sondern viele offene und heitere Zwischenräume lassen welche die Luft durchstreicht und die Sonnenwärme erfreut. Sie müssen aus keinen traurigen Nadelhölzern, sondern aus Bäumen mit hellem schönem Laub, aus lebhaft blühenden und duftenden Sträuchern und Blumen zusammengesetzt werden. In einem Hospitalgarten muß alles zum Genuß der wohlthätigen Freuden der Natur, zum frohen Vergessen aller Schwachheiten und Kümmernisse des Lebens, zu schönern Aussichten in kommende Tage aufmuntern; alles muß Heiterkeit seyn und Heiterkeit verbreiten. Keine Scene der Melancholie, kein Denkmal der Sterblichkeit darf sie hier unterbrechen. Die Zwischenräume der Gruppen können mit schönen Rasen, mit reichen Blumenpflanzungen belebt werden. Laute rieselnde Bäche können durch blumigte Reviere spielen, und fröhliche Wasserfälle aus schattigten Gebüschen dem Ohr entgegen rauschen. Viele Pflanzen mit stärkenden Wohlgerüchen können sich hier in große Gruppen vereinigen. Viele singende Vögel sind durch Schatten, durch Ruhe und Freyheit ihrer Wohnungen in diese Gebüsche zu locken; mit ihrem Gesang tönt Freude in das matte Herz. Zur Verzierung können einige wohlgebaute Sitze mit einem Vordach, oder ein heiterer Pavillon dienen, der über eine schöne Aussicht herrscht.

Noch könnten größere Hospitalgärten sehr schicklich mit Arzeneykräutern bepflanzt werden. Dem Kranken würde der Anblick der Pflanzen, welche die wohlthätige Natur zu seiner Genesung bestimmte, nicht gleichgültig seyn; er würde sich bey ihrem Wachsthum interessiren, hier vielleicht eine Lieblingsstelle finden, die er oft mit Vergnügen besuchte. Man könnte mit dem Ertrag die Apotheke des Hospitals, vielleicht auch andere Apotheken versorgen, oder doch den Leuten, die für sie sammeln, bestimmt die Pflanzen hier zeigen, die sie zu suchen hätten. Viele Pflanzen dieser Klasse empfehlen sich noch durch stärkende Gerüche; und zum wenigsten würden sie hier keine unerwartete oder unschickliche Erscheinung seyn.

117 VI.
Gärten bey Begräbnißörtern.
1.

Man hat in Frankreich und Italien schon einen glücklichen Anfang gemacht, die schädlichen Begräbnisse aus den Kirchen und Städten zu verbannen. *) In der Schweiz hat die Obrigkeit von Genf das erste Beyspiel gegeben, die Todten außerhalb seiner Mauern zu begraben. Joseph, der Weise, hat verordnet, daß alle Begräbnißplätze aus der Hauptstadt verlegt, und selbst die Familiengrüfte in den Kirchen nicht mehr verstattet werden sollen. Dieß große Muster fordert die deutschen Fürsten zur Nachahmung auf. Auch ist man in einigen katholischen Provinzen des Reichs auf eine für die Gesellschaft so wohlthätige Veränderung bedacht. Werden die protestantischen Fürsten auch hier noch länger zögern können?

Die älteste Verschönerung der abgesonderten Begräbnißplätze ist die Bepflanzung mit Bäumen. Schon bey den Alten gehörte die Cypresse den Gräbern, so wie die Rose ein Bild des Vergnügens war; sie umpflanzten damit die Grabmäler, die sie nicht in düstern abgelegenen Winkeln versteckten, sondern an freyen Plätzen, die von vielen Menschen besucht wurden, und selbst an den Landstraßen anlegten, mit Monumenten und Inschriften belebten, und zugleich lehrreich machten.

Die Türken begraben außerhalb der Stadt. Sie geben sich viele Mühe, ihre Begräbnißplätze durch Bepflanzung mit wohlriechenden Gewächsen angenehm zu machen. Hasselquist fand, besonders auf den Gräbern bey Smirna, **) hohe Cypressenbäume überall sehr häufig, und eine unzählige Menge Rosmarinsträucher, die eben blüheten und einen vortrefflichen Geruch verbreiteten.

Man pflanzte ehemals in Schottland auf die Gräber, anstatt der Cypressen, den Taxusbaum. Er scheint schon lange dieser Bestimmung zu gehören. Die Alten ***) legten ihm schon die giftige tödtende Eigenschaft bey, die einige neuere Erfahrungen bestätigt haben, und andere wieder zweifelhaft machen. Die Dichter verdüsterten das Reich der Schatten mit Wäldern von diesem Baum; und Statius †) läßt eine Furie mit einem Brand von einem abgehauenen Taxus den abgeschiedenen Seelen auf dem finstern Pfade entgegen gehen, und sie mit dieser Flamme zur Todtengesellschaft einweihen. Es erhellt aus mehrern Zeugnissen bey den Alten, daß sie

————

*) S. 2ten B. S. 58.

**) Reise nach Palästina S. 36.

***) Caesar de bello Gallico VI. 30. Plinii hist nat. XIV. 10.

Theb. VIII. 9.

 

118 den Charakter dieses Baums besser kannten, als die Neuern, die noch jetzt ohne alle Ueberlegung ihn in ihren Lustplätzen stehen lassen. Seine freudenlose Unbeweglichkeit, sein finsteres Braun, das zwischen den weißen Grabsteinen und Trauermälern eine so ernste Feyerlichkeit verbreitet, bestimmt ihn zu einem Nachbar der Todten, und nicht zum Gesellschafter der Lebendigen.

Die Bepflanzung der Begräbnißörter fand Forster selbst auf der Insel Middelbourgh, so wie auf den Societätsinseln. Die Einwohner wählten dazu den Casuarinabaum. Und wirklich schickt er sich wegen seiner braungrünen Farbe und der langen niederhängenden Aeste, an welchen die schmalen und faserigten Nadeln dünn und traurig abwärts stehen, zu der Melancholie solcher Plätze eben so gut, als die Cypresse. Vermuthlich hat man auch in diesem Theil der Welt den Casuarinabaum, aus einer ähnlichen Verbindung von Ideen, zum Baum der Trauer ausersehen, als die Cypresse dazu gewählt ward. *)

Die Bepflanzung der Begräbnißörter diente nicht blos zur Bezeichnung der Stellen, wo der Rest von einem Geliebten versenkt lag, sondern auch zu einer gewissen Reinigung der Luft, indem die Bäume und Pflanzen die bösen Ausdünstungen vermindern, oder sie doch weniger schädlich machen. Sie locken zugleich zu einem längern Verweilen an den Plätzen, wo so viele rührende Denkmäler zu interessanten Erinnerungen und Betrachtungen auffordern, wo der Tod selbst die Weisheit des Lebens lehrt.

2.

Begräbnißplätze, die demnächst außer den Städten anzuweisen sind, müssen eine Lage haben, die reinigenden Winden den Zugang verstattet, und eine ruhige, einsame und ernste Gegend. Sie gehören zu der melancholischen Gattung von Gärten. Der Platz muß allerdings durch niedrige Mauern, oder Graben, oder Zaun eine Beschützung, aber keine ängstliche Einsperrung haben. Kein heller See, keine weiten fröhlichen Gefilde in der Aussicht, keine heitern Rasen in dem innern Bezirk. Ein finsterer angränzender Tannenwald, ein dumpfigtes Gemurmel fallender Wasser in der Nähe, vermehrt die heilige Melancholie des Orts. Die Bäume müssen durch braunes und dunkles Laub die Trauer der Scenen ankündigen; Nadelhölzer gehören besonders wegen ihrer Steifigkeit und ihres Ernstes in diese Pflanzung. Diese Bäume können bald einzeln über den Gräbern sich erheben, bald sich in dichte Gruppen und in kleine dunkle Hayne zusammen schließen, die zugleich von wohlriechenden Pflanzen duften. Diese Gruppen und Hayne können selbst die Gräber merkwürdiger Personen in sich fassen, und durch Denkmäler und Inschriften veredelt werden, die dem Spaziergänger Em-

————

*) Forsters Reise um die Welt &c. 4. Berlin 1778. 1ster B. S. 333.

 

119pfindungen oder Betrachtungen anbieten, die er auf der geräuschvollen Bühne der Welt nicht findet. Hie und da können über den frey liegenden Gräbern zerstreute Gruppen trauern, oder kleines Gesträuch mit stillem Mitleiden über den weißen Stein hinhängen. In den Gruppen können einsame Sitze am Fuß der Gräber stehen, und das Auge plötzlich auf eine überraschende Inschrift fallen lassen.

Bedeckte Hallen mit weinenden Bildern des Schmerzes in halb oder ganz erhabener Arbeit, oder mit kurzen rührenden Inschriften, oder mit erhabenen Lehren an den umher wandelnden Sterblichen; Trauergebäude, *) Todtenkapellen, Sitze der Melancholie, **) Denkmäler, ***) die sich hier häufen, und daher eine große Mannichfaltigkeit der Erfindung fordern, gehören zu den Verzierungen eines großen mit Geschmack angelegten Begräbnißplatzes. Sie können sich bald in den düstern Bezirk schattenreicher Pflanzungen verschließen, bald an der plötzlichen Wendung eines dunkeln Ganges überraschen, bald zwischen den Gruppen hin in der Ferne erscheinen, und das zweifelnde Auge zu sich rufen. Doch darf kein Monument entblößt und frey in seinem vollen Lichte da stehen; es muß sich halb hinter dem Schleyer eines Baums zu verbergen suchen, oder, von irgend einem Gesträuch beschattet, in einer kleinen Dämmerung zu schlummern scheinen. Diese Scenen sind hier einer großen malerischen Anordnung fähig. Die Lichter und Schatten fallen hier zwischen den dunkeln Pflanzungen und den weißen Steinen der Grabmäler stärker, und können zu außerordentlichen und lebhaft überraschenden Wirkungen vertheilt werden. Das Ganze muß ein großes, ernstes, düsteres und feyerliches Gemälde darstellen, das nichts Schauerhaftes, nichts Schreckliches hat, aber doch die Einbildungskraft erschüttert, und zugleich das Herz in eine Bewegung von mitleidigen, zärtlichen und sanftmelancholischen Gefühlen versetzt.

Sollte ein öffentlicher Begräbnißplatz, in diesem Geschmack veredelt, nicht eine verdienstliche Anlage bey Residenzen und andern großen Städten, nicht eine lehrreiche Schule für alle Klassen von Bürgern, nicht ein unterhaltender Spaziergang für den Weisen, nicht ein erwünschter Zufluchtsort der nachweinenden Liebe seyn,

Die allem feind, womit sich Menschen trösten,
Der Stille hold, worinn sie sich verschließt,
Und nie vergnügt, als wenn ihr Leid am größten,
In Thränen frey und unbehorcht zerfließt? †)

————

*) S. 3ten B. S. 56 und 57.

**) S. 4ten B. S. 90.

***) S. 3ten B. S. 139 u. s. w.

†) v. Haller.

 

120 Achter Abschnitt.

Gartenmäßige Verschönerung einzelner Theile eines Landsitzes.

I.
Vorplatz vor dem Lustschlosse oder Landhause.

Der Vorplatz vor einem Lustschlosse oder Landhause verdient Aufmerksamkeit, sowohl wegen seiner genauen Verbindung mit dem Gebäude, als auch, weil er ein Ort des Aufenthalts und des Vergnügens zu seyn pflegt. Ein jedes Gebäude von einiger Wichtigkeit verlangt einen Vorplatz, dessen Größe und Einrichtung von dem Werke der Architektur bestimmt wird. Ein edles Landhaus, das, ohne irgend einen geräumigen Vorplatz, unmittelbar an Kornfeld, Wald oder Gebüsch angränzt, verliert nicht wenig von der Wirkung seines Ansehens. Außerdem ist bey Gebäuden, dem Vergnügen des Landlebens gewidmet, ein Vorplatz fast unentbehrlich. Man tritt dahin in den heitern Stunden des ersten Lichts, oder in der milden Kühlung des Abends; man verweilt hier gerne, man spazieret umher, man unterredet sich, man lieset, man trinkt, man spielt. Der Vorplatz mit seiner Gegend darf demnach nicht leer, nicht dürftig seyn; er muß Unterhaltungen für das Auge und für den Geist haben.

 

 

121 Außer dem, was schon über diesen Gegenstand bemerkt ist, *) bieten sich uns hier noch verschiedene einzelne Betrachtungen an. Zwar ist es schwer, über Verschönerungen dieser Art allgemeine Grundsätze fesizusetzen, wornach man in jedem Fall sicher verfahren könnte. Fast eine jede Gegend hat ihren eigenen Charakter und ihre besondern Eigenthümlichkeiten der Lage und der Aussichten, worauf die Kunst bey ihren Verzierungen immer den Blick zu richten hat. Auch der besondere Himmelsstrich, die Winde und mancherley andere örtliche Umstände, der Charakter des Gebäudes, und selbst der Geschmack seines Besitzers können merkliche Abweichungen veranlassen. Indessen giebt es doch einige Regeln der Schönheit und des Geschmacks, die in den meisten Fällen eine Beobachtung zu fordern scheinen.

Lustschlösser verlangen, ihres höhern Charakters wegen, den sie von der Würde sowohl des Bewohners als der Architektur erhalten, einen größern, freyern und reicher verzierten Vorplatz, als ein Landhaus, die Wohnung des Adels oder des Mannes vom Stande. Je ansehnlicher und prächtiger das Gebäude ist, desto mehr muß sich sein naher Vorplatz durch Größe und Kunst der Verschönerung übereinstimmend heben. Auch ist es schicklich, vor dem Auge der Lustschlösser Aussichten von Weite und Pracht zu eröffnen.

Die Verschönerung der Vorplätze gehört zum Theil der Kunst zu, die hier Statuen und Gruppen von Bildern bald für sich bestehend, bald als Verzierung der Zugänge, oder der Springwasser, Vasen und andere Werke der Bildhauerey aufzustellen pflegt. Allein diese Werke schicken sich doch mehr für Lustschlösser und edle Landhäuser, als für Landsitze von einem mittlern Charakter. Sie müssen sich ausserdem nicht blos durch das Verdienst der Kunstbearbeitung auszeichnen, zumal da ihre freye Stellung sie der schärfern Beurtheilung aussetzt, sondern auch Vorstellungen aus den Scenen der schönen Natur und des Landlebens enthalten, wodurch sie der Bestimmung der Gebäude zuwinken; sie müssen ferner mit weiser Sparsamkeit und Wahl angebracht werden. Der glänzende Marmor oder der weiße Anstrich macht eine treffliche Wirkung, wenn sie auf grünen Rasen erscheinen.

Diese Rasen sind die angenehmste Bekleidung der Vorplätze. Ein sandigter Boden ermüdet und schwächt das Auge; Muscheln, Porzellanstücke, gefärbte Steine u. s. w. sind die elendesten Spielwerke der alten kindischen Manier; aber ein grüner Rasen ist liebliche Natur und Erfrischung für den Anblick. Und diese Rasen können bey allen Arten der Landgebäude von dem königlichen Lustschloß bis zu der bescheidenen

————

*) S. 3ten B. S. 9–14.

 

122 Hütte des Landmanns zum Teppich der Vorplätze dienen. Sie gewinnen ein schöneres Ansehen, wenn sie sich von dem Gebäude allmälig mit sanften Abhängen hinabschmiegen, und sich nach und nach an die Landgegend anschließen, oder sich darinn verlieren. Wenn sie in einer beträchtlichen Strecke fortgehen, so mögen sie hie und da zu kleinen Erhebungen, mit Blumen oder Sträuchern bepflanzt, aufschwellen, und sich wieder senken; nur dürfen sie in der Nähe des Gebäudes noch keine zu merkliche Ungleichheiten zeigen, noch dadurch den Genuß einer interessanten Aussicht mindern.

Auf den Rasen, zwischen welchen sowohl für die Zufahrt als auch für die Fußgänger feste kiesigte Räume sich öffnen müssen, machen bald kleine Sammlungen von Blumen, bald hingestreute Pflanzungen von niedrigen Sträuchern, bald Gruppen von Bäumen, die anmuthigste Verzierung aus. Nichts ist ländlicher, mannichfaltiger und reizender, als ein Vorplatz von dieser Verzierung; sie giebt ein Gemälde, das an die schmalen und einförmigen Oeffnungen der alten geraden Zugänge, wodurch man vom Landhause nicht ohne Mühe in die Landschaft hinausguckt, und an die verstutzten und halb kahl geschornen Bäume nur mit Ekel zurückdenken läßt.

L’acier a retranché leur cime verdoyante.
Je n’entends plus au loin, sur leur tete ondoyante,
Le rapide aquilon légèrement courir,
Frémir dans leurs rameaux, s’eloigner & mourir.
Froids, monotones, morts, du fer qui les mutile
Ils semblent avoir pris la roideur immobile.
*)

Blumen und kleine blühende Sträucher können bald rund umher den Rafen umkränzen, bald seine Winkel bedecken, bald nachläßig zerstreut sich hie und da mitten aus feinen Flächen emporheben.

Mehr Sorgfalt erfordern die Gruppen der Bäume, die den grünen Vorplatz schmücken sollen.

Hiebey ist zuvörderst zu bemerken, daß überhaupt ganz nahe dicke Wälder und große Gebüsche die Luft um ein Wohngebäude ungesund machen, daß sie aber von frischen Winden und freyen Sonnenstrahlen, denen der Zugang nicht verwehrt ist, rein erhalten wird. Die alten Umzäunungen der Landsitze mit hohen Mauern oder dumpfigten Alleen werden schon, auch ohne das Urtheil des Geschmacks, von der Regel der Gesundheit verworfen.

Demnach muß die Anpflanzung des Vorplatzes aus kleinen Gruppen bestehen, die Licht und erfrischende Lüste zulassen, und leichte Schatten werfen. Die Bäume

————

*) De Lille.

 

123 müssen, da sie dem Auge so nahe stehen, um einzeln beobachtet zu werden, schöne Stämme und einen angenehmen Wuchs haben; sie müssen durch das Grün ihres Laubes einen Contrast mit der Farbe des Rasens machen. Wo ein Baum einzeln erscheint, da mag er mit stärkerer Belaubung herabschatten, wie die Roßkastanie oder der amerikanische Platanus. Wo mehrere Stämme sich zu einer Gruppe vereinigen, da mögen sich Bäume mit leichtem oder gefiedertem Laube, wie die Zitterespe, der Quitschernbaum, die virginische Robinie, zusammen gesellen. Bäume mit leicht sich bewegenden Blättern, die mit jedem Lüftchen dem Auge ein angenehmes Spiel darstellen, und wankende Schatten und phantastische Malereyen auf den Boden hinstreuen, sodann Bäume mit heiterm Laube und mit wohlriechenden Blüthen schicken sich vorzüglich zur Anpflanzung auf Vorplätzen. Ein Spaziergang zwischen diesen Bäumen, ein Sitz unter ihrer lieblichen Beschattung ist überaus ergötzend.

Die Anordnung der kleinen, einzeln auf dem Vorplatze zerstreuten Gruppen, ist von den Aussichten, die man zum Genuß anbieten will, abhängig. Denn ein heiterer Himmel, eine freye Aussicht in die Landschaft, eine Entwickelung der Natur in ihrem ganzen Reiz, sind die Schauspiele, die hier das Auge sucht, und die nie schöner, als zwischen wohlgeordneten Gruppen des Vorgrundes, erscheinen. Bäume von hohem Wuchs und von besonderer Lebhaftigkeit des Grüns empfehlen sich am meisten zu Vorgründen, um die Wirkung des Perspectivs zu heben. Die Gruppen weichen aus einander, oder schließen sich näher an, je nachdem die Aussicht zur Verstärkung ihrer Wirkung eine größere oder geringere Oeffnung verlangt. Das vornehmste Verdienst der Gruppen, in so fern sie als Mittel der Verschönerung betrachtet werden, besteht darinn, daß sie die Landschaft in einzelnen Gemälden und ausgewählten Perspectiven zeigen, zur längern und mannichfaltigern Unterhaltung. Denn die ganze Masse einer großen Landschaft, die auf einmal überschaut wird, zerstreuet und ermüdet das Auge. Die Baumgruppen des Vorgrundes geben, zur Verschönerung der einzelnen Parthien landschaftlicher Scenen, noch den Vortheil, daß das Auge hier die sanftere Fortschreitung von der Dämmerung zum Licht gewinnt, und im Schatten wieder ruhen kann. Auch selbst die Wahl der Bäume nach der Farbe des Laubes und nach der Größe kann der Landschaft untergeordnet werden; denn die Farben des Vorgrundes sollen sich, zur Verstärkung der Wirkung, mit den Farben der Landschaft allmälig verbinden, wozu auch in den Zwischenplätzen kleine Klumpen von Gesträuchen wichtige Mittel werden.

Laufen nicht weit von der äußersten Gränze des Vorplatzes Wiesen ab, so geben diese die leichtesten und natürlichsten Verbindungen. Einzelne Bäume, die ohne Absicht, ohne Wirkung da stehen, oder gar die Uebereinstimmung des Ganzen stören, 124 sind wegzunehmen. Farben, die zu stark abstechen, müssen gemindert werden. Ein Gebäude, das eine zu starke Leuchtung hat, ist so lange durch einen Baum oder ein Gebüsch zu verdecken, bis die zu sehr blendende Weiße seiner Wände sich mindert, oder das harte Gelbe seines Strohdachs erbleicht, mehr in den Ton des Ganzen stimmt und sich damit verbindet. Wo auch ein unbeweglicher natürlicher Gegenstand der Harmonie des Ganzen Eintrag thut, da ist er durch eine Vorpflanzung zu verdecken. Ein kleines Gebüsch kann zuweilen, in einem bestimmten Abstand gepflanz, das misfällige Ansehen eines fernen dürren Sandhügels ganz verhüllen.

Eine weite Ebene, die ins Unendliche fortläuft, ermüdet das Auge, ohne es zu erfrischen. Ihre Einförmigkeit muß durch Anpflanzung von Baumgruppen, die sich durch Größe und Abstände unterscheiden, und ein in die Ferne sich verlängerndes Perspectiv geben, oder durch einige Gebäude oder Landhütten unterbrochen werden. Eine Heerde, die sich nahe auf der Flur umher zerstreut, kann schon einigen Begriff von Leben über den Anblick einer weiten leeren Landschaft verbreiten.

Der nahe Strand des Meeres ist hie und da durch Gruppen von Bäumen zu bepflanzen, die seine flache Einförmigkeit mindern. Man wähle Bäume, die im Sande fortkommen, als Birken und Fuhren oder gemeine Kiefern (Pinus sylvestris, L.), und hinter ihnen auf einem bessern Boden Eschen und Ahorne, welche die von den Winden herbey geführte Feuchtigkeit aufhalten.

Liegt hinter einem Gehölz eine Windmühle, ein Kirchthurm, ein Dorf oder eine Stadt, so läßt sich durch ausgehauene Oeffnungen auf diese Prospecte die todte Stille in dem landschaftlichen Gemälde vermindern. Die Vorstellung von Leben und Geschäftigkeit bricht hervor. Die Entdeckung reicher Hintergründe kann oft eine Landschaft erfrischen, und schon der bloße Anblick blauer Berge am Horizont erhebt die Seele.

Weite, offene, bebauete Felder mit Dörfern untermischt, geben ein lachendes Gemälde von Wohlstand und Freude; ein sich vordrängender dunkler Wald gewährt den Begriff von Ruhe und Einsamkeit; ein hell hervorbrechender See erregt das Gefühl von Heiterkeit und Freyheit.

Lauter Kornfelder, obgleich ihre Abtheilungen sichtbar, ihre Farben verschieden sind, geben doch nur eine einförmige Aussicht; unterbrochen mit Wiesen, mit Wald, mit Dörfern, gewinnen sie mehr Abwechselung und Reiz.

Die lebhaftesten Aussichten liefern ein Fluß und ein See; nur muß jener in einer beträchtlichen Länge erscheinen, und dieser nicht zu sehr in der Tiefe liegen, die ihn halb dem Auge entzieht.

125 Hügel, die sanft aufschwellen, sich in allmälige Vertiefungen senken, und dann wieder aufsteigen, stellen, von einer Höhe betrachtet, eine reizende Scene dar. Noch mehr gewinnt sie an Schönheit, wenn die hintern Anhöhen in mannichfaltigen Lagen sich über einander erheben, in ihren verschiedenen Absätzen, Flächen und Einbuchten die wandelbaren Lichter und Schatten sich brechen, und auf der obern Spitze ein dunkler Wald sich mit ernster Stirne an den Wolken mißt.

Von der Höhe des Landhauses der Blick auf eine Sammlung von Haynen und kleinen Wäldern, mit hellen grasvollen Zwischenräumen, hier zur Seite auf einen See, wohin sich die Gehölze von ihren Anhöhen herabneigen, dort auf eine Reihe von Wiesen, worinn einzelne Hütten sich im Schatten blühender Obstbäume verhüllen – welch eine entzückende Aussicht!

Die herrlichsten Hintergründe der Landschaft in der Ferne sind hohe dunkle Waldungen, blaue in den Duft sich verlierende Gebirge, das Meer mit seinen schwimmenden Palästen, deren weiße Segel zwischen dämmernden Wolken umher flattern. Der Charakter dieser Hintergründe reicht an das Erhabene.

 

 

126 II.
Feldspazierwege.
1.

Feldspazierwege, die in ihrer Einrichtung Bequemlichkeit und eine gewisse Schönheit vereinigen, sind ein sehr angenehmes Eigenthum eines adelichen Landgutes. Sie erfreuen das Auge durch die verlängerte Vorstellung von der Ausdehnung eines anmuthigen Rittersitzes, und kündigen dem Ankommenden, indem er den Boden betritt, sogleich den überall aufmerksamen Geist des Besitzers an. Sie können, indem sie nach allen Gegenden eines Landguts herumleiten, oft Spaziergänge von einer weit reichern Mannichfaltigkeit ländlicher Scenen, und einer weit höhern Schönheit der Aussichten darbieten, als der Park oder Garten selbst, nach ihrem mehr eingeschränkten Umfange, und oft nach ihrer Lage, nicht verstatten.

Schon die gemeine Einrichtung eines Landguts erfordert Wege zur Verbindung aller Theile; der Besitzer muß bequem in alle Gegenden kommen können, um ihre verschiedenen Benutzungen und die Arbeiten seiner Leute zu übersehen. Die Bequemlichkeit, die Reinlichkeit, die Anmuth, die in seinen Feldwegen herrscht, ist zunächst ein Vortheil für ihn. Ein sanft unterhaltendes ländliches Vergnügen begleitet ihn nun auf dem Wege, worauf ihn seine Geschäfte gehen heißen. Er kann mit seiner Familie, mit seinen Freunden, die ihn besuchen, zur gesunden Bewegung weite Spaziergänge ins Freye vornehmen, sie überall die Anmuth seiner Gegenden genießen lassen, und sie leichter mit der Uebersicht seiner ökonomischen Einrichtungen unterhalten.

Bequeme und anmuthige Feldspazierwege sind die geringste Anlage, die man in einem Landgute machen kann. Ein Rittersitz, der sonst keine Verschönerungen hat, sollte doch wenigstens in diesem Theil keine Vernachläßigung zeigen. Er kann seine dichten Wälder, selbst zum bessern Wachsthum ihrer Bäume, mit Spaziergängen eröffnen, und den zur Bearbeitung des Feldes und zur Einführung der Früchte unentbehrlichen Wegen eine Umpflanzung geben, worinn das Anmuthige zugleich das Nützliche umarmt. Es würde das Vorurtheil eines platten, gewinnsüchtigen Pachtergeistes seyn, wenn man glaubte, daß diese Gattung von Verschönerung, wenn sie von Ueberlegung begleitet wird, den nützlichen Ertrag der Ländereyen schmälerte.

2.

Die Feldspazierwege, die sich bald für den Fahrenden und Reitenden erweitern, bald sich in Pfade für die Fußgänger verengen, gewähren auf gewisse Weise die Ergötzung einer kleinen Landreise. Sie können alle Abwechselungen von Scenen und 127 Aussichten einer wohlangebaueten und reizenden Landschaft unter ihren Gesichtspunkt fassen, und auf den Gewinn dieses Vortheils muß ihre Anordnung, so viel als möglich, gerichtet seyn. Sie können bald zwischen duftenden Wiesen und fruchtbaren Kornfeldern, bald auf heitere Anhöhen, bald neben erfrischenden Gewässern hin, bald in die Kühlungen eines schattigten Waldes, bald einer heerdenreichen Weide vorbey, bald durch ein schönes reinliches Dorf führen. Wo irgend die Ueberraschung oder die allmälig sich erweiternde Wonne einer reizenden Aussicht zu gewinnen ist, da muß der Weg, wenn ihn nichts hindert, sich hinwenden, um sie aufzufassen. Es ist oft leicht, die Fehler der Aussichten durch Pflanzungen zu verbergen, oder sogar zu verbessern. Zuweilen wird das Auge durch einen Haufen einzelner, unordentlich zerstreuter, krummer, oder von dem Raub der Zeit und der Gewitter halb zerstörter Bäume, die auf den Feldern stehen, aufgehalten und beleidigt. Man haue sie weg, da sie keinen schönen Vorgrund bilden; man pflanze hie und da kleine Gruppen von andern nützlichen Bäumen hin, die das Auge ergötzen und es zwischen ihnen hin nach malerischen Durchsichten in die Ferne locken. Ein kahler Hügel hat ein todtes Ansehen; werden einige Bäume mit wallendem Laube an seinen Abhängen hingepflanzt, so gewinnt er Leben. So kann ein kleiner Wasserfall, der ohne viel Mühe von einem durchlaufenden Bach in einem Wiesengrund angelegt wird, in seiner Nähe umher eine sehr angenehme Wirkung haben.

Waldgänge gehören zu den anmuthigsten, weil sie den Schatten geben, der auf den offenen Feldspazierwegen fehlt. Denn diese verstatten nicht überall Umpflanzung; und in den mildern Stunden des Morgens und des Abends, die nur das Streiflicht verschönert, und keine blendende Glut des Lichts beschwert, ist uns der Anblick der offenen Fluren und der weiten Gewölbe des Himmels nicht wenig erfreulich. Waldgänge müssen übrigens sich nicht weit von dem Nachläßigen und Wilden ihrer Gegend entfernen; jeder Anschein einer gesuchten Regelmäßigkeit ist hier schon ein Eingriff in das Vorrecht der Natur; und felbst ein langer gerader durchschneidender Weg, der keine öffentliche Landstraße ist, beleidigt das Gefühl, indem er ohne Noth die Schönheit eines Gehölzes zerstört. Ganz nahe an dem Weg müssen hin und wieder wilde Rosen, der Spindelbaum, das Geißblatt und andere vorzügliche Sträucher mit dem Untergebüsch sich mischen, oder wohlriechende und schönfarbigte Feldblumen in dicken Klumpen zusammengepflanzt werden.

Die im Freyen laufenden Feldspazierwege sind, wie oben bemerkt ist, nicht überall einer schattigten Umpflanzung fähig, weil das Nutzbare, das hier gebietet, die Verschönerung zuweilen nicht neben sich zuläßt. Allein diese Wege können bald mit einträglichen Fruchtbäumen auf den Seiten eingefaßt werden, bald zwischen 128 ganzen Gruppen von ihnen fortlaufen, bald einen großen Baumgarten durchstreichen, wo das Auge sowohl von den mancherley Blüthen, als auch den reifenden Früchten, sehr angenehm unterhalten wird. Auch zwischen den Feldern können ansehnliche Klumpen von Obstbäumen erscheinen, und in gewissen Entfernungen vom Wege die Aussicht erfrischen. Kleine Zäune können sich hier selbst von Fruchtsträuchern bilden, und zuweilen mit neuer Anmuth neben den Lustpfaden hinlaufen. Doch muß alles mehr sorglos hingestreut, als bedächtig angepflanzt scheinen, und sich dem freyen und ungeschmückten Reiz der Landschaft nähern. In den weitern Entfernungen von den Wohngebäuden und den Dörfern sind die Pflanzungen, welche, so überlegt sie auch seyn mögen, doch den Anschein eines natürlichen Entstehens haben, jeder genauen Regelmäßigkeit vorzuziehen, und daher hat selbst eine wilde Gruppe von Fruchtbäumen einen Vorzug vor einer Allee, die aus eben diesen Bäumen besteht. Die Natur zeigt oft in der Bildung ihrer wilden Pflanzung so viel Schönheit, daß der Kunst fast nichts zum Zusatz oder zur Abänderung übrig bleibt.

Buschigte Umzäunungen der Feldwege ergötzen das Auge auf eine mannichfaltige Art. Im Frühling sind ganze Stellen dieser Gebüsche von den Blüthen des Schleedorns und des Weißdorns überschneyt, und den erhöheten Rand der Zäune zieren Veilchen, Schlüsselblumen, Maßlieben, und die Blüthen der Erdbeerpflanzen. Im Sommer begrüßen die wilde Rose, der Hollunder und das Geißblatt mit ihren Wohlgerüchen den Vorbeygehenden. Und im Herbst weidet sich sein Auge an den Farben der beerentragenden Sträucher. Zugleich sind diese Umzäunungen der Aufenthalt vieler Singvögel, die den Weg beleben.

Feldspazierwege müssen besonders zu den angenehmsten Stellen eines Landsitzes umherleiten und sie mit einander verbinden. Solche Stellen können durch ein Gebäude, durch einen Sitz, durch ein Geländer am steilen Abhang, und durch irgend ein anderes Merkmal der Bezeichnung dem Auge ankündigen, daß sie sich durch ihre Schönheit über die übrigen Gegenden erheben. Eine Hütte, ein Borkhaus, oder ein anderes ländliches Gebäude kann zugleich zur Aufnahme einer Gesellschaft eingerichtet werden. Es hört sodann auf, blos ein Gegenstand der Verzierung zu seyn; selbst die Bezeichnung des Orts ist nicht mehr seine einzige Bestimmung; es wird zugleich durch seinen Nutzen erheblich, indem es bey dem Ueberfall eines Regens seinen Schirm anbietet, und zu gesellschaftlichen ländlichen Ergötzungen dient; und liegt es in einiger Entfernung von dem Wohnhause, so behält es, da es kein beständiger Prospect ist, noch einen gewissen Reiz der Neuheit, den oft die nächsten Plätze, die am meisten besucht werden, allmälig zu verlieren pflegen. Ein solches Gebäude kann zuweilen in einem besondern Theil die Wohnung eines einzelnen alten Greises ent129halten, der hier seine letzten Tage verlebt, oder eines noch geschäftigen Mannes, der eine benachbarte Baumschule zu warten oder eine andere ländliche Anstalt zu bewachen hat.

Zu dieser Gattung von Anlagen gehören noch Feldthore und Brücken. Sie dürfen hier nichts von der Zierlichkeit und Feinheit fordern, wozu sie in den ausgebildeten Auftritten der Gärten berechtigt sind, sondern verlangen vielmehr einen gewissen rohen und einfältigen Charakter der Bauart. Feldthore bey Eingängen in ausgedehnte Fluren und Gehölze müssen sich durch ein größeres Ansehen von Stärke und Festigkeit auszeichnen; sind sie ein Zubehör kleiner Bezirke von Wiesen, von Pflanzungen und Baumgärten, so können sie sich schon durch mehr Leichtigkeit und landmäßige Zierde unterschelden. Sie können hier selbst einen weißen Anstrich fordern, da sie im ersten Fall sich mit dem weniger lebhaften Grauen begnügen.

Fast eben so verhält es sich mit den Brücken. Sie können bald aus unbeschälten Knöppeln, bald aus einem Brete mit einer gemeinen Lehne, bald aus rohen über einander geworfenen Feldsteinen, bald aus gemauerten Bögen gebildet werden. Sie müssen mit Sicherheit und Bequemlichkeit bald ein starkes, bald ein leichteres, bald ein ganz rohes, bald ein etwas geschmücktes Ansehen verbinden. Ihr verschiedener Charakter richtet sich nach den Gegenden, wo sie angelegt sind, und nach den Oertern, wohin sie führen. Eine ganz rohe, aus unbehauenen Bretern oder alten Baumästen hingeworfene Brücke schickt sich für die wilde Gegend eines Waldbachs; eine starke Steinbrücke ist dem Zugang in ein Dorf oder zu einer Wassermühle an einem reißenden Strom angemessen; und eine leichter von Holz gebauete weißangestrichene Brücke mit einem hübschen Geländer kündigt die Nähe einer zierlichen Meyerey an.

3.

Die vielen Gelegenheiten zur Verschönerung der Landgüter müssen unstreitig die Liebe des Adels zum Aufenthalt auf ihnen beleben. Nichts war langweiliger, als die Monotonie der vorigen Gartenmanier, die sich auf einige Alleen und Hecken nahe bey dem Wohnhause einschränkte. Der Adel fühlte die Quaal der Langeweile, und suchte Zerstreuung; er eilte den Ergötzungen großer Städte zu, und verschwendete sein Vermögen. Die Güter verfielen in der Abwesenheit des Herrn. Er kehrte zurück, entkräftet und ohne Mittel zu ihrer Verbesserung. Jetzt, da der Geschmack an Verschönerungen sich zu verbreiten beginnt, fängt auch der Adel mehr an, seine Besitzungen auf dem Lande zu lieben, und sie den kostbaren Zerstreuungen der Stadt vorzuziehen. Ich habe zuweilen gesehen, wie junge Herren, die nur für die Freude der großen Welt und der Höfe geboren zu seyn schienen, bald sich dem Zauber ent130rissen, zu ihren väterlichen Gütern zurückkehrten, und hier mit Geschmack und oft mit einer Art von Begeisterung zu bauen und zu pflanzen anfiengen. Sie fanden hier nicht bloß Beschäftigung, sondern auch Unterhaltung und mannichfaltiges Vergnügen. Die Bewohnung und Verbesserung der Landgüter, die sie von ihren Eigenthümern selbst erhielten, ist nicht selten schon eine Folge von der Ausbreitung des neuen anziehenden Gartengeschmacks gewesen. Der Reichthum, der sonst nur die unnütze Pracht und die Verschwendung in den Residenzen unterhielt, kehrt nun zu seiner wahren Quelle wieder zurück, nährt den nützlichen Landmann, vermehrt glückliche Familien, schafft fruchtbare Pflanzungen, erweitert alle Vortheile des Landes für den Besitzer, und beglückt noch mit ihrem Genuß die ferne Nachkommenschaft.

III.
Meyerey.
1.

Als sich die Gartenbegriffe, die lange so eingeschränkt waren, als der enge Umfang der Gärten selbst, zu erweitern anfiengen, und aus den größern Parks der Geschmack an Verschönerungen sich auch in die umliegenden Plätze allmälig verbreitete; lernte man bald einfehen, daß alle Theile eines Landgutes eines gewissen Schmuckes fähig sind. Die zufälligen Schönheiten einer malerischen Lage, die hie und da zuweilen dem Auge aufstießen, unterstützten diese Bemerkungen noch mehr. Einzelne Verschönerungen der Kunst, die hin und wieder in den Landgütern oft eben so zufällig entstanden, entdeckten, was man in Ansehung des Ganzen ausführen könnte, ohne dem Nützlichen Eintrag zu thun. Schon der zierliche weiße Anstrich eines Pachterhauses, der sein Ansehen gegen das dunkle Grün eines hinter ihm liegenden Waldes auszeichnete, reizte den Blick in der Ferne und erregte zugleich eine angenehme Vermuthung von der innern Reinlichkeit. Der gute Geschmack der Architektur fieng, besonders in England, an *), sich auch über Meyereyen, Pachterwohnungen und die zur Landwirthschaft gehörigen Gebäude auszubreiten. Man sahe

————

*) Dieß zeigen unter andern folgende Architekturwerke. Useful Architecture for Erecting Personage-Houses, Farm-Houses and Jans etc. by William Halfpenny, Architect and Carpenter. 8. London 1760 mit 20 K. T. 3te Ausgabe. Die 2te Ausgabe kam unter dem Titel: Twelve beautiful Designs for Farm-Houses etc. zu London in 4. 1759 heraus. The Gentleman and Farmer’s Architect: a new Work. Containing a great variety of useful and Genteel Designs. Being cor-

 

131 demnach, daß ein Viehhof in einem buschichten Gehölze oder eine Menagerie vom zahmen Geflügel in einem waldigten Winkel nebst der Hütte des Aufsehers ein angenehmes ländliches Gemälde machten, daß ein Milchhaus im Schatten durch Lage und Bauart ein gefälliges Ansehen gewinnen konnte, daß sich überall in das Nützliche einige Verschönerungen einstreuen ließen, ohne den wirthschaftlichen Gebrauch einzuschränken.

2.

In England war es der vortreffliche Whately *), der zuerst einige richtige Bemerkungen über diese Verschönerung einer Länderey oder Meyerey (ornamented Farm) bekannt machte. Viele von den größten Schönheiten der Natur, sagt er, werden in den Feldern gefunden, und sie begleiten die gewöhnliche Verfassung des Landbaues. Waldung und Wasser kann hier in verschiedenen Gestalten und Lagen gezeigt werden. Man kann die Umzäunungen erweitern oder theilen, und ihnen alle Einfassungen geben, die man nur will. Eine jede kann ein angenehmes Stück Landes ausmachen, und zusammen können sie reizende Aussichten erzeugen. Die Saatfelder, die Triften, die Wiesen können auf einander folgen, und zuweilen kann, ohne eine Unschicklichkeit zu besorgen, eine kleine Wildniß mit untergemischt werden. Kurz, hier findet eine jede in einem unbezäunten Lande nicht ungewöhnliche Schönheit Statt, sie mag nun aus einer Vernachläßigung oder aus einer Verbesserung entstehen. – Auch die Gebäude, die in einer solchen Landschaft häufig vorkommen, sind oft reizende Gegenstände. Die Kirche und der Landsitz gehören zu den ansehnlichsten. Selbst die Wirthschaftsgebäude, wenn sie sich in einer vortheilhaften Lage befinden; die Ställe, Scheunen und Nebengebäude, wenn sie mit der Absicht, sie in Gruppen zu verbinden, angelegt sind, (und sie lassen sich mit Bäumen sehr schicklich verbinden) machen zusammen eine malerische Zeichnung aus. Einige von solchen Gebäuden können von der Gruppe getrennt, und hie und da in den Feldern angebracht werden. Das Taubenhaus oder der Milchkeller können von den übrigen abgesondert seyn; sie können in ihrer Anlage schön seyn, und überall, wo sie die beste Wirkung haben, hingebauet werden. Eine gewöhnliche mit einer Menge von Bäumen begleitete Scheune ist bisweilen in der Ferne sehr schön; eine holländische Scheune ist es in der Nähe; und ein Heuschober ist insgemein in jeder Lage ein an-

————

rect Plans and Elevations of Personage and Farm-Houses by T. Lightoler, Architect. London. 4. 1764 mit 25 Kupfertafeln, worunter N. 2 und 9 die besten Vorstellungen enthalten. Designs and estimates of Farm-Houses etc. by Daniel Garret. 2te Auflage fol. London 1759 mit 9 Kupfertafeln.

*) Observations on modern Gardening S. 161. u. f.

 

132genehmer Umstand. Diese alle können einzeln angebracht werden; und außer ihnen sind alle Arten von Bauerwohnungen schicklich. Unter so vielen Gebäuden können einige zu andern Absichten angewendet werden, als ihre scheinbare Einrichtung anzuzeigen scheint; und ihre äußerliche Gestalt mag beschaffen seyn, wie sie will, so können sie doch inwendig einen angenehmen Ort des Aufenthalts, zur Erfrischung, zum Zeitvertreibe, oder zur Bedeckung vor dem Wetter, abgeben.

Diese Bemerkungen begleitet Whately mit der Beschreibung von Woburn, bey Meybridge in Surry, die er für die vollkommenste Ausführung in dieser Gattung von Verschönerung hält, nachdem er vorher eine Schilderung von den berühmten Leasowes *) oder Hinterfeldern gegeben.

Die geschmückte Länderey oder Meyerey zu Woburn enthält hundert und funfzig Morgen Landes, wovon beynahe fünf und dreyßig bis auf den höchsten Grad verschönert sind; von den übrigen sind ohngefähr zwey Drittheile zu Tristen, und das dritte zum Ackerbau bestimmt. Dennoch aber verbreiten sich die Verzierungen über ein jedes besonderes Stück. Denn sie sind längst an den Seiten eines Spazierganges angebracht, der nebst seinem Zubehör einen breiten Zirkel rund um die Triften beschreibt, und durch Saatfelder, wiewohl viel schmaler, fortgeführet ist. Dieser Weg ist eigentlich ein Garten; alles innerhalb desselben ist Länderey, welche ganz an den zwo Seiten eines Berges und auf einer Ebene an dem Fuße desselben angebracht ist. Die Ebene ist in Felder abgetheilt; und die Triften nehmen den Berg ein. Sie werden von dem Spaziergange eingeschlossen, und von einem andern Wege durchschnitten, der über die Höhe des Berges führet, welcher gleichfalls prächtig geziert ist, und die Triften in zwo Fluren theilet, deren jede ganz und gar mit Garten eingefaßt ist.

Diese sind von sich selbst einnehmend: in beyden hat der Boden eine sehr schöne Lage. Es wechseln theils Klumpen, theils einzelne Bäume darauf ab; und die Gebäude auf dem Spazierwege scheinen mit ihnen verbunden zu seyn. Auf dem Gipfel des Berges ist ein großes achteckigtes Haus; und nicht weit von demselben zeigen sich die Ruinen von einer Capelle. Von der einen Flur sieht man diese Ruinen, auf der Höhe eines gemächlich ansteigenden Hügels, auf den Seiten und im Rücken mit Gruppen von Bäumen eingeschlossen; von der andern erscheinet das Achteck auf dem hohen Rande eines steilen Absturzes und an der Seite eines artigen Hayns, der sich von dem Abhange herabneigt. Diese Flur wird auch noch durch ein zierliches gothisches Gebäude verschönert; die erstere aber unterscheidet sich durch das Wohnhaus, und durch eine Laube am Eingange. Und in beyden trifft man be-

————

*) S. den 4ten B. S. 247 u. f.

 

133ständig etwas weniger beträchtliche Gegenstände an, als Sommerhäuser, Hütten und Brücken.

Indessen aber sind die Gebäude nicht die einzigen Verschönerungen des Spazierganges. In einer ansehnlichen Strecke des Weges wird ihm die Aussicht auf das Land von einer dicken und hohen Hecke benommen, welche mit Geißblatt, Jasmin und andern wohlriechenden Gewächsen durchflochten ist, deren Zweige die dichrern Aeste der Hecke umwinden. Ein größtentheils mit Sande oder Kies bedeckter Fußsteig gehet in einer gebogenen Linie bald nahe unter der Hecke, bald in einer kleinen Entfernung vor derselben dahin; und der grüne Rasen zu beyden Seiten erhält von Gruppen niedriger Sträucher, von Tannen, oder den kleinsten Bäumen und oft von Blumenpflanzungen seine Abwechselung. Diese letztern sind nur allzu verschwenderisch herumgestreut, so daß sie dem Auge beynahe unangenehm werden; im Gegentheil aber erfüllen sie auch die ganze Gegend mit ihren Gerüchen, und ein jedes Lüftchen ist mit einem angenehmen Dufte erfüllt. Jedoch ist die Verzierung an einigen Orten weit gemäßigter: indem der Spaziergang durch größere Gehölze von immer grünen Waldbäumen, durch Gebüsche von hangenden Sträuchern, oder durch weit ansehnlichere lichte Pflanzungen dahin läuft. An dem einen Platze ist er vollkommen ungekünstelt, ohne einen einzigen Zusatz, ohne Kies, ohne einige niedrige Umzäunung, welche ihn von der übrigen Flur abschneiden könnten; denn er unterscheidet sich nur durch den Reichthum seines belebten Grüns, und durch die Sorgfalt, welche man auf seine Erhaltung wendet. In den Saatfeldern ist er gleichfalls grün und berafet, indem er der Richtung der Hecken folgt, welche die verschiedenen Stücke einschließen. Diese Hecken werden bisweilen durch blühende Gesträuche verdicket; und in jedem Winkel, oder offenen Platze, ist ein Rosengebüsch, oder eine bald dichtere bald zerstreutere Menge von Bäumen, oder auch eine Blumenpflanzung. Ist aber der Boden zur Verschönerung der Felder mit großem Fleiß zugerichtet worden; so hat man auf der andern Seite viele für einen Garten neue Gewächse von der Landgegend entlehnt; und die Sträucher und Blumen, die man der einen besonders eigen zu seyn glaubt, sind dem andern im reichen Ueberflusse mitgetheilet worden; und ihre Anzahl scheinet sich vermittelst ihrer Ordnung in so vielen und so verschiedenen Gegenden zu vervielfältigen. Dennoch aber würde ein eingeschränkterer Gebrauch derselben besser, und eine weniger ausschweifende Abwechselung reizender gewesen seyn.

Allein das Uebertriebene zeiget sich blos in den Einfassungen des Spazierweges. Die Scenen, durch welche er führet, sind wirklich schön, überall reich, und allezeit angenehm. Eine außerordentliche Munterkeit verbreitet sich über beyde Fluren; und 134 diese entstehet nothwendig aus der Menge und Pracht der auf denselben befindlichen Gegenstände, aus der Vorleuchtung der Gebäude, aus den Ungleichheiten des Bodens, und aus den Verschiedenheiten der Pflanzungen. Obgleich die Klumpen und Hayne für sich besonders sehr klein sind, so häufen sie sich doch oft vermittelst der Perspectiv, und ziehen sich in ansehnliche Gruppen zusammen, die in ihren Figuren, Schattierungen und Lagen reizend werden. Von der Höhe des Berges hat man zwo vortreffliche Aussichten vor sich. Die eine ist lustig und erstrecket sich weit über eine fruchtbare Ebene, die von der Themse gewässert und theils von dem St. Annens-Berge, theils von dem Schlosse zu Windsor unterbrochen wird. Eine Wiese von einem großen Umfange und von einer besondern Lebhaftigkeit liegt gleich vor den Augen in der Tiefe, indem sie sich zugleich bis an die Ufer des Flusses verbreitet; und jenseit desselben ist die Gegend mit Ländereyen, Dörfern und allen möglichen Spuren des Reichthums und der Bearbeitung angefüllt. Die andere Aussicht hat mehr Waldung. Ein Kirchthurm, oder die Thurmspitzen von Landwohnungen steigen bisweilen über die Bäume hinauf; und der verwegene Schwibbogen von der Waltonbrücke ist hier ein sehr deutlicher Gegenstand, der nicht nur ein sonderbares, sondern auch ein majestätisches Ansehen hat. Die auf der Ebene eingeschlossenen Felder erscheinen weit einsamer und stiller; ein jedes ist auf sich selbst eingeschränkt; und alle zusammen machen einen angenehmen Contrast mit der freyen Gegend, die sich über ihnen eröffnet.

Mit den Schönheiten, die einen Garten zu beleben vermögend sind, vermischen sich überall verschiedene Eigenschaften einer Länderey. Beyde Fluren sind voll davon. Das Schreyen des Hornviehes, das Blöken der Schaafe, und das Klingeln der Schellen erschallet durch alle Pflanzungen. Selbst das Geschrey des Federviehes ist nicht vergessen. Denn nicht weit von dem gothischen Gebäude ist ein Hünerstall von einer sehr einfachen Anlage angebracht; das auf dem Wasser lebende Geflügel hat man mit einem kleinen geschlängelten Flusse versorgt: und das andere gehet unter den blumigten Sträuchern an den Ufern desselben herum, oder suchet zerstreut auf der benachbarten Flur seine Nahrung. Die Fruchtfelder sind Vorwürfe, welche mit den Spuren aller ländlichen Verrichtungen prangen, die in einer Landgegend von der Saatzeit an bis zur Erndte erfordert werden. Allein, obgleich so viele Umstände von einer Länderey zusammen kommen, so fehlet doch die natürliche Einfalt derselben. Diese Eigenschaft verliert sich in einer solchen Verschwendung der Zierrathen. Ein ländlicher Charakter ist bey allen prächtigen Verschönerungen, die nur an einem Garten können verwendet werden, nicht zu erhalten.

135 3.

Einige Zeit nachher gab der malerische Watelet *) in Frankreich zuerst eine schöne Beschreibung von einer Meyerey (ferme ornée), die von den Ideen der Britten etwas abweicht, aber eine freye, leichte und anmuthige Zusammensetzung in seinem Gemälde macht.

Die Wohnung, sagt er, soll an dem Abhang eines Hügels liegen, von welchem man die Gebäude und die Behältnisse, wo die Wohlthaten der Natur aufbewahret und genutzet werden, leicht übersehen kann. Der Genuß des Landes muß ein Zusammenhang von unerkünstelten Begierden und von leicht erlangten Befriedigungen seyn. Die Wohnung, worinn Nutzbarkeit und Vergnügen sich vereinigen sollen, muß daher so gelegen seyn, daß man den ganzen Umfang der angränzenden Einrichtungen ohne Hinderniß entdecken kann. Gegen Mitternacht würde sie zu oft die Strenge eines beschwerlichen Windes erfahren. Gegen Abend würde der Glanz der brennenden Sonne, deren Strahlen die Gränzen des Horizonts blenden, den Blick ermüden und zurück stoßen. Aber die Aussicht zwischen Mittag und Morgen wird der Neigung, sich mit dem Anblicke der Landschaft zu beschäftigen, keine Hindernisse entgegen stellen, und diese Neigung wird durch die Leichtigkeit des Genusses genährt werden.

Diesem Vergnügen überlassen, werde ich gewahr, daß der Hügel auf Wiesen herunter steigt, durch die ein kleiner Bach sich schlängelt; daß der entgegen stehende Abhang angebauete Plätze, Weinberge darstellet, und auf dem Gipfel sehe ich Wälder, die nahe genug sind, um in mir das Verlangen, mich dahin zu begeben, rege zu machen. Auf eben diesem Gipfel sehe ich, aber in einer größern Entfernung, Kornfelder, die mir die Idee ihres Reichthums zubringen, ohne mich durch ihre Einförmigkeit zu beleidigen.

Nach diesem ersten flüchtigen Blicke sehe ich zurück nach dem Fuße des Hügels, wo ich mich befinde, und meine Augen verweilen sich bey der Meyerey.

Die Verbindung verschiedener Gebäude, Höfe, eingeschlossener Plätze, fesselt meinen Blick, und erregt meine Aufmerksamkeit. Ich steige vom Hügel herab; meine Einbildungskraft ist voll von schäferischen Ideen. Das Verlangen ist erregt, es kömmt darauf an, es zu unterhalten und zu befriedigen. Aber je vollkommener der Geschmack in der Gesellschaft ist, davon ich einen Theil ausmache, eine desto feinere Kunst muß angewendet werden. Das Nutzbare und das Angenehme müssen auf

————

*) Essai sur les Jardins S. 22 u. f. Fast um eben diese Zeit trug auch der ungenannte Verfasser von der Theorie des Jardins S. 113 u. 307 u. f. einige Vorschriften über diese Gattung von Verschönerung vor.

 

136 eine geschickte Art mit einander verbunden seyn, sich wechselseitige Hülfe leisten, und nie sich schaden. Von diesem Grundsatze unterrichtet, und besorgt, ihm gemäß zu handeln, hat der Besitzer alles schicklich geordnet, sogar die Wege, die er mich führen will. Dieß ist gleichsam die Exposition seines Romans. Die Abhängigkeit des Bodens, wo ich gehe, ist unmerklich gemacht, und die Wege schlängeln sich in sanften Beugungen. Sie führen nicht in einer geometrischen Direction zu dem Orte, wohin ich zu gehen gedenke; sie krümmen sich nicht genug, um mich aufzuhalten. Ist nicht das gerade dasjenige, was den Menschen am meisten gefällt? Nichts ist dem Gange unsrer Ideen ähnlicher, als die Wege, die man auf freyem Felde findet. Selten sind sie ganz gerade. Ein unentschiedener Zustand ist ohne allen Zweifel für uns viel bequemer, als die größte Genauigkeit, und viel natürlicher, als die Präcision.

Aber indem ich auf meinem geschlungenen und sanft abhängigen Wege fortgegangen bin, habe ich schon manche angenehme Aussichten entdeckt; ich habe sie nachher aus den Augen verloren, um sie mit desto größerm Vergnügen wieder zu finden. Immer finde ich mich gesichert gegen die Sonne durch Bäume, die von ungefähr da zu stehen scheinen, oder durch den Schutz, den mir kleine Hecken gewähren, welche mancherley angebauete Plätze umgeben. Ihre Verschiedenheit beschäftiget mich. Ich nehme Antheil an der Sorgfalt, mit der man sie unterhält. Ich fühle mich allmälig ermüdet, und eben itzt will ich still stehen, um besser zu genießen. Der Schatten einer Gruppe von Bäumen, wo ich eine Rasenbank und einen kleinen Springbrunnen finde, hält mich auf, und ladet mich ein, einige Augenblicke da auszuruhen. Ich setze mich nieder, ein wohlangebrachtes Gemälde ziehet meine Blicke an sich, und ich verlängere gern die nothwendige Erholung. So erhöht ein leichter Kunstgriff den Genuß, der sich auf Bedürfnisse gründet. Aber wenn die Absicht sich wahrnehmen lassen darf; so muß sie nicht zu deutlich in die Augen fallen. Einnehmen und nicht zwingen, dieß ist die Kunst aller angenehmen Künste. An Orten, die zum Spaziergehen bestimmt sind, müssen also die Abstände und glücklichen Zufälle die Nothwendigkeit der Ruheplätze entscheiden. Es muß scheinen, als ob ein bloßes Ungefähr ihnen ihre Gestalt und ihre Anmuth gegeben hätte. Bald wird man, als eine Veranlassung sich zu verweilen, einige außerordentliche glücklich gruppirte Bäume darstellen; bald eine Quelle, die, indem sie ihre Wasser vergießet, Kühlung verspricht und giebt; bald eine weite Aussicht, die einige Augenblicke erfordert, um sie zu durchlaufen; einen malerischen anziehenden Gesichtspunkt, einen unerwarteten Gegenstand, der die Schritte zurückhält, und die Blicke fesselt.

137 Jetzt, da ich bis an den Fuß des Hügels gekommen bin, werde ich die Gebäude des Meyerhofs gewahr, und die Sorgfalt, davon ich überall Spuren entdecke, nimmt mich immer mehr ein. Die äußern Mauern sind mit einer Aufmerksamkeit, die mich vergnüget, aufgeführt und unterhalten; die Steine sind mit Ziegeln vermischt. Diese Verschiedenheit hat Gelegenheit gegeben, eine Art von Grundmauer zu bilden, und oben einen Kranz anzusetzen. Hierdurch hat man dem ganzen Baue der Mauer eine Zierde zu geben gewußt, ohne sich von dem Charakter zu entfernen, der ihr zukömmt. Von dem Haupteingange sind, ohne viele Symmetrie, aber in der Figur eines halben Zirkels, große Bäume gesetzt, die einen Schatten um sich her verbreiten, den die Arbeiter und andere, die auf den Meyerhof kommen, oft nöthig haben. Einige Ruhebänke sind für sie angebracht; und im Schatten fließt ein Springwasser, das von dem Hügel herabgeleitet worden, in ein steinernes Becken, dessen Gestalt und Verhältnisse bey aller ihrer ländlichen Kunstlosigkeit gefallen. Wer in Italien gereiset ist, miskennt den Reiz nicht, welcher oft den gemeinsten Gegenständen durch die Einfalt der Massen, und durch die glückliche Beziehung der Haupttheile auf einander, mitgetheilet wird.

Nicht weit vom Springwasser ist eine bequeme Tränke für die nutzbaren Thiere, wenn sie bey ihrer Zurückkunft von der Weide, oder von der Arbeit, ihren Durst zu löschen und sich zu erfrischen nöthig haben.

Nun kommen wir in den Hof, der mit allen erforderlichen Gebäuden eingefasset ist. Die verschiedenen Bestimmungen derselben sind über ihren Eingängen angezeigt, so daß ich, mit Hülfe einiger Blicke, mich als einen Bewohner dieses Aufenthalts betrachten kann, dessen vornehmste Wesen ich auf einmal kennen lerne.

Ordnung und Reinlichkeit herrschen hier, aber ohne einige Bestrebung, die misfällt, oder beleidigt, wenn sie gezwungen oder übertrieben ist. Hier darf die Sorgfalt, die man für das Angenehme trägt, dem Nutzbaren nicht nachtheilig seyn. Es darf kein Gedanke darauf gerichtet werden, die Einkünfte einer Einrichtung, die sich als vortheilhaft ankündigt, ganz auf das, was nur zur Ausschmückung dient, zu verwenden; aber man muß auch die Nachläßigkeit und die Unreinlichkeit vermeiden, die schädlicher sind, als eine zu weit getriebene Sorgfalt, und unangenehme Ideen von Verlassung und Geiz erwecken.

Verschiedene Ausgänge, die ich im Hofe erblicke, beschäftigen meine Neugier. Hier sind besondere Höfe für die Ackerpferde, für andere dienstbare Thiere, und für die Aufbewahrung ökonomischer Geräthschaften bestimmt.

138 Mitten durch diese Höfe erblicke ich außerhalb Fußsteige. Ich sehe Gras, Gebüsche, Blumen. Dieß reizt mich auf verschiedenen Wegen fortzugehen, die ich mit Rasen und Bäumen eingefasset finde. Diese Wege leiten mich zu Triften, die mit Vieh bedeckt sind; sie führen zu Gebäuden, die, wie von ungefähr in das Gebüsch gestellt, meine Neugier reizen, und sich um den Vortheil, meine Wahl zu bestimmen, zu streiten scheinen.

Bäche, die die Triften befruchten, durchkreuzen die Wege, die sich mir darstellen, und kleine kunstlose Brücken, deren jede immer eine andere Gestalt hat, verschaffen mir den Uebergang. Bald gehe ich an einer Hecke von blühenden Sträuchen hinunter, die ich an einem so ländlichen Orte zu finden nicht vermuthete. Bald sehe ich mich in einem schattigten Gange von Weiden und Pappeln, die durch die Verschiedenheit ihrer Gestalten dem Auge die malerische Mannichfaltigkeit darstellen, die man niemals vernachlässigen soll. Bald finde ich an dem Wege, den ich gehe, von einander abstehende Bäume, welche Weinstöcken zur Unterstützung dienen. Die Reben, welche sich durch Hülfe der Zweige, um die sie sich schlingen, ausbreiten, vereinigen und kräuseln sich, um dem Auge zu schmeicheln, und das Verlangen zu beleben, indem sie die Reichthümer, womit sie beladen sind, unter einer gefälligen Gestalt erscheinen lassen.

So komme ich bis zu dem Orte, der für das Milchwerk bestimmet ist. Das Wasser fließet in die Melkerey, die so angebracht ist, daß große Hitze nicht in sie eindringen, und daß dagegen frische gesunde Luft in sie eingelassen werden kann. Die Ställe sind mit keiner ihrer eigentlichen Bestimmung nicht gemäßen Kostbarkeit aufgeführet; weder in ihrer äußerlichen Geftalt, noch in der Wahl der Materialien, ist etwas Gesuchtes. Ein jeder Begriff von Eitelkeit schwächt den Begriff vom Schäferleben, der hier der herrschende feyn muß. In Reinlichkeit und Ordnung bestehet der eigentliche Luxus, der bey diesem Theile der Länderey Statt findet. Die allein stehenden Scheuern sind nicht zu entfernt von den Ställen, und für Feuersbrünste gesichert. Die Triften sind nahe, und liegen an den Ufern des kleinen Baches, der sich durch sie schlängelt, und Fruchtbarkeit über das ganze Thal verbreitet.

Ein Behältniß für die Milch ist nicht weit davon. Von dichten Bäumen beschattet, durch einen nahen kühlen Fluß erfrischt, bietet dasselbe alles dar, was irgend eine ländliche Einrichtung angenehmes hat, und läßt ein wenig mehr Verzierung zu. Die Reinlichkeit ist daselbst zu unvermeidlich, als daß man es nicht entschuldigen 139 könnte, wenn sie ein wenig übertrieben ist. Man findet sich nicht beleidiget, wenn man Sorgfalt, und vielleicht auch Schmuck, an Gegenstände verschwenden sieht, denen die Natur selbst eine besondere Vollkommenheit mitgetheilet hat, und die uns an das Zeitalter und an den glücklichen Zustand erinnern, dessen reizende Schilderungen in den Werken der Dichter uns noch immer gefallen. Mit einem Vergnügen, das von den Ideen des Hirtenlebens erzeugt wird, nimmt man selbst an diesem Orte gern ein ländliches Mahl ein, bey welchem Milch und einige Früchte die vorzüglichsten Speisen sind.

Wenn meine Meyerey alles in sich vereinigen darf, was nutzbar ist, und zugleich gefällt; so wird in einiger Entfernung von dem Orte, wo man die Milch zubereitet, sich die Fabrik des Honigs befinden. Auf einem Platze, der mit einer blühenden Hecke umzäunt ist, stehen die Bienenkörbe auf Amphitheatern gegen Mittag, wohl verwahret auf der Seite der Mitternacht. Der ganze Platz enthält Pflanzen und Blumen, die die Bienen lieben. Thymian, Lavendel, Majoran, Weiden, Linden, Pappeln sind daselbst in Menge, und durchwürzen schon von fernher die Luft, die man einathmet. Hier ist der Luxus in Wohlgerüchen und Blumen eben so erlaubt, als an dem Orte, den wir eben verlassen haben, der Luxus in Reinlichkeit. So müssen die Wollüste, wenn sie die Vernunft nicht beleidigen sollen, in der Natur eine Unterstützung, oder einen Vorwand finden. Um das Bienenhaus her sind fruchttragende und wohlriechende Gebüsche gepflanzet, die dazu dienen, die jungen Schwärme aufzuhalten, wenn sie, aus ihren Körben entflohen, oder verscheucht, sich neue Besitzungen suchen.

Ein kleines, weder schnelles, noch tiefes, Gewässer befriedigt ihre Bedürfnisse, und verursacht durch leise Abfälle ein sich immer gleiches ununterbrochenes Geräusch, das sie an ihre Wohnungen fesselt. Alle benachbarte Plätze sind voll von Kräutern, die dem Honige gesunde Eigenschaften und einen feinen Geschmack geben können. Die Wiesen, in deren Mitte das Bienenhaus siehet, theilen ihnen überflüssige Nahrung mit. Das ist noch nicht alles. Ein kleines Gebäude enthält den Vorrath von Bienenkörben, die man im Winter verfertigt; das Laboratorium, wo, vermittelst einiger Gefäße und Oefen, der Honig vom Wachse gesondert wird; und endlich den frischen Ort, wo man denselben zu dem mannichfaltigen Gebrauche, wozu er bestimmt ist, aufbewahret.

In einem andern Theile dieser Gebüsche erheben sich einige andere Gebäude von weiterm Umfange. Sie sind für die Seidenwürmer, und für alles, was auf 140 sie Beziehung hat, bestimmt. Alle diese Einrichtungen sollen nicht von der Größe seyn, daß eine jede derselben die ganze Sorgfalt des Eigenthümers allein erforderte. Das Verlangen, Reichthümer zu erwerben, erheischet freylich weitläuftige Einrichtungen; alsdann werden große Bemühungen durch einen großen Gewinn belohnt, oder auch durch manchen empfindlichen Verlust vereitelt. Es giebt ein Maaß, das mit der Befriedigung des Menschen in besserm Verhältnisse steht. Sein wahres Glück wird immer in einem Zusammenhange von mäßigen Geschäften, Begierden und Erholungen bestehen; in geringern, aber nicht so theuer erkauften Vortheilen; in keinen rauschenden, aber in stillen und öfter genossenen Freuden. Ueberdieß wird die Mannichfaltigkeit und das Maaß, wovon ich rede, die wohlgeordnete Eigenliebe begünstigen, und denen, welche man genießen läßt, weit mehr schmeicheln, als Gegenstände, die Erstannen erregen und oft beleidigen. Ihr müsset nicht die Verwunderung, die von der Pracht erzeuget wird, in euren Gästen hervorzubringen suchen. Wenn ihr Vortheile, die mittlern Glücksumständen angemessen sind, ihnen darbietet, und mit ihnen theilet; so werden die meisten sie desto freyer genießen, je weniger sie dieselben zu groß für ihre Wünsche finden; und ihr werdet nicht, wie diejenigen, die mit übel verstandenem Ueberflusse prahlen, Gefahr laufen, Neid zu erwecken.

Aber indem ich mich von dem Orte entferne, wo ich die Seidenwürmer und ihre Arbeiten gesehen habe, die zur Hervorbringung der künstlichen Werke, in welchem Verstand und Fleiß sich vereiniget, angewendet werden, vernehme ich das Geschrey verschiedener Thiere, und ich richte meinen Gang nach dem Hofe, wo das Federvieh aufbehalten wird.

Wozu würden auch hier reiche Auszierungen und überflüssige Kunstwerke nützen? Absicht zieht natürlicher Weise die Aufmerksamkeit an sich, und bringt unfehlbar Theilnehmung hervor. Die Parkets sind geräumig und so wohl eingerichtet, daß ich die Gefangenen, die darinnen eingeschlossen sind, nicht beklage. Die seltenern Arten sind abgesondert, um die Geschlechter zu erhalten. Schatten in der Zeit der Hitze; Behältnisse, die gegen strenge Witterung schützen; Sand, Mist, Wasser; alles, was mich von der Glückseligkeit dieser nutzbaren Geschöpfe überzeugt, gewähret mir ein größeres Vergnügen, als künstlich gearbeitetes und vergoldetes Gitterwerk, als marmorne Wasserbecken, die bey der geringsten Hitze austrecknen, und, ohne einen wahren Nutzen zu verschaffen, Beweise einer zur Unzeit verschwendeten Pracht abgeben.

141 Nicht weit von dem Geflügel des Hofes ist der Ort, der für das Wassergeflügel eigentlich bestimmt ist. Canäle, oder ein Arm von dem kleinen Flusse, versehen diese Geschöpfe sowohl mit dem Nothwendigen, als mit dem Ueberflüssigen, das ihnen eigen ist. Auch sind die in ihren Aufenthalt geleiteten Wasser mit Weiden und Binsen eingefasset, und auf denselben befinden sich kleine Hütten, deren Anmuth und Bequemlichkeit sie dahin einladet.

Weiterhin befindet sich eine noch interessantere Einrichtung: ein Garten voll solcher medicinischer Pflanzen, die Menschen und Thieren am nothwendigsten sind. Sie sind sorgfältig gepfleget, in gewisse Reihen geordnet, und mit Zeichen versehen, so daß ich, in wenig Worten, mit ihrem Namen, mit ihrer Classe und mit ihren vornehmsten Eigenschaften bekannt gemacht werde. Diese Vorsorge, die sich mit der Menschenliebe, mit der Oeconomie und den Kenntnissen jetziger Zeit so wohl verträgt, veranlaßt mich, nicht ohne Rührung die Behausung zu besuchen, die für kranke Dienstboten bestimmet ist. Eine verständige Wirthschafterinn, und ein Mann, der die nothwendigsten Grundsätze kennet, und in dieser ganzen kleinen Gegend bey dringenden Nothfällen Hülfe zu leisten fähig ist, bewohnen nebst einigen Bedienten einen reinlichen Aufenthalt. Dieser unterhält ein Laboratorium, wo sich nicht die künstlichsten, aber die unentbehrlichsten Geräthschaften befinden; er sorgt für einen Vorrath von Wurzeln und Kräutern, die man stets bey der Hand haben muß; er hat eine medicinische Bibliothek, die ausgesucht und eben deswegen nicht zahlreich ist.

Der Ort ist luftig, geräumig und gesund. Einige ländliche Alleen dienen zu Spaziergängen. Am Ende derselben ist auf einer Anhöhe ein Bethaus, welches, auf verschiedenen Seiten des Thals, den zugleich malerischen und interessanten Anblick eines zur Danksagung für empfangene Wohlthaten gewidmeten Tempels darstellt. In der Nähe ist ein kleines Haus, in der Gestalt einer Einsiedeley, wo man ausruhen kann, wo man Stühle, einen Tisch und alles findet, was man bey der Verweilung von einigen Augenblicken nöthig haben kann.

Man übersieht nun die ganze Länderey, und man erinnert sich, indem man noch einmal die Blicke darauf heftet, der Empfindungen, die man darinnen hatte. Alsdann ist es sehr natürlich mit dem Weisen auszurufen: o! wie glückselig würden die Bewohner des Landes seyn, wenn sie den Werth der Güter besser schätzten, die sie genießen, oder doch genießen könnten! Man fühlt ein Verlangen, sich auf im142mer mitten in dieser Länderey niederzulassen. Der Besitzer hat sich, nahe bey der Einsiedeley, eine sokratische Wohnung errichtet. Sie dient ihm, sich von Zeit zu Zeit einen innigern und überlegtern Genuß aller dieser Auftritte aus dem Schäferleben zu verschaffen. Er kann sie mit einem Freunde theilen; denn wenn der Genuß von Freuden dieser Art eine gänzliche Einsamkeit verlangt, so störet sie doch nie ein Freund, mit welchem man von der Glückseligkeit, die man empfindet, sich bespricht; er vertritt die Stelle unsrer Seele; man sagt ihm, was man sich selbst zu sagen nöthig hat. Er ist das Ich, welches man personificirt, ohne sich einen Egoismus vorwerfen zu dürfen, und dieses empfindliche und reine Vergnügen wird lebhafter, indem man es mit einem andern theilt.

Die Wohnung, wenn sie den Namen verdienen soll, den ich ihr eben jetzt beygelegt habe, muß von der äußersten Simplicität seyn. Der Besitzer wird, indem er darinnen sich aufhält, selbst ein Mitspieler seines Auftritts aus dem Schäferleben. Bücher und ein Blumengarten sind die vornehmsten Ergötzungen, die er sich daselbst verschafft. Er wartet die Blumen, oder er findet ein Vergnügen daran, sie warten zu sehen; er lieset die Bücher, sich zu unterrichten, oder zu belustigen; er ist ganz frey von fremden Sorgen; er öffnet seine Seele den Eindrücken, die sie von den sie umgebenden Gegenständen empfängt. Aber weit von ihnen sind die heftigen Bewegungen, die ungebändigten Affecten, die der Glückseligkeit nachtheiliger und für die Tugend von traurigern Folgen sind, als die natürlichen Leidenschaften.

Er entferne sich von dem betäubenden und berauschenden Getümmel der Gesellschaften, wo Phantomen für Wirklichkeiten gelten, wo der Wahnsinn des Stolzes, der Ehrsucht und der Wollust für den natürlichsten Zustand angesehen wird. Er mache einen Waffenstillstand mit seinen Feinden; als ein freygelassener Sclave lasse er seine Fesseln hinter sich zurück. Er mische zum wenigsten in seine gewöhnliche Lebensart Tage der Einsamkeit, die ein so lebhaftes Vergnügen gewähren, wenn man es zu empfinden fähig ist, und ein so nützliches, wenn man davon Gebrauch zu machen weiß. Eine unschätzbare Anwendung der Muße und des Ueberflusses, dessen schwankende Idee verführt, und dessen wirklicher Gebrauch ermüdet, die man mit so vieler Begierde suchet, und die man oft so lästig findet, selbst wenn man sich des Genusses am meisten rühmt.

In diesen Augenblicken ist der Besitzer im Stande, Ordnung zu unterhalten, nöthige Anstalten zu tressen, Bedürfnissen abzuhelfen, befriedigte Menschenliebe, Einsichten und nützlichen Fleiß mit gleichen Schritten fortgehen zu lassen. Er sieht alles, er verbessert, er macht vollkommener, er verschönert, er erfindet, er bringt 143 hervor. Mit der wirthschaftlichen Aufmerksamkeit verbindet er mitleidige Sorgen; er thut Gutes, er empfindet die Süßigkeit des Wohlthuns, und die Zeit verfließet so schnell, daß ihm davon kaum zu einigen weiten Spaziergängen etwas übrig bleibt.

Indessen hat er sich noch interessantere Spaziergänge zu verschaffen gewußt. Längst an dem Ufer des kleinen Bachs geht ein gebahnter Weg hinunter, der sich, wie der Bach, schlängelt, und zu ländlichen Aussichten und wohlangebrachten Ruheplätzen führet; diese letztern sind zugleich zum Fischen eingerichtet, schatticht und bequem. Man findet daselbst die nöthigen Geräthschaften, und kleine Fahrzeuge, um die Fischer zu begleiten.

Auf andern Wegen hat man die Aussicht nach den verschiedenen Fabriken, die wir durchgegangen haben. Wenn er Lust hat, auf den Abhang sich zu erheben, der dem, von welchem er herabstieg, gegenüber steht; so findet er Brücken und Gänge, die, so wie der Boden sich erhebet, mit Kirschbäumen, Aepfelbäumen, und andern nützlichen Bäumen besetzt sind.

So weit Watelet.

Nachher konnte auch de Lille in seinem reizenden Lehrgedichte über die Gärten *) die Schilderung von einer wohl angelegten Meyerey nicht übergehen.

La ferme, le trésor, le’plaisir de son mâitre,
Reclamera d’ abord sa parure champêtre.
Que l’ orgueilleux chateau ne la dédaigne pas;
Il lui doit sa richesse; et ses simples appas
L’ emportent sur son luxe, autant que l’ art d’ Armide
Cêde au souris naïf d’ une vierge timide.
La ferme! A ce seul nom les moissons, les vergers,
Le règne pastoral, les doux soins des bergers,
Ces biens de l’ âge d’or, dont l’ image chérie
Plut tant à mon enfance, âge d’or de la vie,
Réveillent dans mon coeur mille regrets touchans;
Venez; de vos oiseaux j’entends déjà le chants;
J’ entends rouler les chars qui trâinent l’ abondance,
Et le bruit de fléaux qui tombent en cadence.

Ornez donc ce séjour. Mais absurde à grands frais,
N’ allez pas ériger une ferme en palais.

————

*) Les Jardins. Poeme. S. 87–89.

 

144 Elégante à la fois et simple dans son style,
La ferme est aux jardins ce qu’ aux vers est l’ idyle.
Ah! par les dieux des champs, que le luxe effronté
De ce modeste lieu soit toujours rejetté.
N’ allez pas déguiser vos pressoirs et vos granges.
Jeveux voir l’ appareil des moissons, des vendanges.
Que le crible, le van où le froment doré
Bondit aves la paille, et recombe épuré,
La herse, les traîneaux, tout l’ attirail champêtre
Sans honte à mes regards osent ici paroître.
Sur-tout, des animaux que le tableau mouvant
Au-dedans, au de-hors lui donne un air vivant.
Ce n’ est plus du château la parure stérile,
La grace inanimée et la pompe immobile:
Tout vit, tout est peuplé dans ces murs, sous ces toits.
Que d’ oiseaux différens et d’ instinct et de voix,
Habitans sous l’ ardoise, ou la tuile, ou lè chaume,
Famille, nation, république, royaume,
M’ occupent de leurs moeurs, m’ amusent de leurs jeux!
A leur tête est le coq, père, amant, chef heureux,
Qui, roi sans tyrannie, et Sultan sans mollesse,
A son serrail aílé prodiguant sa tendresse,
Aux droits de la valeur joint ceux de la beauté,
Commande avec douceur, caresse avec fierté,
Et fait pour les plaisirs, et l’ empire, et la gloire,
Aime combat, triomphe, et chante sa victoire.
Vous aimerez à voir leurs jeux et leurs combats,
Leurs haines, leurs amours, et jusqu’ à leurs repas.
La corbeille à la main, la sage ménagère
A peine a reparu; la nation légère
Du sommet de ses tours, du penchant de ses toit:
En tourbillons bruyans descend toute à la fois:

145 La foule avide en cercle autour d’ elle se presse;
D’ autres, toujours chassés et revenant sans cesse.
Assiègent la corbeille, et jusques dans la main,
arasites hardis, viennent ravir le grain.

Soignez donc, protégez ce peuple domestique.
Que leur logis soit sain, et non pas magnifique.
Que lui font des réduits richement décorés,
Le marbre des bassins, les grillages dorés?
Un seul grain de millet leur plairoit davantage. –
Ainsi nous plaít la ferme et son air animé.

 

 

146 4.

Man sieht, daß in diesen Beschreibungen einer geschmückten Meyerey die vornehmsten Grundsätze enthalten sind, welche diese Gattung von Verschönerung betreffen. Inzwischen lassen sich doch noch verschiedene Bemerkungen machen, die hieher gehören.

Wenn gleich die Landwirthschaft nach der Verschiedenheit sowohl der Gewohnheit und der Bedürfnisse der Länder, als auch des Umfangs und der Beschaffenheit der Gegenstände selbst, womit sie sich mehr oder weniger beschäftigt, sehr merkliche Abweichungen haben kann; so sind doch die vornehmsten Anstalten, die zu ihr gehören, fast überall dieselben. Das zur Wohnung bestimmte Gebäude muß sich von denen unterscheiden, die einen blos ökonomischen Gebrauch haben; und von diesem hängt zunächst ihre nothwendige Einrichtung ab. Sie müssen zugleich eine Lage haben, die ihrer Bestimmung angemessen ist. Alles, was zur Verschönerung ihrer Lage, ihrer Bauart und ihrer Außenseiten gethan wird, darf den wirthschaftlichen Gebrauch nicht einschränken.

Das Wohnhaus, das dem Landwirth und seiner Familie zum Aufenthalt dient, muß sich durch eine bescheidene und einfache Architektur auszeichnen. Sein äußerliches Ansehen muß Reinlichkeit und Wohlstand ankündigen. Es erscheint sehr vortheilhaft auf dem Abhange eines Hügels; doch kann es selbst in der Mitte einer Ebene, zwischen Fruchtfeldern und Wiesen, eine lebhafte Figur machen. Die Meyerey ist überall schicklich, wo sich ein fruchtbarer Boden befindet; doch liebt sie in ihrem Bezirk Höhen und Thäler, um eine Verschledenheit von Producten und um fließendes Wasser zu gewinnen. Alle übrige Gebäude, als Scheunen, Vorrathshäuser, Viehställe, Milchhaus, Taubenhaus, Hünerhaus, und andere Behältnisse für allerley zahmes Geflügel, können in bequemen Entfernungen von einander angelegt werden. Sie müssen mit einer gemäßigten Zierlichkeit, mit einer gewissen nachläßigen Einfalt und ländlicher Kunstlosigkeit gebauet seyn, und können mit Gruppen von Bäumen malerisch umpflanzt werden. Das Grün und die laubigte Umhüllung, woraus die Gebäude sich hie und da schöner hervorheben, erfreut das Auge, und der Schatten der Baumgruppen erquickt zugleich den Arbeiter und das Vieh, Fließendes und reines Wasser ist hier eines der ersten Bedürfnisse für die Thiere und für die Reinlichkeit; und ein ansehnlicher rauschender Bach, der in verschiedene Arme zertheilt und mit ländlichen Brücken in abwechselnder Gestalt belebt ist, übertrifft an Schönheit den Teich, der zwischen Schilf und überhängenden Birken und Weiden trauert, aber doch den wilden sowohl, als den zahmen Enten ein geliebter Aufenthalt ist. Alle die angeführten Gebäude können bald auf den Abhängen eines Hü147gels, bald in der Niedrigung, zwischen Baumgruppen und Wasser und Brücken und Wegen zerstreut, in bestimmten Gesichtspunkten sehr malerisch und als ein wohlgeordnetes Ganze erscheinen.

Wenn gleich Saatfelder zu dem Bezirke einer Meyerey gehören, so sind doch frische Wiesen und belebte Viehtriften besonders ihr Eigenthum; alle aber können in abwechselnden Mischungen ein reizendes Landschaftgemälde bilden, das durch mannichfaltige Schattirungen des Grüns und durch Scenen der Fruchtbarkeit, des Ueberflusses und der Freude ergötzt. Die Wiesen können, ohne ihre Nutzbarkeit einzuschränken, eine Bildung erhalten, wodurch sie schöner ins Auge fallen. Sie reizen weniger, wenn sie in einer steifen oder künstlichen Figur erscheinen, oder wenn ihr Umriß von allen Seiten sichtbar ist; sie reizen mehr, wenn sie sich in freyen Wendungen dahin schmiegen und sich hinter einem Wald, einem Hügel, oder Berg verlieren. Es verhält sich hier so, wie mit Rasen und Gewässern. – Viehweiden sind nirgends angenehmer, als zwischen den breiten Oeffnungen eines waldigten Berges, auf den Abhängen einer hin und her von Baumgruppen schattirten Höhe, und in den Ungleichheiten eines hügeligten Gefildes, das sich zu einem angränzenden Gewässer hinabzieht. Die abwechselnden Stellungen und Lagen der Viehgruppen, wovon einige die Kühlung der Höhe, oder eines Baums, andere die Erfrischung des Wassers suchen, einige grasend umher irren, andere sich zur Ruhe im Schatten strecken, die beständige Lebhaftigkeit des Auftritts, das frohe Gebrüll mit dem Geläute der Schellen, die fernher tönen, die Stimme des rufenden Hirten oder seines dienstbeflissenen Hylax, die lauten Scherze der Milchmädchen am Abend – alles dieß giebt hier einen so wahren, so belebenden Mitgenuß der Freuden des Hirtenlebens, als selbst die schönsten Gemälde eines Berchem oder Adrian von dem Velde vergebens anbieten.

Alle Pflanzungen um eine Meyerey sind auf das Nutzbare gerichtet, und das Anmuthige hat hier Platz, in so fern es zugleich nutzbar ist. Man sucht hier das Vergnügen nur in den Wohlthaten der Natur auf; sie finden, sie genießen, sie erhalten und vermehren, ist die Ergötzung des Landwirths. Findet er eine liebliche Blume, eine wohlriechende Pflanze, einen schön blühenden Strauch; so schmückt er mit ihnen einen kleinen Platz seines Fruchtgartens, oder eine Laube, oder einen kurzen Spaziergang, ohne daraus einen vorzüglichen Gegenstand seiner Beschäftigung zu machen. Er verwirft das Schöne nicht, das sich ihm anbietet; er nimmt es freundlich auf, aber er sucht es nicht mühsam.

Fruchtbaumpflanzungen sind ein wichtiges Erforderniß bey einer wirthschaftlichen Anstalt. Denn sie geben überhaupt einem Lande eine augenscheinliche und sichere 148 Erweiterung der Nahrung und des Handels. Ihre Vortheile vergrößern sich mit jedem Jahre, und verbreiten sich über die späteste Nachkommenschaft hinaus. Der Gewinn dieser Vortheile ist mit geringer Mühe, und fast nur im Anfang, verbunden; sie lassen sich in der Folge ohne erhebliche Anstrengung und Kosten, und ohne Zeitverlust einerndten. Die Obstbaumzucht ist keiner einzigen Arbeit des Landmanns hinderlich. In den Feyerstunden, die dem Landbau nicht gewidmet sind, kann er sich selbst zum Vergnügen mit seinen Fruchtbäumen beschäftigen. Sie bereichern seine Haushaltung mit einem mannichfaltigen, angenehmen und zugleich gesunden Vorrath zur Speise und zum Getränk, zum Viehfutter und zum einträglichen Handel nicht weniger, als die Feldfrüchte, die ihm Schweiß und Zeit kosten; sie hüllen seine Wohnung in die Ruhe eines anmuthigen Schattens ein; und spät spielen und sammeln noch seine Enkel unter eben den Stämmen, worunter er mit seinem geliebten Weibe so oft von der Arbeit ausruhete, so oft voll stiller Zufriedenheit in die Dämmerung der Zukunft hinaus blickte. Die Vortheile der Obstbaumzucht sind so groß und so zuverläßig, daß selbst in manchen Ländern, die schon mit Fruchtbäumen genug bereichert scheinen, ihre Anpflanzungen noch jährlich mit dem lebhaftesten Eifer fortgesetzt werden. In so vielen Provinzen von Deutschland sowohl, als auch von andern Ländern, nähren sich nicht allein die Einwohner sehr reichlich von der Obstbaumzucht, sondern gewinnen auch noch davon ein ansehnliches verzinsbares Vermögen *). Die Benutzung der Baumfrüchte ist so vielfältig und so sehr noch der Erweiterung fähig, daß sie eine eigene Abhandlung erforderte, die jedoch so wenig zu dem Plan dieses Werks gehört, als eine Anweisung zur Erziehung der Fruchtbäume selbst **).

Die Meyerey verstattet eine Anxflanzung von allen Gattungen und Arten der Fruchtbäume und Fruchtsträucher, nicht allein der gemeinnützigen, als Aepfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen, Hanebutten, Wallnüsse, Kastanien, sondern auch der seinen, die mehr zum Luxus des Geschmacks als zum Bedürfniß gehören, als Pfirschen und Apricosen, und die roh oder eingemacht zum Verkauf dienen. Sie ordnet die Pflanzung dieser Bäume und Sträucher in solchen Gegenden und Lagen an, die ihrem Fortkommen und Ertrag die vortheilhaftesten sind. Doch sind diese Gegenstände des Nutzens zugleich von einer ihnen eigenthümlichen Anmuth begleitet.

————

*) Viele Nachrichten davon findet man in meinem Gartenkalender schon von den Jahren 1782, 83, und 84.

**) Die besten neuern Schriften über die Obstbaumzucht, so wie über andere Zweige der ökonomischen Gärtnerey, findet man in den angeführten Jahrgängen des Gartenkalenders und in seinen Fortsetzungen angezeigt.

 

149 Sie schmeicheln dem Auge, dem Geruch und dem Geschmack, und der Spaziergang ist unter ihnen von der Blüthe im Frühling an bis zur Einsammlung der Früchte im Herbst überaus angenehm; und wenn sie schon ihre Schätze abgeliefert haben, so geben noch die malerischen Veränderungen in den Farben ihrer Blätter, ehe sie fallen, auf vielen Stämmen ein ergötzendes Schauspiel. Auch die Anordnung der Pflanzung kann zugleich zum Vergnügen gereichen, indem sie bald einzelne Bäume, bald Gruppen, bald ganze Hayne mit kluger Abwechselung erscheinen läßt; die grasreichen Zwischenräume hin und wieder bald mit Klumpen von Fruchtsträuchern, zwischen welchen bequeme Gänge sich winden, bald mit Rasensitzen, bald mit fließendem Wasser unterbricht; und bald durch die allmälige Fortschreitung der Cultur von der Saamenschule zur Pfropfschule, von dieser zum Baumgarten, von diesem zum Obstwald ergötzt, bald aber durch eine wohlgewählte Verbindung verschiedener Fruchtgattungen ein interessantes Gemälde darstellt.

Nicht weniger, als die Fruchtbaumpflanzungen, gehören Küchengärten und der Anbau von mancherley Gemüse in den Bezirk der Meyerey. Hier scheint allein das Nutzbare seine Herrschaft zu haben, und jeden Versuch von Verschönerung auszuschließen. Die Eintheilung in den Küchengärten ist gemeiniglich so methodisch, ihr Ansehen so einförmig, so wenig anziehend, daß nur allein die Vorstellung der Nützlichkeit das Auge an sie zu fesseln vermag. Dennoch kann diese wirthschaftliche Anstalt einen gefälligen Reiz erhalten, selbst außer dem Vergnügen, das schon die Bemerkung der Verschiedenheit der Gewächse, des allmäligen Fortgangs ihres Wachsthums, und die Erwartung ihrer Reifung giebt. Eine symmetrische Anordnung der Beete ist hier zulässig, obgleich nicht nothwendig; die verschiedenen Reviere schmiegen sich willig unter eine Mannichfaltigkeit von Formen, die ihnen ein nicht so künstliches und steifes Ansehen geben. Doch sind es vornehmlich die hohen Mauern, die gewöhnliche Einschließung der Küchengärten, die von allen Seiten ein gewisses finstres Wesen über sie ausbreiten; denn sie sperren sie in einen abgesonderten Bezirk ein, und heben ihre natürliche Verbindung mit den Annehmlichkeiten und Aussichten der umliegenden Gegend auf. Und doch ist es eben diese Verbindung der landschaftlichen Scenen, wodurch sie, unter dem Zauber ihrer bald contrastirenden, bald harmonisch sich verstärkenden und erhebenden, sich unter einander ersetzenden, vergütenden, verbessernden Wirkungen, einen so mächtigen Reiz auf den empfindenden Naturkenner gewinnen. Diese Verbindung einer Scene, sie sey anmuthig oder selbst misfällig, diese ihre Verbindung mit den benachbarten Gegenständen entscheidet für ihren Vortheil oder Nachtheil am meisten; so wie ein Bild auf das andere, ein Gedanke auf den andern Licht oder Schatten wirft. Warum lassen wir 150 diese Verbindung eines Küchengartens mit andern nützlichen Anpflanzungen, oder mit dem Reiz einer angebauten Landschaft, nicht zu unserm eigenen Bergnügen bestehen? Wozu das steife Viereck, worinn man nun immer einen Küchengarten einschließen zu müssen glaubt? Warum wird nicht mehr auf Boden und Lage, als auf Regelmäßigkeit, gesehen? Wozu diese hohen absondernden Mauern, so kostbar in der Aufführung und in der Erhaltung, so kalt von Ansehen? Können die wenigen Fruchtbäume, die an ihnen gezogen werden, ihre Kosten vergüten? Giebt nicht Wasser oder Graben oder Zaun schon Schutz genug? Lassen sie nicht die belebenden Lüfte freyer eindringen? Und können nicht Höhen oder Wald oder angepflanztes Gebüsch die Seiten decken, woher schädliche Winde stürmen? – Durch eine solche Veränderung würde der Küchengarten, diese Scene einer sorgfältigen Cultur und beständigen Geschäftigkeit, frey erscheinen, seine Monotonie und unschickliche Versperrung verlieren, an den Reizen und Aussichten der umliegenden Pflanzungen oder der Landgegend Theil nehmen, neue Annehmlichkeiten gewinnen und wieder mittheilen. Man empfindet diese Wirkung bey den Küchengärten in Holland, die oft blos mit einigen Zaunhecken oder einem Graben verwahrt sind, und in verschiedenen Gegenden von Deutschland, wo man mancherley Küchengewächse auf freyem Felde anbaut. Mit aller Ordnung, die in einem Küchengarten herrschen muß, und oft eine Art von Regelmäßigkeit erfordert, mit aller nöthigen Bequemlichkeit, sich jedem Gewächse nähern, es beobachten, und warten zu können, mit aller Reinlichkeit läßt sich zugleich so viel Anmuth vereinigen, daß auch Leute von Geschmack hier zuweilen mit Vergnügen verweilen. Alles, was ekelhaft und misfällig ist, muß entfernt, oder vor dem Anblick verdeckt werden. Nützliche Fruchtsträucher können bald die Gänge einfassen, bald eine scharfe Ecke verdecken, bald eine zu lange Linie unterbrechen, bald eine wohlgeordnete Gruppe bilden, die das Auge an sich zieht. Indessen muß kluge Oekonomie und Sorgfalt, jeden Platz aufs vortheilhafteste zu nutzen, verständige Aufmerksamkeit auf das Eigenthümliche bey jeder Gattung der Gewächse und ihrer Arten, und eine unabläßige Anstrengung, überall Wachsthum und Gedeihen zu vermehren, durch den ganzen Bezirk des Küchengartens hervorleuchten.

Alles muß rings um eine Meyerey her das volle Gepräge des Fleißes und der Cultur tragen. Jeder Fleck muß bepflanzt, besäet, oder auf eine andere Art benutzt seyn. Bey der Wohnung ist Schatten für den Menschen und das Vieh fast unentbehrlich, und ein angepflanztes wildes Wäldchen sehr erfreulich. Liegt eine Pfütze oder ein feuchter quellreicher Grund in der Nähe, so suche man ihn durch Ausgraben und Reinigung in ein nützliches Wasserstück zu verwandeln, oder, wenn dieß nicht ausführbar ist, ihn mit Weiden, Pappeln und Ellern zu bepflanzen. Es 151 ist kein Platz so öde, so unfruchtbar, der nicht irgend einer Cultur und Verbesserung seines Ansehens fähig wäre.

Endlich kann ein ansehnlicher Park sich mit einer Meyerey verbinden, so wie mit einem Thiergarten und mit einem Weinberg. Nur darf in den meisten Fällen der Uebergang nicht plötzlich seyn, sondern nur durch allmälige Fortschreitung sich vereinigen. Die Scenen, die jeder Gattung zugehören, ziehen durch den Reiz der Neuheit oder doch der Abwechselung an; allein sie stechen durch den Unterschied des Charakters zu merklich ab, und sind doch zugleich eines überraschenden Contrastes zu wenig fähig, als daß sie, ohne alle Verbindung, auf einander folgen könnten.

5.

Die Weiden, die Heerden, die hirtenmäßigen Beschäftigungen, die sanfte Einfalt, die ganze einnehmende Ländlichkeit einer Meyerey können einem dichterischen Geiste Veranlassung geben, hier zuweilen Nachahmungen des arcadischen Hirtenlebens anzuordnen. Diese Nachahmungen scheinen der höchste Grad der Verschönerung einer Meyerey zu seyn, oder vielmehr eine Anlage, die ihnen einen ganz neuen Charakter giebt. Sie hört auf, die blos nützliche und die geschmückte Meyerey zu seyn, sie wird die hirtenmäßige, die arcadische. Sie erneuert das Bild des theocritischen Weltalters, erinnert wieder an die Zeit der ersten Einfalt der Sitten, der harmlosen Unschuld des Schäferlebens und der ruhigen Genügsamkeit mit dem, was die Natur anbot.

Wie glücklich war man in den goldnen Jahren,
Da Könige noch Hirten waren,
Und Hirten Könige, durch ihre Heerden reich,
An Unschuld Schaf und Schäfer gleich *)!

Ohne Zweifel war damals der Landbewohner glücklich, glücklicher als er es jetzt seyn darf, oder auch seyn will. Die empfindungsvolle Zurückerinnerung an dieses Glück ist eine Wirkung dieser Anlage. Sie fordert anmuthige, ruhige und grasreiche Thäler und Hügel zur Weide der Heerden. Sie bildet Schäferhütten in den schönsten Lagen, Milchhäuser und reinliche Ställe. Sie gesellet den einsamen Hirten zärtliche Hirtinnen zu, die mit ihnen die Hütten der Einfalt und Liebe bewohnen. Sie giebt ihnen sanfte Sitten, reinliche und gefällige Kleidung, Spiele der Unschuld, zuweilen ein frohes Fest, von Gesang und Tanz begleitet, und immer einen Mittelstand des Glücks, der von Dürftigkeit und von Ueberfluß gleich entfernt ist. Sie ordnet die Feste nach dem Geschmack des ersten Weltalters an, Feste, wie sie Theocrit

————

*) Wernike.

 

152 und Geßner schildern. Sie entfernt alles, was auf Schmutz und Niedrigkeit fällt, was Armuth oder Unterdrückung ankündigt; sie bestreuet alles mit den Blumen der Anmuth. Sie stellt Denkmäler und an ihnen Inschriften auf, die sich auf die Fabel des Alterthums oder die Erzählungen der Idyllendichter beziehen. Sie mischt aber diese Gegenstände, Anspielungen und Inschriften nicht mit solchen, die aus neuern Zeiten und Ländern entlehnt sind; sie stellt Thomsons Urne nicht neben der Denksäule des Virgil. Sie giebt ihren Gebäuden kein gothisches, kein holländisches Gepräge, sondern den Stil der alten Architektur. Sie führt den Tempel des Pan in der länglichen Gestalt und in der Einfalt der dorischen Säulen auf, verziert seinen Eingang blos mit einer kleinen Hirtenflöte oder einem Schäferstock, und breitet über sein ganzes Ansehen Bescheidenheit und ländliche Einfachheit aus. Kurz, sie sucht eine reine und unvermischte Nachahmung des alten Hirtenlebens darzustellen, und, indem sie die lieblichen Bilder der Idyllendichter zurückbringt, die Einbildungskraft zu erfrischen, und durch die sanften Empfindungen zu rühren, die ein Eigenthum dieser Scenen sind. Ein schöner Versuch dieser Art waren die Leasowes oder Hirtenfelder des berühmten Shenstone; aber sie hatten noch manche Fehler und Mängel in der Ausbildung, als daß sie auf das Verdienst eines vollkommenen Musters Anspruch machen konnten.

 

 

153 IV.
Thiergarten.

In ausgedehnten Parks können Thiergärten sehr interessante Theile ausmachen, die, als dunkle Wildnisse und als starke waldigte Schattirungen, zur Unterbrechung dienen, und den Contrast heitrer Scenen fühlbarer machen; den Ernst ihres Ansehens mildern sie wieder durch die Vorstellung anmuthiger Schatten, die in ihrem Innern dämmern, der Bewohnung von mancherley Thieren, und der Jagdergötzungen, die sie anbieten. Allein ein Thiergarten kann auch als eine besondere Gattung von Gärten angesehen werden, als ein Ganzes, das von andern Anlagen in einem Landgute unabhängig ist.

Thiergärten sind in Landgütern nützlich, um das Wild von dem Ueberlaufen in die benachbarten Gegenden und von der Verwüstung der Kornfelder des Landmanns abzuhalten. Diese letzte Betrachtung kann dem Herzen eines menschenfreundlichen Gutsbesitzers nicht gleichgültig seyn; er verabscheuet die Grausamkeit so mancher kleinen Tyrannen des Landes, die ihr Wild auf der Flur des armen Landmanns ungehindert vor seinen Augen die Früchte seines Schweißes, die Hoffnung seiner Erhaltung abweiden lassen, und jede rechtmäßige Beschützung seines Eigenthums als einen Hochverrath anzusehen sich erfrechen; eine Grausamkeit, welche die schärfste Ahndung der Landesfürsten verdiente, denen das gekränkte Recht eines Bauern wichtiger ist, als die Jagdlust eines Landjunkers. „Ich war vormals ein sehr eifriger Liebhaber der Jagd, sagte einst zu mir ein großer menschenfreundlicher Prinz, die Liebe dieser Provinzen; allein ich fand, als ich hieher kam, daß diese Neigung den Unterthanen beschwerlich werden könnte, und unterdrückte sie.“ Ein solches Beyspiel des Edelmuths, jeder Nachahmung werth, verdient zur Ehre der Menschheit nacherzählt zu werden.

Ein Thiergarten erfordert zuvörderst die wesentliche Einrichtung, die seiner Bestimmung angemessen ist: Befriedigung seiner Gränze, sichern Schatten, zulängliche Nahrung und Wasser für das Wild, und Schutz im Winter. Das erste Bedürfniß ist demnach ein dichtes Gehölz, das aber einen grasreichen Boden, Wiesen oder offene freye Plätze enthält, die entweder in ihrer natürlichen Schönheit grünen, oder mit Klee, Rocken, Buchweizen und Haber besäet sind. Große, geräumige Plätze geben den Vortheil, daß zwischen den waldigten Gebüschen die Luft freyer durchstreicht, und daß darauf das Wild zum Vergnügen des Auges hervortreten kann. Aber eben so nöthig sind Dickigte und dunkle Schattenreviere, von allen Arten von buschigtem Unterholz und sich durch einander schlingenden Gesträuchen gebildet.

154 Da sich ein Thiergarten durch Anpflanzungen erweitern und seiner Bestimmung mehr gemäß einrichten läßt, so hat man allerdings auf die Bäume und Sträucher zu sehen, die hier einen Platz verdienen. Eichen, Buchen und Haseln geben, wie bekannt ist, eine gute Mast auch für das Wild. Allein auch die Früchte der Roßkastanie liebt der Hirsch als eine gute Nahrung; nur müssen die Bäume, um viel zu tragen, frey stehen, nicht in Alleen oder auf eine andre Art dicht zusammengepflanzt. Gerne frißt das Wild die Rehheide oder das Pfriemenkraut (Spartium Scoparium, L.), wovon es auch einen angenehmen Geschmack annimmt, und verschiedene Arten von Genster (Genista tinctoria, Gen. pilosa, Gen. germanica, L.), die mit ihren schönen citrongelben und lange dauernden Blumen ganze Plätze verschönern. Von einigen Bäumen greift es weder das Laub noch die Rinde an, als vom Wallnußbaum, vom Schlingebaum (Viburnum Lantana, L.), vom Eibenbaum (Taxus, L.), vom Sadebaum (Juniperus Sabina, L.), vom hochstämmigen Buchsbaum (Buxus arborescens, L.), und von der Stechpalme (Ilex aquifolium, L.). Von andern Bäumen nimmt es zwar das Laub, läßt aber die Rinde ungeschält; dahin gehört die Eiche, die Haynbuche, die Eller, die Linde, die Birke, der Kirschbaum, der Pflaumbaum, die Haseln, der Maulbeerbaum, die Wasserhülse (Acer campestre, L.), der Faulbaum (Rhamnus frangula, L.), der Stachelbeerstrauch, der Berberitzenstrauch, die gemeine Hanebutte (Rosa canina, L.), der Kreuzdorn (Rhamnus catharticus, L.), der Schwarzdorn (Prunus spinosa, L.), der Weißdorn (Crataegus oxyacantha, L.), der Himbeerstrauch und die Reinweide (Ligustrum vulgare, M.). Alle diese Bäume und Sträucher schicken sich vorzüglich zu Anpflanzungen in Thiergärten.

Fließende Bäche geben, sowohl für das Bedürfniß des Trunks, als auch für die Erfrischung der Scene, ein weit besseres Wasser, als stehende Teiche; doch sucht der Hirsch zuweilen auch einen Sumpf, um sich abzukühlen. Ein kleiner See, der mitten in der Waldung hervorbricht, ist ein sehr überraschender Gegenstand, der uns nicht wenig vergnügt, zumal wenn er hin und wieder von nahen Waldstücken und dichten Klumpen am Ufer beschattet wird, oder ein Jagdgebäude in seiner Flut den sanften Widerschein verlängert.

Die Strenge des Winters verlangt Sorgfalt für die Nahrung der Thiere und beschirmende Wildhäuser. Diese müssen trocken, warm, niedrig und mit Stroh gedeckt seyn. Ihre Bauart sey im letzten Grade einfach und ungeschmückt; alles roh, nachlässig und wie vom Zufall zusammengeworfen. Kein Anstrich der Thüre, kein gebahnter Zugang für den Fuß des Menschen. Dichte Klumps von hohen Eichen oder Buchen oder Roßkastanien erheben sich rings umher. Bauwerke von ei155nem so rohen und wilden Charakter schicken sich ungemein für die Scene, und geben, selbst in der grünenden Jahrszeit zwischen den Oeffnungen der umherhangenden Laubdecken, einen malerischen Anblick.

Außer den Vortheilen, welche die Unterhaltung des Wildes gewährt, lassen Thiergärten auch Verschönerungen zu, die, ohne ihre ursprüngliche Bestimmung aufzuheben, sie zugleich zu Gegenden des Vergnügens machen. Fast die meisten Annehmlichkeiten eines Waldes bieten sich hier wieder zum Genuß an. Das Licht der Rasen mit der sanften Nacht der Bäume abwechselnd; der Schatten und, seine Schwester, die Kühlung; die feyerliche Ruhe waldigter Verschlossenheit; die Gesellschaft des hier aufspringenden, dort neugierig verweilenden und umher schauenden Wildes; die durch einander hinschmelzenden Lieder der Buschsänger, die hier in Sicherheit sich gerne anbauen; die heitern Zwischenräume und perspectivischen Durchsichten durch Gebüsche und Baumgruppen zu den finstern Massen entfernter Wildnisse hinan – alles dieß giebt für Auge und Empfindung eine überaus sanfte Unterhaltung.

In Gegenden von diesem Charakter wohnt waldigte Einsamkeit und Ruhe. Die Scenen können selten einen andern Eindruck gewähren. Denn Wiesen und Waldung mit Verschlossenheit, als die vornehmsten Gegenstände, geben den Empfindungen einen Ton, der zu herrschend ist, als daß ihn ein einzeiner Auftritt oder seine Verzierung verstimmen könnte.

Ein Thiergarten, mit Ungleichheiten des Bodens, mit Anhöhen und Tiefen, hat doch vor einer bloßen Ebene einen Vorzug. Die dichten Massen und die einzelnen lichten Gruppen, die abwechselnd auf Hügeln hinansteigen, stellen eine überaus prächtige Scene dar; und von diesen Hügeln den Blick wieder herab in die buschigten Ticfen geworfen, oder ihn über die umliegenden Waldstücke mit ihren Oeffnungen zerstreut, welch ein erfrischender Genuß! Auch liefert die hügeligte oder bergigte Beschaffenheit des Bodens für die Wirkung der Gebäude hier reizendere Lagen.

Alle Anpflanzungen in Thiergärten müssen dem natürlichen Charakter der Gehölze beystimmen, eine gewisse sorglose Verwilderung und angenehme Unordnung sehen lassen. Das Genaue, das Zierliche oder Geschmückte würde hier, da das Ganze eine Wildniß zur Bewohnung der Thiere ist, nur eine seltsame Abstechung machen. Nach dieser Bemerkung scheinen gerade Alleen, so schicklich sie als Zugänge zu Schlössern und Landhäusern seyn mögen, doch in Thiergärten schon eine zu künstliche Pflanzung zu seyn. Sie sind an der Gränze umherlaufend noch erträglich; aber mitten im Thiergarten können sie fast nicht erscheinen, ohne ganz misfällig zu werden. Große Klumps, nachläßig hingeworfen, wilde unregelmäßige Massen, und dicht in einander verwilderndes Gebüsch, auf Wiesen und freyen Rasen156plätzen in Gruppen verstreut, sind gerade die Art von Anpflanzung, die nach dem Beyspiel der Natur hier den Vorzug verdient.

Zwischen den von der Natur oder von der Hand des Fleißes bepflanzten Klumps, Haynen, Gebüschen und Dickigten müssen sich bald Fußsteige, bald Wege zum Fahren und Reiten umherwinden. Nichts ist anmuthiger, als in diesen einsamen und ruhigen Waldrevieren seinen Spazierweg zu verfolgen.

Es ist nicht unschicklich, in einem ausgebreiteten Thiergarten besondre Gegenden zum Vogelfang, oder zur Entenjagd, oder zum Angeln zu bestimmen, und sie zu diesen Ergötzungen einzurichten.

An Gebäuden nimmt ein Thiergarten bald ein kleines Jagdschloß oder Jagdhaus *), bald einen Tempel der Diana auf waldigten Höhen, bald eine dieser Göttinn gewidmete Felsengrotte in Winkeln, wo man das Wild bey dem ungestörten Genuß seiner Freyheit nicht ohne Vergnügen belauschet, bald ein rohes von Baumrinden zusammengeschlagenes Waldhaus auf. Nur muß jedesmal die Gegend mit dem besondern Charakter dieser Gebäude übereinstimmen. Zwischen dicken Waldmassen alter Eichen erhebe sich auf einer steilen Bergspitze ein gothisches Jagdschloß mit seinen halb zertrümmerten Thürmen empor; seine rauhe Gestalt stimmt, zur Verstärkung des Eindrucks, der erhabenen Wildheit der Natur zu, und bringt die Erinnerung der Jahrhunderte roher Jagdbegierde zurück, zu welcher sich bald die für uns so schmeichelhafte Vergleichung unsrer mildern Sitten gesellt. Der Tempel der Jagdgöttinn steige auf einem anmuthigen Hügel zwischen edeln schattenreichen Gruppen, im griechischen Stil, ohne Pracht, mit einer mäßigen Zierlichkeit erbauet, empor; er möge sich am Eingang mit vier Säulen der jonischen Ordnung und mit einem grauweißlichen Anstrich seiner Außenseiten begnügen; und über dem Eingang kündige ein wohl gewähltes Sinnbild die Bestimmung des Gebäudes an; eine Statue der Diana in einem bedeutungsvollen und interessanten Ausdruck, frey von der gemeinen Vorstellung, die man so oft erblickt, reize beym Eintritt das Auge des Kenners, oder es werde von Gemälden der Jagd gerufen, wo sich die Göttinn mit ihren Nymphen ergötzt. Eine Grotte, der Diana gewidmet, muß der Bauart getreu seyn, die diese Art von Werken verlangt **). Ein Waldhaus von Baumrinden zusammengesetzt, erfordert keine edle Lage auf Anhöhen; es erscheint am schicklichsten in Niedrigungen zwischen Hügeln, die mit verwildertem Gebüsch überkleidet sind, oder in dunkeln Dickigten; und es verlangt in seiner ganzen Anlage durchaus

————

*) Einen Vorschlag zu einem solchen Gebäude s. im 3ten B. S. 37–38.

**) S. 3tes B. S. 84. u. f.

 

157 die höchste Einfalt und Nachläßigkeit und selbst eine Art von Rohigkeit, die jede Hand der schmückenden Kunst zurückgestoßen zu haben scheint.

Sowohl die Größe und der wilde oder anmuthige Charakter eines Thiergartens überhaupt, als auch die Beschaffenheit der einzelnen Gegenden und Lagen, geben eine nähere Bestimmung, welche Art von diesen Gebäuden jedesmal in der Wahl den Vorzug verdient. Auch kann hier allerdings auf den Charakter und das Vermögen des Besitzers Rücksicht genommen werden. Ein weit ausgedehnter königlicher Thiergarten verlangt eine edlere und reichere Verzierung durch Gebäude, als die kleine Wildbahn eines Edelmanns, wo zuweilen ein einfältiges Mooshaus schon hinreichend seyn kann. Allemal aber ist weise Sparsamkeit nöthig, damit der natürliche Charakter eines Thiergartens, Einsamkeit und Wildniß der Natur, nicht durch eine Ueberladung mit Werken der Baukunst zerstört werde.

 

 

V.
Weinberg.

Weinberge gehören zu dem Nützlichen. Allein sie machen zugleich die schönsten Gegenstände für das Auge in allen Landschaften aus, die ein wärmerer Himmel mit ihrem Segen schmückt. Der Reisende, an dessen Straße sie empor grünen, erfrischt sich bey ihrem Anblick, der Cultur und Fröhlichkeit ankündigt; und die Festtage der Weinlese stellen so viele heitre Scenen dar, daß jeder Freund der Natur und des Menschen gerne an ihnen Theil nimmt, gerne sie 158 mit einem frohen Nachgenuß in den Gemälden der Dichter und der Landschafter wieder erblickt.

Ein Weinberg kann als eine besondre Gattung von Gärten angesehen werden; und in manchen Landschaften sieht man keine andre, als diese. Seine Lage auf sonnigten Anhöhen oder an hügeligten Abhängen giebt ihm einen Charakter von Heiterkeit, der sich schon bey der Annäherung ankündigt. Man genießt hier eine freye Aussicht, und athmet voll Ruhe in einer reinern Luft. Wird das Auge durch den Anblick eines Sees, der in der Niedrigung dahin wallet, oder eines vorüberfließenden Flusses, oder eines Gemisches von Wiesen und Landhütten, die unter ihm in der Tiefe ruhen, ergötzt; so hat die Lage einen so frischen und doch so sanften Reiz, der dieser Gattung überaus angemessen ist. Der Charakter eines Weinbergs ist Einsachheit. Er verträgt keine fremden Pflanzungen. Allein die Weinstöcke ergötzen nicht nur durch das Liebliche der Ueberschattung und durch die Erwartung der edlen Früchte; sie lassen sich auch zu kühlen Bogengängen bilden, in welchen die reifenden Trauben aus dem dichten Laubdach anlockend sich hervordrängen und herabhangen; an den Seiten können andre Spazierwege bald frey, bald leicht überschattet, dahin laufen, oder kleine Reblauben sich wölben. Das Vergnügen des Spazierganges kann sich hier mit der Ruhe und der sanften Anmuth der Aussichten vereinigen. Auf der Höhe kann ein Tempel, dem wohlthätigen Gott des Weins gewidmet, und mit den Sinnbildern seiner Freuden bezeichnet, oder mit den tanzenden Figuren der Satyren umgeben, leicht und fröhlich erbaut, zwischen den geselligen Umarmungen von Epheu und Reben emporsteigen; und unten am Eingange des Weinberges mag eine Hütte, die Wohnung des Winzers, nachläßig ruhen. Der Tempel kann inwendig zur Bewohnung für einige Personen eingerichtet werden, oder die nöthigen Bequemlichkeiten für einen kurzen Aufenthalt des Besitzers enthalten. Ruhe und liebliche Einfalt herrsche durch den ganzen Bezirk. Seine schönern Tage schenkt dem Weinberg der Herbst, in dessen Scenen er selbst ein überaus interessanter Theil seyn kann, indem das mildere Sonnenlicht zwischen den dünnern, falben, sich malerisch ändernden Blättern die blauen und gelben Trauben höher färbt, und mit jedem entwölkten Mittag der Lüsternheit reizender entgegen schwellen läßt.

 

159 VI.
Dörfer.
1.

Kein Anblick ist erfreuender für den Menschenfreund, als ein Dorf, worin Reinlichkeit, Anmuth und Wohlstand herrschen. Es ist so sehr dem naürlichen Gefühl von Gerechtigkeit gemäß, daß die Klasse unsrer Nebenmenschen, welche die schwerste Arbeit für die Unterhaltung der Gesellschaft trägt, auch wieder, so viel es seyn kann, ihren Antheil an dem Glück und an den Annehmlichkeiten des Lebens nehme. Und die Befriedigung dieses Gefühls wird von einem gewissen innerlichen Behagen und einer sanften Erheiterung der Seele begleitet. Dieß ist die Wirkung, die der Anblick des Wohlstandes unter den Landleuten hervorbringt; und zu ihnen gesellen sich noch die angenehmen Vorstellungen von Reinlichkeit, von Ordnung, von Anmuth, die uns desto mehr rühren, je seltener wir sie in einer solchen Lage zu finden gewohnt sind. Wir ergötzen uns bey der Vorstellung von Seelen, die sich über die Mühseligkeit und über die gewöhnlichen Schranken ihres Standes zu erheben wissen, worinn die helleren Begriffe von Regelmäßigkeit und Schönheit aus dem finstern Chaos der Unwissenheit hervorleuchten, und die durch veredelte Gefühle fähig sind, die Annehmlichkeiten des Lebens mit uns zu genießen. Gewiß, ein Dorf, worinn Reinlichkeit und Anmuth erscheinen, kündigt schon eine bessere Gesellschaft von Menschen an; wir finden schon mehr Reiz, uns ihnen durch Gespräch und Umgang zu nähern. Ein Landmann, der seine Wohnung liebt und verschönert, der gern um sie her Fruchtbäume pflanzt, und seinen Gemüsgarten wohl unterhält, hat ein Recht auf die Achtung der übrigen Stände.

Man sehe das Gegenbild. Wie tief unter ihm steht der Dorfbewohner, der unter Schmutz und Armuth in einer nackten, zerfallenen Hütte lebt! Welch einen traurigen und niederschlagenden Eindruck machen nicht die elenden Menschenställe in den Dörfern von Bayern, Westphalen und verschiedenen Gegenden von Niedersachsen! Kaum sollte man glauben, daß da etwas bessers, als Thiere, wohnen kann. Die Ställe der Schweine und die engen Schlaflöcher liegen an einander; vor der Thüre häuft sich der Mist zu Hügeln; man muß darüber weggehen, um hinein und heraus zu kommen; Rauch und Gestank füllen das Inwendige mit Ekel und mit dem Saamen von allen Krankheiten, die aus der Unreinlichkeit entspringen. Die Fensterchen, die aus drey bis vier kleinen Scheiben bestehen, sind aus einer niedrigen Kargheit der Erbauer in die Wand befestigt, und können daher nie zur Auslüftung der Schlafstellen geöffnet werden; die Unglücklichen müssen demnach eine 160 Luft einathmen, die oft seit einem halben Jahrhunderte ein immer schädlicheres Gift ward, und welche fürchterliche Wirkungen müssen nicht diese ewig verschlossenen und ewig sich anhäufenden Ausdünstungen bey einfallenden Krankheiten haben! Man erschrickt bey dem Anblick solcher Behältnisse für Wesen, denen der Schöpfer Vernunft und Gefühl gab, und die von beiden so entblößt sind, daß ihnen kaum noch der Instinct übrig scheint, den sie mit ihrer Gesellschaft, dem Vieh, gemein haben.

In vielen niedersächsischen Dörfern kann in den regnigten Monaten kaum der Nachbar zu dem Nachbar durch alle die Unreinigkeiten, die überall aufgehäuft liegen, hindurchdringen; und fast immer sind die Wege so ausgefahren und so schmutzig, daß oft schon in der Ferne der Anblick eines Dorfs, der erfreuen sollte, dem Reisenden einen Schauder erweckt. Wie elend muß es nicht in dem Kopf und dem Herzen solcher Menschen aussehen, die es nicht fühlen, daß sie zu dem kläglichsten Zustande herabgesunken sind! Wem es gleich viel ist, ob er in Schmutz oder in Reinlichkeit wohnt, dem wird auch leicht jedes niederträchtige Laster gleichgültig werden; wer sein Einenthum nicht mehr schätzt, der wird jeder gemeinen Ausschweifung, jeder Tollheit in den Schenken und auf den Landstraßen entgegen laufen. Unempfindlichkeit, Dummheit und Niederträchtigkeit müssen sich ganz solcher unglücklichen Seelen bemächtigen, und ihr Zustand ist im hohen Grade erbärmlich, er mag nun eine Folge von Mangel an Erziehung, von Tyranney, von Verarmung oder von herrschender Lasterhaftigkeit seyn. Nichts fehlt noch in manchen Provinzen von Deutschland mehr als eine vernünfrige Dorfpolizey. Man kömmt der Unwissenheit und der Trägheit des Landmanns von dieser Seite wenig zu Hülfe; man überläßt ihn vielmehr ganz seiner Unbequemlichkeit und seiner ekelhaften Lage.

Indessen sollte man doch von ihm selbst einige Wirksamkeit zur Verbesserung seines Zustandes erwarten. Es ist ein natürlicher Trieb des Menschen, sein Eigenthum zu verschönern. Der Wilde schmückt seine Bekleidung aus, verziert seine Waffen, schneldet Figuren in sein Hausgeräth, und bemalt selbst seinen Leib. Alles, was täglich am nächsten um ihn ist, und selbst seine Person wird ein Gegenstand seiner Verzierung, so seltsam sie auch zuweilen, bey der Rohigkeit seines Gefühls, ausfällt. Es ist fast keine ungebildete Völkerschaft, bey welcher sich nicht diese Neigung zur Verschönerung ihres Eigenthums auf irgend eine Weise äußern sollte. Und sind nicht die Wohnungen ein sehr wichtiger Theil unserer Bedürfnisse? Ein Mensch, der ordentlich zu denken und zu empfinden gewohnt ist, und sich in einer ruhigen Verfassung befindet, macht es sich gerne zum Geschäfte, seine Wohnung vor Verfall und Unsauberkeit zu bewahren, sie bequem und angenehm einzurichten, und den umliegenden Platz auszuschmücken.

161 2.

Wohl angelegte Dörfer gehören zu den wohlthätigsten Verschönerungen eines Landes, und ihr Anblick ist so anziehend, so erheiternd, daß aufgeklärte Reisende sie immer mit einem besondern Vergnügen zu bemerken pflegen. Zwar sind sie noch nicht so allgemein oder so zahlreich in den europäischen Reichen, als ein Menschenfreund wünschen möchte; indessen giebt es hin und wieder doch schon schätzbare Muster, die zur Nachahmung anleiten können.

Die schönsten Dörfer, die ich in Deutschland gefunden, sind die Maynzischen an den Ufern und in der Nachbarschaft des Mayns und des Rheins. Sie sind fast durchgängig mit Ziegeln gedeckt, und fallen in der Ferne so lebhaft und freundlich ins Auge, daß die Landschaft mit einer Menge kleiner Städte besäet scheint. Sie sind groß und geräumig gebauet, und haben vollkommen das Ansehen der Reinlichkeit und des Wohlstandes. Einige genießen an den Ufern des Mayns eine reizende Lage. Verschiedene Häuser sind anmuthig mit Weinranken überzogen. Bey allen Dörfern aber erblickt man große Umpflanzungen von Obstbäumen; man fährt zuweilen durch ganze Wälder von ihnen hin. Die Straßen, die durch sie führen, sind so reinlich, daß manche kleine fürstliche Residenzen ihnen weichen müssen, und hin und wleder mit vielen Obstbäumen besetzt, die einen Reichthum von Früchten geben. Man sieht ganze Gefilde in einen Garten verwandelt, wo Erbsen, Bohnen, verschiedene Kohlarten, Gurken u. s. w. in langen Strecken angepflanzt sind, zwischen welchen Obstbäume zerstreut stehen, die so wenig hier, als in den mit Korn besäeten Flächen, dem Fortkommen der unter ihnen angebaueten Gewächse schaden, wie der Augenschein lehrt. – Nichts aber ist einnehmender, als die Lage und Schönheit der Dörfer am Rhein, indem man von Maynz nach Coblenz auf dem Strom hinunterfährt. Man fragt jeden Augenblick nach dem Namen des Städtchens, und hört es ein Dorf nennen. Die Wohnungen sind alle so schön gebauet, so rein und einladend von Ansehen, mit graulichem und bläulichem Schiefer gedeckt, mit heitern Fenstern und weißen Wänden, so nahe am Wasser, daß sie darinn ihren Wiederschein mit einem malerischen Reiz verbreiten.

Die meisten Dörfer in Schwaben sind nach Sulzers Bemerkung, die ich selbst richtig befunden, gegen die sächsischen und brandenburgischen, Städte, und die Bauerhäuser beynahe Palläste in Vergleichung der elenden Hütten in Niederdeutschland. Das Landvolk ist auch, je weiter man nach der südlichen Gränze von Deutschland kömmt, verständiger, arbeitsamer, gerader und ehrlicher, auch weit besser gekleidet, als in den andern Provinzen.

162 Diese Beobachtung gilt auch von dem Elsaß. Die Dörfer sind sehr gut gebauet, voll gesunder und heitrer Gesichter, die den glücklichsten Nationalcharakter ankündigen. Gewiß, um nichts anders würde ich, wenn Könige zu beneiden wären, den König von Frankreich beneiden, als um dieses schöne Land, und um diese gutartigen, aufgeklärten, offenen und fröhlichen Menschen in Elsaß. Ueberall um die Dörfer ein Boden, den die Natur nicht fruchtbarer liefern kann; weite bis auf jeden Fleck angebauete Ebenen; Obst, Wein, Gemüse in reizendem Ueberfluß; ein überaus mildes und glückliches Klima. Ueberall Spuren des Fleißes, des Wohlstandes und selbst des Reichthums; überall Genuß des Eigenthums und Freude. Welch einen auffallenden Contrast machen dagegen die Dörfer in den meisten Provinzen von Frankreich! Armuth und Schmutz wohnt fast überall bey dem Landmann in seinen elenden Hütten; sie liegen gemeiniglich ganz kahl da, ohne Garten, ohne Baum; und man weiß hier wenig von dem angenehmen ländlichen Ansehen, das in andern Ländern die Dörfer von den waldigten Umhüllungen der Obstbäume erhalten, woraus die Dächer hervorragen.

Wenn wohl angelegte Dörfer schon in den Ebenen so reizende Gegenstände sind, wie viel mehr müssen sie an den Abhängen der Gebirge, auf lieblichen Höhen und zwischen sanften sich wellenförmig fortwindenden Thälern gewinnen. Durch diese neuen Schönheiten der Lage heben sie sich in der Schweiz. Der bald erhabene, bald romantische, bald sanftreizende Charakter dieser Landschaften bildet die schönsten Gemälde, die nur irgend das Auge des Reisenden entzücken, und den Geist des Landschaftmalers zur Nachbildung auffordern können. Und zu diesen so erhebenden, so überraschenden und belebenden Wirkungen der Lagen, gesellen sich noch die heitern Vorstellungen von der Glückseligkeit dieses Landvolks durch Freyheit und Eigenthum und fast arcadische Hirtensitten, durch Gesundheit und Muth, und durch die ausnehmende Schönheit des andern Geschlechts. Kein Reisender gieng aus der Schweiz, ohne den lebhaftesten Eindruck von diesem seltenen Reiz ihrer Landwohnungen. Man sehe einige Gemälde davon. Hier zuvörderst eins von den Ufern am Thunersee. An dem einen Ufer, schreibt de Lüc *), erheben sich große Felsen, die den Grund zum schönsten Amphitheater ausmachen. Es ist nur ein einziger Blick nöthig, um zu sehen, was für herrliche Viehweiden ihn bedecken. Durch die Menge von Dörfern und Hütten, die darauf gesäet sind, und zwar bis zu einer erstaunlichen Höhe hinauf, kann man von der Güte derselben urtheilen. Man könnte aus allen den auf dem Berge herum zerstreut liegenden Häusern eine ziemlich große Stadt machen, deren Einwohner nicht nur selbst von ihrem Lande

————

*) Physischmoralische Briefe über die Berge &c. S. 56 u. f.

 

163 Lande leben, sondern auch noch den umliegenden Städten davon mittheilen. Die Einrichtung der Lage dieser Dörfer scheint fast zu einer Erquickung für das Auge gemacht zu seyn. Der ganze Boden ist dem Ansehen nach voll tiefer Furchen von den Bächen und Wassern, die von der Höhe des Berges herabkommen, und von dem, das sich durch den Regen sammelt. Die Bäume scheinen sich in die Vertiesungen geflüchtet zu haben, die Häuser hingegen liegen an den höchsten Oertern. Jedes dieser Häuser hat seinen kleinen Garten neben sich, und zuweilen seinen Baumgarten, der mit Pfählen eingeschlossen ist. Die Dörfer sind an die Oerter hin gebauet, wo das meiste Wasser ist, und auch stehen da die größten Bäume; zwischen diesen Bäumen erblickt man die Strohdächer oder zuweilen blos die Kirchthürme. In der Entfernung, wo wir waren, konnte das Auge alles zusammen auf einmal fassen; und die Oberfläche des Sees, der eben war, wie ein Spiegel, warf dieses Gemälde so deutlich und klar zurück, daß man in Versuchung gewesen seyn würde zu zweifeln, daß das eine nur ein Wiederschein sey, wenn es nicht Stück vor Stück das andere enthalten hätte, und dann dabey auf dem Kopfe stand. Bald kamen wir in ein Thal hinab, und erfreuten uns an der Schönheit der Obstgärten, an dem vorzüglichen Ansehen der Erdfrüchte, an der Nettigkeit der Häuser, und vornehmlich an der glücklichen Sicherheit der Einwohner, die gar keine Gefahr dabey fürchten, einen großen Theil ihrer Erndten unter dem Schutz bloßer Dächer um ihre Wohnungen her zu bewahren. – Je näher man gegen Zürch kommt, bemerkt Sulzer *), desto lebhafter wird die Straße. Auf der letzten Stunde des Weges ist sie zu beyden Seiten fast durchaus mit Häusern besetzt, deren schöne Lage, Bauart, Reinlichkeit und ganze Einrichtung etwas mehr, als Wohnungen des Landmanns, anzeigen. Man bemerkt nicht nur Wohlstand, sondern Reichthum an vielen dieser Häuser. Eben so sind auch die Dörfer, die längst an beyden Ufern des Sees liegen. An keinem Orte habe ich Landvolk angetroffen, dem man den Wohlstand und sogar den Ueberfluß deutlicher angesehen hätte, als diesem. Und dadurch wird die ganze Gegend um Zürch herum, wenigstens auf eine Stunde Weges weit, gegen jede Seite hin, zu einer der herrlichsten, die man sich in der Einbildungskraft vorstellen kann. – Das ganze Land von Appenzell, erzählt Coxe **), ist, die nackten Felsen ausgenommen, in der That ein einziges zusammenhängendes Dorf, ein schöner Hof dicht an dem andern; und dieß stellt den allerliebsten Anblick dar, den man sich nur ersinnen kann. Jeder Hof hat sein kleines Gebiete, das gemeiniglich aus einem

————

*) Tagebuch seiner Reise nach den mittäglichen Ländern von Europa S. 390.

**) Briefe über die Schweiz. Aus dem Engl. S. 28 u. f.

 

164 oder zwey Stücken schönen Wiesengrundes besteht, und häufig mit Fruchtbäumen umkränzt ist. Wir traten in einige Häuser, die alle von Holz gebauet sind. Reinlichkeit und Gemächlichkeit sind die Hauptabsicht der Besitzer, und die erste leuchtet überall so ftark hervor, daß es mir ein merkwürdiger Beweis ist, wie viel dies Volk auf dieses wesentliche Erforderniß hält. Die ununterdrochene Kette bebaueter Berge, die häufig mit Gehölz bedeckt und mit Höfen über und über besetzt ist, stellt eine unbeschreiblich schöne Landschaft dar; und diese Landwohnungen liegen alle auf ihrem ganz eigenen Fleckchen, als wenn es ihnen der Genius des Geschmacks ausgesucht hätte, um ihnen die vortrefflichste Wirkung zu geben. Man sieht, daß sie so vielen einzeln von einander unabhängigen Familien zugehören, die doch so gesellig, als unabhängig, und nur zu der Behauptung der gemeinschaftlichen Freyheit verbunden find. Der größte Theil der Einwohner ist noch der ursprünglichen Einfalt des Hirtenlebens getreu. – Diese Schilderungen sind von verschiedenen Beobachtern und aus verschiedenen Gegenständen der Schweiz ausgehoben; ich finde darinn eben die Beodachtungen, die ich an diesen Oertern selbst zu machen das Vergnügen gehabt. Eben diese Anmuthigkeit der Lagen, eben diese Reinlichkeit und Bequemlichkeit der Landwohnungen, eben dieser Wohlstand ihrer Eigenthümer ist durch alle Kantons ausgebreitet, und dazu kömmt, daß das ganze Land fast nichts als einen großen zusammenhangenden Obstgarten darstellt, der in vielen Gegenden mit den reichsten Weinbergen abwechselt. Mancher Edelmann in Deutschland hat keine so gute, nette und anmuthige Wohnung, als der Bauer in der Schweiz. Die meisten Dorfhäuser sind mit einem großen Vordach versehen, das weit über den Grund des Gebäudes hervorragt, und Schnee, Regen und Wind abhält. Die Landwohnungen im Kanton Bern unterscheiden sich durch eine eigenthümliche Bauart, wie diese Vorstellung zeigt.

165

 

Entfernt vom eiteln Tand der mühsamen Geschäfte,
Wohnt hier der Seele Ruh und flieht der Städte Rauch.

v. Haller.

166 Um Florenz sind die Wohnungen der Landleute weit netter und bequemer, als in irgend einem Theil von Italien. Das ganze Land umher ist in kleine Pachtungen vertheilt, und jede mit einem artigen Landhause versehen. Die Landleute haben ein gesundes und fröhliches Ansehen. Die natürliche Schönheit der Bäuerinnen wird weder durch Schmutz noch durch Elend verunstaltet; ihr Haar ist auf eine anständige Art geordnet und mit Blumen geziert; und auf der Scheitel ein kleiner Strohhut befestigt. – Auch die Gegend von Mayland, die von ausnehmender Schönheit und Fruchtbarkeit ist, fällt, nach Sulzers *) Beobachtung, wie ein einziger unermeßlicher Lustgarten ins Auge. Alle Felder tragen außer dem Getraide auch Wein, der aber nur in der Höhe über dem Acker gezogen wird, und Maulbeerbäume, die auf den Aeckern zerstreut stehen. Die Dörfer sind groß und schön, die Bauerhäuser weitläuftig, an weiten mit Wirthschaftsgebäuden umgebenen Höfen, und durchgehends massiv und gut gebaut.

Die Dörfer in Holland sind wegen ihrer Reinlichkeit und Anmuth bekannt. Die wohlgebaueten Häuser sind angenehm umpflanzt; fast ein jedes hat einen Garten, den der Landmann ungemein sorgfältig unterhält. Die Maler des Landes haben uns Aussichten von Dörfern geliefert, die bloße Nachbildungen sind, und doch so sehr einnehmen, als wenn sie von einer verschönernden Phantasie ausgeführt wären. Man hat hin und wieder die holländische Bauart und Einrichtung der Dörfer in andern Ländern nachgeahmt. In der Nachbarschaft von Wien z. B. ist ein schönes Dorf, Theresienfeld in diesem Geschmack angelegt; die Häuser sind alle von einem Stockwerk; jedes ist umkränzt von einem umzäunten Garten.

Man kann leicht denken, daß es in England, wo der Geist der Verschönerung sich schon so weit verbreitet hat, an reizenden Dörfern nicht fehlt. Young **) rühmt besonders die Gegend von Rye bis Hawkhurst in Sussex, wo der Weg, funfzehn (engl.) Meilen, über Hügel und Thäler, und unter der Aussicht über sehr angenehme waldigte Gegenden, durch viele Dörfer und bey einzelnen Häusern vorbeyführt. Diese Landwohnungen sind artig gebauet und haben ein reinliches Ansehen. Die kleinen Gärten sind wohl unterhalten und mit Zäunen eingefaßt. Viele Wände sind geweißt, und so gar die Taubenhäuser mit Ziegeln gedeckt, sehr reinlich und fest gebauet. Alles verräth wohlhabende Einwohner. Es ist ein angenehmer und beruhigender Anblick, hier Zufriedenheit und Fröhlichkeit in Hütten wohnen zu se-

————

*) S. 324.

**) Reisen durch die östlichen Provinzen von England 4 Th. S. 69.

 

167hen. Glückliches Volk! Aus seinen Augen strahlt Vergnügen, und Gesundheit wohnt auf seinen Wangen. Eine solche gezierte Landschaft ist in der That schön zu nennen; jeder Besitzer eines Landguts könnte auf diese Weise dem Reisenden einen angenehmen Anblick verschaffen. Arbeitsame Britten sollten alle so leben; unterstützten die Gesetze die gesegneten Umstände, in welche die Vorsehung England gesetzt hat, besser, dann könnten alle so leben.

3.

Ein Dorf ist ein schicklicher Gegenstand in jeder Gegend, die fruchtbar oder auch des Anbaues fähig ist, überall, wo ein Zweig der Landeultur wirksam werden, und fleißige Arbeiter nähren kann. Der erste Landmann baute sich ohne Zweifel mitten in seinem Felde an, so wie der erste Gärtner an der Stelle, wo er seine ganze Gartenflur übersehen konnte. Diese ursprüngliche Einrichtung ist der Ordnung gemäß, und sehr vortheilhaft. Die Nähe der Wohnung, die eine unmittelbare Verbindung mit dem Felde, den Wiesen und dem übrigen Landeigenthum des Besitzers hat, erleichtert die Uebersicht sowohl, als die Arbeit und die Einführung der Früchte, beschäftigt immer sein Auge und seinen Geist mit der Vorstellung seines Berufs, erspart viel Zeit und unnütze Mühe. Der beständige Anblick erhält nicht blos seine Wachsamkeit rege, sondern leitet auch sehr natürlich auf mancherley Verbesserung des Feldes und Vervielfältigung seiner Vortheile. Die angebaueten Stellen in den unfruchtbaren Gegenden der Alpen und der apenninischen Gebirge zeigen, wie nützlich es ist, wenn der Landmann sein Land in der Nachbarschaft seiner Wohnung hat. Die römischen Dörfer stellten die Häuser, wie in Städten, dicht neben einander; die alten Germanier aber baueten klüger sie mehr aus einander, und gaben jeder Wohnung geräumige Plätze. Noch jetzt herrscht in der Schweiz die Einrichtung, daß, ob sie gleich zusammengebauete Dörfer hat, doch in den meisten Gegenden die Landwohnungen von einander abgesondert, jede mit ihrem Eigenthum von Land und Früchten umgeben, liegen. Auch in den Provinzen von England, die am besten angebauet sind, sieht man eben diese Einrichtung. Die Zusammendrängung der Bauerhütten mag zwar die Geselligkeit befördern und Hülfsleistungen in der Noth erleichtern. Allein sie vermehrt auch die Gefahr bey entstehendem Feuer sowohl, als bey ansteckenden Krankheiten, veranlaßt mehr Zerstreuung und Müßiggang, mehr Anhäufung der Unreinlichkeit, zumal bey der Viehzucht. Wie ruhig und gemächlich lebt nicht dagegen der Landmann in abgesonderten Wohnungen, ganz in dem Schooß seiner Familie, ganz seinen Geschäften und dem Genuß seines häuslichen Glücks überlassen, rings um ihn her sein 168 Feld, seine Wiesen, sein Weinberg, seine Milchkühe, seine Schaafe, seine Ziegen, sein ganzes belebtes und unbelebtes Eigenthum! Wie einnehmend fällt nicht eine solche Lage, ein kleines, aber vollständiges Gemälde von menschlicher Glückseligkeit, ins Auge! Sie erleichtert zugleich die Verschönerung des Platzes um die Wohnung mit umher gepflanzten Gruppen von Fruchtbäumen und mit geräumigern Gärten, in deren Anlage der Landmann hier freyere Wahl gewinnt.

Die Bauart der Wohnung richtet sich nach ihrer Bestimmung. Sie dient dem Landmanne und seiner Familie zum Aufenthalt, und muß seiner Lebensart, seinen Geschäften und Bedürfnissen, die verschiedene Abstufungen leiden, gemäß eingerichtet seyn. Auch auf das Klima und auf die besondre Lage muß bey der Einrichtung Rücksicht genommen werden. Mit der Bequemlichkeit und Reinlichkeit des Innern muß sich ein gefälliges und munteres äußeres Ansehen vereinigen. Die Scheune und der Stall werden, wo es seyn kann, als besondere Gebäude hinter der eigentlichen Wohnung aufgeführt und von ihr abgesondert, aber nicht weit entfernt.

Gesundes und reines Wasser ist sowohl in Dörfern, als auch bey einzelnen Landwohnungen, ein unentbehrliches Bedürfniß. Jedes Haus muß seinen Brunnen im Hofe, oder sein Wasserbehältniß zum häuslichen Gebrauch und zur Tränkung der Thiere in der Nähe haben; plätschert eine laufende Trinkquelle unter dem Schatten hoher Bäume vor der Thüre, so gesellt sich zugleich die Anmuth zu dem Nutzen. Die Schweiz hat wegen ihrer vielen Bäche und Quellen, die überall von den Bergen sich ergießen, von dieser Seite einen beneidenswerthen Vorzug. Fast jede Landwohnung hat ihren Springbrunnen, der zuweilen artig verziert ist, und den ablaufenden Ueberfluß seines Wassers einen Bach bilden läßt, der sich zwischen den benachbarten Hütten hinschlängelt, sich verstärkt und anmuthig fortrauscht, oft mit umhergepflanzten Bäumen verschönert. Fliessende Bäche oder kleine Arme von Flüssen sind in mancher Rücksicht ein so wichtiges Bedürfniß für Dörfer, daß man, so weit es nur andere Umstände verstatten, sie suchen, in ihrer Nähe hinbauen, oder sie herbeyleiten sollte. Sie geben zugleich die anmuthigste Verschönerung, rauschen Leben und Vergnügen daher, nehmen ländliche Brücken auf, wässern die Pflanzungen, und bieten Gänsen und Enten ihre geliebte Wasserfahrt an.

Die Hütten des Landmanns können keine anständigere und schönere Verzierung ihres nächsten Bezirks haben, als wohl unterhaltene Gemüsgärten und 169 Fruchtbaumgärten. Sie versorgen ihn mit schmackhafter und gesunder Nahrung, und zuweilen mit einem Ueberfluß zum vortheilhaften Landhandel. Allein sie veranlassen auch die angenehmsten Beschäftigungen, und wenn er im Herbst den Reichthum der Früchte seines Gartens einsammelt, so feyert er mit seinen Hausgenossen ein Fest, das die reinste Freude gewährt, weil es ein Fest der Natur ist. Auch wenn in Feyerabenden das Landvolk hin und her unter seinen Fruchtbäumen zerstreut ruhet, oder sich mit Gesang und Spiel und Tanz ergötzt, so stellt dieß eine der heitersten Landscenen dar, die an die Glückseligkeit des ersten Weltalters wieder erinnert. Wie reizend eine Gegend durch Gartenanbau werden kann, das zeigen, außer so vielen andern Beyspielen, die sogenannten Vierlande bey Hamburg. Ueberall lacht Fruchtbarkeit und Cultur dem Auge entgegen. Man reiset fast durch lauter Gärten, oder durch Felder, die gartenmäßig bearbeitet sind; und überall erblickt man in ihnen die Besitzer mit einer glücklichen Emsigkeit verbreitet. Die Gärten wechseln mit fruchtbaren Kornfluren, die mit einzelnen Bäumen oder schönen Baumklumpen abgetheilt sind, mit Wiesen, mit Viehgruppen, die halb im hohen Grase versteckt sind, mit Dörfern und mit abgesonderten Landwohnungen ab. Die Gärten sind voll Küchengewächse, besonders voll großer, schöner und schmackhafter Erdbeeren, die hier in einer erstaunlichen Menge gewonnen werden, voll Kirschbäume und andern Obstgattungen. Der Verkauf der Erdbeeren und Kirschen ist ungemein beträchtlich. Die Lage zum Absatz ist nicht weniger vortheilhaft, als der Fleiß dieser Landleute glücklich ist. Sie verkaufen nach Hamburg, und senden den andern Ueberfluß nach den lüneburgischen Sandgegenden. Die gesunden und fröhlichen Landmädchen begrüßen den Reisenden, indem sie ihnen die angenehmsten Geschenke der Natur, Blumen, Erdbeeren und Kirschen, anbieten. Man genießt recht glückliche Stunden, wenn man durch diese gesegneten Gefilde fährt.

Die grünen Einzäunungen der verschiedenen Grundstücke, um die Dörfer oder einzelnen Landwohnungen her, tragen nicht wenig zur Verschönerung des Landes bey, dem sie ein lachendes Ansehen geben. Sie erregen zugleich die Vorstellung von bestimmtem Eigenthum und von Aufhebung der Gemeinheiten; sie setzen die Fluren gegen die Verwüstungen des Windes und des Sandes mehr in Sicherheit; sie verstatten Viehweiden ohne Hütung, eine bessere Benutzung des Düngers und eine größere Befruchtung des Landes; sie können selbst in einigen Gegenden von mancherley Fruchtsträuchern angelegt und dadurch noch nützlicher werden.

170 Die schönsten Lagen der Dörfer und abgesonderten Landwohnungen sind auf mäßigen Anhöhen und sanften Abhängen, zwischen abwechselnd fortlaufenden Hügeln, an dem Ufer eines Flusses, oder eines klaren Sees, der den Gebäuden den Spiegel lieblicher Wiederscheine darbietet, oder den die nahen Bepflanzungen mit einer grünen Schattirung bekränzen.

 

 

Gruppen von Fruchtbäumen geben jeder ländlichen Hütte ein malerisches Ansehen. Auch kann ein Dorf mit gemeinschaftlichen, großen und wohl verzierten Brunnen, bey welchen das Vieh sich zur Tränke versammelt, und mit freyen Plätzen unter hohen schattenreichen Bäumen verschönert werden, wo die Jugend ihre Tänze und Spiele hält, und die Alten sich umher auf Bänken und Rasensitzen zu zu [sic] muntern Erzählungen lagern. Auf diesen Plätzen könnten auch hie und da einfache Säulen oder behauene Feldsteine mit dem Namen und zum Andenken solcher Landleute errichtet stehen, die sich um ihr Dorf durch eine seltene oder merkwürdige Handlung verdient gemacht. Wer das Dorf von einer großen Feuergefahr oder einem seiner Nachbarn das Leben gerettet, wer zur bessern Erziehung der Jugend von 171 seinem eigenen Vermögen eine kleine Stiftung angelegt, wer eine neue gemeinnützige Erfindung in irgend einem Theil der Landwirthschaft gemacht, der sollte hier sein Ehrendenkmal haben, bey welchem vielleicht noch spät

Die Jugend steht erstaunt und zeigt in den Geberden
Die edle Ungeduld, noch löblicher zu werden *).

Der Tag der Errichtung eines solchen Denkmals müßte ein öffentliches Fest für das ganze Dorf seyn. Alte und Junge hielten in ihrem besten Schmuck einen feyerlichen Aufzug zu dem Platze hin. Der älteste und würdigste Greis träte hervor mit einer kurzen und kunstlosen Lobrede auf den Mann, dessen Ehre dieser Tag gehörte, und mit einer Aufmunterung zu ähnlichen Tugenden. Die nächsten Verwandten des Ehreumannes hätten bey diesem Fest den Vorgang in der ganzen Versammlung. Man erfreute sich zuletzt bey einer öffentlichen ländlichen Mahlzeit, und die Jugend dürfte sich am Abend mit Tänzen unter der Aufsicht der Aeltesten des Dorfs ergötzen. Sollte eine solche Veranstaltung nicht zur Nachahmung edler Handlungen wirksam seyn?

Uebrigens lassen sich leicht in den Dörfern kleine Verschönerungen anbringen, die ihr Ansehen heben. Die Zwischenräume der Wohnungen dürfen nur mit Baumgruppen, oder mit Gebüschen von fruchttragenden Sträuchern gefüllt werden, so wird sogleich das Ganze sich besser verbinden und sich schöner ausnehmen, als eine lange unbedeutende Reihe von Häusern. Auch die Kirche kann, wenn sie auf einer kleinen Höhe liegt und von einigen Bäumen umgeben ist, in der Ferne mit ihrem Thurm einen angenehmen Prospect bilden. Ekelhafte Gegenstände lassen sich durch geringe Pflanzungen verstecken. Ein schöner schattender Baum, eine einzige wohlgebauete Bank vor dem Eingange der Wohnung giebt schon eine angenehme Veränderung. Ein weißer Anwurf der Wände, ein geräumiges helles Fenster, oder eine nette Thüre hebt schon die Vorderseite, und läßt eine gute Verfassung des Innern erwarten. Alle diese kleinen Verzierungen, die in der Wirkung des Ganzen zusammen doch wichtig werden, kann der Besitzer leicht und ohne Aufwand machen; sie hangen blos von einer geringen Aufmerksamkeit ab, die er auf sein Eigenthum wendet.

4.

Aber in so manchen Ländern, wo noch Sclaverey und, ihre Mittyranninn, die Armuth den Landmann drückt, ist, anstatt aller Verschönerung, nur Befreyung von Elend zu empfehlen. Und was ist die Leibeigenschaft, worunter der gute und nützliche Landbewohner hie und da noch seufzet, anders als Sclaverey, oder Beraubung seiner natürlichen Freyheit? Wenn er seinen Aufenthalt nicht nach Willkühr verändern; sich nicht nach seiner Neigung verheirathen darf; wenn seine Kinder mit

————

*) v. Haller.

 

172 allen ihren Nachkommen an diesen Boden, den seine Vorältern mit ihrem Schweiße, oft mit ihren Thränen düngten, zur Arbeit gebunden sind, und ihn nicht ohne ein Verbrechen verlassen können; wenn er zu unabläßigen Frohndiensten gezwungen ist: was ist dieser Zustand anders, als Sclaverey?

Allerdings giebt es in ihr Abstufungen, wie in der Freyheit. In England herrscht mehr bürgerliche Freyheit, als in Frankreich; in Dännemark mehr, als in Preußen, mehr noch, als in vielen Republiken. In Venedig ist weniger Freyheit, als in der Schweiz, und in der Schweiz weniger, als in Holland. Eben so hat die Leibeigenschaft des Landmanns ihre Abfälle; sie war in Böhmen grausam; in Niedersachsen ist sie erträglich, durch Menschenliebe oder doch durch die Aufmerksamkeit der Regierung gemildert. Indessen so lästig auch die Unterhaltung der Leibeigenen für manchen Gutsbesitzer seyn mag, so ist doch die dürftige Ernährung kein Ersatz für das, was der Landmann aufopfern muß. Jede Aussicht, an einer andern Stelle von seinen Kräften Gebrauch zu machen, und sich ein besseres Glück zu schaffen, ist für ihn auf ewig verschlossen. Alle Talente seiner Söhne zu Künsten und andern nützlichen Gewerben in der bürgerlichen Gesellschaft gab ihnen die Natur vergebens; sie dürfen nicht ausgehen, zu lernen, sie sind an die Lebensart, an den Pflug ihres Vaters gefesselt.

Aber die Leibeigenen wollen keine Freyheit, auch wenn sie ihnen angeboten wird? – Hat man bey diesem Einwurf sie denn alle in der That befragt? Und keiner sollte in der That Freyheit wollen? So wäre dieß eben die schrecklichste Wirkung der Leibeigenschaft, daß sie alles Gefühl für das edelste Gut erstickt, daß sie die unempfindlichste Trägheit zur andern Natur macht, daß sie den mächtigen Trieb des ordentlich denkenden Menschen, sich eine Besitzung zu erwerben und davon freyen Gebrauch zu machen, überwältigt. Wenn dieß die Wirkung der Leibeigenschaft ist, daß sie den Menschen durch Beraubung aller natürlichen Empfindlichkeit so tief erniedrigt, daß er selbst seine Fesseln liebt, – wer wagt es denn noch sie zu vertheidigen? –

Vergebens sucht man noch hie und da ein Recht zu dieser Verfassung vorzugeben. Wo ist der Grund dazu? Wo die Acte der Unterwerfung oder auch nur der Bewilligung von Seiten des Volks, das hier die wichtigste Parthey ist? Was kann die Sclaverey freygeborner und tugendhafter Menschen anders seyn, als Misbrauch der Gewalt des Mächtigen, Misbrauch, der nur bisher durch eine stillschweigende Genehmigung der Landesfürsten Bestand gehabt? „Der Despotismus unterdrückender Fürsten über Völker, sagt Herr von Sonnenfels *), ist ein Greuel; aber der

————

*) Erste Vorlesung in diesem academischen Jahre. Herausgegeben von Joseph von Retzer. 8. Wien. S. 12–14. 1782.

 

173 greulichste, der unerträglichste Despotismus ist der, welchen Bürger über ihre Mitbürger ausüben. Das war die Leibeigenschaft, dieser Schandfleck der Verfassung, worin sie geduldet wird, die Schande der sich so nennenden Rechtswissenschaft, welche den Menschen zur Sache herabklügelte, die Schande der Vernunft, welche zur Vertheidigung ihrer Rechtmäßigkeit Scheingründe ersann. Nie hat die wehrlose Schwachheit der Stärke ein Recht über sich zu einem andern Endzwecke, als zu ihrem Schutze, zu ihrem Besten, anvertrauen wollen, anvertrauen können. Und nie ist ein Zutrauen schändlicher gemisbraucht worden, als da man das Schutzrecht in Herrenrecht verwandelte, und Geschöpfe, die aus der Hand der Natur, auf gleichen Wegen, mit gleichen Kräften des Körpers, mit gleichen Fähigkeiten des Geistes ausgerüstet kommen, zum Eigenthum ihrer Mitgeschöpfe abwürdigte. Wie, um aller Vernunft willen, hätten Menschen, auch zum Schutze ihres Lebens, dasjenige jemals veräußern wollen, das des Lebens größten, einzigen Werth ausmacht? Wie konnten einige tausend gesunde, arbeitsame, rüstige Menschen jemals das Eigenthum eines von schwachen Aeltern gebornen, durch Müßiggang und Wollüste entnervten, unbeholfenen Schwächlings werden? Oder eines geinfelten Mönchen, dessen Abgeordneter den arbeitsamen Hausvater heute mit Ungestüm vor der Thüre zur Frohne herauspocht, vor der nur noch gestern einer seiner Ordensgenossen demüthig um Nahrungsmittel gebettelt hatte? Aber indessen die Philosophie ein so widersinniges, empörendes Paradox mit der entschiedenen Uebermacht der siegenden Wahrheit bekämpfet, indessen Academien Preise für den ausführbarsten Vorschlag bestimmen: wie der seufzenden Menschheit dieses Joch abgenommen werden könne; thut es Joseph. – So löset die erhabene Menschenliebe eines Gesetzgebers und sein Muth, sich durch die Besorgnisse, die der Eigennutz erhebt, nicht irre machen zu lassen, mit einem Wort die verwickeltsten Aufgaben der Academien.“ – Joseph hob die schreckliche Leibeigenschaft in Böhmen auf. Joseph ließ durch das ganze österreichische Pohlen die Verordnung ergehen, daß die Bauern, die bisher fünf bis sechs Tage der Woche zu Frohndiensten verwenden mußten, sie nur drey Tage zu leisten hätten; für ihre Kinder ließ er Schulen anlegen; und so fieng er an, sie durch mehr Freyheit und Unterricht aus der Barbarey zu reißen. Alle Menschenfreunde in seinen Staaten und außer ihnen vereinigten ihre Freude mit dem Entzücken seiner befreyten und beglückten Unterthanen.

Aber, wird vielleicht gesagt, man kann doch die Verfassung erträglich machen, ohne sie aufzuheben. – Allein ist Erträglichkeit eine Verbesserung des Ganzen? Ist sie nicht von der Gesinnung der Gutsbesitzer abhängig, und daher eben so wandelbar, als diese? Es ist wahr, die zufällige Menschenliebe des Be174sitzers kann den Zustand seiner Leibeigenen erleichtern, und erleichtert ihn oft wirklich. Aber wenn die Menschenliebe fehlt? Bleibt es denn nicht immer die Verfassung selbst, die ein Uebel ist? –

Ihre plötzliche Aufhebung würde vielleicht in den meisten Fällen eben so wenig eine Wohlthat für den Leibeigenen seyn, als wenn man einen Vogel, der vom Neste an Jahre hindurch im Bauer gesessen, auf einmal in freye Luft fliegen läßt. Sie erfordert, um nicht eine größere Verwirrung zu veranlassen, eine gewisse Vorbereitung und Klugheit in der Ausführung. Allein eben dadurch leidet ihre Ausführbarkeit selbst nichts. Daß sie eine genaue Ueberlegung und Benutzung der mancherley Verhältnisse und örtlichen Umstände, die dabey vorkommen, verlangt, ist der Natur der Sache sehr gemäß. Und außerdem lehren schon so manche Vorgänge, wie die Ausführung vorbereitet und ausgeführt werden kann. Ihre Wirkung ist nicht allein die Wiedereinsetzung der Menschen in ihre natürlichen Rechte, sondern auch die Verbesserung der Güter selbst und die Vermehrung ihrer Einkünfte. Man frage nach in den Ländern, wo keine Leibeigenschaft war, oder wo sie aufgehoben ward; man sehe jetzt in Dännemark den Ertrag der Güter, wo diese Verbesserung eingeführt ist. Die Erfahrung entscheidet, und läßt keinem Einwurf Platz. Ueberall sind die herrlichen Früchte dieser Veränderung sichtbar, auf der Seite des Herrn mehr Bequemlichkeit, mehr Verbesserung seiner Güter, mehr Einkünfte; auf der Seite des Volks mehr Muth, mehr Arbeitsamkeit, mehr Aufklärung, mehr Trieb zur bürgerlichen Tugend, mehr Vermögen zur Bestreitung der Abgaben, mehr Familien und mehr Wohlstand für sie. Bey solchen wichtigen Verbesserungen wird man nicht mehr ähnliche lächerliche Fragen wiederholen, wie diese: wo nehmen wir Käse und Butter her, wenn in Niedersachsen die Leibeigenschaft aufgehoben würde? Fehlen denn etwa diese Bedürfnisse in Holland und in der Schweiz? Wenn das Vorurtheil der Gewohnheit oder des übel unterrichteten Eigennutzes nach und nach verschwindet, so wird das, was zunächst ein Gegenstand der Gerechtigkeit und der Menschenliebe ist, zugleich als ein Gegenstand der Klugheit betrachtet werden, und eine hie und da noch verschlossene Quelle wahrer bürgerlicher Glückseligkeit sich zu ergießen anfangen.

Sollten denn einst die schönen Tage anbrechen, wo der Landmann überall durch Freyheit und Eigenthum zu den glücklichen Gefühlen der Menschheit sich erheben dürfte; so würde die Verachtung oder Geringschätzung der Dörfer aufhören, und der Weise mit mehr Vergnügen seine Wohnung mitten unter den Bebauern des Feldes aufschlagen. Er würde nützlichen Unterricht und gesellige Neigungen unter ihnen verbreiten; durch seinen Umgang den Sieg über schädliche Vorurtheile sich erleichtern; durch seine Anleitung die Quellen der Zufriedenheit des Lebens eröffnen. Gerne würden sie den Freund aufnehmen, der 175 sich unter ihnen niedergelassen, gerne den Weisen hören, der es nicht verschmähte, unter ihnen zu leben. Das Schauspiel wohl angebaueter Felder und nützlicher Landgärten, die sich unter seinen Augen vermehrten, würde ihn täglich mit den angenehmsten Empfindungen unterhalten, und der Geschmack an den Freuden der Natur sich durch den Mitgenuß des Glücks zufriedener Menschen erhöhen. So fand ich in der Schweiz nicht allein Staatsmänner und Helden vom ersten Range, die zur Ruhe des Privatlebens zurückgekehrt waren, sondern auch philosophische Prinzen in mittelmäßigen, blos bequemen Landhäusern, mitten unter den Hütten der glücklichen Mitgenossen der Freyheit, wohnen.

 

 

176 VII.
Landstraße.
1.

Nichts kündigt lebhafter die Cultur eines Landes und den weisen Geist seiner Regierung an, als wohl angelegte Landstraßen. Aber auch ihr gänzlicher Mangel fällt dem gemeinsten Begriff von öffentlicher Ordnung schon so sehr auf, daß dadurch ein nachtheiliger Schluß auf Landesherren und Obrigkeiten fast unvermeidlich wird. Es ist nicht genug, daß gute Landstraßen die Verbindung unter den verschiedenen Theilen eines Reichs erleichtern, daß sie das Reisen und den Handel befördern, daß sie die Schönheit sowohl der Städte als auch der Provinzen erhöhen. Sie sind selbst unentbehrlich, um ganze Völker vor Wildheit und Barbarey zu bewahren, um ihre Unterwürfigkeit unter dem Willen der Gesetze zu erleichtern, um den Gang der Gerechtigkeit zu beschleunigen, um die wohlthätigen Wirkungen des gesellschaftlichen Lebens und um gegenseitige Nothhülfe zu befördern.

Kein Volk hat jemals auf die Einrichtung seiner Landstraßen mehr Thätigkeit bewiesen, als die Römer, die keine Art von großen und gemeinnützigen Unternehmungen unterließen. Bey der ungeheuern Größe dieses Reichs beförderten die Landstraßen nicht blos die Bequemlichkeit der Reisenden, die aus allen Ländern nach Rom strömten, sondern auch die Märsche der Armeen und die schnelle Verbreitung der Verordnungen der Regierung. Man sah die Anlegung oder Verbesserung der Heerstraßen als ein so großes Verdienst an, daß der Senat deswegen dem August, dem Vespasian und dem Trajan Ehrenpforten errichtete. Die römischen Heerstraßen erstreckten sich von den äußersten abendländischen Gegenden von Europa und Africa bis in klein Asien. Sie hatten eine Länge von 1500 bis 1600 Meilen, und in dieser Länge liefen sie von Rom an gerechnet fünf und zwanzigmal durch das Reich. Man gieng durch Seen und Moräste, man durchbrach Berge und Felsen, um den Heerstraßen, so viel geschehen konnte, den kürzesten und geradesten Fortlauf zu geben. Jede Meile war mit einer Säule bemerkt. Diese Meilensäulen waren bald rund, bald viereckigt, bald von einer andern Figur; acht bis neun Fuß hoch; und standen auf kleinen Fußgestellen. Sie hatten Aufschriften, welche die Meilenzahl der Entfernung von Rom anzeigten, oft zugleich als Denkmäler zum Ruhm der Wohlthäter, welche die Straße anlegen lassen, errichtet waren. Neben den Meilensäulen pflegten die Römer noch andere Steine hinzusetzen, die wie Stufen oder kleine Fußgestelle ausgehauen waren, und zum Ausruhen für müde Fußgänger und zum Aufsteigen der Reitenden dienten. Sie verschönerten außerdem die Seiten der 177 Landstraßen mit Tempeln, mit Lusthäusern, mit Gränzbildern, mit Grabmälern, mit Ehrensäulen und andern Arten von Denkzeichen des Verdienstes, wodurch der Reisende angehalten und nützlich beschäftigt ward. Die großen Heerstraßen oder königlichen Wege waren sechszig Fuß breit, da hingegen die Zwischenwege, die seitwärts nach Städten und Dörfern abliefen, eine geringere Breite hatten.

In den neuern Zeiten hat man in verschiedenen Ländern den Vortheil guter Landstraßen zu schätzen gewußt. Beweise davon sieht man in den Niederlanden, in England, in Frankreich, im Oesterreichischen, in der Schweiz, im Elsaß, in einem Theil von Schwaben, in der Pfalz, im Hessischen, im Hannöverschen und in Seeland. Allein eine so wichtige Anstalt ist in Europa, selbst in den Reichen, wo man ihren Nutzen einsieht, noch lange nicht so ausgebreitet, als sie zu seyn verdient; und in vielen Provinzen, sogar in Deutschland, ist noch keine Spur ihres Anfangs anzutreffen. Indessen steigt vielleicht aus dem, was gethan ist, ein Geist der Aufmunterung für die bisher noch vernachläßigten Gegenden empor.

2.

Da der Bau der Landstraßen, ihre Festigkeit und Bequemlichkeit in Werken von einem andern Inhalt, als dieses, gelehrt wird, so schränken wir uns blos auf Bemerkungen ein, die ihre Verschönerung betreffen. Von dieser Seite ist noch weniger gethan. Alleen in einigen Gegenden, Meilenzeiger, Kapellen, Bildnisse und Kreuze ist fast die ganze Verschönerung der meisten neuern Landstraßen.

Von der Bepflanzung reden wir nachher. Die Meilenzeiger sind in vielen Gegenden kleine Feldsteine, die so eben über dem Boden emporragen, und die kaum der Reisende bemerkt; in andern sind sie Pfähle von Holz und ganz roh gearbeitet, oft mit etwas Roth, das sich hiezu so wenig schickt, überstrichen, oft als ein halber Galgen gebildet, der an die wahren Henkersplätze erinnert, diese scheuslichste Verzierung, womit die Barbarey zuweilen noch die Landstraßen verunstaltet. Ein Meilenzeiger, dessen ursprüngliche Bestimmung zwar nur Bezeichnung ist, sollte doch, vor den Augen des Volks und der Fremden aufgestellt, sich durch etwas mehr Würde der Materie oder der Bearbeitung unterscheiden. Was ist leichter, als einem Meilenzeiger eine seiner Bestimmung angemessene Bildung zu geben? Auf den schönen Landstraßen in Seeland bestehen sie aus edlen Säulen von ganz weißem oder bläulichweißem nordischen Marmor, mit welcher Farbe sie noch in der Dämmerung schimmern; sie haben alle eine schickliche Form und Verzierung; sie zeigen, selbst durch die Verschiedenheit ihrer Höhe, bald die halbe, bald die ganze Meile an, die zurückgelegt ist. – Auch die Wegweiser an den Landstraßen könnten selbst noch einen 178 Theil von Verschönerung gewinnen, ob sie gleich zunächst nur Gegenstände der Nothwendigkeit sind. Ihre gewöhnliche galgenförmige Gestalt oder ihre Verkünstelung in abgebrochene Menschenarme und verstümmelte Zeigefinger sind einem empfindlichen Auge anstößig. Wäre es nicht eben so leicht, ihnen eine edlere Form zu geben? Und würden nicht, wenn sie von Stein gebildet wären, die Namen der Oerter sich deutlicher erhalten, als auf Holz, worauf Luft und Witterung so bald alles auslöschen? Man könnte sie selbst noch durch abwechselnde Inschriften kurzer Wünsche für den Reisenden interessant machen. –

Die Kapellen oder Bethäuser, die Bildnisse der Heiligen, die Kreuze, die man in Ländern der römischen Kirche so oft an den Seiten der Landstraßen erblickt, sind, wenn sie nur nicht zu gehäuft erscheinen, als öffentliche Erinnerungszeichen der Andacht immer ehrwürdig, ob sie gleich mehr in die Kirchen und ihre umliegenden Plätze hingehören. Es ist immer ein rührender Anblick, wenn man den armen frommen Wanderer bey ihnen verweilen, knien, und sich Schutz und Versorgung auf den Verfolg seiner Reise erflehen sieht. Der erfrischte Muth, womit er den neuen Beschwerlichkeiten seines Weges entgegeneilt, war doch des Verweilens, des Gebets bey diesen Denkmälern werth.

Allein es giebt doch, außer dem Bezirk der Religionsbegriffe, wichtige Gegenstände der Moral oder des Nationalinteresse, wovon Sinnbilder und Denkmäler an den Seiten der Landstraßen schicklich seyn können. Sehr unrecht verweisen wir Grabmäler mit unterrichtenden Bildern und Inschriften an abgelegene Oerter, wohin niemand gerne kömmt; die Alten, die sie an ihren Heerstraßen anlegten, wußten selbst noch die letzten Ueberbleibsel der Sterblichkeit lehrreich zu machen. In besondern Fällen lassen sich allerdings noch jetzt Grabmäler an dem Rande oder in der Gegend der Landstraßen errichten; nur müßte es seltener und mit weiser Wahl geschehen. Weniger bedenklich sind immer an Landstraßen andre Denkmäler des Verdienstes von einer ausgebreiteten und öffentlichen Wohlthätigkeit; Denkmäler der Freygebigkeit gegen das Volk, der großmüthigen Errettung, des Muths und des Sieges. Ein Landesherr, der seinem Lande gute Landstraßen und Reinigung von Räuberbanden schenkt, verdient hier schon eine Säule, die das Andenken dieser Wohlthaten erhält. Eine öffentliche Herberge, ein vor Wind und Hitze beschirmter Ruheplatz, ein Brunnen am Wege kann hier als ein verdienstliches Werk mit einer lehrreichen Inschrift bezeichnet werden. Wichtige Nationalbegebenheiten haben noch ein stärkeres Interesse selbst für den reisenden Fremden; denn ihre Denkmäler leiten ihn doch in die Geschichte des Landes zurück, worinn er sich befindet, und bald ist sein Geist mit andern Zeiten, mit Thaten, mit Charakteren und Sitten beschäftigt. Plätze 179 merkwürdiger Nationalversammlungen, wichtiger Entscheidungen durch Vergleiche oder durch den Ausschlag der Waffen, leere verlassene Oerter, wo vormals eine Stadt blühete, oder ein Beschützer seiner Völkerschaft wohnte, Gegenden, wo ein berühmter Held blutete, – können, wenn die Landstraße sie berührt, verschönert durch Denkmäler, die den Begebenheiten angemessen sind, dem Reisenden eine überaus nützliche Unterhaltung gewähren.

Einige schöne Denkmäler dieser Art sieht man in der Schweiz. Dahin gehört besonders das Beinhaus bey Murten im Kanton Bern, das ganz nahe am Wege liegt. Es hat die Form einer Kapelle, worinn die Gebeine des Heers, das der mächtige Herzog Carl von Burgund hier in einer Schlacht mit den siegenden Schweizern verlor, gesammelt sind. Die Kapelle hat an den Seiten überall Oeffnungen, durch welche man diese traurigen Ueberbleibsel von zehntausend Erschlagenen erblickt, eine sehr rührende Scene! Hallers Inschrift ruft den vorbeyreisenden Schweizer an, sich hier der Tugenden seiner tapfern Väter zu erinnern.

Steh still, Helvetier! hier liegt das kühne Heer,
Vor welchem Lüttich fiel und Frankreichs Thron erbebte.
Nicht deiner Ahnen Stahl, nicht künstliches Gewehr,
Die Eintracht schlug den Feind, die ihren Arm belebte.
Lernt, Brüder, eure Macht: sie liegt in eurer Treu;
O würde sie noch jetzt bey jedem Leser neu!

Außer den reichen Gallerien helvetischer Nationalgemälde, die sich auf der langen bedeckten Kapellbrücke zu Lucern befinden, ist nicht weniger schätzbar Tells Kapelle an dem Vierwaldstädtersee. Sie steht an dem Orte, wo dieser erste Held der Schweizer von dem Schiffe, worinn er gefangen weggeführt werden sollte, ans Land sprang und den unwegsamen Berg erstieg, wodurch er sich und nachher durch die Folgen seiner Thaten das ganze Land in Freyheit setzte. Das Gebäude, das den Namen einer Kapelle führt, ist ein kleiner offener Tempel, der diesem Helden der Freyheit errichtet ist. Er ist gegen den See zu nur mit einem hölzernen Geländer verschlossen, das jeder eröffnen kann. In der Mitte steht ein Altar, wo alle Jahr an einem bestimmten Tage zum Andenken der erworbenen Freyheit eine Predigt oder Messe gehalten wird. An den Mauern inwendig sieht man Gemälde, welche die Thaten des Tell vorstellen. Der Eintritt in dieses Gebäude, das, wenn seine Lage nicht von dem Orte der Begebenheit abhängig wäre, in einer mehr besuchten Gegend zu stehen verdiente, füllt jeden Reisenden mit der Bewunderung der merkwürdigen Thaten, wodurch ein geringes und armes Volk gegen alle Bestrebungen einer tyran180nischen Macht sich hier seine Freyheit errang, die nun schon seit mehrern Jahrhunderten unerschüttert steht, gleich dem ehrwürdigen hohen Felsen des Axenberges, der sich hinter der Kapelle über die Wolken erhebt.

Wie interessant und edel sind nicht solche Verschönerungen der Landstraßen! Und wie verabscheuungswürdig ist nicht dagegen ihre noch in so vielen Ländern gewöhnliche Verunstaltung durch Galgen und andre Richtplätze! Kann denn die Gerechtigkeit nicht die Schelme schrecken, ohne die Empfindung ehrlicher Leute zu empören, und, zuweilen mitten in einer paradiesischen Gegend, die Einbildungskraft des Reisenden zu martern und auf seinen ganzen Weg zu verfolgen? Ist es denn so gleichgültig, tausend rechtschaffene Einwohner und Fremde mit dem scheuslichsten, oft unerwarteten Schauspiel zu quälen, blos um Einen Schurken scheu zu machen? Und wird der Zweck erreicht? Macht nicht die Gewohnheit den Eindruck allmälig immer schwächer? Denkt wohl der Verbrecher bey der That an Galgen und Rad, an diese Schreckbilder der Gerechtigkeit, die er fürchten soll? Oder denkt er nicht vielmehr an Geschicklichkeit und Gelegenheit, glücklich zu entwischen? Wird nicht noch immer auf eben den Landstraßen, wo diese Blutgerüste drohen, geplündert und gemordet? Eine wachsame Polizey in den Dörfern sowohl, als in den Städten, wird gewiß mehr wirken, als diese Schreckbilder. Anstatt die Landstraßen und die schönsten Hügel und Aussichten so zu verunstalten, würde ich rathen, die Gerichtsplätze in dunklen scheuslichen Abgründen, in öden waldigten Vertiesungen, von rauhen Felsen und schwarzen Tannen eingeschlossen, wo die Eule ihre Klagen in das Geschrey der Raubvögel mischt, wo Finsterniß, Einsamkeit und Wildheit die Einbildungskraft schrecken, anzulegen. In solchen von der Wohnung der Redlichen abgesonderten, verlassenen und greulichen Einöden, deren bloßer Anblick schon Furcht und Entsetzen erregt, möchte die Gerechtigkeit, wenn sie nicht anders kann, ihre schrecklichen Opfer vollziehen. – Wo der Galgen an den Landstraßen blos ein andres Gebiet oder Gränze bezeichnen soll, wozu jede Säule sich besser schicken würde, da weiß ich nicht, was man von einem Herrn denken soll, der nur zu zeigen suchet, daß er kann – hängen lassen.

Edler ist es, öffentliche Denkmäler der Wohlthätigkeit, als der Gerechtigkeit, aufzustellen. Wie edel wäre es nicht, z. B. wenn die Landpolizey bedacht wäre, überall an den Landstraßen, wo sich rinnende Quellen zeigen, für die Wohlthat ihrer Erhaltung zu sorgen! In öden Gegenden, wo keine Wirthshäuser sind, oder wo sie doch keine Labung für den schmachtenden Reisenden enthalten, würde eine wohl unterhaltene Quelle am Wege gewiß ein sehr verdienstliches Werk seyn. Man könnte durch irgend eine Art von Bezeichnung den Vorbeyreisenden dahin winken und 181 ihn menschenfreundlich einladen, hier seinen Durst zu stillen; ein Sitz an der erfrischenden Stelle und der Schatten einiger Bäume, die Kühlung über sie herabsänselten, würden nicht vergebens Erquickung anbieten. Die Sorge für die öffentlichen Trinkquellen an den Landstraßen wäre dem nächsten Beamten oder Dorf aufzutragen. Wie oft würde der arme Wanderer nicht seinen rührenden Dank wiederholen, und was für einen edlen Begriff von dem Geist der Regierung eines solchen Landes würden nicht die Reisenden mit sich nehmen!

3.

Die übrigen Verschönerungen der Landstraßen bestehen in der Bepflanzung und in den Aussichten. Die erste ist mehr ein Werk des Fleißes, die andre mehr ein Geschenk der Natur.

Nothwendigkeit des Schattens und Anmuth empfehlen die Bepflanzung der Landstraßen; nur darf diese keine zu dichte Beschattung geben, die das Durchstreichen der Luft und das Austrocknen des Weges hindere. In seuchten Gegenden muß überhaupt die Baumpflanzung sparsamer seyn. Auch sollte man die Auswahl der Bäume mehr nach der Beschaffenheit des Bodens bestimmen; der öftere Mangel dieser Sorgfalt veranlaßt so manche verunglückte Anpflanzung. Man hat an verschiedenen Orten in Deutschland die Bepflanzung der Wege aus dem ökonomischen Grunde vorgeschlagen, den Holzmangel zu ersetzen. Allein da die öftere Umhauung und Wiederanpflanzung der Bäume, wenn sie nicht etwa zu dicht stehen, viele Unbequemlichkeit hat, so lange man die Seiten der Landstraßen alleenweise mit einer einfachen Reihe besetzt; so würde dieser erwartete Holzgewinn nur alsdann etwas erheblich werden, wenn man ansehnliche Gruppen, wo sich leichter aushauen und wieder nachpflanzen läßt, anlegen wollte. Das bloße Kappen der Weiden und andrer Bäume giebt doch nur einen wenig beträchtlichen Vorrath von Brennholz, giebt Verunstaltung für das Auge und Mangel an Schatten.

Die gemeine Baumverstutzerey, die noch hie und da den Gartenknechten verstattet wird, ist eben so wenig bey den Bäumen an den Landstraßen, als in den Gärten, zu dulden. Hier darf ich wohl eine Erinnerung, die ich an einem andern Orte *) über diese unsinnige Mode der Baumverstümmelung gegeben, wieder anführen, weil sie Leuten, die noch immer blind an den alten Vorurtheilen hangen, nicht oft genug gesagt werden kann. „Was ist schöner, als die freye Rundung der Roßkastanie und der prächtige Umfang der Linde, dieser beyden gewöhnlichen Alleenbäume, die uns so die Natur erzieht? Was erfreuender, als die majestätische Wölbung der hohen Laubdecken dieser Bäume, worunter Schatten, Kühlung und

————

*) Im Gartenkalender auf 1783. S. 215 u. f.

 

182 Ruhe wohnen, so lange die freche Hand des Verstümmlers sie verschont? Und was beweiset mehr Unsinn, als diese waldigten Gipfel, die von frohen Sängern bewohnt in der Luft zu wallen bestimmt waren, zu kahlen Pfählen herabzukappen, oder sie in Kegel, Fächel und andre kindische Figuren zu verunstalten? Gleichwohl sieht man diese öffentlichen Deukmäler einer nicht blos albernen, sondern auch ärgerlichen Baumverstutzerey noch in so vielen Gärten, noch in so vielen Zugängen zu großen Städten. Vergebens sagt man, daß dieses unaufhörliche Verstutzen und Verschneiden den Wachsthum der Bäume befördere. Das ist Wahn, den nur der Blinde haben kann. Seht den Wuchs, die Höhe, die Stärke der Waldbäume, die keine Scheere berührt; seht die Linden und andre Gartenbäume, die hie und da in den Dörfern stehen. Alle beschämen sie eure Bäume, die immer kränkeln, so lange ihr sie in dem Wachsthum unterbrecht, wozu die Natur sie treibt. Nicht weniger gegen Natur und Erfahrung ist der Wahn, der frühern Schatten von der gewöhnlichen Baumverstutzerey erwartet. Wie kann der Baum bald Schatten geben, der immer verwundet, immer zerstümmelt, immer in seinem Wachsthum gestört wird? Und wenn ihr, wie überall gewöhnlich ist, die Außenzweige wegstutzt, was thut ihr anders, als daß ihr auf beyden Seiten mehr Sonne in eure Allee ruft? Könnt ihr gegen das Zeugniß der Augen glauben, daß die inwendige Seite des Baums in dem Grade zunehme, wie ihr die auswendige vernichtet? Könnt ihr es mit Vernunft versuchen, die Triebe anders zu lenken, als die Natur des Baums will? Wollt ihr verlangen, daß die Sonne immer in einerley Richtung, gerade über euerm Haupte, stehen bleibe? Oder daß sie die Gipfel, die ihr zu einer ebenen Fläche geschoren, und an Laubwerk verdünnt habt, weniger mit ihren Strahlen durchbreche?“ –

Man hat, um die Wegebepflanzungen nutzbar zu machen, schon lange in vielen Gegenden Fruchtbäume dazu gewählt, als Aepfel-, Birnen-, Pflaumen-, Kirschen-, Wallnuß- und Kastanien- Bäume. Beyspiele von solchen Bepflanzungen mit Obstbäumen sieht man auch in verschiedenen Provinzen von Deutschland, und der Schweiz; eines der schönsten ist die berühmte Bergstraße in der Pfalz. Allein die Besetzung öffentlicher Landstraßen mit Obstbäumen, so reizend ihr Anblick zur Zeit der Blüthe und der Früchte ist, hat doch ihre Unbequemlichkeit. Die Bepflanzung kostet viel, wo keine große Baumschulen gehalten werden. Die Bäume verderben leicht, da sie selten hier die nöthige Reinigung von Moos, von Ausläufern und wilden Schößlingen erhalten. Sie geben auch, zum Theil des langsamen Wuchses wegen, später Schatten, als manche wilde Stämme. Und endlich werden die Früchte oft unreif abgerissen, und schaffen Niemanden wahren Nutzen. Al183lein für kleine Landwege in den Rittergütern, zumal in der Nachbarschaft des Wohnhauses, ist die Bepflanzung mit Obstbäumen mehr anzurathen. Soll sie auf öffentlichen Landstraßen mit dem Gewinn der Früchte erweitert werden; so müßte es in Gegenden seyn, wo Dörfer liegen, deren Bewohner sich in den Ertrag der Bäume theilten und durch das gemeinschaftliche Interesse zur Aufsicht belebt würden. Freylich wird in Ländern, wo Baumfrüchte nicht zu den Seltenheiten der Naturproducte gehören, weniger von den Obstbäumen an den Landstraßen geraubt, oder der Raub weniger geachtet; man darf hier nicht einmal Raub nennen, was durch eine Art von Uebereinkunft oder durch Gebrauch ein erlaubter Genuß ist; der vorüberziehende durstige Fremdling nimmt vor den Augen des Eigenthümers etwas Obst, ohne einen Vorwurf zu fürchten.

Von den wilden Stämmen empfehlen sich zur Bepflanzung der Landstraßen besonders solche Bäume, die geschwind wachsen und eine reiche Beschattung geben, als die weiße, die gemeine schwarze und die italiänische Pappel, die Roßkastanie, die Linde, der nordamericanische Platanus, und andere. Weiden, so nützlich sie auch dem Landmann sind, haben als Verzierung der Landstraßen ein zu dürftiges Ansehen, und geben zu wenig Schatten. Man könnte mit diesen und andern Bäumen abwechseln, weil die gewöhnliche Manier, immer einerley auf einander folgen zu lassen, eben so ermüdend ist, als die gerade Linie, worinn sie erscheinen. Die schwarzen Pappeln, besonders die italiänische, nehmen sich fast am schönsten an dem Rande der Landstraßen aus. Ihr gerader und hoher Wuchs, ihr leichtes und schwankendes Ansehen, ihre immer beweglichen, rauschenden und reichen Laubkronen, das schöne Grün und die lange Dauer ihrer Blätter, alle diese Eigenschaften vereinigen sich zu einem reizenden Anblick; sie verbreiten Leben umher, und haben selbst etwas Gesellschaftliches. Eine ungemein anmuthige Straße, mit dieser Art von Pappeln besetzt, läuft von Durlach nach Carlsruhe. Auch die Zitterespe gefällt dem Auge durch das immer scherzhafte Spiel ihres Laubes, und die weiße Pappel giebt, indem sie die schimmernde Seite ihrer Blätter zeigt und wieder umwendet, einen malerischen Anblick. Auf der Straße von Savigliano nach Turin befanden sich, nach Sulzers *) Bemerkung, die vortrefflichsten weißen Pappeln, die er jemals sah. Sie thun eine bewundernswürdige Wirkung auf das Auge. Da sie etwas dicht an einander gepflanzt sind, etwa acht Fuß aus einander, völlig gerade und gleich hoch, graulich weiße Stämme und hohe dichtgewachsene Kronen haben, so glaubte er sich in einer mit natürlichen Säulen umgebenen Halle oder einem Säulen-

————

*) Tagebuch seiner Reise nach den mittäglichen Ländern von Europa im Jahr 1775–1776. Leipzig 1780. S. 290.

 

184gang zu befinden. Die Stämme sind in der That so gerade, so glatt, von solchem Verhältniß der Dicke gegen die Höhe, und in solcher Weite aus einander, daß man sie für Säulen halten kann. Da, wo etliche Reihen dieser Bäume neben einander stehen, bildet man sich ein, in dem doppelten Peristyl eines alten griechischen Tempels zu seyn. „Niemals, setzt Sulzer hinzu, habe ich in Gärten oder Lustwäldern etwas gesehen, das einen so feyerlichen Eindruck auf mich gemacht hätte, als diese herrlichen Alleen von Pappeln.“

So angenehm auch die Besetzung der Landstraßen mit Bäumen auf beyden Seiten in gerader Linie ist, so hat diese Art der Bepflanzung doch zwey Unbequemlichkeiten: sie ermüdet durch die Einförmigkeit, und sie verstecket oft die schönsten Aussichten. Man bemerkt, daß selbst in der Bergstraße sich zuweilen die anmuthigsten Landschaftgemälde hinter den waldigten Bäumen verbergen. Die Bepflanzung sollte daher so eingerichtet werden, daß sie immer einen schönen Vorgrund zu den Landschaften ausmachte. Und dazu sind Gruppen mit perspectivischen Oeffnungen die trefflichsten Mittel. Schlängelt sich die Straße mit langen freyen Krümmungen fort, so kann nichts reizender für das Auge seyn, als vor sich auf die bald größern, bald kleinern, bald nähern, bald entferntern Baumgruppen hinzuschauen, die sich mit den Wendungen des Weges dahinwinden. Und im Verfolg der Reise ändert sich immer, mit jeder Fortschreitung, die Aussicht der Landschaft. Die Gruppen sind sodann nicht mehr bloße Mittel der Beschattung; sie erhalten eine höhere Bestimmung, indem sie Gesichtspunkte werden, die den Reiz der Landschaft in einzelnen verschönerten Gemälden erscheinen lassen. Die Anlage der Gruppen ist demnach in diesem Fall allein dem Charakter der Landschaft und seinen Wirkungen untergeordnet. Die großen Massen der Landschaft müssen in kleinern Partien gesammelt werden, die das Auge nicht mehr zerstreuen, sondern es anhalten und beschäftigen. Die abgesonderten Theile müssen in Richtungen und in Lichtern erscheinen, wodurch sie einen neuen Reiz gewinnen. Sie müssen eine Folge von nach und nach hervortretenden, immer abwechselnden Gemälden werden, die, durch die Abänderung der Vorgründe, durch die verschiedenen Mischungen des Lichts und des Schattens, durch die Verschmelzungen der Farben, doch der umliegenden Landschaft, so sehr sie aus ihrer Masse hervorbrechen, nicht ganz zu gehören scheinen. Eine Anlage von dieser Kunst würde nicht bloße Ergötzung für das Auge, sondern zugleich die feinste Unterhaltung für den Geist geben. Allein so lange auch schon die Natur selbst dahin winkte, so wenig scheint man doch bisher darauf geachtet zu haben.

185 Die Gruppen, die zum Gewinn schönerer Landschaftsgemälde angelegt werden, können wieder mit einer Pflanzung in gerader Linie abwechseln, zumal an Stellen, wo keine Aussicht lockt. Die Straße hat an sich fast keine andre Annehmlichkeit, als die aus ihrer Festigkeit und Bequemlichkeit zum Fortlauf der Reise entspringt; die Gegenstände, die sie umgeben oder aus der Ferne erblickt werden, müssen das Vergnügen der Unterhaltung gewähren. Daher die Unentbehrlichkeit freyer und mannichfaltiger Aussichten, wenn die Landstraße Anmuth haben soll. Wo ringsumher nichts das Auge ergötzt, oder wo es von widrigen Ansichten beleidigt wird, da gewinnt eine gewöhnliche Allee doch schon wieder eine Wichtigkeit. Die immer fortschreitende Heiterkeit offener Aussichten blendet; sie wird reizender, indem sie mit Schatten und Verschließung wechselt.

Die Wendungen der Landstraße werden zuweilen schon als nothwendig von der natürlichen Beschaffenheit des Bodens vorgeschrieben. Kornfelder, Wiesen, Moräste, Seen, Felsen erfordern oft eine Biegung, eine Krümmung, selbst einen längern Umweg; allein über kleine Anhöhen und Berge läuft zuweilen die gerade Landstraße mit neuer Anmuth fort, und unterhält das Auge mit erweiterten Aussichten. Eben die Krümmungen der Landstraße, die manchesmal unvermeidlich sind, tragen nicht wenig zur Veredelung und Vervielfältigung der Prospecte bey; und sie können nach den Gesetzen des Geschmacks oft eben so nöthig werden, als nach dem Eigensinn des Bodens. Eine immer gerade Straße hat freylich den Vorzug, daß sie geschwinder und bequemer zum Ziel bringt; allein sie hat zugleich die langweilige Einförmigkeit der ununterbrochenen geraden Linie. Sie wird anmuthiger durch unerwartete Krümmungen und durch plötzlich hervorbrechende Aussichten, worauf die Wendungen leiten. Die geradelinigte Länge der Landstraßen ist eben so ermüdend, als die gar zu große Breite unnütz, für den Feldbau nachtheilig, und für den Reisenden, dem sie die Annehmlichkeit des Schattens raubt, beschwerlich ist. Außerdem ist die erzwungene Geradigkeit eines beträchtlichen Weges ganz wider die Natur, und erfordert so manche überflüssige Kosten, die, wenn doch Aufwand geschehen soll, weit glücklicher auf wahre Verschönerungen gewendet werden könnten. Die Landstraße laufe demnach, wo sie kann, eine gerade Strecke fort; allein sie weigere sich nicht, wo es die Lage verlangt, einen Umweg zu nehmen; sie wende sich vielmehr freywillig, wo schönere Aussichten reizen, in einer kleinen anmuthigen Irre herum. Es ist nicht genug, Land zu sehen; wo sieht man das nicht? Der Reisende verlangt Zeitverkürzung auf dem einsamen Wege und Unterhaltung für das Auge. Er will nicht Land, sondern Landschaftgemälde haben. Und diese gewinnt er zwar zuweilen durch die zufällige Natur; aber der Geschmack schafft sie 186 ihm durch die Richtungen des Weges und durch kluge Bepflanzung mit Baumgruppen und Gebüschen.

Wenn die Bepflanzung, anstatt der Bäume, mit Zäunen abwechselt, so müssen diese klein und niedrig gehalten werden, um weder der Luft den Zugang, noch dem Auge die Aussicht zu verschließen. Die mit Hecken eingeschlossenen Redder, oder enge eingezäunte Landstraßen, die man in Niedersachsen so häufig findet, machen gerade das Gegentheil von dieser Anmerkung. Sie ermüden durch beständige Verschließung, und verlängern den Weg durch Langeweile. Indem die hohen Gebüsche der Sonne und den Winden den Eingang versperren, so müssen die Wege, zumal in einem so fetten Boden und unter einem so feuchten Klima, fast immer unbrauchbar seyn. Sie sind nicht mit der nöthigen Erhöhung in der Mitte, wodurch die Feuchtigkeit abfließen könnte, angelegt, sind bald ausgefahren, tief und voll Löcher. Verbesserungen werden ohne merklichen Nutzen verschwendet, wenn die Ursachen der Verschlimmerung nicht gehoben werden. Oft ist das, was Verbesserung seyn soll, nur Verschlimmerung; dahin gehört die Ausfüllung der Tiefen mit Holz, das bald vermodert und die Löcher sowohl durch das Rütteln der Wagen, als auch durch seine Verwesung vergrößert. Eben diese Redder waren vormals geliebte Schlupfwinkel der Räuber. Und noch immer legt man sie an, weil sie von dem alten Vorurtheil, das für die Stimme der Vernunst zu taub ist, begünstigt werden.

Noch sollte man auf Mittel sinnen, Denkmäler und Bäume an den Landstraßen vor aller Verletzung der Bosheit oder des Muthwillens zu sichern. Bestrafung von der Obrigkeit ist zwar zum Theil von einiger Wirkung, aber immer ein trauriges und oft unzulängliches Mittel. Wichtiger wäre es, gerade auf die Denkungsart des großen Haufens durch moralische Kraft zu wirken, und ihm eine so erhebende Meynung von solchen öffentlichen Gegenständen einzuflößen, daß er sie mit einer Art von Ehrfurcht für heilig ansehen lernte. Man müßte gleich bey der Erziehung der Jugend anfangen, und sie frühzeitig zur dankbaren Achtung gegen gemeinnützige Anstalten gewöhnen. Die Prediger müßten diese Gesinnung durch Gründe in ihrem öffentlichen Unterricht unterstützen. Den muthwilligen Schänder eines Baums oder eines Kunstwerks müßte die Verachtung der Gesellschaft verfolgen, sein Name müßte in feyerlichen Zusammenkünften öffentlich genennet werden, als der Name eines Frevlers, der sich an einem Heiligthum, das nicht ihm, das dem Publicum zugehört, vergriffen hätte. Ohne Zweifel wäre die Vereinigung dieser Mittel wirksamer, als Bestrafungen an Geld oder mit Gefängniß. Anstalten, die für die Sicherheit oder für das Vergnügen der bürgerlichen Gesellschaft gemacht sind, 187 mit einer gewissen Ehrerbietung als unverletzbar betrachten, ist eine eben so vortheilhafte als weise Denkungsart. Der Türke hält jeden Brunnen für heilig, der am Wege den durstigen Wanderer erquicken kann. Und selbst wilden Völkern ist jeder Platz, wo sie sich zu irgend einer wichtigen Handlung versammeln, und jede Art seiner Auszierung ehrwürdig und unverletzlich.

4.

Man wird hier noch die Beschreibung einiger der anmuthigsten bepflanzten Landstraßen in Deutschland, so wie ich sie bey meiner letzten Reise *) angetroffen habe, nicht ungern sehen. Sie zeigen, daß wir schon von dieser Seite viel gewonnen, und können als Beyspiele zur Nachahmung in den Provinzen dienen, wo es noch ganz an Anstalten dieser Art fehlt.

Im Hannöverschen fangen die am besten angelegten Landstraßen an hinter der Hauptstadt nach der hessischen Gränze zu. Eine der schönsten, in Ansehung der Bepflanzung und der Aussicht, ist die, welche von der sogenannten Hufe nach Einbek heruntergeht. So reizend auch die Prospecte von dieser Seite sind, indem man im Hinauffahren zurücksieht, so kommen sie doch nicht mit denen in Vergleichung, die man auf der Höhe gewinnt, und die im Hinunterfahren beständig das Auge entzücken. Der Contrast ist ungemein auffallend. Nach einer Strecke eines schlechten noch nicht verbesserten Weges, der zum braunschweigischen Gebiete gehört, gelangt man auf der Spitze des Berges wieder auf die hannöversche Landstraße. Ein trefflicher Weg, eine der anmuthigsten Alleen, eine über alle Erwartung entzückende Aussicht empfängt auf einmal den Reisenden. Eine große, weit ausgebreitete, fruchtbare und mannichfaltig angebauete Landschaft, mit Wäldern und Bergen eingefaßt, füllet das Auge. Die Landstraße läuft mit verschiedenen Wendungen die Abhänge des Berges bequem hinunter, und mit jeder Umbiegung, mit jeder Vertiefung erscheint die Landschaft in veränderten Gemälden. Die schönen Bäume, die von keinem Misbrauch der Gärtnerscheere gelitten, besonders die erwachsenen Quitschern ergötzten mit ihren geraden Stämmen und ihrem vom Gelblichen ins Rothe sich färbenden Beeren nicht wenig das Auge; im Frühling begleiten sie den Reisenden mit den süßen Düften ihrer Blüthen. – Auf einigen Stellen der hannöverschen Landstraßen hat man kleine mit Bäumen etwas besetzte Rasenbänke angelegt, die dem müden Wanderer eine wohlthätige Ruhe anbieten. Allein die Maulbeerbäume, die man hin und wieder an den öffentlichen Wegen dieses Landes erblickt, schicken sich nicht wohl zu diesem Gebrauch; denn wegen des beständigen

————

*) Im Sommer 1783.

 

188 Abnehmens der Blätter werden sie nicht allein niedrig gehalten, sondern sind auch fast immer laublos; sie dienen eben so wenig zur Beschattung, als sie dem Auge einen erfrischenden Anblick darstellen.

Die Landstraßen in der fruchtbaren und schönen Grafschaft Hanau gehören zu den besten, die man nur sehen kann. Sie sind so eben gebauet, und werden so sorgfältig unterhalten, daß man sie vollkommen mit der vortrefflichen Straße vergleichen kann, die von Kopenhagen nach Friedensburg führt. Die Obstbäume, womit einige Straßen eingefaßt sind, besonders die Wallnußbäume geben zugleich eine nützliche Verzierung; unter den Fruchtbäumen sind diese, nebst den ächten Kastanienbäumen, wegen der Beschattung wohl die schicklichsten zur Besetzung öffentlicher Wege. Einige andre Straßen dieses Gebiets sind mit Linden und Roßkastanien bepflanzt.

Eine der merkwürdigsten Landstraßen ist die von Frankfurt am Mayn nach Maynz. Sie ist eine der besten gebaueten Straßen, so fest, so eben, daß man die vier Meilen in weniger als vier Stunden leicht hinunterrollt. Rings umher verbreiten sich die Landschaften in eine weite Ebene, voll Fruchtbarkeit und reich an schönen Dörfern, die sich im Maynzischen so trefflich auszeichnen; zur Rechten schwellen in der Ferne der Gränze Berge empor. Hinter Höchst ist die Straße an verschiedenen Stellen mit Obstbäumen, vornehmlich mit ziemlich erwachsenen Wallnußbäumen, bepflanzt, unter deren Schatten man hinfährt. Nichts ist reizender, als die Höhe, wo man auf einmal den Mayn und den Rhein erblickt, die in einiger Entfernung von einander daher strömen und sich beyde Maynz nähern, wo sie sich vereinigen. Diese ehrwürdige Stadt hebt sich hier zugleich mit ihrem prächtigen Dom, mit ihren vielen Kirchen, Thürmen und Palästen dem Auge stolz entgegen; und hinter ihr, wo der mit dem Mayn erweiterte Rhein sich hinabwälzt, glänzt eine der herrlichsten Landschaften mit weit dahin dämmernden Bergen. Bey diesem Anblick schwellt der Geist zu einer hohen Wonne empor. Man kann sich den berühmtesten Hauptstädten nähern, ohne etwas von diesem neuen und erhebenden Gefühl wahrzunehmen. Der Dom mit seinen Thürmen bis in die Spitze von rothen Sandsteinen erbauet, die großen Massen der vielen Kirchen umher, worunter die der Angustiner, des St. Peter und des Ignatius zu den edelsten und prächtigsten Gebäuden dieser Art gehören, die Vorstellungen von Andacht und Büßungen, die sich durch die Menge der Klöster, der Kreuze, der Bilder der Heiligen am Wege, der Seele aufdringen, dazwischen der Reiz von lieblichen Weinfeldern, von Obstwäldern und Gemüsfluren, die sich immer vermehren, das mächtige stürmerische Fortströmen des stolzen Rheins, der seinen schwächern bescheidenen Bruder, den Mayn, gleichsam am Arm mit sich 189 dahinreißt, die entzückenden Aussichten rings umher, und dann mitten unter diesen begeisternden Scenen das melancholische Umherwandeln so vieler verschiedenen Ordensgeistlichen und das feyerliche Geläute der Glocken aus den heiligen Oertern, das weit umher erschallt – Alles dieses erregt ein Gemisch von Empfindungen, welche die Seele des Reisenden, der diesen Eindruck zum erstenmal empfängt, sehr lebhaft rühren. Jenseits Maynz laufen die anmuthigsten Wege zwischen lauter Gärten, die mit kleinen artigen Sommerhäusern geschmückt sind, und zwischen Weinbergen, zum Theil mit Obstbäumen vermischt. Die Alleen fangen mit Wallnußbäumen an, und wechseln mit Linden, mit Roßkastanien und italiänischen Pappeln ab. Das Auge wird überall von den heitersten Aussichten, und näher am Rhein von verschiedenen anmuthigen Inseln begrüßt, die unter der Stadt hin aus dem Strom sich erheben, und der lebhaftesten Verschönerungen von der Hand des Geschmacks noch fähig sind. Der Mayn, der voll Eifersucht über seinen mächtigen Nachbar noch immer seinen eigenen Fortlauf behaupten will, fließt vom Rhein sich trennend hinter diesen Inseln sanft vorüber, und bespült, indem dieser seine grünlichen Wellen stolz dahinrauschen läßt, mit seiner weißen allgemach hingleitenden Flut die Gebüsche des Ufers, die sich in ihm freundlich beschauen, ohne Unruhe und ohne Furcht, von ihm weggerissen zu werden.

Von einem andern Charakter ist die so berühmte Bergstraße in der Pfalz. Sie läuft aus dem Darmstädtischen, in ihrer größten Länge etwa eilf Stunden, nach Heidelberg fort. Man muß die Straße bis zu dieser Stadt verfolgen, wenn man recht angenehm reisen will. Denn der Weg nach Manheim, der bald aus der Hauptstraße abläuft, führt durch beschwerliche Sandgegenden, durch lauter Ebenen, die wenig fruchtbar sind, zwischen einigen Fichtenwäldern fort; nur zur Linken wird das Auge in der Ferne durch den Anblick der Berge, an welchen die schöne Straße hinläuft, mit Sehnsucht nach ihr unterhalten. Die Gegenden, durch welche die Bergstraße sich erstreckt, stellen einen großen reizenden Garten dar. Der Weg geht unter dem Schatten starker und bejahrter, auf beyden Seiten gepflanzter, Wallnußbäume hin. Zur Linken streckt sich eine Reihe von ansehnlichen Bergen fort; in ihren Zwischenräumen und auf ihren Abhängen erscheinen Dörfer, Kirchen, Weinberge, und große Pflanzungen von Obstbäumen, besonders Wallnußbäumen; auf ihren Spitzen zeigen sich hin und wieder Thürme und Gemäuer alter zerfallener Bergschlösser. Zur Rechten wechseln Dörfer, Felder mit Getraide, noch mehr aber mit allen Arten von Gemüs bepflanzt, Weinreben, Fruchtbäume, vornehmlich ganze Wälder und Klumpen von großen Wallnußbäumen ab, die sich weit in die Ferne hin erstrecken, und zuweilen alle Aussicht in die jenseitigen Ebenen verschließen. 190 Es ist ein herrlicher Anblick, den die großen gewölbten Kronen dieser Bäume darstellen, und in der Zeit, wo alle Früchte sich ihrer Reife nähern, wird der Reisende von dem Reichthum ihres Segens ergötzt. Man erstaunt in der That über die außerordentliche Menge von Wallnußbäumen, die sich wohl in keinem Winkel der Erde so zahlreich bey einander finden, und die man in den vorigen Zeiten so häufig anpflanzte, weil sie hier ungemein glücklich emporwuchsen. Schon seit einigen hundert Jahren herrscht hier die vortheilhafte Anzucht dieser Bäume, welche die Lage so sehr begünstigt; denn gegen Norden ist sie von Bergen beschützt, und auf allen übrigen Seiten sonnigt und warm. Von Heidelberg, das sich durch seine überaus romantische Lage auf den Abhängen eines Berges auszeichnet, an welchen der Necker hinwallet, hat man gegen Bruchsal zu noch eine Strecke die schönen Berge zur Seite, welche die Straße begleiten, und wo sie sich nach einigen Stunden zu verlieren anfangen, da bleibt dennoch die Landschaft ein Garten. Bejahrte Wallnußbäume beschatten die Straße, und erscheinen immer noch hie und da in Klumpen in den Feldern, die überall mit einer Menge von Gartengewächsen angebauet sind, zwischen welchen Getraidefluren und Wiesen abwechseln; aus den Weinbergen heben sich Obstbäume empor, und in der Ferne dämmern friedsame Wälder.

Verschiedene Landstraßen im obern Deutschland sind mit italiänischen Pappeln besetzt. Ich fand sie mit Vergnügen um Aschaffenburg, um Darmstadt, um Manheim, um Carlsruhe, gegen Straßburg zu. Auf der Straße von Manheim bis nach Schwetzingen, die eine der angenehmsten ist, wird man einige Stunden lang von den schönsten lombardischen Pappeln beschattet, die zuweilen mit andern Bäumen, besonders Wallnußbäumen, abwechseln, und diesen Lieblingen der hiesigen Gegend zuletzt ganz weichen.

Von Bruchsal bis Stuttgard, eine Strecke von acht bis neun Meilen, ist die Landstraße durchgängig gebauet, und in den meisten Gegenden vortrefflich. Hin und wieder ist sie noch hier mit alten Wallnußbäumen besetzt. Diese Bäume machen, mit andern Obstbäumen vermischt, an den Seiten der Straße in den Feldern und Wiesen, wohin sie sich erstrecken, ganze Wäldchen aus. Beym Eintritt in das Würtembergische sieht man sogleich eine noch besser unterhaltene Straße, und ein fruchtbares, wohlangebauetes, bergigtes Land, mit Wäldern, weiten Kornfeldern, Gemüsfluren und Weinbergen. Die Landstraße ist ganz mit jungen Obstbäumen aller Art besetzt, nur den Wallnußbaum findet man hier weniger; sie sind dicht gepflanzt, und versprechen mit dem stärkern Anwuchs mehr Schatten. Diese Bepflanzung mit Fruchtbäumen geht einige Meilen fort, bis an Stuttgard.

191 Zu den herrlichsten Straßen im südlichen Deutschland gehört die, welche von Enzwengen nach Pforzheim durch das Ensthal führt. In einer Länge von beynahe drey Stunden erheben sich zur Rechten des Weges Gebirge und Berge, vom Fuß bis zu ihrer, oft steilen, Spitze mit Weinreben bepflanzt, zwischen welchen überall Obstbäume bald in Gruppen, bald einzeln erscheinen. Zur Linken schlängelt sich das schönste Thal in der Tiefe hin; die kleine Ens windet sich hindurch, verbirgt sich zuweilen hinter Gebüschen, und glänzt wieder an einigen Stellen fröhlich hervor; fast überall ist die Fläche der Wiesen von Fruchtbäumen schattirt, die eben eine lebhafte Scene darstellten. Es war ein recht begeisternder Anblick, überall in den lieblichen Wiesen des Thals die Landleute mit der letzten Heuärndte beschäftiget und in den Bäumen Knaben hangen zu sehen, die das Obst brachen; die Straße wimmelte von Mädchen, die den Segen der Fruchtgöttinn in vollen Körben auf dem Kopfe heim trugen. Jenseits des Thals erheben sich allmählich aufsteigende Höhen mit Getraide und Wäldern; diese senken sich zuweilen zu den heitern Grasflächen des Thals herab, und machen dagegen mit ihren großen Massen von Schatten einen trefflichen Contrast. Die steilen Gebirge zur Rechten niedrigen sich nachher zu Bergen; diese verlieren sich wieder seitwärts; und die Weinpflanzungen zeigen sich mit Kornfluren untermischt. Doch das Auge verliert nichts. Die Straße läuft bald wieder zwischen Wäldern von Obstbäumen fort, die auf beyden Seiten in der mehr flachen Gegend erscheinen. Ein überraschender Auftritt ist die Stelle, wo man in das baadendurlachische Gebiet übergeht. Man wird von einer schönen Allee von italiänischen Pappeln empfangen, die den Reisenden sogleich an einen menschenfreundlichen Fürsten erinnert; sie windet sich fast zwey Stunden lang bis Pforzheim.

Von hier bis nach Durlach ist die Landstraße nur hie und da stellenweise mit ältern Obstbäumen besetzt; doch erblickt man diese auf beyden Seiten des Weges in den Feldern in Haufen zerstreut. Die Straße ist auch hier trefflich gebauet, und gehört zu den besten in Deutschland. Der Reisende wird zugleich von dem Anblick eines schönen, fruchtbaren und fleißig angebaueten Landes, voll großer herrlicher Wälder und futterreicher Wiesen an ihrem Fuße, ergötzt. Man sieht einige Nadelhölzer, doch am meisten Laubbäume. Die Straße läuft zuweilen zwischen den anmuthigsten Wäldern und Wiesen hin; diese letzten breiten sich in großen Flächen hin, und sind von vielen Gruppen fruchttragender Bäume schattirt. Man fährt durch wohlgebauete Dörfer, die zwischen Obstwäldern ruhen und mit allem Ansehen des Wohlstandes geschmückt sind; sie gehören zu den schönsten, und übertreffen an Geräumlichkeit und Reinlichkeit viele Flecken in Niederdeutschland. Der edle 192 Fürst *) hat 1783 die Leibeigenschaft, die doch sehr erträglich war, im ganzen Lande gegen alle Besorgnisse, die dagegen erregt wurden, mit einem Verlust ansehnlicher jährlicher Einkünfte, zum Ruhm der Menschheit und zum Segen der Nachkommenschaft aufgehoben. Für diese großmüthige That wollte er nicht den Dank seines gerührten Volks annehmen; er versicherte, er habe nur gethan, was er für seine Pflicht gehalten, und was er zu thun lange gewünscht habe. Die Dörfer feyerten das große Fest der Freyheit. Die Aemter ließen Danksagungen gegen ihren menschenfreundlichen Fürsten drucken, die selbst der Fremde mit innigster Rührung las. Die Kirchen ertönten von feyerlichen Dankreden. Der Abend des Festes ward zur Ergötzung verwendet. Das Landvolk trank auf das Wohl eines so edelmüthigen Vaters, tanzte und frohlockte in dem neuen Gefühl der Freyheit. Bey allem diesem Jubel, bey allen diesen Dankthränen seines Volks wiederholte der Menschenfreund: er habe nur gethan, was er für seine Pflicht gehalten, und was er zu thun lange gewünscht habe. – Er dankte vielmehr selbst der Vorsehung für das Vergnügen, das sie ihm schenkte, ein freyes Volk zu regieren. –

Die Straße von Durlach nach Carlsruhe ist als eine der schönsten Alleenstraßen bekannt, die wir nur in Deutschland haben. Sie ist trefflich gebauet, geht in einer ganz geraden Linie eine kleine Meile fort, und ist auf beyden Seiten mit hohen und prächtigen italiänischen Pappeln besetzt. Sie stellen bloß durch ihren natürlichen Wuchs schöne Pyramiden vor, sind fast vom Fuß an voll Zweige, und bieten einen sehr anmuthigen Schatten dar.

Beym Herausfahren aus Carlsruhe hat man gleich an der Landstraße zu beyden Seiten eine Bepflanzung von Platanen und zur Rechten einen schönen Wald. Auf diese Allee folgt eine andre von italiänischen Pappeln; sie faßt die Landstraße, eine Strecke von fünf Stunden lang, bis nahe vor Rastadt ein. Doch sind zwischen diesen schönen Bäumen Obstbäume eingestreut, so daß auf zwey Pappeln immer ein fruchttragender Baum folgt. Diese Beflanzung giebt der Straße ein angenehmes und unterhaltendes Ansehen, und entschädigt den Reisenden wegen des Anblicks der vielen Sandgegenden, die er vor sich hat. Die Straße geht fast immer, außer einigen Krümmungen, die sie bey den Dörfern macht, in gerader Strecke fort. Sie ist ungemein gut gebauet, und dennoch zahlen die Reisenden kein Weggeld. Dieß wird selbst in einigen Gegenden von Deutschland, wo noch keine Wege gemacht sind, eingefordert. Hier glaubt der Landesfürst, daß er Reisenden, die seine Posten bezahlen, und seinen Posthaltern gute Straßen schuldig ist. Die Straße

————

*) Se. Durchl. Carl Friedrich, Markgraf zu Baadendurlach und Baaden.

 

193 nach Rastadt läuft immer zwischen weit ausgestreckten Ebenen fort, die mit allen Arten von Gemüs, mit türkischem Korn, mit Hanf und etwas Tabak angebauet sind. Die Cultur dieser Felder und das Gewühl der emsigen Landleute nimmt ihnen etwas von dem öden und einförmigen Wesen, das auf der Flachheit der Ebenen zu ruhen pflegt. In der Ferne rufen zur Linken die Berge des berühmten Schwarzwaldes das Auge; sie machen eine herrliche Begränzung der flachen Landschaften, dämmern in sich verlierenden Höhen an Höhen hin, und scheinen doch gegen Rastadt dem Reisenden wieder näher zu rücken. Man erblickt von dieser Straße nicht mehr Obstbäume in den Feldern, oder doch selten. Aber, wer aus den nordlichen Provinzen von Deutschland kommt, empfindet hier die liebliche Wärme, die selbst noch den Herbstabend begleitet, und die süßen Düfte, womit noch zu der Zeit die Luft umher angefüllt ist. Diese lange Pappelallee endigt sich bey einem Walde, zwischen welchem man fast bis an Rastadt fährt.

Die Straßen in dem benachbarten niedrig liegenden Elsaß, wohin uns noch ein Uebergang verstattet sey, mußten hoch angelegt werden, und sind wohl unterhalten. Man zahlt kein Straßengeld; nirgends siehet man Weghäuser und Sperrthore. Die Straße von Strasburg nach Basel ist eine der belebtesten, die man nur finden kann, immer voll von Wagen, von Reitenden und Fußgängern. Denn sie ist der gewöhnliche Weg nach der Schweiz und nach Italien; sie führt zugleich zu einer Menge von Städten, Festungen und Dörfern, die den Elsaß bedecken. Nur an sehr wenigen Stellen ist sie mit Fruchtbäumen besetzt, und fast überall offen. Doch sieht man in den Feldern und weiten Gemüsfluren hie und da große Gruppen von Fruchtbäumen zerstreut, und die Dörfer sind von ihrem Schatten lieblich überdämmert. Es ist ein überaus erfreuender Anblick, rings umher, so weit das Auge reicht, nichts als die fruchtbarsten Landschaften voll Städte, Flecken und Dörfer, voll muntrer und glücklicher Einwohner zu sehen. Eine so weite Pläne, die man immer vor sich hat, kann nur durch den hohen Grad der Fruchtbarkeit, der Cultur und der volkreichen Bewohnung für den Reisenden unterhaltend bleiben. Doch geben bis nach Colmar die lothringischen Gebirge, die sich zur Rechten fortstrecken, der Aussicht über die Ebene eine malerische Gränze; hin und wieder erheben sich vor ihnen kleinere Berge, die noch zum Gebiete vom Elsaß gehören. Man entdeckt in der Ferne mit Vergnügen die Spuren der Bewohnung und des Anbaues dieser Berge. Und mit einer noch höhern Wollust verweilt das Auge in dem unterhaltenden Anschauen dieser großen Kette von hohen und mittelmäßigen, sich über einander empor wälzenden und sich durch ihre eigene Massen verdüsternden Gebirgen. Sie erscheinen in einer lange fortlaufenden Kette von vielen Meilen, und wechseln in 194 sehr malerischen Lagen und Gestalten. Bald heben sie sich zu steilen Höhen, bald senken sie sich wieder zu mittlern Bergen herab, zuweilen mit scharfen Absätzen, meistens aber mit schönen wellenförmigen Erhebungen. Sie rücken zuweilen der Straße so nahe, als wollten sie eine noch größere Aufmerksamkeit fordern. Es ist eine weit prächtigere Strecke von Gebirgen als der Harz, prächtiger in der ganzen Lage und in der Zeichnung der Umrisse. – Ich darf hiebey bemerken, daß das Harzgebirge, nach meinen wiederholten Reisen zu den Alpen, niemals einen sonderlichen Eindruck auf mich gemacht, obgleich die dunkeln Wälder vom Nadelholz, womit es bedeckt ist, ihm ein ehrwürdiges Ansehen geben. – Die Gebirge von Lothringen sanken, als ich das letztemal die Straße befuhr, allmählich in das feyerliche Dunkel eines abgeregneten ruhigen Sommerabends; doch blieb über ihren Häuptern die ganze Helle der Abendröthe schweben, welche den Saum der stillen Wolken, die neue Gebirge zu seyn schienen, vergoldete und hin und wieder einen matten Lichtstrahl in ihre Finsterniß hinaufschoß; eine erhabene Scene, wie Ossian der Natur nachmalt. – Wo sich die Straße von Colmar nach Breysach gegen den Rhein wendet, verliert man nach und nach diese prächtigen Berge aus dem Gesichte. Doch bleibt der Weg immer lebhaft und anmuthig; der König der deutschen Ströme erscheint bey Kemps in einigen glänzenden Ansichten; und bald fangen die Vorgebirge der Schweiz und der Prospect von Basel an, das Auge mit ihrem Zauber zu reizen. *)

————

*) Von den helvetischen Landstraßen werde ich in meinen neuen Briefen über die Schweiz zu reden Gelegenheit nehmen.

 

195 Erster Anhang.

Beschreibungen von Gärten.

 

197 I.
Garten bey dem Posthofe vor Hannover. *)

Dieser Garten ist gleich der Liebling von allen, die ihn nur sehen; er befriedigt den Kenner und fesselt den bloßen Liebhaber; Reisende und Einheimische vereinigen sich in ihm zum Genuß der heitersten Augenblicke; denn er schmeichelt den Sinnen und unterhält den Geist.

Der Begriff der Heiterkeit wird sogleich beym Eintritt durch eine Gruppe von mancherley Blumen erregt, welche die Mitte eines Rasens ziert. Die Gänge fangen zugleich an, das Auge zwischen den mannichfaltigen Baumgruppen hinzulocken, und eine lebhafte Erwartung des Vergnügens zu erwecken, das der Freund der schönen Natur und des reinen Gartengeschmacks hier genießen soll.

Das Auge irret zwischen den Klumps, den Gebüschen, den einzelnen Bäumen, den Rasen, den Blumengruppen fort, von Licht zu Schatten, von Schatten zu Licht, vom Offenen zum Verschlossenen, vom Heitern zum Dunkeln, von jeder Abwechselung in der Schattirung des Grüns. Die innern Prospecte sind bis zum Erstaunen vervielfältigt und abwechselnd; jeder Schritt, jede Stellung, jede Wendung auf dem Hingange und auf der Rückkehr stellt ein neues Gemälde dar. Die Gruppen, von deren Anordnung diese glückliche Wirkung bestimmt wird, sind mit einer Meisterhand gestellt und ausgebildet, immer abwechselnd an Form, an Größe, an Zusammensetzung, an Abstand. Sie springen bald vor, ziehen sich bald zurück; sie öffnen und verschließen; sie verlängern die Prospecte und verkürzen sie wieder; sie scheinen alle in Bewegung, um die Gemälde hervorzustellen oder zurück zu nehmen, sie zu erheitern oder zu verdunkeln. Daher die erstaunliche Mannichfaltigkeit von Ansichten, und die beständige Abänderung der Scenen auf einem so wenig ausgebreiteten Platze.

————

*) Dieser Garten, nebst dem folgenden Garten zu Marienwerder, gehörte dem Königl. Großbrit. und Churfürstl. Hannöverschen Legationsrath Hrn. Jobst Anton von Hinüber, und beyde sind von ihm angelegt. Dieser vortreffliche Mann, einer der größten Gartenkenner, ward am 15ten Januar 1784 seiner schätzbaren Familie, seinen Freunden und der Menschheit entrissen. Sanft ruhe die Asche des Edlen, der seinen Mitbürgern so manche sanfte Freude über die unter seiner Hand blühende Natur darbot! Seine Anlagen sind nicht verloren. Sie sind in den Besitz seines ältesten Sohns, des Hrn. Hofraths von Hinüber, eines durch Geist und Herz verehrungswerthen Mannes, gekommen.

 

198 Eine andere Schönheit der Gruppen, welche die Pflanzung des Gartens bilden, und nur hie und da mit einzelnen Bäumen abwechseln, besteht in ihrem malerischen Ansehen. Sie sind mit einem Auge angelegt, das die feinsten Nüancen in der Verbindung und Folge der Lichter und Schatten, und in den wechselnden Farben des Laubwerks aufzufassen, das der malenden Natur jeden treffenden Strich in ihren schönern Bildern abzulauschen, und in den Zusammensetzungen, mit einem auszeichnenden Schein des Neuen, dem Blick des Anschauers fühlbar wieder zu geben weiß. Die ausländischen, besonders die americanischen Bäume und Sträucher, sind mit großer Klugheit zur Malerey mit den einheimischen Holzarten gemischt; die Lebhaftigkeit der Vorgründe ist durch das hellere Laub, durch Blumensträucher und niedrige blühende Pflanzen gehoben; die Entfernungen der Hintergründe sind durch finstre Baumarten täuschend vergrößert. Man empfindet die malerischen Schattirungen der Gruppen, die Fortgänge sowohl als die Unterbrechungen der hellen und dunkeln Partien, die entzückenden Schauspiele der Lichter am besten in den Stunden des Morgens und des Abends. In diesen Augenblicken, wo jede Schönheit der Natur sich in der mildern Beleuchtung hebt, wo das Streiflicht zwischen den Gruppen sich hier mannichfaltig verbreitet, dort wieder begränzt ist, wo das Grün sich mit allen seinen Schattirungen auszeichnet, wo die Rasen heitrer schimmern, und selbst der nachbarliche Schatten, der ihr Licht hemmt, lieblich ist – in diesen sanften Augenblicken bieten sich die zauberischen Wirkungen dieser Pflanzung ganz zur Entzückung des Auges an. Hohe Bäume, worunter der Kenner manche seltene Arten antrifft, erheben sich prächtig aus den Gruppen; sie bereichern die Reviere mit ihrem Schatten, und helfen zuweilen an perspectivischen Stellen die Dunkelheit des Hintergrundes vermehren. Schöne Rasen umschlängeln die Gruppen, und scheinen sie gleichsam in freundschaftliche Umarmung zu schließen. Wo kein Gebüsch grünt, da schmückt überall ihr sanfter Teppich den Boden, und contrastirt anmuthig gegen das Laub der Bäume und Sträucher, von welchen seitwärts der dunkle Schatten wegschleicht, indessen daß die offenen Flächen von einem heitern Licht übergossen sind. Bald aber sind auch sie wieder von den benachbarten Gruppen oder einzelnen Bäumen hie und da mit Schattenstrichen bezeichnet.

Die Gänge winden sich immer zwischen den Gruppen herum; sie machen nicht bloß freye und natürliche Wendungen, sondern locken auch das Auge des Spatzierenden, und erregen, indem sie sich bald wieder verlieren, die Erwartung eines weiten Bezirks. – Auch der geringste Umstand ist mit Ueberlegung genutzt. Kein Baum, keine Bank steht ohne Absicht da. Alles hat eine Beziehung, um die Ansichten zu bezeichnen, und zu heben, um den hellern Hervorsprung 199 oder das Zurückweichen der Scenen merklicher zu machen. Die Stühle, die Ruhesitze, die Brücken, die Bildsäulen, alles dient dazu, die Gesichtspunkte zu bestimmen und die Richtungen des Auges leiten zu helfen.

Nicht weniger sind die äußern Prospecte der umliegenden Landschaft mit Weisheit genutzt. Es sey einer der Kirchthürme der benachbarten Stadt Hannover, wovon drey in eben so viel verschiedenen Ansichten als Obelisken in den Oeffnungen der Gebüsche sich erheben und gerade vor dem Auge zu stehen scheinen; oder ein Theil der Stadt und ihrer mit neuen Baumpflanzungen sich verschönernden Wälle; oder ein anliegendes Korngefilde; oder der entfernte Hintergrund der Landschaft, ein dunkler Wald; oder ein benachbartes Landhaus: überall sind die äußern Prospecte in ein Eigenthum des Gartens verwandelt. Man genießt, was umher liegt, ohne dem Eigenthümer etwas zu entziehen; man genießt vielleicht freyer und vergnügter, als er selbst. Auch in diesem Theil der Anlage ist überall gedacht und ausgewählt. Es sind einzelne ausgesuchte Gemälde, die durch die Anordnung der Aussichten aus der Landschaft ausgehoben sind; sie erscheinen in verschiedenen Massen, Größen und Stellungen; und auch hier ist die Pflanzung ein Mittel, die außer dem Bezirk des Gartens liegenden Scenen bald frey hervortreten, bald leicht durchschimmern, bald allmählich zurückweichen, bald sich ganz verbergen zu lassen. Die reizenden Bilder der Natur, so wohl im Garten als in der Landschaft, wandeln gleichsam mit dem Spatziergänger umher, wenden und verändern sich mit ihm bey jedem Schritt; ein magisches Spiel für die Phantasie, die sich diesen Eindrücken überläßt. Eine Gruppe, ein Busch, ein Baum schiebt sich vor; und auf einmal ist das Gemälde verändert. Immer neue Schönheiten eröffnen sich dem aufmerksamen Spatziergänger. Ein sicherer Beweis von der weisen Oekonomie, womit die Aussichten gewählt und die Anlage geordnet ist. Keine plötzliche Füllung der Blicke, die sie gleich, nachdem der erste Genuß vollendet ist, wieder darben läßt, sondern immer fortschreitende und allmählich wachsende Unterhaltung. Man sieht hier, wie viel auf die Kunst der Pflanzung und Anordnung der Gruppen ankommt, eine Kunst, die noch in so wenig Gärten beobachtet ist, und wovon man in vielen Provinzen noch gar keinen Begriff hat.

Bald nach dem Eintritt windet sich zur Linken ein Gang einem großen Gebäude zu, das gleich das Auge an sich zieht. Es hat die Gestalt einer Kapelle; ein auf der Spitze hervorragendes Kreuz und die Statue eines Heiligen über dem Eingange, helfen die Täuschung des ersten Anblicks vermehren. Der Heilige hält in der Rechten eine Harke, und legt mit der andern Hand hinter sich einen Bischofsstab nieder. Es war, wie die Legende erzählt, der heilige Paulinus zu Nola in 200 Italien, der sich von einem Gärtner zum Bischof erhob, aber diese Würde wieder für die Ruhe und Annehmlichkeit seines ersten Standes verließ. Die Geschichte, wahr oder erdichtet, giebt doch hier Veranlassung zu einer neuen und für die Gärtnerey sehr schmeichelhaften Vorstellung. Die äußern Wände der Kapelle und das Dach sind halb mit Weinranken überzogen. Beym Eintreten trifft man einen großen, heitern und schönen Saal an, der das Inwendige dieses Gebäudes ausmacht, und mit Kupferstichen, mit Büsten und ganzen Figuren, die berühmten Antiken nachgebildet sind, ausgeziert ist. Man hat aus dem Saal verschiedene fein ausgewählte Prospecte.

An der Seite dieses Gebäudes befindet sich ein Vogelhaus, und vor ihm ein offener bedeckter Sitz. Man ruhet hier unter den lieblichsten Aussichten, und wird von den mannichfaltigen Stimmen dieser kleinen befiederten Klostergesellschaft unterhalten. Gerne wendet man sich, um sie in ihren Zellen zu belauschen; sie flattern froh hervor und scheinen dem neugierigen Beschauer zuzurufen, daß hier noch das süße Recht der Liebe, selbst hinter dem verschließenden Gitter, gilt. Von dieser Gegend gelangt man, indem man neben einem wohl angelegten Wasser fortwandelt, das sich ins Gebüsch mit einem Schein der Vergrößerung hineinzieht, und mit verschiedenen Brücken geziert ist, zu Ruinen, die an dieser Ecke des Gartens liegen. Sie geben einen kühlen Sitz. Man schaut von hier zurück auf das Wasser hin, unter der hohen chinesischen Brücke fort. Das Wasser, das sich in dieser Aussicht verliert und noch weit fortzufließen scheint, wird von dem Rasen, der sich daran hinschmiegt, und von den Wiederscheinen der Gebüsche, der Blumen und der Brücken verschönert; Enten rudern darauf schnatternd umher. Der Blick fällt zuletzt auf die Hinterseite der Kapelle, hinter welcher die Gipfel der Pflanzung, und besonders eine über sie prächtig emporsteigende italiänische Pappel, den Gesichtskreis schließen.

Gleich hinter den Ruinen, die malerisch und in der Ferne täuschend unter den Bäumen liegen und von ihnen halb überwachsen sind, befindet sich eine noch erhaltene kleine Todtenkapelle, zu welcher ein fast verdeckter dunkler Seitengang herumschleicht. Sie ist mit Vorstellungen der Andacht aus längst verlebten Jahrhunderten der rohen Kunst, mit gothischem Schnitzwerk, mit Bildern der Sterblichkeit, mit Todtenkammern und den übrigen Auszierungen einer Kapelle der römischen Kirche angefüllt. Alles stimmt in dieser Nachahmung mit den Urbildern dieser Art ganz getreu überein; alles ist so täuschend, daß man nicht mehr getäuscht zu seyn glaubt. Eine Wohnung des ernsten Nachdenkens und der Melancholie; jeder Gedanke sinkt hier trüber herab; das Herz wird von einem mächtigen Schauder der 201 Sterblichkeit überwältigt. Eine zugemauerte Thüre, die eine angefüllte Gebeinkammer zu verwahren scheint, verstärkt diesen Schauder, und macht fast die ganze Phantasie zum Grabe. Doch seht, die Thüre öffnet sich. Welche Ueberraschung! Licht und Schönheit der Schöpfung strahlt auf einmal hervor. Das Herz fliegt frey und sich ganz wieder eröffnend diesen Scenen entgegen. Es erweitert sich von neuem im Gefühl des Lebens und strömt ganz in der Wonne des Wiederschauens unsrer schönen Erde hin.

Etwas entfernt von diesem Auftritt, wo man ihn nicht mehr erblickt, liegt in einer sanften Dämmerung ein feines Cabinet, in chinesischem Geschmack verziert. Seine Lage, seine Einrichtung, seine Aussichten lassen gleich wahrnehmen, daß es heitern und geselligen Vergnügungen gewidmet ist.

Bald befindet der Spazierende sich wieder zwischen Pflanzungen, die sich abwechselnd mit einem malerischen Reiz heben; bald laden ihn die Stühle und Sitze ein, die, gleich den Brücken, von einer großen Mannichfaltigkeit schöner Formen, eine Schule für den Zeichner, sind, einen weißen lebhaften Anstrich, der sich trefflich gegen das Grün hebt, und eine solche Stellung haben, daß man in allen Stunden des Tages im Schatten sitzen, und das Auge sich bald an einer reizenden Aussicht weiden, bald im erquickenden Dunkel ruhen kann. Da der Garten für das Vergnügen der Gartenfreunde immer offen ist, so erleichtert überall die Anlage der Gänge zwischen den Gruppen das Ausweichen; und verborgene Schattensitze winken dem, der Einsamkeit sucht. An einigen Stellen sind sanfte Erhöhungen, besonders gegen die Gränze des Gartens, wo sich weitere Aussichten in die Landschaft eröffnen, oder wo die Stadt mit allen ihren Thürmen auf einmal hervorbricht. Aber wer wünscht sich bey diesem Anblick dahin? Wer könnte diesen Zauberort für eine Stadt vertauschen?

Eben die Mannichfaltigkeit, die durch die ganze Anlage sichtbar ist, zeigt sich auch in der Begränzung des Gartens. Bald erhebt sich ein höherer Sitz, bald zieht sich eine dichte Gruppe, bald ein dünneres Gebüsch, bald ein niedriger Zaun davor, bald ein durchsichtiges Drathgitter, bald ein tiefer mit Zacken oder von unten aufwachsendem Dornbusch verwahrter Graben, worüber frey der Blick streicht, aber kein Sprung sich wagt. Man glaubt daher an manchen Stellen nicht mehr im Garten, sondern in der Landschaft selbst zu seyn; man sieht das Saatfeld fast vor seinen Füßen grünen, und später hin scheint das Gewühl der Aerndte mitten in der Pflanzung zu rauschen.

Die Weisheit der Anlage erscheint oft in Umständen, die einem gemeinen Auge zu klein scheinen, als daß es sie da suchen sollte. So dient eine Bank, um 202 das Ende des Gartens bey dem Wohnhause täuschend zu verstecken. Eine Brücke, die zunächst nur zum Uebergange bestimmt ist, verstattet unter ihrem Bogen zugleich einen längern Blick auf das dahin spielende Wasser. Eine andre Brücke ist unten mehr zugebaut, um das Ende des Wassers zu verstecken, und sie steigt zugleich höher, um die Aussicht in die Landschaft reicher zu gewähren. Noch eine andre, die an der wildern Gränze des Gartens vor einem Gebüsch vorbeyführt, ist von einem ganz einfach ländlichen Ansehen, da hingegen die chinesische Bogenbrücke, die ganz frey liegt, mit einer reichern Bauart prangt. So erscheinen auch vor dem Wohnhause von Nadelhölzern, sowohl einheimischen als americanischen, viel häufiger dichte Gruppen, um in der laublosen Jahrszeit durch den Anblick des Grüns in der Nähe zu unterhalten.

Nicht weniger glücklich ist der Platz auf der Hinterseite des Hauses nach der nahen Landstraße angelegt. Die Einrichtung ist so täuschend, daß man sowohl von der Straße im Vorbeyfahren, als auch aus den Fenstern des Wohnhauses einen Theil des Gartens und keinen abgesonderten Platz zu sehen glaubt. Auf einem Rasen blühet zunächst vor dem Hause eine Sammlung von Blumen und zwey Gruppen, die eine von Buschwerk, die andere von einer Tanne und einer Fichte; sie sind so gestellt, daß sie dem Hause ein malerisches Ansehen geben, und zugleich einen Garten anzukündigen scheinen. Zwey Gänge machen um den Rasen eine Wendung, als wenn sie seitwärts weiter liefen. Sie stoßen aber auf zwey versteckte Sitze im Winkel, wo man die Vorüberfahrenden sehen kann und zugleich einen Ausgang nach dem Hofe hat.

Doch diese Beschreibung verliert sich fast in das Einzelne, da es, bey der Mannichfaltigkeit der Spaziergänge, nur die Absicht war, den Geist der Anlage dieses kleinen, aber mit großem Verstande angeordneten, Gartens darzustellen. Gartenfreunde, welche nur einen Platz von nicht sehr beträchtlichem Umfang zu bebauen haben, sehen hier, wie sie, vertraut mit der Natur, nicht bloß ihre Schönheiten nachbilden sollen, sondern ihnen auch, durch die Kunst der Anordnung und Auszierung, mit der Mannichfaltigkeit der Ansichten und Prospecte den Schein der Größe mittheilen können. Alles ist das eigene Werk des Besitzers; die Natur hat ihm nichts weiter als den Platz gegeben, der aus einer Fläche bestand, die nur an einigen Stellen etwas erhöhet ist. Daher scheint auch reines, fließendes Wasser das Einzige zu seyn, was diesem reizenden Garten fehlt, der sonst viel duftende Blumenfträucher und viel Gesang der Vögel hat. Er ist der ruhige, sanfte, heitere Wohnplatz eines Weisen, der die seltne Kunst versteht, das Glück des Lebens bald unter nützlichen Geschäfften, bald unter den Wissenschaften, bald in dem Schooß der Freundschaft und der 203 häuslichen Geselligkeit zu vertheilen; und der, um selbst den Ort seines Vergnügens zum Monument seines männlichen Geschmacks zu schaffen, aus den Gärten sein beständiges Studium macht. So manche Gartenanleger glauben, alles gethan zu haben, wenn sie nur ihre Bäume, ihre Rasen, ihre Blumen hinwerfen, als wenn sie vom Zufall entstanden wären. Aber wie weit von diesem Ziel, wo alles lange überlegt, und beobachtet ist, wo die Wirkungen berechnet und die künftigen Veränderungen in dem Wachsthum der Bäume schon in Anschlag gebracht wurden, wo die ausbildende Hand noch in jedem Sommer geschäfftig ist, hinzuzusetzen, wegzunehmen, zu verfeinern!

So viele edle Seelen haben in diesem Garten empfunden, welch einen Unterschied es zwischen Gärten giebt, die ein Mann von Gefühl und Verstand anlegt, und zwischen jeder gemeinen Pflanzung der Mode. Möchten sie bey dieser kleinen Beschreibung sich der heitern Stunden wieder erinnern, die sie hier genossen. Einige haben hin und wieder an den Bänken, Stühlen und Termen ein Denkmal ihrer gerührten Empfindung, einen Dank, eine kleine Inschrift hinterlassen wollen; ein Beweis, daß sie in der That von dem Zauber dieses Platzes erfüllt waren, indem sie sich nur dem Ausbruch ihres Gefühls überließen, ohne vielleicht an die mindere Schicklichkeit der Art des Ausdrucks zu denken. Indessen giebt es noch eine andere Art des Beyfalls, die nicht weniger schmeichelhaft für den Anleger ist, die stille und ernste Betrachtung des langsam umher wandelnden Kenners, der den schöpfrischen Ideen nachspürt, aus welchen dieß kleine Wunder der Kunst entsprang.

204 II.
Marienwerder. *)

Der erste Blick aus dem Wohnhause, der offen, frey und groß ist, läßt gleich eine Anlage von einem beträchtlichen Umfang erwarten. Zuerst breitet sich vor dem Auge ein ansehnlicher Rasen von edler Form aus, mit verschiedenen Gruppen von Bäumen, die seinen Rand sehr malerisch bekränzen; zwischen ihnen öffnen sich drey Aussichten, die schon die Ausdehnung des Ganzen ankündigen. Gerade aus wird das Auge über den Rasen in die Ferne hin, zwischen einer langen Oeffnung großer Gruppen und Gebüsche, geleitet, und zuletzt von einem Gegenstande begränzt, worüber in diesem Prospect noch ein ungewisses Dunkel schwebt, einem Schirmsitz auf einer Höhe. Zur Rechten hat man durch einige schöne Gruppen wieder zwey malerische Durchsichten über eben so viele Brücken, die hier am Ende des Rasens erscheinen; die erste Aussicht fällt bald auf die nähere Pflanzung, die andere streicht über einen Theil des Wassers, über entfernte Rasen und verliert sich zwischen den Hervorsprüngen und Einbuchten der großen Baumgruppen, die, von hier betrachtet, eine zusammenhängende Waldmasse bilden.

Reizend ist dieser Vorplatz oder dieser Anfang des Parks, noch reizender in den frühen Stunden des erwachenden Tages. Indem das aufglimmende Morgenlicht sich zur Rechten erhebt, werfen die Gruppen nahe vor dem Auge ihre Schatten auf den sich immer mehr erheiternden Rasen und brechen seinen Schimmer hin und wieder mit dem stillen Spiel einer lieblichen Dämmerung. Schöner hebt sich das Wasser, mit dem Spiegel seiner grünen Ufer. Fernhin irret das Auge zwischen stark beschatteten Stellen, die der Morgenstrahl nicht trifft, und zwischen erleuchteten Flächen in die buschigte Dunkelheit der Gränze hin; aber es verweilt mit Entzücken bey den lieblichen Malereyen des Lichts auf den Spitzen der Hayne und Gebüsche, die ihre Abwechselung von Grün in einem sanftern Reiz spielen lassen. In der zweyten Oeffnung machen die Pflanzungen einige Vorsprünge, welche die Durchsicht malerischer bilden. Die Heiterkeit des überglänzten Wassers wird von dem jenseits grünenden Rasen erhöht, der frey vor dem Blick der Sonne liegt und gleichsam in ihren Strahlen schwimmt; demnächst die Dunkelheit der sich zusammenziehenden Gruppen; sodann wieder Helligkeit; endlich die sanfte Finsterniß der Pflanzungen im Hintergrunde, wo das Auge ruht – alles dieß macht ein reizendes

————

*) Einige Stunden von Hannover.

 

205 Morgengemälde, das die ganze Phantasie erfrischt. Die Brücke in eben dieser Oeffnung zeigt sich leicht und mit einem Bogen gebaut, um den Anblick des Wassers frey zu geben. Indessen ruhen in diesen Stunden die Hayne und Gruppen, in der langen vordern Aussicht nach dem entfernten Schirmsitze hinauf, noch in einer spätern Dämmerung, worinn leichte Schatten mit dem kommenden Lichte spielen und fliehen.

Ueberall und rings um sich her wird das Auge durch Grün erquickt. Die Gruppen, die zur Bildung der Aussicht so trefflich geordnet sind, dienen zugleich zur Bedeckung weniger angenehmen Gegenstände. So verbirgt hier gleich die große Gruppe gerade aus bey der ersten Brücke den Anblick eines Pferdestalls. Ein anderes Gebäude, das sich beym Austritt zur Rechten dem Auge aufdringen will, wird sogleich durch ein Gebüsch, hinter welchem hier der Pfad führt, wieder verstecket; und eben dieses Gebüsch ist schmal und schmiegt sich in einer kleinen Krümmung, um vorne einen Blick in einem Schattenwinkel zu verstatten, der gegen die benachbarte heitere Aussicht über die zweyte Brücke contrastirt. Auf der linken Seite ist eine schmale Durchsicht, die bald wieder von den Bäumen geschlossen ist.

Die Gruppen des Rasens vor dem Hause contrastiren nicht allein mit ihrem Grün gegen die Fläche, worauf sie stehen, sondern auch gegen einander selbst, indem die dunklern Nadelhölzer den hellern Laubbäumen entgegen gestellt sind. Die schöne Wirkung dieses Contrastes zeigt sich am meisten, indem man vom Hause aus sich links an dem Rasen hinwendet und auf die Gruppen zur Rechten hinüberschaut: sogleich sieht man zwischen zwey finstern Tannengruppen eine dahinter stehende von Laubholz hervorglänzen, und ihnen gegen über zeigen sich diesseits Gruppen von hellen Blättern.

An beyden Seiten des Rasens winden sich zwey Gänge hin, die anfangen in die weitläuftigen Reviere dieses Parks zu führen und an den Seiten von Gebüschen umschlossen sind, woraus Birken, Ulmen, Pappeln und andere hohe Bäume sich erheben, auf deren laubigten Gipfeln das Geräusch kühlender Winde und das Concert muthiger Waldsänger ergötzt. Hier schwebt eine weise Begränzung vor dem Auge. Es sollte bey dem Eintritt in den Park nicht zerstreut, sondern nur durch einige vorliegende Scenen und Aussichten angezaubert werden; zwey Hauptaussichten zwischen den Gruppen waren nicht zu viel, doch dazu hinreichend, und reizend genug, um einen Begriff von der Schönheit des Ganzen vorläufig zu erwecken, ohne irgend eine Uebersicht zu gewähren, noch irgend eine bestimmte Gränze vorzuzeichnen.

206 Wir beginnen nun unsere Spaziergänge, indem wir den Weg zur Rechten des Rasens folgen, und gelangen bald an eine Bank, an welcher eine Inschrift des Besitzers glückliche Zufriedenheit im Schooß des ruhigen Landlebens ankündigt:

„Die ihr mit leichter Fröhlichkeit euch in des Glückes Wirbeln dreht, blickt nicht verächtlich her auf den, der hier zufrieden lebt.“ *)

Man genießt hier eine Durchsicht über den Rasen zwischen zwey Gruppen, und eine andere in den durch eine Allee von Roßkastanien von dem Park getrennten Küchengarten hinaus, ohne seine Abtheilungen zu zeigen; über ihn hin streicht diese noch durch einen Theil der Anlagen, und endigt sich außer ihrem Bezirk in einer weiten Ferne zwischen Kornfeldern.

Wir lassen den Weg nach der chinesischen Brücke, der am Rande des Rasens zwischen zwey Gruppen auf beyden Seiten sich windet, zur Linken liegen, und wandeln zwischen zwey nahen Tannengruppen, die in der Aussicht vom Hause sich hinter andern verbergen, zu einem Sitz. Indessen wir hier unter geraden hohen Birken und Buchen ruhen, zeigt sich die Vorderseite des Hauses in einer malerischen Ansicht, indem die nächste Gruppe sich davor hinzieht und einen Theil verbirgt. Nicht weit davon steht unter einer Tannengruppe eine Bank, ohne Aussicht, eingeschränkt auf die nahe buschigte Vertiefung. Dieser Sitz, der dem Nachdenken über unsere Tage gewidmet scheint, begünstigt in der Einsamkeit Betrachtungen von der Art, wie diese Inschrift veranlaßt:

„Freuden genug verlieh uns hier der Himmel, um unsern Aufenthalt zu verschönern, doch aber auch so viel des Kummers, um uns nach einer glücklichern Wohnung zu sehnen.“

Von hier wendet sich der Weg etwas zur Rechten. Der Rasen endigt sich links auf ein Gewässer, worinn eine kleine, am Rande mit Blumen geschmückte, Insel erscheint. Man sieht hier die chinesische Brücke von der Seite und unter ihrem Bogen hindurch auf ein waldigtes Gebüsch. Die zweyte leichtere Brücke zeigt sich näher; man überschaut durch sie hin einen Strich des jenseitigen Wassers, sodann den hellern Rasen und einen Theil der Pflanzungen. Weiter fortschreitend fällt das Auge durch eine Oeffnung in einer dunkeln Gruppe, wohin ein Pfad abläuft, auf eine heiter durchschimmernde Scene, die aus Rasen, Wasser und einer entfernten weißen Brücke in dieser Aussicht zusammengesetzt ist. Man trifft indessen,

————

*) Man giebt hier die Inschriften, die fast alle Stellen aus den besten englischen Dichtern sind, vieler Leser wegen übersetzt.

 

207 indem man rechts weiter geht, auf einen dunkeln Schattensitz unter hohen Bäumen. Ein lieblicher Ruheplatz. Die Aussicht geht auf das Ende des Raseus, die Blumen der Insel und die halb versteckte chinesische Brücke; hohe Bäume schließen den Gesichtskreis.

Von diesem Sitz geht zur Rechten, von Bäumen bedeckt, eine ländliche Treppe von rohen Birkenstämmen hinab. Indem man aus dem Bezirk dunkler Schatten heraustritt, eröffnet sich bey der letzten Stufe auf einmal ein großer, heitrer, entzückender Schauplatz. Gerade vor dem Auge ein weiter ausgebreiteter Rasen, über welchen in die Ferne hin die Aussicht streicht und sich in Kornfeldern und wilden Gebüschen endigt. Fast an seinem Ende erscheint in diesem Gesichtspunkt eine ansehnliche größere Gruppe; andre laufen links auf einer kleinen Erhöhung hinter einander fort; eine größere von sehr malerischem Reiz zeigt sich am nächsten. Aber die schönste Scene bricht weiter zur Linken vor einer der erwähnten Gruppen hervor. Rasen, Wasser, eine mit Blumen geschmückte Insel, von der ersten unterschieden und etwas erhöht, weiße Gartenstühle, und eine wohlgebauete Brücke vereinigen sich, neben einem Wald, der den Blick begränzt, das heiterste Gartengemälde zu bilden. Die Insel hat keine Bäume, um den freyen und edlen Umriß dieses Waldes, oder vielmehr der sich hier in das schöne Ansehen eines Waldes wölbenden Gruppen, deren Außenlinien zusammen fließen, und sich mit einer sanften Krümmung herumziehen, durch keinen vorspringenden Gegenstand zu unterbrechen. Die Einbuchten der Gruppen machen eine malerische Schattirung der dunklern und hellern Stellen gegen einander; und diese Wirkung steigt durch die Vorpflanzung weißer Weiden vor finstern Tannen zum lebhastesten Contrast. Ueberhaupt wird der Kenner gleich bemerken, was tausend gemeine Augen nicht sehen, daß nämlich der Pflanzer die Abwechselungen des Laubwerks, selbst da, wo diese Waldschönheit nur auf eine kurze Zeit eingeschränkt ist, mit Ueberlegung genutzt hat.

Diese Scene verbirgt sich allmählich im Fortwandeln, um eine neue hervorbrechen zu lassen. Der Rasen erweitert sich seitwärts, und zugleich ein alter ehrwürdiger Eichenhayn, der hin und wieder einen ungewissen Durchblick verstattet. Seine herrlichen Stämme und seine dunklen Häupter contrastiren gegen den hellen Rasen, wie das ernste Alter gegen die lebhafte Jugend.

Wir lassen zur Linken den Weg, der in die Gegend führt, die beym Herabsteigen von der Treppe so glänzend ins Auge fiel, und nähern uns dem Eichenhayn. Noch immer erweitert sich zur Rechten der Rosen, der zuletzt von Weidengebüschen begränzt wird. Man gelangt an einige hinter einander am Wege gesetzte Stühle, 208 wovon jeder dem Auge einen veränderten Prospect in den Eichenhayn darstellt. Man wandelt einer kleinen Zugbrücke zu, und indessen verändern sich und verschwinden die vorigen Aussichten. Nach dem Uebergange bieten sogleich einige uralte Eichen die Sitze an, womit sie umgeben sind. Die Aussichten von diesen Stellen zurück auf die vorliegenden Scenen sind eben so reizend als mannichfaltig, und werden besonders von einer nahen Wiese belebt, worauf das junge Hornvieh weidet und die ländlichen Annehmlichkeiten des Parks vermehrt. Der Eichenhayn hat Gänge, die sich unter seinen Schattengewölben umherschlängeln.

Indem man heraustritt und seine letzten Stämme zur Rechten bleiben, gelangt man in einen verschloßnen Platz, der von Gebüschen umgeben und von zwey hohen, dicken, weit umher ihre, Aeste verbreitenden Eichen überschattet ist. Bald lacht links aus der gegenüber liegenden heitern Gegend ein Gemälde nach dem andern hervor. Am meisten aber wird das Auge vorwärts auf einen Gegenstand gelockt, den es weit im Hintergrunde auf einer Höhe zwischen Bäumen sehr malerisch hervorragen sieht. Der Gegenstand erscheint in diesem Gesichtspunkt undeutlich, seiner Entfernung sowohl als seiner Lage wegen, indem er durch die Bäume und über sie hervorschimmert und zugleich selbst durchsichtig ist. Auch das schärfere Auge ist noch ungewiß, was es vor sich hat, ob es ein romantisches Gebäude, oder eine Ruine, oder welche täuschende Erscheinung es sey. Inzwischen, bis diese Dunkelheit in der Nähe sich aufklären wird, irret es seitwärts zur Linken in eine angenehme Waldvertiefung hinein. Und zwischen dieser Vertiefung und jenem noch ungewissen Gegenstande, der in diesem Gesichtspunkt mit so vieler Weisheit noch unkenntlich gelassen ist, zieht sich eine ansehnliche und dichte Pflanzung mit mannichfaltig abwechselndem Grün herab.

Man findet unter einer Eiche, die mit den Bildern der Jahrszeiten und mit Inschriften, die sich darauf beziehen, umgeben ist, einen angenehmen Sitz in der Nähe einer kleinen mit Bänken versehenen Brücke. Man überschaut zunächst in einem halben Eirkel um sich her die Wiese, die hier Rasen und Weide zugleich ist, und die Pflanzungen umher, die durch eine Befriedigung geschützt sind. Zur Rechten auf dem Rasen bilden Silberweiden eine große, helle und lebhafte Gruppe, die in der Mitte durch Pappeln schön schattirt ist; auf der vordern Ecke unterbricht eine Buche die weiße Fläche der Weiden. Demnächst erscheinen zwey kleinere Gruppen, die durch ihre verschiedenen Laubfarben trefflich contrastiren. Noch kleinere niedrige Strauchgruppen zeigen sich zerstreut auf dem grünen Teppich, den sie verschönern. Im Winkel der Wiese ruht eine alte mit Stroh gedeckte Hürde für das weidende Vieh. Seitwärts zwischen der Hürde, die in einigen Gesichtspunkten 209 das hirtenmäßige Ansehen dieser Gegend noch mehr hebt, und der großen heitern Weidengruppe, liegt hinten eine Pflanzung von dunklem Grün, worinn ein helleres Grün vorsteht und mit dem weißlichen. Schein der Weiden sich wieder abändert. Zwischen der großen Gruppe und den kleinern ist wieder der Hintergrund abstechend. Noch eine andre schöne Aussicht gewährt dieser Sitz. Die Pflanzung zwischen dem erwähnten, auf der Höhe liegenden, noch unkenntlichen Gegenstand und einer waldigten Vertiefung, die sich hier eröffnet, endigt sich nach dieser Gegend her mit hellerm Grün. In der Vertiefung ist der Hintergrund von finsterm Nadelholz trefflich gebildet, wodurch die Tiefe noch größer wird. In der Mitte eben dieser Waldvertiefung, welche die Gruppen zusammen bilden, kündigt eine Brücke, die sich anmuthig gegen den Schatten der nahen Bäume hebt, Wasser an, und macht eine heitre Stelle gegen die Nacht des tiefen Grundes. – Weiter hin erblickt man den Umkreis jener angeführten Waldmasse, worinn sich die hintersten Pflanzungen zusammendrängen; die vordern Gruppen, die näher diesseits her liegen, erscheinen verdünnt und gleichsam zerstreut, um zwischen ihren Stämmen den obern Rasen an dem Rande jener Waldmasse durchschimmern zu lassen. Man schaut hier mit Vergnügen die Abwechselungen des Laubwerks in diesen Gruppen; sie stehen auf einer kleinen Erhöhung. Das Wasser, das vorher erschien, ist hier verdeckt; doch zeigt sich die Insel mit ihren Blumen. Am Ende der letzten Gruppen spielt ein Wasserfall unter einer Brücke hervor, und weiter zur Linken hinauf fällt eine andere Brücke mit verschiedenen Gartenstühlen und Sitzen anmuthig ins Auge. Ueber die Insel hin erblickt man einen im Schatten einer Gruppe vertieften Ruheplatz, und über ihn erhebt sich auf der Anhöhe ein großer wohlgebauter Sitz. Eine ansehnliche Gruppe, die gleich, indem man die oben erwähnte Treppe herunter stieg, zunächst erschien, zeigt sich hier von einer andern Seite, und erhebt sich zwischen dem eben angeführten hohen Sitz und einem Pavillon im chinesischen Geschmack. In der Gruppe stehen die niedern und heitern Bäume voran, hinten die höhern und dunklen. Der Pavillon ragt anmuthig zwischen den Gebüschen empor, die ihn halb umhüllen. Man sieht zugleich die Brücke, die zu ihm führt, und in der Aussicht aus dem Hause die zweyte war, verschiedene Gartensitze, und die Umkränzung des Bezirks mit waldigten Gebüschen und Bäumen.

Alle diese Prospecte werden unter der alten Eiche genossen, hinter welcher noch ein Sitz ist, dessen Inschrift eine sehr wahre Betrachtung veranlaßt:

„Von allen Geschäften ist das Wünschen das beschwerlichste, das Wünschen ist die beständige Hectik der Thoren, und die Krankheit der Höfe, wovon eine reine Luft und einfache Diät heilt: dieß sind die Vorzüge des Landlebens.“

210 Das Gemälde der Aussichten verändert sich hier indessen in einigen Zügen; die Gruppen zur Rechten sind zurückgewichen, und andere Theile ganz ausgelöscht.

Von dieser offenen heitern Scene schlängelt sich, von dem letzten Sitz an, ein Weg in eine verschlossene Gegend zwischen wilden Gebüschen. Das Auge bleibt an nahen Gruppen und Waldstücken hängen. Indem wir am Rande des Parks fortwandeln, treffen wir auf eine Bank, wo der Blick auf Wiesen, auf Waldstücke, auf hellere Kornfluren, und wieder auf entfernte Waldungen fällt. Nichts kann treffender für den Ort, als die Inschrift, und nichts weiser, als ihre Lehre seyn:

„Hier, ihr stolzen Söhne des Geschmacks, die ihr die ländlichen Schatten wegräumt, hier lernt die unleidlichen nackten Ebenen vermeiden, denen die Eitelkeit ihren Schmuck geraubt hat.“

Ein andrer Pfad läuft unten weg. Er führt zu einem hohen Sitz unter einer Pappel. Die vorigen Gemälde, welche die Eiche gab, erscheinen hier unter etwas veränderten Gesichtspunkten. Die Eiche selbst wird hier ein prächtiger Gegenstand, und in ihrem Hayn bricht eine neue Oeffnung hervor. Von diesem Sitz läuft links ein Pfad ins Gebüsch hin; wir verfolgen aber den Weg gerade fort.

Zur Rechten wilde Gebüsche von mancherley Holz, in der Ferne zur Linken Anhöhen mit Haynen von Nadelhölzern bepflanzt. Wir kommen an ein Weidengebüsch, wo der Blick auf einmal in die Leine herabfällt, die hier tief vorüber fließt. Wir überschauen zur Rechten eine große Wiese, zerstreute Waldstücke und ein heitres Korngefilde, hinter welchem ein ansehnliches Gehölz den fernen dunkeln Hintergrund bildet.

Wir wandeln indessen weiter fort. Man hat hier wieder einen Ruhesitz und Gebüsche umher, wo einige mittelmäßige Eichen gegen Silberweiden schattiren. Alles ist Ländlichkeit und Einfalt der Natur. Doch schweift zur Rechten das Auge auf Gruppen und Wälder, in deren Oeffnungen Bänke und Stühle aus der Ferne herüberschimmern, und die Verlängerung des Parks ankündigen. Eine große, schöne Gruppe von Laubholz, auf eine reizende Art schattirt, ruft am meisten das Auge, und hinter ihr ziehen sich die Tannenpflanzungen weit hin. Beym Fortwandeln erblickt man zur Linken eine wirthschaftlich bebauete Flur, und zur Rechten die Leine, von Weiden eingefaßt.

Bey einer Bank, die man im Fortgehen bald erreicht, brechen auf einmal verschiedene neue Aussichten hervor. In der Ferne zur Linken ragt der Thurm von dem Kloster Marienwerder über die waldigten Gipfel empor, näher der Pavillon, die Obstbaumgruppen, die mit ihrem diesseitigen Ende erscheinen, die Knöppelbrücke ganz in ihrer Länge, der Rasen, der sich längs dem Walde, wie sich hier die Hayne 211 und Klumps zeigen, hinzieht – alles dieses macht hier ein vortreffliches Gemälde aus. Gerade vor sich hat man eine angenehme Einbucht der Pflanzungen, wo ein Rasen die Fläche zwischen den Umschattungen der Waldbäume schmückt und ein Sitz dem Auge winkt. Dieses folgt gerne, und irrt weiter hin über eine Brücke, zwischen einer schon bemerkten großen Gruppe und einer kleinern, durch einen schmalen Strich zu den Ruinen eines Wartthurms hinauf. Nun erscheinen noch zwey Oeffnungen, in deren einer auf der Höhe ein Pyramidalsitz, und in der andern ein Gegenstand sich zeigt, der ein Theil eines zerfallenen Gebäudes zu seyn scheint.

Im Fortschritt wird eine Krümmung der Leine, die bisher mit Weidengebüschen verdeckt war, sichtbar. Die vorigen Aussichten seitwärts verschwinden ganz, und neue erscheinen. Einige Einbuchten der Pflanzung wechseln besonders mit einer weitern Oeffnung, worinn eine Statue auf der Höhe erscheint. Weiter hin auf einer kleinen Erhöhung erblickt man eine Urne unter herabhängenden Bäumen, und darüber erhebt sich ein dunkler Hayn von Nadelhölzern.

Noch immer wandeln wir an dem buschreichen Ufer der Leine. Endlich gelangen wir zu einer Erhöhung, und zu einem schattenreichen Sitz am Ufer des Flusses, der hier mit der Lebhaftigkeit, wie er vom Harz fällt, wieder zu rauschen beginnt. Durch die Pflanzungen geht eine ländliche Aussicht hinaus über abwechselnde Kornfelder, von Waldstücken und Gebüsch bekränzt.

Ein schattigter natürlicher Bogengang leitet zur Linken nach einem Sitz. Die Aussicht trifft auf einen Theil des Klosters. Der Kirchthurm bildet die Spitze einer großen Baumgruppe, über welche er unmittelbar zu stehen scheint. Man blickt zwischen einigen schönen Gruppen von abwechselnden Farbenmischungen, und auf die Rasen hin, die unter ihnen grünen. Uebrigens ist die Gegend hier einfach, ländlich und ruhig.

Am Ende dieses Ganges wird man auf einmal mit einem Anblick überrascht. Man sieht nun vor sich Ruinen, den Gegenstand, der von dem Sitz unter der Eiche und in andern Gesichtspunkten noch unkenntlich war, sich überaus malerisch, wie wahre Felsruinen, auf der nahen Höhe zwischen Nadelholz hervorbrechen. Doch entdeckt das Auge noch nicht, von welchem Gebäude sie sind. Ein Stuhl ladet zur Ruhe ein. Hier zeigen sich andere Theile der Ruinen, die von jenen abgerissen scheinen, auf der Anhöhe. Ihre Verbindung ist durch eine dichte Gruppe von Fichten verdeckt. Sie werden dadurch malerischer, täuschender und größer. Nahe bey diesem Stuhl winkt eine hohe Birke mit einem runden Sitz an ihrem Fuß. Sie ruft das Auge wieder von den Ruinen ab. Eine große weite Aussicht auf Wiesen, Kornfeld, Waldstücke und das Dorf Stöckheim; auf der andern Seite in 212 den dunkeln Bogengang zurück, wo liebliche Lichter durch das verschiedene Laub spielen; weiter hin auf einen langen Strich von Rasen, zwischen abwechselnden Gruppen, bis an eine diesseits von einem weißen Geländer eingefaßte Pflanzung und einen Sitz in Form einer Pyramide in dem andern Winkel des fernen Hintergrundes; endlich auf das von Weiden überschattete Wasser, das hier einen murmelnden Fall hat, und auf die darüber hinführende Brücke.

Nach dem Uebergang über die Brücke leitet ein Weg an den Abhang eines Hügels, und darauf am Fuß einer buschigten Anhöhe hin, und läßt zur Rechten die Feldgegenden überschauen, bald darauf eine Gruppe von Birken, dann wieder offenes Gefilde. Er windet sich demnächst allmählich zu einer andern Höhe in eine Pflanzung hinauf, wo auf allen Seiten Pfade auslaufen, und endlich zu einer eckigten Bank, wovon die Aussicht in die Spazierwege, die außer dem Bezirk des eigentlichen Parks liegen, hinausstreift.

Von dieser Bank geht der Pfad etwas hinabschlängelnd fort. Das Auge blickt zwischen verschiedenen Gruppen und hohen Eichen in eine waldigte Scene vor sich hinaus, bis es in der Ferne ein von Birkenholz roh zusammengebundenes Holz in Gestalt eines Kreuzes wahrnimmt, das Erwartung erregt.

Ehe man zu einer Brücke gelangt, läßt man zur Linken drey Bänke, wovon jede eine von der andern verschiedene Aussicht in den innern Bezirk des Parks hat, Aussichten auf Gruppen und Rasen, in einem sanften, ruhigen und ländlichen Stil. Ist man über die Brücke, so erblickt man links über eine andere Brücke hinauf einen größern Theil der Ruinen auf der Höhe in einer andern Gestalt. Zur Rechten zeigt sich schon außer dem Bezirk des Parks ein Theil der um ihn laufenden Pflanzungen und Spazierfahrten, eine lange natürlich gewachsene Allee, die offen ist und sich mit einem Obelisk endigt. Man kommt an einen freyen runden Sitz, von dem man neue verschiedene Durchsichten hat, und in zwey Oeffnungen Ruinen erblickt. Das umliegende Revier dieses Sitzes ist rings umher mit mannichfaltigen Gruppen und kleinen Haynen bepflanzt. Man geht von hier über eine Brücke, und hat an der linken Seite eine Gruppe, und bey einer alten halbabgestorbenen Eiche, meist zur Rechten, eine lange Perspectiv, und vor sich gerade aus zwischen Pflanzungen eine Anhöhe, wo sich wieder eine bejahrte Eiche erhebt. Bald darauf sieht man einen dreyeckigten Sitz an einer Eiche mit abändernden Aussichten.

Weiter vorwärts gelangen wir an eine Bank, mit der Aussicht in zwey neue Oeffnungen von Gebüschen, die Eremitengänge genannt. Eine Inschrift führt auf eine wahre, aber ernsthafte Betrachtung, welche die Seele in eine dieser Gegend so angemessene Stimmung setzt:

213 „Der Mensch werde am Morgen des Lebens abgerissen, oder er falle im Alter, gleich einer reifen Aehre; so fällt er immer zu rechter Zeit nach dem Plane der Natur, wenn er der Vernunft gelebt hat, und als ein Mann gestorben ist.“

Beym Fortwandeln in den Eremitengängen sieht man bald verschiedene Pfade seitwärts ablaufen, und, indem man über einen Kreuzweg geht, oben zur Rechten hinauf in eine weite Oeffnung der Pflanzungen, wo eine Ruine sich auf der Höhe zeigt. Der Fortschritt auf dem untersten der Eremitengänge giebt bald seitwärts zur Linken eine lange ruhige Aussicht, von Bäumen umschränkt, und buschigte einsame Sitze. Die Verschließung wird immer mehr einsiedlerisch, alles stiller und dunkler, je weiter man kommt. Ein Pfad führt zu einer kleinen Anhöhe hinauf, und hier erblickt man die Einsiedeley unter den Umhüllungen der Gebüsche.

Sie ruhet einsam, an der Seite und unter dem Dunkel einer alten Eiche, neben welcher Sitze von Feldsteinen liegen, zum Theil mit Kreuzen bezeichnet; andere eben so bejahrte Eichen streuen ihren schwesterlichen Schatten umher, die Scene noch feyerlicher zu verdüstern. Das Gebäude *) trägt den Character, den Werke dieser Art fordern. Das Inwendige stimmt ganz mit der äußern Gestalt überein. Welch ein Anblick von Verläugnung der Welt und von Andacht, von Dürftigkeit und von Genügsamkeit, indem man hineintritt! Ein kleiner Betaltar fällt sogleich in die Augen, und mit ihm ein rührendes Bild der Maria, die mit thränenvollen, wundgeweinten, jammernden Blicken über den geliebten Sohn hängt, der erblaßt auf ihrem Schooße ruht; mit der einen Hand stützt sie sein sinkendes Haupt, mit der andern strebt sie den linken Arm in die Höhe zu halten, indessen der rechte an ihren Knien herabhängt. Umher Bildnisse von Heiligen, Erinnerungszeichen der Vergänglichkeit, Bücher der Andacht, des Trostes und der Kunst zu sterben, der schwersten Kunst des Sterblichen. Alles ist so überredend, so täuschend, daß fromme Katholiken zuweilen kein Bedenken fanden, hieher zum Gebet zu kommen. Tritt man aus der Einsiedeley zurück, so wird die Täuschung unterhalten, indem der Thüre gegenüber ein großes Crucifix in die Augen fällt, das an einer Eiche unter einer kleinen Bedeckung hängt; ein Betaltar von rohen Feldsteinen steht darunter.

Nahe an dieser Einsiedeley liegt ein Kirchhof von dunkeln Nadelhölzern umpflanzt. Eine kleine Grabscene voll rührender Erinnerungen für empfindsame Freunde des guten Sterne. Wir sehen hier die Grabmäler von Maria von Moulines mit einem Kranz und ihrem getreuen Sylviv; von Yorik mit dem

————

*) 4ter B. S. 84 und 85.

 

214 Staar, von Kapitain Shandy oder Toby mit der Charte von Namur, von Pater Lorenzo mit der Horndose auf einem schwarzen Kreuz, von Fever, von Trim, von Elise, mit ihren Inschriften und Sinnbildern geziert.

Von der Scene der Einsiedeley weg, führt links ein Pfad bey einem Druidenaltar von drey großen Feldsteinen unter einer sehr alten Eiche vorbey. Wir gehen bald darauf bergab neben einer andern bejahrten Eiche mit einem rohen halbrunden Sitz hin, steigen eine Anhöhe hinauf zu einer Bank unter Ruinen, und blicken in der Tiefe zwischen zwey Gruppen, in deren Mitte sich ein freyer Platz zeigt. Eine Oeffnung durch finstre Eichen contrastirt hier mit einer andern zwischen hellen Birken hin.

Unter sanften ländlichen Schatten, unter wechselnden gebrochenen Durchsichten auf Wasser in der Tiefe, gelangen wir an den Platz, wo Fremde in den Park einzutreten pflegen, wo sich ein schmaler Pfad zwischen dichten Gebüschen hereinzuwinden anfängt. Bald überrascht er mit einer großen heitern Vorstellung, indem sogleich ein Theil von ausgebreitetem Rasen und Wasser durch die Dämmerung der Bäume schimmert, und verschiedene Wege und Bänke sich mit verschiedenen Aussichten darbieten.

Man blickt auf der ersten steinernen Bank zwischen zwey Oeffnungen einen Abhang hinab. Das Wasser erscheint hier in der Tiefe frey mit der Blumeninsel; zur Linken hin eine Brücke. Jenseit des Wassers breitet sich der große Rasen mit der Weide aus; weiter hin zeigt sich die alte Eiche mit den Bildern der Jahrszeiten, und tief im entfernten Winkel unter schattigten Gebüschen die Strohhürde; eine edle, ausgedehnte und malerische Aussicht. Auf der zweyten Bank hat man eine hohe Gruppe von Birken, die mit geraden Stämmen aus der Tiefe empor steigen, und hier oben ihre Gipfel vereinigen; unten erscheint ein anmuthig gelegener Sitz unter Tannen, deren Dunkel gegen die hellen Birken contrastirt. Zur Linken dieser Gruppe geht eine ganz einfache ländliche Aussicht hinab über den Rasen; zur Rechten eröffnet die Durchsicht einen reichen Auftritt, indem über das Wasser hin, das sich hier von einer andern Seite hinter der Pflanzung erweitert, eine schöne große Gruppe erscheint, mit einem Gartenstuhl, der vor ihr steht, und hinter ihr, wiewohl in einiger Entfernung, der Gipfel des dunkeln Eichenhayns einen feyerlichen Hintergrund bildet. Bey der dritten Bank ist der Abhang nicht mehr sanft, sondern stürzt sich steil auf ein von oben herabkommendes flüsterndes Wasser herab; darauf zeigt sich die unbeschälte Knöppelbrücke von Birkenholz, die, sehr ländlich gebaut, ein malerisches Ansehen auf der grünen Fläche macht; demnächst ein Theil der Obstbaumgruppen, und in der Ferne die Spitzen der Pflanzungen, die mit einer hervorstechenden 215 Schattirung emporsteigen. Indem wir von hier uns weiter wenden, fällt der Blick in ein tiefes Gehölz hinab, in dessen diesseitigen Theil, der auf einem Abhange steht, sich ein Pfad in dem unten laufenden Weg über einen Steg hinabwindet. Ein andrer Sitz unter drey Birken ruft uns, näher zu kommen. Man schaut links in den Weg nach dem Druidenaltar hin, und rechts führt ein dunkler Gang zu einer Anhöhe hinauf, wo auf einmal heitre Aussichten hervorbrechen.

Man trifft auf dieser Höhe ein offenes Cabinet mit Ruhesitzen an, gerade vor sich einen steilen Abhang, und in der Niedrigung fortschlängelnde Wege, die den Rasen durchlaufen, und sich seitwärts verlieren. Die weiße Knöppelbrücke schimmert in diesem Gesichtspunkt fast aus der Mitte des großen Rasens herauf, und führt über einen schmalen Strich des Wassers hin; und am Ende der grünen Fläche hebt sich der dunkle Eichenhayn, durch welchen eine eröffnete Durchsicht im finstern Hintergrunde eine Bank wahrnehmen läßt. Sanft und lieblich ist auf diesem Sitz die Wirkung des Abendlichts, wenn seine sinkenden Strahlen schräg über den großen Rasen spielen, indessen der empfindende Zuschauer hier im Schatten ruht. Das in der Tiefe umher weidende Vieh und die milde, mannichfaltig schattirte Aussicht zwischen den hohen Bäumen hinab, deren Stämme emporsteigen, verschönert nicht wenig das ruhige Abendgemälde. Zur Rechten auf dieser Höhe dämmert wieder eine dichte Pflanzung, deren Bäume auf den Abhang herüber hängen und sich mit den Kronen der unten aus der Tiefe heraufragenden Bäume vereinigen. Unter diesen Schattengewölben und herabhangenden Laubdecken sieht man ein schmales Wasser sich in der Tiefe herumwinden. Zur Linken senkt sich der Blick einen sanftern Abhang in Buschöffnungen hinab, wo er auf einen Stuhl und seitwärts auf eine von Schatten überdüsterte Brücke fällt.

Wir gehen von hier rechts um das Kabinet herum zu einer hohen alten Eiche mit einem runden Sitz. Indem wir uns setzen, das Gesicht über einen freyen, auf beyden Seiten von Pflanzungen eingefaßten Rasen nach einer großen Gruppe hingerichtet, um welche zwey Wege sich herumschlängeln, erblickt man rings um sich her einen waldigten Kranz, der das Auge an sich zaubert. Weiter zur Rechten hinab kommen wir zu einer andern hohen ehrwürdigen Eiche mit einem viereckigten Sitz. Man hat hier zurück auf den Weg, den man herabkam, eine ländliche Aussicht zwischen der Pflanzung, die sich oben zusammendrängt, und deren helllaubigter Rand schön gegen die hintern Bäume absticht. Auf der gegenüber liegenden Seite, meist gerade aus, blickt man über den Rasen durch eine große Oeffnung der Pflanzung auf den jenseitigen Rasen, und zuletzt auf einen dunklen Waldgrund; zur Linken über eine Getreideflur, mitten im Bezirk des Parks, in einem buschigten 216 Winkel, vor welchem ein Stuhl steht; auf der andern Seite auf einem abwärts laufenden Weg, wo das Auge auf den nahen dichten Bäumen ruht. Auf der andern Seite gegenüber wandeln wir nach einem halbrunden Sitz.

Wir gehen hinauf zu ihm; eine sehr anziehende Scene eröffnet sich hier. Zwey Fluren von verschiedenem Getreide und Grün, die der Park nicht verschmäht, werden von einem Rasen getheilt und dieser von einer Brücke verschönert, die Wasser ankündigt; hinter der letzten Flur steigt eine mit Rasen bekleidete Höhe empor, auf deren Gipfel zwischen finstern Nadelhölzern, die sich zur Rechten tiefer herabziehen, sich Ruinen sehr malerisch zeigen. Von der letzten Flur herüber schimmert ein weißer hoher Sitz in einer Höhlung der Pflanzung; zur Linken dieser Flur springt eine dunkle Gruppe hervor, die trefflich gegen sie contrastirt, und auf deren Spitze zwey Birken stehen, neben welchen sich eine Oeffnung in eine Tannenpflanzung hineinzieht. Nahe bey diesem Vorsprung der Gruppe erscheint eine andre große dichte Pflanzung, bey welcher das Auge in einem Waldwinkel eine Brücke entdeckt, die in diesem Gesichtspunkt ein noch unsichtbares Wasser verräth.

Wenn wir diesen Weg verlassen, sehen wir bald links einen Pfad ablaufen, gehen aber gerade aus neben Obstbäumen hin und stoßen auf einen schmalen Strich von Nadelhölzern. Neben dieser schweift links ein Pfad nach einer Eiche mit einem Sitz, ein andrer führt gerade auf eine runde Gruppe von mannichfaltigen Baumarten.

Bey dieser Gruppe sieht man neben den zwey eben erwähnten Birken an dem Vorsprung der Gruppe einen Steg, unter welchem sich ein Wasser ergießt, das sich hier in ein ziemliches Behältniß ausbreitet. Es ist umher von Rasen umgeben, frey in Form und in Lage, ein Spiegel der benachbarten Bäume. Die Pflanzungen umher machen hier wieder verschiedene neue Ansichten von Oeffnungen und Einbuchten.

Von hier fortschreitend lassen wir das Wasser zur Rechten, sehen bey einer Gruppe zur Linken eine Oeffnung der Pflanzung auf einer Anhöhe hinauf, und nähern uns wieder etwas dem Wasser, indem wir auf eine frey im Wege liegende flache Bank stoßen. Hier vereinigen sich viele Aussichten. Bald erscheinen die Ruinen, die sich aus einem finstern Tannenhayn von einer kleinen Höhe erheben, wohin der Blick zwischen zwey Gruppen über Rasen hinaufsteigt; bald eine Brücke, hinter welcher ein anmuthiger bebuschter Hügel aufschwellt; bald eine weite perspectivische Durchsicht durch die außer dem Umkreis des Parks verlängerten Pflanzungen; bald verschiedene andere nähere Oeffnungen der Gebüsche; bald eine Eiche in der Ferne, vor welcher ein großes Kreuz sich zeigt, das die Nachbarschaft einer Einsiedeley zu 217 verrathen scheint; bald Sitze und Brücken umher; bald eine Anhöhe, mit einigen Gruppen und einem offenen halbrunden Sitz geziert, der sich im Wasser spiegelt.

An diesem Wasser hin führt von hier ein Pfad über einen Knöppelsteg in ein kleines Gehölz von Nadelbäumen; ein anmuthiger Platz in den Jahrszeiten, worinn die Laubpflanzungen noch nicht mit ihrem Grün bekleidet sind. In der Mitte hebt sich eine Birke, und an ihrem Fuß ruhet ein runder Sitz, in der Aussicht auf eine sanfte Anhöhe mit einigen Gruppen im einfältigen Schmuck der Natur. Beym Heraustreten wenden wir uns links gegen eine Brücke, und, indem wir uns ihr nähern, zeigt sich in der Ferne der Obelisk am Ende der Pflanzungen außer der Gränzlinie des Parks. Wir lassen die Brücke zur Linken, steigen eine Anhöhe hinauf, wo verschiedene Pfade umherirren, und gelangen auf der mittlern Höhe zu einer Bank, wo sich eine reiche und fruchtbare Landschaft eröffnet, mit Kornfeldern, Wiesen und Weiden erheitert, und schattirt von Gebüschen und Wald. Zur Linken steigt eine lange Aussicht die Anhöhe hinauf, von Pflanzungen begränzt. Ein unermeßlicher Prospect aber erweitert und dehnt sich zur Rechten hinter Hannover hinaus in entfernte Landschaften. Das Abendlicht, das man hier zur Linken hinunter glänzen sieht, erhöhet nicht wenig den Reiz dieser Gegenden, indem rings umher die Lüfte von den letzten Liedern der Lerche ertönen.

Der Weg senkt sich hinunter, windet sich wieder hinauf und steigt durch eine schmale Oeffnung; er führt in eine Pflanzung von Nadelhölzern. Von hier steigt man in einem schmalen wilden Pfad hinauf, mit mancherley Nadelholz besetzt. Ein ödes einsames Revier. Man erblickt schon einige Ruinen; einzelne Trümmer begegnen im Weg, und erinnern den Fuß, vorsichtiger zu schreiten. Nun erscheinen sie selbst, die täuschenden Ruinen, deren Erscheinung in entferntern Gesichtspunkten so oft ein anziehender Gegenstand für das Auge und für die Erwartung war. Sie sind weit über den Boden ausgebreitet, und scheinen die Reste eines sehr großen und ansehnlichen Gebäudes zu seyn. Das forschende Auge entdeckt, was sie ehemals waren. Es erblickt die Trümmer einer alten gothischen Klosterkirche. Allerley rohes Gestein zwischen durchlöcherten, vormals gehauenen, nun zerstückten Bausteinen, zerstörtes Gesimse, halbe Bilder von Heiligen und andere kaum kenntliche Figuren, Grabsteine mit Mönchsschrift, zerbrochene Stücke mit meist verlöschten Inschriften, ein Taufstein, ein Weihkessel, und andere Trümmer, von der Verwüstung der Zeit durch einander geworfen – zwischen Gras und Gesträuch und Bäumen hingestreut, überwachsen und verwildert – dazwischen noch stehendes, halb schwankendes, auf jeden Augenblick den Einsturz drohendes Gemäuer und Bögen und Säulenwerk – so täuschend angeordnet, so malerisch ausgebildet, daß, 218 wie viel der Wirklichkeit abgeht, kaum bemerkt wird. Doch vereinigt sich hier die Wahrheit mit der Kunst. Die Grabsteine, der Taufstein, die Bilder der Heiligen und andere Stücke sind wirkliche Reste des Alterthums, aus Klosterkirchen gesammelt; andere Trümmer sind nur gemacht, und doch betrügen sie in der Ferne das Auge bis zum Erstaunen. Verriethen nicht die hie und da untermischten ruinenartig gemalten Breter in der Nähe die Kunst der Nachahmung; so könnte nichts täuschender seyn, als die Anordnung dieser Scene. Oben auf der Höhe hebt sich der Thurm, meist zerstört, empor. Hier eröffnet sich eine der herrlichsten Aussichten, die sich über den ganzen Park und die umliegenden Landschaften ausbreitet. Man überschaut die Menge von Gruppen, Haynen und mannichfaltigen Pflanzungen, die vielen heitern Oeffnungen und Rasen dazwischen, die Höhen und Niedrigungen, ein Gemisch von tausend lieblichen Farben und Schattirungen, die überall aus dem Grün so reizend hervorschimmernden Sitze, wo das feinste Vergnügen genossen wird, den ausgedehnten und prächtigen woldigten Umzug des weiten Bezirks. Man blickt in unermeßliche fruchtbare Landschaften hinaus, auf den Lauf der Leine, die im tiefen Grunde aus Gebüschen hervorscheint, auf die Stadt Hannover mit ihren Thürmen, auf Wälder und Berge, die weit in die Ferne hin dämmern. Mitten unter allen diesen belebenden Aussichten hörten wir noch unter uns das Getümmel der ersten Heuärndte, den fröhlichen Zuruf der Heerden, und über unsern Häuptern die Triumphlieder der Bewohner der Lüfte. Alles, alles eilte, den Geist und die Empfindung zu erhöhen. Und in dieser wollustvollen Erhebung der Seele, unter diesen begeisternden Gefühlen, die uns die Herrlichkeit der Natur von allen Seiten zuströmen ließ, empfanden wir ganz den Eindruck der deutschen Inschrift, die neben uns an der Mauer des Thurms stand, und die so gewählt, so treffend für diese Stelle ist.

Wenn schon ein Blick in diese Welt,
Die reizend vor uns lieget,
So sehr vergnüget;
Wie werden uns die Gegenden entzücken,
Wo Licht und Herrlichkeit und Pracht
Den Raum des weiten Himmels schmücken;
Wo – Doch wer malet in der Nacht
Das Bild vom ungesehnen Tage?
Empfinde selbst, was noch kein Auge sah!
Die Aussicht auf dieß Glück ist da!
Es ist dir nah!

219 Von dem Zauber dieser Aussicht erfüllt, wandeln wir gerade auf einen hohen Schirmsitz zu, der in verschiedenen Gesichtspunkten, besonders vom Hause aus, ein hervorstechender Gegenstand ist. Man sieht zur Rechten in ein Thal hinab, wo die Leine sich zwischen Gebüschen an einer Wiese fortwindet, und sodann die hoch aufsteigende ferne Landschaft; zur Linken erscheint in einer Entfernung von mehr als einer Meile das militärische Reithaus, und Tannenwälder schließen den Horizont. Man kommt über Rasen bey verschiedenen Gruppen und Sitzen vorbey, unter ländlichen Aussichten, worunter besonders weite Kornfelder erscheinen, die sich bis an den fernsten Gesichtskreis verbreiten, hin und wieder mit einigen Dörfern belebt und mit Buschwerk und zerstreuten Waldstücken schattirt sind, zur Rechten aber einen Kranz zusammenhängender Waldungen haben. Man gelangt endlich zu dem grossen Schirmsitz auf der umpflanzten Höhe. Die Aussicht zur Linken fällt hinab und steigt wieder hinauf, in einer langen Strecke fort, nach dem Thurm der großen Ruinen der gothischen Klosterkirche; gerade aus endigt sie sich bey dem entfernten Wohnhause; und zur Rechten stellt sie einen erhabenen und weiten waldigten Umzug dar, den die Eichenkronen bilden. Die Sandhöhe dieses Schirmsitzes ist umher mit Pflanzungen von Nadelhölzern bekleidet.

Nahe bey diesem Sitz liegen kleine Ruinen, die von verschiedenen Seiten einen Gegenstand des Prospects in der Ferne bilden. Man blickt von hier in die Zwischenräume der Pflanzungen in der Niedrigung, auf Sitze und andre Gegenstände hin. Zur Linken zeigt sich fernher durch die Klumps der Nadelhölzer die abhängige Spitze der großen Ruinen; und rechts ruhet das Auge, das durch eine sehr entfernte Pflanzung von Birken hinabirret, bey einem entlegenen etwas erhöhten Sitz. Hinter diesen kleinen Ruinen geht ein Weg nach dem hohen Schirmsitz herum, zwischen einer dichten Pflanzung von Nadelhölzern. So nahe bey einander diese zwey Gegenstände liegen, so thun sie sich doch in den Prospecten keinen Eintrag; denn durch die Kunst der Umpflanzung weicht der eine zurück, wenn der andere erscheint, und nirgends dringen sie sich beyde zugleich in einem Gesichtspunkt auf.

Im Fortgehen zur Linken auf dem Abhang hinab, kommen wir auf eine Gruppe, die sich hier mitten in einem hellen Rasen erhebt und hinter sich eine waldigte Umkränzung hat. Der Weg windet sich links herum, etwas wild zwischen Fuhren hin; auf beyden Seiten eröffnet sich wieder ein Rasen, der links zu den Ruinen hinausschwillt und rechts an eine Brücke gränzt, über welche sich in einer weiten Entfernung der Obelisk zeigt. Man läßt hier das kleine Gehölz von Nadelbäumen zur Rechten, sieht einen Pfad hinein- und zwey herumlaufen. Daneben winkt zum Verweilen ein Sitz, von dem man die Höhe hinauf blickt. Man geht 220 von hier, den Ruinen zu, die sich allmählich erhebende Anhöhe hinauf, zwischen zwey Pflanzungen von Nadelhölzern, die von dem eben erwähnten kleinen Gehölz abzulaufen scheinen. Der Pfad fällt auf einen freystehenden Stuhl. Die Ruinen bleiben hier zur Rechten; man hat vor sich sanfte Abhänge, die seitwärts herabfließen; das Weiße von einigen Brücken und Sitzen belebt die Aussicht; zur Linken schweift der Blick zwischen Pflanzungen hin, und bricht durch eine Oeffnung, wo er auf einem heitern Stück von Rasen weilt.

Von hier wandeln wir gerade aus, der Oeffnung zu, zwischen Fichtenpflanzungen. Der Weg schlängelt sich hinab, immer zwischen Fichten, der Oeffnung entgegen, die sich erweitert und verlängert. Indem man sich ihr nähert, bricht Licht und Heiterkeit hervor, manche schattirte und halbbeleuchtete Stelle, eine Brücke, und in der Ferne auf einem hellen Rasen die weiße Knöppelbrücke, und weiter hin schimmert die chinesische Brücke am Hause. Eine reizende, das Auge anzaubernde, Durchsicht! Wenn es sich daran ergötzt hat, sieht es auf einmal zur Linken eine andre Aussicht hervorbrechen, den großen Rasen mit der Weide, hinten die alte Eiche mit den Bildern der Jahrszeiten, einen Theil des Eichenhayns, einige Vorsprünge der Gruppen in die grüne Fläche, und näher auf eben dieser Seite eine Brücke.

Der Weg wendet sich gleich links herum in einen dunkeln Hayn von Nadelhölzern, der sich auf einem Abhange hinzieht, und der Einsamkeit und einer sanften Melancholie gewidmet ist. Verschiedene Inschriften an den Sitzen umher helfen den Eindruck dieses stillen Bezirks erhöhen.

„Die Einsamkeit stärkt den Geist, und lehrt ihn sich auf sich selbst verlassen.“

„Hier erklärt sich das Nachdenken die geheimnißvollen Träume des hinfälligen Lebens.“

Und bey dem heitern Ausgang aus diesem Hayn begegnet dem Auge diese lehrende Inschrift:

„Ergreife die Weisheit, ehe es dir eine Quaal wird, weise zu seyn; das heißt: ergreife sie, ehe sie dich ergreift.“

Wir gehen in Nadelpflanzungen fort, worinn verschiedene Pfade umher irrten, durch einsame Gegenden und kleine Wildnisse, über Knöppelbrücken, bey Rasensitzen vorbey, sodann unter Aussichten auf Wasser und heitre Flächen. Unterdessen giebt ein Sitz dem Unempfindlichen diese nachdrückliche Erinnerung:

„Kannst du in der kleinsten Blüthenknospe keinen Reiz entdecken, dann verlaß dein Feld und deine Heerde, geh zur eiteln Menge und arbeite um Gold!“

221 Ein hoher, runder, offener und mit einer vorspringenden Bedeckung versehener Gartensitz ruft uns zu sich. Wir sehen, indem wir hier sitzen, zur Rechten einen Weg sich in die Pflanzung hineinkrümmen. In der geraden Aussicht senkt sich der Rasen zu einem Wasserstücke hinab; eine Gruppe, so nahe, als wollte sie hineinstürzen, scheint den Wiederschein ihrer schönen Gestalt zu suchen. Ueber das Wasser hin erheben sich auf ihrer Höhe die Ruinen zwischen dem düstern Grün. Weiter links erblicken wir Wege, die sich in verschiedenen Einbuchten der Pflanzung verlieren. Die Seiten dieses schönen hohen Sitzes sind von Bäumen überschattet; der hintre Theil hat die Gestalt eines alten Wartethurms, der doch nur durch die Bepflanzung in einigen bestimmten Prospecten sichtbar wird.

Ein anmuthiger Weg führt von diesem Sitz nach der Statue des Pan, der schon vorher aus andern Gesichtspunkten, aber unkenntlich, ins Auge fiel. Er steht auf einer Höhe, mit der Durchsicht auf Felder und Wiesen, wo seine Heerden ruhig weiden, indessen er sich hier mit seiner ländlichen Musik ergötzt.

Von dieser Höhe fällt der Blick zugleich in einen buschigten, dicht bewachsenen Grund, wohin ein Steg hineinführt. Wir lassen diesen Grund zur Rechten, und gehen den Abhang hinab, an dessen Ende der Pfad sich auf einmal in eine kleine, einsame, schattenreiche und süße Schwermuth erregende Wildniß, die von mancherley Bäumen zusammengepflanzt ist, herumwendet. Von dem Sitz dieser Wildniß blicken wir zur Linken auf einen Weg in den dunkeln Hayn der Einsamkeit zurück; ein offener, mehr anmuthiger Pfad steigt neben ihm aufwärts hinauf. Die Aussicht ist hier übrigens verschlossen. Bloß eine kleine Oeffnung durch die vorstehenden Bäume, wo das Auge einen Strich von der frischen Weide erreicht, bricht durch, und wird bald wieder begränzt durch die Dunkelheit der hintern Waldmasse. Indem wir weiter vorwärts einer Brücke zugehen, an welcher ein kleiner Wasserguß im Gebüsch rauscht, bricht wieder ein heitrer Auftritt hervor. Wir wenden uns, sobald wir über die Brücke sind, gleich rechts zu einer Bank an einem Rosengebüsch. Hier ist eine liebliche Stelle, wo man gerne verweilt, den süßen Duft der Rosen zu athmen, den Wasserguß in das Geräusch der wallenden Bäume eintönen zu hören, und zugleich das Auge an den mannichfaltigen malerischen Ansichten schwelgen zu lassen, welche die Lichter und Schatten an den vorliegenden Pflanzungen bilden. Ganz nahe zur Rechten bey diesem Rosensitz sieht man das Revier, das man bey der Statue des Pan für einen tiefen buschigten Grund hielt. Hier aber endeckt sich der Betrug des Auges, der von der dem Steg gegenüber liegenden, schmalen und vordringenden Gruppe bewirkt wird; der Steg verstärkt den Schein der Verschliessung. Man sieht nun, daß es keine versenkte buschvolle Tiefe war, sondern eine 222 etwas dichtere Gruppirung. So viel vermag die Kunst der Pflanzung. Indem man über den Steg geht, hat man die heitre Anhöhe und den Pan im Gesicht.

Wir verfolgen den Weg, der von der Brücke, worüber wir zu der Bank am Rosengebüsch kamen, gerade fortläuft, und wenden uns links gegen den Vorsprung einer Pflanzung. Indessen eröffnet sich zur Rechten ein Pyramidalsitz unter dem Schatten einer Eiche, zur Linken eine Brücke, zwey malerische von weißen Weiden verschönerte Gruppen, denen wir uns mit einer Wendung des Weges nähern. Wir kommen über die Brücke, und von hier rechts in einen schattenreichen Dickigt, wo ein Wasserfall rauscht. Beym Heraustritt fällt der Wartethurm ins Gesicht. Bey einem Schattensitz am Wasser und einer Brücke vorbey, die zur Rechten bleibt, schreiten wir fort zu dem Anblick einer Urne, die sich zur Linken auf einer kleinen Anhöhe, von Nadelhölzern verdüstert, zu verbergen scheint. Eine Hangelbirke und eine babylonische Weide lassen ihre Zweige mitleidig über sie herabhangen, und ein voran gepflanzter Sumach scheint sie noch mehr dem Auge entziehen zu wollen. Doch führen einige Stufen näher hin. Nahe dabey steht eine Bank mit einer Inschrift, die sich auf den würdigen, gegen die Armen so wohlthätigen, Minister bezieht, dessen Andenken die Urne gewidmet ward, ohne daß der bescheidne Besitzer den Namen nannte. Er wollte nichts mehr, als ein Denkmal zur Erinnerung an den, welchen er verehrte; seine Hochachtung und Freundschaft gegen einen solchen Mann sollte sich in eben dem Schatten verschließen, worein er seine Urne stellte.

Von hier führt der Weg nach einer gemeinen Knöppelbrücke, die einen eben so rohen Sitz unter dem Schatten der Bäume hat, die sich über das Wasser herabneigen, und es melancholisch verdunkeln. Man sieht hier wieder einen großen Theil der Ruinen nahe vor sich, auf einer steilen Anhöhe, die, mit Genster und Fichten bewachsen, wild und öde da liegt. Die Steine sind hin und her auf der Höhe zerworfen. Die noch stehenden Trümmer sind halb von den verschattenden Bäumen versteckt; sie erscheinen nur in zertrennten Stücken; durch ihre Zwischenräume trauern die hintern Fichten hervor. Sanfte Melancholie ergreift den Empfindenden, und diese Verfassung der Seele verstärkt sich noch bey dem Blick auf die vorige Urne.

Um diesen Sitz läuft ein Weg bis nach der vorhin angezeigten langen Brücke, die vor dem Anblick der großen Ruinen liegt, und worauf wir durch den schattigten Bogengang von der Leine her stießen. Wo der Weg dahin abläuft, steht noch ein Sitz mit einer freyen, der vorigen entgegengesetzten, doch stillen ländlichen Aussicht, und mit dieser sanft erwärmenden und beruhigenden Inschrift:

223 „Fühle in deinem Herzen die süßen Erregungen der Natur, nimm an, was sie dir gütig zutheilt, und denk an nichts weiter!“

Wir gehen über die Wiese zurück, indem wir den schmalen Bach zur Rechten lassen, und blicken vorwärts durch verschiedene malerische Klumpen und in waldigten Vertiefungen, die sich an den Seiten zeigen. Wir gelangen wieder zu der letzten Brücke, am Wasserfall vorbey, sehen ihn zur Rechten im Dickigt, und wenden uns herum zu einem Stuhl, der an der Spitze einer schmalen Pflanzung steht, gegen welche eine ähnliche sich zur Beschattung des durchlaufenden Weges drängt. Eine schöne Aussicht steigt zwischen den Pflanzungen seitwärts die Höhe hinauf, und in der Niedrigung verlängert sich der Prospect zwischen den Gruppen in die Ferne hin zu Kornfeldern, vom entlegenen Gehölz begränzt.

Der Fortgang bringt zu einer dreysitzigen Bank, wovon jede Seite einen unterhaltenden Gesichtspunkt giebt. Der erste Sitz stellt das vorige Gemälde mit einigen Zügen etwas verändert wieder dar; der mittlere giebt dem Auge Ruhe auf der nahen vorliegenden schmalen Pflanzung, die sich gleich einem Schirm vorzieht; der letzte, dem ersten entgegen, läßt es wieder über Rasen und Weide und auf drey in diesem Prospect neben einander emporsteigende Eichen ausschweifen.

Von hier schreiten wir vorwärts dem erwähnten heitern Auftritt zu, mit einer Wendung des Weges zur Linken nach einer Bank. Ein schönes Revier! Vor dem Auge verbreitet sich der große Rasen mit der Weide in einem weiten Umfang, und fließt in dem heitersten Grün dahin. Gerade vor sich hat man die Obstbaumgruppen, die auf einer kleinen Erhöhung des Rasens fortlaufen; eine besondere Gruppe dieser Fruchtbäume mit abstechendem Laube schattirt den Rand eines Klumps von Waldbäumen. An dem Vorsprung einer schattirenden Fruchtbaumgruppe bricht in einigem Abstande ein Theil der Knöppelbrücke hervor; weiter hin in der Entfernung ein hoher bedeckter Sitz, halb hinter Bäumen versteckt; zur Linken eine Ecke des Klostergebäudes, die zwischen den Umhüllungen der Bäume hervorschimmert.

Von diesem Sitz läuft links ein schmaler Pfad zwischen den schönen Gruppen hin, die gleich bey der Eiche mit den Bildern der Jahreszeiten, als eine so treffliche Malerey, ins Auge fielen. Ein anderer Weg hebt sich oben zur Rechten des letzten Sitzes, eine kleine Anhöhe hinauf zu einem andern Sitz, der vor einer Pflanzung ruht. Wir verfolgen den Weg, der gerade aus zu den Obstgruppen führt, wandeln zwischen ihnen durch, erblicken zur Rechten einen ländlich einfachen Steg, und fehen die Einbuchten und Vorsprünge der Pflanzungen hier näher, als in den vorigen Ansichten. Wir kommen zu einer Brücke, über welche der Weg läuft, wobey 224 ein Stuhl die Aussicht auf eine gegenüber liegende Pflanzung giebt, vor welcher ein schön gebauter Sitz steht. Nach dem Uebergang über die Brücke schreiten wir einem einzelnen Baume mit einem viereckigten Sitz entgegen, der in dieser offenen und heitern Gegend sehr abwechselnde Aussichten nach allen Seiten gewährt, und wenden uns von hier rechts der Knöppelbrücke zu. Sie ist von angenehmen Aussichten umgeben. Indem man über sie hinschreitet, sieht man zur Linken auf das Wasser herab, die Blumeninsel, den chinesischen Pavillon mit der Pflanzung, die ihn auf jeder Seite zu umhüllen strebt, die leichtschwebende Brücke neben ihm, und im Hintergrunde das Wohnhaus, hinter welchem noch der Thurm der Klosterkirche über die Baumgipfel hervorragt; weiter hinauf zur Linken einen Theil des bedeckten hohen Sitzes auf der Anhöhe; näher hieher erscheinen verschiedene Ruheplätze, und gerade in der Aussicht, wenn man auf der Brücke steht, zeigt sich oben auf der Höhe ein andrer ganz freyer Schirmsitz. An der rechten Seite dieser Brücke hört man einen kleinen Wasserfall rauschen, und übersieht ein Wasserstück mit dem Rasen und sodann eine große Pflanzung.

Wir folgen dem Weg gerade aus, wenden uns bald rechts zu einer niedrigen Feldbrücke von Steinen, und gelangen zwischen dem Rasen hin in ein gepflanztes Waldrevier von hohen Bäumen und dichtem Untergebüsch, wo gleich drey verschiedene Bänke zum Ruhen einladen. Unter der Eröffnung mancher sanften Ansichten schlängelt sich der Weg in diesem Waldrevier umher, und fällt aus einer angenehmen Finsterniß auf einmal in einen langen heitern Prospect.

Alle diese weiten Spaziergänge, die wir zurückgelegt haben, zeigen die beständige Abwechselung von hellen und dunklen Scenen und die große Mannichfaltigkeit von Höhen und Niedrigungen, von Gruppen und Haynen und Rasen, von malerischen Verkürzungen und Verlängerungen der Durchsichten, von Vorsprüngen und Einbuchten der Pflanzungen, von Lichtern und Schatten, untermischt mit Brücken und Sitzen, deren weißer Anstrich und immer abändernde Form die Lebhaftigkeit und Schönheit des Ganzen vermehrt. Dieser Geist der Abwechselung ist durch alle Anlagen verbreitet, und erscheint auf allen übrigen Wegen, die wir noch in dieser Beschreibung durchlaufen könnten. Allein wir wollen sie der so angenehm unterhaltenden eigenen Aufsuchung des Gartenfreundes lieber überlassen, als ihn hier ganz befriedigen.

Indessen nähern wir uns bey der Zurückkehr zu dem Wohngebäude noch einer rührenden Scene. Der Weg schleicht herum, und auf einmal befinden wir uns in einem dunkeln einsamen Revier, wo eine große Urne auf einem Fußgestell erscheint, ein Denkmal für einen großen Minister, der dem Staat, den Wissenschaften und 225 der Menschheit unvergeßlich ist. Man verweilt mit einer dankbaren Erinnerung bey diesem Monument, indessen daß die dichte schattenreiche Pflanzung, von Nadelhölzern verdüstert, die sanfte Melancholie dieses Platzes vermehren hilft. Der Ausgang führt wieder zum Licht und zur Freude; ein Pfad windet sich zur Rechten fort, an der Pflanzung herum, und leitet zu einer mit einem Kreuz bezeichneten Bank, woran diese rührende Inschrift erscheint:

„Gesegnet sey die gütige Hand, die mein Herz unter diesem friedlichen Schatten sanft zu Ruhe brachte.“

Nicht weit von hier hebt sich ein Weg die Höhe hinauf nach dem großen offenen, mit einem Vordach beschirmten Cabinet oder Ruhesitz. Dieser Platz herrscht von seiner Anhöhe über eine Reihe der heitersten Aussichten. Zwey Wallnußbäume, die an der linken Seite einen Vorgrund bilden, streuen ihren erquickenden Schatten hin und lassen unter der Dämmerung ihrer Zweige das Auge froh in die unten sich verbreitenden Gegenden hinausirren. Gerade vor dem Blick am Fuß der Anhöhe verbreitet sich das Wasser in seinem Umfang. Man übersieht die Blumeninsel darinn ganz. Dieser Gegenstand wirft ein heitres Licht auf alle angränzende Auftritte. Von dem Wasser an eröffnet sich der große Rasen mit der Weide. Die Pflanzung der Obstbäume sowohl, als auch die große nähere Waldgruppe, vor welcher ein anmuthiger Sitz erscheint, werfen eine schön abwechselnde Schattirung über ihn hin. Neben dieser waldigten Gruppe vorbey, wird das Auge von der uralten Eiche mit den Figuren der Jahrszeiten gerufen, und ruht sodann in dem fernen schattigten Winkel der Hürde. Von hier an ziehen sich die entferntern Gruppen hinter der Pflanzung der Obstbäume weg, und scheinen in eine einzige Waldmasse zusammenzufließen; doch sind die schönen Schattirungen auch hier dem Auge sichtbar. Ueber einen Theil der Obstbaumgruppen hin schweift der Blick über fortlaufende Rasen, das Fruchtfeld und die buschigten Ufer der Leine, und weiter verliert er sich in die ferne Landschaft hinaus, die mit Kornfluren und Wäldern wechselt, sich etwas gegen den Horizont hebt, und in seinen bläulichen Dunst hinausdämmert. In eben dieser Richtung verweilt das Auge näher her bey einem Vorsprung der Pflanzung, vor welcher ein Sitz erscheint. Noch etwas näher heran steigt eine hohe sehr ansehnliche Pflanzung mit vieler Pracht empor; der Blick dahin geht gerade über die Knöppelbrücke und ruhet bey einem großen, zierlichen Sitz, der in einer Oeffnung dieser Pflanzung schimmert, in welche noch an einer nahen Einbucht der Rasen hineinschleicht. Noch näher macht eine Gruppe mit hellerm Laube einen Vorsprung, und bildet zwischen sich und der benachbarten Pflanzung, die ebenfalls etwas hervortritt, einen schattigten Zwischenraum, wo ein freystehender Stuhl schimmert. 226 Noch eine Oeffnung zieht sich daneben ins Gebüsch hinein. Indem wir noch einmal das Wasser und die heitre Fläche der Rasen überschauen, und uns etwas zur Rechten hinwenden, sehen wir den alten Eichenhayn sich mit ehrwürdigem Dunkel in einer weiten Ausdehnung erheben. Ob er gleich einige Durchsichten verstattet, so ist doch sein Ansehen von einer gewissen feyerlichen Ernsthaftigkeit, die einen starken Contrast gegen die vor ihm liegenden muntern Auftritte macht. Er schließt hier den Gesichtskreis; mit einem erhabenen Vergnügen ruhet das Auge in seiner stillen Dunkelheit. Doch verstattet er zur Rechten, wo seine letzten Stämme sich verspreiten, noch einige fern in die Landschaft hin fortschreitende Blicke, bis dahin, wo eine waldigte Höhe die Aussicht begränzt.

Nahe zur Rechten winket uns der Pavillon, dessen Anblick in so manchen Gesichtspunkten reizte. Wir gehen zu ihm hinab. Am Wege begrüßt uns eine Bank mit dieser lehrenden Inschrift:

„Eine der schönsten Gaben des Himmels ist es, ein unbemerktes, mäßiges und ruhiges Leben führen zu können, Schatten und Licht in der Seele zu ordnen, und die Schönheiten der unverstellten Naturscenen anzulächeln.“

Unter dem Gefühl dieser Wahrheit kommen wir in ein fast ganz verschlossenes Gebüsch, sodann über eine Brücke, den Uebergang in eine kleine Insel, die mit Blumen, schön blühenden Sträuchern und edlen ausländischen Bäumen geschmückt ist. Ein kleiner, anziehender, süßer Aufenthalt! Man sieht hier die Gruppen auf dem Rasen vor dem Wohnhause von einer andern sehr malerischen Seite. Der Pavillon enthält ein feines Cabinet, das einen lieblichen Ruheplatz gewährt. Das Wasser in seinem ganzen Umfang, mit den kleinen Fahrzeugen am Ufer, mit der Blumeninsel fast in der Mitte, und die etwas mehr entfernte Brücke macht bey der Aussicht aus dem Pavillon zuerst den lebhaftesten Auftritt. Weiter hin über den Rasen bildet die Pflanzung den schönsten waldigten Umzug; die Schattirungen des mannichfaltigen Grüns fallen hier aufs angenehmste ins Auge, mit einer ganzen Reihe von malerischen Vorsprüngen, Einbuchten und Vertiefungen der Gruppen und Hayne, bald dunkler, bald heller, bald verlängert, bald verkürzt, bald mit Stühlen und Sitzen in ihren Oeffnungen erheitert, bald bloß von der Natur mit laubigten Wölbungen geschmückt; bald schimmern die freyen weißen Stämme der Birken aus der finstern Vertiefung hervor, bald verdüstert die ernste Tanne und Fichte den fernen Winkel, bald wallen glänzende Laubdecken mit einer schwelgerischen Pracht auf den Rasen hinab. Auf beyden Seiten wird das Auge durch andre Aussichten unterhalten.

227 Das große Verdienst dieser Anlagen wird außer dem, was darinn dem feinen und erfinderischen Gartengenie gehört, auch durch den Antheil des Fleißes sichtbar. Außer den alten Eichen, ist alles von dem Besitzer angepflanzt, größtentheils mit seiner Hand; und dieser Umstand wird noch wichtiger durch die Bemerkung, daß der Umfang sich auf sechzig Morgen Landes erstreckt. Wilde und öde Gegenden mit Anpflanzung beleben, ist schon Verdienst; noch mehr aber hier, wo so viele Stellen, die jetzt so reizende Scenen voll Grün und Leben darstellen, mit einem todten Flugsand überdeckt waren. Das Nützliche gesellt sich hier zu dem Anmuthigen. Alle Rasen, die mit guten Grasarten besäet sind, werden gemähet; darauf dienen sie zur Weide, welche den Auftritt von neuem belebt.

Nirgends ist die wahre Gränze dieses Gartens oder Parks sichtbar; sie verliert sich so allmählich ins Feld, daß man sie nicht gewahr wird, oder in die Pflanzungen bey den umherlaufenden Wegen zum Fahren und Reiten. Diese Pflanzungen, die zum Theil aus Alleen bestehen, und um die meisten Gegenden an der Gränze des Gartens sich herum winden, nehmen noch einen Umfang ein, der vielmal größer ist, als er selbst. Sie dienen zu Spazierfahrten und Reitwegen, die nach einer richtigen Anordnung zu den Annehmlichkeiten eines beträchtlichen Landguts gehören. Sie sind hier mit mancherley Aussichten und perspectivischen Verlängerungen angelegt, und mit den Prospecten des Gartens verbunden; sie heben und vergrößern sich durch einander, und haben eine gegenseitige Beziehung, die für beyde gleich wichtig ist. Die Wege sind bequem; auf den Seiten sieht man Heerden von Schaafen weiden, einen fröhlichen ländlichen Auftritt.

Was der Garten bey seinem weiten Umfang noch aufnehmen zu können scheint, das sind einige charakteristische Gebäude, für welche vielleicht hie und da ein Sitz entbehrt werden könnte. Indessen ist es auch wahr, daß fast jeder Stuhl, und jede Bank mit Absicht gestellt ist, fast immer auf einen interessanten Prospect hinweiset, zuweilen aber auch dem Auge bloß Ruhe auf dem sanften Grün naher Laubdecken gewährt. In den Formen dieser Gartenstühle und Sitze sowohl als der Brücken, herrscht eine so reiche und mannichfaltige Erfindung, daß sie beynahe eine Akademie für den Zeichner geben; wenigstens ist in keiner Sammlung von Architecturwerken oder von englischen Gartenprospecten der zwanzigste Theil von allen diesen verschiedenen Zeichnungen zu finden.

Fast alle Sitze und Bänke sind mit Inschriften versehen. Es gilt wohl eine Erinnerung gegen ihre Vielheit; allein sie vergüten den Fehler des Ueberflüßigen und Gehäuften durch ihren innern Werth. Oft haben sie eine örtliche Beziehung auf die Scenen und Aussichten, die vor Augen liegen; zuweilen geben sie dem Spazier228gänger mit einem starken oder doch edlen Ausdruck eine wichtige moralische Lehre, oder eine philosophische Betrachtung auf den Weg. Dahin gehören außer denen, die an ihrer Stelle bemerkt sind, noch diese:

„Freund, der du frey von der schädlichen Zanksucht hier ein ruhig ländlich Leben führst! Fliehe die Sorgen, welche die Ehre begleiten; verlache des Ehrgeizes emporstrebenden Flug. Sey in stiller Zufriedenheit fröhlich und groß. Lache der eitlen Pracht der Großen. Ergieb dich des Himmels mächtiger Vorsehung. Genieße die gegenwärtige goldne Stunde, denke mit Dank an die vergangene; die letzte von allen wünsche und fürchte nicht.“

„Gebt der Freude ihren freyen Lauf. Schmückt das magre Thal des Lebens mit Blumen und pflückt von jedem Dornstrauch eine Rose.“

„Laßt jeden kommenden Augenblick neue Erkenntniß auf seinem Flügel mitbringen; laßt jede fliehende Minute Erinnerung guter und weiser Thaten seyn.“

„Dem Stolz zum Trotz, zum Trotz der irrenden Vernunft bleibt eine Wahrheit immer wahr: Alles, was da ist, ist recht.“

„Spiele deine Rolle auf dem Schauplatz des Lebens; sey zufrieden mit dem, was du bist; sey deiner Würde und deiner Talente werth, indem du immer nach höhern Verdiensten strebst.“

„Unsichtbar ist die Sonne, unhörbar der rollende Donner den Seelen, die nichts von ihrer hohen Abkunft, nichts von ihrem gegenwärtigen Aufenthalt, noch von ihrem künftigen Wehrt wissen.“

„Mehr zu wünschen ist eitel. Zu großes Glück bringt Sorge; es schafft nur übergoldeten Kummer. Sey zufrieden, und wünsche nicht mehr.“

„Sieh mit gelassenem Auge den dunkeln Abend des Lebens heran kommen; schüttele die Sanduhr nicht, heiße sie auch nicht stille stehen.“

„Mein Dach sey von Stroh, meine Wand von Leim, wenn nur mein Freund von Herzen spricht: In dieser Hütte lebt der, den ich liebe, und der mich liebt.“

„Wollt ihr diese ruhige Scene recht genießen, so muß euer Herz recht heiter seyn, rein vom Hasse, vom Kummer leer, und ihr müßt an ihre Stelle Menschenliebe gepflanzt haben.“

229 „Der Mensch braucht nur wenig, und das Wenige nicht lange; bald muß er der Natur den Staub wiedergeben, den die sparsame Natur ihm auf eine Stunde lieh.“

„Beständige Glückseligkeit ist kein Gewächs der Erde; ihr Boden ist zu unfruchtbar, um es hervorzubringen. Es ist eine fremde himmlische Pflanze, die nur in himmlischer Luft gedeiht.“

„Hier möge die Unschuld, vor Feinden sicher, wandeln; hier die Betrachtung sich mit den Flügeln des Seraphs aufschwingen! O Einsamkeit! Der Mensch, der dich nicht achtet, sondern sich vom Gewinnst locken, vom Ehrgeiz spornen läßt, wird nie die Quelle wahrer Hoheit kennen.“

„Komm, genieße hier den erquickenden Schatten; laß uns eine gesellige Stunde der Freundschaft weihen; komm, hasche die leicht beflügelte Stunde. Denn sie flieht, die Stunde der Fröhlichkeit flieht auf luftigen Schwingen dahin.“

„Es giebt glückliche Augenblicke, wo sich die Seele zu ernsthaften Gedanken geneigt fühlt und die Einsamkeit sucht; dann sammelt sie sich, und schwebt in dem behaglichen Mittelstand zwischen Schwermuth und ausschweifender Fröhlichkeit, zwischen toller Freude und übler Laune; sie überläßt dem gedankenlosen Haufen seine eiteln Wünsche, blickt um sich, lächelt, und kehrt zu sich selbst zurück.“

Verschiedene andre Inschriften unter dieser großen Menge enthalten vortreffliche Lehren oder Maximen, nicht weniger vortrefflich ausgedrückt; allein sie sind zu allgemein, als daß sie hier eine Wiederholung finden könnten. Andre Inschriften werden durch die besondre treffende Beziehung auf die Scene interessant, wie diese:

„Geh, glücklicher Schatten, wohin Gott und dein Glück dich rufen. Genieß ewige Ruh und Seligkeit, indem wir hier deinen schnellen Abschied betrauren, bey deiner Urne an dich denken, und um dich klagen.“

Noch andre Inschriften empfehlen sich dem Freund der schönen Natur, indem sie die Vortheile des Landlebens erheben.

„O! möchte doch der Glücklichste der Menschen sein Glück recht erkennen: er, der fern von Stadt und Gedränge tief im Thale mit einigen Erwählten wohnt, und die reinen Freuden des Landlebens trinkt. Sichere Ruhe ist sein Loos; seinem Leben ist der Verdruß fremd und die betrügerische Hoff230nung; er genießt blühende Gesundheit, arbeitet ohne Ehrbegierde; seine Zeit fließt hin in ruhigem Nachdenken und unbefleckter Unschuld.“

„Ihr schönen, schauervollen Scenen, besänftigt das unruhige Herz, gebt dem Müden sanfte Ruhe, macht die wildesten Leidenschaften stille, und flistert dem Unglücklichen Trost zu.“

Einige Inschriften weisen den Gartenpflanzer auf die Grundregeln des guten Geschmacks hin:

„Laßt die magische Kunst des Geheimnisses eure labyrinthischen Gänge verstecken, laßt das Gesicht einen Theil davon entdecken, und das Uebrige mag sich die Einbildungskraft ausmalen.“

„Schutzgeist der Gärten! Schönstes Kind der Natur! Verbanne die regelmäßige Unförmigkeit der Risse, die mit Linial und Zirkel gemacht werden. Die freyen Anlagen der Natur verachten diese Regelmäßigkeit. Gieb den Gartenspaziergängen ihre gefallende Wildheit wieder; laß sie dem denkenden Menschen in Stunden, die er der stillen Betrachtung weiht, eine ruhige Zuflucht seyn!“

Nach diesen Grundsätzen, die hier empfohlen werden, sind die Anlagen zu Marienwerder ausgeführt. Sie kündigen nicht bloß den glücklichen Pflanzer, sondern auch den Mann von Kenntniß, von Beobachtung und von Gefühl an. Man sieht hier den großen Reichthum und die Schönheiten unsrer einheimischen Bäume, wenn ein Kenner sie wählt und ordnet; denn alle diese Pflanzungen enthalten nur an einigen wenigen Stellen einen ausländischen Baum, und wie reich sind sie dennoch an schonen Malereyen! Die Anordnung läßt die Verschließung und die Eröffnung der Auftritte mit einer immer geschäfftigen Abwechselung erscheinen; alles zeigt sich, so unbeweglich es ist, in einer scheinbaren Bewegung, um das Auge an sich zu zaubern; auch wo es getäuscht wird, verweilt es noch mit Vergnügen an dem Ort der Täuschung. Allein nicht überall wird es auf einen anlockenden und die Erwartung aufspannenden Gegenstand gerichtet; oft ruhet es, zumal nach einem etwas längern Fortgang zwischen lebhaften Auftritten, in der sanften Dämmerung der Gebüsche oder in der tiefen Dunkelheit ferner Einbuchten der Pflanzungen. Die Höhen, die Abhänge, die Niedrigungen, die hellern in ihren Umrissen so verschiedenen Rasen, die überall den Boden bekleiden, und worinn sich die kiesigten Wege fortwinden, die schattigten Gruppen, wovon jede ein besoderes, aber in manchen Ansichten neues Gemälde darstellt, die abändernden Formen, Richtungen und Malereyen dieser 231 Gruppen, das Annähern und Zurückweichen der Scenen, alles strebt, dem Auge Erwartung, Täuschung, Unterhaltung, Ueberraschung und Ruhe zu geben. Es ist eine nicht gemeine Kunst, die Scenen, die auf einander folgen sollen, so lange einzeln zu verschließen, bis sie sich allmählich zu ihrem Vortheil, ohne sich auf einander zu häufen, ohne sich durch sich selbst zu zerstören, oder ihre Wirkungen zu schwächen, entwickeln können. Wer nur durchläuft oder unaufmerksam ist, für den gilt freylich diese Beobachtung nicht, noch das Vergnügen, das sie gewährt.

Der Garten zu Marienwerder bleibt eine der ersten Merkwürdigkeiten in der Nähe von Hannover, der mit Recht Einheimische und Fremde ruft; unter allen neuen Anlagen in Deutschland behauptet er einen sehr ansehnlichen Rang. Er ist ein Denkmal des gesunden, männlichen und edlen Geschmacks. Es giebt fast keine Empfindung, die er nicht erweckte, Heiterkeit, Freude, sanfte Melancholie, süße Schwermuth, Liebe der Ruhe und der Einsamkeit, der Freundschaft und der Tugend, Vergessenheit der Sorgen, Erhebung über die Thorheiten des Lebens, und selbst ein Vorgefühl von den Scenen einer noch schönern Welt.

232 III.
Neue Anlagen auf dem Carlsberg bey Cassel.

Der Carlsberg ist ein großer waldvoller Berg, berühmt genug durch das darauf angelegte herrliche Werk der Architectur und der Wasserkünste. *) Man erblickt überall vortreffliche Wälder von Buchen, und an den leeren Plätzen eine Menge herrlicher Anpflanzungen, besonders von einheimischen und ausländischen Nadelhölzern, Hayne von Lerchenbäumen und Weyhmouthsfichten, von Rothbüchen und Silberpappeln, von Tulpenbäumen und virginischen Robinien. Die neuen Pflanzungen sind schon so reich, daß die Zahl der Bäume und Sträucher sich auf fünfhundert verschiedene Arten und Abarten erstreckt. Unter diesen weitläuftigen Bepflanzungen hat der Carlsberg manche Hügel, manche Thäler, manche Quellen, Bäche und natürliche Wasserfälle, manche Wiesen und grasreiche Abhänge, und überall entzückende Aussichten. Bey hellem Wetter übersieht man hier fast eine kleine Welt, die schöne Stadt Cassel und ringsumher auf sieben und zwanzig Dörfer in den umliegenden Landschaften. Man bemerkt leicht aus den Vortheilen dieser Lage, daß die Kunst der Bearbeitung hier einen der schönsten Gärten in Europa bilden kann.

Die neuen Anpflanzungen und Scenen sind größtentheils in den mittlern Gegenden des Berges, auf einigen Anhöhen und in den Niedrigungen. Eine große Mannichfaltigkeit von Auftritten, die Schöpfung einer fruchtbaren Einbildungskraft, bricht hier auf allen Seiten hervor. Man hat die Zeiten des Homer und Virgil zurückgeführt; eine Menge von Vorstellungen der alten Welt ist in Statuen und Gemälden erneuert; und die Fabeln der Dichter sind in täuschenden Gestalten wieder aufgestellt. Götter der ersten Größe und Halbgötter wohnen hier unter den Sterblichen; und neben den elysischen Feldern hat auch Pluto sein Reich mit allen seinen Ungeheuern eröffnet. Den Göttern sind hier Tempel, den Philosophen Griechenlands Einsiedeleyen und selbst den Zauberinnen Höhlen erbauet. Man hat nicht bloß das Grabmal des Virgil erneuert, man ist selbst in die grauen Jahrhunderte

————

*) S. 4ten B. S. 125–126. Dieses Werk soll fünf Millionen gekostet haben; die jährliche Erhaltung steigt auf 2000 Rthlr.; der Kitt allein auf 800 Rthlr. Bey den neuen Anlagen hat Se. Durchl. der jetzt regierende Herr Landgraf, überaus beträchtliche Summen verwendet, die noch jährlich fortgehen.

 

233 der Pyramiden Egyptens zurückgestiegen. Noch mehr. Man glaubte selbst aus den Romanen der Ritterzeiten, aus den Gedichten des Tasso schöpfen zu dürfen; und Armide hat hier nicht allein ihren Palast, sondern auch ihre Gärten wieder gefunden. Noch nicht genug. Der Türke erblickt hier seine schöngebaute Moschee, und der Chineser seine Pagode und sein Dorf.

Bey der Menge und Verschiedenheit aller dieser Vorstellungen und Scenen wird man leicht denken, daß sie selbst auf einem so ausgebreiteten Platz zuweilen in einander laufen und ein Gemisch werden, welches das Auge zerstreut, und die Einbildungskraft belästigt. In der That haben schon viele, die den Carlsberg besuchten, diese Wirkung empfunden. Ein altes Monument, eine Pagode, eine griechische Statue, ein Bach, der den Acheron, ein andrer, der den Styx vorstellen soll, (ihr schönen heitern Bäche, unter welchen schrecklichen Namen murmelt ihr dahin!) und dann auf der Höhe, an deren Fuß diese Bäche laufen, eine türkische Moschee – fallen oft auf einmal ins Auge, und bringen eine Mischung von Vorstellungen und Bildern hervor, die sich nicht verbinden, noch an einander reihen lassen. Es ist nicht genug zu wollen, daß dieser oder jener Auftritt das, was sein Name angiebt, auch wirklich für jeden Zuschauer sey, daß dieser sich eben dabey denke, was der Gartenkünstler dachte. Das Auge läßt sich so wenig, als die Einbildungskraft, Gesetze aufdringen, welche die Natur nicht kennt. Jeder Meister eines Kunstwerks muß den unveränderlichen Wirkungen der Dinge nachgeben, auf den Gang, den der richtig denkende Geist in seinen Vorstellungen hält, nicht weniger achten, als auf die gerechten Forderungen des Geschmacks. Außerdem darf eine Verschiedenheit von Scenen, die nicht zerstreuen, nicht belasten soll, nicht anders, als in einer allmählichen Fortschreitung erscheinen; daher das Gesetz der Verschliessung und Absonderung durch Vorpflanzung, das Gesetz, so lange zu verbergen, bis es Zeit ist, zu eröffnen, d. i. bis der Geist nach der vollendeten Wirkung des vorhergegangenen Auftritts wieder in der Verfassung ist, die folgenden mit Behagung zu genießen.

Bey allen aus der Mythologie entlehnten Vorstellungen entstehen zwey Fragen: ob sie für unser Zeitalter noch interessant genug sind, und sodann, ob sie sich in Gartenanlagen schicken? Gewiß ist es, daß die wenigsten Menschen Kenntniß und Einbildungskraft genug haben, um noch durch die Bilder der alten Mythologie erwärmt zu werden. Allein es ist wohl die letzte Frage, worauf es am meisten ankommt. Allerdings sind einige Vorstellungen zu fürchterlich, um auch, selbst der Wirkung des Contrastes wegen, in Gartenanlagen aufgenommen zu werden, z. B. Pluto und die Ungeheuer seines Reichs. Gegenstände, die einen so hohen Grad 234 des Abscheues und des Entsetzens erregen, sind so wenig für den Gartenkünstler, als für den tragischen Dichter bestimmt. Einige andere Bilder scheinen hier ebenfalls nicht schicklich, ob sie gleich für einen andern Ort anständige und selbst anmuthige Vorstellungen enthalten. Der Tempel des Mercur z. B. ist unter allen Gebäuden dieser Klasse am meisten im antiken Geschmack; er ist rund, mit freyen Säulen toscanischer Ordnung, mit guten Verhältnissen, von Sandstein aufgeführt, und hat in der Mitte die Statue des Gottes und eine erhöhte Lage mit weiten Aussichten. Dennoch würde sich ein solcher Tempel besser auf einen großen Handelsplatz schicken; und mit der Statue des Mercur ließe sich eine Börse oder das Haus eines Staatsmannes zieren, der sich vom Kaufmann zum Minister erhob, und, anstatt des Mäklers, den edlen Künstler beschäftigt.

Wenn indessen für die Nachahmung der mythologischen Fabel in Gärten ein Ort schicklich ist, so behauptet der Carlsberg allerdings seinen Vorzug. Das ungeheure Werk und der Anblick des colossalischen Hercules, der oben aus den Wolken auf das Werk, das mit seiner Stärke vollendet ist, herabschauend sich nun einer stolzen Ruhe zu überlassen scheint, versetzt die Einbildungskraft auf einmal in die heroischen Zeiten des Alterthums. Diese erhabene Scene, der Berg, der fast den Namen eines Gebirges verdient, die auf seiner Höhe wallenden Wälder, die vielen angepflanzten Hayne von dunklen Nadelhölzern, verbreiten eine ehrwürdige Feyerlichkeit über die ganze Gegend. Und dieser Eindruck könnte allerdings noch durch eine wohl gewählte und zusammenhängende Reihe mythologischer Scenen, die jetzt nur zerstreut oder vermischt erscheinen, ungemein verstärkt werden.

Es ist sichtbar, daß die riesenmäßige Burg des Hercules den Hauptcharakter der Anlage bestimmt, und über alles immer im Gesichtspunkt emporragt. Die Scenen müßten demnach mit diesem herrschenden Gegenstande verbunden seyn, und die, welche ihm am nächsten verwandt sind, sich ihm auch am meisten nähern. In den obern Tempeln könnten die Thaten des Hercules in Basreliefs, in Statuen und Gemälden vorgestellt werden. Diese Idee hat nicht allein Uebereinstimmung mit dem ganzen Werke, sondern selbst eine entferntere Beziehung auf die Stärke und Würde des hessencasselschen Fürstenstamms und seiner tapfern Krieger. Demnächst erhielten die Gottheiten, die mit dem Hercules verwandt sind, oder deren Geschichte mit der seinigen Verbindung hat, hier oben ihre Tempel, Wohnungen, Altäre, Statuen und andere Denkmäler. Diese heroischen Scenen senkten sich mit den Abhängen des Berges allmählich herab in die Thäler, zu den fanftern Gottheiten des Friedens und der Glückseligkeit. Hier wohnten im Thale die Musen mit dem Vater der Künste, hier hätten mit ihnen die Grazien, die Göttinn 235 der Blumen und der Freude, der Friede, die Eintracht, der Ueberfluß, alle diese hätten hier ihre Tempel und ihre Hayne, indessen daß man oben am Olymp die Gegenwart der höhern Mächte erblickte. Nichts neues aus unserer Zeit, nichts chinesisches, nichts türkisches dürfte in dieses große Gemälde sich mischen, in dieses Gemälde, das uns eine Reihe der schönsten Bilder des Alterthums rein, unverfälscht, und harmonisch vereint, zur Täuschung des Auges und der Einbildungskraft, darstellen, uns aus unserm Zeitalter, und gleichsam aus dem Gefühl unsrer gewöhnlichen Existenz wegzaubern sollte, in die heitern Stunden zurück, worinn unsre Jugend so oft von den Beschreibungen der alten Dichter begeistert ward.

Bey dieser Einrichtung könnten verschiedene hier wohl angelegte Scenen erhalten, und nur weiter ausgebildet werden.

Der Hayn der Venus ist eine sehr anmuthige Scene. Ich fand sie einmal in einer malerischen Stellung unter einem Baum, ihren kleinen losen Knaben an an der Hand; sie blickte in das umherliegende Rosengebüsch; eine Quelle sprang zwischen zwey Vogelhäusern, wo mannichfaltige Lieder der Liebe ertönten – eine glückliche Verbindung lieblicher Bilder. Im folgenden Jahr sah ich sie, von dieser Scene etwas entfernt, hinter einem französischen grünangestrichenen Gitterwerk sich verbergen. Warum? Den Gesichtspunkt am Ende einer auf sie hinlaufenden Allee zu bilden. Mit einem Dienst, den jedes Holzstück leisten kann, sollte man doch die Göttinn der süßesten Empfindung nicht beschweren. In ihr schönes Rosenthal würde ich sie zurückführen, hier alle zerstreuende Gegenstände, die nicht hieher gehören, entfernen, sanfte von Rosen und wohlriechendem Himbeerstrauch umduftete Ruhesitze für sie bereiten, keine schwermüthige Tannen mehr dulden, sondern ihr einen Hayn von Syringen, Jasmin, Robinien, Gleditsien pflanzen; hier sollten einige lebhafte Wasserfälle oder auch Springbrunnen die Heiterkeit der Scene vermehren; die süße Sängerinn der Nacht sicher wohnen, und die Vogelhäuser sollten eine dem Verdienst ihrer melodiereichen Bewohner mehr angemessene und für den Reiz des Auges mehr anziehende Gestalt haben.

Das Thal der Philosophen würde ich besonders erhalten und auszubilden suchen. Es ist wahrlich eine neue und edle Idee, würdig der Erfindung eines weisen Fürsten, der seine Regierung durch das Museum in Cassel verewigte. Man wird in der That von Verwunderung und Ehrfurcht erfüllt, indem man hier von einer Wohnung zur andern, die so viele abgesonderte Einsiedeleyen sind, fortgeht, und bey dem Eröffnen der Thüre bald diesen, bald jenen griechischen Weisen in Lebensgröße natürlich abgebildet, und nach dem Kostum bekleidet, sitzen sieht, in einer Beschäftigung, die ihn charakterisirt. Plato unterrichtet seine Schüler; 236 Socrates liest im Gefängniß; alle übrige erscheinen in ihren liebsten Studien. Man sieht hier den Pythagoras, den Heraclit, den Anaxagoras, den Democrit, der die Natur so fleißig studierte, und ganze Tage allein in einem kleinen Gartenhause zubrachte. Jeder hat sein besonderes Haus, und selbst Diogenes seine Tonne; doch diesen sonderbaren Mann möchte ich mit seinem Faß etwas seitwärts ins Gebüsch wälzen. – Dieses Thal der Philosophen müßte eine der interessantesten Scenen werden, die sich sehr gut in den vorgeschlagenen Plan des Ganzen schickte. Die Bauart der einzelnen Wohnungen müßte mehr in dem Stil des Alterthums seyn, so wie die innere Auszierung, die jetzt hie und da ganz den Geschmack unsers Zeitalters zeigt. Jedes Haus müßte durch Bepflanzung mehr abgesondert, verborgen und beschattet erscheinen. Hier würde ich den Platanus, der schon in Griechenland vor den Hallen der alten Philosophen seine Schatten verbreitete, wieder grünen lassen. Die Wohnungen des Socrates und des Plato, die oben abgerissen und zerstreut liegen, müßten, mehr herabgezogen, mit den andern Häusern in eine nähere Angränzung gebracht werden. Jede Wohnung müßte die Werke des Philosophen in der besten Ausgabe enthalten. Eine solche Einrichtung würde nicht bloß mehr angemessene Verzierung und mehr Täuschung, sondern auch selbst mehr Veranlassung zur Unterhaltung des Geistes mit den Schriften der alten Weisen in der Einsamkeit geben.

In den veredelten Anlagen würden die bloß gemalten Scenen nicht länger Platz haben; sie fallen ohnehin wohl bald weg. Die Wirkung des ersten Anblicks, den bemalte Breter in einiger Entfernung machen, ist bey der Annäherung gleich auf immer verschwunden; und sie fällt ganz, wenn der Zuschauer auf den Hintertheil oder die Ecke des Brets stößt. Ein großer Prinz, der eine Akademie der schönen Künste in seiner Residenz nährt, und jährlich so beträchtliche Summen auf Gebäude und alle Arten von Verschönerungen großmüthig verwendet, kann leicht Werke der Bildhauerkunst, anstatt bemalter Breter, schaffen lassen, oder sie ganz entbehren. Die Menge der bemalten Breter, als Orpheus mit den bezähmten Thieren, Phaeton, das Bad der Diana und des Apollo, die Musen bey dem Tempel dieses Gottes, der Minotaur, noch mehr die sogenannten Gräber der dramatischen Dichter – alle diese gemalten Decorationen werden vermuthlich in einiger Zeit nicht mehr seyn.

Indessen sind hier einige Scenen sehr gut angelegt, wenn sie nur mit den übrigen Auftritten, besonders mit den aus dem Alterthum, in einer nähern Verbindung stünden. Das Haus der Armide ist mit seinem Bezirk eine anziehende 237 Anlage. Die Geschichte hat das Romanhafte, das die Einbildungskraft so ganz bezaubert und dahin reißt, und scheint hier, mehr ihrem Interesse als der Zeit nach, mit den übrigen Gegenständen verbunden zu seyn. Das Haus der Armide ist wohl gebaut und besteht aus einem Saal, der mit der Geschichte der Zauberinn ausgemalt ist. Hinter dem Hause dehnt sich ein waldigter Umzug, und das Revier umher ist verschlossen. Vor dem Eingange zieht sich der Garten der Armide, mit Blumen geschmückt, von einer sanften Höhe herab, und endigt sich an einem Rasen, der zu dem Wasser herabfließt, das an dem Fuß des Hügels ruht. Dieß Wasser bildet den See vor, über welchen man sich dem Hause der Zauberinn nähern mußte. In einem angränzenden Walde wohnt der Einsiedler Peter. Seine Einsiedeley ist im ächten Stil erbaut und täuschend verziert. Er selbst sitzt, eine Figur in Lebensgröße, in der Kleidung eines Walderemiten, und hat eine Charte, worauf die Wege in seinem Walde gezeichnet sind, und wo er zu suchen scheint, um den Rittern den Pfad zum Hause der Armide zu weisen. Um die Einsiedeley erblickt man ein schönes waldigtes und angepflanztes Revier, verschiedene hervorspringende und verschließende Gruppen. Eine Scene, die gut erfunden und angeleget ist.

Andere Scenen führen noch bloß den Namen, und erwarten erst ihre Ausführung. Dahin gehören die elysischen Felder. Ein großes waldigtes Gebüsch bildet ein langes schmales, aber anmuthiges Revier, in welchem sich der Pfad fortwindet, neben einem schönen Bach, der dahin murmelt, und verschiedene Wassergüsse macht. Die Gebüsche sind von manchen hohen Bäumen, die aus ihnen emporsteigen, überschattet, und winden sich mit fünf bis sechs neuen Wendungen dahin. Der schmale Zwischenraum ist von einem schönen Grün bekleidet. Dieß ist eine überaus liebliche sanft begeisternde Scene; aber dennoch nicht Elysium, sondern noch bloß eine reizende Naturgegend. Sie ist noch nicht ausgebildet, nicht charakterisirt genug. Nicht genug ist es zu einer solchen Scene, daß man den Bach Lethe nennt, ob er gleich ein sanftes ruhiges Vergessen der Welt einzuflößen scheint. Dieser Bach, die Bäume, die Gebüsche, der Rasen, die Stille, alles ist lieblich; aber Elysium ist nicht einsam, nicht leer von Glücklichen.

So einladend nun schon solche sanfte Naturscenen an sich sind, so sehr stechen dagegen einige Auftritte in der alten steifen Manier ab, die zuweilen damit abwechseln, als geschorne Hecken, Labyrinthe, Theater.

238 Die Gebäude des Carlsberges sind, im Ganzen betrachtet, von guter Architectur. Der Tempel des Mercur ist, wie bereits gesagt, mehr im antiken Geschmack. Der Tempel des Apollo zeigt sich im Prospect auf seiner Höhe, und hat eine überaus entzückende Aussicht. Er ist inwendig mit Bildern geziert, die auf die Geschäfte des Gottes anspielen, und seine Statue erscheint hier in colossalischer Größe. Aber er ist nicht sowohl ein alter Tempel, als vielmehr ein hoher, gut gebaueter Pavillon. Er ist von Holz, hat vier große Oeffnungen, und ein rundes Dach. Der Weg hinauf ist in der alten Manier der Schneckenberge angelegt, ermüdend und von dunklen Tannenhecken eingesperrt. Dieß Gebäude verlangt doch allerdings eine freye und edle Pflanzung um sich her. Die auf Bretern gemalten Musen sind desto mehr entbehrlich, da die Statue des Apoll beym Hinaufsteigen zwischen den großen Oeffnungen des Gebäudes hervorscheint und ganz das Auge beschäftigt. Der Tempel der Minerva ist nichts anders, als ein französischer Pavillon mit vergänglichem Gitterwerk, gegen die Bauart der Alten, freystehend mit großen Oeffnungen und einem runden Dach. In eben der Form und Bauart, als der Tempel des Apoll, ist der Tempel der Calypso; diese Wiederholung scheint eine Dürftigkeit der Erfindung zu verrathen, die hier doch sonst nirgends sichtbar ist. Die Höhle der Sibylle ist tief, dunkel, feyerlichfurchtbar, wie es sich für eine Wahrsagerinn schicket, die in der Nacht der Zukunft forscht, und mit Schicksalen schreckt, die noch nicht hereingebrochen sind.

Uebrigens sind die neuen Anlagen auf dem Carlsberg noch keiner vollständigen Beschreibung fähig, da sie noch immer fortgesetzt werden und so mancher Abänderung unterworfen sind. Indessen ist es doch der Ort, wo die Wirksamkeit dieser Regierung in Gartenverschönerungen fast allein sichtbar ist; die übrigen casselschen Hofgärten sind mehr sich überlassen oder dem vorigen französischen und holländischen Geschmack, der noch in ihnen herrscht. Alle, die den Carlsberg mit so vielem Vergnügen besteigen, finden hier mannichfaltige Veranlassungen den erfinderischen und thätigen Geist des Fürsten zu verehren, der so viele neue, zum Theil noch unbekannte Anlagen schuf, der seine Residenz nicht bloß verschönerte, sondern sie auch zu einer Wohnung der edlern Künste weihete, der, selbst ein großer Kenner, selbst ein guter Zeichner, mit dem glücklichsten Gedächtniß viel nützliche Wissenschaften vereinigt.

Weißenstein, am Fuß des Carlsbergs, der Aufenthalt des Hofes, ist ein altes Schloß, das aus einem ehemaligen Kloster entstand; indessen hat es durch 239 einige Veränderungen und den weißen Anstrich ein lebhaftes Ansehen in der Ferne gewonnen. Würde hier ein neues Gebäude im Geschmack der gereinigten Baukunst angelegt, so könnte es mit der Scene unten am Berge in eine sehr glückliche Verbindung gesetzt werden. Schon war es der Plan des ersten großen Anlegers vom Carlsberg, hier ein prächtiges Schloß im italiänischen Geschmacke aufzuführen *). Neben dem jetzigen Gebäude liegen verschiedene anmuthige Pavillons. Der Abhang auf der Hinterseite würde sich, anstatt der Terrassen, besser mit einem großen Rasen auszeichnen; die Ansicht des Gebäudes selbst sowohl, als die Aussicht aus seinen Fenstern, würde dadurch nicht wenig gewinnen. Auch der große Gartenplatz vor dem Schlosse in der letzten Vertiefung des Carlsberges wäre noch einer edlern Verzierung fähig.

————

*) Das Modell davon ist auf dem Modellhause zu Cassel zu sehen.

 

240 Zweyter Anhang.

Kurze Nachrichten von Gärten, Lustschlössern,

Landhäusern, Gartengebäuden und Gartenprospecten.

I.
Italien.
1.

Es war unstreitig in den schönen und von einem so milden Himmel beglückten Gefilden Italiens, wo in den neuern Zeiten Europa die ersten Gärten wieder aufblühen sah. Hier erwachte zuerst das Gefühl für das Schöne, und weckte zugleich die edlern Künste aus ihrem langen Schlummer auf. Man weiß, daß diese wichtige Revolution sich besonders in Toscana durch die großmüthigen Bemühungen des Geschlechts Medici erhob. Und hier scheint auch mit der Liebe des Ackerbaues die Gartencultur zuerst in Italien wieder erweckt zu seyn.

Bis zu den Zeiten des Lorenzo Medici waren die reichsten Häuser in Italien nur auf den Handel bedacht. Ackerbau und Gartenkunst wurden fast ganz vernachläßigt. Er war der erste, der seine Kapitalien auf liegende Gründe verwendete. Der erste berühmte Garten, von welchem man seit den mittlern Zeiten in Italien weiß, war jener des erwähnten Lorenzo hinter der Kirche St. Marco zu Florenz. Die Alleen, die Hallen, die Zimmer des dabey befindlichen Palastes waren mit alten und neuen Werken der Kunst ausgeschmückt.

Noch berühmter wurden im Anfange des XVI Jahrhunderts die Gärten Bernhards Rucellai, horti oricellarii von den gleichzeitigen Schriftstellern genannt. Niemand reisete in Italien, der nicht den reichen und geschmackvollen Rucellai zu Florenz besuchte, und in seinen Gärten auf das freundlichste empfangen ward. Sie waren nach des Lorenzo Tod der Versammlungsort der platonischen Akademie, und aller einheimischen und fremden Gelehrten. Was Rucellai kostbares von antiken Statuen aus entfernten Ländern gesammelt hatte, das war die vornehmste 241 Zierde dieser Gärten. Sie bestanden außerdem in Lustwäldern, Buschwerk, Alleen, Lauben, Wiesen und Fischteichen, die mit einander abwechselten. Durch ihren verzüglichen Ruhm wurden sie das Modell, wornach man damals in Italien die Gärten anlegte. Dieß bezeugt auch noch heut zu Tage die ursprüngliche Anlage der ältesten Gärten in Toscana, besonders der großherzogliche Garten Boboli zu Florenz.

Cosmus I. brachte diesen Garten mit dem Palast Pitti, dem jetzigen Residenzschloß des Großherzogs, durch Kauf an sich, und vergrößerte ihn beträchtlich. Seine Gemahlinn, Eleonora von Toledo, Tochter des Vicekönigs von Neapel, war eine große Liebhaberinn von Gärten. Da der Hof noch im alten Rathhause (Palazzo vecchio), das auf morgenländische Art oben platt bedeckt ist, residirte, hatte sie es mit hängenden Gärten verschönert. Sie war die erste, die den Garten Boboli mit ausländischen Pflanzen und Blumen und Küchenkräutern besetzte, indeß Cosmus ihn mit Statuen ausschmückte. Auch verwendete er beträchtliche Schätze, bey den von ihm erbaueten Lustschlössern Castello und Poggio Gärten und Lustwälder anzulegen.

Unter dem Großherzog Franz I. fieng man allgemein an, die Lustwälder mit Olivenbäumen, ausgefuchten Weinstöcken und Obstbäumen zu besetzen. Er selbst ließ neue Pflanzen und Obstbäume aus Spanien und Sicilien kommen, seine Gärten damit zu veredeln. Eben dieß thaten, durch sein Beyspiel gereizt, die reichern Unterthanen. Daher kommt es, daß es so viele Arten von Wein in Toscana giebt, die mit den spanischen viel Aehnlichkeit haben. Besonders beförderte er die Cultur der Maulbeerbäume. Er ließ das Lustschloß Pratolino errichten, und die daran stoßenden Hügel in Gärten verwandeln, indem er sie mit ausländischen und einheimischen Gewächsen bepflanzte. Auch den Garten Boboli zu Florenz bereicherte er mit fremden Pflanzen und neuen Kunstwerken, selbst von der Hand des berühmten Johann von Bologna. Zu Pisa hatte schon sein Vater Cosmus I. einen botanischen Garten und einen Lehrstuhl der bis dahin verwahrloseten Botanik gestiftet, und die Pflanzen dazu aus Sicilien, Asien und Egypten kommen lassen. Franz I, ein größerer Kenner der Naturgeschichte, bereicherte nicht nur den pisanischen Garten mit fremden Gewächsen, sondern legte auch einen neuen botanischen Garten zu Florenz an. Zu dem Ende schickte er zwey vortreffliche Kräuterkenner, Joseph Casabona, einen Niederländer, und Lorenz Mazzanga von Barga aus Toscana, auf Reisen in Italien, Sicilien und auf den venezianischen Inseln, um Pflanzen und Kräuter zu sammeln.

242 Ferdinand I. hat sich unter allen Fürsten des Hauses Medici am meisten um den Gartenbau verdient gemacht. Es ist fast unglaublich, welche Mühe er sich gab, und welche Schätze er verwendete, um morastige Gegenden auszutrocknen und urbar zu machen. Viele florentinische Handelshäuser kehrten, um dem patriotischen Fürsten zu gefallen, mit ihrem Reichthum ins Vaterland zurück, und verwandelten ihre Schätze in liegende Gründe. Man konnte mit Recht auf sie den Ausspruch des Horaz anwenden:

Vos sapere et solos ajo bene vivere, quorum
Conspicitur nitidis fundata pecunia villis.

In kurzer Zeit ward Toscana mit Weinbergen und Olivenwäldern so bedeckt, daß kein Land in Italien damit verglichen werden konnte. Nach dem Maaß, wie der Ueberfluß an natürlichen Producten durch den Ackerbau zunahm, wuchs auch der Luxus im Gartenbau. Man bestrebte sich gleichsam um die Wette, die seltensten und schönsten Gewächse aus Asien und America kommen zu lassen; und die vom Großherzog Ferdinand angelegten Gärten waren der allgemeine Gegenstand der Nacheiferung. Die Pflege der Blumen, Obstbäume und ausländischen Gewächse gehörte unter die ritterlichen Uebungen des Adels, und ward als ein entscheidendes Merkmal des guten Geschmacks angesehen. Casabona, großfürstlicher Botanicus, hatte aus der Lombardey und Candia die seltensten Pflanzen und Blumen von den Bergen Baldo und Ida gebracht, und den Garten zu Pisa damit bereichert. Von hieraus wurden sie unter die Liebhaber vertheilt, und in ganz Toscana fortgepflanzt. Der Großherzog ließ eine große Menge Maulbeerbäume in seinen eigenen Gärten säen und pflanzen, und theilte sie unentgeltlich unter seinen Unterthanen aus. In den letzten Jahren seiner Regierung wurden auch, zum Vortheil des Gartenwesens, die Treibhäuser mit Oefen durch einen Venezianer in Florenz eingeführt.

Cosmus II. folgte dem Beyspiel seines Vaters in der Beförderung der Gartenkunst. Er ließ in den Gärten Pratolino und Castello die Springbrunnen wiederherstellen, bereicherte den Garten Boboli mit Gebüschen, mit seltenen Pflanzen, mit Citronen- und Pomeranzenbäumen. Eben dieß thaten seine Gemahlinn Maria Magdalena von Oestreich bey dem von ihr erbaueten Lustschloß Poggio Imperiale unweit Florenz, und sein Sohn, der Cardinal, Johann Carl, in dem ehemaligen Ruccelaischen Garten, den er mit Grotten, Statuen, Springbrunnen und seltenen Gewächsen verschönerte. Unter Cosmus II. fiengen die Gärten an, durch viele Orangerien berühmt zu werden. Eine Menge köstlicher 243 Weintrauben war nichts Seltenes mehr, da man sie hingegen zu Cosmus I. Zeit noch größtentheils aus Candia und den Inseln des Archipelagus kommen ließ.

Ferdinand II, des Cosmus Sohn, brachte die Gärten in Toscana noch mehr zur Vollkommenheit. Er schickte einen Arzt, einen Apotheker und einen Maler nach Indien, Kräuter und Pflanzen zu sammlen und nach der Natur abzumalen. Unter ihm kam der Orangenbau zur höchsten Vollkommenheit, und die Florentiner zeichneten sich dadurch von allen Italiänern aus.

Unter den letzten Großherzogen aus dem Hause Medici, Cosmus III. und Johann Gasto, erhielt die Gartenkunst in Toscana keinen neuen Zuwachs. Unter diesen unthätigen Fürsten versiegten fast alle Quellen des Luxus. Nur die Cultur der Orangen und des Weins erhielt sich noch im Fortgang; alles Uebrige aber, was die Verschönerung der Gärten betrifft, gerieth in Verfall.

Man sieht aus dieser Erzählung von den allmählichen Fortschritten der Gartencultur in Toscana *) besonders auch die Wege, wodurch so viele ausländische Gewächse zuerst nach Italien kamen, die sich von da in Frankreich, Deutschland und den übrigen Ländern von Europa nach und nach weiter ausbreiteten.

Der jetzt regierende Großherzog hat die toscanischen Lustschlösser und Gärten, besonders Boboli, Capeggi, Lambrogiana, um vieles verbessert. In allen toscanischen Gärten liegt noch die Anlage, die unter den mediceischen Großherzogen, besonders Ferdinand II, eingeführt ward, zum Grunde. Buschwerk von Lorbeerbäumen und andern fremden und ausländischen Pflanzen, Lauben von köstlichen Weintrauben, Orangerien, Obstbäumen, Wiesen, Teiche, Statuen, Grotten und Springbrunnen, alles mit genauer Regelmäßigkeit angelegt, sind das Hauptwerk der toscanischen Gärten.

Nicht leicht kann ein Prinz so viele Lustschlösser und Gärten haben, als der Großherzog von Toscana. Eins der vornehmsten ist Poggio Imperiale, nahe bey Florenz. Die Lage des Gebäudes ist sehr angenehm. Es ist weitläuftig, und als ein Landhaus bequem eingerichtet; der inwendige kleine Hof hat das Ansehen eines Klosterhofes, der mit dorischen und ionischen Säulen über einander, und demnächst mit acht Büsten versehen ist. Der Garten ist weitläuftig, aber sehr kunstreich angelegt, besonders voll kleiner Vexierwasser, welches kindische Spiel-

————

*) Sie ist ein Auszug der Geschichte des Gartenwesens in Toscana, die Hr. Bibliothekar Jagemann in Weimar für den Gartenkalender 1783. S. 106 u. s. w. mit vieler Sorgfalt verfertigte.

 

244werk der Italiäner großen Cascaden und Wasserkünsten vorzieht, die man wenig bey ihm findet. *)

Das Lustschloß Pratolino, nicht weit von Florenz, hat zwar von Seiten der Architectur des Gebäudes wenig Empfehlung, der Garten aber giebt wegen der vielen Springbrunnen, **) Grotten und schattenreichen Alleen im Sommer einen angenehmen Aufenthalt. Die Verzierungen bey den Wasserkünsten sind in dem kleinen spielenden Geschmack der vorigen Zeit. ***)

Der Garten Boboli, hinter dem Residenzschlosse Palazzo Pitti zu Florenz, hat Abwechselungen von Hügeln und Ebenen, Wildnissen und Lustwäldchen, offenen grünen Plätzen und schattichten Alleen, Gebüschen, Wiesen und Teichen, und eine Menge kleiner Fußsteige, die ihn durchkreuzen, die Statuen und Wasserkünste mit ihren Spielwerken ungerechnet. Ein vorzüglicher Platz darinn ist ein Berg, der unten von einem Walde umgeben ist, über welchen hinaus man eine entzückende Aussicht über die Stadt Florenz, das vom Arno bewässerte Thal und die unzähligen kleinen Hügel genießt, die wellenförmig durch das ganze Land fortgehen, und die man viele Meilen weit und breit überschauet. Blickt man auf die Landhäuser, womit alle Hügel und Abhänge besäet sind, so glaubt man eine meilenlang weit ausgestreckte Stadt zu sehen; bemerkt man aber, wie alle die Anhöhen mit Oelbäumen mit Weinstöcken, die auf Ulmbäumen ruhen, mit Kastanien, Obstbäumen und Orangerien bedeckt sind, so scheint alles ein unermeßlicher Lustwald oder Baumgarten zu seyn. Der ganze Gipfel des Berges, mit dieser Aussicht erheitert, ist sehr reich an wilden Kräutern, die mit ihren balsamischen Düften die Luft ringsumher erfüllen; auch ist ein beträchtlicher Theil von ihm mit wohlriechenden Blumen bepflanzt. †)

Das Lustschloß, Poggio a Cajano, ein paar Meilen von Florenz entfernt, könnte keine schönere Lage haben. Es überschaut gegen Osten, Westen und Norden eine weite fruchtbare Ebene; und gegen Mittag hat es die angenehmen carminianischen Hügel vor sich, die einen bekannten kostbaren Wein hervorbringen.

————

*) Volkmanns Nachrichten von Italien 1ster B. S. 562–565.

**) Descrizione delle Fontane e fabriche di Pratolino, p. Bern. Sans. Sgrilli Architetto. In Firenza 1762. fol. mit 12 Kupferstichen. Eine andere Folge von anmuthigen Prospecten des Pratolino ist von Stefano Della Bella sehr malerisch radiert herausgegeben.

***) Jagemanns Briefe über Italien, 8. 2ter B. S. 202–212.

†) Jagemann S. 171–190. Raccolta di veduta e Perspettive del Real Giardino di Boboli: eine neue 1783 angefangene Sammlung von 34 Blättern in Fol. von Aniello Lamberti gezeichnet und gestochen.

 

245 Es ist in allen seinen Theilen prächtig, aber die Pracht ist von einer edlen Einfalt begleitet. Der Garten ist in der gewöhnlichen Manier der Italiäner. *)

2.

Indem man sich in den Lagunen befindet, erblickt man auf der einen Seite Venedig in seiner sonderbaren Lage, auf der andern aber eine anmuthige Küste, die mit Häusern besäet ist. In dem Canal der Brenta fährt man durch eine ununterbrochene Reihe von Dörfern, Landhäusern, Palästen, Gärten und schönen Wiesen, die auf beyden Seiten in einer reizenden Abwechselung erscheinen. Das prächtigste unter allen venezianischen Landhäusern an der Brenta liegt in dem Flecken Stra, fünf Meilen von Padua, und gehört der Familie Pisani; das Gebäude und der Garten sind von einem ansehnlichen Umfange; dieser ist im Ganzen symmetrisch, aber in einigen Theilen abwechselnd.

Padua, das in einer angenehmen fruchtbaren Ebene liegt, ist mit vielen Landhäusern, zumal an der Brenta, umgeben; die gesunde Luft und die benachbarten mit den schönsten Weinreben und Oelbäumen bepflanzten Hügel vermehren hier die Anmuth des Landlebens. Noventa, zwey Meilen von Padua, ist wegen des schönen Landhauses der Giovanelli und seines angenehmen Gartens berühmt.

Die Gegenden um Mayland, um Brescia, um Lucca, um Genua sind mit prächtigen Landsitzen und kleinen Sommerhäusern verschönert, die fast überall eine reizende Lage haben. Denn in einem so warmen Lande sucht man bald die Anhöhen, bald die Küsten des Meers, bald die Ufer der Flüsse zum Sommeraufenthalt.

Die Gegend von Turin zeichnet sich nicht weniger durch verschiedene anmuthige Lustschlösser und Landsitze aus. Das Lustschloß Valentin ist von einer artigen Architectur und liegt am Ufer des Po. Der Garten ist nach italiänischem Geschmack angenehm. Der Spaziergang von Turin bis ans Schloß ist einer der anmuthigsten in Italien; er besteht aus verschiedenen Alleen, die mit hohen Bäumen in vier Reihen besetzt, und mit kleinen fließenden Bächen eingefaßt sind.

Die Venerie ist das vornehmste von den königlichen Lustschlössern. Der Garten ist weitläuftig. Er hat große Rasenstücke, mit den Blumen der Jahreszeit verziert, und mit keinen Gräben umgeben, die zu ihrer Wässerung dienen; allein die Lustgebüsche haben noch die alte Architecturverkünstelung.

————

*) Jagemann S. 191 u. s. w.

 

246 Stupinigi, ein anderes Lustschloß des Königs, ist von geringer Bedeutung. Der große Garten besteht fast nur aus Rasenstücken, doch hat er auch einige bedeckte Gänge und große hohe Alleen, die in den angränzenden Park führen, durch dessen lange ausgehauene Wege die Aussicht bis an den Horizont streicht.

Die Vigne de la Reine hat ein kleines, aber zierliches Gebäude, das Bernini ehemals für das beste in und um Turin hielt. Es liegt auf einem Hügel vor der Stadt jenseits des Po, und beherrscht die schönste Aussicht, die sich nur gedenken läßt. Man übersieht Turin, die ganze Ebene bis Rivoli, und verfolgt den Lauf des Po auf anderthalb Meilen. Der Garten hinter dem Gebäude ist in Terrassen abgetheilt; er stößt an ein nicht ansehnliches Lustwäldchen, dessen Gänge aber so geschickt eingetheilt sind, daß der Platz viel größer scheint, als er ist. Der Aufenthalt ist hier überaus anmuthig. *)

3.

Unter der Menge von Villen, die in Rom und in der Gegend der Stadt umher liegen, sind zuerst die vaticanischen Gärten zu bemerken, wovon einer der heimliche Garten oder Belvedere, der andere der große heißt. Die kleinen elenden Vexierwasser, die man hier bis zum Ueberdruß antrifft, sind doch eben keine anständige Verzierungen in dem Garten des ersten Bischofs der römischen Kirche. Sogar eine Terrasse, die eine vortreffliche Aussicht über die Stadt Rom eröffnet, ist damit verkünstelt. Der große Garten besteht aus Lustwäldern, die von Alleen durchkreuzt sind, aus Gebüschen und Springbrunnen. Auf einer Anhöhe liegt il Casino des Pabstes Pius IV. Dieß kleine Gebäude ist unter Pabst Julius II. nach einem alten, das am Ufer des gabinischen Sees gestanden, durch Pirrhus Ligorius aufgeführt; Pius IV. gab ihm Ausbesserung und Verschönerung. Die Gallerie vor dem Gebäude, oder der Ort, den die Alten Lavarium nannten, ist von guter Architectur; sie hat drey Eingänge mit vier dorischen Säulen von Granit.

In dem päbstlichen Garten des Quirinals erscheint wenig Pracht, und er hat fast nur das Ansehen eines Privatgartens. Die Gegend, die dem Palaste am nächsten ist, besteht in regulären Wäldern von Eichen, Linden, Cypressen, Tannen, Granatbäumen, Lorbeerbäumen u. a. Unter den Springbrunnen befindet sich einer, dessen großes Becken aus Porphyr besteht, und mit einem schönen Pavillon überdeckt ist. In einer andern Gegend erblickt man in einem von Lorbeerbäumen überkleideten Felsen eine Grotte, worinn eine Fontaine vor der Statue einer

————

*) Volkmanns Nachrichten von Italien 1ster B. S. 188–195.

 

247 Nymphe springt, welche Bewohnerinn dieses Orts zu seyn scheinet. Der Platz vor der Grotte ist mit dicken Bäumen umgeben, die ihr ein ehrwürdiges Ansehen ertheilen, und das Ganze macht eine schöne malerische Scene.

Die Villa Pamfili ist eines der größten und schönsten Landhäuser bey Rom. Das Gebäude ist mit zwey Reihen corinthischer Pilaster über einander und mit einer Attike versehen. Vor demselben liegt eine Halle, woraus man in einen Saal tritt. Auf dem Dach ist ein Sitz in Gestalt eines viereckigten Thurms angebracht, wo man eine vortreffliche Aussicht genießt. Die neuere Einrichtung des Gartens ist von der Erfindung des Le Notre, und demnach in einem bekannten Geschmack. Zu den Bäumen und Sträuchern hat man immer grünende gewählt; daher ist hier der Spaziergang in jeder Jahrszeit angenehm. In dem Thierpark wird eine Menge Wild unterhalten.

Aus der Villa Mellini, die auf der Höhe des Berges Mario liegt, übersieht man Rom nach seinem ganzen Umfange, die weite Landschaft Campagna di Roma, und alle Krümmungen der Tiber, die sich bald dem Auge zeigt, bald wieder verbirgt; aus diesem vernachläßigten Platze ließe sich einer der herrlichsten Lustörter in Italien bilden.

Der Garten der berühmten Villa Borghese ist einer der weitläuftigsten bey Rom, und hält fünf italiänische Meilen im Umfang. Er besteht fast ganz aus Lustwäldern, die mit Alleen durchschnitten sind, hat Gebüsche zum Vogelfang, Blumen und Springbrunnen, einen Weinberg, Obstgarten, Orangerie und einen Thiergarten in seinem Bezirk. Auch hier ist die Anordnung in der gewöhnlichen Regelmäßigkeit.

Die Villa Albani gehört zu den schönsten Gebäuden in Rom. Auf beyden Seiten sind Colonaden von Säulen aus Granit angelegt, die mit den Büsten der berühmtesten Männer des Alterthums geziert sind. Der Garten hat anmuthige Lustwäldchen und eine so reiche Auszierung mit Werken der Kunst, daß man in die Villa eines alten prachtliebenden Römers versetzt zu seyn glaubt. *)

Die Villa Estense, die ehemals so berühmt war, und bey ihrer Anlage über drey Millionen Scudi gekostet, hat auf ihrer Höhe eine treffliche Lage, und eine Menge von Terrassen, Springbrunnen, Labyrinthen, Lustwäldchen und Orangerien. Das Gebäude hat außer seiner Stelle, indem es auf einer Tetrasse steht, nichts Besonders. Gegen Tivoli ist ein guter Wasserfall angelegt, worüber eine Grotte liegt.

————

*) La celebre Villa del Cardinale Alessandro Albani, offave dell’ Abbate Prospero Betti. fol. 1768. Rom.

 

248 Die Fontainen und Wasserkünste, die so zahlreich sind, verlieren sich auch hier in das Unnatürliche und Geschmacklose. *)

Der Garten der Villa Aldobrandini hat nicht so viel dunkelgrüne Bäume, als die übrigen Gärten dieses Landes, und daher ein mehr muntres und frisches Ansehen. Die Alleen von Platanen verbreiten indessen ihren vortrefflichen Schatten, und die Springbrunnen und Wasserfälle sind mit mehr Geschmack, als sonst gewöhnlich ist, angeordnet. Von den Terrassen genießt man eine reizende Aussicht über die Ebenen bis an das mittelländische Meer, worauf man bey hellem Wetter die Schiffe segeln sieht.

Diese letzten Villen liegen in den merkwürdigen Gegenden von Tivoli und Frascati, die schon zu den Zeiten der alten Römer mit Landsitzen bereichert waren. **) Doch ziehen die heutigen Römer mehr den Aufenthalt von Frascati vor, bey welcher Stadt viele Gärten in einer angenehmen Lage erscheinen. Uebrigens ist bekannt, daß die Villen in und um Rom als Magazine der Alterthümer berühmt sind, und daß diese Schätze nicht selten ihr vornehmstes Verdienst ausmachen. ***)

4.

Das königliche Lustschloß Portici bey Neapel ist von keiner merkwürdigen Baukunst, sondern hat vielmehr beträchtliche Fehler; eben so wenig empfiehlt sich die Anlage des Gartens. Dagegen übertrifft das neue Schloß Caserta, dessen Plan der römische Architect, Vanvitelli angegeben, alle italiänischen an Regelmäßigkeit, Schönheit und Größe. Es hat die Form eines länglichen Vierecks, dessen Vorder- und Hinterseite 731 Fuß, und die beyden andern 569 Fuß lang

————

*) Die besten Prospecte dieses Gartens findet man auf 29 Blättern von Venturini gestochen unter dem Titel: Fontane del Giardino Estense in Tivoli co’ loro prospetti e colla Cascata del Fiume Aniene.

**) Hier verdient noch dieses Werk eine Anzeige: Delle Ville e de’ piu notabili monumenti antichi della città e del territorio di Tivoli, nuove ricerche di Stefano Cabral e fausto del Rè etc. 8. 1779. In Romá da Benedetto Settari. Der Artikel von den alten Villen zu Tivoli ist in diesem Buch das Wichtigste und aus einem höchst seltenen Werke genommen, nämlich aus einer Handschrift von einer vollständigen Geschichte von Tivoli, die sich in der Barberinischen Bibliothek befindet, wohin sie der Kardinal Francesco Barberino, Gouverneur dieser Stadt, 1632 bringen ließ.

***) Volkmanns Nachrichten von Italien 2ter B. Giardini di Roma da G. B. Falda, 21 Blätter; sie befinden sich auch in Volkmanns neuer Ausgabe von Sandrats sämmtlichen Werken.

 

249 sind; die Höhe beträgt 162 Fuß. Inwendig liegen vier große Höfe. Die Vorderseite hat 34 Fenster und drey Haupteingänge, die vermittelst eben so vieler Gänge durch das ganze Gebäude führen, und die vier Höfe mit dem Garten verbinden. Die ganze innere Einrichtung ist vortrefflich, und der Reichthum und die Pracht, die darinn herrscht, besonders die Kostbarkeit der schönsten Marmorarten steigt bis zur Bewunderung. Kein andrer König kann so prächtig bauen, weil nirgends so reiche Marmorbrüche, und in einer solchen Abwechselung und Schönheit sich finden, als in Neapel und Sicilien. Hier sind allein auf 53 verschiedene einländische Marmorarten gebraucht. Allein die symmetrischen Gartenanlagen kommen bey der Schönheit dieses Gebäudes nicht in Betrachtung *).

Wir wenden von hier unsern Blick nach Sicilien. Nichts kann reizender seyn, als die Gegend von Palermo. Sie vereinigt mit den Annehmlichkeiten der Natur alle Verschönerungen der Kunst. Fruchtbare Hügel mit Weinstöcken und mancherley Fruchtbäumen, blumenreiche mit vielen Bächen bewässerte Ebenen, bald dicke Gebüsche, bald weite prächtige Aussichten auf der einen Seite contrastiren lebhaft gegen kahle Berge, die gegenüber ihre Spitzen in den Wolken ruhen lassen, gegen tiefe Höhlen und andere rauhe und fürchterliche Scenen der Natur. Man erblickt hier eine Menge von Landhäusern in einem sehr mannichfaltigen Geschmack; das eine scheint mit seinem Nachbar um Reichthum und Schönheit zu wetteifern, das andre einfach und ländlich, wie die Wohnung des Weisen, sich in seinen Schatten zu hüllen. Doch der größte Theil der adelichen Landhäuser ist theils östlich a la Bagaria, einem kleinen Dorfe, zwölf Meilen von Palermo, theils westlich il Colle, sieben Meilen von der Stadt. In der letztern Gegend ist das Landhaus des Prinzen Resutano eines der schönsten. Bey Bagaria haben die Prinzen von Castelnuova und Valguarnera sehr schöne Landsitze; der letzte hat in seinen Gärten die Schönheiten zu vereinigen gesucht, die er auf seinen Reisen zu bemerken Gelegenheit gehabt. In dieser Gegend sieht man auch den Palast des Prinzen von Palagonia, der durch die abentheuerlichen Ausschweifungen seiner Verzierungen, wovon außer andern Reisenden Brydone **) eine so komische Beschreibung giebt,

————

*) Eine ausführliche Beschreibung dieses Lustschlosses giebt Volkmann im 3ten B. seiner Nachrichten von Italien, S. 335 u. s. w., und eine Abbildung davon findet man in dem seltnen Werke: Dechirazione dei disegni del Reale Palazzo di Caserta. fol. In Napoli 1756. Auch hat der Dichter Orazio Capelli zwey angenehme Gesänge unter dem Titel: Caserta, 1778 in 8. zu Neapel herausgegeben.

**) Reise durch Sicilien und Malta. 24 Br. Man vergleiche damit ein paar Ab-

 

250 überall in Ruf gekommen ist. Viele Vornehme der Stadt haben noch in andern Gegenden ihre Landhäuser in anmuthigen Lagen.

5.

Wir erkennen aus dieser kurzen Uebersicht von Italien, daß es nicht allein Landhäuser in einer zahlreichen Menge besitzt, sondern daß auch sehr viele davon sich durch eine vortreffliche Baukunst auszeichnen, wodurch zum Theil die größten Architecten Denkmäler ihres Geistes hinterlassen haben. Die schönsten Villen, besonders in Toscana und um Rom, wurden in den Zeiten des Reichthums und der Prachtliebe unter Fürsten angelegt, welche die schönen Künste liebten und die Künstler bildeten, indem sie sie beschäftigten und ehrten. Die meisten heutigen Besitzer wenden jetzt wenig auf ihre Unterhaltung; daher sangen sie hin und wieder schon an, prächtige Ruinen für die Nachkommenschaft vorzubereiten. Die Gärten haben zum Theil die herrlichsten Lagen. Allein sie sind durchgängig regelmäßig und ein großer Theil noch in der Manier der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts angelegt. Der Geschmack der Gärten mag sich in ganz Europa verändern; Italien hat wenig Hoffnung, die Verbesserung so bald zu sehen. Der Italiäner scheint nicht das schärfste Gefühl für diese Gattung von Schönheit von der Natur empfangen zu haben; der Geschmack an ländlichen Vergnügungen verliert sich immer mehr bey ihm; Schauspiele, Musik, nächtliche Gaukeleyen und verliebte Abentheuer unterdrücken die sanftere Empfindung für den stillen Reiz des Landlebens. Außerdem stehen hier die Gärten noch unter dem strengen Gebot der Architecten, die sie nach den Regeln ihrer Kunst verunstalten. Könnte man erwarten, daß durch die Menge der reisenden Britten, die jetzt immer nach Italien strömen und deren reiner Geschmack nicht ganz ohne Aufklärung bleiben kann, die Liebe für die schöne Kunst der Gärten erweckt und zu einer ähnlichen Begeisterung, wie ehemals für ihre ältere Schwestern, aufgeheitert würde; so ließen sich freylich auch noch andere Aussichten erwarten, die aber doch durch die eingeführte Art der Benutzung des Landes und durch den geringen Trieb der Italiäner zur Nachahmung des Ausländischen wieder begränzt werden. Allein welche Vorzüge behält nicht noch immer ein Land, das seine Hügel rings umher von den Blüthen des Mandelbaums sich freywillig verschönern, freywillig seine Ebenen mit den Früchten der Citronen- und Pomeranzenwälder sich vergolden, und an seinen öffentlichen Wegen die amerikanische Agave neben dem fruchttragenden Palmbaum blühen sieht?

————

bildungen im 2ten B. von des Grafen Borch Briefen über Sicilien und Malta, und die Zusätze dieses aufmerksamen Reisenden.

 

251 II.
Die Schweiz.

Die Natur scheint über die Schweiz das Füllhorn ihrer Schönheiten ausgeleert zu haben, und Bewohnung und Cultur vereinigten sich nach ihr, mitten unter den Wundern des Erhabenen und Romantischen, die keine Hand des Menschen zu schaffen vermag, noch die sanftesten Reize einzustreuen *). Man kann fast keinen Schritt thun, ohne auf Scenen zu treffen, die in so vielen Reichen des Erdbodens entweder ganz unbekannt sind, oder die, wenn sie auch zu den gewöhnlichen Auftritten gehören, die bloß ergötzen, doch hier durch die pikantesten Verbindungen und Gegenstellungen zur Wirkung der lebhaftesten Ueberraschung steigen. Was dabey dem Geschmack gehört oder sein Antheil zu seyn scheint, betrifft die Wahl der Lagen für die Landhäuser, die bescheidene Zierlichkeit und edle Einfalt ihrer Einrichtung, die Einfachheit der bürgerlichen Sommerwohnungen, die Annehmlichkeit der Weinberge, und die Vereinigung einer gemäßigten Anmuth mit der stillen Nutzbarkeit der eingeschränkten Gartenreviere. Denn Land gehört hier zu den Kostbarkeiten des Landes. In den Gärten bleibt nur wenig Raum, den die Göttinn des Vergnügens mit ihren Blumen bestreuen und mit ihren Springbrunnen beleben kann. Viele edle ausländische Pflanzen warmer Zonen gedeihen unter diesem Klima; doch für die nordamerikanischen Bäume und Sträucher, woran sich England und Deutschland ergötzen, sind die niedrigen Gegenden Helvetiens fast schon zu warm. Die Kunst der Pflanzung ist hier noch unbekannt. Hecken mit Kugeln und Pyramiden und ausgeschnittenen Oeffnungen, wie Gucklöcher in Krämerbuden, Kronen und Spitzsäulen von Taxus gehören noch zu den gewöhnlichen Werken der Kunst, die man im Angesicht der herrlichsten Landschaften hin und wieder immer noch herrlich findet. Die höhern Abhänge der Weinberge und Gartenplätze machen oft die Einfassung mit Mauern und Eintheilung in Terrassen nöthig, aber auch zugleich den Spaziergang unbequem. Diesen verfolgt der Bewohner mit größerm Vergnügen auf den umliegenden Bergen, oder in den Thälern und Wiesen, die von weidenden Rindern und rauschenden Flüssen und Wasserfällen belebt sind. Sogar die Anpflanzungen von Alleen bey den Städten, die man in Deutschland so häufig antrifft, daß daß man kaum mehr darauf achtet, sind in Helvetien so selten, daß Sinner sie als besondere Merkwürdigkeiten der Oerter anzuführen wichtig genug fand. Nur Bern kann sich von dieser Seite des Rangs mit beträchtlichen deutschen Städten rühmen.

————

*) 1ster B. S. 33–35.

 

252 Die Gärten der Baseler zeigen schon dem Fremden durch ihren kleinern Umfang, daß hier das Land theuer ist. Sie sind größtentheils dem Nützlichen gewidmet. Küchengewächse, Fruchtbäume, Weinreben nehmen den vornehmsten Theil ein. Indessen sucht man auch diese beyden letzten Zweige der Cultur zur Verschönerung anzuwenden. Man sieht Bogengänge von Fruchtbäumen und Reben gezogen; oder Gänge von Wein eingefaßt. Auch in den Lauben winkt die reifende Traube zwischen den Blättern; und selbst die dürren Mauern sind mit dem grünen Netz der Reben überzogen. Man erblickt viel Blumen und fast überall Springbrunnen. Vogelhäuser, die in kleinen Gärten so viel Unterhaltung geben, sind oft den anliegenden Sälen oder Kabinetten mit perspectivischen Durchsichten zugesellt. Wiesen oder Grasplätze mit Obstbäumen ziehen sich oft mitten in den Garten hinein, laufen aber öfter bescheiden an seiner Gränze umher, nur durch ein Gitter abgesondert. In einigen dieser Gärten zeigt sich noch eine besondre Anhänglichkeit an den alten französischen Geschmack. Ein Hauptfehler der meisten Gärten ist dieser, daß man die umliegenden herrlichen Landschaften nicht besser in verschiedenen Ansichten und Prospecten genutzt hat. Denn fast immer ist die Aussicht durch Mauern und Bäume verdeckt. Auch könnten hin und wieder die angränzenden Wiesen vortheilhaft mit den Gärten verbunden werden; wenigstens würden schmale Gänge an ihrem Rand umher nichts verderben. Würden die Taxuspyramiden, die Hecken und andere Verschließungen weggeworfen, wie viele schöne Lagen und Aussichten würden auf einmal hervorbrechen! Die meisten Landhäuser sind ohne Pomp, zierlich und bequem; auch mit Geschmack ausgeziert; von Springbrunnen umgeben. Zuweilen ist die Vorderseite mit Arcaden verbunden; fast immer findet man einen angenehmen Vorhof, und einen freyen Eintritt, der gleich in den Garten führt.

Die Gärten der Neuburger unterscheiden sich durch ihre Lage von den Baselern, die meistens in schönen grasreichen Ebenen liegen; sie erscheinen fast alle an den Abhängen der Berge mit einer reizenden Aussicht. Vor ihren Füßen strecken sich schöne Weinberge, in Terrassen gefaßt, bis zum Strande des Sees hinunter. Dieser verbreitet seine große spiegelhelle Fläche viele Stunden weit; und über ihn hin erhebt sich in der Ferne das majestätische Schauspiel der Eisberge. Das Vorzüglichste sind die Gebäude, die meistens kleine angenehme Sommerhäuser, zuweilen fehr edle und ansehnliche Landhäuser von guter Bauart, im französischen Stil vorstellen. Die Eintheilung des Gartenbezirks folgt auch hier der gemeinen Symmetrie. Man sieht kleine Parterre, Hecken, Bogengänge. Doch besser, als alles dieses, sind die kleinen Weinberge, die in dem Bezirk dieser Gärten liegen und die vortreffliche Arten von Reben enthalten; und demnächst viele feine Frucht253bäume, die man aus Frankreich kommen läßt. Fast in allen diesen Gärten erscheinen Springbrunnen, welche die bergigte Lage begünstigt.

Man erblickt auf dem Wege von Neuburg nach Genf nahe am Wege sowohl, als in der Ferne, viele recht schön gebauete Landhäuser, die aber von weit weniger schönen Gärten umgeben sind. Bey einigen ist es doch sichtbar, daß es nicht überall an Platz fehlt, wie man sich entschuldigen will. Auch ist zu einem Lustsitz in einem Lande, das so voll von großen und sanften Schönheiten der Natur ist, nicht geradezu ein beträchtlicher Raum nöthig. Es kommt nur auf Klugheit und Geschmack an, einen kleinen Platz seiner Lage gemäß einzurichten, und ihn interessant zu machen; zumal da man hier nur vornehmlich darauf zu sehen hat, die mannichfaltigen Gemälde der Landschaft in gewissen Gesichtspunkten nach einander zu fassen.

Nach den Neuburgern scheinen die Genfer am meisten auf ihre Landhäuser verwendet zu haben. Unter den vielen Gebäuden dieser Art, womit die Höhen und Abhänge um Genf und die Ufer des Sees bereichert sind, zeichnen sich die Landhäufer la Boissiere, la Grange und les Delices *) aus, durch die herrlichsten Lagen und Aussichten. Das letzte Landhaus ist merkwürdig, weil es ehemals Voltaire bewohnte, ehe er Ferney kaufte und anfieng, die Personen, die Geburt, Talente und Neugierde zu ihm führte, nicht mehr bloß mit seinem Witz, sondern auch mit Gastmalen, mit Musik und Schauspielen zu bewirthen. Allein außer der reizenden Lage fand ich in dem Garten nichts, das, als eine zurückgelassene Spur von dem Gartengeschmack dieses berühmten Dichters, des Anblicks werth wäre. Alles ist voll französischen Schnitzwerks, und selbst die Obstbäume sind in Kugeln und Kegel verunstaltet. Aber ein Blick in die Rhone hinab, die sich mit einem mächtigen Geräusch in der Tiefe wälzt, und sich da mit der Arve vereinigt, oder in die umliegende erhabne Landschaft umher, läßt auf einmal alle Spielwerke der Kunst wieder vergessen. Jetzt ist ein großer Kenner der schönen Künste, H. Tronchin, Besitzer dieses Landhauses. Boissiere, das seinem Bruder, dem Generalprocureur gehört, und auf der andern Seite des Sees liegt, hat eine so glänzende, prächtige und unterhaltende Lage, daß die Einbildungskraft sich nichts reicheres vorstellen kann. Von seiner Höhe herab übersieht dieses Landhaus die ganze Stadt Genf, alle umliegende Gegenden so voll Reiz und Leben, und dann die Gebirge,

————

*) Vues de Delices et du Chateau de Ferney, 3 Bl. in 4. von Segny gezeichnet, und von Queverdo gestochen. Das Schloß zu Ferney, eine kleine Stunde von Genf, im Pays de Gex ist ein Gebäude im französischen Stil, ohne hervorstechende Schönheit.

 

254 die den Gesichtskreis schließen. Das Haus ist in einem sehr angenehmen Stil gebauet, und mit Geschmack verziert. Auf seinen Seiten schattet eine schöne Pflanzung von Kastanienbäumen, mit Blumenfluren vor dem Eingange unterbrochen. Diese Bäume machen mit den Aussichten einen der schönsten Spaziergänge in der Welt. Man blickt nach Genf hinab über eine große Wiese, worinn etwas seitwärts Spaziergänge und eine neue Pflanzung ausländischer Bäume im englischen Geschmack angelegt sind. Der Garten verbindet mit seiner außerordentlichen Annehmlichkeit noch einen so beträchtlichen Umfang, als man selten in der Schweiz findet. Bey diesen Vorzügen entbehrt er leicht Springbrunnen, die in diesen Gegenden ganz mangeln, so häufig man sie sonst in Helvetien antrifft.

In den Gärten der Berner und Züricher sieht man noch viele Taxus in Kugeln und Spitzsäulen geschnitten. So schwer ist es, daß selbst Leute von Einsicht sich von alten Vorurtheilen loswinden. Man wird in der That bey dem Eintritt in die Vorstadt von Zürich von diesem Anblick nicht wenig in Verwunderung gesetzt, da man sogar die Obstbäume in Kugelformen verkünstelt sieht. Und hier wohnt der Vertraute der schönen Natur, der sanfte Idyllendichter, Geßner, der lange schon den reinern Gartengeschmack empfahl *). Aber es ist dieß nicht der einzige Fall, daß ein Mann ferne Nationen unterrichtet, und an seinem kleinen Wohnort nicht gehört wird.

In der großen Menge von Vorstellungen helvetischer Landschaften, die sich noch jährlich vermehren, findet man zwar wenig von Gärten und neuen Landhäusern, aber viele erhabene, romantische und reizende Gegenden, besonders malerische Lagen von Landwohnungen und Dörfern auf Bergen und ihren Abhängen, von Wasserfällen, von Ruinen und noch stehenden bejahrten Schlössern, die meistens von den Landvoigten der Kantons bewohnt werden.

————

*) S. 1sten B. S. 135–136.

 

255 III.
Frankreich.
1.

Es ist ein überaus merkwürdiger Contrast des Geschmacks, wenn man die Zeiten Ludewigs des XIV, als le Notre erschien, und ganz Europa zu der symmetrischen Gartenmanier verführte, mit der jetzigen Anglomanie der Franzosen vergleicht. Außer dem, was darüber bereits hin und wieder in diesem Werke gesagt ist *), bieten sich hier noch einige Nachrichten und Bemerkungen an, die eine Stelle zu verdienen scheinen.

Wäre le Notre **) unter einem andern König geboren, so würde vermuthlich der Geschmack dieses Mannes nicht eine so allgemeine Ausbreitung gefunden haben. Nicht allein sein Zeitalter, worinn Empfindung und Talente für die Wiederherstellung aller schönen Künste wieder erwachten, sondern auch der persönliche Charakter Ludewigs XIV. begünstigten sein Unternehmen auf eine Art, die ihm Beyfall und Fortgang versichern mußte. Man sahe mehr auf das, was Glanz und Pracht hatte, als auf reinen Geschmack und stille Größe. Die Nation sowohl als der Hof wollten nur geblendet, nur durch das Neue und Außerordentliche angezaubert werden. Und es ist nicht zu läugnen, daß die Manier des le Notre gerade dieses herrschende Vorurtheil, diesen Geschmack seiner Zeit befriedigte. Seine langen und geraden Alleen, seine Triumphbogen, seine so reich und künstlich verzierten Parterre, seine hohen Fontainen und Cascaden und die grotesken und seltsamen Verzierungen derselben, seine Grotten voll Architectur und seine Gitterwerke voll Vergoldung, seine Verschwendung der Statuen und Termen – alles dieses mußte leicht ein Auge blenden, das falschen Glanz liebte, das diese Wunder mitten in Wildnissen entstehen sah, das an die stillen Schönheiten der Natur noch gar nicht gewöhnt war.

Le Notre war fast schon vierzig Jahr alt, als er sein erstes Werk vollendete; dieß war der Garten Vaux-le-Vicomté, nachher Vaux-le-Villars, und jetzt Praslin genannt. Der König ward von diesen Verzierungen so bezaubert, daß er ihn zum Aufseher über seine Gärten und zum Generalcontroleur seiner Gebäude machte; er überhäufte ihn mit Geschenken, gab ihm einen Adelbrief und den Orden des St. Michael. Sein vornehmstes Werk waren die Gärten von Versailles,

————

*) Man sehe 1sten Band S. 35–39. 117–120. 129–134.

**) Andreas le Notre ward 1613 zu Paris geboren und starb da 1700.

 

256 die auf zweyhundert Millionen kosteten. Außerdem legte er die Gärten zu Trianon, zu Meudon, zu Saint-Cloud, zu Sceaux, zu Chautilly, und die berühmte Terrasse zu Saint-Germain an. Viele andere Anlagen erhielt Frankreich von der Hand, oder von der Zeichnung dieses geschäftigen Mannes, als die Thuilerien zu Paris, die elysischen Felder, die Gärten zu Gagny, Issy, Clagny, Guermandes, Beaurepaire, u. s. w. Er gieng 1678 nach Italien, und gab da die Zeichnungen zu verschiedenen Gärten, als bey der Villa Pamphili, der Villa Ludovisi, an. Selbst England nahm seine Manier auf *), sodann folgte Schweden, und bald darauf das übrige Europa.

Nach dem le Notre bemühete sich Düfresny, Controleur der Gebäude, der in seinem Geschmack ganz von seinem Vorgänger abwich, Gärten in einem verschiedenen und mehr malerischen Stil zu erfinden. Er näherte sich schon der neuern Manier der Engländer. Er bauete am liebsten in einer ungleichen Gegend; er bildete selbst aus einer Ebene Hügel, um die Ansichten der Gegenstände mehr zu vervielfältigen. Allein wenige von seinen Erfindungen kamen zur Ausführung. Man beschuldigt ihn, daß sie zu kostbar gewesen. Vielleicht aber stand ihm der noch so neue Modegeschmack seines Vorgängers am meisten entgegen. Düfresny legte indessen in seiner bessern Manier die Gärten zu Mignaux nahe bey Poissy, des Abbé Pajot bey Vincennes, und in der Vorstadt St. Antoine zwey andre an, die ihm zugehörten und unter dem Namen Moulin und Chemincreux bekannt sind.

Marly, das man irrig den Rissen bald des Düfresny, bald des J. H. Mansard zugeschrieben, ist nach der Zeichnung des Drusé, der Controleur zu St. Germain war, angelegt. Von Desgots, einem Verwandten des le Notre, war der Garten zu Baguolet sein vornehmstes Werk. Verschiedene andre Gärten in Frankreich wurden damals von de la Chapelle, d’ Isle, J. H. und F. Mansart und andern Architecten, im Ganzen nach der Manier des le Notre, angelegt.

2.

Als der neue Gartengeschmack sich in England verbreitete, konnte die Nachahmung wohl nirgends leicht zu einer lebhaftern Begeisterung steigen, als bey den Franzosen. Mit einer Hitze, die gewöhnlich mehr den Geist der Nacheiferung als der Erfindung spornt, fiengen sie an, die alten Gärten umzureißen, und neue zu pflanzen à la Chinoise oder à l’ Angloise. Dieser Enthusiasmus für die eng-

————

*) S. 4ten B. S. 4.

 

257lische Erfindung äußerte sich vornehmlich um die Hauptstadt. Er griff selbst die ehrwürdigen Alleen zu Versailles an, um einer jungen Pflanzung Platz zu machen, und ein Lehrdichter vom ersten Range klagt darüber in einem Ton, den man nicht ohne Mitempfindung hören kann. *)

O! Versailles! ô regrets! ô bosquets ravissans,
Chefs d’ œuvre d’un grand Roi, de Le Notre et des ans!
La hache est â vos pieds et votre heure est venue.
Ces arbres dont l’orgueil s’ elançoit dans la nue,
Frappés dans leur racine, et balançant dans l’air,
Leurs superbes sommets ébranles par le fer,
Tombent, et de leurs troncs jonchent au loin ces routes
Sur qui leurs bras pompeux s’ arrondissoient en voûtes.
Ils sont detruits, ces bois, dont le front glorieux
Ombrageoit de Louis le front victorieux,
Ces bois où, célébrant de plus douces conquêtes,
Les arts voluptueux multiplioient les fêtes!
Amour, qu’ est devenu cet asyle enchanté
Qui vit de Montespan soupirer la fierte?
Qu’ est devenu l’ ombrage où, si belle et si tendre,
A son amant surpris et charmé de l’ entendre
La Valière apprenoit le secret de son coeur,
Et, sans se croire aimée, avouoit son vainqueur?
Tout périt; tout succombe; au bruit de ce ravage
Voyez vous point s’ enfuir les hôtes du bocage?
Tout ce peuple d’ oiseaux fiers d’habiter ces bois,
Qui chantoient leurs amours dans l’asyle des rois,
S’ exilent à regret de leurs berceaux antiques.
Ces dieux, dont le ciseau peupla ces verds portiques,
D’ un voile de verdure autrefois habillés,
Tous honteux aujourd’ hui de se voir dépouillés,

————

*) De Lille in dem Gedichte Les Jardins. 4me Edit. Paris 8. S. 40–41.

 

258 Pleurent leur doux ombrage; et, redoutant la vue,
Vénus méme une fois s’étonna d’etre nue.
Croissez, hatez votre ombre, et repeuplez ces champs,
Vous, jeunes arbrisseaux; et vous, arbres mourans,
Consolez vous. Temoins de la foiblesse humaine,
Vous avez vu périr et Corneille et Turenne:
Vous comptez cent printemps, hélas! et nos beaux jours!
S’ envolent les premiers, s’ envolent pour toujours!

Dieser feine Kenner führt in seinem Gedichte verschiedene Landhäuser und neue Gärten um Paris an, die sich nach seinem Urtheil durch eine vorzügliche Schönheit auszeichnen. Sie sind Beloeil, Landhaus des Prinzen de Ligne; Montreuil, Garten der Prinzessin Guémené; Maupertuis, ein Garten dem Marquis von Montesquiou gehörig, der wegen seiner schönen Wasser, seiner prächtigen Pflanzungen, seiner glücklichen Mischung von Hügeln und Thälern, den Namen Elysium verdient; Le Desert, nach der geschmackvollen Zeichnung des Hrn. von Mouville; Rincy, ein schöner Garten des Herzogs von Orleans; Limours, eine von der Gräfinn von Brionne verschönerte Wildniß; Petit-Trianon, ein Garten der Königinn, wo der Reichthum von dem Geschmack geleitet ist; Bagatelle, ein niedlicher Garten von dem Grafen von Artois entworfen, mitten in einem kleinen reizenden Gehölz, mit dem er verbunden ist, und mit einem zierlichen Pavillon geschmückt. Außer diesen rühmt er noch die neuen Gärten La Falaise, Morfontaine, dem Hrn. Peletier, Intendanten von Soissons gehörig, und angenehm durch große Rasen und Gruppen; Chaville, Royssi, Malmaison. Noch gehören zu den merkwürdigsten neuen Anlagen Anteuil, Chanteloup, dem Herzog von Choiseul zuständig und in einem reizenden Geschmack, Arnouville, Courances, Garges, Monceau und Ermenonville. Einige von diesen Gärten verdienen noch etwas nähere Bemerkungen.

Bagatelle hat einen Pavillon, der von der Hand einer Fee in dieses stille, verschlossene und dunkle Wäldchen hingezaubert zu seyn scheint. Man stößt auf ihn nach einem sich herumwindenden Wege, ganz unerwartet. Beym Eingange wird man von einigen charakteristischen Statuen, als dem Stillschweigen, dem Geheimniß, u. s. w. empfangen. Alles ist gewählt, fein, geschmückt. An den Wänden reizen Gemälde der Liebe von den besten neuern Meistern. Die Lage kann nicht sanfter seyn; eine überaus liebliche Aussicht ist in ihrer Dämmerung eröffnet. Der 259 kleine Garten besteht nur aus den angenehmsten Blumen und ausländischen Blüthensträuchern, welche die stille Wollust dieses verborgenen Aufenthalts vermehren helfen.

Der Park zu Arnouville ist vielleicht mehr im Geschmacke der Engländer, als irgend ein andrer neuer Garten in Frankreich, wo man, austatt die Natur nachzuahmen, sie oft nur entstellt, oder versteckt. Er hat nichts von dem Gesuchten und Tändelnden, sondern einfache Schönheiten der Natur, die sich im Großen zeigen, aber mit Geschmack geordnet sind. Bäche und stille Gewässer, Gehölze mit ihren Vertiefungen, die innern Prospecte, eine Menge von verschiedenen Gemälden der Landschaft vereinigen sich hier, ein edles und mannichfaltiges Schauspiel zu bilden. Es giebt wohl wenige Gärten, wo man freyer umherirren, und der Anmuth der ganzen umliegenden Gegend leichter genießen kann. Man kann so viele Wege des Parks durchlaufen, selbst um das Dorf herumgehen, verschiedene Spaziergänge vollenden, und dann wieder in sein Cabinet zurückkehren, ohne daß es eine Person im Hause gewahr wird. Ueberall dienen Brücken und Thüren zur Verbindung sowohl, als zur Abwechselung der Spaziergänge. Man kommt bald in fruchtbare Gefilde voll reicher Aerndten, bald in einsame Wiesen, bald in künstliche, bald in ländliche Pflanzungen längst den Bächen, bald in ein kleines Thal hinter einem Gehölze, bald an eine Wassermühle im Walde, wovon das Geräusch des Stroms aus der Ferne sanfter herüber tönt, bald in ein Dorf auf einem Hügel. Diese und viele andere Gegenden mehr sind durch angelegte Spazierwege mit einander verbunden, worauf das Auge von immer abändernden Aussichten nah und fern unterhalten wird. Alle diese anmuthigen Theile sind noch mit Fruchtgärten, Weinbergen, und andern Anstalten der nützlichen Gärtnerey vereinigt.

Der berühmteste neue Park in Frankreich ist wohl Ermenonville, gleich merkwürdig durch den Geist seines Besitzers, des Marquis de Gerardin *) und durch seine Gastfreundschaft gegen Rousseau, die sich bis auf sein Grab **) erstreckte.

————

*) Von seiner vortrefflichen Schrift de la Composition des Paysages. 8. Paris 1777. (S. 1 B. S. 134) ist in Leipzig 1779 eine deutsche Uebersetzung erschienen. Er giebt verschiedene allgemeine und zerstreute, aber feine Bemerkungen über die Verschönerung der Natur, ohne jedoch ihre besondere Anwendung in den mannichfaltigen Arten von Gärten zu entwickeln. Die Maximen und Beobachtungen des Landschaftmalers dienen zur Grundlage seiner Untersuchungen.

**) S. 2ten B. S. 59.

 

260 Der Garten, der zehn Stunden von Paris liegt, ist eine neue Schöpfung, aus einem wilden Chaos hervorgerufen. *)

Das Thal, im Angesicht des Landhauses, war noch vor einigen Jahren nichts, als ein unzugänglicher Morast von einem scheußlichen Anblick. Sein morigter Grund zog das Wasser von hundert umherfließenden Quellen in sich; vier bis fünf Kanäle, die bald verschleimten, konnten ihn nicht austrocknen. Dicke Dünste, die Morgens und Abends aufstiegen, bedeckten die Oberfläche des Thals. Auf allen Seiten versperrten symmetrische Alleen die Aussicht, und gaben einen eben so langweiligen, als traurigen Anblick. Sie widerstanden der freyen Bewegung der Luft, und machten daher die Lage noch ungesunder; und indem sie das wellenförmige Spiel der Erhebungen und Senkungen des Bodens verbargen und seinen Fortlauf unterbrachen, so verwandelten sie ein angenehmes Thal in eine langweilige und flache Ebene. Reizende Höhen und Niedrigungen blieben zur Rechten und zur Linken ungenutzt liegen; ein schöner Wald, dem Hause so nahe, ward davon sorgfältig abgesondert, daß er weder zur Verzierung der Lage, noch zum Vergnügen des Spaziergangs beytrug. Uebrigens ein sumpfigtes Parterre; tiefe Canäle, die unreines Gewässer verschlossen, immer von Schilf und Gras bedeckt; ein Irrgarten von Hagebuchen auf beyden Seiten, wohin man sich wegen der äußersten Feuchtigkeit nicht wagen durfte – dieß machte die abgeschmackte Verzierung des Gartens aus. Auf der Mittagsseite gab ein Hof, von Gebäuden umschlossen, einen finstern Anblick. Ein feuchter Küchengarten war ganz von Mauern umgeben; und daneben sperrten zwey Reihen von Linden die Aussicht und die Luft ein. Endlich war alles getrennt und abgerissen; jede Parthie erschien ohne Verbindung, ohne zu einem Ganzen zu gehören, ohne einen Charakter zu haben. Das war vormals Ermenonville.

Jetzt hat ein frisches und lachendes Thal die Stelle einer einförmigen Ebene eingenommen; der ausgetrocknete Sumpf ist in eine treffliche und angenehme Wiese verwandelt; ein breiter Fluß hat die stinkenden Kanäle verdrängt, und sein lebhaftes, immer von den Winden bewegtes Wasser, erhält sich rein und klar. Die meisten Gegenstände, die diese Aussicht verschönerten, erwarteten bloß die Wegräumung einiger Pflanzungen, die sie versteckten oder von einander trennten. Die weggeschlagenen Bäume entdeckten eine herrliche Gegend, die in einer Entfernung von zwey Stunden von einem Berge begränzt wird, worauf sich ein Dorf erhebt, und wor-

————

*) Ein Theil der ersten Anlage ist in der Theorie des Jardins (8. Paris. 1776) S. 240–261 angezeigt.

 

261über noch der alte und halb verfallene Thurm von Mont-Epiloy hoch emporragt. Diese schöne Zufälligkeit, die den Hintergrund des Gemäldes macht, erscheint, wegen der Entfernung, immer in dem bläulichen und dunstmäßigen Farbenton, der auf eine so sanfte Art den Himmel mit dem Horizont verbindet.

Die Wegräumung der verschließenden Mauern läßt jetzt die Verlängerung des Thals auf der Mittagsseite übersehen. Der Fluß, der auf eben dieser Seite entspringt, bewässert und durchstreicht einen Rasen, in der Gegend, wo vorher der Küchengarten lag. Der Rasen vereinigt sich zur Rechten mit dem Walde, und verliert sich in eine Gruppe schöner Bäume, die von einem jähen Abhang herabhangen; zur Linken endigt er sich an dem Fluß.

Dieser Fluß mit seinen mannichfaltigen Wendungen, die Wasserfälle, die er macht, der See, die geschmackvollen Pflanzungen, die Gebüsche und Gruppen auf kleinen Hügeln, die so fein gebildeten Aussichten, so viele ländliche und malerische Scenen verschönern jetzt eine Gegend, die vormals nichts als eine sumpfigte und scheußliche Wüste war, und doch nach dem Vorurtheil der Zeit den Namen eines Gartens führte.

In diesem vortrefflichen Park, der Spaziergänge für viele Stunden enthält, ist das Grabmal des Rousseau einer der merkwürdigsten Gegenstände. Eine Veränderung des Denkmals *) verdient hier noch eine Erwähnung. Das erste war bloß bis zur Vollendung des jetzigen von Stein hingesetzt. Nun ist es ein Sarcophag, wobey die Urne weggelassen ist, ein Meisterstück des Geschmacks unter Erfindungen dieser Classe. Man sieht auf diesem Denkmal am Fuß eines Palmbaums, der ein Sinnbild der Fruchtbarkeit ist, eine Frau sitzen, die mit der einen Hand ihren saugenden Knaben, und mit der andern Rousseau’s Emil hält. Hinter ihr erscheinen Mütter, die Blumen und Früchte auf einem Altar opfern, der vor einer Statue der Natur errichtet ist; auf der andern Seite steckt einer ihres Knaben Windeln, Binden und Schnürbrüste, die Fesseln des ersten Alters, in Brand, unterdessen daß die andern mit einem auf einer Stange aufgesteckten Hut, dem Zeichen der Freyheit, herumtanzen und spielen. Auf der Seite dieses Basrelief erblickt man an dem einen der beyden Pfeiler die Figur der Harmonie mit einer Leyer, worauf sie Töne bildet, und auf dem andern die Beredtsamkeit mit einer Flöte und einem Blitz, den Sinnnbildern ihrer sanften Ueberredung sowohl, als ihrer bezwingenden Stärke. In dem Giebel mitten über dem halb erhobenen Werke befindet sich ein Kranz, worinn man den Denkspruch des Rousseau lieset:

————

*) S. die Abbildung des ersten Denkmals im 2ten B. S. 59.

 

262 Vitam impendere vero.

Auf der entgegengesetzten Seite steht diese Grabschrift:

Ici repose l’ homme de la vertu et de la verite.

Und an den Pfeilern, die den erstern gegenüber stehen, erblickt man die Natur vorgestellt, als eine Mutter, die zwey Kinder säugt, und die Wahrheit, als ein nacktes Frauenzimmer mit einer Fackel. In dem Giebel jener Seite sterben zwey Tauben unter rauchenden Fackeln, die an dem Fuß der Urne der Julie hingeworfen sind. Auf den beyden Eckseiten des Grabmals sieht man Thränenkrüge. Alles ist in diesem edlen Monument Wahrheit und Uebereinstimmung, zur Erregung sympathetischer Trauer.

 

 

Außer diesem Denkmal enthält Ermenonville noch verschiedene andere schön angelegte Scenen, wohin nämlich der Baumgarten von Clarens, die Wildniß, Arcadien und der Thurm der Gabriele gehören. Der Baumgarten ist ganz nach der Beschreibung in der neuen Heloise. Er enthält zugleich den Tempel der Philosophie, der Rousseaus Grabmal gegenüber steht. Er ist noch nicht ausgebauet, eine feine Anspielung auf die Wissenschaft. In dem Innern des Gebäudes findet man diese Inschrift:

263 Hoc templum inchoatum
Philosophiae nondum perfectae
Michaeli Montagne
Qui omnia dixit
Sacrum esto.

Auf den Säulen stehen die Namen Newton, Descartes, Voltaire, Penn, Montesquiu, J. J. Rousseau, mit der Frage:

Quis hoc perficiet?

Ueber dem Eingange steht die Aufschrift:

Rerum cognoscere causas.

Die Wildniß ahmt des St. Preux Aufenthalt zu Meillerie nach. Auf dem Gipfel eines hohen Felsens steht eine kleine Hütte; und an seinem Fuß verbreitet sich ein schöner See; in die Felsen sieht man hin und wieder die Namen von St. Preux und von seiner Geliebten, und einige Stellen aus der neuen Heloise eingegraben. In Arcadien erblickt man eine Pyramide mit vier Inschriften, die Theocrit, Virgil, Thomson und Geßnern gewidmet sind. Geßners Inschrift ist deutsch, und eben so wahr, als einfach:

Er hat gemalt, was er gesagt hat.

Der Thurm der Gabriele ist ganz im alten Geschmack. Eine kleine Windeltreppe führt zu verschiedenen Cabinetten. Von seiner Höhe, wo Fahne und Leuchte stehen, genießt man eine vortreffliche Aussicht. Am Fuß des Thurms sind aus den Waffen eines Ritters, der aus Gram über den Tod Heinrichs IV. starb, Trophäen errichtet. Noch liest man an dem Thurm die Inschrift:

En cette tour droit de péage
La belle Gabriele avoit.
C’est de tout temps, qu’ un Francois doit
A la beauté foi et hommage.

Die Spaziergänge in diesem Garten, der noch manche andre feine Verschönerungen enthält, sind nicht bloß für das Auge, sondern auch für das Ohr reizend. Denn der Herr von Gerardin unterhält eine Anzahl von geschickten Tonkünstlern, die nicht bloß in dem Hause die besten Stücke aufführen, sondern auch bald in den Wäldern, bald an den Ufern der Gewässer, bald auf dem Wasser selbst einzeln oder vereint sich hören lassen. Nirgends findet man das Ungezwungene im Umgange, 264 die Freyheit in der Lebensart und die Einfalt in den Sitten so wohl als in der Kleidung mehr, als in der glücklichen und liebenswürdigen Familie des Hrn. Marquis von Gerardin. Hier mußte der eigensinnige Philosoph bald seinen Ekel an der Welt vergessen, und nicht allein Ruhe und Zufriedenheit in der schönen Natur wieder finden, sondern sich auch in dem Umgange solcher edlen Personen mit der Menschheit aussöhnen.

3.

Bey einem so reinen Muster der verschönerten Natur, als Ermenonville darstellt, und bey so manchen schönen Gärten, die sich in der Gegend von Paris vermehren, muß man sich über die mancherley Verirrungen des Geschmacks wundern, die jetzt in so vielen andern neuen Anlagen sichtbar werden. Anstatt der nicht ganz unschicklichen Einfassung der Rasen mit Blumen, besetzt man die grünen Flächen mit Blumenkörben von seltsamen Formen; man verschließt noch die Schäfte der Bäume in viereckigte grüne Gitter, um den schönen Wuchs des Stamms zu verbergen; man beschneidet noch hin und wieder die wilden Bäume bis an ihren Gipfel, und läßt ihnen kaum so viel Zweige, um zu ihrem Wachsthum den Einfluß der Luft und Blätter zur Beschattung zu gewinnen. Einheimische Kenner sowohl als Fremde spotten darüber; aber noch immer fahren so viele Gärtner fort, die Natur zu verstellen. Bey der blinden Nachahmung des englischen Geschmacks wiederholt man nicht bloß Fehler, man häuft auch neue. Alles, was ein großer Park enthalten kann, soll in den engen Raum von einem Morgen Landes zusammengedrängt werden. Alles, was Asien an verschiedenen Bauarten zeigt, soll auf einem Fleck von einigen hundert Schritten nachgeahmt werden. Chinesische Misgeburten und Kiosken, die zu den Ungeheuern der neuen schwelgerischen Baukunst gehören, verdrängen die reine Einfalt der griechischen Architectur. Die Kunst der Gruppirung der Bäume auf grünen Flächen scheint noch wenig bekannt; sie stehen meist einsam, getrennt, ohne Verbindung und Beziehung, wie die Figuren auf manchen bis auf uns erhaltenen Gemälden des Alterthums. Die Bosquets sind meistens in einer gezirkelten und tändelnden Manier; oft genug noch symmetrisch angelegt, ohne die edle Freyheit der Natur, wodurch sie ihren Reiz gewinnen müssen. Und die Zwischenplätze sind zuweilen in seltsame Formen vertheilt, und z. B. wie ein Spiegel oder wie ein Papillon gebildet. Von solchen kleinen Spielwerken scheint sich der Geist der Gärtner noch nicht entwöhnen zu können. Mit Kunstwerken aller Art, besonders vermischten Gebäuden, Ruinen, Brücken, werden nicht selten die neuen Gärten überladen, und man scheint ganz den Werth des Einfachen und Natürlichen zu verkennen. Auch in den Verzierungen der Kunstwerke selbst ist man zu265weilen eben so unüberlegt, als verschwenderisch. So belastet man die Spitze eines kleinen Pavillons der Diana mit der kolossalischen Statue der Göttinn und zwey Hunden; so erscheint Mercur mit einem sich bäumenden Pferde auf dem Dache eines Orangeriehauses; so sind die Außenseiten eines Taubenhauses, das die Form eines Pavillons hat, mit Sensen, Harken, Gießkannen, Korngarben und Körben verziert. Alle diese Bemerkungen sind von wirklich vorhandenen Anlagen und Verzierungen abgezogen.

Es giebt in der That einen merkwürdigen Unterschied zwischen den Gärten von zwey berühmten Nationen, die in dem Erwerb ihrer Größe und ihres Ruhms so eifrige Nebenbuhlerinnen sind. Die Gärten der Franzosen sind noch zu sehr von der Hand der Kunst geschmückt, sie unterdrücken die Natur durch ihre pünktliche Geschäftigkeit, sie zu verschönern; die Gärten der Engländer sind nicht selten gar zu vernachläßigt. In England arbeitet man mehr für sich. In Frankreich sucht man nicht etwa angenehme Unterhaltung des Auges oder Bequemlichkeit, sondern vielmehr Befriedigung seiner Eitelkeit, die so oft das Vermögen verschlingt. Der Engländer sucht auf dem Lande das Vergnügen des Landes. Dem Franzosen folgt gleichsam die Stadt aufs Land nach. Der Engländer ist Gärtner und Landwirth auf seinen Gütern. Der Franzose ist selten mehr, als Decorateur. Temple beschnitt selbst seine Fruchtbäume; Pope arbeitete selbst in seinem Garten, wie die großen Männer des Alterthums. Fast alle Engländer lieben die Gartenkunst und die ökonomische Gärtnerey; und selbst bis auf die Gärten des Landmanns hat alles eine Anordnung, die ihren Wohlstand beweiset. Es giebt noch mehr Gesichtspunkte, woraus sich die Vergleichung fortsetzen läßt. Der Franzose will in Bewunderung, in Ueberraschung setzen; der Engländer mit einer Menge von Ideen und Empfindungen unterhalten. Der Franzose rechnet auf Verhältnisse, der Engländer auf Scenen und Gemälde. Dieser sucht die Mannichfaltigkeit der Natur, jener die Erfindungskraft der Kunst; dieser die Landschaft, jener den Besitzer zu zeigen. England hat mehr wilde, romantische, stark charakterisirte Gegenden, bedeckt mit Gehölzen, mit Bergen, mit Felsen, voll Quellen und Flüsse; Frankreich hat weniger malerische Landschaften, viel Ebenen, die keine reiche Mannichfaltigkeit von Scenen, die bloß Anlagen der angenehmen Gattung verstatten, aber auch mit mancher Schwierigkeit. Daher Gärten der Ebenen, die immer von einer gewissen Monotonie begleitet sind. Alle künstliche Verbesserungen einer solchen Lage sind mit großen Kosten verknüpft.

Ueberhaupt aber kommt auch hier der unterscheidende Nationalcharakter in Betrachtung. Wilde Felsen, brausende Wasserfälle, zerstörte Brücken, dunkle 266 Höhlen, Hütten über Abgründen, Trauerdenkmäler, alles, was die Einbildungskraft heftig bewegt oder durchschüttert, was eine tiefe Melancholie erregt; sodann außerordentliche Situationen, überraschende Uebergänge und starke Contraste – alles dieß ergötzt den ernsten und zum Erhabenen gestimmten Britten in seinen weiten Parks, wie in seinen Romanen und in seinen Gedichten. Allein der Charakter dieser Gegenstände und Scenen stimmt gar nicht mit den gewöhnlichen Ideen oder mit dem Nationalgeschmack der Franzosen überein. Dieser sucht nichts lieber, als angenehme Situationen und sanfte Wirkungen; geht immer auf Verzierungen alles dessen aus, was er unter Händen hat. Aber es sind leichte und schimmernde Verzierungen. Große Parks machen ihm Langeweile; er will auf jeden Augenblick unterhalten, auf jeden Schritt befriedigt seyn. Er kann keine weitläuftigen Spaziergänge ertragen. Er muß Gärten haben, die er bald umfossen kann, heitere Gärten, die seinem Auge immer zulächeln, immer seine rege Einbildungskraft mit reizenden Bildern erfrischen.

4.

Außer den schon angeführten Gartenprospecten der Franzosen *) können noch zu dieser Klasse gerechnet werden.

Jardins et Fontaines p. Israel de Silvestre. Paris 1661. 8. Acht Stücke. Ein älteres gutes Werk aus dem damaligen Zeitalter. Dieser Künstler zeichnete alle Aussichten von Paris und den umliegenden Oertern, und ätzte sie nachher in Kupfer. Auf Befehl des Hofes mußte er auch alle königl. Schlösser und Paläste in Kupfer bringen.

Description de la Grotte de Versailles. Paris. fol. 1676.

Palais et Jardins Royaux gravés par Perelle. fol.

Versailles immortalisé avec fig. fol. Paris 1726.

Description des Chateaux, Bourg et Foret de Fontainebleau par l’ Abbé Gilbert. 8. Paris 1731.

Zu den neuern Kupferstichen gehören

Description generale et particuliere de la Frante, die in vielen Heften Abbildungen von Gegenden, Schlössern und Gärten enthält.

Detail des nouveaux Jardins à la mode, eine Sammlung von verschiedenen Heften, die zu Paris bey Rouge herauskommen, worinn sich Risse von den meisten neuen Gärten befinden.

————

*) S. 1sten B. S. 36. Von dem angeführten Werk des Sim. Thomassin ist auch in Haag 1728 eine Ausgabe erschienen.

 

267 Unter den besondern Abbildungen neuer französischer Gärten ist vorzüglich merkwürdig: Jardin de Monceau près de Paris, appartenant à S. A. S. M. le Duc de Chartres. Paris. fol. 1779. Weder die Vorrede oder kurze Beschreibung des Gartens, noch die in diesen achtzehn großen Kupferstichen vorgestellten so sehr überhäuften Anlagen können ganz die Gerechtigkeit einer ausführlichen Kritik aushalten, obgleich einzelne Stellen viel Schönheit haben, die aber doch immer wieder unter dem verschwenderischen Pomp der Verzierungen leidet. Die Erfindungen und Zeichnungen sind von M. de Carmontelle.

Den schon angeführten Architecturwerken können noch beygefügt werden:

Recueil Elémentaire d’ Architecture etc. composé par M. de Neufforge, Architecte. fol. Paris. 1757–68. 8 Vol. mit 2 Vol. Supplem. Verschiedene symmetrische Gartenanlagen im alten steifen Geschmack werden hier noch als Muster vorgezeichnet, wie man bey Architecturlehrern gewöhnlich sieht. Allein die Gebäude, besonders für Gärten, und die Landhäuser und Lustschlösser sind in einem guten Stil. Einige Tempel und Pavillons haben ein zu schwerfälliges Ansehen, und sind mit Verzierungen etwas überladen; die Grotten sind gegen die Natur voll Pomp der Baukunst. Neufforge unterscheidet sich von den Architecten seiner Nation durch einen Reichthum von Erfindungen.

Architecture moderne par M. Jombert. 4. 2 Vol. Paris. 1764. enthält einige gute Entwürfe zu Landhäusern, die größtentheils im Geschmack der Blondelschen, aber doch simpler sind. Es ist merkwürdig, daß die Landhäuser der berühmtesten französischen Architecturlehrer, z. B. des Blondel, Briseux und Jombert, fast alle in einer Manier angegeben sind, und nichts von der reichen Mannichfaltigkeit der italiänischen und englischen Baumeister haben.

Die merkwürdigste Erscheinung in der neuern Gartenlitteratur der Franzosen ist das Lehrgedicht des Hrn. Delille; Les Jardins, ou l’ art d’ embellir les Paysages. Poëme. 8. Paris. 4me Edit. 1782. Es verdient unter den Lehrgedichten der Gartenkunst unstreitig den ersten Rang. *) Vielleicht findet man die Einbildungskraft des Dichters weniger glühend, seine Bilder weniger erhaben, ihre Zusammensetzungen weniger kühn, die Farben seiner Gemälde weniger glänzend, als bey Mason. **) Aber gewiß ist seine Phantasie reich und blühend, sein Geschmack fein, durch Beobachtung der Natur und das Studium der besten Muster gebildet. Man sieht

————

*) 1ster B. S. 132–133.

**) 1ster B. S. 128.

 

268 bey ihm mehr Plan und Anordnung, mehr Absicht zu unterrichten, und einen solchen Reichthum von vortrefflichen, aus der Natur ausgehobenen Regeln, wodurch er Mason hinter sich zurückläßt. *)

Außer einer zu Zabern, sieben Stunden von Strasburg, angefangenen Anlage in der englischen Manier, sind die Gärten im Elsaß in Rücksicht auf den Geschmack von keiner Bedeutung. Sie sind fast allein edlen Fruchtbäumen und Reben gewidmet, weniger dem Gemüse, das auch hier im freyen Felde gezogen wird. Dennoch haben diese Gärten ein angenehmes und fröhliches Ansehen, wegen der vielen Weinreben und der kleinen artigen Sommerhäuser, die sich in ihrer Mitte erheben. Sie liegen zuweilen gedrängt neben einander, und beleben eine ganze Strecke der Landschaft in der Nachbarschaft der Städte. So fand ich die Gärten um Strasburg, Colmar und in andern Gegenden des Elsasses.

Strasburg hat keine reich geschmückten Gärten, wie man bey einer so großen Stadt vermuthen sollte. Man trifft hier indessen verschiedene öffentliche Spaziergänge an sowohl auf dem Wall als auch die sogenannte Ruprechtsau und die Contades. Sie sind angenehm genug in der Nähe einer volkreichen Stadt, haben aber nichts, das sie besonders auszeichnete. Man sieht in den Spaziergängen um diese Hauptstadt sehr häufig die schöne italiänische Pappel.

————

*) S. meinen Gartenkalender auf 1784. (wodurch dieses schöne Lehrgedicht mehr bekannt gemacht ist) S. 12–15. 139–187.

 

269 IV.
Niederlande.

Der Charakter der niederländischen Gärten ist bekannt, und davon bereits Erwähnung geschehen. *) Es ist demnach hier nur noch ein kurzes Verzeichniß der vornehmsten Prospecte von den Gegenden nachzuliefern, die durch Schlösser, Landsitze, Meyereyen, Dörfer und Gärten sich am meisten auszeichnen.

Ein allgemeines Werk für die sieben vereinigten Provinzen stellt zwar nur Prospecte im Kleinen dar, ist aber ungemein sauder, und 1745 – 1754 in 5 Bänden in kl. Fol. von Tirion zu Amsterdam unter diesem Titel herausgegeben: Het verheerlykt Nederland of Kabinet van hedendaagsche Gezichten van Steden, Dorpen, Sloten, adelyke Landhuisen.

La triomphante riviere de Vecht. Hundert Blätter, die eine Menge Prospecte von den vornehmsten Landhäusern an der Vecht vorstellen, herausgegeben von Hendrik de Leeth in Amsterdam.

Differentes vues de la Hollande d’ après Pronk, Spilmann, de Beyer, Schouten etc. 48 Bl. von Haan gezeichnet und von Spilmann gestochen.

1) L’ Arcadie Hollandoise on l’ Amstel représentant les maisons de Plaisance etc. 100 Bl. 2) Les plus belles vues de Rynland. 100 Bl. 3) Miroir des delices d’ Amsterdam vers les villages d’ Amsterdam, Sloten et de la Chaussée. 50 Bl. 4) La Hollande en tout son éclat demontrée par 30 vues commençant d’ Amsterdam jusq’ à Harlem et Spaarnedam. 30 Bl. Alle diese verschiedenen Sammlungen sind von Rademaker 1730 und in den folgenden Jahren gezeichnet und gestochen, und in Amsterdam herausgekommen.

Verschiedene Aussichten von niederländischen Landschaften, Dörfern, Landhäusern, Meyereyen hat Le Bas nach Tenier, van Dalens u. a. herausgegeben.

Noch verdient hier ein älteres Werk eines Landschafters aus Antwerpen, der zugleich gut in Kupfer ätzte, und 1570 starb, eine Erwähnung, zumal da es überaus selten geworden ist. Es besteht aus 53 Blättern, und führt den Titel: Praediorum, villarum et rusticarum casularum icones elegantissimae ad vivum in aere deformatae. 1561. 4. Hieron. Cock excud.

————

*) S. 1sten B. S. 50–53.

 

270 V.
England, Schottland, und Irland.
1.

Von den Parks der Britten ist schon so oft in diesem Werke geredet, die schönsten davon sind entweder vollständig oder nach einzelnen Scenen so häufig beschrieben, so manche Landhäuser abgebildet und die vornehmsten Schriften, *) die hieher gehören, angezeigt, daß von dieser Seite nichts mehr hinzuzufügen übrig scheint. Indessen wird es den Gartenfreunden angenehm seyn, hier noch ein kleines Verzeichniß der merkwürdigsten einzelnen Kupferstiche von englischen Parks, in so fern sie in dieser Theorie noch nicht angeführt sind, zu sehen, nachdem verschiedene Sammlungen davon, die sich bey den Beschreibungen befinden, bereits hin und wieder angezeigt sind. Ein solches Verzeichniß läßt sich nicht nach der Zeitfolge geben, worinn die Kupferstiche nach und nach herausgekommen sind, indem auf den wenigsten das Jahr bemerkt ist. Eben so wenig macht es Anspruch auf Vollständigkeit, weil viele Blätter dieser Classe bloß in die Hände der Parkbesitzer und ihrer Freunde kommen und daher auswärts nicht bekannt werden; auch die Künstler noch immer jährlich neue Prospecte nachliefern. Von manchen Landsitzen, besonders den ältern oder berühmten, hat man jetzt schon zuweilen drey bis vier Abbildungen. Bloße Landschaften, auch wenn sie merkwürdige Naturscenen vorstellen, Abteyen und alte Schlösser, wovon manche schöne Kupferstiche ausgegangen, sind aus dieser Anzeige ausgeschlossen.

————

*) Zu den Architecturwerken sind noch zu rechnen des Inigo Jones Desings of Plans and Elevations for public and private buildings. 2 B. fol. 1727. Select Architecture etc. by Robert Morris, Surveyor. 4. London, 1755. enthält verschiedene Plane und Aufrisse von Landhäusern, Gartensitzen und Landgebäuden, von einer gesunden Architectur, aber bekannter und sich eben nicht auszeichnender Form. Zu S. 83. im 3ten Bande dieses Werks gehört noch: Rural Architecture in the Chinese Taste, being Desings Entirely New, for the Decoration of Gardens, Parks, Forrests, Insides of Houses etc. by William and John Halfpenny, Architects. 3te Edition. 8. London 1755. mit 64 Kupferplatten. Von Masons English Garden ist 1779 das 3te und 1781 das 4te Buch zu London herausgekommen. Auch ist die gute deutsche Uebersetzung dieses Lehrgedichts vollendet. Reisende haben an Volkmanns Reisen durch England, (8. 4 Bände) ein vortreffliches Handbuch und eine Anleitung zur Besuchung der vornehmsten Landsitze und Parks.

 

271 Six views in the Royal Garden at Kew.

Six views in Windsor’s Castle in Drawings Manner, by Sandby.

A general view of the House and Gardens of Chatsworth in Derbyshire, a beautiful seat of the Duke of Devonshire, by Sayer.

Two views of Chatworth and Haddon engraved by Mr. Vivares.

1) A South-West view of Chatsworth etc.

2) A North-West view of Haddon etc. An ancient seat belonging to the Duke of Rutland.

Four views of Parks. Engraved by Vivares and Mason.

1) A view of the new Water Works etc. at Belton in Lincolushire, belonging to Lord Viscount Tyrtonnel.

2) A view in Hagley Park, belonging to Sir Thomas Littleton, Baronet.

3) A view in Newstead Park, belonging to Lord Byron.

4) A view in Exton Park, belonging to the Earl of Gainsborough.

Four views etc. engraved by Vivares.

1) A view of Dunnington etc. belong. to the Earl of Huntington.

2) A view of Hopping etc. belong. to the Duke of Devonshire.

3) A view of Foremark, the Seat of Sir Robert Burdel, Baronet.

4) A view in Lyme Park, the property of Peter Legh, Esqr.

Six beautiful views of the Duke of Argyle’s Seat at Whitton, and Sir Francis Dashwood’s Seat at West-Wycombe, in the County of Buks; engraved by Woollet.

1) A view of the House and Port of the Gardens of de Duke of Argyle.

2) A view of de Canal and of the Gothic Tower in the Garden of the Duke of Argyle.

3) A view of the House and Port of the Gardens of Sir Francis Dashwood, Bar.

4) A view of the Cascade etc. in the Garden of Sir F. D.

5) A view of the Lake etc. in the Garden of Sir F. D.

6) A view of the Walton-Bridge, Venus Temple etc. in the Garden of Sir F. D.

272 Six views of Gentlemen’s Seats, drawn and engraved by M. Woollet.

1) A view of the Garden etc. of Carlton House in Pall-Mall.

2) A view of Foots-Cray Place in Kent, the seat of Bourchier Cleeve, Esq.

3) A view of the Great Room etc. at Hall Barn in Bukinghamshire, a seat of Edmund Waller, Esq.

4) A view of Port of the Garden at Hall-Barn etc.

5) A view of Comb Bank in Kent, the seat of the General Campbell.

6) A view of the Garden of Ch. Hamilton, at Painshill in Surry.

Six views of Gentlemen’s seats, drawn ond engraved by Sulivan,

1) A view of Wooburn in Surry, the seat of Phil. Southeske, Esq.

2) A view of Oatlands in Surry, the seat of the Earl of Lincoln.

3) A view of Cliffden in Bukinghamshire, the seat of the Earl of Inchiquin.

4) A view of Esher in Surry, the seat of H. Pelham, Esq.

5) A view of Wilton in Wiltshire, the seat of the Earl of Pembroke.

6) A view of Dichtley in Oxfordshire, the seat of the Earl of Lichtfield.

Four views of Dunnigton Cliff, by Vivares.

Four views of Blenheim, the seat of the Duke of Marlborough.

Four views of Gentlemen’s seats:

1) Hawarden-Castle and Park in Flintshire, the seat of Sir John Glynne, Bar.

2) The West-Prospect of Erthig in Denbigshire, the seat of Simon York, Esqu.

3) The East-Prospect of Rushton in Northhamptonshire, the seat of Lord Viscount Cullen.

4) The South-Prospect of Hater-Thorpe, the seat of Mich. Newton Esq.

A view of Pontefract Castle in Yorkshire.

A view of Akworth Park in Yorkshire.

Six Castles in Wales:

1) Castle of Chester. 2) und 3) Caernarvon-Castle. 4) Conway-Castle. 5) Rhuddland-Castle. 6) Denbigh-Castle.

273 Six views in Nord and South Wales, worunter sich auch einige Schlösser befinden, von Byrne, Mason, Elliot u. a. gestochen.

A view of the noble House and Port of the Garden of Castle Howard in Yorkshire, the seat of the Earl of Carlisle.

Five views of Mount Edgcumbe, the seat of Lord Edgcumbe.

A view of Saltwood-Castle at Hythe in Kent.

Six views in the Gardens of Hamilton at Painshill in Surry, by Woollet.

Two views of the Earl of Westmoreland’s villa, with port of the Park.

Two views of Hall-Barn in Bukinghamshire, by Woollet.

View from one Free-hill in Greenwich Park, by Wood.

Lumley Castle in the County of Durham, the seat of Lord Scarborough.

Aus des Jean Boydells Recneil de 100 Vues d’ Angleterre et du Pais de Galles sind besonders zu merken: N. 19. Vue du Chateau de Mylord Duncannon. 28) Sion. 66) Beeston. 67) Elisabeth dans l’Isle de Jersey. 68) Carisbrook dans l’Isle Wight. 88) Rushton, und verschiedene andere Landsitze, wovon hier schon einzelne Blätter angezeigt sind.

Eine Folge von Blättern, die vom Jahr 1781 ist, enthält:

1) Vue de Wanstead dans le Comté d’ Essex.

2) Une autre vue du Palais de Mylord Fulney, proche de Wanstead.

3) Vue de la Maison du Maitre de la Venaison dans le Park et une partie de la ville de Greenwik.

4) Vue du Chateau du Chev. Turner dans le Comté de Kent.

5) Vue du Palais de l’ Archeveque de Canterbury à Lambeth dans le Comté de Surry.

6) Vue de la Ville de Mylord Mansfield à Kenwood dans le Comté de Middlessex.

Livre de differentes vues de Ferme d’ Angleterre *) par Pillemont et Leviez.

————

*) Die vorzüglichsten Originale von Kupferstichen dieser Classe findet man bey dem Abschnitt von der Meyerey angezeigt. –

 

274 Welche Folge von herrlichen Prospecten würden nicht noch besonders die Ufer der Themse von London bis Richmond anbieten, die mit dem schönsten Gemisch von Dörfern, Gärten und Landhäusern des Adels und andrer Einwohner der Hauptstadt auf beyden Seiten so sehr angebauet sind, als vielleicht keine Ufer irgend eines andern Flusses in unserm Weltheil! Großbritannien hat von der Natur so viele Abwechselungen empfangen, daß es für seine Landsitze Lagen von allen Charakteren und ihren Mischungen besitzt, wozu bald die schönen Wälder, Fluren, Getreidefelder, Wiesen und Hügel, bald die Gebirge, die Felsen, die Gestade des Meeres, bald die Flüsse, Ströme, Wasserfälle und Tiefen, bald die Ruinen von alten Schlössern und Abteyen so mächtig beytragen. Hier sey es uns noch erlaubt, aus einer neuen und vortrefflichen Sammlung *) einige Vorstellungen von Landhäusern von einem reizenden, einem sanftmelancholischen, einem romantischen und einem feyerlichen Charakter mitzutheilen, die das sichtbar aufklären und bestätigen, was von dem Eigenthümlichen dieser verschiedenen Gegenden und Lagen gesagt ist. **)

a.
Nuneham.
Landhaus in einer reizenden Lage.

Dieser heitre Landsitz des Grafen Harcourt befindet sich zu Nuneham in Oxfordshire, sechs englische Meilen von der Stadt Oxford, und drey von Abingdon. Die Lage des Hauses ist überaus glücklich gewählt; es steht auf einem allmählich von der Themse aufsteigenden Hügel. Der schöne Rasen, der abhängige Wald, der angenehme Fluß, die grünenden Wiesen umher und der ganze Park, der mit Geschmack angelegt ist, bilden zusammen eins der reizendsten Gemälde, das sich die Einbildungskraft schaffen kann. Und vielleicht giebt es in England kein Landhaus, das so schöne und fein ausgewählte Prospecte hat, als Nuneham. Von der einen Seite zeigt sich Oxford in der Aussicht; von der andern die Stadt Abingdon, mit der schönen Themse. Die Aussichten sind fast ohne Gränzen und bis zum Erstaunen vervielfältigt; sie breiten sich weit über Oxfordshire aus, und beherrschen die blauen Berge von Berkshire, das fruchtbare

————

*) A collection of 150 select view in England, Wales. Scotland and Ireland. Drawn by P. Sandby. 2 Vol. 1782. London.

**) S. 4ten B. S. 38–138.

 

275 Thal von Whitehorse und alle wohl angebauete Ländereyen dieser Landschaft bis an die Hügel von Farringdon.

 

 

b.
Kilcairn oder Kilchurn.
Landhaus in einer melancholischen Lage.

Dieses Gebäude, das zwischen Bergen auf einer Insel beym Anfang des Landsees Lochaw in Schottland liegt, ward ehemals von den Vorfahren des Lord Breadalbane bewohnt. Jetzt ist schon der Thurm verfallen. Das öde Ansehen dieses alten Schlosses, seine Lage zwischen hohen meist kahlen und felsigten Bergen, die den Bezirk des Sees umher mit ihren schwarzen Schatten verdüstern, seine Aus276sicht auf einige einsame Inseln und auf die Ruinen eines Klosters – alles dieses hilft hier den Charakter des Melancholischen vollenden.

 

 

c.
Strath-Tay.
Landhaus in einer romantischen Lage.

Das Landhaus von Menzies, das dem Ritter Robert Menzies gehört, liegt überaus romantisch auf der mitternächtlichen Seite von Strathe-Tay in Schottland. Die Wälder, die sich so kühn aufthürmen, und die grauen Felsen, die zwischen ihnen hängen, machen einen sehr interessanten Contrast gegen das reizende Thal, worinn sich der Fluß zwischen schönen Baumgruppen umherwindet. Auf einer Höhe erblickt man die Ueberbleibsel einer Einsiedeley, die auf zwey Seiten von Felsmassen und auf den beyden übrigen von Mauerwerk gebildet war, und vor einigen Jahrhunderten dem Haupt einer Familie, der aus Ekel die Welt und in ihr 277 seine Güter verließ, zum Aufenthalt diente. In dem Thal gränzen schöne Spaziergänge an tiefe und dicke Gehölze; und ihre Dunkelheit erheitert eine Menge lieblicher Wasserfälle, die von den nackten Felsen herabspielen. Indessen tobt zuweilen, neben einem friedfertigen in seinem heitern Grün lächelnden Grasplatz, ein wilder Wassersturz in der Tiefe.

 

 

d.
Alnwick.
Landhaus in einer feyerlichen Lage.

Dieses Schloß liegt bey Alnwick, der Hauptstadt in Northumberland, und ist ein gewöhnlicher Aufenthalt des berühmten Hauses Percy oder der Grafen von Northumberland. Der kühne gothische Stil, worinn es erbauet ist, stimmt vortrefflich mit seiner heroischen Lage in der Höhe einer bergigten, mehr wilden, als angebaueten Gegend, überein; tief unter ihm wälzt sich der Fluß Aln vorbey, über 278 welchen eine starke Brücke, ebenfalls von gothischer Architectur, führt; eine andre, bloß auf Einem Bogen gewölbt, ist weiter unten über den Strom geschlagen. Die Lage, die das Ansehen dieses Gebäudes so trefflich hebt, machte es ehemals zu einer unbezwinglichen Festung. Seine Geschichte steigt in längst verflossene Jahrhunderte zurück, in die Jahrhunderte der wilden Kampfsucht und der rohen Tapferkeit; es hat mehr als einen Helden in seinen Mauern beschützt, mehr als einen Kampf um sich her wüten, mehr als eine Nation eindringen und wieder verjagen gesehen. Diese Zurückerinnerung verstärkt nicht wenig den großen Eindruck, den gleich der Anblick seiner Lage und seines feyerlichen Ansehens erregt. Und da das Inwendige ganz in dem starken und rohen Stil der gothischen Befestigung, den das äußere Gepräge zeigt, eingerichtet ist, und die neuern Verbesserungen und Verzierungen alle mit vielem Geschmack und vieler Beurtheilung in der Manier der alten Jahrhunderte ausgeführt sind; so gehört dieses Gebäude unstreitig zu den vollkommensten Werken dieser Art, nicht bloß in England, sondern auch überhaupt in Europa.

 

 

279 2.

Seit einiger Zeit beginnen die Vornehmen in Schottland, mit einer nützlichen Nacheiferung nicht allein Landhäuser in einem bessern Stil, als ihre alten Schlösser zeigen, sondern auch neue Pflanzungen anzulegen. Diese Unternehmungen verdienen nach dem, was bereits über Schottland *) bemerkt ist, hier noch einige Anzeige.

In der Landschaft Berwik zu Lees hat der Baronet Pringle einen Landsitz, den er nicht nur mit vielem Geschmack angelegt, sondern auch mit vielen landwirthschaftlichen Verbesserungen zum Muster für die ganze Nachbarschaft umgeben hat. Die Vorderseite des Gebäudes hat vier corinthische Pfeiler, und in den Flügeln sind die Küchen und Wohnungen der Bedienten angebracht. Gegen die Nordwinde ist es durch die angelegten Pflanzungen gesichert, und auf der Südseite hat man den schönen Prospect einer großen Brücke und der Tweed. Am westlichen Ende des Wiesengrundes, der hin und wieder kleine Gebüsche hat, steht ein offener jonischer Tempel, von dem man ebenfalls eine reizende Aussicht über die Tweed und die umliegenden Gegenden genießt.

In East-Lothian ist Broxmuth, der angenehme Landsitz des Herzogs Roxbourgh, merkwürdig. Das Gebäude liegt in einem weitläuftigen Parke, der gegen die See zu außerordentlich angepflanzt ist. In eben dieser Landschaft hat sich der Marquis von Tweedale zu Yester durch ungemein weitläuftige Pflanzungen von schottischen Kiefern, die vielen andern Edelleuten ein Beyspiel einer wichtigen Verbesserung gegeben, verdient gemacht. Das Landhaus ist schön und ansehnlich. Ein kleiner schneller Fluß läuft bey dem Hause vorbey, und macht durch sein Geräusch in dem Park, der weitläuftig ist, die Scenen sehr ländlich und angenehm. Die Ställe, die Wagenscheuer, das Hünerhaus und andre Gebäude liegen in einiger Entfernung vom Wohnhause im Park, welches bey allen vornehmen Landhäusern in Schottland üblich ist.

Eine der ersten Merkwürdigkeiten in der Landschaft West-Lothian ist Hopetonhouse, der Landsitz des Grafen von Hopeton. Das Haus steht auf einer reizenden Ebene am Ufer des Flusses. Es war anfänglich ein freystehendes viereckigtes Gebäude; vor einiger Zeit aber hat man Seitengebäude hinzugefügt, und sie mit dem mittlern durch Colonnaden verbunden, die dem Ganzen ein prächtiges Ansehen geben. Die Vorderseite hat korinthische Säulen. Man hat aus ihr die schönsten Prospecte von Land und Meer, und eine Strecke von 40 (engl.) Meilen

————

*) 1ster B. S. 70–71. 4ter B. S. 110–111. 118–120.

 

280 von Stirling bis nach der Baß-Insel vor sich. Auf der andern Seite sieht man Fifeshire und mehr als 20 kleine Städte und alte verfallene Schlösser. Die Scene wird durch die beständig auf und nieder segelnden Schiffe belebt. Die innern Verzierungen des Hauses sind mit Geschmack gemacht.

Der Garten zu Alloa oder Alloway in Perthshire gehört den Grafen von Marr, die hier ihren Landsitz haben, und ist einer der schönsten und größten in Schottland. Der Garten von Kinroß stößt an das Ufer des Sees. Das Haus, das dem Baronet Hope Bruce gehört, ist ein schönes und regelmäßiges Gebäude, das William Bruce, der schottische Vitruv, zu Carls II. Zeit auf seine Kosten gebauet; es ist von feinem weißen Stein, die Arbeit zeigt Geschmack und das Ganze ist schön. Er legte zugleich viel Waldung an, und sein Enkel, der jetzige Besitzer, hat sie noch vermehrt. Der Landsitz des Herzogs von Athol liegt an der Tay, mit einem angenehmen Garten. Aus verschiedenen Gängen giebt er sehr malerische Aussichten der wilden finstern Natur. In seinem Bezirk liegen die Ruinen der vormaligen prächtigen Kathedralkirche, deren Thor noch zum Gottesdienst gebraucht wird. Jenseit des Flusses ist ein angenehmer Gang am Ufer der Bren, eines reißenden Stroms voll kleiner Steine. An seinem Ende steht auf einem Felsen ein artiges Gebäude, das über eine Kluft hängt, wohin sich der Fluß mit großer Heftigkeit von einer Höhe hinabstürzt. Einige Scheiben der Fenster des Saals sind von rothem Glase, und dadurch macht der Wasserfall die Wirkung, als ob Feuer niederfiele.

Auf der Insel Bute haben die Grafen dieses Namens zu Mount-Steward an der Küste ein neues Landhaus. Es beherrscht eine angenehme Aussicht auf einer Höhe im Gehölze, wovon die Bäume hier so gut, als in den südlichen Landschaften Englands, fortkommen.

Viele andre Gegenden von Schottland, z. B. in der Nachbarschaft von Edinburg, von Cramond, die Ufer des Meerbusens von Forth, sind mit einer Menge von schönen Landsitzen des Adels und andrer wohlhabender Einwohner geziert. *)

3.

In Irland trägt die feuchte Luft, so viel Unbequemlichkeit sie hat, doch sehr zur Schönheit der Wiesen und Rasen bey. Das Gras erscheint beständig in dem lebhaftesten Grün, und hat nie das dürre und versengte Ansehen, das es sehr oft in andern Ländern bekömmt.

————

*) Volkmanns neueste Reisen durch Schottland und Irland. (Ein Auszug aus den besten Quellen) 8. Leipzig, 1784.

 

281 Das schönste Landhaus in Irland ist Castletown, dessen Mittelgebäude durch eine Colonnade von neun Säulen auf jeder Seite mit den Flügeln verbunden sind. Es liegt in der Provinz Leinster mitten in einer Ebne, die mit den herrlichsten Pflanzungen umgeben ist; gegen Norden vereinigen sie sich mit einem Walde, worinn viele schlängelnde Gänge zu verschiedenen Sitzen und Cabinetten führen.

Der Sitz des Grafen von Charlemont ist nur zwey Meilen von der Hauptstadt entfernt. In dem Park ist vor wenig Jahren ein Lusthaus in schönem Stil nach der Zeichnung des Architecten Adams aufgeführt, und von Rooker in Kupfer gestochen. Es zeigt eine herrliche Aussicht über die Stadt, die Bay, die See und die umliegende Landschaft.

Die Gegend um den Sitz des Lord Conynghany, Slaine-Castle, ist sehr schön und abwechselnd; sie erhebt sich um das Haus in Hügeln und Ungleichheiten der Oberfläche mit einer Einfassung blühender Baumpflanzungen. Unter dem Landhause fließt die Boyne; auf einer Seite ist Felsenufer, auf der andern Wald. Durch die untern Pflanzungen laufen Wege mit Aussichten auf verschiedene schöne Scenen, die vom Flusse gebildet werden und weit ins Land hineingehen.

Noch sieht man in dieser Provinz Leinster das große Landgut Mount-Kennedy, dem General Cuningham zugehörig. Die Grundstücke um das Wohnhaus sind ungemein schön; man sieht keine Gleichheit, sondern jeder Platz zeigt eine Abwechselung von Berg und Thal. In einigen wilden und romantischen Gegenden dieses Landsitzes sind geschmackvolle Anlagen gemacht. Nicht weit von hier liegt Poverscourt, der Sitz des Lords dieses Namens. Das Haus scheint bey dem Zugange die schönste Lage von der Welt zu haben. Der Park ist vortrefflich.

In der Provinz Ulster bemerkt man des Bischofs von Kilmore Palast auf einem ansehnlichen Hügel mit Gehölze. Von hier fallen die Wälder von Farnham sehr schön in die Augen. Außerdem ist Farnham, der Sitz des Grafen dieses Namens, einer der reizendsten Plätze in Irland, wo Berge, Wälder und Wasser in großer Schönheit erscheinen. Die abwechselnden Prospecte des dazu gehörigen Sees können nicht schöner seyn. Die Wiesen sind wellenförmig, und zeigen sich in mancherley Gestalten. Sie erheben sich oberhalb des Sees, stoßen bald an ihn, und ziehen sich bald davon zurück. *)

————

*) Man sehe ferner 1sten B. S. 71. 4ten B. S. 75–80. 97. 129 u. s. w.

 

282 VI.
Dännemark und Norwegen.

Die Lustschlösser und Gärten des Königs und des königlichen Hauses sowohl, als auch die vornehmsten Landsitze und Parks in Seeland, auf Alsen und im Herzogthum Schleswig, sind bereits beschrieben. *) Manche andre Landsitze zeichnen sich ebenfalls durch das Eigenthümliche dieser Landschaften, durch die trefflichsten Wälder und Wiesen, die ihr herrliches Grün oft spät in den Herbst behalten, und durch die erhabensten Meerprospecte aus. Man verläßt immer mehr die vorige Regelmäßigkeit, und liebt die Natur in der reizenden Wildniß ausgehauener Wälder. Die späte Ankunft des Frühlings wird nicht selten durch die tängere Milde des Herbstes vergütet. Die Wälder voll Wild und die fischreichen Seen und Ufer vermehren nicht bloß den Reichthum, sondern auch die Annehmlichkeit des Landes. Die Obstbaumzucht breitet sich von Jahr zu Jahr aus, und wird durch mehrere große Fruchtbaumschulen, woraus die Gärten und Höfe des Landmanns bepflanzt werden, durch die Freygebigkeit des Königs befördert. Durch Baumschulen ausländischer wilder Bäume und Sträucher würden nicht bloß die Pflanzungen der Lustgärten an Schönheit und Mannichfaltigkeit, sondern auch die Forsten an Erweiterung ihres Nutzens noch viel gewinnen können.

Norwegen hat viele erhabene und romantische Gegenden, die sich hin und wieder dem Charakter der helvetischen Landschaften nähern. In den angebaueten Plätzen liegen manche anmuthige Landsitze. Allein in ihren Gärten herrscht fast überall noch der alte Geschmack der steifen Regetmäßigkeit. Nichts wäre indessen den abwechselnden und interessanten Lagen in Norwegen mehr angemessen, als die englische Manier, oder der freye und natürliche Geschmack. Aber die Strenge des Klima unterdrückt zu oft die Sorgfalt der Cultur, und schränkt die Pflanzungen auf die nothwendigsten Bedürfnisse ein. Selbst die Fruchtbaumzucht kämpft mühsam gegen die Gewaltthätigkeit der Kälte und der Stürme; und die hier unentbehrliche Einfassung der Gartenplätze mit hohen Planken begreift gemeiniglich nur einen kleinen Umfang, worinn Küchengewächse, Blumen und Obstbäume zusammengedrängt sind.

————

*) S. die Anhänge zum 3ten und 4ten B.

 

283 VII.
Schweden.

Schweden hat nicht allein das Erhabene der Meerprospecte, sondern auch das Romantische der Felsen, der Berge, der Wasserfälle und Ströme, die Gegenden von der stärksten Ueberraschung bilden. Der aufgeklärte Schwede ist voll Empfindlichkeit gegen die Schönheiten der Natur; er erweitert gerne seinen Geist durch neue Wissenschaft, und nährt seinen Geschmack durch Reisen. Da er durch den unsterblichen Linné, dessen Verdienste der ersten Tempel und Statuen in den Gärten lange schon werth waren, zur Pflanzenkenntniß in seiner Heimat angeführet ward; so ist er schon mit einem wichtigen Theil der Gartenwissenschaft vertraut. Die schöne Gartenkunst, die sich auswärts durch Muster und Schriften erhob, fesselt seine Neigung, und wird sein Studium. So viele reisende Schweden von Geburt und Wissenschaft ich auf meinen Reisen antraf, oder bey mir zu sehen das Vergnügen hatte; so viele Freunde der schönen Natur und der Gärten habe ich in ihnen zu schätzen gefunden.

Gustav III. veredelt den Glanz seines Throns durch die Liebe der schönen Künste, die Er alle kennt, die Er alle schützt. Sein Haga, das er jetzt schafft, soll ein Denkmal Seines feinen Gartengeschmacks werden, das erste Muster der neuen Kunst in dem Schooß der Nation. Ehe dieses Werk, das sich erst bildet, und dem die Beschreibung nicht zuvoreilen darf, mit allen Schönheiten der Natur und des Geschmacks vollendet hervorgeht, mag den wartenden Kenner das folgende Gemälde von Drottningholm unterhalten.

Drottningholm. *)

Das Lustschloß Drottningholm, der Sommeraufenthalt des Königs und des königlichen Hauses, ist ein prächtiges Gebäude auf einer Insel im Mäler, welches die Königinn Hedwig Eleonora aufführen lassen. Die Lage desselben ist angenehm, zwischen verschiedenen mit Tannen und Fichten bewachsenen Inseln, auf welchen sich etliche Dörfer zeigen. Wenn man zu Lande dahin reiset, ist der Weg von anderthalb schwedischen Meilen sehr bequem, und die Gegend von Landgütern und Wirthshäusern verschönert. Die Ueberfahrt ist alsdann kurz, zwischen den

————

*) Diese Beschreibung verdanke ich der Güte eines aufgeklärten Gartenfreundes, des Hrn. Secretair Linnerhjelm in Stockholm.

 

284 vorbemeldeten Inseln, die mit einigen Bergen abwechseln. Man fährt dem sogenannten Malm vorbey, der aus vielen Häusern für den Hofstaat und etlichen Wirthshäusern besteht, und eine malerische Aussicht darstellt; die Häuser sind von verschiedener Farbe und Bauart, welches unter dem verschiedenen Grün der Bäume und Berge sehr angenehm hervorsticht.

Von dem Schlosse findet man in Dahlbergs Svecia antiqua & hodierna *) eine genaue Abzeichnung, ausgenommen, daß zur linken Seite des Schlosses vier Pavillons aufgeführt sind, von denen zwey für die Herzoge und einer zum Opernhause eingerichtet ist. Die Aussicht des Schlosses ist auf einer Seite, vorne, von oberwähntem Malm und den Inseln begränzt, auf der andern, hinten, ist der alte oder französische Garten, worinn die ersten Anlagen meistentheils beybehalten sind, und der sich mit vielen kleinen Gebäuden, die zusammen Canton genannt werden, endigt. Von da geht zur linken Hand eine gerade Allee durch den Thiergarten nach China, welches ein angenehmer mit Nadelholzung umgebener Ort ist, der mit etlichen zierlichen Häusern im chinesischen Geschmacke von der Königinn Louise Ulrike angeleget worden. Ein jedes dieser Gebäude hat beynahe eine besondere Lage und Verzierung, doch alle sind von einerley Charakter, und geben dem Orte einen Anstand, der für die Bewohner beruhigend ist.

Im Thiergarten findet man oft Schaaren von Hirschen und Rehen, die so zahm sind, daß sie sich ohne großes Getöse oft nicht scheuchen lassen. Weiter geht man durch einen anmuthigen Wald, wo zwey mit Staketten eingeschränkte Plätze, unter den Schatten verschiedener Arten Bäume, kleine Wohnungen für Gevögel enthalten, die eine sehr ruhige Lage haben, bis der Weg sich jählings mit einer freyen Aussicht über den Mäler endigt.

Ein andrer Weg führt durch grüne und von gruppirten Tannen gezierte Felder gerade auf den französischen Garten zu, wodurch man alsdann seitwärts zur Linken hineinkömmt, und gerade gegenüber den englischen Garten antrifft. Dieser ist nur erst in seinem Anfange, und man kann daher nichts vollständiges von ihm sagen. Doch aber, einige Kenntniß seiner Lage zu geben, wollen wir den Spaziergang wieder bey dem Schlosse anfangen. Wenn man von diesem in die Allee des französischen Gartens hinabgeht, steht der Papillon des Herzogs von Südermannland rechter Hand im Winkel des Gartens. Man geht alsdann weiter die Orangerie vorbey und nähert sich einem sehr lieblichen Hayne, wo der englische Garten

————

*) Man findet darinn schwedische Lustschlösser und Gärten abgebildet. Zwey Vorstellungen davon s. im 2ten B. dieser Theorie S. 24 u. 30.

 

285 anfängt, und neben welchem ein schattenreicher Weg fortgeht. Doch wandelt man in der Allee des französischen Gartens fort, bis endlich der Weg in den englischen leitet. Dann öffnet sich ein freyes Feld, das von vielerley Arten Bäume und Gebüsche begränzt wird, und von einem angenehmen sich schlängelnden Flusse schön belebt ist. Der Weg, von Bäumen beschattet, krümmet sich längst dem Ufer des Flusses, und schlängelt sich weiter am Fuße eines ziemlich geräumigen und hohen Hügels, wo sich allmählich ein kleiner Weg unter Gebüschen hinaufwindet. Verschiedene Fußsteige leiten unter diesem Gebüsche, das theils von einheimischen, theils ausländischen Sträuchern bestehet, wieder unvermerkt zum Fluß. Auf besagtem Hügel ist die Aussicht sehr schön. Man übersieht zuerst die vielfarbigen Gebüsche und Gesträuche, die den Hügel umkränzen, ferner die gruppirten Bäume, die hier und da zerstreut stehen, und den Fluß, der sich um den Fuß eines erhabenen, nicht allzuweit entfernten Ortes, wo eine Rotunda oder ein anderer offener Tempel angeordnet ist, windet, hinter diesem fließt und wieder sichtbar wird. Endlich erblickt man den obgedachten Hayn, wo der Fluß einen kleinen See bildet, und wo auf einer Insel ein Lustgebäude unter den Ellern aufgeführet werden soll. Zwischen den Wipfeln dieser Bäume entdeckt man das kupferne Dach des Schlosses, das sich majestätisch erhebt. Auf der andern Seite des gedachten Hügels zeiget sich ein weites bearbeitetes Feld, das sich mit Wiesen und Bergen beschließet. Folget man dem Flusse, dessen Ufer bald höher, bald niedriger, bald schön bewachsen, bald steil sind, so kömmt man über eine Brücke zu dem erwähnten Tempel, der in einer prächtigen Gegend liegt, und eine freye offene Aussicht anbietet. Hier fallen die Krümmungen des Flusses deutlicher ins Auge, und die Brücken, die hie und da gebauet worden. Weiterhin stößt man auf kleine bewachsene Inseln und gelangt zuletzt zum Ellernhayn, der für sich schon eine besonders reizende Anmuth darbietet. Die hier in der stillen See belegenen Inseln sind sehr angenehm, und mit so vielem Geschmacke angelegt, daß man sie beynahe als ein Werk der Natur ansehen möchte. An diesem Hayne gränzt das Opernhaus, welches von einer schönen Bauart ist, und eine uneingeschränkte Lage hat. Bey diesem endigt sich der Garten, und vor dem Hause ist ein freyer Hof, woran die oben genannten Pavillons stoßen.

286 VIII.
Rußland. *)
1.

Der Garten des kaiserlichen Sommerhofs zu St. Petersburg an der großen Newa ist der erste, den Peter, der Große, 1714 nach seinem holländischen Lieblingsgeschmack anlegen ließ. Er ist von einem weiten Umfang, von vorn von dem Newastrom, zur Linken von der aus demselben austretenden Fontanka, und zur Rechten von einem andern ebenfalls von dem Fluß unter dem Namen Moika ausfließenden Kanal begränzt; er ist prächtig durch breite Alleen, hohe Spaliere, viele Wosserbehältnisse, Wasserkünste, Cascaden und Verierwasser, offene Plätze und eine Menge marmorner Statuen von Corradini, Tarsia und andern berühmten italiänischen Bildhauern, nicht weniger ächte marmorne Werke des Alterthums; er hat eine mit vielen fremden Thieren angefüllte Menagerie, verschiedene Lusthäuser, durchwachsene Gitterwerke und einen Park mit vier Abtheilungen, worinn die äsopischen Fabeln auf vergoldetem Bley, als Springbrunnen, angebracht sind, wovon die Erklärung und Moral auf Termen angebracht sind. Zur linken Seite des Eingangs in diesen Garten steht ein mäßiger Palast von Stein, worinn Peter I. mit seiner Gemahlinn und Familie zu wohnen pflegte.

Mit diesem alten Garten verbindet sich, durch die an seinem Ende über den Queerkanal gehende Brücke, noch ein anderer nicht viel kleinerer Garten, den die Kaiserinn Catharina I. durch einen schwedischen Gärtner anlegen ließ; daher er der schwedische Garten genennet ward. Die Kaiserinn Elisabeth hat ihn sehr verbessert. Sie ließ ein neues Palals erbauen, wo sie im Sommer wohnte, und einen prächtigen Pavillon aufführen. Am Palais war vor dem Schlafgemach ein niedlicher hangender Garten angebracht.

Diesem Garten fast gegenüber, jenseits der Fontanka, liegt der dritte Hofgarten, an dem sogenannten italiänischen Palais; daher er auch der italiänische

————

*) Diese neuen und schätzbaren Nachrichten von den Gärten in Rußland sind die Gartenfreunde mit mir der unvergeßlichen Gefälligkeit des kaiserl. wirklichen Staatsrathes, Herrn von Stähelin, schuldig, der durch seinen Charakter eben so ehrwürdig ist, als durch seine ausgebreitete Gelehrsamkeit und Kunstkenntnisse.

 

287 Garten genennet wird. Er erstreckt sich über eine Werst *) weit in die Länge, und enthält anmuthige Laubgänge, wird aber jetzt zu weiter nichts als zur Erziehung von Blumen, Gewächsen und Baumfrüchten aller Art für den kaiserlichen Hof unterhalten.

Zunächst an demselben, ebenfalls an dem Fontanka-Kanal, liegt der gräfliche Scheremetowische Garten, der zwar klein ist, aber in Ansehung seiner hohen schattigten Bosquets, schönen marmornen Statuen, Pavillons, einer Grotte, und eines bewohnbaren Gartenhauses viel Angenehmes hat.

In eben dieser symmetrischen Manier der vorigen Zeit, doch mit vieler Pracht verbunden, sind viele andre Gärten in St. Petersburg; dahin gehören der alte Garten bey dem ehemaligen Palais des Fürsten Menschikow, jetzt adelichen Cadetcorps, der Garten des Grafen Rasumowsky, wovon jedoch ein Theil bereits in dem neuen Geschmack umgebildet ist, und die Gärten an dem Wege nach dem Lustschloß Peterhof, wo man mehr als dreyßig Sommersitze vornehmer Privatpersonen erblickt, auf der schlüsselburgischen Landstraße bey dem Kloster zum heil. Alexander Newsky, vorzüglich aber an der obern Newa die fürstlichen Weasomskische und Neplujewische Gärten. Das letzte Landgut, das an dem äußersten Ende des Newastroms liegt, hat eine überaus reizende Lage, und ist kürzlich von der jetzigen Monarchinn gekauft, die diesen Ort nach ihrem feinen Geschmack zu einem schönen Sommeraufenthalt einrichten wird.

Der größte und prächtigste, wiewohl nach der alten regulairen Manier von Peter, dem Großen, angelegte Lustgarten ist unstreitig der bey dem Lustschloß Peterhof, 30 Werste von St. Petersburg, der gewöhnlichen Sommerresidenz des kaiserlichen Hofes. Dieser Garten kann wohl mit Recht das russische Versailles in Ansehung seiner kostbaren und mancherley Gebäude, Wasserkünste, Cascaden, marmornen Bilder, des Parks, der Wildbahnen genennet werden; ja er besitzt in Betracht verschiedener Umstände noch viele Vorzüge vor Ludwigs XIV Prachtgarten. Schon seine herrliche Lage entscheidet zu seinem Vortheil. Das Schloß, die Hofstaatsgebäude und der Obergarten liegen etliche 40 Fuß hoch über die Meeresfläche; der untere Garten aber, der auf drey Werste lang ist, an der See, die ihn von der Nordwestseite begränzt. Die Aussicht ist überaus groß und reizend. Sie streicht über den Untergarten hin auf die See; zur Linken, einige Werste weit, erscheint die Stadt, die Festung und der Hafen von Kronstadt,

————

*) 1 Werst – 500 Faden. 1 Faden – 7 engl. Fuß. 7 Werste – 1 gemeine deutsche Meile.

 

288 gerade aus über das mit Schiffen belebte Wasser die Provinz Karelien, zur Rechten der Galeerenhafen mit einem Theil der Stadt St. Petersburg, deren vergoldete Thürme glänzend in die Augen fallen. Alle Springbrunnen, Teiche u. s. w. sind mit einem reinen trinkbaren Quellwasser angefüllt. Der Park reizt durch die daran stoßenden Wildbahnen, durch die ihn gegen Südost, Süden und Südwest umgebenden Wälder mit Durchschnitten und weiten Aussichten, durch die dazwischen liegende Wiesen und Weiden, abwechselnde Anhöhen, Abhänge und Thäler. Die innern Verzierungen des Gartens zeigen den Pomp, den Ueberfluß und die Kostbarkeit des vorigen Geschmacks. Das Ganze bildet den Seefahrenden eine überaus prächtige, das Auge blendende Aussicht vor. Die Pflanzungen des Gartens bestehen in Wäldchen von Birken, Ellern und Ahorn, die in die Länge und Breite mit vielen Alleen durchschnitten und mit Ruheplätzen, Gitterkabinetten und Lusthäusern, unter abwechselnden Aussichten und Spaziergängen, verbunden sind. Die längste von diesen vielen Alleen erstreckt sich über tausend Faden; von ihrer Mitte aus geht sie gegen Westen nach dem Lustpalais Marly, auf der andern Seite gegen Osten nach einem andern Lustgebäude, Monplaisir, am Seestrande. *)

2.

Der bessere Geschmack der russischen Gärten erhob sich erst unter der glücklichen Regierung der jetzigen Kaiserinn Catharina II. Auch er war eine von den unzähligen edlen und großen Verbesserungen oder vielmehr neuen Schöpfungen dieser erhabenen Prinzessinn. Ihr feines Gefühl für jede Gattung von Schönheit, Ihre vertrauliche Bekanntschaft mit allen edlen Künsten, mußte Sie bald für den Reiz der Gartenmuse einnehmen, die, als Tochter der Natur, ungeschminkt und tein, voll liebenswürdiger Einfalt, sich der Monarchinn der Herzen näherte. Schon als Großfürstinn machte diese Prinzessinn, die auch zur Verfeinerung des Geschmäcks und der schönen Künste in Ihren weitläuftigen Reichen bestimmt war, zu Oranienbaum einen Versuch, in einer Ihrem Palais gegenüber gelegenen waldigten Gegend eine englische Anlage mit einer Feinheit und Empfindung auszubilden, die für die Gartenkunst die schönsten Tage in der Zukunft ankündigte. Als regierende

————

*) Die Aussichten der kaiserlichen Lustschlösser Peterhof, Sarskoe-Selo und Oranienbaum sind perspectivisch nach der Anweisung des Hrn. Staatsraths von Stähelin aufgenommen, und schon unter der Kaiserinn Elisabeth auf drey doppelten Platten und zwey einzelnen in Regalform gestochen, die Grundrisse aber nicht, auch nicht die Plane der Gärten. Auch in 16mo hat Hr. von Stähelin diese Aussichten einst bey einem russischen Hofkalender sehr niedlich nachstechen lassen.

 

289 Monarchinn legte Sie darauf bey dem Winterpalais zu St. Petersburg einen Wintergarten mit einer zauberischen Kunst an. Sie ließ nämlich einen langen Hortus pensilis, zwischen zwey ganz neu angelegten Gallerien der kostbarsten Gemälde aus allen Hauptschulen der Kunst, und am Ende detselben die meist mit Cabinetsstücken angefüllte Eremitage, daneben aber an den jetzt erwähnten Garten einen besondern Wintergarten aufführen, worinn den Winter über nicht nur grünende und blühende Bäume und Gesträucher, Blumengruppen und ein Springbrunnen, sondern auch allerley einheimische und ausländische Vögel angetroffen werden, die da hecken, herumfliegen und singen. Sie entwarf demnächst den Plan zu einem sehr großen Garten im edlen Geschmack, bey Ihrem schon durch seine schöne und hohe Lage reizenden Lieblingsschloß Sarskoe-Selo, einem Garten, der eine deutsche Meile im Umfang hält, dessen Einrichtung gleich im zweyten Jahr nach Ihrer Krönung angefangen ward, und bisher mit einem erstaunlichen Aufwand noch immer fortgesetzet wird. Dieser prächtige Garten mit den schönsten Aussichten, Pflanzungen, Wäldern, Lustgebüschen, Seen, Inseln, Bächen, Wasserfällen, Vergen und Thälern, mit so mancherley Arten von marmornen und andern steinernen Gebäuden, mit den herrlichen Monumenten großer Siege, Triumphbogen, Pyramiden, Obelisken zur Erinnerung denkwürdiger Begebenheiten der Nation, mit den trefflichen Brücken, Pavillons, Gallerien und Tempeln, mit so vielen abwechselnden und reizenden Scenen der Natur und der Kunst, die sich fast auf den ganzen Horizont rings um das Lustschloß verbreiten, aus dessen oberm Stockwerk man nicht allein die weitesten Gefilde von der Newa durchströmt, sondern auch die drey Meilen entfernte Residenz St. Petersburg übersieht – wird ein unvergängliches Denkmal von dem feinen Geschmack der Monarchinn bleiben, und, wenn einst alles vollendet ist, ohne Zweifel durch eine würdige Beschreibung zu seinem Ruhm den Ausländern bekannter werden. *) Sie ließ zur Ausführung dieser Anlage, die an Kostbarkeit und Geschmack vielleicht einst alle Werke dieser Art in Europa übertreffen wird, verständige Männer nach England reisen und daher kommen. Und nicht lange darauf ward auch bey dem neuen kaiserlichen Palais zu Moscau ein großer Garten im reinen Geschmack angesangen, an dessen Einrichtung bereits einige Jahre hindurch beständig gearbeitet wird.

————

*) Man hat davon bis jetzt nur einen etwas seltnen Grundriß, den die kaiserliche Akademie der Wissenschaften 1778 heraus gegeben hat; die Erklärung ist ganz kurz und in russischer Sprache beygefügt.

 

290 Dieses vortreffliche Beyspiel der Kaiserinn fiengen bald die Großen des Reichs an nachzuahmen. Zuerst folgten die beyden Herren Grafen Tschernischef, die den feinsten Geschmack mit einander gemein haben, der jetzige Feldmarschall und General-Gouverneur von Moscau, Hr. Graf Sachar Grigoriewitsch, und der Cabinetsminister und Vicepräsident des Admiralitätskollegiums, Hr. Graf von Grigoriewitsch, welche die bey ihren Palästen zu St. Petersburg in der alten Manier vorgefundenen Gärten in englische verbesserten. Darauf erschienen die glücklichen Veränderungen, die der Feldmarschall Hr. Graf Rasumoffsky in seinem, dem vormaligen Löwenwoldischen, Garten ausführen ließ.

Um diese Zeit wurden verschiedene geschickte englische Gärtner nach Rußland verschrieben. Der Fürst Orlov ließ durch sie einen ungemein schönen Garten auf seinem Landgute Gatschina, drey Meilen von Sarskoe-Selo, anlegen.

In einer Entfernung von fünf Wersten von diesem kaiserlichen Lustschloß wählten sich der Großfürst und die Großfürstinn eine wilde, mit vielen natürlichen Abwechselungen bereicherte, Gegend zu einem Landhause, das Sie nach Ihrer so beglückenden Liebe zu den sanften und stillen Reizen der Natur und nach Ihrem geschmackvollen Entwurf bauen, und mit anmuthigen Anpflanzungen und Anlagen umgeben ließen. Seit etlichen Jahren ist dieser angenehme Ort, der von dem Großfürsten den Namen Pawlofska führt, ungemein angebauet, und weil der Prinz und seine Gemahlinn die unter den Großen noch seltene Kunst verstehen, hier in der Rühe des glücklichen Landlebens Sich Selbst zu genießen, so nimmt auch der Garten jährlich an Verschönerungen seiner Lage, an Erweiterung reizender Aussichten, an neuen Gebäuden und Auszierungen mit seltenen Werken zu.

Zu den neuesten englischen Gärten in St. Petersburg gehört noch der fürstl. Scherbatowische am Nieder-Moika-Kanal, den der großbritannische bevollmächtigte Minister, Chevalier Harris, nebst dem Hause seit verschiedenen Jahren zur Miethe besitzt; er ließ darinn die alten Alleen, Bogengänge, Grotten, u. s. w. ausreißen, und dagegen eine schöne durch viele Abwechselungen reizende Anpflanzung nach seiner eigenen Anordnung ausführen.

Auch ist zu den verbesserten Anlagen der aus einem Lustwald mit stehenden, fließenden und springenden Wassern umgeschaffene neue englische Garten bey dem Landhause des Hrn. Reichsvicekanzlers, Grafen von Ostermann, zehn Werste von St. Perersburg, am peterhofischen Weg, zu rechnen.

Noch ist der Garten des Hrn. Staatsraths von Demidof zu Moscau besonders merkwürdig, wegen der vielen vortrefflichen und zum Theil seltenen Gewächse, 291 die da unterhalten werden, und deren Anzahl nach einem vor einigen Jahren herausgegebenen Verzeichniß *) auf 2200 stieg.

Moscau, das in einem um fünf Grade südlichern und daher mehr gartenmäßigen Himmelsstrich liegt, als St. Petersburg, hat in seinen schönen Gegenden schon manche Gärten, die in dem neuern Geschmack angeordnet sind. Dahin gehört der Garten bey dem ehemaligen sogenannten Annahof, oder dem jetzt ganz neu erbaueten kaiserlichen Palais, das zunächst an der deutschen Vorstadt auf einer Höhe liegt, von welcher man gegen Osten, Norden und Westen die erstaunlich große Stadt, die den ganzen Horizont einnimmt, übersehen kann. Dieser Garten, der von der Kaiserinn Anna angelegt ward, ist der oben schon bemerkte, den die jetzige Monarchinn im verbesserten Geschmack umschaffen ließ. Er ist den Einwohnern von Moscau zu öffentlichen Spaziergängen eröffnet.

Etwa zwey Meilen von hier besitzt der vormalige Oberkammerherr, Hr. Graf von Scheremettof eines seiner anmuthigsten Landgüter, Koskowa genannt, das von Zeit zu Zeit ungemein verschönert ist. Das Landhaus liegt mit seinen Flügeln in der Mitte eines Gartens, der mit mancherley Arten von Gebäuden, Pflanzungen und Gewässer bereichert ist, und im Genuß reizendabwechselnder Aussichten. **)

Auch verdient hier der von dem Feldmarschall und Generalgouverneur Hrn. Grafen von Tschernischeff selbst angelegte Landsitz, Jeropolitz, neunzig Werste von Moscau, bemerkt zu werden. Dieser Herr, der mit Geist, Geschmack und unermüdeter Thätigkeit ganze Länder zu verbessern und zu verschönern versteht, hat den ersten Eintritt in den Hof neben dem Lustschloß durch acht auslaufende Perspectivaussichten so anzuordnen gewußt, daß sie die ganze Gegend und die darinn vertheilten Häuser und Höfe des Dorfs in der Ferne, so wie die ökonomischen Gebäude in der Nähe, so vor Augen stellen, daß alles zusammen einem einzigen großen, fast unübersehlichen Garten mit lauter abwechselnden Prospecten, gleicht. Die sinnreiche Anlage dieses musterhaften Lustsitzes, der einem schönen englischen Garten gleich sieht, wäre wohl werth, durch eben so gute Kupferstiche, als man schon Zeichnungen davon hat, bekannter gemacht zu werden.

————

*) Enumeratio plantarum, quæ in horto viri ill. Dom. Procopii a Demidof, Consiliarii Status actualis, Moscuæ vigent; recensente P. S. Pallas. 8. St. Petersburg 1781. Das Verzeichniß zählt die Gewächse unter den linneischen Namen und der russischen Uebersetzung derselben auf; der Vorbericht enthält eine Beschreibung des Gartens, nebst einem Grundriß.

**) Sie sind von dem russischen Perspectivzeichner, Makajeff, aufgenommen und zu Paris auf 12 Platten gestochen.

 

292 Zu diesen Nachrichten verdient noch die hinzugefügt zu werden, die ein berühmter Reisender *) von Baba giebt. So heißt ein kleines holländisches Dorf, das der Hr. Oberschenk von Narischkin ganz neu erbauen lassen, und zu welchem gegenüber ein englischer Garten gehört, dem selbst in England wenige an Anmuth gleichen. Er besteht aus verschiedenen Inseln, die, vermittelst wohlgebauter Fähren und Brücken, mit einander verbunden sind. Von jenen sind die meisten Zugfähren, auf welchen man sich mit Stricken selbst hinüber ziehen kann; wer länger auf dem Wasser fahren will, findet Kähne und Schiffer zu seiner Bedienung; auch sind da Anstalten zum Fischen. Hin und wieder trifft man Kegelbahnen, Schaukeln und andre Spiele, besonders eine Menge artiger, großer und kleiner Lusthäuser an; in einem von diesen findet man sogar, wie in einem Kaffeehause, allerley Zeitungen zu lesen, in einem andern eine Camera obscura für die, welche sich mit Zeichnen belustigen wollen. Die Alleen, die Rasenplätze, die Hügel, die kleinen Spaziergänge sind mit Geschmack angelegt; das Grün ist lebhaft; und das Ganze mit marmornen und andern Statuen und Brustbildern ausgeziert. Dieser Garten steht den Sommer hindurch zweymal in der Woche dem ganzen Publicum offen: es werden allerley Erfrischungen umsonst einem jeden gereicht, und an verschiedenen Stellen läßt sich Musik hören. Findet sich eine Gesellschaft, die zum Tanzen Luft hat, so steht es ihr frey. Man kann die gastfreye Sorgfalt und Höflichkeit des Besitzers, womit er und seine Gemahlinn die Ankommenden begrüßen, zuweilen aureden und zur Fröhlichkeit ausmuntern, nicht genug rühmen. Die Kaiserinn besucht oft diesen reizenden und in seiner Art einzigen Ort; und an den freyen Tagen findet sich der hohe Adel hier zahlreich ein. Der Hr. Oberjägermeister von Narischkin, ein Bruder des vorigen, besitzt ebenfalls eine Anlage in gleichem Geschmack unter dem Namen von Haha.

————

*) Hr. Akademicus Bernoulli in Berlin in dem 4ten B. seiner Reisen durch Brandenburg, Pommern, Preußen, Curland, Rußland und Pohlen. 8. Leipzig, 1780.

 

293 IX.
Pohlen. *)
1.

Es fehlt Warschau, so wie vielen großen Städten, an hinlänglichen Spaziergängen für das Publicum, und wir haben davon eigentlich nur zwey, die diesen Namen verdienen. Der erste und vorzüglichste ist der churfürstl. sächsische Garten auf der Cracauer Vorstadt. Dieser ist den hiesigen Einwohnern das, was den Parisern die Tuillerien sind, und bestehet aus einem langen, breiten, mit Linden, wilden Kastanienbäumen, hohen Hecken und schlechten Bildsäulen besetzten Parterre, an dessen Ende sich ein offener mit korinthischen Säulen und Pilastern verzierter Salon befindet, welcher von den vorigen sächsischen Königen bestimmt war, um auf solchem einen Wasserhalter zu den im Garten anzulegenden Springbrunnen zu errichten, jetzt aber zum Verkauf von Erfrischungen dienet. Hinter diesem Gebäude sind noch schattigte Spaziergänge, und auf beyden Seiten des Parterre Frucht- und Küchengärten mit einigen unerheblichen Gebäuden. Der mittlere Theil dieses Gartens ist jedermann offen, so wie der Durchgang durch ihn zur Bequemlichkeit des Publicums erlaubt ist. Unter dem vorigen König war das Parterre mit Blumenstücken und Orangerie verziert, jetzt sind bloße Rasenplätze an ihrer Stelle, und sowohl die Gänge als Hecken werden nothdürftig unterhalten, da der Hof nicht mehr darauf zu verwenden für gut findet, auch aus eben der Ursache der in ziemlich gutem Geschmack erbauete Salon seinem Untergange nahe ist. Das an diesen Garten stoßende Palais ist ein weitläuftiges Gebäude von weniger Erheblichkeit für den Geschmack. Der davor gelegene Hof ist der schönste und geräumlichste dieser Stadt, so wie überhaupt die ganze Lage dieser Besitzung schön ist und zu einer königlichen Wohnung alle erforderlichen Eigenschaften hat.

————

*) Hr. D. von Geret, Senator der freyen und unmittelbaren Stadt Thorn und derselben vormaliger Resident zu Warschau, ein feiner Gelehrter und Freund der Gelehrten, hat die Gefälligkeit gehabt, mir diese noch bisher ganz unbekannten Nachrichten von den Gärten in Pohlen, von einem Architecten, der mit seiner Wissenschaft einen seltenen Gartengeschmack und andre Kunstkenntnisse vereinigt, dem Churfürstl. Sächsischen Hofbaumeister, Hrn. Zugk in Warschau, zu verschaffen, und diese Nachrichten hie und da mit einigen Anmerkungen zu vermehren.

 

294 Der zweyte öffentliche Spaziergang ist im Kraszinskischen, jetzt der Republik gehörigen Garten auf der Heustraße. Seine Anlage ist neuer, und ohngefähr in eben dem Geschmack wie der sächsische, nur hat er weniger Umfang und Schatten. Das daran stoßende Palais ist eine schöne Masse von Gebäuden von ziemlich guten Verhältnissen, und ist nach dem vorjährigen Brande wieder völlig hergestellet worden. Alle Reichskollegien, der immerwährende Rath ausgenommen, haben hier ihren Sitz, und es hat ein diesem Endzweck entsprechendes Ansehen, das Ehrfurcht erregt, nur Schade, daß der Eingang des ziemlich geräumigen Hofes nicht auf das Hauptgebäude, sondern auf einen langen unbedeutenden Flügel trifft.

Der königliche Thiergarten bey Ujasdow, der von dem Fürsten Caspar Lubomirski herrührt, liegt zwar auch noch innerhalb des neu aufgeworfenen Grabens, der die Vorstadt einschließt, aber am äußersten Ende derselben eine halbe Stunde von der Stadt gegen Mittag, und kann daher nicht eigentlich zu den Spaziergängen der Stadt gerechnet werden, ob er gleich zu allen Zeiten jedermann offen stehet, und häufig besuchet wird, auch selbst wenn er in den Sommermonaten von dem König bewohnt wird. Er bestand im Anfang der jetzigen Regierung aus einem sumpfigten Erlengehölze mit einigen verfallenen Kanälen und Wasserstücken, bey deren einem ein Gebäude im grotesken Geschmack angelegt war, in welchem sich einige Zimmer und ein Bad mit Stuccaturarbeit und Muschelwerk verziert befand, von welchen auch dieser Ort noch bis jetzt das Bad genennet wird. Alles dieses war unter der letzten Regierung, die solches von dem Fürsten Lubomirski auf einige Zeit erhalten hatte, während welcher kein anderer Gebrauch davon gemacht wurde, als daß Thiere darinn gehalten und ein königl. Jagdbedienter einen öffentlichen Schank daselbst hielt, ziemlich eingegangen und verwildert. Unter der jetzigen Regierung aber, die solches vom Fürsten Lubomirski käuflich an sich gebracht, hat man keine Kosten gesparet, diesen Ort zu verschönern, und die durch das stehende Wasser verursachte schlechte Luft zu verbessern. Zu dem Ende sind alle alte halb abgestorbene Erlen ausgerottet, und an deren Stelle alle mögliche Arten Laub- und Nadelhölzer in Klumpen und Alleen mit gutem Erfolg angepflanzt worden. Man hat allerhand wilde Spaziergänge und neue Wasserstücke angelegt, die bisher sumpfigten Gegenden und Gänge erhöht und neue Aussichten auf allerhand interessante Gegenstände, als Willanow, Mokatow, Czerniakow, durchgehauen, das alte Badgebäude verbessert und für den König wohnbar gemacht, verschiedene neue artige Gebäude für die königl. Familie und Hofstatt angelegt, auch diesen Sommer dem Bade eine neue Vorderseite von Sandsteinen mit freystehenden korinthischen Säulen 295 gegeben, womit vermuthlich an den übrigen Seiten fortgefahren werden soll. Besonders verwendet man große Summen, um dem Hauptübel, der schlechten Luft, durch Herbeyleitung frischen Wassers in die stehenden Kanäle, abzuhelfen, welches aber noch zur Zeit nicht gelingen wollen. Demohngeachtet läßt man nicht ab, neue Versuche damit zu machen, und ist eben jetzt damit beschäftigt zu untersuchen, ob ein zwey Meilen von hier bey Jeziorne in die Weichsel gehender Bach nicht abzustechen und herzuleiten sey. Gelingt dieses, so kann dieser Ort ein angenehmer und gesunder Aufenthalt werden, da er von der Abendseite von einer großen Anhöhe, von Mitternacht durch die Stadt gedeckt ist, und gegen Morgen und Mittag schöne Aussichten nach der Weichsel und in fruchtbare und bewohnte Ebenen hat. Und es würde zu dessen Vervollkommnung weiter nichts fehlen, als daß man auf der gegen Abend liegenden Anhöhe, ohnweit Belvedere, anstatt des jetzt daselbst befindlichen alten Gebäudes und des königlichen Hofmalers Bacciarelli Garten, eine neue königliche Sommerwohnung erbauete; welcher Ort eine reizende und unbegränzte Aussicht von verschiedenen Seiten, unter sich den Thiergarten, in einer Entfernung die Weichsel und hinter sich eine breite mit alten Linden besetzte und auf beyden Seiten mit Fruchtgärten eingefaßte vierfache Allee hat, die bis an die gepflasterte Straße der Vorstadt, die Neuewelt genannt, führet. Ein Theil des Gehölzes ist verzäunt, und dient, verschiedenes Wildpret und fremdes Geflügel daselbst zu verwahren.

Der Garten des Fürsten Casimir Poniatowski, ältesten Bruders des Königs, auf der Neuenwelt gelegen, ist ein unvollendetes Werk, welches vor sieben Jahren angelegt wurde, in welchem aber einige ganz artige Partien fertig anzutreffen sind. Dahin gehören eine Grotte mit verschiedenen Behältnissen in Felsen gehauen, mit einem Wasserfalle am Fuße eines Berges, der mit allerhand Bäumen und Strauchwerk wild verwachsen ist. Einer der innern Gänge, der durch einige Oeffnungen nothdürftig von oben Licht bekommt, führt nach verschiedenen Krümmungen an eine Thür, die bey ihrer Eröffnung einen nicht erwarteten Anblick von einem unterirdischen von oben hinlänglich erleuchteten Saal gewähret, dessen Wände und zur Unterstützung von vier großen Nischen mit Sitzen dienende Säulen von Gipsmarmor, eine artig mit Vertiefungen gezierte Kupel tragen, die sich oben mit einer Oeffnung endet. An den Wänden sind acht Büsten römischer Kaiser auf Kragsteinen angebracht und über den Thüren Basreliefs. Vor dieser Grotte, die von Stuk ziemlich glücklich nachgeahmt ist, befindet sich ein großes Wasserstück mit einer Insel, worauf ein chinesisches Lusthaus stehet, und die mit dem Ufer durch eine bäurische Brücke zusammenhängt, und dicht mit Bäumen besetzt ist. Auf einer 296 andern Seite kommt man an einen Hohlweg, an dessen Eingange ein altes bäurisches Wirthshaus stehet, in welchem ebenfalls einige artige Zimmer befindlich sind. Am Ende dieses Weges siehet man einen auf einer Höhe stehenden runden Tempel auf freystehenden ionischen Säulen aus den ihn umgebenden Bäumen hervorragen. Dieser Tempel stehet auf einem Felsen, der von Talgsteinen aufgeführt ist; in seiner Mitte befindet sich ein Altar, und die Aussicht aus ihm ist herrlich. Unter ihm ist noch ein artiges Cabinet, und unter diesem eine Grotte in ganz verschiedenem Geschmack von jener, mit einem Springbrunnen. Das Ganze macht in gehöriger Entfernung ein angenehmes Gemälde, und hängt mit einem angepflanzten Birkenwäldchen zusammen, in dessen Schatten man bis an das Orangehaus kommen kann. Auf der Anhöhe stehet auch noch ein türkischer Thurm oder Minaret mit einer gewundenen Treppe, die auf den Gipfel führt, und ohnweit davon ein kleines Gebäude in eben dem Geschmack, das zur Küche dient, und aus welchem unter der Erde Gänge bis in den erwähnten unterirdischen Salon führen. Am Fuße des Berges, auf welchem dieser Thurm stehet, befindet sich auch noch eine kleine Meyerey. Alle diese Gebände sollten durch ein großes entworfenes Wohngebäude, wozu bereits die Sandsteine angefahren waren, erst ihre gehörige Verbindung erhalten; da aber die Ausführung unterblieb, so verlieren sie ihren Zusammenhang, und sind bloß abgesonderte Stücke, über deren Daseyn man sich billig wundern muß. Unterdessen geben die dasigen Anpflanzungen, die sehr gut zugenommen haben und unterhalten werden, einen angenehmen Spaziergang für das Publicum. Von hier übersieht man die ganze Vorstadt, Solec oder Schuletz genannt, und in einiger Entfernung die daselbst befindliche Anlage eben dieses Fürsten, welche aber anjetzt der Großkanzler von Litthauen, Fürst Sapieha, besitzet. Dieser Garten und das Gebäude, die vor ohngefähr zwölf Jahren angelegt wurden, waren die ersten in ihrer Art hier in Warschau, und bestehen aus Bruchstücken der damals hier bekannt gewordenen englischen Gärten. Und obgleich der Ort sehr tief liegt, auch den großen Ueberschwemmungen der Weichsel ausgesetzt ist, so sind doch verschiedene artige Partien daselbst, z. B. eine gothische Kirche am Ende eines grünen Platzes, der mit Lustgebüschen von Bäumen und verschiedenen Bauerhütten besetzt ist, die innerlich artige Zimmer in gutem Geschmack verziert enthalten. Ferner ein ansehnliches Wasserstück, wobey eine alte Mühle und Ruinen ein malerisches Bild darstellen. In den Ruinen selbst wird man von etlichen reich verzierten kleinen Sälen überrascht. In dem auf der andern Seite mit ihnen zusammenhängenden Wohngebäude ist ein schönes Bad, und einige große Zimmer und Säle in gutem Geschmack mit Stukarbeit und Malereyen ver297ziert. *) Ein den Ruinen gegenüber am Wasser sich erhebender Berg, der mit Wein bepflanzt ist, unterbricht das Ganza, welches man sonst mit einem male übersehen würde; nur ist der Berg zu geradelinigt angelegt. Bey dem vorigen Besitzer war hier eine starke Treiberey und bey 5000 Ananas in den 200 Ellen langen hierzu erbauten Häusern anzutreffen. Der erste Berg, von welchem wir dieses alles in einer Entfernung sehen, wird durch eine in einem Hohlwege fortgehende Straße von einem andern etwas höhern abgesondert, auf welchem der Fürst Poniatowski anjetzt wohnt, und solchen auch mit Pflanzungen und verschiedeneu Gebäuden besetzt hat. Sein jetziges Wohngebäude war zu einem öffentlichen Wirthshaus angelegt, das ihm die Aussicht jenes Berges, wo er anfänglich wohnen wollte, beleben sollte; und als es beynahe fertig war, entschloß er sich, selbst darinn zu wohnen. Es wurde also, so gut es seyn konnte, ohne das Ganze zu verändern, zu dem Behuf eingerichtet, und mit den nöthigen Nebengebäuden versehen, auch eine große Reitbahn angelegt, die innerlich auf Kalk, wie ein Wald, ausgemalt ist. Noch vor zwey Jahren erbauete er daselbst ein Gebäude mit zwey Sälen und ein großes Ananashaus. Auf alle diese hier übersehene Anlagen hat dieser lebhafte Herr in einer Zeit von zwölf Jahren bey zweyhunderttausend Dukaten verbauet.

Zwischen dem Berge, wo jetzt der Fürst wohnt, und dem eben beschriebenen Kjasdower Schlosse hat der Sohn dieses Herrn, der jetzige Großschatzmeister von Litthauen, Fürst Stanislaus Poniatowski, auf eben dem sich in einigen Krümmungen fortziehenden Berge vor fünf Jahren einen Garten und Wohngebäude angelegt. Der Garten ist eine Mischung von Regelmäßigem und Wildem, und hilft im Ganzen zur Verschönerung der hier befchriebenen Höhe, die vorher mit nichts als Ziegelscheunen, Leimgruben und Abgründen bedeckt war. Die Treibereyen in diesem Garten sind die ansehnlichsten dieser Stadt.

Der von der verstorbenen Gräfinn von Brühl, Gemahlinn des sächsischen Ministers, auf der Neuenwelt angelegte Garten ist in dem damaligen herrschenden Geschmack geradelinigt, hat aber schöne schattigte Gänge; jetzt besitzt ihn ebenfalls der obgedachte Fürst Großkanzler Sapieha. Wegen seiner schönen Lage und Größe könnte er einen trefflichen Spaziergang für das Publicum abgeben, allein er ist verschlossen, weil er viele Fruchtbäume enthält, und der Besitzer Nutzen davon ziehen will.

————

*) Von diesem Theile des Gartens hat man ein 1775 herausgekommenes radiertes Blatt.

 

298 Der von dem verstorbenen Baron Riaucourt auf der Meth- oder Capucinergasse augelegte Garten, jetzt der Borchsche, ist in eben dem Geschmack, dient aber dermalen zu einem öffentlichen Lustort; er ist neu und umher mit Häusern umgeben, und hat artige Partien und ein großes Gewächshaus.

Kleinere Gärten findet man verschiedene bey den Palästen der Großen und bey den Häusern wohlhabender Privatleute; sie bestehen größtentheils aus schattenreichen Bäumen und Rasenstücken mit Orangerie und Blumen besetzt. So sind die, welche sich bey den Czartoryskischen, Branickischen, Oginskischen, Potockischen und andern Palästen auch Häusern befinden.

An dem gegen Mitternacht dicht an dem neuaufgeworfenen Graben gelegenen Theile der Neustadt, Javory genannt, findet man noch einige artige Anlagen, worunter sich besonders die vom Kron-Großschatzmeister Fürst Poninski, Sansgene genannt, ausnimmt. In dem daselbst befindlichen mit vielem Geschmack angelegten Gartenhause ist ein artiger Saal, ein Zimmer, wie das Innere eines reichen Zeltes, ein anderes wie das Innere eines künstlichen Nagelwerkes, zwischen welchen Spiegel angebracht sind, und so noch verschiedene Zimmer, jedes in anderm Geschmack verziert. Der Garten hat im Hintergrunde eine wilde Partie, zwor klein, aber schattigt, und in der Mitte befindet sich ein Wasserstück. Jetzt besitzt ihn der Hr. Banquier Cabrit. Ohnweit davon sind auch die Gärten des Hrn. Banquier Blanc und einiger anderer Kaufleute sehenswerth. Der zwar kleine, aber artige in derselben Gegend gelegene Liskiewiczische Garten mit einem Gartenhause von gutem Geschmack ist auch nicht vorbey zu gehen. Alle diese Gärten werden wohl unterhalten, und hatten sonst das Angenehme eines durchhin fließenden Baches, dessen man sich aber bey ihrer Anlegung bloß bediente, um stillstehende Bassins damit anzufüllen, und das schöne Thal, in welchem er sonst sanft hinrieselte, auszufüllen, da man doch auf mancherley Art bessern Gebrauch davon hätte machen können. Jetzt ist dieses Wasser durch die Hinleitung eines Kanals aus der Stadt verunreiniget worden; man arbeitet aber daran, ihn durch einen andern Weg in die Weichsel zu führen.

2.

Die Gegenden um Warschau sind nichts weniger als abwechselnd, und wenn man die Höhe ausnimmt, worauf die Stadt selbst gegen die Weichsel zu liegt, und welche sich gegen Mitternacht bis nach Mlodzin, gegen Mittag aber bis nach Willanow ziehet, so sind wir um und um mit unabsehlichen Ebenen umgeben, in welchen nur wenig erhebliche Hügel anzutreffen sind. Von romantischen Gegenden aber wissen wir hier gar nichts, und die etwan noch diesen Namen verdienten, haben 299 wir der Kunst zu verdanken. Jene sich einige Meilen fortschlängelnde gegen Morgen gelegene Höhe ist es auch, welche durch ihre vortreffliche Lage gegen die Weichsel ihre Besitzer angereizt hat, sich während der jetzigen Regierung Landhäuser darauf zu bauen, und den Abhang derselben mit verschiedenen neuen Anpflanzungen zu beleben.

So ist die schöne Anlage von Mokatow entstanden, wo noch vor zwölf Jahren nichts als einige Sträucher anzutreffen waren. Die jetzt verwittwete Kron-Großmarschallinn, Fürstinn Lubomirska, geborne Prinzessinn Czartoryska, wählete sich diesen außerhalb den um Warschau herum aufgeworfenen Graben, gleich hinter dem königl. Thiergarten gelegenen Ort, bauete daselbst auf der Höhe ein zwar kleines, aber mit viel Geschmack ausgeputztes Landhaus, und verwandelte einen Theil des sanft abhangenden Berges in ein reizendes Gehölze, durch welches man bey stets abwechselnden Gegenständen bis in die darunter liegende schöne Ebene gelangt.

Vor zwey Jahren gelang endlich auch das Unternehmen eines Deutschen, diesen Ort mit hinlänglichen Springwassern zu versehen, nachdem vorher viel Geld, doch ohne Erfolg, darauf verwendet worden war, und man bereits anfieng alle Hoffnung aufzugeben. Der Eingang des Landhauses, welches von außen nichts mehr verspricht, als jedes gemauerte Herrenhaus in einem Dorfe, ist bey einem runden Thurme, an welchen ein Lusthaus und Thor in flamländischem Geschmack angebauet sind, dessen Inneres in einem artigen Zimmer bestehet, welches eine freye Aussicht gegen die Stadt und die dabey hingehende Landstraße hat. Von hier kommt man durch einen schönen Fruchtgarten und einen grünen Platz bis an die Wohnung der Fürstinn, deren Auffahrt mit grauen Talgsteinen ganz ungekünstelt bekleidet und mit Cypressen, Lorbern und andern Gewächsen in verdeckten Kübeln besetzt ist. Das Innere des Gebäudes entspricht dem Stande und Geschmacke der Bewohnerinn, und bestehet aus einigen zu ihrer eigenen Bequemlichkeit nöthigen Zimmern, einem Saale und einem mit Stuk verzierten Bade. Ohnweit davon in einer Tiefe ist der Küchenhof angebracht, hinter ihr im Dorfe eine Menagerie, deren Eingang sich durch einen hohen viereckigten gothischen Thurm auszeichnet, der zur Taubenzucht eingerichtet ist. Auf der andern Seite des Fruchtgartens stehet in einiger Entfernung die Orangerie und Treibhäuser. Hohe Frucht- und wilde Bäume unterbrechen den Zusammenhang dieser verschiedenen Gebäude, und geben ihnen ein recht ländliches Ansehen. Das Bad ist im untern Theile des Hauses nach dem Gehölze zu; aus demselben, oder auch aus den oberen Zimmern durch eine freye Treppe, kommt man in ein kleines viereckigtes Blumenparterre, und aus solchem 300 führen seitwärts bequeme Fußsteige in verschiedenen Krümmungen, durch das dicht mit mannichfaltigen Laub- und Nadelhölzern und blühendem Strauchwerk verwachsene Gehölze, sanft bergab zu einem Springbrunnen, der aus einer auf einem Stück Mauerwerk liegenden Urne bestehet, aus welcher ein schöner Wasserspiegel in ein darunter stehendes steinernes Becken fällt, aus solchem überläuft, in einem kiesigten Bächelchen fortschlängelt und sich verliert. Einige Hügel und Bänke von Feldsteinen mit Moos bedeckt, und hie und da zerstreut stehende Waldblumen und blühende Sträucher machen diese Partie zu einem angenehmen Gesichtspunkt vor dem ohnweit davon in einem Dickigt liegenden offenen Salon en Ecorce. Dieser besteht aus einem Achteck mit vier Oeffnungen gegen eben so viel dahin führende Zugänge. Sechzehn Säulen, welche aus starken Erlenstämmen mit ihrer Rinde bestehen, tragen einen Dom, der oben eine Oeffnung hat. Die Wände und der Dom sind äußerlich mit verschiedenen Arten Baumrinden überzogen, innerlich aber mit feinen englischen Matten, die mit einer breiten Einfassung von grauem Moos, und diese mit einer Reihe abwechselnder nachgemachter Schleenbeeren und Hahnbutten in verschiedenen Abtheilungen umgeben sind, bekleidet. Die hier befindlichen Meublen sind in eben dem Geschmacke und der Fußboden mit feinem Kies mosaisch ausgelegt. Aus diesem Salon führen verschiedene sich im Dickigt fortschlängelnde, bald schmäler, bald breiter werdende Fußsteige unvermuthet zu einer kleinen Grotte mit zwey Oeffnungen, größtentheils von Cracauer Tofstein, großem unbearbeiteten Marmor und Talgstein wild über einander gethürmt, und mit Epheu und andern kriechenden Gewächsen verwachsen. Ueber der einen Oeffnung stürzt ein Wasserfall herab, dessen Wasser sich unter einen der Grotte gegenüber liegenden Hügel verliert, und ohnweit von selbigem mit einem zweyten Falle sich in ein Becken ergießt, aus welchem es feinen Weg weiter durch das Gebüsche in einem kiesigten mit allerhand Wassergewächsen eingefaßten Bette nimmt, und sich sodann dem Auge entzieht. Das Innerliche der Grotte ist mit rohen Cracauer Alabasterstücken ganz ungezwungen ausgesetzt, und hat einige Ruhebänke mit Matten bedeckt, der Fußboden ist mit grobem Kies ausgeschlagen.

Von hier aus wird man von einem Fußsteige zu dem der Grotte gegenüber liegenden Hügel geführt, auf welchem man unter einem ländlichen Obdache, welches auf vier Bäumen ruhet, und mit Schilf gedeckt ist, eine Ruhebank findet, von der man die Grotte in einiger Entfernung mit ihrem Wasserfall übersiehet, und unter sich den zweyten Wasserfall rauschen hört, vor sich aber eine angenehme Aussicht in eine freyere Gegend hat, die man bisher vermisset.

Von hier führen wieder verschiedene mit Ruhebänken und allerhand unerwarteten Aussichten versehene Wege bis in die untere Ebene zu einigen irregulären großen 301 Wasserstücken, die unter einander durch sich hin und her krümmende Kanäle Gemeinschaft haben und mit sehr verschiedenen artigen Brücken versehen sind. Die schön mit Rasen bewachsenen und mit hohen Platanen und andern Bäumen beschatteten Ufer, gewähren auch hier in der größten Hitze Schatten. An einem dieser Wasserstücke findet man eine artige Fischerhütte, bey welcher allerhand Fischergeräthschaften auf eine geschmackvolle und ungekünstelte Art aufgeputzt sind. Ohnweit solcher stehet eine runde indische Hütte, deren Wände von jungen Birkenstämmen zusammengefügt, und das pyramidalische Dach mit Schilf und Rohr gedeckt ist; das Innerliche derselben ist in indischem Geschmack ausgemalt. Von hier führt eine Rollbrücke, die auf beyden Seiten mit Blumenbeeten versehen ist, zu einem größeren Wasserstück, an dessen Ufern man ein halb offenes innerlich mit Arabesken ausgemaltes Zelt findet, vor welchem ein schöner Wasserstrudel in ein mit Blumen und Orangerie eingefaßtes Becken fällt. Von hier hat man eine freye Aussicht auf eine über dem Wasser liegende schöne Wiese oder grünen Teppich, mit einzelnen hohen Birken besetzt. Hinter solchen erblickt man in einiger Entfernung einen kleinen Meyerhof, der aus verschiedenen sehr alt scheinenden Gebäuden bestehet. Allerhand Arten Geflügel, als Pfaue, Kraniche, Störche, die hier herumgehen, machen die Gegend lebendig. Auf einer Seite der Wiese stehen einige Hütten; bey einer befindet sich ein Bienengarten, und darinn eine artige Wohnung, hinter ihnen aber erhebt sich wieder hohes Gehölze, welches auf dieser Seite den Garten begränzet, der bis an eine Landstraße gehet, welche über eine hohe gemauerte Brücke in den königl. Thiergarten führt. Von diesem halb offenen von Bindwerk bestehenden Zelte nimmt man seinen Rückweg von einer andern Seite, und kommt ganz unvermuthet in ein großes viereckigtes Parterre, in dessen Mitte ein ansehnlicher Wasserstrahl bey 15 Ellen hoch springt. Dieser ganze Platz ist regelmäßig mit Orangerie, Blumenbeeten und Bänken eingefaßt und besetzt. Von hier siehet man eine mit schönen Bäumen bekrönte Anhöhe vor sich, und auf der Seite einen breiten Kanal, der den Garten von einer schönen Wiese scheidet, die mit Vieh bedeckt ist; und in der Entfernung viele malerische Gegenstände und Aussichten. Aus diesem Parterre führen endlich verschiedene schattige Wege wieder ganz bequem zurück zu dem obern Theile des Gartens.

Viele anjetzt noch leere interessante Plätze und kleine Inseln sind zu allerhand Gegenständen bestimmt, welche die Durchlauchtige Besitzerinn nach und nach auszuführen gedenket, die stets bemüht ist diesen angenehmen Ort nicht allein auf das vollkommenste zu unterhalten, sondern auch alle Jahre etwas Neues und Geschmackvolles in solchem anlegen zu lassen.

302 Wenn man von hier aus auf der Anhöhe durch das Dorf Mokatow fortgeht, kommt man durch eine Allee zu dem einige tausend Schritte davon gelegenen Caninchenberge, wo zu Zeiten der sächsischen Könige Caninchen gehegt und zur Jagd aufbehalten wurden, der aber jetzt dem Herrn Grafen Tomatis gehöret, welcher daselbst eine große Anlage auszuführen gedenket, die auch, was die Pflanzungen anbelangt, schon ziemlich weit gekommen ist. Ein ansehnliches Landhaus, das er auf einem sehr vortheilhaften Platze angefangen zu bauen, der von einer tiefen Schlucht vom übrigen oberen Theile abgesondert wird, mit welcher er nur durch eine Brücke zusammenhängt, verspricht nach seiner Vollendung nichts Gemeines, ob es gleich nicht vom feinsten Geschmacke zu seyn scheinet. Ein großes fertiges Küchengebäude, linker Hand im Thale, hat äußerlich das Ansehen eines alten römischen Grabmals, ohngefähr wie das der Cæciliæ Metellæ bey Rom, gemeiniglich unter dem Namen Capo di bove bekannt. Rechter Hand stehen in einer Entfernung über einem Hohlwege einige Wirthschaftsgebäude, Treib- und Orangenhäuser, und der übrige Theil der Höhe ist mit den besten aus Italien verschriebenen Fruchtbäumen besetzt. Die Hohlwege, welche bis in die unten liegende schöne Pläne führen, sind mit alten Birken, Pappeln und andern Bäumen besetzt, und der abgesonderte Berg, auf welchem das Wohngebäude erbauet wird, mit allerhand Arten italiänischer Weinreben. Der Besitzer hat viel Geld darauf verwendet, die hier befindlichen starken Quellen zu heben: es schien ihm auch damit zu gelingen; da aber die Leitungen derselben auf französische Art, die man pierrée nennt, gemacht wurden, und man nicht vorsichtig genug damit zu Werke gieng, so sind sie zum Theil wieder verfallen, und das Wasser hat andere Wege genommen.

Die Aussicht von der Höhe ist ausnehmend schön, und es ist nicht zu zweifeln, daß, wenn der reiche Besitzer seinen Entwurf zu vollenden fortfährt, es ein reizender Aufenthalt werden kann.

Von hier führt die Straße durch das dem Fürsten Czartoryski gehörige Dorf Sluszewo zu einem gleich hinter solchem gelegenen angenehmen jungen Fichtenwäldchen, welches mit Alleen durchschnitten ist, die hie und da mit Ruhebänken versehen sind. Dieses Wäldchen erstreckt sich bis an die Kante der Höhe, der wir bisher gefolgt sind, und hat also auch alle die Vortheile einer herrlichen Aussicht. Man siehet von hier das schöne Schloß Willanow, wovon wir hernach reden werden, ganz nahe vor sich liegen, und bloß eine Viertelstunde breite Viehtrift, mit Weidenalleen durchkreuzt, nimmt den Zwischenraum ein.

Rechts stößt dieß Gehölze an die artige Anlage des königl. Kammerherrn Maisonneuf, Roskosz oder die Wollust, genannt, von welcher es bloß durch ein Thal 303 abgesondert wird. Diese Anlage bestehet aus einem kleinen, aber artigen Wohngebäude mit zwey abgesonderten Flügeln, einem schönen Fruchtgarten, und einer wilden Promenade im obgedachten Thale fort bis in die Tiefe, wo man eine in gutem Geschmack angelegte Grotte mit etlichen Cabinets und einer am Fuße derselben hervorbrechenden gefaßten Quelle findet. Die so nahe Nachbarschaft des Fichtenwäldchens verschafft diesem Orte viele Vortheile, da er sonst zu eingeschränkt seyn würde.

Von hier aus kommt man in den eine halbe Stunde von hier und zwey Stunden von der Stadt entfernten Fasanengarten. Er gehört der fürstl. Czartoryskischen Familie, wird aber seit vielen Jahren nicht mehr zu Hegung dieser Thiere gebraucht, und bestehet in einem weitläuftigen aus Laub und Nadelholz vermischten Gehölze, welches sehr angenehm mit Berg und Thal abwechselt. In dem in der Tiefe liegenden Theil desselben sind fünf breite Alleen durchgehauen, die auf der Höhe einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt haben, wo der nunmehr verstorbene Fürst Czartoryski, Woywode von Rußland, noch zwey Jahr vor seinem Tode, ein ansehnliches Gebäude aufführen ließ, um diesen so angenehmen Ort, der bisher ganz unbemerkt geblieben war, mehr benutzen zu können. Der untere Theil dieses Gebäudes bestehet aus drey Sälen und einigen Cabinets, die alle mit Arabesken ausgemalt sind; der mittlere halb offene Saal ist oval, gehet durch zwey Stockwerke und hat eine Kuppel, die gegen die offene Seite von sechs jonischen Säulen getragen wird. Auf diesen schneiden sich die obgedachten Alleen, deren eine das Willanower Schloß, die übrigen aber andere verschiedene Gegenstände zum Gesichtspunkt haben. In dem oberen Geschoß sind einige kleine Wohnzimmer, und in dem gewölbten Erdgeschoß die Wohnung des Aufsehers, oder Castellans. Dieses Gebäude stehet in einer Oeffnung des Gehölzes, welches von zwey Seiten dicht an solches anschließt; gegen die Alleen hat es eine völlig freye Aussicht, und gegen den Eingang einen mit einem Graben versehenen und mit Bäumen umgebenen grünen Platz. Das Gehölze in der Tiefe ist besonders im Frühjahr etwas feucht; da es aber stark mit Kanälen durchschnitten ist, die gegen die Weichsel ihren Abzug haben, so ist der größte Theil desselben den Sommer hindurch trocken. Desto angenehmer und trockner aber ist der obere Theil.

Der kurz nach Vollendung dieses Baues erfolgte Tod des Fürsten verhinderte die weitere Ausführung verschiedener zur Verschönerung dieses Orts gemachten Entwürfe, die aber durch die jetzige Besitzerinn, Tochter des verstorbenen Fürsten, und eben dieselbe, welche die Schöpferinn von Mokatow geworden, vielleicht mit der Zeit noch ausgeführt werden könnten, da es dieser Dame von so trefflichem Geschmack auch nicht an Mitteln fehlt, solchen zu befriedigen.

304 Von hier kommt man durch ein angenehmes, beschattetes Thal im untern Theil des Gehölzes, und endlich durch eine vierfache Allee auf die Landstraße, welche nach Willanow führt, das eine Viertelstunde davon entfernt ist. Diese glücklichen Gefilde zeichnen sich so, wie alle weitläuftigen Besitzungen des fürstl. Czartoryskischen Hauses, durch schöne Dörfer, treffliche Aecker, Wiesen und Alleen, unter allen andern hiesiges Landes aus, und man spürt überall die Frucht einer weisen Verwaltung, und die glücklichen Folgen von den unermüdeten Bemühungen des verstorbenen Fürsten, Ordnung und Wohlstand unter seinen Unterthanen zu verbreiten, und, was so selten anzutreffen, wahre fürstliche Größe, mit guter Wirthschaft zu vereinigen, wozu er sich größtentheils deutscher Männer in den vornehmsten Posten bedienete.

Zu dem mitten in diesen gesegneten Gegenden gelegenen Lustschlosse Willanow, führen von allen Seiten breite Alleen, die sich in dem vor ihm liegenden großen mit alten Linden besetzten Platze enden, der mit vielen kleinen Wohngebäuden, einem großen Wirthshause und einer Kirche umgeben ist. Das Schloß selbst hat das Ansehen eines vor kurzem errichteten Gebäudes, ob solches gleich beynahe hundert Jahr stehet; so sehr ist jederzeit auf die Erhaltung desselben gesehen worden. Es gleicht völlig den italiänischen Villen, ist auch größtentheils das Werk eines italiänischen Baumeisters; und ob gleich bey genauer Untersuchung sich viele Fehler gegen den reinen Geschmack zeigen, so ist es doch im Ganzen genommen ein schönes Werk, werth von Königen bewohnt zu werden, wie Johann, aus dem Sobieskischen Hause, sich solches dazu erbauet hat, auch darinnen gestorben ist. Der König August der II. hat es auch zum Bewohnen besessen. Es bestehet in einem Hauptgebäude von zwey Stockwerken, mit zween daran liegenden Flügeln, und ist mit korinthischen anstoßenden Säulen und Pilastern verziert, zwischen welche Statuen, Büsten, und Basreliefs angebracht sind. Das Dach ist meist platt, mit Kupfer gedeckt und durch eine Balustrade versteckt, auf welcher Statuen und Vasen stehen. Diese Statuen sind mehr als mittelmäßig, besonders eine Flora auf der Hofseite sehr schön. Die am Untertheile des Gebäudes in Nischen angebrachten Statuen und Büsten aber, größtentheils Krüpel, die Basreliefs aber leidlich. Der mittlere Theil des Hauptgebäudes ist ein Stockwerk höher, als das übrige, und enthält einen Billardsaal; an den beyden Enden des Hauptgebäudes stehen zwey mit Kupfer bekleidete Thürme. Zwey große geräumige Höfe, mit Gebäuden eingeschlossen, und ein ansehnliches Portal mit Basreliefs und Statuen geziert, dienen zum Eingange. Die innerliche Einrichtung und Meublirung ist dem Aeußerlichen angemessen, groß und kostbar, in dem vor 50 Jahren herrschenden Geschmack; 305 alle Decken mit Malereyen, Stukarbeit und Vergoldungen überladen, und die Wände mit reichen Tapeten bekleidet. Die an den Garten stoßende Seite des Schlosses hat offene mit jonischen Säulen und Arcaden gezierte Gänge mit leidlichen Frescogemälden, und ist ebenfalls mit Statuen, Büsten, Basreliefs und reichem Simswerk verziert; selbst stark à la grec, welches am Anfang der jetzigen Regierung so stark wieder in allem zur Mode geworden war, daß es fast in den Geschmack der Schnirkeleyen und Bambosagen verfiel, nun aber schon fast wieder vergessen ist. Unter den Statuen da herum sind einige von Bronze von gutem Stil. Zwey auch daselbst angebrachte runde Bilder von musivischer Arbeit, und die unter dem Säulengange stehende Statue zu Pferde des Königs Johann Sobieski mit besiegten Türken, sind schön.

Der Garten hat drey Abtheilungen. Die dem Schlosse am nächsten bestehet aus Blumenbeeten mit Orangerie, Statuen und Vasen von Bronze besetzt, größtentheils mittelmäßigen bleyernen Abgüssen von Antiken, und ist von bedeckten dicht verwachsenen Gängen eingefaßt. Aus dieser steigt man eine steinerne Doppeltreppe hinunter in ein zweytes Parterre, mit Rasenstücken und allerhand Gewächsen besetzt; an dieses stoßen auf beyden Seiten schattigte Gänge und Hecken. Unter der Treppe ist ein Sälchen angebracht. Ein breiter Arm der Weichsel begränzt den Garten von dieser Seite, an dessen Ufern eine aus verschiedenen Gängen bestehende Abtheilung von außerordentlich hohen Pappeln Ehrfurcht erregt; einige Stämme derselben haben bey dreyzehn Ellen im Umkreis. Das jenseitige Ufer des Weichselarms bestehet in einer schönen Wiese, die sich in einer großen Entfernung mit einem im Gehölze liegenden Vorwerk endet, welches auf die Hauptöffnung der Heckenpartie und das Mittel des Schlosses trifft. Aus diesem Untertheile des Gartens, der oft bey großen Ergießungen des Stroms unter Wasser steht, kann man in die durch eine Brustmauer abgesonderten neu angelegten wilden Spaziergänge kommen, die aber noch in ihrer Kindheit sind; unterdessen ist doch alles benutzt, was die Lage des Orts vortheilhaftes dargeboten hat.

Von hier kann man seinen Rückweg nach der Stadt entweder durch die Allee nehmen, die nach obgedachtem Dorfe Sluszewo führt, oder durch die neue Allee, die bis zum königl. Thiergarten angelegt worden, auch die Allee wählen, welche durch das Dorf Czerniakow ans Ufer der Weichsel und dann über die Solec zurückführt. Letztere ist zwar die sandigste, hat aber das Angenehme, daß man in einer gewissen Entfernung alle bisher besuchte Anlagen nochmals aus einem ganz andern Gesichtspunkte übersieht.

306 3.

Wenn irgend eine Gegend um Warschau zu einem englischen Park umgeschaffen werden sollte, so schickt sich meines Erachtens keine besser dazu, als die der Stadt gegen Mitternacht liegt. Der schöne drey Viertelstunden von ihr gelegene Bielaner Wald, die ohnweit davon liegende Chur-Sächs. Besitzung von Mariemont, das eine halbe Stunde davon entfernte Mlodzin mit seinem Thiergarten, die Gegend von Wawriszew, und das von solchem gegen die Stadt zu liegende Powonsk, würde gewiß alles gewähren, was man sich von einem solchen Park denken kann; und um diese Gegenden genauer bekannt zu machen, werde ich von jedem Theile derselben sagen, was hieher gehört.

Der Bielaner Wald liegt dicht an der Weichsel, und erhebt sich von ihren Ufern bis auf eine ansehnliche Höhe, von welcher er auch einen ziemlichen Strich einnimmt. Sein niederer Theil bestehet aus viele Menschenalter übersteigenden Eichen und Rüstern, der obere Theil aber ist mit Nadelholz vermischt. Durchhin schlängelt sich ein Bach, der darinn etliche Mühlen treibt. Mitten innen steht ein massives Kamaldulenserkloster, wo alle Jahre am zweyten Pfingstfeyertage Ablaß gegeben wird. Dieser und die schöne Jahreszeit ziehen den größten Theil der Warschauer Einwohner und schönen Welt hierher, und machen für solche eines der herrlichsten Feste. An diesem einzigen Tage im Jahre stehet dem schönen Geschlechte das Kloster offen, dessen geheiligte Schwellen sie sonst nie betreten dürfen. Der vor dem Kloster liegende große Platz und ein Theil des Waldes wimmelt an diesem Tage von Zelten und Geschöpfen, die jedes nach seiner Art Vergnügen suchen und finden; man bemerkt hier einen wunderlichen Contrast von Frömmigkeit und Ausschweifung, von Sünden vergeben und Sünden begehen. Der König und die vornehmsten Herrschaften finden sich auch daselbst ein, und fahren wenigstens durch diese bunten Reihen. Zu Anfang der jetzigen Regierung wurde hier an diesem Tage ein glänzendes Fest für das Volk und den Adel vom König veranstaltet, das in seiner Art vortrefflich war, und wegen der dabey angebrachten Cocagna und Volksspiele einem wahren Bachanal, bis auf den Ablaß, glich. *) Dieser Tag macht auch für die von der Welt getrennten frommen Mönche ein artiges Einkommen, da sie sich alle Plätze, wo etwas verkauft wird, theuer bezahlen lassen, und einen Gastwirth halten,

————

*) Die genaue Beschreibung von diesem großen und herrlichen damaligen Feste lieset man in den bis Ende 1772 von dem Hrn. Senator zu Thorn, D. von Geret, von 1760 an herausgegebenen Thornischen Anzeigen, welche immer ein classisches Werk für die Geschichte von Pohlen von jener Zeit bleiben werden.

 

307 der am äußeren Theile des Klosters seine Bequemlichkeiten hat, die mit dem Innerlichen keine Gemeinschaft haben sollen. Die Aussicht von der Höhe gegen die dicht dabey fließende Weichsel ist vortrefflich, nur verursacht die so nahe Nachbarschaft dieses Flusses viel Schaden an dem untern Theile des Gehölzes, wo alle Jahre wegen Verabsäumung der nöthigen Dämme große Strecken unterwaschen und mit fortgerissen werden, und die hohen mit schönen Bäumen besetzten Ufer in die Tiefe hinabstürzen, welches durch einen schicklich angebrachten Einbau, der nicht so viel kosten könnte, als der Verlust von Holze und Boden beträgt, leicht zu hindern wäre; allein die frommen Väter, denen man schon seit einigen Jahren von Aufhebung und Versetzung ihres Klosters vorgeredet haben soll, scheinen sich wenig darum zu bekümmern, da ihr Kloster selbst dabey noch zur Zeit nicht Gefahr läuft.

Ein angenehmer, durch den Wald hin gehender Weg, führet in das eine halbe Stunde davon gelegene, dem Generalfeldzeugmeister Grafen von Brühl gehörige Dorf Mlodzin, wo sein verstorbener Vater zur Zeit der vorigen Regierung ein weitläuftiges Fasangehege unterhielt, in welchem aber jetzt nur einiges Tannenwildpret aufbehalten wird. Das Gehölze, welches vom Bielaner Walde ganz abgesondert liegt, ist sehr angenehm mit einigen Gebäuden versehen, und hat besonders schöne Alleen von gepflanztem Nadelholze, welche zwischen den Birken und Pappeln, aus welchen das übrige Holz größtentheils bestehet, hervorstechen; es ist auch eine Quelle guten Wassers hier. Dieses Gehege hängt durch eine Allee mit einem artigen Landhause zusammen, bey welchem ein schöner Fruchtgarten und eine wilde Partie angelegt worden, die sich bis an das niedrige Ufer der Weichsel zieht, und worinn vor zwölf Jahren die ersten italiänischen Pappeln in hiesigen Gegenden gepflanzt wurden, welche die bey uns längst bekannten, und unter andern selbst in Warschau im kleinen Garten des Stiftes Marieville befindlichen wallachischen in schnellem Wuchs und dichtem Laube übertreffen und eben so pyramidalisch wachsen. Hier endigt sich die so oft berührte Höhe gegen die Weichsel und verliert sich nach und nach in Sandhügeln. Die schöne Aussicht aus dem hiesigen Wirthshause macht es den Leuten aus der Stadt zu einem angenehmen Aufenthalte. Der jetzige Besitzer hatte auf einer dem Garten gegenüber, mitten in der Weichsel gelegenen, großen mit Bäumen bewachsenen Insel, vor einigen Jahren eine Anlage veranstaltet, die in einer artigen wilden Promenade, von allerhand ländlichen Gegenständen unterbrochen, und einer alten den Einsturz drohenden Fischerhütte bestand, deren Inneres ein schönes Bad und einige Wohnzimmer hatte, wovon jedes in einem andern Geschmack ausgeputzt war. Allein eine Ueberschwemmung zerstörte das Gebäude, so daß diese Insel wieder in ihren vorigen wüsten Zustand verfiel. Man 308 kann von hier seinen Rückweg nach der Stadt über Wawriszew nehmen, welches eine halbe Stunde von Mlodzin liegt, und ein den Warschauer Nonnen vom heil. Sacrament gehoriges Kirchdorf ist, das der vor einigen Jahren in Frankreich verstorbene Fürst Primas Podoski auf Lebenszeit gegen einen gewissen Zins besaß, und sich daselbst auf einer in einem Teiche liegenden Insel ein kleines Landhaus bauen ließ und einen Garten anlegte. Zugleich wurde ein großes Stück mit Strauch verwachsenes Land mit einem lebendigen Zaune umgeben und zu wilden Spaziergängen eingehegt, die auch damals zu einem hübschen Gehölze angewachsen waren. Nach seinem Tode kam es wieder an diese Nonnen, die es jetzt an Personen vermiethen, die sich den Sommer auf dem Lande aufhalten wollen. Wäre der Entwurf des verstorbenen Fürsten Primas nicht durch die damals eingefallenen Unruhen und dessen Aufenthalt außer Landes unterbrochen worden; so würde anjetzt dieser Ort, der besonders schönes Wasser hat, eine Stelle unter den artigsten hiesigen Landsitzen verdienen.

Von hier nähert man sich der Stadt wieder um eine Viertelstunde, und kommt nach Powonsk, einem der Gemahlinn des jetzigen kaiserl. königl. Generalfeldzeugmeisters und auch noch polnischen Generals von Podolien, Fürsten Adam Czartoryski, welcher der einzige Sohn des vorbelobten Fürsten Czartoryski, Woywoden von Rußland, ist, gehörigen Dorfe. Dieser Ort war noch zu Anfang der jetzigen Regierung ein elendes, bey einem sumpfigten Erlengebüsche gelegenes, Dorf, in welchem kaum ein trockner Hügel anzutreffen war, wo man einen Vogelheerd errichtet hatte. Die hier entspringenden reichhaltigen Quellen wurden durch den Damm einer Mühle aufgehalten, traten auf beyden Seiten in die Niedrigungen und verursachten Brüche. Die jetzige Besitzerinn fand diese Gegend ihren Absichten gemäß, überwand durch verwendete Kosten und vieljährige Bemühung alle Hindernisse; und so verwandelten sich Tiefen in Hügel und Berge, und aus Sümpfen wurden schöne Teiche und grüne Teppiche. Kein interessanter Baum und Strauch blieb unbenutzt, jede alte abgestorbene Weide oder Pappel gab der Kennerinn Stoff zu Verwandlungen; kurz, sie nutzte die Natur, und verdarb nichts von ihren sich darreichenden Producten durch übelangebrachte Künsteleyen. Eine Reise nach England hatte ihre geschmackvollen Ideen entwickeln helfen; sie kam zurück und setzte sie ins Werk. Vermuthen Sie sich hier nichts von Palästen und Nagelwerk, von Orangerie und Grottenwerke zu hören! Nichts von allen diesen in die Stadt gehörigen Dingen. Eine Gruppe artiger ländlicher Wohnungen von verschiedener Gestalt und Größe, bey jeder ein kleines hübsches Gärtchen mit einem niedrigen Zaune umgeben, in deren Mitte sich auf einem schönen grünen Hügel eine etwas größere auszeichnet, und zu 309 welcher kein Weg geradezu, keine Avenüe, sondern krumme durch das Gebüsche führende Wege bis zu einem bey einem alten Wirthshause befindlichen Stege, über den sich um das Ganze fortkrümmenden Kanal führen – machen von dieser Seite den ganzen Zugang. Hier wohnt die Fürstinn den Sommer hindurch, von ihrer Familie und ihrem Hofstaat umgeben, und genießet die süßesten Freuden des Lebens, die Ruhe, die ihr das Getöse der Stadt nicht gewährt. Durch die Verlegung der Mühle an einen andern Ort ist das Gehölze trockner, und durch Vergrößerung und Vertiefung der Wasserstücke das zu niedrige Land erhöhet, und ihm durch Kanäle mehr Abzug gegeben worden. Den Quellen hat man Luft gemacht, und dadurch mehr Wasser gewonnen, und, wo es ja noch zu feuchte Stellen giebt, sind doch die hindurch führenden Wege erhöht und trocken. Das etwas größere Haus, worinn die Fürstinn wohnt, hat innerlich alle nöthige Bequemlichkeiten, und ist ohne Pracht, aber in gutem Geschmack eingerichtet. Viele Gemälde von guten Meistern machen die Hauptzierde, und ein Bad, dessen Wände mit meißnischem Porzellan ausgetäfelt sind, das Kostbarste aus. Die übrigen Hütten sind in eben dem Geschmack, mehr oder weniger niedlich, nach Verhältniß ihrer Bewohner. Von diesem Hügel gehet man sanft bergab gegen eine Gruppe von alten Fichten, welche die Ueberbleibsel eines halb mit Erde verschütteten und verwachsenen römischen Triumphbogens beschatten, welches gute Verhältnisse hat. Von hier übersiehet man einen schönen grünen Teppich, der von einer Seite mit Bäumen eingefaßt ist und zum Hintergrunde ein Wasserstück hat, an dessen Ufern sich die Ruinen eines römischen Amphitheaters zeigen, in welchem die Stallungen angebracht sind; auch diese sind hier und da von hohen Bäumen versteckt und mit Sträuchern verwachsen. Etwas seitwärts steht auf einer Höhe zwischen einem Gebüsche eine artige Hütte, von welcher der Weg am grünenden Ufer des Wassers fortführt. Hier wird man ein über dem Wasser gelegenes gothisches Gebäude mit einem runden Thurme gewahr, welches zu einer Meyerey eingerichtet ist, und worinn ein Schweizer wohnt, der die Viehzucht besorgt. Die zwischen dem Wasser und diesem Gebäude liegende Wiese und Fruchtgarten dient dem Viehe zur Huthung und macht ein belebtes Bild. Eine schwimmende Brücke über das breite Wasserstück dient hier zum Zusammenhange beyder Ufer; das Wasser ist mit Schwänen und allerhand ausländischen Wasservögeln belebt. Verfolgt man seinen Weg am Ufer, so kommt man endlich wieder ins Dickigt, in welchem verschiedene artige ländliche Cabinette von Baumrinden und mit Moos bewachsenen Aesten anzutreffen sind, und so führet der Weg gegen eine alte verfallene Mühle, über deren eingestürzte Schleuße, zwischen welcher sich verschiedenes Treibholz versetzt hat, ein artiger malerischer Wasserfall herabstürzt. 310 Das Innerliche der Mühle, zu welcher man durch einen Steg und eine alte Freytreppe kommt, bestehet in einem artigen Zimmer.

Ohnweit davon in einem Gehölze findet man Ruinen eines alten auf einem Berge liegenden Schlosses und einer gewölbten eingestürzten Brücke, welche von dem Berge zu einem andern führt, auf dem noch ein alter Thurm stehet. Neben diesen Ruinen sind etliche Hütten angebauet, und das Ganze macht eine angenehme Theaterscene vor einem gegenüber liegenden freyen Rasenplatz mit Erhöhungen für die Zuschauer. Den Beschluß macht endlich eine am Ufer des Kanals gelegene Eremitage, von welcher der darinnen wohnende Cremit die Stelle eines Aufsehers vertritt. Ein Theil des Waldes ist zu einer Menagerie für allerhand fremdes Federvieh eingerichtet, und ein anderer zum Vergnügen des Publicums mit einem guten Wirthshause versehen, wobey eine Strecke todten Sandes durch Anpflanzung eines Weidengehölzes urbar gemacht worden. Es wird alle Jahre mit Anpflanzungen dieser sonst kahlen Gegenden fortgefahren, wie denn vor kurzem eine große Maulbeerplantage daselbst angelegt worden. Der übrige Theil der zu Powonsk gehörigen Gründe gegen Wawriszew zu, ist an verschiedene Personen von ihrem Hofe vertheilt worden, welche sich artige Häuser, Wirthschaftsgebäude und Gärten daselbst angelegt haben; dieser Bezirk ist nach der Fürstinn Namen Isabellenstadt genennet worden.

Der Weg nach der Stadt, welche von hier eine kleine halbe Stunde entfernt ist, gehet durch eine Allee, worinn der Hr. Doctor John, Leibarzt der Fürstinn Czartoryska, verwittweten Großkanzlerinn von Litthauen, ein sehr artiges Gartenhaus erbauet hat, das um so viel mehr hervorsticht, da es in dieser Gegend das einzige regelmäßige Gebäude ist; dabey ist auch ein großer Fruchtgarten angelegt. Alle diese bisher berührte Gegenden liegen in einem Bezirk von zwey Meilen, und zwischen dem Bielaner Walde und Powonsk; mitten innen liegt die churfürstl. sächsische Besitzung Mariemont genannt, welche aus einem vortrefflichen Eichenwalde, mit abwechselnden Höhen und Tiefen, Wiesen und Aeckern, besteht, der bey der vorigen Regierung mit einer hohen Bretwand eingeschlossen war und zur Wolfsjagd diente. An dem einen Ende des Waldes, auf einer Anhöhe, steht ein viereckigtes Jagdhaus mit einem großen Saale und einigen Zimmern; ohnweit davon ein paar kleinere Gebäude für die Aufseher.

Sonst war dieser angenehme Ort der am meisten besuchte Spaziergang der Warschauer Einwohner hohen und niedern Standes; seitdem aber vor etlichen Jahren der vorige Hofmarschall Herr von Rzewuski denselben auf Lebenszeit vom sächsischen Hofe gepachtet, ist er vor jedem verschlossen, der nicht besondere Er311laubniß von ihm erhält. Dieser Herr hat ansehnliche Summen verwendet, um diesen Bezirk im Geschmack der englischen Parks zu verschönern; anstatt der vorigen Vermachung, welche die Aussicht hinderte, ist um den weitläuftigen Umfang ein breiter Graben mit einer niedrigen Hecke gezogen worden. Das Gehölze ist, wo es nöthig war, gelichtet, rein und überall wegbar gemacht; auch sind einige künstliche Wiesen angelegt worden. Ein an das Gehölze stoßender Fruchtgarten, der sonst davon durch eine Vermachung abgesondert war, ist dazu gezogen, und ein kleines zu ihm gehöriges altes Gebäude, verneuert und mit großen Kosten für ihn wohnbar gemacht; auch sind verschiedene Küchen und Stallgebäude erbauet worden. Schon hatte der ehemals am hiesigen Hofe und nun am schwedischen Hofe befindliche englische Gesandte, Wroughton, der bloß diesen Garten mit der Wohnung vom sächsischen Hofe eingeräumet erhalten hatte, das Innere derselben bequemer und niedlicher eingerichtet, auch einige Terrassen zur Aussicht auf die Landstraße aufführen lassen. Die außerhalb des Gehölzes gelegenen sandigen Gegenden gegen Bielane zu, sind mit fettem Leimen überschüttet, Gras darauf gesäet, und hie und da mit Gruppen von Bäumen bepflanzt worden. Den schönen in einem Thale des Gehölzes entspringenden Quellen, die sonst meist darinn versiegten, ist ein Abzug verschafft worden, der sie in ein hierzu ausgegrabenes großes Wasserstück führt. Dem Powonsker Wasser, das seinen Weg nach der Weichsel durch hiesige Gegenden nimmt, und zwey Mühlen treibt, wollte man durch Abschaffung einer derselben hier unter einer Gruppe hoher Linden einen Wasserfall geben. Auf der gegen die Stadt liegenden Seite ist eine große Pflanzung von Platanen angelegt, und kurz, alle bisher unbenutzte und öde Plätze sind verschönert worden. Und es würden endlich auch die vielen in diesem Bezirk befindlichen interessanten Orte, mit allerhand hierher sich schickenden Gegenständen verschönert, und das höchst baufällige Hauptgebäude selbst an die Reihe gekommen seyn, wenn die kürzlich erfolgte Entfernung dieses Herrn von Rzewuski vom Hofe nicht dazwischen gekommen wäre. Es wird zwar alles noch gut unterhalten, aber nichts neues mehr veranstaltet.

Nun wird man leicht urtheilen, ob aus dieser Gegend nicht ein herrlicher englischer Park zu machen wäre, wenn allen diesen jetzt abgesonderten Stücken ein gewisser Zusammenhang gegeben, auf viele bisher unbenutzte Plätze Rücksicht genommen, und ein schönes Hauptgebäude, entweder in der Gegend von Mariemont oder zwischen ihr und Powonsk, auf eine anjetzt leer stehende Höhe, aufgeführt würde, wo es von der Stadt herrlich in die Augen fallen, und die ganze Gegend zieren würde. Es ließe sich freylich noch vieles, was jetzt hier mangelt, denken; allein wo findet man Gegenden, die nichts zu wünschen übrig lassen.

312 Wenn man auf der Abendseite aus der Vorstadt kommt, findet man eine breite Lindenallee, die bis in das drey Viertelstunden davon gelegene Dorf Wola führt. In dieser Allee sind einige neue Anlagen von Gärten, worunter besonders die dem Hrn. Kammerherrn von Unruh und dem Hrn. Kaufmann Schultz gehörigen etwas Gutes für die Zukunft versprechen. In Wola selbst ist von der verstorbenen Gräfinn von Brühl, Gemahlinn des seligen Premierministers bey August dem III, vor etlichen zwanzig Jahren ein Garten im damaligen französischen Geschmack angelegt worden, der ein ziemlich großes hölzernes Landhaus und allerhand Nebengebäude hat. Vor einigen Jahren kam er in die Hände des Krongroßschatzmeisters Fürsten Poninski, der allerhand kleine artige Gebäude in den verschiedenen Heckenpartien erbauen ließ. Demohngeachtet wird dieser Ort wenig besucht, so viel Mühe man sich auch gegeben, ihn in Ruf zu bringen. Ist es die allzugroße Einförmigkeit desselben, oder der Mangel an Wasser und schönen Aussichten, oder finden die hiesigen Einwohner mehr Vergnügen, sich in weniger gekünstelten Gegenden zu verweilen? Fast glaube ich das letztere; denn in dem eine halbe Stunde von hier gegen Powonsk zu gelegenen kleinen Lustwäldchen beym Dorfe Gorce oder Gurce, welches dem Publicum einige Jahre offen gestanden, fand sich eine Menge Spazierender ein. Auch hier ließ der Fürst Poninski, welcher es von den hiesigen Dominicanermönchen sich zuzuwenden wußte, einige artige Partien anlegen, worunter sich besonders ein hoher künstlicher Felsen ausnimmt, der auf einer Insel steht, zu der man durch eine artige Brücke kommt. Unten hat er verschiedene Behältnisse, und auf der Höhe ein chinesisches Lusthaus mit einem kleinen Saal, zu welchem man auf einer bequemen sich zwischen den Felsen fortwindenden Treppe gelangt. Auf einer andern Seite des Holzes trifft man auf einen Heuschober, in welchem auch ein bequemes von oben erleuchtetes Zimmer befindlich ist. Das Uebrige des Wäldchens ist mit krummen Gängen durchschnitten, und auf einigen freyen Plätzen sind Spiele angebracht. Ein Wirthshaus und ein runder Tanzsaal stehen beym Eingange, und auf der andern Seite des Holzes ein kleines Herrenhaus mit einem vom Gehölze abgesonderten Fruchtgarten. Nur ist dieser Ort zu eingeschränkt und hat kein lebendiges Wasser. Bey der jetzigen neueren Besitzerinn, der verwittweten Woywodinn von Smolensk, Fürstinn Sapieha, ist es auch wieder verschlossen. Von diesem Ort führt eine besondere Allee wieder bis in die Vorstadt, von welcher es etwas weiter entfernt ist, als Wola.

Auf dieser Seite haben wir weiter nichts von Lustgärten und Spaziergängen in der Nähe. Es bleibt mir also nur noch die Morgenseite zu beschreiben übrig.

313 Um von der Stadt dahin zu gelangen, muß man die über die Weichsel geschlagene zwölfhundert Ellen lange Schiffbrücke passiren, und kommt in das am jenseitigen Ufer gelegene Städtchen Prag, dessen umliegende Gegenden sehr sandig sind; doch wäre das nur tausend Schritte von solchen entfernte Wäldchen durch irgend eine Anlage von Wirthshause oder andern Gebäuden angenehm zu machen. Es ist zwar ein Theil desselben zu einem Thiergarten umzäunt, und mit einer Jägerwohnung und Wirthshause versehen worden, in welchem einige Kamele und vieles Dannwildpret gehegt wurde; man hatte aber hierzu einen gar zu sandigen Theil des Gehölzes genommen, wo das Vieh nicht Aetzung genug fand, und ist daher vieles eingegangen, der Ueberrest aber nach dem Ujasdower Thiergarten geschafft worden.

Auf dem durch dieses Gehölze führenden Wege kommt man in das gleich hinter ihm liegende Targuwka, ein dem König gehöriges Gut, mit einem ziemlich großen Fruchtgarten und einigen Hecken bey einem kleinen Wirthshause, wo sich auch bisweilen Spaziergänger einfinden.

Wenn ein solches Gebäude in dem mit schönem Laubholz bewachsenen Theile des Waldes angelegt, dieser nur einigermaaßen zu Spaziergängen eingerichtet, und die schönen Aussichten des als ein Amphitheater vor Augen liegenden Warschau benutzt würden; so hätten wir auch auf dieser Seite einen angenehmen Lustort mehr.

In einem so weitläuftigen Lande, als Pohlen ist, liegen hie und da noch manche merkwürdige Landsitze zerstreut. Auf den Gütern so vieler reichen und großen Herrschaften, besonders solcher, die fremde Länder und England besucht haben, und die in schönern und mehr abwechselnden Gegenden wohnen, als nahe bey Warschau sind, kann man auch allerdings verschiedene Arten von Anlagen und Verschönerungen im neuern Geschmack erwarten, wovon vielleicht künftig mehr Nachrichten bekannt gemacht werden können. *)

————

*) Sie werden sodann einem künftigen Jahrgange meines Gartenkalenders vorbehalten.

 

314 X.
Ungarn.

Sowohl von den Schlössern und Landhäusern, als auch von dem pomphaften und kostbaren, aber steifen Geschmack, der noch in den Gärten dieses Landes herrscht, kann man in einer kürzlich gedruckten Reisebeschreibung *) sehr umständliche Nachrichten finden. Man sieht, wie viel Summen auf Paläste, auf Pavillons, auf Grotten, auf Orangerien und Gewächshäuser, wie viel in allen diesen auf Pracht, und wie wenig auf Geschmack verwendet worden. Dieß war überhaupt die allgemeine Landstraße, worauf die reichen und mächtigen Gartenbesitzer sich zu begegnen pflegten, und einer dem andern zuvor zu eilen suchte.

Von dem Schlosse Esterhasi, das durch seine Weitläuftigkeit und Pracht, und durch die Kostbarkeit seiner Auszierungen einen so ausgebreiteten Ruhm erlangt hat, giebt eben dieser Reisende **) eine ausführliche Beschreibung. Das Schloß sowohl als der Garten sind seltene Denkmäler von dem großen Reichthum und der Prachtliebe in dem Hause eines Fürsten, ***) der diese Vorzüge noch durch seine Leutseligkeit und Gastfreyheit übertreffen läßt. Esterhasi ist oft der Ort der herrlichsten Fürstenfeste gewesen; auch die Gartenmuse könnte hier noch manche Feste der Natur einführen.

XI.
Preußen.

Nach den neuesten Nachrichten scheint hier ebenfalls der Geschmack an Gärten und Landhäusern noch wenig Verbesserung erhalten zu haben. Ein neuer sehr genauer Schriftsteller ****) rühmt einen Landpalast, der so viele Fenster hat, als Tage im Jahre sind; er rühmt erhabene Heckenwände, Schneckenberge, regelmäßige Blumenstücke, Teiche, künstliche Grotten und Springbrunnen und Anlagen in der Ebene.

————

*) S. Hrn. Joh. Bernoulli’s Sammlung kurzer Reisebeschreibungen. 10ter B. S. 181–226. Berlin, 1783.

**) S. 9ten B. S. 250–288.

***) Der Fürst Nicolaus Esterhasi, kaiserlicher Generalfeldmarschall, Ritter vom goldnen Vlies und andrer hohen Orden.

****) Bocks Versuch einer wirthschaftlichen Naturgeschichte von dem Königreiche Ost- und Westpreußen. 1ter B. 8. 1782.

 

315 XII.
Deutschland.
1.

In den Provinzen von Niedersachsen zeigen die neuen Gartenanlagen in Hollstein schon eine sehr merkwürdige Verbesserung des Geschmacks. Die wichtigsten sind bereits in diesem Werk ausführlich beschrieben, *) und verschiedene jüngere nähern sich allmählich ihrer Ausführung. Wenn der gute Geschmack und die Liebe zu schönen Gärten sich hier einst mehr erheben sollte, so würde nicht leicht eine andre Gegend von Deutschland den Vorzug der hollsteinischen übertreffen. Der weite Umfang und die Fruchtbarkeit der Landgüter, der Reichthum ihrer Besitzer, die Schönheit der Wälder und Wiesen, die Abwechselung der Seen, der Teiche, der Hügel und beträchtlichen Weiden, alles dieß bietet sich zu den trefflichsten großen Anlagen und einzelnen Verschönerungen an. Nach so manchen Reisen, die ich in und außer Deutschland gemacht, muß ich doch gestehen, daß die hollsteinischen Gegenden in manchem Betracht den Ruhm einer vorzüglichen Schönheit behaupten. Der gewöhnliche Weg, den Reisende von Hamburg aus in dieses Herzogthum über Bramstädt und Neumünster zu nehmen pflegen, stimmt gar nicht der Erwartung zu, die sie sich von der Fruchtbarkeit und Anmuth dieses Landes machen dürfen. Fast überall wird auf dieser Seite das Auge von dürren Heiden, von sumpfigten Moorfeldern, und von der unbegränzten Flachheit der Gegenden ermüdet. Nur erst zu Bordesholm, zwey Meilen vor Kiel, beginnt die Landschaft sich in der Anmuth zu zeigen, die man in Hollstein zu sehen gewohnt ist. Fruchtbare Felder wechseln mit Wäldern, mit Weiden und hellen Seen ab, worinn sich die kleinen Hügel und die Gebüsche spiegeln, die überall die Flächen unterbrechen. Der angenehmste Eintritt in Hollstein geschieht durch die reizenden Landschaften von Plön und Eutin, und auf diesem Wege trifft man gleich einige der schönsten Plätze, als Aschberg und Sielbeck, an.

Im Mecklenburgischen ist das neue Schloß des Herzogs von Schwerin zu Ludwigslust mit den benachbarten Anlagen am meisten berühmt. **) Das Schloß gehört, einige Fehler abgerechnet, unstreitig zu den edelsten neuen Gebäuden dieser

————

*) 1ter B. S. 75 – 81. 2ter B. S. 137 bis 156. 4ter B. S. 206–223.

**) Man hat davon 12 Vorstellungen in Kupfer unter dem Titel: Vues du Chateau et du Jardin de Ludwigslust etc. von 1782.

 

316 Art in Deutschland. Die Gartenanlagen umher kündigen mit ihren Verzierungen Kunst und Aufwand an, aber zugleich noch die Anhänglichkeit an die steife Manier der vorigen Zeit. Wie mannichfaltig hätte nicht das mit so vielen Kosten herbeygeleitete Wasser in einem angenehmen, mit Gängen und Aussichten durchschnittenen, und mit vielem Wild angefüllten Gehölze, genutzt werden können, anstatt daß es nun in einem langen, geraden, einförmigen Kanal ermüdet, und nur mit künstlichen Kascaden und Wassersprüngen abwechselt, an deren Seiten sich festungsmäßige Wälle erheben! – An eben diesem Ort hat der Prinz Franz, Nachfolger in der Regierung, bey seiner Wohnung einen schönen Garten im verbesserten Geschmack angelegt. Inzwischen verdienen die Gegenden um Schwerin mit dem herrlichen See und den umkränzenden Wäldern den Vorzug zu neuen veredelten Anlagen.

2.

Im Braunschweigischen fragt man nach Vechelde, wie man vormals nach Chantilly fragte, als hier der große Condé auf seinem Lustschlosse, gegen den Abend seines Lebens, von seinen Siegen ruhete. Der Prinz schien hier den unsterblichen Ruhm seiner Thaten, wie einen vergangenen Tag, zu vergessen; er lebte nur noch den sanften Tugenden des Friedens, und der Ehre der Wissenschaften; er ließ oft Gelehrte zu sich kommen, schrieb an sie, und beurtheilte ihre Werke eben so richtig, als er Plan, Anordnung und Erfolg in Lägern und Schlachten zu beurtheilen gewohnt war. Wie Condé ruhete, so ruhet Ferdinand, aber thätiger noch für die Menschheit und die Wissenschaften, und glücklicher, indem er die unverwelklichen Lorbeern, welche die ehrwürdige Stirne des Helden überschatten wollten, ganz in die bescheidne Laube des Privatmanns verflochten hat. Es ist ein sicherer Beweis von der Menschenfreundschaft eines großen Helden und von der Milde seiner Seele, wenn er nach seinen Siegen die stille Einfalt der Natur wieder liebt, die Wiesen und Aecker um sich her zu seinem Vergnügen blühen läßt, und es sich zum frohen Geschäfte macht, seinem Garten neue Fruchtbäume zu erziehen. Vechelde zeigt eine ruhige Ländlichkeit und eine erhabene Genügsamkeit, die allen leeren Prunk verwirft. Ein Dorf, ein Fischteich, Wiesen, Korngefilde, Wald, diese bloß ländlichen Gegenstände, machen die Gränze und die Aussichten des Gartens. Die ökonomische Einrichtung dieses Landsitzes hat alle Bedürfnisse und alle Ergötzungen des Landlebens in ihrem Plan umfaßt, und sie alle befriedigt. Und neue Pflanzungen von Bäumen und Sträuchern voll Blüthen und Düfte, bald aus Italien, bald aus Nordamerika, bald aus andern entgegengesetzten Himmelsstrichen, unterhalten, mit dem Geräusch eines kleinen Flusses, das Vergnügen des feinen Gartenkenners.

317 Nahe vor Braunschweig hat die regierende Frau Herzoginn ein Sommerschloß in einem überaus edlen und reizenden Geschmack aufführen lassen, das gewiß zu den schönsten Gebäuden dieser Art gehört. *) Es steht auf einer kleinen Anhöhe mit einem Abhange gegen Westen, und ist mehr zu einem kurzen Aufenthalt, als zur Bewohnung eingerichtet; allein es hat so viel Heiterkeit und Glanz, und liegt so frey im Angesicht der schönen Natur, daß man in dem mildern Frühling und Herbst, oder in den Abendstunden des Sommers sich nicht leicht eine angenehmere Wohnung denken kann. Hier ist ein kleiner Grundriß, der das Eigenthümliche der innern Einrichtung zeigt.

 

 

Wäre das zweyte Geschoß etwas höher, oder das Dach noch mit einigen Gruppen kleiner Statuen verziert, so würde das Ansehen dieses Gebäudes mehr Leichtigkeit, mehr Schwung gewinnen. Die Aussicht gegen Westen ist ländlich und sanft.

————

*) Es ist nach der Angabe des Herrn Hofbaumeister Fleischers gebaut.

 

318 Die Ocker windet sich in anmuthigen Krümmungen durch einen großen Wiesengrund. Hier folgte der kleine Fluß gern der leitenden Hand der Kunst; er machte willig einen breitern Strom, oder vertheilte sich in mehr Wendungen, wozu die niebrige sumpfigte Gegend behülflich seyn würde; er bildete Inseln, die, so wie hie und da seine Ufer, mit Bäumen oder niedrigem Gebüsch verschönert würden; auch könnte die Flachheit der jenseitigen Ebene durch Gruppen belebt, und zu kleinen perspectivischen Landschaftsstücken verbessert werden. Den westlichen Abhang von dem Lustschloß nach dem Wiesengrund hinab könnte ein schöner Rasen kleiden, worauf die Abendsonne zu spielen sich freuen würde; und die Plätze nach dem obern Eingange zu wären mit Haynen von edlen Stämmen und leichten Beschattungen zu bepflanzen. Diese Gedanken fielen mir gleich ein, als ich vor etlichen Jahren diese schöne, aber noch zu wenig benutzte Lage sah.

Die neuen sehr anmuthigen Gärten zu Luklum und Destedt bey Braunschweig sind, sowohl der Menge und Auswahl der schönsten und seltensten ausländischen und besonders amerikanischen Bäume, als auch des feinen Geschmacks ihrer jetzigen Besitzer wegen merkwürdig. *)

3.

Nach der genauen Verbindung, die der hannöversche Adel mit England hat, und nach den häufigen Reisen dahin, sollte man allerdings wohl größere Fortschritte der Kunst hier erwarten. Indessen zeichnen sich die meisten Gärten im Hannöverschen doch durch vortreffliche Sammlungen nordamerikanischer und anderer ausländischen Bäume und Sträucher aus. Außer den bereits beschriebenen Anlagen, **) verdient der wangenheimische Garten bey Hannover, der zu Eldagsen, der hakische in Ohr, der münchhausische zu Schwöbbern vorzüglich genannt zu werden.

Das königliche Lustschloß Monbrillant ist von guter und einfacher Architectur, und es würde sich bey der Vorüberfahrt nach Herrnhausen dem Auge vortheilhaft darstellen, wenn die vorliegende Allee etwas eröffnet würde. Das Gebäude ist auf beyden Seiten von zwey schattigten Haynen von Roßkastanien eingefaßt, die es wohl verdienten, noch verschont zu werden, als man den Garten umzuschaffen anfieng. An den Hayn zur Rechten stößt ein Rasen mit Tannen unterbrochen, und dann erscheint ein großer, runder, mit Orangerie besetzter Blumengarten, der noch zu viel Symmetrie in seiner Anordnung zeigt. Die neue Anlage, die erst seit einigen Jahren

————

*) Eine Beschreibung von ihnen findet man im Gartenkalender auf 1782. S. 153 u. s. w., die hier nicht wiederholt werden darf.

**) 3ter B. S. 231–251. 5ter B. S. 197–231.

 

319 ausgeführt ist, suchte die alte Steifigkeit zu überwältigen, die doch noch hin und wieder unbesiegt hervorscheint. Das Ganze besteht in einem sehr großen Rafen, der sich auf der Hinterseite des Schlosses ausbreitet, die Mitte des Gartens einnimmt, und rings umher von der gewöhnlichen Pflanzung der englischen Manier, nämlich einzelnen Bäumen und Gruppen, die mit einander abwechseln, und zwischen welchen sich die Gänge fortwinden, umgeben ist. Die Gruppen sind aus einheimischen und ausländischen Bäumen und Sträuchern, aus Stauden und niedrigen Blumenpflanzen zusammengesetzt. Ein Kanal trennt die Anlage von dem Küchengarten, der mit einer Mauer umgeben ist, und daher keine Aussichten verstattet; ein Fehler, der durch die Abtragung der Mauer bis zur Hälfte, die alsdann doch zu bekleiden wäre, oder durch ein anderes Mittel leicht gehoben werden könnte. Den besten innern Prospect genießt man von der Brücke, indem man dem Schlosse gegenüber steht, seine ganze Gartenseite mit dem hellen sandsteinartigen Anstrich über den großen Rasen her erblickt, und an seinem Rand hinauf die Gruppen und Bäume ein mannichfaltiges Gemisch von Grün bilden sieht. Der Garten ist nach seiner Umschaffung angenehm. Allein die in vielen englischen Gärten gewöhnliche Anordnung, die um einen in der Mitte sich ausbreitenden Rasen alle Wege sich herumwinden läßt, hat nicht bloß Einförmigkeit, sondern auch die Unbequemlichkeit, daß die Spaziergänger immer auf einander stoßen und sich nicht ausweichen können. Diese Unbequemlichkeit wird größer bey öffentlichen Spaziergängen, wozu der Garten zu Monbrillant dient.

Herrnhausen, das bald nach feiner Anlage so berühmt ward, wird wahrscheinlich mit der Zeit eben die Veränderung erhalten, wie Monbrillant. Die Lage eröffnet hier verschiedene vortreffliche Aussichten. Die breiten und langen Wege zwischen den Hecken gleichen Landstraßen. Das Merkwürdigste in diesem Garten ist noch immer die große Fontaine, die, wenn sie mit allen fünf Rädern geht, bey stiller Luft 120 Fuß steigt, und wohl die höchste in Deutschland ist. Ihre jährliche Unterhaltung kostet einige tausend Thaler. Obgleich Werke dieser Art ein Zwang gegen die Natur sind, die uns das Wasser schon unter so mancherley Abänderungen bald stehend, bald laufend, bald fallend zeigt, so scheinen sie doch, außer, daß sie wohl am meisten in romantische Anlagen gehören, *) auch die Pracht königlicher Gärten vermehren zu dürfen. Die Röhre liegt ganz nackt vor dem Auge, und sollte etwas Verkleidung von Felsstücken haben; selbst das Bassin könnte noch einige Verschönerung annehmen. Die Wirkung der aufsteigenden Wassersäule würde prächtiger seyn, wenn sie ein hohes finstres Gehölz zum Hintergrunde hätte. Man sieht schon jetzt, daß sie sich weit schöner zeigt, wenn das Silberwasser gegen eine dunkle Wolke spielt, als gegen

————

*) S. 2ten B. S. 125 und 126.

 

320 die hellblaue Luft. Die majestätisch sich erhebende Säule, ihr verdünntes, silbernes, zum Theil in Schaum aufgelöstes Wasser, die Blicke der Sonne, die darinn mit tausend aufblinkenden und wieder verschwindenden Lichtern spielen, das Geräusch der immer aufsteigenden, und das Geplätscher der niederstürzenden Massen, der Schlagschatten, der sich an den umstehenden Bäumen bewegt, zittert und fällt, alles dieß bildet hier einen reizenden Anblick. Es ist vielleicht das einzige Springwasser, das man seiner Höhe wegen mit einer Wonne betrachtet, die sich dem Gefühl des Erhabnen nähert. Man wird nicht leicht müde zu sehen, wie die blendende und schäumende Pyramide empor steigt. Sie fliegt und strebt den Wolken entgegen, stürzt zurück, und murmelt im Stürzen, und tobt voll Unwillen, daß sie zu ohnmächtig war, sie zu erreichen. Mit neuer Kühnheit steigt sie wieder empor, ist dem Himmel nahe, und wälzt sich, und brauset gleich wieder im Abgrund. In veränderter Gestalt schwebt sie wieder empor; nun hebt sie sich höher; nun scheint sie die Wolke zu fassen und in ihrer Höhe zu verweilen; doch seht, wie sie wieder sinkt, wie alles von oben ihr nach fällt, sich stürzt, und drängt, und mit einem wilden Getöse jagt, daß der nasse Staub weit umher zerfliegt. Die Bäume umher, so oft sie auch schon die Gewalt des Menschen gefühlt, scheinen voll Verwunderung dieß Werk seiner Kunst anzustaunen, und die Vögel selbst darüber mitten in dem Lobgesang der Natur zu verstummen. Indessen schäumt die stolze Säule immer in ihrer Höhe, blitzende Diamanten springen oben ab, fallen und verschwinden, wie der Kronenschmuck von den Häuptern der Monarchen.

 

 

321 4.

Im Hildesheimschen ist der Garten des Herrn von Steinberg zu Brügge merkwürdig wegen der Menge der schönsten und seltensten Pflanzen, besonders aber amerikanischer Bäume.

Zu Arolsen im Waldeckischen hat die verwittwete Frau Fürstinn Christiana einen Garten in der verbesserten Manier mit vielem Geschmack angelegt. In einer trefflichen Beschreibung von Pyrmont, *) die Herr Hofmedicus Marcard zu Hannover kürzlich herauszugeben angefangen, sind zugleich die Annehmlichkeiten und Verschönerungen dieses berühmten Brunnenorts in einer mit schönen Kupfern begleiteten Schilderung vorgestellt.

Auf den Landgütern in Hessen hat sich der gute Geschmack der Gärten noch wenig ausgebreitet. Einen schönen philosophischen Ruheplatz hat der Herr General von Schlieffen, einer der edelsten Männer unsers Jahrhunderts, zu Windhausen; und zu Ried besitzt der Herr Landrath von Meiseburg einen mit Geschmack verschönerten Landsitz, der sich zugleich durch die Weite seiner herrlichen Aussichten auszeichnet.

Zu Cassel sieht man auf dem Modellhause verschiedene vortreffliche Vorstellungen, die den Gartenfreund interessiren, und daher hier angezeigt zu werden verdienen. Außer den Schlössern, die für die Aue und den Weißenstein bestimmt waren, zeichnen sich vorzüglich durch ihre Architectur aus: ein heitres und offenes Lusthaus, das auf der Insel im Augarten aufgeführet werden sollte; ein großes, prächtiges und geräumiges Jagdschloß; ein leicht gebauetes Vogelhaus; ein ansehnliches und weitläuftiges Palais für den Garten Bellevüe; ein kleines sehr nettes Jagdhaus oder auch Landhaus von einem Viereck, mit einem flachen Dache und einer runden Kugel in der Mitte, in einem anmuthigen Stil. Diese Gebäude ruhen hier noch bloß als Modellstücke, und erwarten das Glück der Ausführung, oder doch wenigstens den Ruhm, durch Zeichnungen und Kupferstiche den Architecturfreunden bekannter zu werden. Sie beweisen zugleich den edlen und reinen Geschmack der Baukunst, den der Landgraf Carl nährte, nach dessen Anleitung sie alle gemacht sind. Hätte dieser zu großen Unternehmungen gebildete Fürst länger gelebt, oder die Einkünfte seiner Nachfolger gehabt, so würden gewiß seine Schlösser und Gartengebäude durch die hohe Schönheit der Architectur ganz Deutschland erleuchtet haben. Nur die Gartenkunst seiner Zeit hätte nicht mit den Gebäuden gleichen Fortschritt halten können. Man wundert sich, daß nichts von diesen vortrefflichen

————

*) 1ster B. 8. Leipzig, 1784.

 

322 Gartengebäuden, welche doch die neuen Werke auf dem Carlsberg übertreffen, zur Ausführung gelangt. Es scheint, daß es hier, wie an vielen andern Höfen, an einem Mann fehlt, der mit Kenntniß und Geschmack das Gartenwesen leitete.

Von allen jetzt vorhandenen Lustschlössern des Landgrafen von Hessencassel ist unstreitig Wilhelmsthal das beste in Ansehung der Architectur. Es ist von regelmäßiger Form, in dem Stil der guten französischen Baumeister. Nur ist es in einem fürstlichen Schlosse unschicklich und unbequem, daß gerade über den Zimmern im zweyten Stockwerk den Bedienten ihre Wohnungen in der Mansarde angewiesen sind. Die zur Jagd bequeme Lage scheint die erste Veranlassung zum Anbau dieser sonst zu einem Garten wenig geschickten Gegend gegeben zu haben, wo man mit großen Kosten Moräste austrocknen, und überall Erde auffahren mußte. Die Lage hat keine Aussichten, und der Garten ist im holländischen Geschmack. Doch hat er einige angenehme von hohen Platanen beschattete Plätze. Die Grotte *) ist nach dem Geist ihrer Zeit voll Architectur und Verzierung; die mancherley mit Muscheln und Steinen, mit einer eben so mühsamen als getreuen Nachbildung, ausgelegten Figuren reizen das Auge zur Verwunderung, und lassen es in eben diesem Augenblick die unnütze Kostbarkeit wahrnehmen, die sich so weit von den Grotten der Natur entfernt, und zugleich für die Unterhaltung so lästig ist. Neben dem Garten liegt ein bepflanzter Berg mit einem runden offenen Tempel, der wegen der Aussicht bestiegen zu werden verdient, und die Langeweile der untern Gegend wieder vergütet.

Das alte Schloß zu Homburg, die Residenz der hessischen Landgrafen dieser Linie, hat auf seiner abhängigen Seite eine Pflanzung, oder vielmehr ein Lustgebüsch von mancherley einheimischen und ausländischen Bäumen und Sträuchern, worinn verschiedene Gänge herumführen. Man hat den Abgang hinunter in der Tiefe den Anblick eines großen Wasserstücks, zu welchem die Gänge hinableiten, und in der Ferne die Aussicht auf schöne Wälder. Die ganze Landschaft umher zeigt verschiedene waldigte Berge. In einiger Entfernung von diesem Lustgebüsch sind zwey Wälder mit Spaziergängen bereichert, der kleine und der große Tannenwald, die nicht weit von einander liegen; der erste ist der nächste und schönste, auch scheint seine Einrichtung vollendet, die in dem letztern noch in der Ausbildung steht. Beym Eintritt in den kleinen Tannenwald erblickt man zunächst einige Rafenstücke mit Blumen, und darauf eine runde weißangestrichene Colonnade, die auf einer in einem Teiche erhöheten Insel steht; wohin eine Brücke führt. Diese kleine Insel ist mit Blumen und blühenden Sträuchern geziert, und bietet einen anmuthigen Sitz dar,

————

*) Sie ist von Mayr gestochen.

 

323 der noch mehr gefallen würde, wenn die Colounade oben bedeckt wäre, und Schirm vor der Sonne gäbe. Um den Teich, der, wie die Rasenstücke beym Eingange, eine zu regulaire Form hat, laufen rings umher Gänge, die sich bald gerade, bald gewunden in den Tannenwald hinziehen, mit schönen Aussichten in die Ferne der Landschaft. Hie und da mildern Laubhölzer, die zwischen den Tannen erscheinen, den Ernst dieser Bäume, die sich nicht wohl zu einem Lusthayn schicken. Man hört einen Wasserguß tauschen, und sieht einen Bach herunterirren; indem man ihm nachgeht, gelangt man zu einem Cabinet, bey dessen Eingang ein kleiner Springbrunnen plätschert, der an diesem Orte, anstatt zu steigen, vielleicht anmuthiger von Felsenstücken herabmurmelte. Verschiedene Arten von Sitzen winken umher; die Bänke erwarten, anstatt des grünen, einen weißen oder grauen Anstrich. Hinter den Tannen kommt man zwischen Buchen zu einem abgesonderten, mit Bäumen und blühenden Gewächsen bepflanzten Revier, worinn sich ein Pavillon erhebt. Ein Kenner wünscht hier, daß die Bäume, anstatt noch zu genau nach der Linie zu siehen, freyer und mit Geschmack gruppirt erscheinen möchten Uebrigens ist dieser kleine Wald ein geliebter Ort der Zuflucht aus der Gesellschaft, der Aufenthalt des Schattens und der Kühlung, und die Heimat des ruhigen Selbstgenusses.

5.

Auf dem Wege von Frankfurt am Mayn findet man Rumpenheim im Hanauischen, in einer angenehmen Lage auf dem Ufer des Flusses, mit Prospecten in die umliegenden Landschaften nicht weniger, als auf Frankfurt, Offenbach, Hanau, und andre Oerter. Die Fahrzeuge, die auf- und abgehen, und die nahe dabey nach Frankfurt laufende Landstraße beleben die Aussicht. Der kleine Garten hat eine freye Pflanzung von einheimischen und ausländischen Bäumen, worunter sich besonders treffliche Katalpen (Big. Cat.) befinden, die alle Jahre blühen und reifen Saamen bringen, der glücklich aufgeht; ein Beweis von der Milde dieses Himmelsstrichs. Der Garten verdient wegen seiner heitern Lage verbessert zu werden. Dazu gehörte besonders die Niederreißung der noch übrigen alten Hecken, und die Vertheilung des großen Gebüsches in schönere Gruppen, wodurch zugleich mehr Gänge gewonnen würden. Die Zimmer des Schlosses sind so klein und niedrig, daß sie den Wunsch nach einem neuen Gebäude erregen.

Von einer weit bessern Architectur und einem edlen Ansehen ist das Schloß zu Philippsruhe. Das Hauptgebäude, das in einem länglichen Viereck zwey Stockwerke, und darüber ein gebrochenes Dach hat, ist mit zwey Flügeln und Pavillons gut verbunden. Dem Haupteingange des Schlosses gegenüber, liegen in einer Ent324fernung, die einen geräumigen Vorplatz verstattet, vier Pavillons, zwey und zwey mit einander verbunden, durch deren Mitte die Einfahrt geschieht. Der Mayn fließt fast unter den Fenstern vorbey. Zwischen ihm und dem Schlosse giebt eine große steinerne Teryasse, in deren Gewölbe sich die Küche befindet, die Aussicht in schöne und fruchtbare Ebenen, worinn Hanau, Steinheim und andre maynzische Oerter erscheinen. Der Fluß macht ein angenehmes Geräusch im Vorüberfließen; der Garten, der sich an ihm hinzieht, unterscheidet sich durch nichts als durch diese Lage und eine Allee von großen, freywachsenden, abendländischen Platanen.

Ein überaus schöner Garten, der mich in dieser Gegend überraschte, liegt nahe bey dem Städtchen Dieburg im Churmaynzischen, dem Herrn Baron von Großschlag, französischen Gesandten bey dem oberrheinischen Kreise, zugehörig. Er scheint noch wenig bekannt, und gehört, ob er gleich in einer Ebene liegt. und wenig erhebliche Aussichten hat, doch in Ansehung der Kunst der Pflanzung und der feinen und noch so seltenen Malerey des Laubwerks, zu den besten in Deutschland. Man fühlt gleich beym Eintritt, daß hier ein Mann von Geschmack gearbeitet hat. Ein Bach zwischen Weiden leitete mich zu einer Brücke, die in den Garten führt. Man gelangt von dieser Seite gleich in eine schöne Anlage von schattigten Gruppen, und hat zur Rechten den Bach. Der Pfad geht zwischen Gruppen und Rasen; ein schöner Tempel ruft zunächst das Auge. Man hat zur Linken einen ausgebreiteten Rasen mit großen; von dem verschiedenen Laubwerk ausländischer und einheimischer Bäume malerisch gebildeten Gruppen, und gelangt zwischen eben solchen Gruppen, an welchen weiße Bänke einladen, zu dem runden Tempel. Er ist nach einem richtigen Verhältniß gebauet; seine runde Kupel ruhet auf sechs Säulen jonischer Ordnung, und ein weißer Anstrich hebt sein Ansehen gegen die hohen italiänischen Pappeln, die sich hinter ihm gruppiren, auch einzeln umher stehen, und seine Ansicht nicht wenig veredeln helfen. Der Bach, der Rasen, die Gruppen, die Aussicht in die Landschaft bereden bald den Freund des Schönen, unter diesem Tempel zu verweilen. Der Pfad geht hinter ihm zwischen Gruppen fort. Man hat zu beyden Seiten zwey große Rasen, und erblickt zur Rechten in der Mitte einer Gruppe die Statue der Flora auf einem erhabenen Fußgestell. Diese wohl angelegte kleine Scene macht eine gute Wirkung, indem das dunkle Laub des Gebüsches und die Vertiesung der Stelle, worinn die weiße Statue erscheint, noch mehr ihr Ansehen hebt. Rings umher hinter der Gruppe, die in einer gewissen Entfernung vom Wege sich zeigt, streben Gebüsche mit Bäumen vermischt, den Anblick des unansehnlichen Städtchens Dieburg zu verbergen und den 325 Garten in seine liebliche Ländlichkeit einzuschließen. Auf dem großen prächtigen Rasen zur Linken wechseln einzelne Bäume mit Gruppen, über welchen hohe Gipfel emporragen. Man gelangt bald in ein dichtes, schattigtes Gebüsch; ein kühler Sitz der Ruhe, ein erquickender Platz des Serbstgenusses. Liebliche Lichter spielen von den Seiten herein, und machen die Beschattung freundlicher; sie verdrängen nicht die grüne Dunkelheit des Laubes, sie mindern sie nur zur Dämmerung; kein Ernst und keine Heiterkeit, sondern ein süßer Mittelstand zwischen beyden, eine unbeschreiblich sanfte Milde, wie die ersten aufglimmenden Schimmer des Morgenhimmels, die das Erwachen eines schönen Maytages ankündigen. Dieser kleine Fleck könnte schon allein den Weisen befriedigen, der die Ruhe des Denkens im ländlichen Schatten sucht. – Beym Austritt aus diesem Gebüsch sieht man bald eine hohe italiänische Pappel sich allein am Wege erheben; zu beyden Seiten erweitern sich wieder die Rasen; die Gruppen zeigen sich von andern Ansichten mit wechselndent Colorit. Verschiedene Pfade zerstreuen sich hier aus einander zwischen den Gruppen, und irren in dichten Pflanzungen umher, wo sich zuweilen ein schöner Baum, wie die Katalpa, an der Ecke zeigt. Solche Wege laufen zur Rechten fort. Wir verfolgen den obern, und kommen in einen ernsten, finstern Gang, zwischen lauter Tannen und Fichten; alles ist dicht und schattenvell; weiße Bänke schimmern durch die Dunkelheit. Es öffnen sich zwey Ausgänge; der erste ist auch der angenehmste. Das Auge fällt auf eine schöne babylonische Weide, die vor der Oeffnung erscheint. Heitres Grün erquickt, wenn man aus der Nacht der Tannen tritt, unbeschreiblich das Auge; es wird hier gleich von sanften Erhöhungen und lebhaften Rasen begrüßt, in deren Vertiefung ein kleiner Bach vorüber murmelt. Noch zwey andre große babylonische Weiden verschönern die Gruppe über dem Bach hin; zur Rechten bleibt eine Pflanzung von Lerchenbäumen; zwischen ihnen und den Tannen, woher wir kamen, zieht sich heiter der Rasen hin. Man geht zwischen Gruppen und einzelnen Bäumen fort, bald im Schatten, bald im Freyen, auf den Seiten Rasen, zur Linken darinn Obstbäume nach der Linie, die leicht durch einige andre Zupflanzungen unterbrochen werden könnte, da diese Fruchtbäume hier als ein Theil von der ganzen Anlage betrachtet werden. Zur Linken zeigt sich ein im chinesischen Geschmack gebaueter Schattensitz, wo man eine liebliche Aussicht über den Bach hin und über die ihn umfassenden sanften Rasenerhöhungen hat, die mit einzelnen ausländischen Bänmen malerisch geziert sind. Zu diesem Sitz, in dessen Nähe man einen vertieften und fast ganz verborgenen Wasserfall rauschen hört, führt auch ein andrer langer Weg zwischen Gebüschen von ausländischen und einheimischen Holzarten hin. Man 326 kommt bey einem großen Bach vorbey, der von dem Spiel der Fische belebt, und dessen Ufer von hohen babylonischen Weiden überschattet werden. Schöne ausländische Bäume, Tulpenbäume, Gleditsien, schwarze Wallnußbäume, Robinien, Sumoche, Platanen, Katalpen u. a. erheben sich hier aus den Gebüschen, die in dieser Gegend hin und her mit Blumen eingefaßt sind. Man ruhet hier gern auf einer der Bänke, die in abwechselnden Formen gebauet sind, und läßt das Auge an den schönen Gebüschen sich weiden. Von dem chinesischen Sitze winden sich sehr schattenreiche Gänge an der Gränze des Gartens, die hier verdeckt ist; auch werden die anstoßenden Gebäude durch dichte Anpflanzungen glücklich versteckt. Indem man sich über eine Brücke wendet, sieht man zur Rechten das Wohngebäude hinter einer Mühle am Wasser hervorblicken, und zugleich die Statue des Apoll das Ende einer kleinen Allee begränzen, die in eine sehr große französische Gartenparthie fährt, die nahe vor dem Hause herum liegt, mit Alleen, Vasen, Statuen und einem Pavillon. Man hat von diesem grossen Platze mancherley treffliche Aussichten in die Landschaft, besonders eine ausgedehnte Wiese, worinn verschiedene Baumgruppen sich erheben, die das Auge auf besondre Gesichtspunkte und Gemälde locken. In den Entfernungen dient bald die Rotunde am Eingange des Gartens, bald ein Obelisk, bald ein Kirchthurm von Dieburg dem Auge zum Ruhepunkt. Wir wenden uns wieder bey der Statue des Apoll in den Garten zurück, und kommen bey einem sehr grossen Platanus vorbey, zu einem malerisch bewachsenen Hause, das zu einem kühlen Ruhesitz dient. Es steht am Bach, in einem Gebüsch von Feldrosen, und im Schatten hoher Bäume, mit einem Strohdach, hat ein ländlich wildes Ansehen, aber eine schöne Aussicht über den großen Rasen und die Gruppen, die wir vorher durchwanderten. Indem wir von hier weiter gehen, kommen wir zur Linken über eine Brücke, die über einen großen Bach in die Gebüsche des Gartens hineinführt. Man sieht links eine Gruppe von Seekreuzdorn gegen ein Rosengebüsch contrastiren, zwischen welchen ein Pfad hinläuft. Wir wandeln rechts zwischen heitern malerischen Gruppen fort, auf der einen Seite der Bach, auf der linken die Aussicht auf den großen Rasen und die ihn umziehenden Pflanzungen. Der Weg windet sich bald im Hellen, bald im Dunkeln, bald im Freyen, bald im Verschlossenen fort. Man gelangt unversehens wieder zu der Rotunde, und sieht sie mit Vergnügen, indem sie sich in dem großen Bach spiegelt. Hier bemerkt man noch auf der angränzenden sich weit verbreitenden Wiese verschiedene große wohl angelegte Gruppen, die nicht allein schöne Prospecte bilden helfen, sondern auch zugleich eine täuschende Vorstellung von der Ausdehnung 327 des Gartens geben, welche Wirkung auch durch eine artige Brücke unterstützt wird. Indessen winden sich an diesen Gruppen auch einige Wege hin.

In diesem mit so vielem Geschmack angelegten Garten scheint indessen der Rasen nach dem Verhältniß des Gartens zu groß; er könnte noch durch einige Gruppen und Gänge getheilt werden, die manche reizende Durchsichten eröffneten.

 

 

6.

Eine der merkwürdigsten Anlagen in diesen Gegenden ist Schönbusch bey Aschaffenburg, dem gewöhnlichen Sommeraufenthalt des jetzigen Churfürsten von Maynz. *) Der große Plan dieses weisen und thätigen Fürsten, der seine Regierung durch so viele vortreffliche Anstalten verewigt, geht nicht bloß auf Verschönerungen, so sehr sich hierinn auch der feinste Geschmack verbreitet; er umfaßt zugleich alle nutzbaren Zweige der landwirthschaftlichen Cultur, und ist so edel in seiner Absicht, so wichtig für den Erfolg, so glücklich schon in einigen Theilen ausgeführt, daß eine vorläufige Anzeige mit allem Recht hier eine Stelle fordert. Das Werk ist erst vor einigen Jahren angefangen; und Jahre gehören noch zur Vollendung des Ganzen. Demnach nur einige Nachricht von dem; was ich sah. **)

Sobald man sich Aschaffenburg nähert, wird der Fremde gleich von dem Geist der Verschönerung, der sich in den neuen Bepflanzungen der Zugänge zeigt, begrüßt. Das Schloß, von unten bis oben aus großen Massen von rothem Sandstein erbant, hat eine kühne Lage über dem Mayn, ein erhabenes Ansehen und die weitesten Aussichten. Es hat vier hohe Thürme, die nebst dem mir ihuen zusammenhängenden Gebäude ein größes Viereck bilden, die noch mit einigen andern

————

*) Se. Churfürstl. Gnaden, Hr. Carl Friedrich Joseph, geborner Reichsfreyherr von und zu Erthal u. s. w.

**) 1783.

 

328 niedrigen Thürmen abwechseln, und in der Mitte einen weiten innern Hofraum einschließen. Diese halb gothische Bauart giebt zwar dem Schlosse ein festungsmäßiges Ansehen; aber es ist zugleich mit so viel Stärke, die Jahrhunderten trotzt, mit so viel erhabener Würde, die das Alterthum giebt, und mit so viel stolzer Pracht, die aus den großen Massen der rothen Steine hervorleuchtet, verbunden; es steht so kühn auf einer Anhöhe an dem steilen Ufer des Flusses, der sich tief in den Ebenen fortwälzet, und es beherrscht so viele entfernte Landschaften, daß man es nicht ohne Bewunderung ansehen kann. Auch macht es von allen Seiten her einen Eindruck, den das schönste und regelmäßigste Gebäude nicht geben würde. Man weiß immer, daß Schlösser dieser Bauart keine Feinheiten des Ansehens haben; aber man weiß selten, daß sie oft in ihrem Innern mit der Größe eine Bequemlichkeit vereinigen, die man zuweilen in den schönsten neuern Gebäuden vermißt. Hier kommt noch der Vorzug hinzu, daß die Gemächer vortrefflich ausgebauet, und in einem sehr edlen und feinen Geschmack meublirt und ausgeziert sind. Dieß ist ein Werk des jetzigen Churfürsten, der zugleich das Vergnügen hat, daß alles, was zu diesen geschmackvollen Auszierungen gehört, von Künstlern seines Landes verfertigt ist.

Die nächsten gartenmäßigen Verschönerungen zu Aschaffenburg sind in den Gräben oder zwischen den alten Ringmauern der Stadt ausgeführt. Sie sind vor etwa sechs Jahren angefangen, und zeigen die Liebe des Fürsten zur Veredelung auch solcher Plätze, so weit nur der tiefe, schmale, eingeschränkte und oft widerstrebende Raum sie aufnehmen wollte. Aber es ist doch alles so mannichfaltig und abwechselnd, und weicht von der gemeinen Art der Bepflanzung so sehr ab, daß man hier in einem kleinen Bezirk sieht, wie man auch solche Gegenden verschönern kann, daß sie einen Kenner unterhalten. Die Mauern hat man hie und da mit Epheu, Wein, Pappeln und Obstbäumen zu verkleiden gesucht, wodurch die enge Verschließung auf einige Art vergütet wird. Man geht zuweilen in der Tiefe zwischen schönen Fruchtbäumen fort, und die steilen Anhöhen auf beyden Seiten sind mit allerley einheimischen wilden Bäumen und Sträuchern bepflanzt, worunter sich hie und da verschiedene amerikanische und andere ausländische befinden. Doch besteht die Pflanzung vornehmlich aus einer Menge von italiänischen Pappeln, die man in allen Gegenden von Aschaffenburg so häufig antrifft. Außer dem untern Hauptgang in der Tiefe heben und senken sich an den Abhängen noch einige schmale Pfade. An einigen Stellen erweitert sich der Platz mehr ins Freye. Man gelangt auf einen großen Rasen, worauf einige Strauchgruppen erscheinen, und wo sich die Aussicht auf die benachbarten Hügel hinausdrängt. Dieser Platz verdient, der Erfrischung wegen, ohne Bepflanzung ein freyer Rasen zu bleiben. Nahe bey diesem etwas erhöhten 329 anmuthigen Platz befindet sich ein Kanal, den schöne Pappeln umgeben. Nachher erweitern sich wieder die Spaziergänge, und breiten sich vornehmlich in der Seite, wo sie sich nach der Gegend des Mayn hinwenden, in verschiedene anmuthige Pfade aus. Man erblickt hier eine Menge trefflicher Pappeln; doch möchte wohl die Pflanzung dichter und mannichfaltiger, und die Zeichnung der Plätze weniger symmetrisch seyn. Nachdem sich die Pflanzung fast um die ganze Stadt, meistens in der Tiefe herumgewunden hat, breitet sie sich zuletzt in eine prächtige Aussicht aus. Man erblickt in der Tiefe über ein buschigtes Ufer den Mayn mit allen seinen Wendungen, eine ansehnliche steinerne Brücke, die über ihn führt, diesseits eine kleine malerische Insel im Strom, zur Linken das Schloß auf seiner Höhe, und neben ihm vorbey fruchtbare und bebauete Berge, an ihren Seiten hin eine weite ausgedehnte Fläche, die eine nach Frankfurt laufende Pappelallee durchschneidet, über sie hin eine angenehme Ferne von Waldungen begränzt. In der Mitte der nähern Gegenden erscheint Schönbusch in der Fülle seiner Reize. Man kann nicht leicht schönere Aussichten vereinigt finden, als hier. Zu ihrem Genuß ist ein kleines Gebäude aufgeführt, das sowohl durch seine Lage, als auch durch seine Architectur, das Auge auf sich zieht. Es steht kühn auf der Spitze eines hohen steilen Felsens, der nach dem Ufer des Mayns sich hinzustürzen scheint. Es hat die Form eines runden Tempels mit einer runden niedrigen Kupel; der Haupteingang stellt eine Art von Vorhalle vor, die mit zwey jonischen Wandpfeilern geziert und mit zwey hohen Fenstern versehen ist. Der Tempel selbst hat vier hohe herabgehende Fenster und noch zwey Eingänge zur Seite, außer einem Austritt, der auf einen über den Mayn hängenden Altan führt; jeder dieser beyden Eingänge ist, gleich dem bey der Vorhalle, mit zwey jonischen Säulen geschmückt. Das ganze Gebäude ist vom rothen Sandstein, der in dieser Gegend gebrochen wird, aufgeführt, und hat ein sehr gutes Ansehen. Auch macht es, aus den untern Gegenden betrachtet, einen sehr angenehmen Prospect. Man sieht zur Linken das Schloß von Aschaffenburg, und seitwärts führen Pfade zu dem Ufer des Stroms hinab, der von Fahrzeugen belebt ist. Bey kühlen Sommerabenden ist dieß ein überaus reizender Sitz; in andern Stunden des Tages ist das Gebäude wohl zu hell und zu warm. – Indem ich hier mit so vielem Vergnügen umherwandelte, bot sich mir eine Bemerkung an, die aus dem Charakter des Orts und einigen zufälligen Umständen entsprang. Die Tiefe, worinn die Gänge zwischen den Mauern sich hinziehen, die verdüsternde Höhe, das Alter und die Merkmale der Zerstörung an diesen Mauern, die zwischen ihnen trauernden Ueberbleibsal zertrümmerter Thürme, die großen Ruinen eines im dreyßigjährigen Kriege zerstörten Nonnenklosters, worauf der Weg führt, der Anblick so vieler emporragenden Kirchen und 330 Klöster, so vieler Kreuze und Bilder der Heiligen, welche die Andacht an diesen Oertern aufgestellt hat, das beständige Geläute, das so mannichfaltig durch einander tönt, die todte geschäftlose Stille der Stadt, die nur durch die Gegenwart des Hofes belebt wird – alles dieses flößt der Seele des Umherwandernden eine gewisse Schwermuth ein, und scheint, anstatt einer muntern Pflanzung, hier eine weitere Ausbildung des melancholischen Charakters der Gegend schicklich zu machen. Eine Pflanzung mit dunkeln Nadeln oder Laub könnte demnach diesem Charakter in den vertieften Gängen folgen, und die verstärkten Scenen der Melancholie drängten sich hinter einander, bis sie da, wo die Aussichten des Mayn und seiner Landschaften hervorbrechen, auf einmal mit einer lebhaften Ueberraschung in Scenen der Heiterkeit übergiengen. Hier wandelt die Natur selbst den Charakter. Der Ausgang in Freude ist hier eben so wahr, als dort Melancholie herrscht; das beschriebene Gebäude lockt die Seele von der Einsamkeit zur Welt, von der stillen Betrachtung zum Genuß zurück; die Bilder von Freyheit, von Geschäften, von Leben, von Vergnügungen der Schöpfung glänzen in der klaren Flut des Mayn, und lachen aus allen umliegenden Landschaften hervor.

Eigentlich machen die Verschönerungen von Aschaffenburg nur einen Theil von den großen Anlagen des Churfürsten; es liegt fast in der Mitte der Ländereyen, die zu den neuen Anpflanzungen, Gebäuden und allen Zweigen nützlicher Veranstaltungen des Gartenwesens und der Landwirthschaft bestimmt sind. Das Ganze beschreibt einen Umkreis von sechs Stunden. Es ist eine große weite Landschaft, die vom Mayn durchströmt wird, und meistentheils aus einer Ebene besteht, aber doch zum Theil waldigte Berge enthält, worauf Wälder, Weinberge, Weiden und Saatfelder in einem angenehmen Gemisch erscheinen. Der Boden ist in der Ebene um Schönbusch freylich etwas unfruchtbar, aber gegen den Mayn zu schon weniger, und wird durch vielen Fleiß verbessert. In dem Umfang der Pläne liegen ganze Wälder, besonders von Nadelhölzern. Die Stadt, die Kirchen, die Klöster und besonders das ehrwürdige Residenzschloß von Aschaffenburg machen einen großen Prospect mitten in diesen Anlagen. Hinter Aschaffenburg befindet sich die Fasanerie für zahmes Geflügel und der Park oder Thiergarten, der viele Berge, hohe Wälder und tiefe Thäler in sich begreift, und auf 400 Stück Rehe und Hirsche ernährt. Die Gegenden des Parks sind, wegen der vielen Berge und der Menge weiter und reizender Aussichten, überaus belebend. Das Auge irrt zwischen nahen und fernen Bergen, Wäldern, grünenden Tiefen und freyen Plätzen umher, wo Heerden von Wild grasen. Man schaut über die Stadt Aschaffenburg, die hier in der Niedrigung liegt, hin auf den glänzenden Maynstrom, der sich durch die 331 grünen Ebenen windet, und auf die Seen und den schönen Fluß bey Schönbusch. In den Wäldern des Parks sind Wege zum Reiten, und an den Ausgängen des Holzes, wo das Wild auf die offenen Grasplätze tritt, hin und wieder Schießhäuser angelegt, die zugleich angenehme Ruheörter sind. Ganze Flächen sind zur Nahrung der Thiere besäet. Eine vortreffliche Einrichtung, die am meisten beyträgt, die Jagd zu erleichtern und menschlicher zu machen, und das Wild theils durch die Einhegung von dem Getraide des Landmanns abzuhalten, theils auch in seiner Aufjagung und Verfolgung die Saatfelder zu schonen. Diese Wildbahnen erhalten außerdem noch zum Vergnügen überaus abwechselnde Spazierwege.

Die eben erwähnte Fasanerie für das zahme Geflügel nimmt nicht weniger einen sehr beträchtlichen Bezirk ein. Man sieht hier dichte Wäldchen, wo Fasanen und andre Gattungen von Geflügel umherstreifen, wo Häuser zu ihrer Beschirmung und Teiche angelegt sind, umpflanzt mit italiänischen Pappeln, hinter welchen sich der Schütze verbergen kann. Ueberall winden sich in diesen belebten Revieren schattigte Spaziergänge neben verdeckten Schießhäusern umher.

Hinter der Gegend von Schönbusch wird eine andere große Fasanerie für wilde Fasanen, Rebhüner und andres Geflügel angelegt. In einer andern Gegend wird ein sehr ansehnlicher Oekonomiehof eingerichtet, wo in allen Theilen der Landwirthschaft, besonders der Viehzucht und der Bienenzucht, Versuche und Erfahrungen gemacht und künftige Beamte und andre junge Leute gebildet werden sollen. Viele Felder und Wiesen sind für dieses vortreffliche Institut bereits angewiesen. Auch ist eine beträchtliche Zucht von Schweizer Rindvieh angefangen, womit eine Schaafzucht und eine Erziehungsanstalt von allerley Hausgeflügel verbunden wird; dazu kommt eine große Obstbaumschule und eine Anpflanzung ausländischer Hölzer. Die dazu nöthigen Gebäude werden aufgeführt. In einem derselben werden die jungen Oekonomen wohnen; nicht weit davon wird ein Pavillon erbaut, wo der Churfürst zuweilen abtreten, und selbst die Aufsicht über diese vortreffliche Schule führen wird. Ein solches Beyspiel, von so wirksamen Unterstützungen begleitet, gilt mehr, als tausend leere Aufforderungen in den gewöhnlichen fürstlichen Verordnungen. Bisher fehlte es im Churmaynzischen an Industrie und Kenntniß in der Landwirthschaft. Der jetzige Churfürst glaubt mit Recht sein Land nicht besser beglücken zu können, als durch Beyspiel und Erfahrung zu zeigen, wie das Landwesen zu verbessern sey, und wie viele bisher verstopfte Quellen der Nahrung und des Wohlstandes dadurch eröffnet werden können.

Fast gegen das Ende dieser Anlagen, von Aschaffenburg an gerechnet, die, so sehr sie auch die Landschaft verschönern helfen, doch vornehmlich auf das Nutzbare 332 sich beziehen, liegt gegen Westen Schönbusch, als der schönste, am meisten geschmückteste Theil, dessen Bestimmung ist, Vergnügen zu nähren und Vergnügen zu verbreiten. Ein sehr ansehnliches Gebüsch, das seit etwa sieben Jahren angelegt ist, und über eine Stunde im Umgang hält, führt mit Recht den Namen von Schönbusch. Die Natur hat hier durch vortreffliche Eichen und andre Waldbäume den Anfang der Pflanzung gemacht; demnächst beeiferte sich der gute Geschmack, diese Gegend noch durch Anpflanzung einheimischer und ausländischer, besonders nordamerikanischer Bäume, Sträucher, Stauden und Pflanzen zu verschönern. Man findet darunter viele seltene und schöne Bäume, die in diesem wärmern Klima glücklicher fortkommen, besonders eine große Sammlung von Rosen. *) Es ist eine überaus reizende, frische und schattenreiche Pflanzung. Sie ist von einem Bache mit verschiedenen Krümmungen und kleinen Wassergüssen belebt. Die Ruhesitze unter hohen Eichen, die weißen Bänke und die Brücken, die hin und wieder die Spaziergänge verbinden und verschönern, die mancherley Arten von Spielen, noch mehr die hie und da in den Rasen aufblühenden Blumengruppen, alles dieses trägt zur Auszierung dieses Lustgebüsches bey. Hin und wieder mehr Oeffnung, mehr Rasen, mehr Abwechselung mit einem kleinen Lusthayn voll schöner schlanker Stämme, würde noch den Reiz dieser Anlage heben. Indessen haben einige Stellen ganz vortreffliche Aussichten in die umliegenden Landschaften. Vornehmlich aber giebt das Wasser, das vor dem Lustgebüsch angelegt ist, eine reizende Verschönerung. Es sind zwey gegrabene, nahe, aber getrennte, ansehnliche Seen, mit hellem fischreichen Wasser, die in diese Pflanzungen hinwallen. Sie bilden malerische Einbuchten zwischen den Vorsprüngen der Gebüsche, und verbreiten sich nachher in hellen Flächen, worinn sich der Himmel mit seinen farbigten Wolken spiegelt. An den Ufern sind schon einige Gruppen von Bäumen gepflanzt, die mit verschiedenen Arten von Grün abwechseln, und eine solche Stellung erhalten werden, daß sie ausgesuchte Gemälde der Landschaft einfassen. Verschiedene Arten von Fahrzeugen liegen auf diesen beyden Seen, wovon der eine von sehr beträchtlichem Umfang ist. Vor seinem Ende wird ein großes Gebäude aufgeführt werden, und seine schöne Gestalt im Wasser wiederscheinen lassen. Der andre See streckt sich zum Theil vor einer sanften Anhöhe hin, worauf ein recht wohlgebaueter und geschmackvoll ausgezierter Pavillon sich erhebt, wo der Churfürst abzutreten und seine Geschäfte zu besorgen pflegt. Er ist fast allein nur für ihn eingerichtet, und hat neben sich einen überaus anmuthig bepflanzten und geschmückten Bezirk, den der Fürst seinen Pri-

————

*) Ein schönes Verzeichniß davon ist 1783 in 8. auf 3 Bogen zu Aschaffenburg gedruckt herausgekommen; es wird in einigen Jahren reicher erscheinen.

 

333vatgarten nennt. Eine reizende Insel liegt fast gerade gegen ihm über in dem See. Einige alte Eichen verbreiten hier einen dichten Schatten; und zwischen ihnen sind Pflanzungen von den edelsten und seltenen ausländischen Bäumen und Sträuchern, liebliche Blumengruppen und wohlriechende Gewächse verstreut, indessen die offenen Stellen mit dem schönsten grünen Teppich bedecket sind. Kanarienvögel singen hier in einer Gitterverschließung, und Lachtauben laufen frey in dieser süßen Wildniß umher. Ihr Schatten und das Wasser locken andre Waldsänger herbey, deren abwechselnde Melodien sich in das frohe Gelächter der Tauben und in die hellen Töne der Kanarienvögel mischen. Die Lieder der Freude, die von Baum zu Baum ertönen, die mannichfaltigen Farben der Blumen, die überall zwischen dem Grün hervorbrechen, die angenehmen Düfte, der sanfte Schatten und die lieblichen Wiederscheine im Wasser, die stolz umherrudernden Schwäne, die süßeste Ruhe, die man hier athmet, alles dieses liebkoset und schmeichelt dem Empfindenden, der hier verweilt, so gerne verweilt, und kaum diesen Zauberplatz verlassen kann. Eine freye, nur mit niedrigen Blumenpflanzen geschmückte kleine Anhöhe der Insel senkt sich anmuthig zum Wasser herab. Man erblickt zur Seite einen aufgeworfenen, hohen und bepflanzten Berg, dessen weitere Bearbeitung noch unvollendet war, und in der Entfernung ein Gebäude, wo der Gärtner und einige Hofbediente wohnen. Mit diesem See hängt ein großer Fluß zusammen, der ebenfalls ein Werk des Fleißes ist, und sich in einer schönen Form, so breit und sich fortwindend, daß man ihn mit dem Mayn verwechseln könnte, eine kleine halbe Stunde weit erstreckt. Das Ende ist täuschend durch Pflanzung und Ruinen versteckt; indem man aus dem Fahrzeug steigt, erblickt man unerwartet den Mayn und eine ganz andre Landschaft. Der ausgegrabene Fluß liegt zu hoch, als daß er mit dem Mayn verbunden werden könnte. Dieser Umstand macht jene Anstalt nöthig, die sein Ende verbirgt, und zugleich überrascht mit dem Anblick eines neuen Flusses. Die Fahrt ist sehr angenehm. Die Ufer sind bald höher, bald niedriger; die umliegenden Landschaften zeigen sich in abwechselnden Ansichten, treten hervor und weichen wieder zurück. Viele Enten beleben den Fluß. Hie und da sind an seinem Ufer noch wohl Gruppen und Gebüsche anzupflanzen, zwischen welchen sich die verschiedenen Profpecte brechen, sich einzeln und mehr gehoben darstellen würden; auch würde diese mit Ueberlegung und Wahl ausgeführte Bepflanzung einzelner Stellen dem Auge angenehme Ruhepunkte geben. – Dieser Fluß macht mit den beyden Seen einen vorzüglichen Reiz von Schönbusch. Das Wasser ist in guten Formen angelegt; auch ist es überall im Ueberfluß. Alles scheint Natur, so glücklich ist die Kunst versteckt. Bey der Zurückfahrt auf dem Fluß sieht man, indem man sich wieder der Insel nähert, eine 334 der schönsten Stellen. Das Wasser des Sees scheint sich in das Lustgebüsch oder vielmehr in diese zusammenfließende Gruppen von Lustgebüschen zu verlieren; und die hintre dunkle Pflanzung macht dabey mit der vordern Bepflanzung der Insel, an welcher das Auge hinstreicht, mit dem Silberschein des Sees und der sanft aufsteigenden Höhe des lebhaft angestrichenen Pavillons, ein so zauberisches Gemisch des Helldunkeln, daß es in der Nachbildung eines der herrlichsten Gemälde geben würde.

Diese Nachricht von den Anlagen bey Aschaffenburg zeigt, in welchem reinen Geist sie angefangen sind. Wenn der Churfürst, ein Herr, der mit einem durch Lectüre, Reisen, Gesandtschaften und Geschäfte gebildeten Geist mancherley Wissenschaften und einen seinen Geschmack vereinigt, der Gelehrsamkeit und Künste liebt, und sie mehr, als einer seiner Vorgänger, jetzt befördert, einen Mann zur Ausführung findet, der seinen großen Ideen und Absichten zu folgen weiß; so wird das Werk allein seine Regierung verewigen können. Es ist das erste Beyspiel eines Churfürsten von Maynz in Anlagen, worinn sich Wohlwollen mit Geschmack vereinigt. Der Himmel vermehre die Jahre des Menschenfreundes, um seine edelmüthigen Entwürfe alle ausführen zu können, und seinem Lande ein Werk nicht bloß des Geschmacks, sondern auch der veredelten Landwirthschaft nach ihrem ganzen Umfang zu hinterlassen, ein Werk, das Vorurtheile und Trägheit verbannt, das Unterricht und Erfahrung verbreitet, das in Privatbesitzungen theilweise nachgeahmt werden kann, und das diese Nachahmung verdient.

7.

Die herrliche Lage der Favorite bey Maynz erhält diesen vormals so berühmten Garten noch in einigem Ruf. Fast unter den Fenstern des Schlosses verbindet sich der Mayn mit dem Rhein, und beyde strömen in dem Gesichte des Gartens dahin, hinter welchem sich anmuthige Weinberge erheben. Alles, was man in seinem innern Bezirk sieht, besonders die Statuen, sind in dem elenden Geschmack der vorigen Zeit, obgleich noch viele kostbare Pracht durchschimmert. Der Garten ist mit seinen Gebäuden durch Kupferstiche bekannt genug. Seine Gegend verdiente eine verbesserte Anlage.

Die Reise von Ma[y]nz nach Coblenz auf dem Rhein, die man auf 18 Stunden rechnet, und in einem Tage vollendet, gehört zu den angenehmsten und interessantesten, die ich jemals gemacht, sie giebt einem Freund der Natur so viele herrliche Aussichten und Gemälde, sie zeigt so viele abstechende Charaktere der Landschaft, die Scenen sind so stark, so mannichfaltig, und unterbrechen sich so unvermerkt, daß Auge und Einbildungskraft immer aufs lebhafteste beschäftigt werden. Die Eng335länder kommen jetzt häufig hieher, und scheinen, wenn sie Europa durchgereiset sind, nicht eher befriedigt, als bis sie diese wollüstige und fast einzige Lustreise ihrer Art gemacht haben. Unstreitig ist diese Wasserfahrt durch die herrlichsten Naturgärten eine der anmuthigsten in unserm Welttheil, und überall berühmt.

Nachdem man vor den Auen oder schönen, großen und angebaueten Inseln, die unter Maynz im Rhein liegen, vorbeygerudert ist, erreicht man bald das Schloß Biberich, das schon lange sich als ein trefflicher Gegenstand im Prospect zeigte. Hier hatte ich zuerst das Vergnügen, mit der Beschreibung der geistreichen Frau von Berlepsch *) in der Hand, auszusteigen. Sie stellt nach der Schärfe ihrer Beurtheilung alles richtig vor, in dieser kleinen anmuthigen Schilderung.

„Wirklich zeigt sich das Schloß und der Garten zu Biberich von weitem ganz vortrefflich. Der schöne Rhein, der unter den Fenstern vorbeyfließt, links die Aussicht auf Maynz, das nur eine gute Stunde davon liegt, rechts auf eine weite spiegelhelle Fläche, in der sich Thürme, Häuser, Obstbäume und Weinberge malen, in dem Flusse selbst die trefflichsten Inseln, rings umher eine paradiesische Gegend – welch ein Anblick! Und wie könnte geschmackvolle Kunst eine solche Lage nützen! Das ist aber hier gerade nicht geschehen. Der Garten liegt nicht am Rhein, welches doch so natürlich gewesen wäre, sondern hinter dem Schlosse. Es ist auch nichts Merkwürdiges darinn, als ein Bogengang von Apricosenbäumen, der leicht nachzumachen wäre, und sehr hübsch ist. Eine schöne Obstallee, die nach einem andern usingischen Ort, Schierstein, geht, ist vortrefflich genützet, um dem Garten eine perspectivische Aussicht zu geben, und die ist auch wirklich ländlich und schön. Uebrigens ist der Garten groß, hat ein artiges englisches Bosquet, worinn hohe Pappeln und Platanen stehen, und noch mancherley Abwechselungen, die aber zum Theil ins Kleinliche fallen. Recht Schade ist es, daß man aus dem Garten den Rhein nicht sieht. Zwischen dem Fluß und dem Schloßhofe geht die Landstraße und eine Kastanienallee, die mir lieber wäre, als der ganze Garten.“

Von der Anhöhe herab hätte ein großer Rasen bis an das Ufer des Flusses geleitet, und die freye Aussicht auf einen so lebhaften und mit Fahrzeugen und Schiffen bedeckten Strom erhalten werden sollen. Die Landstraße hätte, wegen der Lebhaftigkeit und Abwechselung, durch das Ende des Rasens zwischen schmalen tiefen Gräben fortlaufen mögen. Auch die Lusthäuser sind in einem schlechten Geschmack. Das Bosquet hat doch eine zu gekünstelte Anlage. Unerträglich war mir hier ein

————

*) Hannöversches Magazin. 1783. 5tes Stück.

 

336 langer Kanal, der den Garten von einer Obstpflanzung trennt. Wie kann ein solches armseliges, schmutziges, in seinem Behältniß faulendes Wasser gefallen, wo man den prächtigen Rhein, der sich hier in eine große Fläche ausdehnt, sehen kann? Dieß kränkt das Auge eben so sehr, als das Ohr durch die Künsteley eines kleinen Wasserfalls in einem Garten am Gestade der Ostsee beleidigt wird, die mit majestätischen Wellen rauscht. Das Schloß zu Biberich ist von rothem Sandstein erbauet, und hat ein edles Ansehen, ob es gleich schon von der Zerstörung der Zeit leidet.

Der Rhein erweitert sich viele Stunden lang in eine so ansehnliche Breite, daß man ihn für einen großen Landsee halten sollte. Sein hellgrünes Wasser macht gegen die Heiterkeit der Luft einen lieblichen Contrast; in einigen offenen Gegenden schlägt er beym Winde beträchtliche Wellen. Wir hatten anfänglich nicht das günstigste Wetter; es fiel zuweilen Regen, und ein starker Wind, der sich vorher erhob, war dem kleinen Fahrzeuge entgegen. Indessen ward die Luft zuweilen wieder stille; und durch den Nebel, der sich besonders bey den Bergen hinter dem Rheingau herumzog und sie mehr verdüsterte, fielen an manchen Stellen sanfte Beleuchtungen auf die Landschaft, die sie ungemein verschönerten, zumal wenn sie einen Strich von Dörfern und Flecken trafen. Man hat auf einige Stunden ein flaches Ufer; das zur Rechten ist das schönste, denn hier zieht sich das von Trauben und Baumfrüchten bedeckte Rheingau hin, und ist jenseits von Bergen begränzt, die es gegen die Nordwinde schirmen. Das Auge wird bald von einer heitern Insel im Fluß begrüßt, bald wieder von dem langen Anblick des Rheingaus unterhalten, wo nichts als Weinberge und Obstgärten erscheinen. Das Ufer glänzt von Dörfern und Flecken, die ihren Wiederschein im Strom verlängern. Ihre Lage, ihre Bauart, ihre Dächer von gräulichem Schiefer, dessen Farbenton besser in die Landschaft stimmt, als das harte Roth der Ziegeln, ihre Heiterkeit, die ihnen die vielen Fenster und der weiße Anstrich der Vorderseite geben, alles lacht mit unaussprechlicher Anmuth dem Auge entgegen. Klöster, Kapellen, Höfe, kleine weiße Sommerhäuser, die aus dem Grünen der Weinberge hervorlächeln, erscheinen mit diesen Dörfern, Flecken und Städtchen in beständiger Abwechselung. In diesen reizenden Landschaften erschien zugleich der Johannesberg mit seinem Kloster auf der Höhe, wo der köstlichste Wein gedeiht. Es war eben ein wichtiges Fest der römischen Kirche, Mariä Himmelfahrt, das an diesem Tage alle Ufer belebte. Ein mannichfaltiges gemischtes Geläute aus so vielen Kirchen, Klöstern und Kapellen tönte den ganzen Tag durch alle Gegenden; alle Oerter waren in Bewegung und in ihrem festlichen Schmucke; und bald hie, bald da zogen feyerliche Schaaren, von Fahnen und Kreuzen angeführt, 337 den einsamen Kapellen auf den Bergen entgegen. Diese Auftritte machten die Fahrt noch unterhaltender.

Bey Rüdesheim verengt sich das Beet des Rheins, und die Ufer erheben sich zu Bergen. Sie steigen zuweilen aus dem Wasser steil empor, und sind ganz mit Wein bedeckt. Sie schließen sich in der Aussicht so eng zusammen, daß hier die Gränze des Flusses zu seyn scheint. Hinter dem Städtchen Bingen verändert sich auf einmal die Scene. Die lieblichen lachenden Gefilde weichen zurück. Man kommt in wilde romantische Gegenden. Auf beyden Seiten steigen hohe felsigte Berge empor. Zur Rechten sieht man Reben, und Asmanshausen, wo ein trefflicher rother Wein an den Felsen reift. Sparsame Blicke der Sonne fielen hie und da auf die Felsen, und überraschten das Auge durch schnelle Beleuchtungen des düstern Gemäldes. Das Wirbeln und Rauschen des Flusses, der sich hin und wieder an versteckten Klippen in der Tiefe bricht; felsigte Höhen auf beyden Seiten; Ruinen alter Schlösser, die an steilen Abhängen kleben, schon seit Jahrhunderten zu fallen drohen und nicht fallen; die Einsamkeit in diesen wilden Gegenden; nichts Reizendes, als ein flüchtiger Sonnenblick, der hie und da auf den Gipfeln schwebt, oder das Grün der Reben, das die Felsen kleidet; kühne Vorsprünge der Berge und Ueberraschungen, welche die plötzlichen Wendungen des Stroms machen; dann wieder ein ruhiges Kapellchen, das sich in die Höhlung der Berge verbirgt, oder auf der Spitze eines Abhanges steht; endlich ein heitres Dörfchen, das unter Felsen ruht – alles dieses bildet und verstärkt das Romantische dieser Gegenden, das sich zuweilen mit dem Erhabenen mischt. Von Bingen fängt auch das linke hohe Ufer an, interessant zu werden durch Dörfchen, Ruinen, Eichenwälder und einige Weinberge; zur Rechten fast nichts als Reben auf den Abhängen der Gebirge in einer weiten Strecke fort. Diese Gegend von Bingen ist ungleich malerischer, als die ersten, wegen der Felsen, Berge, Ruinen und unendlichen Wendungen des Stroms und Ueberraschungen durch unerwartete Prospecte und Sonnenblicke. Hier eröffnet sich die reichste Schule für den Landschaftmaler. Der Dichter findet hier nichts, als die reizende Wahrheit der Natur. Sie verstattet nichts von Erfindung des Genies, nichts von Verschönerung des Künstlers mehr. Dieser ist glücklich genug, wenn er darstellt, was vor ihm liegt. Das Original übersteigt jede Kunst der Nachbildung. Jedes dichterische oder malerische Talent bleibt hier ohne eine andere Beschäftigung, als bloß die Natur zu kopiren. Welch eine Zeichnungsschule zwischen diesen Bergen und Felsen, an deren Fuß Deutschlands erhabenster Fluß sich herumwindet! Welche Menge von den edelsten und interessantesten Gemälden könnte hier ausgehoben werden, wenn unsere Landschafter, die lieber die Gallerien, als die Natur 338 studiren, lieber nach Italien eilen, als Deutschland kennen lernen, diese Gegenden besuchen wollten!

Der Rhein ward den Nachmittag ruhiger; der Himmel erheiterte sich. Doch überzogen ihn zuweilen noch sanfte Gewölke, welche den Reiz der Fernen zwischen den Bergen hoben, indem sie die Hintergründe malerischer verdüsterten, gegen welche die Lebhaftigkeit der nähern Gegenstände contrastirte. Immer wechseln, je weiter man fährt, die romantischen Gegenden von einer Mischung zur andern. Man sieht zerfallene Schlösser von den Seiten der Felsen hängen, alte Thürme und Gemäuer mit Weinbergen untermischt, und mit Dörfern, die hier kleiner sind, und mehr einsam erscheinen. Die letzten Ueberreste aus längst verflossenen Jahrhunderten hangen über fröhliche Winzerwohnungen herab, die vor einigen Jahren erbaut wurden. Die Verschließungen der Berge und die plötzlichen Eröffnungen der Durchgänge des Stroms wechseln fast mit jedem Augenblick. Mit einer ähnlichen Abwechselung gränzt das Gebiete von verschiedenen Landeshoheiten, der maynzischen, pfälzischen, darmstädtischen, trierischen, an den fortlaufenden Strom. Die Dörfer, die Städte und Flecken liegen wieder nahe am Wasser, und gleich hinter ihnen steigen Berge auf, wo noch stehende Festungen mit Ruinen von Schlössern auf den Spitzen wechseln. Kühner und verwegener kann sich die Einbildungskraft keine Lagen bilden. Auf den dürresten Felsen ziehen sich Reben aus der Tiefe bis zu den Spitzen hinauf; man wundert sich zu hören, daß hier Deutschlands edelster Wein wächst, und erschrickt zugleich bey der Vorstellung der gefahrvollen Weinlese. Das beständige Geläute der Klöster und Kirchen, das feyerlich in den Klüften der Berge wiederhallte, machte, vermischt mit dem hohlen Getöse des an den Felsen sich brechenden Stroms, eine unbeschreibliche Wirkung. Bald gleitet der Rhein in einer sanften ruhigen Fläche dahin, bald stürmt er tobend und rasselnd zwischen den vielen Klippen, die sich unter dem Wasser verbergen, und die in den halb versperrten Durchgängen, wodurch sich seine Flut drängt, die öftern Wirbel des Stoms vermehren. Indessen erblickt man über sich an den steilsten Höhen, wo kaum ein menschlicher Fuß stehen kann, liebliche Weintrauben, und gleich daneben kahle Felsen oder waldigte Wildnisse. Hier ist doch endlich das Ende des Stroms, dachte ich oder wollte ich oft denken, als auf einmal die Felsen mit ihren Vorsprüngen zurückwichen, und einen neuen Fortlauf überschauen ließen. An einigen Stellen schießen wieder die Felsmassen, wie ein Pfeil, in den Fluß hinab. Selbst der Himmel war an diesem Tage romantisch, wie die Erde. Seltsame Gestalten von Wolken zogen sich zwischen den Felshöhen umher, und standen auf den Spitzen, wie Säulen, wandelten sich und verschwanden. Plötzliche Erhellungen wechselten mit schnellen Verdüsterungen; 339 zwischen den gedrängten Gebirgen lagerten sich starke Massen von Schatten; dann folgten wieder Ueberströmungen von Licht und Glanz, und wir jagten auf blinkenden Wellen dahin.

Wir gelangten zu dem Wirbel bey St. Goar. Als wir über ihn hunveggeflogen waren, sprudelte und tobete der Strom, als wenn ihm ein wichtiger Raub entgangen wäre. In dieser Gegend ist er schnell und reißend; sein Beet schmal. Zuweilen erscheinen ganz öde, von Wein und Gesträuch entblößte, nackte, rauhe und abgebrochene Felsberge, die keine Spur der Bewohnung zeigen; dann wieder dunkle hangende Wälder; verlassene Höhen, wo zerbröckelte Reste von Bergschlössern trauern; ausgehöhlte Striche, welche den Absturz wilder Regengüsse bezeichnen. Hier thürmen sich Berge auf Berge, Felsen auf Felsen empor. Dieß sind, mit dem Getöse des Stroms und dem Geheul der durchziehenden Winde verbunden, die feyerlichen Gegenden, die Ehrfurcht und eine Art von Erstaunen einflößen, da die vorhergehenden bloß Anstarren und Verwunderung erregten.

Doch währen diese Scenen nicht lange. Fast jede Viertelstunde erscheint eine Gegend von einem andern Charakter, oder doch von einer andern Verbindung verschiedener Charaktere. Oft tritt in einigen Minuten der Fahrt ein Dorf, ein Kloster, ein Thurm, eine Ruine hervor; sie winken sich von einem Ufer zum andern hinüber freundschaftlich zu, und nicht selten erscheinen an einer kurzen Krümmung des Stroms drey bis vier bewohnte lebhafte Oerter. Hier in diesen engen Klüften contrastirt besonders das lebhafte Ansehen der weißen Häuser gegen die Dunkelheit der zusammengedrängten Gebirge.

Bey Boppart sieht man auf einmal drey verschiedene Nonnenklöster, die einander gegenüber liegen; in eben diesem Bezirk und in eben der Uebersicht erscheinen Klöster von Kapucinern, Franciskanern, Carmelitern. Kleine Kapellen zeigen sich bald hie, bald da. Die Gebirge, die sich dreyfach über einander aufthürmen, werfen einen ernsten und feyerlichen Schatten über diefe stillen Wohnungen der Abgezogenheit von der Welt. Vielleicht läßt sich keine Gegend vom melancholischen Charakter stärker malen.

Gegen Abend überschleyerte ein sanfter Nebel die Gegenden. Die Berge schienen in der Dämmerung sich mit der ruhigen Flut des Rheins zu vereinigen; ihre Trennungslinien verschwanden immer mehr in der Entfernung, und alles zerfloß allmählich in eine sanft übereinstimmende Verbindung. Nur die nahen Ufer und Berge blieben noch unverhüllt; und die magische Täuschung der Ferne verlor sich, indem wir uns ihr näherten, in Erheiterung und ruhende Wiederscheine, die gleichsam aus dem Wasser emporstiegen. Von der süßen Stille des Abends eingewiegt, 340 schwebten wir mit dem dahin gleitenden Fahrzeug bald durch die Wiederscheine, die zu wanken anfiengen, diese lieblichen Wiederscheine von Landhäusern, von Klöstern, von Weinbergen, bald durch die ernsten Massen von Schatten, die von den Höhen herabfielen.

Dann folgten wieder kleine paradiesische Thäler zwischen den Bergen, Hayne von Obstbäumen und friedfertige Dörfchen, wo hie und da nicht aus Hütten, sondern aus edlen Häusern ein Rauch, der gastfreundschaftlich das Abendessen ankündigte, emporwallete. Ihre Vorderseite, nach dem Strom hingerichtet, schimmerte aus dem Schatten der Fruchtbäume hervor, und lockte den Vorüberfahrenden, in diese Wohnungen der Ruhe einzukehren.

Das Abendgeläute fieng an, durch die Dämmerung zu hallen, und hallte aus den Bergen zurück. Von allen Seiten kündigten die Klöster und die Dorfkirchen die Stunde des Gebets an. Die Glocken antworteten sich, als hätten sie die Losung verstanden, und nun schlug die Aufforderung von Ohr zu Ohr. Anbetung, feyerliche Stille, Ruhe der Seele, gelassene Erinnerung an die Vergangenheit und eine Aussicht in die Zukunst, wiewohl nur so dämmernd, wie der Abend, verbreiteten sich mit dem heiligen Schall durch alle umliegenden Gegenden. Diese Stimmung der Seele ward nicht wenig durch die Dunkelheit der Berge und ihre Ueberschattungen, und durch die Ruhe des Flusses vermehrt, der unter ihnen fortschlich.

Die Finsterniß ward immer größer; doch sahen wir noch Thürme am Ufer und Ruinen auf den Spitzen der Felsen. Die Berge wichen allmählich, indem wir uns Coblenz näherten, erst zur Linken, dann zur Rechten; die Gegenden wurden niedriger; der Wind stürmte frey herein; der Rhein schlug schäumende Wellen, und wir stiegen aus von einer Fahrt, bey der sich nichts weiter wünschen ließ, als der lange Nachgenuß aller der Scenen und Empfindungen, die sie gegeben hatte.

8.

Das alte churfürstliche Schloß zu Coblenz im Thal, das am Fuß und unter dem Schutz der berühmten Bergfestung Ehrenbreitstein am Rhein liegt, hat eine sehr lebhafte Aussicht auf den Strom, auf seine Brücke, auf die Schiffe und Fahrzeuge, die auf- und niedergehen. Weil es aber zerfällt, so hat der jetzige Churfürst, Clemens Wenceslaus, geborner Prinz von Chursachsen, den Bau eines neuen großen und prächtigen Schlosses unternommen, der noch nicht vollendet ist. Es steht nahe bey der Stadt Coblenz auf einer kleinen Anhöhe am Ufer des Rheins, und kehrt dem Fluß die Hinterseite zu. Das Werk wird von großen Sandsteinen 341 von Grund aus aufgeführt, und beschreibt mit den Nebengebäuden einen weiten Zirkel. Es hat allerdings Größe, Pracht und Dauerhaftigkeit.

Einige Stunden von Coblenz liegt Kerlich, der gewöhnliche Sommeraufenthalt des jetzigen Churfürsten. Der alte symmetrische Garten wird jetzt ganz umgeworfen, und der Plan zu einem neuen ist bereits gemacht. Zwar besteht die Gegend fast nur aus einer Ebene. Aber es werden doch ein großes Wasser, fließende Bäche mit Güssen, und ein ansehnlicher Wasserfall durch Hülfe der Kunst angelegt. Die neue Pflanzung wird sich nicht bloß aus einheimischen, sondern auch ausländischen Bäumen und Sträuchern bilden, und sich um viele anmuthige Rosen winden, mit Benutzung der schönen Prospecte in die umliegende Landschaft. Der Plan, den ich hier sah, und der Anfang kündigt ein vortreffliches Werk an. Und dieß läßt sich nicht anders unter der Regierung eines Prinzen erwarten, der mit einer großen Güte des Herzens den feinen Geschmack und die Liebe der schönen Künste vereinigt, die in seinem Hause erblich sind. Die Ausführung ist einem Kenner übertragen, der sie glücklich ausführen wird, dem Herrn Reisemarschall und Kammerherrn, Freyherrn von Tünnefeld. Er besitzt viele Gartenkenntniß und Eifer, und machte, um seinen Geschmack noch mehr zu berichtigen, der Gärten wegen eine besondere Reise nach England.

Mit diesem neuen Garten wird ein naher Wald, den man zu verschönern angefangen, verbunden werden. Das Vorzüglichste darinn ist eine Mühle, oder vielmehr ein Lustgebäude mit einem Saal, der von außen ganz die Gestalt einer Mühle hat, und wo die Bewegung des Rades und das Rauschen des Wassers nichts anders errathen läßt. Das Wasser fließt darauf weiter fort, und bildet in einiger Entfernung einen großen natürlichen Wasserfall, der zwischen Gebüsch und Bäumen über eine felsigte Höhe herabschäumt, und unter Gesträuch fortrauscht. Darauf folgen einige offene bäurische Wirthshäuser oder hölzerne Dorflauben mit Brücken, alles so natürlich und so sehr im Geschmack roher Waldscenen, daß dieses ganze Revier, das seiner Lage so gemäß eingerichtet ist, nicht anders als gefallen kann. Verschiedene andre Scenen in diesem Walde dürften noch vor der Verbindung mit dem neuen Garten zu Kerlich verändert werden.

In dieser Gegend besitzt auch der Herr Graf von Waltbott zu Bassenheim, Burggraf von Friedberg, einen angenehmen Landsitz. Der Garten hat ein anmuthiges Thal und einen waldigten Berg, wo noch die schönern Scenen sich verbreiten könnten.

342 Zu Mont-Repos bey Neuwied hat der regierende Fürst einen hohen, weiten und waldigten Berg mit verschiedenen Anlagen verschönert. Aus dem Sommerschloß hat man den prächtigen Rhein im Gesicht.

Bey Düsseldorf ist der neue churfürstliche Garten vor dem Bergerthor ganz im englischen Geschmack angelegt.

Zu Borbeck läßt die Aebtissinn von Essen, Maria Cunigunda, geborne Prinzessinn von Pohlen und Chursachsen, Schwester des Churfürsten von Trier, eine Dame von großem Geist und Geschmack, einen neuen schönen Garten pflanzen.

In der Gegend des obern Rheins nach Maynz zu hinauf ist der Park des Herrn Grafen von Ostein zu Niederwald merkwürdig. Er ist auf der Höhe eines Berges, der Bingen nordwärts gegenüber liegt, angelegt. Der weite Gipfel bildet ein schönes flaches Thal, das sich gegen Westen senkt, und von vielen herrlichen Eichen und Buchen dicht beschattet wird. In der Mitte sind ländliche Häuser auf einem großen freyen Platze erbauet. Die Aussichten über alle Gefilde des mit Wein und Obst angefüllten Rheingaus, über Maynz, Frankfurt und andre Städte, über so viele nahe und ferne Landschaften und Berge umher, und auf den Rhein hinab, diese weiten, erhabenen und romantischen Aussichten übersteigen fast die Beschreibung. Der Wald, der vier Stunden im Umfang hat, ist mit Gängen, Rasensitzen, Einsiedeleyen, Lusthäusern und andern Ruheplätzen verschönert, und die Anlagen werden noch fortgesetzt. Die hohe Lage mit den entzückenden Aussichten macht schon an sich diesen Park zu einem der schönsten in Deutschland.

Zu Geisenheim, einem Dorfe im Rheingau, hat ebenfalls der Herr Graf einen prächtigen Palast angelegt, und ihn mit einem angenehmen Garten verbunden.

Bey der Stadt Creuznach hat der Kaufmann Herr Schmerz eine neue Anlage gemacht, wobey die natürliche Beschaffenheit der Gegend mit gutem Geschmack benutzet ist.

9.

Der Garten hinter dem Schlosse zu Darmstadt ist voll Ernst und Melancholie, und hat nichts von dem Glanz und der Pracht eines fürstlichen Gartens. Selbst der wohlgebauete runde Tempel giebt ihm wegen der nahen und dichten Umpflanzung nichts Heiteres. Es ist meistens ein wildes, einsames, verschlossenes Waldstück, das mit verschiedenen fremden Baumarten durchpflanzt ist; wenigstens hat die Pflanzung so viel Regelloses, daß sie einem Waldstück gleicht. Indessen gefällt dieser Garten einem Herzen, das sich gern einer sanften Melancholie überläßt, 343 und auch ohne die ehrwürdige Scene des Begräbnisses wird es bald von holder Wehmuth und ernstem Nachdenken erfüllt. Ueberall tiefer, feyerlicher Schatten umher; keine Aussicht in die Welt; denn sie wird hier von einer umpflanzten Mauer begränzt. Die Bäume, besonders die italiänischen Pappeln, die hier zu einer außerordentlichen Höhe gedrängt emporsteigen, und mit großen babylonischen Weiden untermischt sind, lassen nur wenige Erleuchtung von oben einfallen. Himmel und Erde scheinen mit einem Schleyer überzogen. Die Pflanzung, worinn bald gerade Gänge fortlaufen, bald schlängelnde Pfade umherirren, hat nichts Geschmücktes, und nur wenig von kleinen Rasen, die den Schatten etwas milder machen. Mitten in diesem melancholischen Walde findet sich das Begräbniß der Landgräfinn, das diese vortreffliche Fürstinn hier in Stunden, wo sie ihren Geist schon mit dem Himmel vertraut machte, voll ihres Sieges über die Sterblichkeit erwählte. Hier saß sie oft in erhabenen Betrachtungen, und, von ihnen gestärkt, konnte sie selbst die Stelle, wovon andre zurückbeben, und kaum das Bild ertragen, die Stelle ihrer künftigen Verwesung anordnen. Hier ruhet sie nun unter einem großen Erdhügel, der ganz mit dem melancholischen Epheu überwachsen ist, und um den rings umher dunkle Nadelhölzer mit babylonischen Weiden, die mitleidig ihre Zweige senken, in stiller Dämmerung trauern. Auf dem obern Ende des Grabhügels steht eine schöne Urne von weißem Marmor, mit zwey Genien und dieser Inschrift:

Hic jacet.
Henr. Christina. Carol. Lov. Hass. Princ.
Foemina. sexu. ingenio. vir.
Nat. VII. Id. Mart. A. MDCCXXI.
O. III. Kal. Apr. A. MDCCLXXIV.
S. E. T. L.

Ein großer Kenner der Verdienste, der König von Preußen, schenkte dieß Denkmal dem Ruhm der Fürstinn. Diese so wohl angelegte Scene macht einen Eindruck, der sich über das Ganze verbreitet, einen Eindruck, den alle leere Monumente und Begräbnißzeichen nicht zu erregen fähig sind. Der Einheimische nähert sich hier mit einer heiligen Ehrfurcht und mit einem gerechten Seufzer über das, was er verlor; und der Fremde wird erst von einem melancholischen Staunen, und sodann beym Nachfragen von einer so wehmüthigen Mitempfindung ergriffen, die ihn länger, als er dachte, verweilen heißt. In der That wäre es Schade, wenn der Garten andre Scenen, die seinem Charakter nicht zustimmen, aufnehmen, oder irgend eine Veränderung leiden sollte, die seinen melancholischen Ernst zernichtete.

344 10.

Der churfürstliche Garten zu Schwetzingen bey Manheim ist berühmt genug. Er ward vor einigen zwanzig Jahren angefangen, und es sind unermeßliche Summen hier an eine Anlage in der alten Symmetrie verschwendet worden, *) obgleich im Anfange weit mehr, als jetzt.

Der erste Fehler bey diesem Garten war, daß man keine Gegend mit mehr natürlichen Abwechselungen wählte, etwa näher nach der Bergstraße zu; und der zweyte, daß man ihn ganz in symmetrischer Manier anlegte, zu einer Zeit, da der englische Geschmack schon überall bekannt war. Allein der Anleger, Herr von Pigage, churfürstlicher Oberbaudirector, ein Franzose, scheint davon nichts gewußt zu haben. Es ward eine Ebene gewählt, und da man nun nicht die geringste Ungleichheit dulden wollte, so ward alles geebnet. Fruchtbare Aecker und schöne Wiesen verschwanden, und nun war die große Fläche mit Sand überdeckt, wo man Mühe hatte, die Pflanzung fortzubringen.

Der Garten ist von einem großen Umfang; desto mehr wird man durch die ewige Symmetrie ermüdet, die hier durchgängig herrscht, bis auf einen kleinen Bezirk, den man den englischen Garten nennt. Man sieht nichts als große, gerade Alleen, Hecken und Bogengänge mit Linial und Schnur gezogen, Arcaden, Altane und Nischen von Baumwerk gebildet, eine unnütze Menge von eisernem und hölzernem Gitterwerk; und dazwischen Parterre, Wasserkünste, stehende und liegende Figuren, meistens von Marmor in natürlicher, einige von Gyps in colossalischer Größe, endlich reguläre Wasserbehältnisse. Ueberall erblickt man Kunst, Pracht und Kosten, aber desto weniger Geschmack, sowohl in Rücksicht auf die Anlage des Ganzen, als auch auf einzelne Scenen.

Man sehe z. B. die Scene, die man Mecca nennt, und die aus einer Anzahl von türkischen Gebäuden besteht, die durch Gallerien oder Arcaden verbunden sind. Diese sind so eng, daß nur eben zwey Personen neben einander spazieren können; und was das Sonderbarste ist, dieses Mecca liegt mitten in einer französischen Parthie, wo man nach der Beschaffenheit des Platzes nichts weniger als eine Reihe von türkischen Gebäuden erwarten sollte. Aus der Moschee sieht man gerade nach einer ägyptischen Parthie, woran noch gearbeitet wird, und die, so wie die türkische, vom Himmel herabgefallen zu seyn scheint. Es ist ein Berg, worauf

————

*) Die Kosten der türkischen Gebäude werden allein auf 120,000 Gulden geschätzt. Die jährliche Unterhaltung des Gartens und die Fortsetzung der Anlagen kostet etwa 40,000 Gulden. Für die Schlösser zu Schwetzingen und Manheim werden zusammen 60,000 Gulden gerechnet.

 

345 ein Monument des Königs Sesostris neu aufgeführt wird. Das Monument könnte nun wohl zur Täuschung nichts anders seyn, als einige von der Zeit fast ganz aufgeriebene Ruinen. Allein hier ist alles neu, vollständig und geschmückt; die Zeit hat nichts verändert. In den Gewölben des Berges kommen Begräbnisse und Mumien zu stehen, und die Todten soll, wie man sagt, Charon dahin bringen. Um den Berg wird der See Möris gegraben. – Wie war es möglich, auf eine solche Idee zu fallen? Welches Interesse, welche Eindrücke kann sie haben? Ist es nicht gespielt, mit Erfindung sowohl, als mit Geld? Und diese Anlage, die Nachahmung aus dem entfernten Alterthum seyn soll, diese ägyptische Scene mit einer türkischen so nahe vereinigt? Lieber hätte man hier dem Muhamed ein Monument errichten mögen.

Die Wasserkünste zeigen nicht weniger eine seltsame Erfindung. Zwey große Hirsche, im Netze gefangen und von Hunden angegriffen, müssen Wasser werfen; und bey dem Bade sieht man eine der possierlichsten Scenen, indem in dem Bassin eine Eule angebracht ist, auf welche rings umher auf Gitterwerk herum sitzende Hähne, Tauben, Pfauen, Truthüner u. s. w. Wasserstrahlen herabspeyen. –

Das Vorzügliche in dem Garten zu Schwetzingen sind die Gebäude, die in der That in einem edlen Stil ausgeführt sind. Nur ist zu wünschen, daß ihrem bestimmten Charakter gemäß auch die Plätze ausgebildet seyn möchten. Minerva hat hier ihren Tempel, wie Apoll. Ueber dem Eingang des ersten, dessen Vorderseite auf korinthischen Säulen ruhet, erscheint die Göttinn auf einem Wagen; die Kunst überreicht ihr den Plan des Gartens, den sie billigt und auszuführen befiehlt. Eine sonderbare Idee! Man weiß indessen, daß diese Göttinn nie eine Gartenkennerinn gewesen. In dem Innern des Tempels sieht man ihre marmorne Statue. Der Tempel des Apoll ist eine Rotunde, die auf zwölf jonischen Säulen ruhet. Der Gott der Künste mit seiner Leyer, von Marmor gebildet, steht in der Mitte. Das Werk ist dem Künstler nicht geglückt; der Rücken macht eine so bußfertige Beugung, als wenn er dem Rumpf des heil. Xaver zugehörte. Nicht weniger ist die Verzierung des Tempels und seines Platzes verunglückt. Was sollen bey einem Tempel des Apoll die zwey Najaden, die aus einer Urne Wasser gießen, was überhaupt diese französische Cascade, was das Gitterwerk, was die Sphinxe, was endlich die Grotte unter diesem Gebäude?

Auch das Badhaus ist ein schönes Gebäude, und von einer prächtigen Einrichtung. Zwey schickliche Statuen, Amor und ein Faum [sic], stehen am Eingang. Das Bad ist von Marmor. An den Wänden erscheinen sechs Nymphen mit ihren Krügen, halb erhoben in Gyps gearbeitet. Auch stehen Vasen voll Wohlgerüche 346 umher. Die Decke ist grottenartig mit Krystall, Amethyst und andern Schönheiten aus dem edlern Steinreich geziert. Man sieht Pfeiler von deutschem Alabaster, und Wände mit virginischem Sumach ausgelegt. Das Badhaus enthält einen kleinen Saal und vier Zimmer, mit Gemälden, Basreliefs und Vergoldungen geschmückt.

Nicht weniger merkwürdig ist der Tempel der Botanik. Er liegt am Ende des Gartens bey einer kleinen Baumschule, worinn schmale Gänge umherführen. Die Pflanzung enthält eine Sammlung von allen Arten von einheimischen und ausländischen Bäumen und Sträuchern, die in der Pfalz fortkommen, und die hier mit ihrem Namen zum Vergnügen der Liebhaber und zum Unterricht junger Gärtner bezeichnet sind. Dieß ist eine sehr gute und schickliche Anlage. Nur Schade, daß man schon die schöne Natur dieser Gegend verdorben und sie in eine nackte Ebene verwandelt hatte, als hier die Pflanzung angefangen ward. Dieser Tempel ist rund von Stein ausgeführt, und hat die Inschrift:

Botanicae silvestri
An. MDCCLXXVIII.

die sich auf die Bäume und Sträucher der nahen Pflanzung bezieht. Inwendig steht die allegorische Statue von Marmor, eine weibliche Figur mit einer Rolle in der Hand, worauf man liest: Caroli Linnei systema Plantarum; am Fuß eine Vase mit Gewächsen. Die Statue steht der Thür gegenüber in einer Nische; ebenfalls in Nischen erblickt man auf den Seiten zwey große, schöne, marmorne Vasen mit allegorischen Verzierungen, und vier Altäre mit Blumen, Früchten und Gartenwerkzeugen geschmückt. Ueber ihnen erscheinen die Bildnisse von Theophrast, Plinius, Tournefort und Linné in Medaillons; höher oben die vier Jahrszeiten in Basreliefs, und die zwölf Himmelszeichen fein in Gold gemalt. Die Kupel ist inwendig im antiken Geschmack verziert, und das Licht fällt durch sie von oben herein. Die Sphinxe am Eingange sind hier ganz unschicklich, und die zwey großen Vasen, die außerhalb auf beyden Seiten stehen, gehören zum Ueberfluß. Dieser Tempel der Botanik zeigt den meisten Geschmack, und ist eine eben so glückliche, als neue Erfindung. Nur sollte er in der Mitte eines heitern Bezirks voll schöner Blumen und Sträucher stehen.

Zu nahe bey diesem Gebäude, und ohne durch Vorpflanzung abgesondert zu seyn, liegen an diesem Ende des Gartens Ruinen von Tufstein malerisch gebauet. Sie scheinen ein Ueberbleibsel einer römischen Wasserleitung zu seyn. Auf einem Thurm, der zu ihnen gehört, hat man schöne Aussichten in die umliegende Land347schaft auf Schwetzingen, Manheim, Heidelberg, viele Dörfer und die ganze Strecke der reizenden Bergstraße.

11.

Bruchsal, die Residenz des Fürsten Bischofs von Speyer, ist durch ihre vortreffliche Anlage und Bauart bekannt. Das Schloß ist gewiß eines der edelsten und schönsten Werke in ganz Deutschland. Sein Ansehen, seine Form, seine Colonnade beym Eingang, worüber ein Altan sich erhebt, die Structur seines Eintritts, die prächtigen Säle, worunter sich der Marmorsaal ganz besonders ausnimmt, die bequeme Verbindung aller Zimmer, ihre reiche und feine Auszierung, alles vereinigt sich, ein herrliches Werk der Architectur und des Geschmacks darzustellen. Alle Nebengebäude, wozu auch besonders die Kirche gehört, machen ein treffliches Ganze aus, in Rücksicht sowohl auf die Verbindungen, als auch auf das äußere Ansehen. Eine besondre sehr nützliche Einrichtung bey diesem Schlosse besteht darinn, daß von einem Wasserwerk, die Wasserburg genannt, die auf einer gegenüber liegenden Höhe in der Entfernung von einer Viertelstunde angelegt ist, in die Gemächer sowohl, als auch auf den vordern und hintern Altan, und in die Küche bleyerne Röhren geleitet sind, die man nur entzapfen darf, um sogleich eine Menge von Wasser zu erhalten. Das Wasser, das selbst in die obersten Zimmer unter dem Dach geführt wird, kann in den Speisesälen zum Trinken und Ausspülen gebraucht werden; vornehmlich aber leistet es seinen Dienst bey einer plötzlichen Feuersgefahr, und bey entzündenden Gewittern. Diese Einrichtung verdient, wo sie sich anbringen läßt, bey kostbaren Gebäuden und Schlössern nachgeahmt zu werden. Der Garten hinter dem Schlosse ist im alten Geschmack angelegt. Außer einigen schattigten Plätzen zeichnet er sich bloß aus durch Orangerien und Treibereyen, und durch seine Fruchtbäume aus dem benachbarten Elsas, aus Lothringen und Frankreich.

Die erwähnte Wasserburg ist zugleich eine Wohlthat für die Stadt, wo aus Mangel an gutem Wasser vormals viele Krankheiten entstanden. Nun führt die Wasserleitung von einer halben Meile her reines, gesundes und trinkbares Wasser herbey. Es sammelt sich in der Wasserburg in ein großes Behältniß, das gleichsam den Keller des Gebäudes ausmacht, und 1800 Fuder enthält. Von hier wird es, wie bemerkt ist, durch Röhren nach dem Schlosse und der Stadt hinunter geleitet, und versorgt hier die öffentlichen Brunnen. Ueber das Bassin erhebt sich ein starkes Gewölbe, das die Grundlage des Lustgebäudes in der Wasserbürg ausmacht. Das Gewölbe ist hoch, geräumig und ganz trocken. Um das Wasserbehältniß geht ein Dockengeländer. Man hat hier einen erhellten, angenehmen und 348 kühlen, fast unterirdischen Spaziergang bey heißem Wetter, hört das Geräusche des Wassers, und wird von keinen Ausdünstungen beschwert, indem es beständig seinen Zufluß wieder den Röhren abliefert und durchstreichende Lust hat. Ueber dem Gewölbe liegt ein Saal mit verschiedenen Nebengemächern, die aber, die Aussicht ausgenommen, nichts Angenehmes haben. Der äußere Anstrich dieser nützlichen Wasserburg verdiente, anstatt der vielen bunten Farben, auf eine mehr gefallende Einfärbigkeit zurück gebracht zu werden.

Nahe dabey liegt das Schießhaus, das von einer etwas sonderbaren, aber seiner Bestimmung gemäßen Bauart ist. Es besteht aus einer länglichen Arcade, an deren beyden Ecken sich zwey Kabinette befinden. Aus den Arcaden wird geschossen, und in den Kabinetten gespeist. Hinter einem jeden von diesen beyden Gemächern geht eine bequeme Treppe nach dem flachen Dach des Gebäudes hinauf, das mit einem Geländer umgeben ist. Auf jeder Ecke dieses Dachs führt wieder eine kleine Treppe zu zwey Thürmen hinauf, deren offener Bezirk mit einem Geländer umgeben und von einer auf eisernen Stangen ruhenden leichten Kupel bedeckt ist. Sie geben die größte Höhe dieser Gegenden. Die Aussicht ist ausgebreitet und entzückend. Man übersieht verschiedene Städte und viele Dörfer, tief im Grunde Bruchsal mit seinem Schlosse und seinen Kirchthürmen, und näher rings umher Weinberge, die zur Zeit der Lese ein fröhliches Getümmel darstellen, das hier ganz überschauet wird.

Der jetzige Fürst hat zu Kieslau, einem Lustschloß an der Straße nach Bruchsal, ein englisches Lustgebüsch anlegen lassen, worinn sich verschiedene ausländische Bäume befinden. Die Anlage zeigt aber eben so wenig Geschmack, als die zu Wagheusel, einem andern Lustschloß, wo man eine sogenannte Einsiedeley mit vier Pavillons umgeben, und selbst die Pflanzung nach ihnen symmetrisch geordnet hat. Ein naher schöner Wald ist hier ganz ungenutzt geblieben. Man liebt hier noch nicht das Freye und Edle der Natur und des Geschmacks, und das Genie der Gärtner ist dadurch gefesselt.

12.

Die Solitüde, ein berühmtes Lustschloß, nicht weit von Stuttgard, ist von dem jetzt regierenden Herrn Herzog von Würtemberg angelegt. Die Gärten sind noch in der Manier der vorigen Zeit *); doch sieht man eine Menge von Obst-

————

*) Man hat davon einen großen topographischen Plan von Fischer gezeichnet und von Abel gestochen. Es werden auch nächstens Abbildungen vom Lustschloß, vom Lorbeersaal u. s. w. herauskommen.

 

349bäumen aller Art in den Hecken angepflanzt, und die Orangerie enthält eine solche Menge von ansehnlichen Stämmen daß sie vielleicht die größte in ganz Deutschland ist. Die Gebäude sind hier noch merkwürdiger. Das japanische Haus, das seinen Namen vielleicht nur wegen der auf seinem Dache unschicklich angebrachten Figur erhielt, ist inwendig ein sehr feines niedliches Gebäude. Der Marstall ist wohl der prächtigste in Europa; manche Fürsten wohnen nicht so gut, als hier die Pferde. Auch der Lorbeersaal verdient Aufmerksamkeit wegen seiner Größe, innern geschmackvollen Anordnung und Verzierung mit Arbeiten in Gyps, mit Vasen und allegorischen Statuen. Das Lustschloß selbst ist zum Theil im italiänischen Geschmack, von einer etwas ungewöhnlichen, aber anmuthigen Architectur. Um die Hauptetage geht ein Arcadenbau auf dessen mit einem Geländer umgebenem breiten Dach man überall einen Austritt hat zum freyen Spaziergang und zum Genuß der weitesten und herrlichsten Aussichten, welche die Lage beherrscht. Das Gebäude ist mit einer großen schönen Kupel gekrönt. Die Zimmer sind alle in einem edlen und prächtigen Geschmack verziert. Die Lage der Solitüde aber übertrifft fast alles in Ansehung der Weite der Landschaften, die man von diesen Höhe überschaut, und der erstaunlichen Mannichfaltigkeit von Gegenständen, die das Auge an sich locken.

* * *

Die Lage von Hohenheim, einem neuern noch berühmtern Landsitz des Herzogs, als die Solitüde, ist nicht so prächtig, als diese. Doch hat die Landschaft umher ungemein viel Anmuthiges, und eine sanfte ruhige Ländlichkeit. Die Aupflanzungen so vieler Scenen und die Anlagen so vieler Arten von Gebäuden sind überaus merkwürdig; doch kann ich davon keine vollständige Beschreibung geben, theils weil das Ganze noch jährlich erweitert wird, theils auch, weil ich das, was ich hier sah, erst nachher aufzeichnen konnte. *) Noch wohnt der Herzog in der sogenannten Meyerey; es wird noch ein Schloß angebauet, so wie verschiedene andere Gebäude theils angefangen sind, theils in Arbeit genommen werden sollen. Da dieser Herr jetzt so viel Vergnügen an der Ruhe und den sanften Annehmlichkeiten des Landlebens findet, und mit der Frau Reichsgräfinn von Hohenheim selbst an den feinen Verschönerungen dieses reizenden Lustorts Antheil ninunt; so ist die weitere

————

*) Man weiß, daß Fremde überaus selten zugelassen werden, Hohenheim zu sehen. Ich hatte indessen die unvergeßliche Ehre, an der Seite des Durchl. Herzogs und der Frau Reichsgräfinn von Hohenheim, alle Anlagen einen ganzen Nachmittag hindurch zu besehen. So schätzbar mir diese Stunden waren, so durfte ich mir doch nicht erlauben, etwas auf der Stelle aufzuzeichnen.

 

350 Ausführung unter mehrere Jahre vertheilt, um die Freude dieser Beschäftigungen länger zu genießen.

Die Anlagen zu Hohenheim sind eben so neu, als glänzend. Man weiß, daß man sich in Italien oft mitten in den Ruinen des Alterthums anbauet, oder neue Gebäude mit den Resten römischer Gebäude verbindet. Dieser Idee ist man hier gefolgt. Man sieht hier die schönsten Reste von alten Gebäuden nachgeahmt, und diese sind unmittelbar mit Sälen und Kabinetten, im neuern Geschmack angelegt und fein und prächtig ausgeziert, verbunden. Fast in allen Gebäuden herrscht ein starker Contrast der Uebergänge; man erstaunt, aus täuschenden Ruinen, aus zerbröckelten Felsstücken und hangendem Gemäuer sich auf einmal in glänzende Prachtzimmer versetzt zu sehen. Nirgends sind wohl Ruinen schöner gezeichnet und ausgeführt, als hier; man glaubt in der That auf italiänischem Boden zu stehen; alles ist wahr und überraschend. So sind z. B. zu den großen Ruinen am Ende der Anlagen über 30,000 Fuder Tusstein, der sich seiner Farbe und seines gebröckelten Ansehens wegen trefflich zu diesem Bau schickt, von Canstadt einige Stunden weit hieher geführt. Die Ruinen sind das Herrlichste, was man sich in dieser Art von Nachahmung denken kann. Sie stellen mit ihrem großen, prächtigen und malerischen Wasserfall eine Nachbildung von der berühmten Scene zu Tivoli vor. Das Wasser, das die Sonne mit ihren Strahlen verschönert, stürzt sich aus der Mitte der ehrwürdigen Ruinen in einen tiefen senkrechten Fall herab, schäumt und brauset in dem untern Theil weiter fort, und verliert sich endlich in eine Grotte. Auf der Spitze dieser Ruinen steht eine Kirche im alten gothischen Stil, mit seltenen Fenstern voll Malereyen auf Glase, die aus den besten Zeiten dieser jetzt verlornen Kunst sich erhalten und mit Mühe zusammengebracht sind. Alle Sculpturverzierungen, äußere und innere, und selbst der mit großen Leichensteinen voll ausgehauener, alter, gerüsteter Figuren bedeckte Fußboden, alles ist wirklich aus der Zeit, Meisterstück und Denkmal der damaligen Kunst. Hinter der Kirche sieht man seitwärts das Pfarrhaus, nicht weniger täuschend angelegt. – Unter der Kirche laufen Katacomben im Felsen, ganz im ächten Stil gebauet, und die Auszierungen mit Steinen und Inschriften sind wahre Alterthümer, aus Italien herbeygeholt; auf der einen Seite christliche, auf der andern heidnische Begräbnisse. Man glaubt, indem die Fackel vorgetragen wird, und das Auge auf beyden Seiten herumirret, überall sieht, was Zeit und Kostum fordern, bald eine halb zerstörte, in Stein gehauene Inschrift, bald einen Aschenkrug, worauf seitwärts von oben ein schwaches Licht in die Dämmerung hereinschimmert, in die alten Katacomben Italiens hingezaubert zu seyn. – 351 Hinter diesen prächtigen Ruinen mit dem Wasserfall liegt der Tempel der Sybille, meistens wie der zu Tivoli, erbaut. Nahe daran ist ein neues Gebäude aufgeführt, auf dessen flachen Dächern in verschiedenen Absätzen man die schönsten und weitesten Aussichten genießt, und zugleich den größten Theil der Anlagen übersieht. – Außer diesen Ruinen liegen hier noch viele andre, nach Mustern alter Reste, gebaut. Gleich, wo wir eintraten, erhob sich ein fast ganz erhaltener runder Tempel aus Ruinen empor, aus welchen sich ein Wassersall stürzt, der nachher einen Bach macht, sich anmuthig mit Geräusch fortschlängelt und sehr liebliche Scenen vollenden hilft. Sodann treibt er ein Mühle, ganz im Stil dieser Gebäude mit gemeinen Zimmern. Man tritt gleich darauf in ein nahes, schönes, edles Gebäude, steigt eine Treppe zum flachen Dach hinauf, und auf einmal erblickt man hier einen Springbrunnen und eine kleine Orangerie umher. Man befindet sich hier oben mitten in einem kleinen Garten, und wird getäuscht, als ob man in Italien sey. Ueberhaupt herrscht durch die ganze Anlage ein Geist der Ueberraschung in den Gebäuden, der nicht lebhafter wirken kann. Aus öden Ruinen tritt man auf einmal in einen runden Saal mit corinthischen Säulen und vergoldeten Kapitälern, mit Deckengemälden nach herculanischen Mustern, mit Basreliefs von Marmor ganz im antiken Geschmack.

Die Menge der Werke der Baukunst, die schon vorhanden sind, ist sehr zahlreich, indem sie zusammengenommen schon über zwanzig steigt. Allein die Neuheit und Mannichfaltigkeit ihrer Formen und Einrichtungen macht sie nicht weniger interessant, als der gute Geschmack, womit sie ausgeführt sind; und wenn sie jetzt vielleicht ihren Bezirk etwas zu überladen scheinen, so wird doch in der Folge der stärkere Anwuchs der Bäume, Gebüsche und Gruppen, die sie umgeben, die Scenen mehr sich von einander absondern und in sich selbst verschließen lassen.

Außer den mancherley Nachahmungen römischer Ruinen, außer einer trefflich angelegten Einsiedeley und Kapelle, erblickt man hier verschiedene ländliche Gebäude, und diese unterhalten eigentlich die Idee des reizenden Dorfs, die man sich hier so gerne denkt. Man hat verschiedene Bauerhäuser, Schweizerhäuser, ein Wirthshaus, ein Milchhaus, eine Meyerey, ein Schäferhaus, eine Köhlerhütte u. s. w. angelegt. Alle diese Gebäude sind in dem ächten Stil ausgeführt, und die ganze innere Einrichtung, die selbst auf Geräthschaft und andre Bedürfnisse geht, winket auf ihre Bestimmung hin. Man sehe z. B. 352 dieß Milchhaus, ein großes Gebäude mit dem kühlenden Schirm eines weit überhängenden Daches; ein Brunnen beym Eingang ist hier Bedürfniß und Erfrischung zugleich.

 

 

Das Innere enthält eine niedliche Küche und Kammern für Milch und Käse, demnächst einen großen Saal. Nicht weniger ist die Köhlerhütte in einem dichten Pappelwald eine artige Erfindung, deren äußeres Ansehen das Auge täuscht, und deren Inneres mit einem feinen Kabinetchen überrascht, das eine sehr ausgesuchte Bibliothek der Frau Reichsgräfinn von Hohenheim enthält. Ein süßer lieblicher Aufenthalt, der die Beschäftigungen ihres Geistes schätzen lehrt. Auf beyden Seiten erhält die Hütte ihr Licht durch zwey Fenster; sie lehnt sich an den Stamm einer großen, aber abgestorbenen hohlen Eiche, 353 worinn sich Kamin und Rauchloch befinden. Die Lage und äußere Gestalt der Hütte erscheint in dieser Vorstellung.

 

 

Nicht weit davon liegt der sogenannte amerikanische Garten, die reichste und vollständigste Sammlung von ausländischen Bäumen und Sträuchern, die wir in Deutschland besitzen, *) nach dem linneischen System geordnet, in einem schönen Bezirk. Man sieht hier die seltensten Arten, und freut sich, viele Gewächse aus den entlegensten Gegenden, selbst aus den Inseln der Südsee, in dem glücklichsten

————

*) Ein Verzeichniß davon, das nicht verkauft wird, ist 1780 zu Stuttgard in 8. auf 253 Seiten gedruckt. Es enthält bloß die lateinischen Namen mit den deutschen und französischen. Man findet darinn 850 verschiedene Geschlechter und Arten aufgeführt, ohne die mancherley Abarten. – Schon im Sommer 1783, als ich Hohenheim sah, war die Sammlung noch über 400 Arten und Abarten mehr hinaufgestiegen.

 

354 Fortwachsen unter diesem milden Himmelsstrich von Deutschland zu sehen. Der Herzog wetteifert mit der Frau Reichsgräfinn in der botanischen Vertraulichkeit mit ausländischen Pflanzen. Dieser Prinz, der so mancherley Wissenschaften mit einer seltenen Wärme und Eifer zu ihrer Beförderung umfaßt, machte selbst eine Reise nach Holland und England, um die schönsten fremden Gewächse zu sehen und anzukaufen.

Ich fand in Hohenheim wenig künstliche Gruppirung in den Anpflanzungen, aber reizende Spaziergänge und schöne Hayne von italiänischen Pappeln, mit duftenden Blumengewächsen und Blüthensträuchern durchpflanzt, belebt mit den Gefängen der Vögel und dem Geräusch der Bäche. Man glaubt zuweilen in den Hayn der Göttinn der Liebe in Cyprien hingezaubert zu seyn. Viele seine Fruchtbäume sind in die Pflanzungen eingestreut. Eine fast unerschöpfliche Quelle von Unterhaltungen ergießt sich durch das Ganze. Man erblickt bald ein edles Monument, wie das, welches Hallern gewidmet ist; bald ein Gebäude, worinn Modelle von allen Werkzeugen des Feldbaues sich befinden; bald Plätze mit allen Arten von Bäumen, Sträuchern und Pflanzen, die im Würtembergischen wild wachsen; bald Reviere mit neuen Gemüsarten besetzt; bald kleine Weinberge und Feigenpflanzungen. Dazu kömmt die Mannichfaltigkeit von Ideen und Erinnerungen, die aus der Menge der abwechselnden Gebäude entspringen, und deren Genuß durch die schattigte Verschlossenheit rings umher und durch die ruhige Entfernung von dem Getümmel der Welt sich verstärkt. Seit etwa zehn Jahren ist die Anlage angefangen; und wie viel ist nicht in diesem Zeitraum vollbracht! Die Neigung eines Fürsten, zu pflanzen und zu bauen, ist schon an sich schätzbar, weil sie ihn angenehm und seine Unterthanen nützlich beschäftigt; allein hier ist sie mehr, nämlich Leidenschaft von Geschmack geleitet, und von Kenntnissen unterstützt. Von der Seite der Architectur, wovon der Herzog schon vorher so manche treffliche Denkmäler aufgestellt, ist Hohenheim besonders eine reiche Schule für den Künstler. Nichts kann anmuthiger seyn, als die mannichfaltigen, feinen und geschmackvollen Verzierungen in den edlern Theilen der Gebäude. Man sieht eine unerschöpfliche Fruchtbarkeit von Bildern, und die belebteste blühendste Phantasie, die sie schuf. Nichts Fremdes, noch Alltägliches; alles so treffend, so gewählt, so rein, so einfältig und doch so voll süßer Wollust, daß die Hände der Grazien und Liebesgötter hier im Wetteifer, einander zu übertreffen, geformt, gemalt und ausgeschmückt zu haben scheinen. Man sehe nur das Bad, um ganz die Wahrheit dieser Bemerkung zu empfinden. – Ländliche Ruhe, Genügsamkeit, Zufriedenheit lächeln in so manchen sanften Scenen hervor. Und diese versüßen hier am meisten den Aufenthalt einer Dame voll Geist 355 und Anmuth und Adel des Herzens, die, von den Höfen geliebt und von den Gelehrten verehrt, Geschmack mit Belesenheit, Weltkenntniß mit einer Sanftmuth, mit einer Heiterkeit verbindet, die aus ihrem seelenvollen Auge herrschen, Empfindung erregen, sie zugleich veredeln.

13.

Das Schloß zu Carlsruhe gehört zu den guten und fürstlichen Gebäuden in Deutschland, sowohl seiner äußern Architectur, als auch seiner innern Einrichtung und Auszierung wegen. Die etwas sonderbare Anordnung, daß die von dem Hauptgebäude längst dem Vorhof herauslaufenden Seitenflügel nicht in rechten, sondern in stumpfen Winkeln an dasselbe stoßen, hat schon Sulzer bemerkt. Doch macht diese Anordnung keinen üblen Eindruck; sie giebt vielmehr, wenn man in einer gewissen Entfernung gegen die Mitte des Gebäudes steht, ihm ein perspectivisches Ansehen. Die Flügel sind indessen, wie man aus der Structur des Ganzen sieht, erst später angehängt, und ohne sie würde das Schloß schon ein schönes Ansehen haben. Nur bemerkt man, daß das Hauptgebäude, das gleiche Höhe mit ihnen hält, sich nicht genug empor hebt. Der Thurm, der dieser Wirkung nachhelfen könnte, steht ganz auf der hintern Seite des Schlosses, und weicht aus, wenn man sich nähert. Der Thurm ist inzwischen gut gebauet, giebt von seiner Höhe schöne Aussichten in die Landschaften, und ist der Mittelpunkt aus einer Menge von Durchschnitten des umliegenden Waldes, von Alleen und Straßen, worinn er gesehen wird. Auf dem Zugange zu dem Schlosse, das anmuthig im Garten liegt, hat man auf beyden Seiten Gartenplätze mit Orangerien. Unmittelbar hinter dem Gebäude verbreitet sich der Garten, und fängt mit Orangerie, Rasen, Blumenstücken und kleinen bedeckten Schattengängen an. Die Anlage ist fast ganz im französischen Geschmack. Man sieht Hecken, selbst von Tannen, gerade Alleen, Bogengänge, Gitterwerke, Springwasser, reguläre Bassins u. s. w. Die Lage ist sehr vortheilhaft; denn, obgleich die Landschaft nur eine Pläne macht, so stößt der Garten doch gleich an einen sehr großen und überaus trefflichen Wald. Ja, die ganze Gegend, wo jetzt das Schloß und der Garten liegt, war ehemals Wald. Zu der Zeit, da die Anlage gemacht ward, war der Geschmack der Gärten noch wenig aufgeklärt. Man trennte daher den Garten von dem Walde, anstatt ihn damit zu verbinden, oder einen Waldgarten zu bilden; man begnügte sich, gerade, einförmige Durchsichten durch das Holz durchzuhauen. Man sieht noch jetzt, daß da, wo der Garten aufhört, eine Hecke seine Gränze bezeichnet, und den Anblick der schönen Waldstämme verbirgt, deren Aeste und Gipfel sich hinter ihr erheben. Der 356 Garten hat übrigens, da, wo er nicht der alten Symmetrie folgt und heckenartig ist, verschiedene angenehme Parthien. Man hat eine Anlage im englischen Geschmack angefangen; allein die Felshaufen, die Vertiefungen und Grotten fallen ins Kleinliche, es ist keine Gruppirung da, die Bänke und Sitze sind noch grün bemalt. Indessen könnte hier bald der angenehmste Waldgarten gebildet werden. Denn überall in den Zwischenräumen der Hecken befinden sich reiche Baumschulen von den schönsten ausländischen Bäumen und Sträuchern, die schon eine treffliche Höhe haben. Würfe man die Hecken weg, so würden auf einmal die anmuthigsten Pflanzungen, die jetzt versteckt sind, zum Vorschein kommen, und könnten leicht ausgebildet werden. Man sieht hier herrliche Tulpenbäume, die blühen und Saamen tragen, hohe Platanen, Katalpen, Gleditsien, Sumache, Robinien u. s. w. Die Menge der jungen Zöglinge könnte verpflanzt zu neuen Scenen dienen. Das milde Klima begünstigt ihren glücklichern Anwuchs. – Man erinnert sich indessen an diesem Ort, vor allen andern Merkwürdigkeiten, am meisten daran, daß hier einer der weisesten und menschenfreundlichsten Fürsten wohnt, der, ganz Vater seiner Unterthanen, die letzter Fesseln ihrer Leibeigenschaft zerbrach.

Das Schloß zu Rastadt zeigt von außen das Gepräge einer reinen und edlen Architectur. Der Eingang des Hauptgebäudes ist mit einer Colonnade von sechs Säulen jonischer Ordnung geziert, und darüber ein Altan. Das Hauptgebäude hebt sich merklich zwischen den beyden hervortretenden Flügelgebäuden, an deren unterm Stockwerk lange Arcaden laufen. Die hohe gebauete Auffahrt zum Schlosse und die dabey angebrachten Verzierungen mit Statuen, ob sie gleich ihren Vorstellungen nach mehr gewählt seyn könnten, machen mit dem Ganzen eine lebhafte Wirkung. Man hat vor einigen Jahren dem Schlosse einen neuen Anstrich gegeben, und dieser ist, wider alle Erwartung, rothe Ziegelfarbe, ohne Unterbrechung. Der innere Hofraum ist ganz mit Gras überwachsen; ein trauriger und rührender Beweis von der Vergänglichkeit der fürstlichen Herrlichkeit. Wie glänzend war ehemals dieser Palast, als ihn Bewohnung und Feste belebten! Allemal macht es einen starken Eindruck auf die Seele, wenn man Schlösser, die noch vor kurzem von der Pracht der Fürsten glänzten und von ihrer Freude ertönten, verlassen, öde und verfallend, und ihre Vorplätze in Gras und Gebüsche verwildern sieht.

14.

Das Schloß des Fürsten und Bischofs zu Würzburg gehört zu den merkwürdigsten Gebäuden dieser Klasse in Deutschland, und würde selbst in Italien als 357 ein wichtiges Werk der Baukunst gelten. Mit Größe und Pracht verbindet es eine überaus reiche Architectur. *)

Das fürstliche Lustschloß zu Seehof, nicht weit von Bamberg, ist ein reguläres Viereck mit vier Kupeln auf den Ecken. Der Garten ist im alten Stil, und in seiner Beschreibung macht ein feiner Kenner der schönen Künste, Herr Nicolai, sehr treffende Bemerkungen. **)

Die steife und einförmige Manier der alten Symmetrie beherrscht noch viele Gärten in Franken, und noch mehr in Bayern. Der vormals berühmte Garten zu Nymphenburg enthält nichts als Alleen, Hecken, Kabinette, eine Menge von Springbrunnen, vergoldeten Statuen, Vasen u. s. w. Der Kenner findet hier nichts, das ihn unterhalten könnte, und eilt weiter.

15.

Die Künste der Baukunst, der Malerey, der Bildhauerkunst und Kupferstecherkunst blühen lange in Chursachsen, und haben sich hier durch Künstler vom ersten Rang ausgebreitet. Man besitzt und bewundert in Dresden tausend Schätze des Alterthums von Büsten, von Statuen, von geschnittenen Steinen; man besitzt und bewundert die größten Meisterwerke der neuen Malereyen aus allen Schulen der Kunst; man hat Geschmack und Gefühl für das Schöne der Natur, das sie hier in den herrlichsten Landschaften verschwendet. Und doch sind bis jetzt die Gärten noch größtentheils unverbessert, und weit unter dem Ideal, wovon die Natur so viele reizende Züge vorbildet.

Selbst nach Herrn Daßdorfs Beschreibung ***) ist der churfürstliche Garten zu Dresden noch von allen Seiten mit einer Mauer umgeben, hat künstlich ausgeschnittene Buchenhecken u. s. w. Der Garten des Prinzen Anton ist neu angelegt, und hat doch noch Parterre, gerade Alleen, einen Kanal mit Buchen und Linden eingefaßt, Heckenwerk u. s. w. ganz in der Manier eines Architecten, der die Anlage ausgeführt hat.

Die übrigen Gärten bey Dresden haben außer den reizenden Aussichten über die Elbe und die umliegenden Landschaften, außer einigen guten Statuen nichts, das sie empfehlen könnte; so sehr sind sie jetzt noch dem alten Geschmack unterworfen.

————

*) Eine sehr gute Abbildung davon befindet sich im goekingschen Journal für Deutschland. 1784. 5tes Stück.

**) Reisen durch Deutschland und die Schweiz. 1ster B. S. 118–122.

***) Beschreibung der vorzüglichsten Merkwürdigkeiten der churfürstlichen Residenzstadt Dresden und einiger umliegenden Gegenden. 1782. S. 681 u. s. w.

 

358 Nach Herrn Daßdorfs Beschreibung besteht ihre größte Zierde bloß in Buchenhecken oder Arcaden von Haynbuchen, die ein Parterre umgeben, von welchem von allen Seiten gerade Lindenalleen ablaufen. –

Indessen hat man doch schon einen Anfang zur Verbesserung der Gärten gemacht. Von dem churfürstlichen Garten zu Pillnitz ist bereits ein Theil im englischen Geschmack umgeschaffen. Außerdem sieht man Anfänge von neuen verbesserten Anlagen zu Wesenstein, zu Ostra, zu Töbernitz, zu Thalwitz, zu Wölkau, zu Störmthal, zu Zschepline.

Ein Mann von Geschmack, der so viele Werke des Geschmacks beförderte *), hat in seinem ländlichen Garten zu Sellerhausen bey Leipzig für zwey unsrer ersten Schriftsteller, die seine Freunde waren, ein verbrüdertes Denkmal errichtet, das sowohl dem Herzen dessen, der es gab, als auch der Kunst eines Oesers, der es ausführte, Ehre macht. Es ist eine bekränzte Urne, der Palmen und Lorbeern, unter einem aufgeschlagenen Buche, zur Seite liegen. Die Urne ruhet auf einer Säule, die auf einem mit Epheu bepflanzten Hügel steht, von babylonischen Weiden und Rosen umgeben. Auf der einen Seite ist Gellerts, und auf der andern Sulzers mit Kränzen umwundenes Bildniß eingehauen. Das Ganze ist aus sächsischem Marmor gearbeitet, und die Scene überaus malerisch.

Aus den Gärten bey Leipzig hebt sich das neue Gartenhaus des Herrn Loehr, von Herrn Dauthe erbauet, mit einer sehr edlen Architectur hervor.

16.

Die Gärten um und in Berlin sind, nach einer sehr genauen Beschreibung, **) durchgängig noch im alten Geschmack. Doch zeichnet sich der Garten der Prinzessinn Amalia aus, der weitläuftig und kürzlich nach der verbesserten Manier umgebildet ist. Eben so der Garten des großen Staatsministers, Freyherrn von Zedlitz, der neu angelegt ein Denkmal von der Feinheit des Geschmacks seines Besitzers darstellt. Auch ist der gräfliche schulenburgische Garten sehr angenehm, den der englische Gesandte, Herr Harris, verbesserte. Indessen sind in Berlin viele Gärten schätzbar durch die trefflichsten Fruchtarten, schöne Blumenfloren und eine Menge ausländischer Gewächse. So sehr man auch mit dem dürren Sandboden

————

*) Der Verleger dieser Theorie, Hr. Buchhändler Reich. Man sieht von dieser Scene ein schön radiertes Blatt von Herrn Geyser, das nicht verkauft wird, sondern das Herr Reich nur seinen Freunden schenkt.

**) S. Herrn Nicolai Beschreibung von Berlin und Potsdam. Neue Ausgabe 1779. 2ter B. S. 699 u. s. w.

 

359 dieser Gegenden zu kämpfen gehabt, so ist doch die ökonomische Gärtnerey zu einer großen Vollkommenschaft empor gefliegen. Mit der mühsamsten Cultur ist seit etlichen funfzig Jahren der todte Flugsand mit nützlichen und schönen Gewächsen belebt.

Sanssouci hat nach dem Geschmack der vorigen Zeit alle Pracht eines königlichen Gartens. Man bewundert hier einen Antikentempel voll herrlicher Alterthümer, einen Obelisk, ein Portal mit korinthischen, und eine Grotte von Marmor mit jonischen Säulen; marmorne Bassins, Terrassen und Treppen und Alleen, und eine Colonnade, alles voll Statuen, Büsten und Vasen; Mauern mit Perlemutter, Bergkrystall, ächten Korallen und Muscheln ausgelegt. Die Statuen sind theils vortreffliche Antiken, die an die alte Geschichte und Mythologie erinnern, theils neue Bilder von den größten Künstlern verfertigt. Die Laubengänge und kleinen Lustwälder haben überall Statuen und Büsten, die Kabinette eiserne Gitterwerke und vergoldete Zierrathen; und eine holländische Parthie ist voll Glaskorallen und Porcellan. Die große Menge von Werken der Kunst überdeckt den Garten, und verdrängt fast die Natur. Die Pflanzungen sind in Sternälleen, in Sallons u. s. w. gezwungen. Anmuthiger durch Natur ist der sogenannte Reh- oder Fasanengarten, ein Wald, der nur durch die Kunst etwas gelüstet und geordnet ward, und eine Menge von Fasanen enthält. Dieser Park ist in einem großen Geschmack angelegt, mit vielen amerikanischen und andern fremden Gewächsen besetzt, voll vortrefflicher Stellen. Neben einem geraden Hauptweg sind zu beyden Seiten geschlängelte Gänge, die sich durch Hayne von den schönsten Bäumen winden, oft unerwartet zu großen und reizenden Anlagen bringen, und hin und wieder Aussichten auf Wiesen, Wasser und Hügel eröffnen.

Von verschiedenen andern Gärten, die in den preußischen Staaten liegen, hat Herr Bernoulli *) Grundrisse bekannt gemacht, welche Fortschritte der verbesserten Gartenkunst zeigen, die von den alten symmetrischen Anlagen ausgehen, sich doch aber auch hie und da wieder in sie verirren.

Vier Meilen von Breslau hat der in Schlesien dirigirende Staatsminister Herr von Hoym, ein geschmackvoller Gartenfreund, auf seiner Herrschaft Dyherrenfurth einen Garten in der verbesserten Manier angelegt.

In der Gegend von Bunzlau hat der Herr Graf von Solms und Tecklenburg zu Klitzschdorf eine schöne Anlage angefangen, die nach den Einsichten dieses Kenners ein vortreffliches Ganze erwarten läßt.

Zu Hirschberg hat der Stadtdirector, Herr Schönau, ein verdienstliches Werk für seine Mitbürger ausgeführt, indem er einen Galgenberg, der die herr-

————

*) In seiner Sammlung kurzer Reisebeschreibungen.

 

360lichsten Aussichten auf das Riesengebirge hat, in einen angenehmen Volksgarten verwandelte. *)

17.

Dem neuen herzoglichen Garten zu Gotha, einem der vorzüglichen in ganz Deutschland **), verdient noch die kleine reizende Anlage beygefügt zu werden, die von der regierenden Frau Herzoginn, einer feinen Kennerinn der Künste, angelegt ist. Außer den malerischen Aussichten in eine von der Natur und dem Anbau reich geschmückte Ebene, und außer den anmuthigen Lustgebüschen, Gängen und verschiedenen Scenen, erblickt man hier noch besonders mit Vergnügen das Wohngebäude, das die Gestalt einer Kapelle im altgothischen Geschmack hat. ***)

Der Garten zu Wörlitz bey Dessau gehört, im Ganzen betrachtet, zu den edelsten Anlagen in Deutschland, wie der Besitzer zu den besten Fürsten, ein Vater seiner Unterthanen, ein Freund der Menschen und ein Kenner der Künste. Er hat sein Land mit Gebäuden und Gärten verschönert, die lange Denkmäler seines eben so feinen als männlichen Geschmacks seyn werden. Das Landhaus ist sehr schön, in einem edlen Stil, der, einige Kleinigkeiten ausgenommen, mit einer reizenden Harmonie im Ganzen und in einzelnen Theilen herrscht. Der Garten hat allerdings auch viele Schönheiten, die zum Theil ein Werk der Ueberlegung sind, zum Theil aber der Lage und den zufälligen Umständen zugehören. Er ist ganz zu der Klasse der angenehmen zu rechnen, reich an Munterkeit und Heiterkeit der Durchsichten. Der Fluß mit seinen verschiedenen abgeleiteten Gewässern, die Inseln, die Brücken, die Ueberfahrten, die Pflanzungen, und die in freyen und edlen Wendungen zwischen ihnen fortlaufenden Gänge wetteifern, die Reize dieses Gartens zu vollenden. Nur Schade, daß er anfängt, sich hie und da in das Seltsame zu verirren. Man braucht den rohen Eisenstein so häufig, und versucht dadurch Felsen nachzuahmen, oder bringt ihn mit behauenen Steinen oder platten Wänden in einen ganz besondern Contrast. Auch liebt man das Gothische mehr, als der Charakter der Anlage zu verstatten scheint; fast alle Gebäude, große und kleine, werden nach dieser Bauart aufgeführt. ****)

————

*) Eine Beschreibung davon findet sich in meinem Gartenkalender auf 1785.

**) S. 4ten B. S. 234–238.

***) Eine Abbildung davon ist im Gartenkalender auf 1782 zu sehen.

****) Eine ausführliche Beschreibung des Gartens ist lange angekündigt, und wird auch vielleicht erscheinen. Indessen sind eben jetzt fünf große und schöne Kupfertafeln vorausgegangen, welche den Plan des Gartens, den Aufriß, Grundriß und Durchschnitt des Landhauses und einige Theile der Architecturverzierungen vorstellen.

 

361 18.

Die Gärten in Oesterreich fangen ebenfalls an, sich aus der alten Symmetrie zu dem reinen Geschmack der Natur emporzuheben. Zwar liegt der Garten bey dem berühmten kaiserlichen Lustschloß Schönbrunn, den Herr Nicolai *) mit dem Gebäude genau und lehrreich beschreibt, mit seinen Fächerbäumen und Heckenwänden noch in unnatürlichen Quadratformen.

Indessen läßt jetzt der Kaiser zu Laxenburg einen neuen schönen Garten, der vor einigen Jahren angefangen ist, in einem edlen Geschmack anlegen. Ein großer, mit Farben erleuchteter Plan **), der die Erweiterungen von 1782 und 1783 enthält, zeigt schon vortreffliche Stellen in diesen Anlagen. Das Wasser verbreitet sich in schönen Wendungen, und die weit ausgedehnten Rasen machen mit den großen Gruppen und Pflanzungen, die auf ihnen in abwechselnden Gestalten erscheinen, einen ergötzenden Anblick. Ohne Zweifel werden sich diese Anlagen mehr erweitern und ausbilden, wenn der Monarch zu den sanften Geschäften des Friedens ganz wieder zurückkehren kann.

Der neue Garten, den der Feldmarschall, Graf Lascy, zu Neuwaldeck in einer vormals wilden Gegend anlegen lassen, ist nicht weniger durch seinen Besitzer, als durch die vielen Schönheiten der Natur und des Geschmacks berühmt, die sich in ihm verbreiten. Die bergigte Lage giebt ihm die Annehmlichkeiten der Wasserfälle und weiter, herrlicher Aussichten. Eine schöne Beschreibung hat Herr Nicolai davon gegeben ***), die hier nicht wiederholt werden darf, da sie in den Händen aller Leute von Geschmack ist. Indessen erscheinen doch in diesem Garten, worinn die waldigten Höhen, die Wildbahnen und Rasen sich so trefflich auszeichnen, einige Stellen, die der Kenner wegwünscht, z. B. symmetrische Hecken mit einer Wasserkunst in der Mitte, Baumpflanzungen nach der Schnur, französische Parterre, Rousseau’s Grab, das man hier nicht sucht. Der Tempel der Diana schickt sich dagegen sehr gut zu Waldbergen voll Wild, und die Statue des ruhenden Mars, so wenig auch sonst dieser Gott in Gärten gehört, wird hier anständig, da sie auf die holde Ruhe des Friedens winkt, die ein großer Held an diesem Orte unter den ländlichen Schatten genießt.

————

*) Reise durch Deutschland. 3ter B. S. 85–94.

**) Er wird nicht verkauft, sondern verschenkt.

***) Reisen durch Deutschland. 3ter B. S. 104–115. Außer den auch von Herrn Nicolai angeführten 4 Blättern, die 1782 erschienen, und Aussichten von Reuwaldeck vorstellen, geht noch von eben dem Jahr ein Grundriß dieses Gartens aus von Mansfeld gestochen.

 

362 Cobenzels Hof bey Wien ist ein Garten von der romantischen Gattung, den der Vicekanzler, Herr Graf von Cobenzel in einer schmalen und wilden, von hohen Bergen umgebenen Schlust, 1778 mit wenigen Verbesserungen ausgebildet hat. Die Beschreibung, die Herr Nicolai davon giebt *), ist so schön, und stellt eine so reizende Anlage dar, daß ich verführt werde, sie hier wieder zu geben, zumal da romantische Gärten doch immer zu den seltenen gehören.

„Das Haus ist nur sehr klein, sagt er, aber niedlich. Es liegt auf einer kleinen Anhöhe, zwischen hohen bewachsenen Bergen, in einer angenehmen Wildniß. Nahe an demselben geht man zuerst auf verschiedenen Wegen, die rund um die Anhöhe, worauf das Haus stehet, laufen, wo bey jeder Wendung Bänke zum Ausruhen sind, nach und nach ins Thal hinunter. Man geht alsdann links über einen Steg, und so wieder nach und nach bergan durch den wilden Wald hindurch. Man kommt alsdann rechts wieder fanst herab, neben einem klaren Bache, in welchen in kleinen Entfernungen glatte Steine gelegt sind, damit er rieselnd herunter falle. Endlich erblickt man einen hohen grün bewachsenen Hügel. Oben auf demselben liegt ein Hund in einem Häuschen, der aber die Wanderer ohne Bellen weiter gehen läßt. Auch geht der Weg nicht den Hügel hinau, sondern man geht tiefer herunter zu einem dunkeln Eingange, der sich etwas windet, und noch dunkler wird. Mit einem mal fällt von oben Licht hinein, und man befindet sich in einer ziemlich hohen gewölbten Grotte, welche aus rohen Sandsteinen so zufammen gebauet ist, als ob sie aus dem Felsen gehauen wäre. In derselben ist eine lebendige, beständig sprudelnde Quelle, welche ein ziemliches Becken voll sehr klaren Wassers macht. Daran sind steinerne Stufen angebracht, so daß man, so tief man will, zum Baden hineinsteigen kann. Neben der Quelle stellt ein breiter Stein einen Tisch vor. Auf demselben lag eine Stelle, aus Wielands Oberon, Alfons überschrieben, auf einem Bogen besonders abgedruckt. – Nachdem wir uns in dieser angenehmen Grotte eine Zeitlang verweilt, und besonders in diesem reizenden Aufenthalte die schöne Stelle aus dem Oberon, die wir so unvermuthet und zu so gelegener Zeit fanden, nicht ungelefen gelassen hatten; giengen wir weiter, und kamen an einen kleinen Wasserbehälter, in welchem eine lebendige Quelle aus einem Steine springt. Wir giengen nun herunter, und fanden noch zwey kleine Wasserbehälter, welche Kaskaden machten. Von da stiegen wir wieder einige steinerne Staffeln hinauf, und kamen in einen dunkeln Weg, der am Berge herum und neben einem Eiskeller vorbeyführte. Und nun, indem wir noch etwas hinauf stiegen, und uns wendeten, waren wir mit einem mal aus der dunkeln einsamen Gegend heraus, und befanden uns in einem Thale, rund herum mit Bergen umkränzt, welche dicht

————

*) Reisen, 3ter Th. S. 116–118.

 

363 mit hoch belaubten Bäumen besetzt sind. Vor uns war ein Teich, auf welchem Schwäne, türkische Enten, und anderes Geflügel schwamm; und wir erblickten wieder das Wohnhaus auf der Anhöhe, welches eine schöne Wirkung that, nachdem wir so lange in romantischen einsamen Gängen herumgewandelt hatten. Von da giengen wir nach einer kleinen Fasanerie, in deren Nachbarschaft eine artige kleine englische Pflanzung von allerhand ausländischem Buschwerk angelegt ist, und so kamen wir wieder nach dem Wohnhause zurück. So klein verhältnißmäßig diese Anlage ist, so anmuthig ist sie. Die natürliche Lage der Gegend ist hier sehr zu Hülfe gekommen; aber sie ist mit großem Verstande gebraucht, so daß diese Anlage ein Muster ist.“

Nächstdem rühmt Herr Nicolai das Landhaus des Fürsten von Kaunitz-Rittberg als das einfachste und angenehmste unter allen übrigen in den Vorstädten von Wien.

Auch verdienen die reizenden Lustgebüsche und Spaziergänge des neuen Gartens erwähnt zu werden, den Herr Hofrath von Spielmann in Wien angelegt hat.

Wer übrigens sowohl von den Wiener Schlössern und ihrer Auszierung, als auch von den ihnen zugehörigen Gärten, die noch ganz im alten Geschmack angelegt, aber zum Theil durch schätzbare Sammlungen seltener ausländischer Gewächse merkwürdig sind, umständliche Nachrichten wünscht, für den hat Herr Bernoulli in seiner Sammlung kurzer Reisebeschreibungen gesorgt. *)

 

 

————

*) 14ter B. S. 3–96. Man sehe auch den 12ten B.

 

364 Beschluß.

Hier ist der rührende Augenblick, da ich euch verlassen soll, unschuldige Gespielinn meiner Jugend, holdselige Natur, und du, ihre jüngste Tochter und Schülerinn, schöne Gartenkunst, beste Gesellschafterinn meiner männlichen Jahre. Wie der Bräutigam, seine junge Verlobte, von der ihn das Schicksal sich trennen heißt, mit der Thräne der Zärtlichkeit noch einmal anzublicken, mit der lauten Sehnsucht nach der Wiederumarmung noch einmal nach ihr zurückzuschauen, vor den Augen der umstehenden Freunde nicht erröthet; so scheide ich jetzt von dir, geliebte Gartenkunst, Schöpferinn der süßesten, der edelsten, der beständigsten Freuden, die auf der Bahn des Lebens blühen, der Freuden für jedes Alter, für jeden Stand, für jede Situation des Menschen, der Freuden, die der Bürger mit den Königen theilt. Schöne, durch alle Jahrhunderte nie verblühende, alle empfindende Nationen immer entzückende Natur, die du für den Menschen so reizend bist, und für die der gute Mensch so fühlend ist, o! du, die ihn ergötzt und ihn tröstet, die ihn erquickt und ihn belehrt, die ihn bildet und ihm durch tausend abwechselnde Auftritte Befriedigung aller Bedürfnisse, Unterhaltung aller Empfindungen entgegenträgt – laß dir dieß Werk gefallen, das sich bestrebte, die Kunst der Gärten zu dir, ihrer wahren Lehrerinn, zurückzuführen, von dem eiteln Pomp und von dem falschen Wahn, der sie von dir trennte. Und indem du durch Wahrheit, durch Einfalt, durch Grazie herrschest und alle deine Bildungen mit ihrem Geiste belebst, so schlage durch ihr mächtiges Gefühl das letzte Vorurtheil der Zeit nieder, laß den gereinigten Geschmack auf deinen Flügeln siegreich emporsteigen, und überall die große Erfahrung verbreiten:

Gott schuf die Welt, und der Mensch verschönert sie.
ohne Zählung

 

365 Verzeichniß der Kupferverzierungen.

Nr. 1. Tempel des Morgens, von Herrn Schuricht. Seite 7.

Nr. 2. Ein dem Morgen geweiheter Tempel, von Herrn Weinlig, Ober-Bauamts-Zahlmeister in Dresden. S.9

Nr. 3. Ein frey stehender Speisesaal, von Herrn Weinlig. S. 13.

Nr. 4. Ein freyes Bad, von Herrn Brandt. S. 14.

Nr. 5. Tempel des Abends, von Herrn Schuricht. S. 19.

Nr. 6. Pavillon, dem Abend gewidmet, von Weinlig. S. 21.

Nr. 7. Windthurm, der Mitternacht und Astronomie gewidmet, von Weinlig. S. 24.

Nr. 8. Lustschloß von Brandts Erfindung in einem prächtigen Charakter, mit zwey zurückstehenden Seitenflügeln. S. 31.

Nr. 9. Lustschloß von Herrn Schurichts Erfindung im prächtigen Styl. S. 32. Die Wohnungen der Gäste, Officianten und Bedienten, wie auch Konditerey, Küchen und Ställe können in kleine umliegende Gebäude vertheilt werden, wovon jedes nach seinem Gebrauch zu charakterisiren ist. Der Grundriß zeigt 1. Vestibule, Seite der Damen. 2. 3. 4. Vorzimmer und Garderoben. 5. Ein von oben erleuchteter Gang, der zu den 6. 7. 8. 9. Spielund Gartenzimmern führt. 10. Buffets. 11. Boudoir. 12. Schlafzimmer. 13. Toilette. 14. Wohnzimmer. 15. Schreibcabinet. 16. Gesellschaftszimmer von oben erleuchtet. 17. 18. 20. 21. 23. 24. 25. 26. Gesellschaftszimmer. 19. Bildergallerie. 22. großer Saal von oben erleuchtet. – Seite des Herrn. 27. 28. Bibliotheken von oben erleuchtet. 29. 30. Vorzimmer. 31. Wohnzimmer. 32. Schlafzimmer. 33. Schreibcabinet. 34. Serre Papier. 35. von oben erleuchteter Coridor. 36. 38. 40. 42. Spielcabinets. 37. 39. 41. Buffets.

Nr. 10. Lustschloß von Herrn Schuricht, in einem weniger prächtigen Styl als Nr. 9. S. 33. Vor dem ganzen Gebäude auf der Hofseite läuft ein bedeckter Säulengang vorbey, der auf beyden Seiten an kleine Gebäude anstößt, worinn die Officen- Gäste- und OfficiantenWohnungen liegen, aber aus Mangel des Raums hier nicht angegeben werden konnten. Vor dem Hof macht dieser Gang ein großes Portal, durch welches man auf einen Appareil in den Hof fährt. Grundriß. 1. Bestibule. Zu den Seiten der Damen gebören: 2. 3. Vorzimmer. 4. Vorhaus. 5. Vorzimmer. 6. 7. Garderoben. 8. Schlafzimmer. 9. Wohnzimmer. 10. Visitenzimmer. 11. Cabinet. Zu des Herrn Seite. 22. Vorhaus. 23. 24. Vorzimmer. 25. Garderobe. 26. Schreibcabinet. 27. Schlafzimmer. 28. Serre Papier. 29. Wohnzimmer. – 12. Tanzsaal mit zween großen Nischen für die Buffets und einem in der Höhe erbauten Orchester. 21. Speisesaal. 13. 20. Bestibule in Gestalt runder Tempel. 14. 15. 17. 18. 19. Gesellschaftszimmer. 16. Saal.

Nr. 11. Lustschloß von Brandt, in einem weniger prächtigen Styl als Nr. 8. S. 34.

366 Nr. 12. Landhaus von Herrn Schuricht, in einem edlen Styl. S. 37.

Dieses Gebaude besteht aus einem Souterrein, Bel-Etage und Dachgeschoß. Es ist zur Landwohnung eines Generals bestimmt, wohin die Verzierung der Fagade mit Armaturen und des Einganges mit zwey schlafenden Löwen zielt. Ueber dem Eingange und der Freytreppe steht noch ein gemauertes Entrefol. Auf der Gartenseite macht der große Perron, der zwischen den Flügeln eingespannt ist, eine Art von Terrasse. Grundriß. 1. Vestibule. 2. Vorzimmer. 3. Schreibcabinet. 4. Schlafzimmer. 5. Wohnzimmer. 6. Cabinet. 7. Vorzimmer. 8. Garderobe. 9. Besuchzimmer. Alle für den Herrn – Für die Frau sind: 14. Vorzimmer. 15. 16. Garderobe. 17. Spielcabinet. 18. Besuchzimmer. 19. Wohnzimmer. 20. Schlafzimmer. 21. Boudoir. – 11. Saal. 10. 12. 13. Gesellschaftszimmer.

Nr. 13. Kapelle von der Erfindung des französischen Architecten Peyre aus seinen Oeuvres d’Architecture. fol. Paris 1765. S. 39.

Nr. 14. Kapelle zu Gibside in Durham aus des englischen Architecten Paine Plans, Elevations and Sections of Noblemen’s and Gentlemen’s Houses etc. S. 40.

Nr. 15. Landhaus im edlen Styl, von der Erfindung des englischen Architecten Swan. S. 46. Aus seiner Collection of Desings in Architecture, containing new Plans and Elevations of Houses &c. fol. 2 Vol. London. Dieses Werk, wovon jeder Band 60 Kupfertafeln hat, ist deswegen merkwürdig, weil es eine Menge Grundrisse und Aufrisse von Häusern und Villen für Privatpersonen in einem einfachen und reinen Styl enthält.

Nr. 16. Kleines Landhaus oder Sommerhaus aus Swan’s Architecture. S. 51.

Nr. 17. 18. 19. Drey verschiedene Landhäuser in einem aufsteigenden Styl, für Bürger und Privatpersonen, von Herrn Schurichts Erfindung. S. 56. 57. 58.

Nr. 17. Eine bequeme Ville. Im untern Stockwerk 1. der Saal. 2. Cabinet zum Schenktisch oder Spiel. 3. Küche. 4. Speisegewölbe. 5. Stübchen für Küchenleute oder Gesinde. In dem obern Stockwerk 6. Schreibcabinet. 7. Schlafzimmer. 8. Wohnzimmer. 9. Speisezimmer. 10. Cabinet. 11. Flur, die, wenn die Treppe Thüren bekommt, geheizt werden kann. 12. Schlafkämmerchen für einen Bedienten. Im Dachgeschoß können Stuben für Domestiken und Vorrathstammern angelegt werden.

Nr. 18. Eine etwas größere Privatwohnung auf dem Lande. Sie besteht aus einem Souterrein für die Officen, Bel-Etage, und Entresol für die Familie und Officianten. Die hier gezeichnete Aussicht ist von der Hofseite. Der Grundriß ist von der Bel-Etage. Durch eine Thüre im Erdgeschoß kommt man in das 1. Vorhaus, aus welchem man auf doppelten Treppen beyderseits in die 2. und 12. Vorzimmer geht. 3. Cabinet. 4. Wohnzimmer. 5. Schlafzimmer. 6. Besuchzimmer, alle vier für den Herrn. 7. Speisesaal. – 8. Besuchzimmer. 9. Wohnzimmer. 10. Schlafzimmer. 11. Cabinet, alle vier für die Frau. 13. Kammer für die Kammerjungfer.

Nr. 19. Ein noch größeres Landhaus. Es besteht aus Parterre, Bel-Etage und Entresol. Das erste ist mit einem bedeckten gewölbten Gange umgeben, welcher in der Bel-Etage eine freye Gallerie um das Haus herum macht, auf welche man durch die Seitenthüre des Saals 367 und des Vestibuls kommt. Die Aussicht ist von der Gartenseite genommen. 1. Vestibule mit einer Doppeltreppe. 2. Vorzimmer. 3. Schlafzimmer für einen Bedienten. 4. Cabinet. 5. Schlufzimmer. 6. 7. 9. 10. Gesellschaftszimmer. 8. Saal. 11. Küche. 12. 13. Speisegewölber. 14. Küchenstube. 15. Kammer für den Koch.

Nr. 20. Landhaus für eine Privatperson aus Swan’s Architecture etc. S. 59.

Nr. 21. Landhaus für eine Privatperson, etwas edler, als das vorhergehende, von Swan’s Erfindung. S. 62.

Nr. 22. Landhaus für einen Privatmann, von J. Carter’s Erfindung. Aus dem Builder’s Magazine etc. by a Society of Architects. 4. London. 1774. 2 Vol. S. 64. Der erste Band dieses an Materie und Kupfern sehr reichen und schätzbaren Werks giebt einen richtigen Architecturbegriff in alphabetischer Ordnung und die Erklärung der Kupfertafeln. Diese füllen den zweyten Band und enthulten Grundrisse, Aufrisse und Durchschnitte von einer großen Menge von Gebäuden aus allen Gattungen, besonders von Landhäusern und Gartengebäuden.

Nr. 23. Waldhaus von J. Carter’s Erfindung aus dem Builder’s Magazine. S. 67.

Nr. 24. Ein gothischer Tempel eben daher. S. 84.

Nr. 25. Tempel der Gesundheit, von Herrn Schuricht gezeichnet. S. 89.

Nr. 26. Ein Speisesaal zu Forcett in Yorkshire, vom Architecten J. Paine. S. 91.

Nr. 27. Ein freyes Lustgebüsch von Herrn Brandts Zeichnung. S. 101.

Nr. 28. Carroussel von Wilhelmsbad. S. 103. Der Abdruck dieses Kupfers sollte Seite 105 stehen.

Nr. 29. Vorplatz des Landhauses zu West-Wycomb in Buckshire, nach Hannan und Woollet. S. 120.

Nr. 30. Vorplatz des Landhauses zu Coombank in Kent, nach Woollet. S. 125.

Nr. 31. Kleine ländliche Meyerey, von Herrn Brandts Erfindung. S. 145.

Nr. 32. Ländliche Brücke zu einer Fischerhütte von eben demselben. S. 152.

Nr. 33. Eine solche zu einen Thiergarten, von ebendemselben. S. 157.

Nr. 34. Eine Schweizergegend mit einzelnen Bauerhäusern nach der im Canton Bern üblichen Bauart, von Herrn Prof. Zingg in Dresden. S. 165.

Nr. 35. Eine Landschaft mit schönen Lagen für Landwohnungen, von Brandt. S. 170.

Nr. 36. Eine ländliche Hütte, von Herrn Schuricht. S. 175.

Nr. 37. Monument von Rousseau. S. 262.

Nr. 38. Nuneham. Landhaus in einer reizenden Lage. S. 275.

Nr. 39. Kilcairn oder Kilchurn. Landhaus in einer melancholischen Lage. S. 276.

Nr. 40. Strath-Tay. Landhaus in einer romantischen Lage. S. 277.

368 Nr. 41. Alnwick. Landhaus in einer feierlichen Lage. S. 278.

Nr. 42. Grundriß des neuen Sommerschlosses der Herzoginn von Braunschweig. S. 317. Die beyden Sääle A und B gehen durch beyde Geschosse. Die Vestibule C desgleichen. Um in der zweyten Etage nach der nördlichen Seite zu kommen, ist eine Gallerie bey D angebracht.

Nr. 43. Landhaus Castle-Howard in Yorkshire, aus den New Display of the Beauties of England. S. 320.

Nr. 44. Landhaus zu Wentwort in Yorkshire, eben daher. S. 327.

Nr. 45. Milchhaus zu Hohenheim. S. 352.

Nr. 46. Köhlerhütte zu Hohenheim. S. 353.

Nr. 47. Landhaus zu Moor-Park bey Rickmanns-Worth in Hertfordshire, aus den New Display of the Beauties of England. S. 363.

Nr. 48. Scenen aus dem Park des Barons Dashwood zu West-Wycomb in Buckshire, nach Woollet. S. 364.

 

[[Zum Anfang des Textes]]