630Sinfonie pour 2 Violons, 2 Violes, Violoncelle et Contre-Violon, 2 Flûtes, petite Flûte, 2 Hautbois, 2 Clarinettes, 2 Bassons, Contrebasson, 2 Cors, 2 Trompettes, Timbales et 3 Trompes, composée et dediée etc. par Louis van Beethoven. à Leipsic, chez Breitkopf et Härtel, Oeuvre 67. No. 5. des Sinfonies. (Pr. 4 Rtlr. 12 Gr.)
Rec. hat eins der wichtigsten Werke des Meisters, dem als Instrumental-Componisten jetzt wol keiner den ersten
Rang bestreiten 631 wird, vor sich; er ist durchdrungen von dem Gegenstande, worüber er
sprechen soll, und niemand mag es ihm verargen, wenn er, die Gränzen der gewöhnlichen Beurtheilungen überschreitend,
alles das in Worte zu fassen strebt, was er bey jener Composition tief im Gemüthe empfand. – Wenn von der Musik als
einer selbstständigen Kunst die Rede ist, sollte immer nur die Instrumental-Musik gemeint seyn, welche, jede Hülfe,
jede Beymischung einer andern Kunst verschmähend, das eigenthümliche, nur in ihr zu erkennende Wesen der Kunst rein
ausspricht. Sie ist die romantischte aller Künste, – fast möchte man sagen, allein rein romantisch. – Orpheus
Lyra öffnete die Thore des Orcus. Die Musik schliesst dem Menschen ein unbekanntes Reich auf; eine Welt, die nichts
gemein hat mit der äussern Sinnenwelt, die ihn umgiebt, und in der er alle durch Begriffe bestimmbaren Gefühle
zurücklässt, um sich dem Unaussprechlichen hinzugeben. Wie wenig erkannten die Instrumental-Componisten
dies eigenthümliche Wesen der Musik, welche versuchten, jene bestimmbaren Empfindungen, oder gar Begebenheiten
darzustellen, und so die der Plastik geradezu entgegengesetzte Kunst plastisch zu behandeln! Dittersdorfs
Symphonien der Art, so wie alle neuere Batailles de trois Empereurs etc. sind, als lächerliche Verirrungen,
mit gänzlichem Vergessen zu bestrafen. – In dem Gesange, wo die hinzutretende Poesie bestimmte Affecte durch Worte
andeutet, wirkt die magische Kraft der Musik, wie das Wunder-Elixir der Weisen, von dem etliche Tropfen jeden
Trank köstlich und herrlich machen. Jede Leidenschaft – Liebe – Hass – Zorn – Verzweiflung etc. wie die Oper sie uns
giebt, kleidet die Musik in den Purpurschimmer der Romantik, und selbst das im Leben Empfundene führt uns hinaus aus
dem Leben in das Reich des Unendlichen. So stark ist der Zauber der Musik, und, immer mächtiger wirkend, müsste
er jede Fessel einer andern Kunst zerreissen. – Gewiss 632 nicht allein in der Erleichterung
der Ausdrucksmittel (Vervollkommnung der Instrumente, grössere Virtuosität der Spieler,) sondern in dem tiefern,
innigeren Erkennen des eigenthümlichen Wesens der Musik liegt es, dass geniale Componisten die Instrumental-Musik zu
der jetzigen Höhe erhoben. Haydn und Mozart, die Schöpfer der neuern Instrumental-Musik, zeigten uns zuerst die Kunst
in ihrer vollen Glorie; wer sie da mit voller Liebe anschaute und eindrang in ihr innigstes Wesen, ist – Beethoven. Die
Instrumental-Compositionen aller drey Meister athmen einen gleichen romantischen Geist, welches eben in dem gleichen
innigen Ergreifen des eigenthümlichen Wesens der Kunst liegt; der Character ihrer Compositionen unterscheidet sich jedoch
merklich. Der Ausdruck eines kindlichen, heitern Gemüths herrscht in Haydns Compositionen. Seine Symphonie führt uns
in unabsehbare, grüne Hayne, in ein lustiges, buntes Gewühl glücklicher Menschen. Jünglinge und Mädchen schweben
in Reihentänzen vorüber; lachende Kinder hinter Bäumen, hinter Rosenbüschen lauschend, werfen sich neckend mit Blumen.
Ein Leben voll Liebe, voll Seligkeit, wie vor der Sünde, in ewiger Jugend; kein Leiden, kein Schmerz; nur süsses,
wehmütiges Verlangen nach der geliebten Gestalt, die ferne im Glanz des Abendrothes daher schwebt, nicht näher kömmt und
nicht verschwindet; und so lange sie da ist, wird es nicht Nacht, denn sie selbst ist das Abendroth, von dem Berg und
Hain erglühen. – In die Tiefen des Geisterreichs führt uns Mozart. Furcht umfängt uns: aber, ohne Marter, ist sie mehr
Ahnung des Unendlichen. Liebe und Wehmut tönen in holden Stimmen, die Macht der Geisterwelt geht auf in hellem
Purpurschimmer, und in unaussprechlicher Sehnsucht ziehen wir den Gestalten nach, die freundlich uns in ihre Reihen
winken, im ewigen Sphärentanze durch die Wolken fliegen. (Z. B. Mozarts Symphonie in Es dur, unter dem Namen des
Schwanengesanges bekannt.) So öffnet uns 633 auch Beethovens Instrumental-Musik das
Reich des Ungeheueren und Unermesslichen. Glühende Strahlen schiessen durch dieses Reiches tiefe Nacht, und wir
werden Riesenschatten gewahr, die auf- und abwogen, enger und enger uns einschliessen, und alles in uns vernichten,
nur nicht den Schmerz der unendlichen Sehnsucht, in welcher jede Lust, die, schnell in jauchzenden Tönen emporgestiegen,
hinsinkt und untergeht, und nur in diesem Schmerz, der, Liebe, Hoffnung, Freude in sich verzehrend, aber nicht zerstörend,
unsre Brust mit einem vollstimmigen Zusammenklange aller Leidenschaften zersprengen will, leben wir fort und sind
entzückte Geisterseher. – Der romantische Geschmack ist selten, noch seltner das romantische Talent: daher giebt es
wol so wenige, die jene Lyra, welche das wundervolle Reich des Unendlichen aufschliesst, anzuschlagen vermögen. Haydn
fasst das Menschliche im menschlichen Leben romantisch auf; er ist commensurabler für die Mehrzahl. Mozart nimmt das
Uebermenschliche, das Wunderbare, welches im innern Geiste wohnt, in Anspruch. Beethovens Musik bewegt die Hebel
des Schauers, der Furcht, des Entsetzens, des Schmerzes, und erweckt jene unendliche Sehnsucht, die das Wesen der
Romantik ist. Beethoven ist ein rein romantischer (eben deshalb ein wahrhaft musikalischer) Componist, und daher mag
es kommen, dass ihm Vocal-Musik, die unbestimmtes Sehnen nicht zulässt, sondern nur die durch Worte bezeichneten
Affecte, als in dem Reich des Unendlichen empfunden, darstellt, weniger gelingt und seine Instrumental-Musik selten
die Menge anspricht. Eben diese in Beethovens Tiefe nicht eingehende Menge spricht ihm einen hohen Grad von
Phantasie nicht ab; dagegen sieht man gewöhnlich in seinen Werken nur Producte eines Genie’s, das, um Form und Auswahl
der Gedanken unbesorgt, sich seinem Feuer und den augenblicklichen Eingebungen seiner Einbildungskraft überliess.
Nichts desto weniger ist er, Rücksichts der Besonnenheit, Haydn und Mozart ganz an die Seite zu stellen. Er trennt
sein Ich von dem innern Reich der 634 Töne und gebietet darüber als unumschränkter Herr.
Wie ästhetische Messkünstler im Shakspeare oft über gänzlichen Mangel wahrer Einheit und inneren Zusammenhanges geklagt
haben, und nur dem tiefern Blick ein schöner Baum, Knospen und Blätter, Blüthen und Früchte aus einem Keim treibend,
erwächst: so entfaltet auch nur ein sehr tiefes Eingehen in die innere Structur Beethovenscher Musik die hohe
Besonnenheit des Meisters, welche von dem wahren Genie unzertrennlich ist und von dem anhaltenden Studium der Kunst
genährt wird. Tief im Gemüthe trägt Beethoven die Romantik der Musik, die er mit hoher Genialität und Besonnenheit
in seinen Werken ausspricht. Lebhafter hat Rec. dies nie gefühlt, als bey der vorliegenden Symphonie, die in einem bis
zum Ende fortsteigenden Climax jene Romantik Beethovens mehr, als irgend ein anderes seiner Werke entfaltet, und den
Zuhörer unwiderstehlich fortreisst in das wundervolle Geisterreich des Unendlichen. – Das erste Allegro,
2/4 Takt C moll, fängt mit dem nur aus zwey Takten bestehenden Hauptgedanken, der in der Folge,
mannigfach gestaltet, immer wieder durchblickt, an. Im zweyten Takt eine Fermate; dann eine Wiederholung jenes Gedankens
einen Ton tiefer, und wieder eine Fermate; beyde Male nur Saiteninstrumente und Clarinetten. Noch ist nicht einmal die
Tonart entschieden; der Zuhörer vermuthet Es dur. Die zweyte Violine fängt wieder den Haupt-Gedanken an, im zweyten Takt
entscheidet nun der Grundton C, den Violoncelle und Fagotte anschlagen, die Tonart C moll, indem Bratsche und erste
Violine in Nachahmungen eintreten, bis diese endlich dem Haupt-Gedanken zwey Takte anreihet, die dreymal wiederholt (zum
letztenmal mit einfallendem ganzen Orchester) und in eine Fermate auf der Dominante ausgehend, des Zuhörers Gemüthe
das Unbekannte, Geheimnissvolle ahnen lassen. Der Anfang des Allegros bis zu diesem Ruhepunkt entscheidet den Charakter
des ganzen Stücks und eben deshalb rückt ihn Rec. hier zur Ansicht des Lesers ein:
635


637 Nach dieser Fermate imitiren, in der Tonica verweilend, den Haupt-Gedanken, Violinen
und Bratsche, während der Bass dann und wann eine Figur, die jenen Gedanken nachahmt, anschlägt, bis ein immer steigender
Zwischensatz, der aufs neue jene Ahnung stärker und dringender aufregt, zu einem Tutti leitet, dessen Thema wieder den
rhythmischen Verhalt des Haupt-Gedankens hat und ihm innig verwandt ist:

Der Sexten-Accord auf dem Grundton D, bereitet die verwandte Dur-Tonart Es vor, in welcher das Horn wieder den
Haupt-Gedanken nachahmt. Die erste Violine greift nun ein zweytes Thema auf, welches zwar melodiös ist, aber doch dem
Charakter ängstlicher, unruhvoller Sehnsucht, den der ganze Satz ausspricht, getreu bleibt. Die Violine trägt dieses
Thema abwechselnd mit der Clarinette vor, und allemal im dritten Takte schlägt der Bass jene erst erwähnte Nachahmung
des Hauptgedankens an, wodurch dies Thema wieder ganz in das kunstvolle Gewebe des Ganzen verflochten wird. In der
weitern Fortführung dieses Thema’s wiederholen die erste Violine und das Violoncell, in der Tonart Es moll, eine aus
zwey Takten bestehende Figur fünfmal, während die Bässe chromatisch aufwärts steigen, bis endlich ein neuer
Zwischensatz zum Schluss führt, in welchem die Blasinstrumente das erstes Tutti in Es dur wiederholen, und endlich das
ganze Orchester mit der oft erwähnten Nachahmung des Hauptthema’s im Basse in Es dur schliesst. Den zweyten Theil
fängt wiederum das Hauptthema in seiner ersten Gestalt, nur eine Terz höher gerückt und von Clarinetten und Hörnern
vorgetragen, an. In F moll, C moll, G moll, folgen die Sätze des ersten Theils, nur anders gestellt und instrumentirt,
bis endlich, nach einem wiederum nur aus zwey Takten bestehenden Zwischen638satze, den
die Violinen und die Blasinstrumente wechselweise aufgreifen, während die Violoncells eine Figur in der Gegenbewegung
ausführen und die Bässe aufwärts steigen, folgende Accorde des ganzen Orchesters eintreten:

Es sind Laute, womit sich die Brust, von Ahnungen des Ungeheuren gepresst und beängstet, gewaltsam Luft macht;
und wie eine freundliche Gestalt, die glänzend, die tiefe Nacht erleuchtend, durch die Wolken zieht, tritt nun ein
Thema ein, das im 58. Takte des ersten Theils von dem Horn in Es dur nur berührt wurde. Erst in G dur, dann in C dur,
tragen die Violinen alla 8va dieses Thema vor, während die Bässe eine abwärts steigende Figur ausführen, die
gewissermassen an den im 44. Takte des ersten Theils vorgekommenen Tuttisatz erinnert.

Die Blasinstrumente fangen dies Thema in F moll Fortissimo an, aber, nach dem dritten Takte ergreifen die
Saiten-Instrumente die beyden letzten Takte, und diese Takte imitirend wechseln Saiten- und Blasinstrumente noch
fünfmal, dann schlagen sie wieder wechselsweise und immer diminuendo einzelne Accorde an.
639 Nach dem Sexten-Accorde

hätte Rec., bey der weiteren Accordenfolge, Ges moll erwartet, das denn, wenn auf die Art, wie es hier geschieht,
nach G dur modulirt werden sollte, enharmonisch in Fis moll verwechselt werden konnte. Die Blasinstrumente, welche
den Accord, der jener Sexte folgt, anschlagen, sind aber geschrieben:

Gleich darauf schlagen die Saiten-Instrumente den Fismoll-Accord an,

der von ihnen und von den Blasinstrumenten dann noch abwechselnd immer einen Takt hindurch viermal wiederholt
wird. Die Accorde der Blasinstrumente sind immer fort geschrieben, wie es oben angeführt wurde, wozu Rec. kein
Motiv finden kann. Nun folgt eben so der Sexten-Accord

immer schwächer und schwächer. Das wirkt wieder ahnungsvoll und schauerlich! – Das ganze Orchester bricht
nun mit einem Thema, das dem, welches 41 Takte vorher eintrat, beynahe ganz gleich ist, unisono, G dur
ein, nur die Flöte und die Trompete halten die Dominante D aus. Aber schon im vierten Takte ruht dies Thema und
nun schlagen pianissimo die Saiten-Instrumente mit den Hörnern und dann die übrigen Blasinstrumente
siebenmal wechselnd den verminderten Septimen-Accord

an; dann ergreifen die Bässe den ersten Haupt-Gedanken im zweyten Takte, die übrigen Instrumente unisono;
so imitiren sich Bass und Oberstimme fünf Takte hindurch, alsdann vereinigen sie sich drey Takte lang, im vierten
Takte fällt das ganze Orchester mit Pauken und Trompeten im Hauptthema, in seiner ursprünglichen Gestalt, ein. Der
erste Theil wird nun mit geringen Abweichungen wie640derholt; das Thema, welches dort in
Es dur begann, tritt jetzt in C dur ein, und führt zum Schlusse in C dur jubelnd mit Pauken und Trompeten. Indessen,
mit diesem Schlusse selbst wendet sich der Satz nach F moll. Fünf Takte hindurch mit vollem Orchester der
Sexten-Accord:

Clarinetten, Fagotten und Hörner schlagen piano eine Imitation des Haupt-Gedankens nach. Einen Takt
General-Pause, dann sechs Takte hindurch

alle Blas-Instrumente schlagen wie zuvor nach: und nun ergreifen die Bratschen, Violoncells und Fagotte ein
Thema, welches im zweyten Theile früher in G dur vorkam, während die Violinen, im dritten Takt unisono
eintretend, einen neuen Gegensatz ausführen. Der Satz bleibt jetzt in C moll und mit geringen Veränderungen wird das
Thema, welches im ersten Theil Takt 71 anfing, von den Violinen erst allein, dann mit den Blas-Instrumenten wechselnd
wiederholt. Immer näher und näher rücken sie zusammen, erst einen Takt, dann einen halben Takt; es ist ein Drängen
und Treiben – ein schwellender Strom, dessen Wellen höher und höher schlagen – bis sie endlich 24 Takte vor dem
Schlusse den Anfang des Allegro’s nochmals wiederholen. Es folgt ein Orgelpunct, zu dem das Thema imitirt wird,
bis endlich stark und kräftig der ganze Schluss folgt. –
Es giebt keinen einfacheren Gedanken, als den, welchen der Meister dem ganzen Allegro
zum Grunde legte

und mit Bewunderung wird man gewahr, wie er alle Nebengedanken, alle Zwischensätze, durch rhythmischen Verhalt
jenem einfachen Thema so anzureihen wusste, dass sie nur dazu dienten, den Charakter des Ganzen, den jenes Thema
nur andeuten konnte, immer mehr und mehr zu entfalten. Alle Sätze sind kurz, nur aus zwey, drey Takten bestehend,
und noch dazu vertheilt im beständigen Wechsel 641 der Saiten-Instrumente und der
Blas-Instrumente. Man sollte glauben, dass aus solchen Elementen nur etwas Zerstückeltes, schwer zu Fassendes
entstehen könnte: aber statt dessen ist es eben jene Einrichtung des Ganzen, so wie auch die beständig auf einander
folgende Wiederholung der kurzen Sätze und einzelner Accorde, welche das Gemüth fest hält in einer unnennbaren
Sehnsucht. – Ganz davon abgesehen, dass die contrapunctische Behandlung von tiefem Studium der Kunst zeigt, so sind
es auch die Zwischensätze und die beständigen Anspielungen auf das Hauptthema, welche darthun, wie der Meister das
Ganze mit allen den charaktervollen Zügen nicht allein im Geist auffasste, sondern auch durchdachte. –
Wie eine holde Geisterstimme, die unsre Brust mit Trost und Hoffnung erfüllt, tönt hierauf
das liebliche (und doch gehaltvolle) Thema von dem Andante in As dur ⅜ Takt, welches Bratsche und Violoncello
vortragen. Die weitere Ausführung des Andante erinnert an mehrere Mittelsätze in Haydnschen Symphonien; indem hier,
so wie es dort oft zu geschehen pflegt, das Haupt-Thema nach eingetretenen Zwischensätzen auf mannigfache Weise
variirt wird. An Originalität ist es dem ersten Allegro nicht gleich zu stellen, wiewol der Gedanke, immer zwischen
hindurch ins As dur, einen pomphaften Satz aus C dur mit Pauken und Trompeten eintreten zu lassen, frappant wirkt.
Zweymal geschieht der Uebergang ins C mittelst der enharmonischen Verwechslung:

worauf jenes pomphafte Thema eintritt und dann die Modulation in den Dominanten-Accord von As dur zurück auf
folgende Weise geschieht:

642 Einfacher, aber mit vieler Wirkung bereiten das dritte Mal Flöten, Oboen und Clarinetten den Uebergang
in jenes Thema C dur, vor:

Alle Sätze des Andante sind sehr melodiös und der Hauptsatz sogar schmeichelnd, aber selbst der Gang dieses Thema’s,
welches Asdur, B moll, F moll, B moll durchläuft und dann erst ins As zurückkehrt, das stete Aneinander-Rücken der
harten Tonarten As und C, die chromatischen Modulationen – sprechen wieder den Charakter des Ganzen aus, und eben
deshalb ist dies Andante ein Theil desselben. – Es ist, als träte der furchtbare Geist, der im Allegro das Gemüth
ergriff und ängstete, jeden Augenblick drohend aus der Wetterwolke, in die er verschwand, hervor, und entflöhen dann
vor seinem Anblick schnell die freundlichen Gestalten, welche tröstend uns umgaben.
652 Die dem Andante folgende Menuet ist wieder so originell, so
des Zuhörers Gemüth ergreifend, als man es von dem Meister bey der Composition des Theils der Symphonie, der nach der
Haydnschen Form, welche er befolgte, der pikanteste, geistreichste des Ganzen seyn soll, erwarten konnte. Es sind
hauptsächlich die eignen Modulationen, Schlüsse in dem Dominanten-Accord dur, dessen Grundton der Bass als Tonica
des folgenden Thema in moll aufgreift – dies sich immer nur einige Takte erweiternde Thema selbst, die den Charakter
Beethovenscher Musik, wie ihn Rec. oben angab, lebhaft aussprechen, und jene Unruhe, jene Ahnungen des wunderbaren
Geisterreichs, womit die Sätze des Allegro des Zuhörers Gemüth bestürmten, von neuem aufregen. Das Thema C moll, bloss
von Bässen vorgetragen, wendet sich im 3ten Takte nach G moll, die Hörner halten das G aus, und die Violinen und
Bratschen führen, im zweyten Takte mit den Fagotten, dann mit den Clarinetten, einen, vier Takte langen Satz aus, der
in G cadenzirt. Die Bässe wiederholen nun das Thema, aber nach dem dritten Takte, G moll, wendet es sich nach D moll,
dann nach C Moll und jener Satz der Violinen wird wiederholt. Die Hörner führen nun, indem die Saiten-Instrumente bei
dem Anfange jedes Takts Accorde in Viertelsnoten anschlagen, einen Satz aus, der ins Es dur geht. Das Orchester führt
aber den Satz weiter ins Es moll und schliesst in der Dominante B dur: aber in demselben Takte fängt
653 der Bass das Hauptthema an, und führt es ganz wie im Anfange in C moll, jetzt in B moll
aus. Auch die Violinen etc. wiederholen ihren Satz und es folgt ein Ruhepunkt in F dur. Der Bass wiederholt jenes Thema,
erweitert es aber, indem er F moll, C moll, G moll durchläuft und dann in C moll zurückkehrt, worauf das Tutti, welches
erst in Es moll vorkam, den Satz durch F moll in den Accord C dur führt; aber, so wie erst von B dur in B moll gehend,
ergreift jetzt der Bass den Grundton C als Tonica des Thema C moll. Flöten und Oboen mit der Nachahmung der Clarinetten
im zweyten Takte haben jetzt den Satz, der erst von den Saiten-Instrumenten ausgeführt wurde, während diese einen Takt
des erst erwähnten Tutti wiederholt anschlagen; die Hörner halten G aus, die Violoncelle fangen ein neues Thema an,
dem sich erst der Anfangssatz der Violinen in weiterer Ausführung, dann aber ein neuer Satz in Achteln (diese kamen
noch nicht vor) zugesellt. Selbst das neue Thema der Violoncelle enthält Anspielungen auf den Hauptsatz, und wird
dadurch, so wie durch den gleichen Rhythmus, ihm innig verwandt. Nach einer kurzen Wiederholung jenes Tutti schliesst
der Theil der Menuett in C moll fortissimo mit Pauken und Trompeten. Den zweiten Theil (das Trio) fangen die
Bässe mit einem Thema C dur an, welches die Bratschen fugenmässig in der Dominante, dann die zweyte Violine abgekürzt,
und eben so in der Restriction die erste Violine imitiren. Die erste Hälfte dieses Theils schliesst in G dur. Im
zweyten Theil fangen die Bässe das Thema zweymal an und halten wieder ein, zum dritten Mal geht es weiter fort.
Manchem mag das scherzhaft vorkommen, dem Rec. erweckte es ein unheimliches Gefühl. – Nach manchen Imitationen
des Hauptthema ergreifen dies die Flöten, von Oboen, Clarinetten, Fagotten unterstützt, zu dem Grundton G, den die Hörner
aushalten, und es erstirbt in einzelnen Noten, die erst Clarinetten und Fagotte, dann die Bässe
anschla654gen. Nun folgt die Wiederholung des Thema des ersten Theils von den Bässen; statt
der Violinen haben jetzt die Blasinstrumente den Satz in kurzen Noten, der mit einem Ruhepunkt schliesst. Hierauf, wie
im ersten Theil, der verlängerte Hauptsatz, aber statt der halben Noten stehen jetzt Viertel und Viertels-Pausen; in
dieser Gestalt kommen auch die andern Sätze des ersten Theils meistens abgekürzt wieder zurück. – Die unruhvolle
Sehnsucht, welche das Thema in sich trug, ist jetzt bis zur Angst gesteigert, die die Brust gewaltsam zusammenpresst;
ihr entfliehen nur einzelne abgebrochene Laute. Der Accord G ♮ scheint zum Schluss zu führen; der Bass hält aber
nun pianissimo funfzehn Takte hindurch den Grundton As, und Violinen und Bratschen halten eben so die Terz C aus,
während die Pauke das C erst im Rhythmus jenes oft erwähnten Tutti, dann vier Takte hindurch in jedem Takte einmal, dann
vier Takte hindurch zweymal, dann in Vierteln anschlägt. Die erste Violine ergreift endlich das erste Thema und führt
den Satz 28 Takte hindurch immer auf jenes Thema anspielend, bis in die Septime der Dominante des Grundtons; die zweyte
Violine und die Bratsche haben so lange das C ausgehalten, die Pauke das C in Vierteln, der Bass aber eben so, nachdem
er die Skala von As bis Fis und zurück ins As durchlaufen, den Grundton G angeschlagen. Nun fallen erst die Fagotten,
dann einen Takt später Oboen, dann drei Takte später Flöten, Hörner und Trompeten ein, während die Pauke fortwährend
in Achteln das C anschlägt, worauf der Satz unmittelbar in den C dur-Accord übergeht, womit das letzte Allegro
anfängt. – Warum der Meister das zum Accord dissonierende C der Pauke bis zum Schluss gelassen, erklärt sich aus dem
Charakter, den er dem Ganzen zu geben strebte. Diese dumpfen Schläge ihres Dissonirens, wie eine fremde, furchtbare
Stimme wirkend, erregen die Schauer des Ausserordentlichen – der Geisterfurcht. Rec. erwähnte schon weiter oben der
steigenden Wir655kung des sich um einige Takte erweiternden Thema, und um jenen Effect anschaulicher zu machen,
rückt er hier diese Erweiterungen zusammen:

Bei der Wiederholung des ersten Theils erscheint dieser Satz in folgender Art:

Eben so einfach, und doch, wenn er durch spätere Sätze wieder hindurchblickt, von so eingreifender Wirkung, wie
das Thema des ersten Allegro, ist der Gedanke des eintretenden Tutti der Menuett

Mit dem prächtigen, jauchzenden Thema des Schlusssatzes, C dur, fällt das ganze Orchester, dem jetzt noch kleine
Flöten, Posaunen und Contrafagott hinzutreten, ein – wie ein strahlendes, blendendes Sonnenlicht, das plötzlich die
tiefe Nacht erleuchtet. Die Sätze dieses Allegro sind breiter behandelt, als die vorhergegangenen; nicht sowol
melodiös, als kräftig und zu contrapunctischen Imitationen geeignet; die Modulationen sind ungekünstelt und verständlich;
der erste Theil vorzüglich hat beynahe den Schwung der Ouverture. Vier und dreyssig Takte hindurch bleibt dieser Theil
in C dur ein Tutti des ganzen Orchesters; dann modulirt zu einer kräftigen, steigenden Figur des Basses ein neues
Thema der Oberstimme nach G dur und führt in den Dominanten-Accord 656 dieser Tonart. Nun tritt abermals ein neues, aus Viertelsnoten mit untermischten Triolen bestehendes Thema ein, das, Rücksichts seines Rhythmus und seines Charakters, ganz von den frühern abweicht, und wieder drängt und treibt, wie die Sätze des ersten Allegro und der Menuett:

durch dieses Thema und durch seine weitere Ausführung durch A moll nach C dur wird das Gemüth wieder in die
ahnungsvolle Stimmung versetzt, die bey dem Jauchzen und Jubeln augenblicklich aus ihm wich. Mit einem kurzen, rauschenden
Tutti wendet sich der Satz wieder nach G dur, und Bratschen, Fagotten und Clarinetten fangen ein Thema in Sexten an,
das weiter hin das ganze Orchester ergreift und nach einer kurzen Modulation in F moll mit einer kräftigen Figur des
Basses, die dann die Violinen in C dur und wiederum die Bässe al rovescio aufnehmen, schliesst der erste Theil in
C dur. Die erwähnte Figur wird im Anfange des zweyten Theils in A moll beibehalten und jenes charakteristische, aus
Vierteln und Triolen bestehende Thema tritt wieder ein. In Abkürzungen und Restrictionen wird dies Thema nun vier
und dreyssig Takte durchgeführt und in dieser Durchführung der Charakter, der sich schon in seiner ursprünglichen
Gestalt aussprach, ganz entwickelt, wozu nicht wenig die beygemischten Nebensätze, die aushaltenden Töne der Posaunen,
die Triolen nachschlagenden Pauken, Trompeten und Hörner, beytragen. Der Satz ruht endlich in dem Orgelpuncte G, den
erst die Bässe, als diese aber mit den Violinen unisono eine Schlussfigur ausführen, Bassposaune, Trompeten,
Hörner und Pauken anschlagen. Nun tritt vier und funfzig Takte hindurch jenes einfache Thema der Menuett

wieder ein und es erfolgt in den beyden letzten Tak657ten der erste Uebergang der
Menuett in das Allegro, nur gedrängter. Mit geringen Abweichungen und in der Haupttonart beharrend, kommen jetzt die
Sätze des ersten Theils wieder und ein rauschendes Tutti scheint zum Schluss zu führen. Nach dem Dominantenaccorde
ergreifen aber die Fagotte, Hörner, Flöten, Oboen, Clarinetten nach einander das Thema, welches erst nur berührt wurde,

es erfolgt wieder ein Schlusssatz; aufs neue ergreifen die Saiten-Instrumente jenen Satz, dann die Oboen,
Clarinetten und Hörner, dann abermals die Violinen. Es geht wieder zum Schluss, aber mit dem Schluss-Accorde
in der Tonica nehmen die Violinen Presto (schon einige Takte früher trat ein Più stretto ein)
den Satz auf, der im vier und sechzigsten Takte des Allegro vorkam, und die Figur der Bässe ist dieselbe,
welche sie im acht und zwanzigsten Takte des ersten Allegro anschlugen, und welche, wie es schon oben bemerkt
wurde, durch ihren Rhythmus dem Hauptthema innig verwandt, lebhaft an dasselbe erinnert. Das ganze Orchester
(die Bässe treten einen Takt später, die Oberstimme canonisch imitirend, ein‚) führt mit dem ersten Thema des
letzten Allegro zum Schlusse, der, durch manche prächtige, jubelnde Figuren aufgehalten, nach ein und vierzig
Takten erfolgt. Die Schluss-Accorde selbst sind eigen gestellt; nach dem Accorde nämlich, den der Zuhörer für
den letzten hält, ein Takt Pause, derselbe Accord, ein Takt Pause, nochmals der Accord, ein Takt Pause, dann
drey Takte hindurch in jedem in Viertelsnoten einmal jener Accord, ein Takt Pause, der Accord, ein Takt Pause,
C unisono vom ganzen Orchester angeschlagen. Die vollkommene Beruhigung des Gemüths, durch mehrere an
einander gereihte Schlussfiguren herbeygeführt, wird durch diese einzeln in Pausen angeschlagenen Accorde,
welche an die einzelnen Schläge in dem Allegro der Symphonie erinnern, wieder aufgehoben 658
und der Zuhörer noch durch die letzten Accorde aufs neue gespannt. Sie wirken, wie ein Feuer, das man gedämpft
glaubte und das immer wieder in hell auflodernden Flammen in die Höhe schlägt.
Beethoven hat die gewöhnliche Folge der Sätze in der Symphonie beybehalten; sie scheinen
phantastisch an einander gereiht zu seyn, und das Ganze rauscht manchem vorüber, wie eine geniale Rhapsodie: aber das
Gemüth jedes sinnigen Zuhörers wird gewiss von einem fortdauernden Gefühl, das eben jene unnennbare,
ahnungsvolle Sehnsucht ist, tief und innig ergriffen und bis zum Schluss-Accord darin erhalten; ja noch manchen
Moment nach demselben wird er nicht aus dem wundervollen Geisterreiche, wo Schmerz und Lust in Tönen gestaltet
ihn umfingen, hinaustreten können. Ausser der innern Einrichtung, der Instrumentirung etc. ist es vorzüglich die
innige Verwandtschaft der einzelnen Themas untereinander, welche jene Einheit erzeugt, die des Zuhörers Gemüth
in einer Stimmung festhält. In Haydnscher und Mozartscher Musik herrscht diese Einheit überall. Sie wird
dem Musiker klärer, wenn er den, zweyen verschiedenen Sätzen gemeinen Grundbass entdeckt, oder wenn die Verbindung
zweyer Sätze sie offenbart: aber eine tiefere Verwandtschaft, die sich auf jene Art nicht darthun kann, spricht
oft nur aus dem Geiste zum Geiste, und diese Verwandtschaft ist es, welche unter den Sätzen der beyden Allegros und
der Menuett herrscht und die besonnene Genialität des Meisters herrlich verkündet. Rec. glaubt sein Urtheil über
das herrliche Kunstwerk des Meisters in wenig Worte zusammenfassen zu können, wenn er sagt: dass es genial
erfunden, und mit tiefer Besonnenheit ausgeführt, in sehr hohem Grade die Romantik der Musik ausspreche. –
Kein Instrument hat schwierige Passagen auszuführen: aber nur ein äusserst
sicheres, 659 eingeübtes, von einem Geiste beseeltes Orchester kann sich an
diese Symphonie wagen; denn jeder nur im mindesten verfehlte Moment würde das Ganze unwiederbringlich verderben.
Der beständige Wechsel, das Eingreifen der Saiten- und Blasinstrumente, die einzeln anzuschlagenden Accorde
nach Pausen u. dergl. erfordern die höchste Präcision, weshalb es auch dem Dirigenten zu rathen ist, nicht sowol, wie
es oft zu geschehen pflegt, die erste Violine stärker als es seyn sollte mitzugeigen, als vielmehr das Orchester
beständig im Auge und in der Hand zu behalten. Zu diesem Zwecke dienlich ist der Abdruck der ersten Violinen, der
den Eintritt der obligaten Instrumente in sich enthält. – Der Stich ist korrekt und deutlich. In demselben Verlage
ist dieselbe Symphonie fürs Pianoforte zu vier Händen unter dem Titel:
Cinquième Sinfonie de Louis van Beethoven, arrangée pour le Pianoforte à quatre
mains. Chez Breitkopf et Härtel à Leipsic. (Pr. 2 Rtlr. 12 Gr.)
erschienen. Rec. ist sonst nicht sonderlich fürs Arrangiren: indess ist nicht zu läugnen, dass der Genuss
eines Meisterwerks, das man mit vollem Orchester gehört, im einsamen Zimmer die Phantasie oft wie damals
aufregt und das Gemüth in dieselbe Stimmung versetzt. Das Pianoforte giebt das grosse Werk, wie ein Umriss
das grosse Gemählde, den die Phantasie mit den Farben des Originals belebt. Uebrigens ist die Symphonie fürs
Pianoforte mit Verstand und Einsicht eingerichtet, indem ohne Verwischung der Eigenthümlichkeiten des Originals
auf die Bedürfnisse des Instruments gehörige Rücksicht genommen worden.
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