3 Fragmente.
Ueber keinen Gegenstand philosophiren sie seltner als über die Philosophie.
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Die Langeweile gleicht auch in ihrer Entstehungsart der Stickluft, wie in den Wirkungen. Beyde entwickeln sich gern, wo eine Menge Menschen im eingeschloßnen Raum beysammen ist.
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Kant hat den Begriff des Negativen in die Weltweisheit eingeführt. Sollte es nicht ein nützlicher Versuch seyn, nun auch den Begrif des Positiven in die Philosophie einzuführen?
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Zum großen Nachtheil der Theorie von den Dichtarten vernachläßigt man oft die Unterabtheilungen der Gattungen. So theilt sich zum Beyspiel die Naturpoesie in die natürliche und in die künstliche, und die Volkspoesie in die Volkspoesie für das Volk und in die Volkspoesie für Standespersonen und Gelehrte.
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4 Was gute Gesellschaft genannt wird, ist meistens nur eine Mosaik von geschliffnen Karikaturen.
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Manche haben es in Herrmann und Dorothea als einen großen Mangel an Delikatesse getadelt, daß der Jüngling seiner Geliebten, einer verarmten Bäurin, verstellter Weise den Vorschlag thut, als Magd in das Haus seiner guten Eltern zu kommen. Diese Kritiker mögen übel mit ihrem Gesinde umgehen.
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Ihr verlangt immer neue Gedanken? Thut etwas neues, so läßt sich etwas neues darüber sagen.
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Gewissen Lobrednern der vergangnen Zeiten unsrer Litteratur darf man kühnlich antworten, wie Sthenelos dem Agamemnon: wir rühmen uns viel besser zu seyn denn unsre Väter.
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Zum Glück wartet die Poesie eben so wenig auf die Theorie, als die Tugend auf die Moral, sonst hätten wir fürs erste keine Hoffnung zu einem Gedicht.
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Die Pflicht ist Kants Eins und Alles. Aus Pflicht der Dankbarkeit behauptet er, müsse man die Alten vertheidigen und schätzen; und nur aus Pflicht ist er selbst ein großer Mann geworden.
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Der Parisischen schönen Welt haben Geßners Idyllen grade so gefallen, wie der an haut gout gewöhnte Gaum sich manchmal an Milchspeisen labt.
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5 Man hat von manchem Monarchen gesagt: er würde ein sehr liebenswürdiger Privatmann gewesen seyn, nur zum Könige habe er nicht getaugt. Verhält es sich etwa mit der Bibel ebenso? Ist sie auch bloß ein liebenswürdiges Privatbuch, das nur nicht Bibel seyn sollte?
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Wenn junge Personen beyderley Geschlechts nach einer lustigen Musik zu tanzen wissen, so fällt es ihnen gar nicht ein, deshalb über die Tonkunst urtheilen zu wollen. Warum haben die Leute weniger Respekt vor der Poesie?
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Schöner Muthwille im Vortrage ist das Einzige was die poetische Sittlichkeit lüsterner Schilderungen retten kann. Sie zeugen von Schlaffheit und Verkehrtheit wenn sich nicht überschäumende Fülle der Lebenskraft in ihnen offenbart. Die Einbildungskraft muß ausschweifen wollen, nicht dem herrschenden Hange der Sinne knechtisch nachzugeben gewohnt seyn. Und doch findet man unter uns meistens die fröhliche Leichtfertigkeit am verdammlichsten; hingegen hat man das stärkste in dieser Art verziehen, wenn es mit einer fantastischen Mystik der Sinnlichkeit umgeben war. Als ob eine Schlechtigkeit durch eine Tollheit wieder gut gemacht würde!
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Der Selbstmord ist gewöhnlich nur eine Begebenheit, selten eine Handlung. Ist es das erste, so hat der Thäter immer Unrecht, wie ein Kind, das sich 6 emanzipiren will. Ist es aber eine Handlung, so kann vom Recht gar nicht die Frage seyn, sondern nur von der Schicklichkeit. Denn dieser allein ist die Willkühr unterworfen, welche alles bestimmen soll was in den reinen Gesetzen nicht bestimmt werden kann, wie das Jetzt, und das Hier, und alles bestimmen darf, was nicht die Willkühr andrer, und dadurch sie selbst vernichtet. Es ist nie Unrecht, freywillig zu sterben, aber oft unanständig, länger zu leben.
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Wenn das Wesen des Cynismus darin besteht, der Natur vor der Kunst, der Tugend vor der Schönheit und Wissenschaft den Vorzug zu geben; unbekümmert um den Buchstaben, auf den der Stoiker streng hält, nur auf den Geist zu sehen, allen ökonomischen Werth und politischen Glanz unbedingt zu verachten, und die Rechte der selbständigen Willkühr tapfer zu behaupten: so dürfte der Christianismus wohl nichts anders seyn, als universeller Cynismus.
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Die dramatische Form kann man wählen aus Hang zur systematischen Vollständigkeit, oder um Menschen nicht blos darzustellen, sondern nachzuahmen und nachzumachen, oder aus Bequemlichkeit, oder aus Gefälligkeit für die Musik, oder auch aus reiner Freude am Sprechen, und Sprechen lassen.
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Es giebt verdiente Schriftsteller, die mit jugendlichem Eifer die Bildung ihres Volkes betrieben haben, 7 sie aber da fixiren wollen, wo die Kraft sie selbst verließ. Dies ist umsonst: wer einmal töricht, oder edel, sich bestrebt hat, in den Gang des menschlichen Geistes mit einzugreifen, muß mit fort, oder er ist nicht besser dran als ein Hund im Bratenwender, der die Pfoten nicht vorwärts setzen will.
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Das sicherste Mittel unverständlich oder vielmehr misverständlich zu seyn, ist, wenn man die Worte in ihrem ursprünglichen Sinne braucht; besonders Worte aus den alten Sprachen.
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Duclos bemerkt, es gebe wenig ausgezeichnete Werke, die nicht von Schriftstellern von Profession herrühren. In Frankreich wird dieser Stand seit langer Zeit mit Achtung anerkannt. Bey uns galt man ehedem weniger als nichts wenn man bloß Schriftsteller war. Noch jezt regt sich dieß Vorurtheil hier und da, aber die Gewalt verehrter Beyspiele muß es immer mehr lähmen. Die Schriftstellerey ist, je nachdem man sie treibt, eine Infamie, eine Ausschweifung, eine Tagelöhnerey, ein Handwerk, eine Kunst, eine Wissenschaft und eine Tugend.
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Die Kantische Philosophie gleicht dem untergeschobnem [sic] Briefe, den Maria in Shakespear’s Was ihr wollt, dem Malvolio in den Weg legt. Nur mit dem Unterschiede, daß es in Deutschland zahllose philosophische Malvolio’s giebt, die nun die Kniegürtel 8 kreuzweise binden, gelbe Strümpfe tragen, und immer fort fantastisch lächeln.
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Ein Projekt ist der subjektive Keim eines werdenden Objekts. Ein vollkommnes Projekt müßte zugleich ganz subjektiv, und ganz objektiv, ein untheilbares und lebendiges Individuum seyn. Seinem Ursprunge nach, ganz subjektiv, original, nur grade in diesem Geiste möglich; seinem Charakter nach ganz objektiv, physisch und moralisch nothwendig. Der Sinn für Projekte, die man Fragmente aus der Zukunft nennen könnte, ist von dem Sinn für Fragmente aus der Vergangenheit nur durch die Richtung verschieden, die bey ihm progressiv, bey jenem aber regressiv ist. Das Wesentliche ist die Fähigkeit, Gegenstände unmittelbar zugleich zu idealisiren, und zu realisiren, zu ergänzen, und theilweise in sich auszuführen. Da nun transcendental eben das ist, was auf die Verbindung oder Trennung des Idealen und des Realen Bezug hat; so könnte man wohl sagen, der Sinn für Fragmente und Projekte sey der transcendentale Bestandtheil des historischen Geistes.
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Es wird manches gedruckt, was besser nur gesagt würde, und zuweilen etwas gesagt, was schicklicher gedruckt wäre. Wenn die Gedanken die besten sind, die sich zugleich sagen und schreiben lassen, so ists wohl der Mühe werth, zuweilen nachzusehen, was sich von dem Gesprochnen schreiben, und was sich von dem Geschriebnen drucken läßt. Anmaßend ist es 9 freylich, noch bey Lebzeiten Gedanken zu haben, ja bekannt zu machen. Ganze Werke zu schreiben ist ungleich bescheidner, weil sie ja wohl bloß aus andern Werken zusammengesetzt seyn können, und weil dem Gedanken da auf den schlimmsten Fall die Zuflucht bleibt, der Sache den Vorrang zu lassen, und sich demüthig in den Winkel zu stellen. Aber Gedanken, einzelne Gedanken sind gezwungen, einen Werth für sich haben zu wollen, und müssen Anspruch darauf machen, eigen und gedacht zu seyn. Das einzige, was eine Art von Trost dagegen giebt, ist, daß nichts anmaßender seyn kann, als überhaupt zu existiren, oder gar auf eine bestimmte selbständige Art zu existiren. Aus dieser ursprünglichen Grundanmaßung folgen nun doch einmal alle abgeleiteten, man stelle sich wie man auch will.
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Viele Werke der Alten sind Fragmente geworden. Viele Werke der Neuern sind es gleich bey der Entstehung.
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Nicht selten ist das Auslegen ein Einlegen des Erwünschten, oder des Zweckmäßigen, und viele Ableitungen sind eigentlich Ausleitungen. Ein Beweis, daß Gelehrsamkeit und Spekulazion der Unschuld des Geistes nicht so schädlich sind, als man uns glauben machen will. Denn ist es nicht recht kindlich, froh über das Wunder zu erstaunen, das man selbst veranstaltet hat?
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10 Die Deutschheit ist wohl darum ein Lieblingsgegenstand der Charakteriseurs, weil eine Nazion je weniger sie fertig, umso mehr ein Gegenstand der Kritik ist, und nicht der Historie.
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Die meisten Menschen sind, wie Leibnitzens mögliche Welten, nur gleichberechtigte Prätendenten der Existenz. Es giebt wenig Existenten.
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Folgendes scheinen nächst der vollendeten Darstellung des kritischen Idealismus, die immer das erste bleibt, die wichtigsten Desiderata der Philosophie zu seyn: eine materiale Logik, eine poetische Poetik, eine positive Politik, eine systematische Ethik, und eine praktische Historie.
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Witzige Einfälle sind die Sprüchwörter der gebildeten Menschen.
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Ein blühendes Mädchen ist das reizendste Symbol vom reinen guten Willen.
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Prüderie ist Prätension auf Unschuld, ohne Unschuld. Die Frauen müssen wohl prüde bleiben, so lange Männer sentimental, dumm und schlecht genug sind, ewige Unschuld und Mangel an Bildung von ihnen zu fodern. Denn Unschuld ist das einzige, was Bildungslosigkeit adeln kann.
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11 Man soll Witz haben, aber nicht haben wollen; sonst entsteht Witzeley, Alexandrinischer Styl in Witz.
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Es ist weit schwerer, andre zu veranlassen, daß sie gut reden, als selbst gut zu reden.
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Fast alle Ehen sind nur Konkubinate, Ehen an der linken Hand, oder vielmehr provisorische Versuche, und entfernte Annäherungen zu einer wirklichen Ehe, deren eigentliches Wesen, nicht nach den Paradoxen dieses oder jenes Systems, sondern nach allen geistlichen und weltlichen Rechten darin besteht, daß mehre Personen nur Eine werden sollen. Ein artiger Gedanke, dessen Realisierung jedoch viele und große Schwierigkeiten zu haben scheint. Schon darum sollte die Willkühr, die wohl ein Wort mitreden darf, wenn es darauf ankommt, ob einer ein Individuum für sich, oder nur der integrante Theil einer gemeinschaftlichen Personalität seyn will, hier so wenig als möglich beschränkt werden; und es läßt sich nicht absehen, was man gegen eine Ehe à quatre Gründliches einwenden könnte. Wenn aber der Staat gar die misglückten Eheversuche mit Gewalt zusammenhalten will, so hindert er dadurch die Möglichkeit der Ehe selbst, die durch neue, vielleicht glücklichere Versuche befördert werden könnte.
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Der Cyniker dürfte eigentlich gar keine Sachen haben: denn alle Sachen, die ein Mensch hat, haben ihn doch in gewissen [sic] Sinne wieder. Es kömmt also 12 nur darauf an, die Sachen so zu haben, als ob man sie nicht hätte. Noch künstlicher und noch cynischer ist es aber, die Sachen so nicht zu haben, als ob man sie hätte.
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Niemand beurtheilt eine Dekorazionsmahlerey und ein Altarblatt, eine Operette und eine Kirchenmusik, eine Predigt und eine philosophische Abhandlung nach demselben Maßstabe. Warum macht man also an die rhetorische Poesie, welche nur auf der Bühne existirt, Foderungen, die nur durch höhere dramatische Kunst erfüllt werden können?
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Manche witzige Einfälle sind wie das überraschende Wiedersehen zwey befreundeter Gedanken nach einer langen Trennung.
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Die Geduld, sagte S., verhält sich zu Chamforts état d’epigramme wie die Religion zur Philosophie.
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Die meisten Gedanken sind nur Profile von Gedanken. Diese muß man umkehren, und mit ihren Antipoden synthesiren. Viele philosophische Schriften, die es sonst nicht haben würden, erhalten dadurch ein großes Interesse.
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Noten zu einem Gedicht, sind wie anatomische Vorlesungen über einen Braten.
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13 Die welche Profession davon gemacht haben, den Kant zu erklären, waren entweder solche, denen es an einem Organ fehlte, um sich von den Gegenständen über die Kant geschrieben hat, einige Notiz zu verschaffen; oder solche, die nur das kleine Unglück hatten, niemand zu verstehen als sich selbst; oder solche, die sich noch verworrener ausdrückten als er.
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Gute Dramen müssen drastisch seyn.
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Die Philosophie geht noch zu sehr grade aus, ist noch nicht cyklisch genug.
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Jede philosophische Rezension, sollte zugleich Philosophie der Rezensionen seyn.
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Neu, oder nicht neu, ist das, wornach auf dem höchsten und niedrigsten Standpunkte, dem Standpunkte der Geschichte, und dem der Neugierde, bey einem Werk gefragt wird.
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Ein Regiment Soldaten en parade ist nach der Denkart mancher Philosophen ein System.
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Kritisch heißt die Philosophie der Kantianer wohl per antiphrasin; oder es ist ein epitheton ornans.
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Mit den größten Philosophen geht mirs, wie dem Plato mit den Spartanern. Er liebte und ach14tete sie unendlich, aber er klagt immer, daß sie überall auf halbem Wege stehn geblieben wären.
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Die Frauen werden in der Poesie eben so ungerecht behandelt, wie im Leben. Die weiblichen sind nicht idealisch, und die idealischen sind nicht weiblich.
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Wahre Liebe sollte ihrem Ursprunge nach, zugleich ganz willkührlich und ganz zufällig seyn, und zugleich nothwendig und frey scheinen; ihrem Charakter nach aber zugleich Bestimmung und Tugend seyn, ein Geheimniß, und ein Wunder scheinen.
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Naiv ist, was bis zur Ironie, oder bis zum steten Wechsel von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung natürlich, individuell oder klassisch ist, oder scheint. Ist es bloß Instinkt, so ists kindlich, kindisch, oder albern; ists bloß Absicht, so entsteht Affektazion. Das schöne, poetische, idealische Naive muß zugleich Absicht, und Instinkt seyn. Das Wesen der Absicht in diesem Sinne ist die Freyheit. Bewußtseyn ist noch bey weitem nicht Absicht. Es giebt ein gewisses verliebtes Anschauen eigner Natürlichkeit oder Albernheit, das selbst unsäglich albern ist. Absicht erfordert nicht gerade einen tiefen Calcul oder Plan. Auch das Homerische Naive ist nicht bloß Instinkt: es ist wenigstens so viel Absicht darin, wie in der Anmuth lieblicher Kinder, oder unschuldiger Mädchen. Wenn 15 Er auch keine Absichten hatte, so hat doch seine Poesie und die eigentliche Verfasserin derselben, die Natur, Absicht.
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Es giebt eine eigne Gattung Menschen, bey denen die Begeistrung der Langenweile, die erste Regung der Philosophie ist.
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Es ist gleich tödtlich für den Geist, ein System zu haben, und keins zu haben. Er wird sich also wohl entschließen müssen, beydes zu verbinden.
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Man kann nur Philosoph werden, nicht es seyn. Sobald man es zu seyn glaubt, hört man auf es zu werden.
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Es giebt Klassifikazionen, die als Klassifikazionen schlecht genug sind, aber ganze Nazionen und Zeitalter beherrschen, und oft äußerst charakteristisch und wie Zentralmonaden eines solchen historischen Individuums sind. So die griechische Eintheilung aller Dinge in göttliche und menschliche, die sogar eine Homerische Antiquität ist. So die römische Eintheilung in Zu Haus, und Im Kriege. Bey den Neuern redet man immer von dieser und jener Welt, als ob es mehr als eine Welt gäbe. Aber freylich ist bey ihnen auch das meiste so isoliert und getrennt wie ihre Diese und Jene Welt.
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16 Da die Philosophie jetzt alles, was ihr vorkömmt kritisiert, so wäre eine Kritik der Philosophie nichts als eine gerechte Repressalie.
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Mit dem Schriftstellerruhm ist es oft wie mit Frauengunst, und Gelderwerb. Ist nur erst ein guter Grund gelegt, so folgt das übrige von selbst. Viele heißen durch Zufall groß. „Es ist alles Glück nur Glück;“ ist das Resultat mancher litterarischen Phänomene nicht minder als der meisten politischen.
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An das Herkommen glaubend, und immer um neue Tollheiten bemüht; nachahmungssüchtig und stolz auf Selbständigkeit, unbeholfen in der Oberflächlichkeit, und bis zur Gewandtheit geschickt im tief- oder trübsinnig Schwerfälligen; von Natur platt, aber dem Streben nach transcendent in Empfindungen und Ansichten; in ernsthafter Behaglichkeit gegen Witz und Muthwillen durch einen heiligen Abscheu verschanzt; auf die große Masse welcher Litteratur möchten diese Züge etwa passen?
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Die schlechten Schriftsteller klagen viel über Tyranney der Rezensenten; ich glaube diese hätten eher die Klage zu führen. Sie sollen schön, geistvoll, vortrefflich finden, was nichts von dem allen ist; und es stößt sich nur an dem kleinen Umstande der Macht, so gingen die Rezensirten eben so mit ihnen um wie Dionysius mit den Tadlern seiner Verse. Ein Kotzebue hat dieß ja laut bekannt. Auch ließen sich die neuen 17 Produkte von kleinen Dionysen dieser Art hinreichend mit den Worten anzeigen: Führt mich wieder in die Latomien.
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Die Unterthanen in einigen Ländern rühmen sich einer Menge Freyheiten, die ihnen alle durch die Freyheit entbehrlich werden würden. So legt man wohl nur deswegen einen so großen Nachdruck auf die Schönheiten mancher Gedichte, weil sie keine Schönheit haben. Sie sind im einzelnen kunstvoll, aber im ganzen keine Kunstwerke.
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Die wenigen Schriften, welche gegen die Kantische Philosophie existiren, sind die wichtigsten Dokumente zur Krankheitsgeschichte des gesunden Menschenverstandes. Diese Epidemie, welche in England entstanden ist, drohte einmal sogar die deutsche Philosophie anstecken zu wollen.
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Das Drucken lassen verhält sich zum Denken, wie eine Wochenstube zum ersten Kuß.
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Jeder ungebildete Mensch ist die Karikatur von sich selbst.
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Moderantismus ist Geist der kastrirten Illiberalität.
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18 Viele Lobredner beweisen die Größe ihres Abgottes antithetisch, durch die Darlegung ihrer eignen Kleinheit.
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Wenn der Autor dem Kritiker gar nichts mehr zu antworten weiß, so sagt er ihm gern: Du kannst es doch nicht besser machen. Das ist eben, als wenn ein dogmatischer Philosoph dem Skeptiker vorwerfen wollte, daß er kein System erfinden könne.
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Es wäre illiberal, nicht vorauszusetzen, ein jeder Philosoph sey liberal, und folglich rezensibel; ja es nicht zu fingiren, wenn man auch das Gegentheil weiß. Aber anmaßend wäre es, Dichter ebenso zu behandeln; es müßte denn einer durch und durch Poesie und gleichsam ein lebendes und handelndes Kunstwerk seyn.
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Nur der Kunstliebhaber liebt wirklich die Kunst, der auf einige seiner Wünsche völlig Verzicht thun kann, wo er andre ganz befriedigt findet, der auch das Liebste noch streng würdigen mag, der sich im Nothfall Erklärungen gefallen läßt, und Sinn für Kunstgeschichte hat.
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Die Pantomimen der Alten haben wir nicht mehr. Dagegen ist aber die ganze Poesie jetzt pantomimisch.
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Wo ein öffentlicher Ankläger auftreten soll, muß schon ein öffentlicher Richter vorhanden seyn.
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19 Man redet immer von der Störung, welche die Zergliederung des Kunstschönen dem Genuß des Liebhabers verursachen soll. So der rechte Liebhaber läßt sich wohl nicht stören!
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Uebersichten des Ganzen, wie sie jetzt Mode sind, entstehen, wenn einer alles Einzelne übersieht, und dann summirt.
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Sollte es mit der Bevölkerung nicht seyn wie mit der Wahrheit, wo das Streben, wie man sagt, mehr werth ist als die Resultate?
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Nach dem verderbten Sprachgebrauche bedeutet Wahrscheinlich so viel, als Beynah wahr, oder Etwas wahr, oder was noch vielleicht einmal wahr werden kann. Das alles kann das Wort aber schon seiner Bildung nach, gar nicht bezeichnen. Was wahr scheint, braucht darum auch nicht im kleinsten Grade wahr zu seyn: aber es muß doch positiv scheinen. Das Wahrscheinliche ist der Gegenstand der Klugheit, des Vermögens unter den möglichen Folgen freyer Handlungen die wirklichen zu errathen, und etwas durchaus subjektives. Was einige Logiker so genannt und zu berechnen versucht haben, ist Möglichkeit.
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Die formale Logik und die empirische Psychologie sind philosophische Grotesken. Denn das Interessante einer Arithmetik der vier Species oder einer 20 Experimentalphysik des Geistes kann doch nur in dem Kontrast der Form und des Stoffs liegen.
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Die intellektuale Anschauung ist der kategorische Imperativ der Theorie.
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Ein Dialog ist eine Kette, oder ein Kranz von Fragmenten. Ein Briefwechsel ist ein Dialog in vergrößertem Maßstabe, und Memorabilien sind ein System von Fragmenten. Es giebt noch keins was in Stoff und Form fragmentarisch, zugleich ganz subjektiv und individuell, und ganz objektiv und wie ein nothwendiger Theil im System aller Wissenschaften wäre.
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Das Nichtverstehen kommt meistens gar nicht vom Mangel an Verstande, sondern vom Mangel an Sinn.
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Die Narrheit ist bloß dadurch von der Tollheit verschieden, daß sie willkührlich ist wie die Dummheit. Soll dieser Unterschied nicht gelten, so ists sehr ungerecht einige Narren einzusperren, während man andre ihr Glück machen läßt. Beyde sind dann nur dem Grade, nicht der Art nach verschieden.
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Der Historiker ist ein rückwärts gekehrter Prophet.
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Die meisten Menschen wissen von keiner andern Würde, als von repräsentativer; und doch haben nur 21 so äußerst wenige Sinn für repräsentativen Werth. Was auch für sich gar nichts ist, wird doch Beytrag zur Charakteristik irgend einer Gattung seyn, und in dieser Rücksicht könnte man sagen: Niemand sey uninteressant.
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Die Demonstrazionen der Philosophie sind eben Demonstrazionen im Sinne der militärischen Kunstsprache. Mit den Dedukzionen steht es auch nicht besser wie mit den politischen; auch in den Wissenschaften besetzt man erst ein Terrain, und beweist dann hinterdrein seyn Recht daran. Auf die Definizionen läßt sich anwenden, was Chamfort von den Freunden sagte, die man so in der Welt hat. Es giebt drey Arten von Erklärungen in der Wissenschaft: Erklärungen, die uns ein Licht oder einen Wink geben; Erklärungen, die nichts erklären; und Erklärungen, die alles verdunkeln. Die rechten Definizionen lassen sich gar nicht aus dem Stegreife machen, sondern müßen einem von selbst kommen; eine Definizion die nicht witzig ist, taugt nichts, und von jedem Individuum giebt es doch unendlich viele reale Definizionen. Die nothwendigen Förmlichkeiten der Kunstphilosophie arten aus in Etikette und Luxus. Als Legitimazion und Probe der Virtuosität haben sie ihren Zweck und Werth, wie die Bravourarien der Sänger, und das Lateinschreiben der Philologen. Auch machen sie nicht wenig rhetorischen Effekt. Die Hauptsache aber bleibt doch immer, daß man etwas weiß, und daß man es sagt. Es beweisen oder gar erklä22ren wollen, ist in den meisten Fällen herzlich überflüssig. Der kategorische Styl der Gesetze der zwölf Tafeln, und die thetische Methode, wo die reinen Fakta der Reflexion ohne Verhüllung, Verdünnung und künstliche Verstellung wie Texte für das Studium oder die Symphilosophie da stehen, bleibt der gebildeten Naturphilosophie die angemessenste. Soll beydes gleich gut gemacht werden, so ist es unstreitig viel schwerer behaupten, als beweisen. Es giebt Demonstrazionen die Menge, die der Form nach vortrefflich sind, für schiefe und platte Sätze. Leibniz behauptete, und Wolff bewies. Das ist genug gesagt.
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Der Satz des Widerspruchs ist auch nicht einmal das Prinzip der Analyse, nemlich der absoluten, die allein den Namen verdient, der chemischen Dekomposizion eines Individuums in seine schlechthin einfachen Elemente.
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Subjektiv betrachtet, fängt die Philosophie doch immer in der Mitte an, wie das epische Gedicht.
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Grundsätze sind fürs Leben, was im Kabinett geschriebene Instrukzionen für den Feldherrn.
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Ächtes Wohlwollen geht auf Beförderung fremder Freyheit, nicht auf Gewährung thierischer Genüsse.
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Das Erste in der Liebe ist der Sinn für einander, und das Höchste, der Glauben an einander. 23 Hingebung ist der Ausdruck des Glaubens, und Genuß kann den Sinn beleben und schärfen, wenn auch nicht hervorbringen, wie die gemeine Meynung ist. Darum kann die Sinnlichkeit schlechte Menschen auf eine kurze Zeit täuschen, als könnten sie sich lieben.
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Es giebt Menschen, deren ganze Thätigkeit darin besteht, immer Nein zu sagen. Es wäre nichts Kleines, immer recht Nein sagen zu können, aber wer weiter nichts kann, kann es gewiß nicht recht. Der Geschmack dieser Neganten ist eine tüchtige Schere, um die Extremitäten des Genies zu säubern; ihre Aufklärung eine große Lichtputze für die Flamme des Enthusiasmus; und ihre Vernunft ein gelindes Laxativ gegen unmäßige Lust und Liebe.
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Die Kritik ist das einzige Surrogat der von so manchen Philosophen vergeblich gesuchten und gleich unmöglichen moralischen Mathematik und Wissenschaft des Schicklichen.
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Der Gegenstand der Historie ist das Wirklichwerden alles dessen, was praktisch nothwendig ist.
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Die Logik ist weder die Vorrede, noch das Instrument, noch das Formular, noch eine Episode der Philosophie, sondern eine der Poetik und Ethik entgegengesetzte, und koordinirte pragmatische Wissenschaft, welche von der Foderung der positiven Wahr24heit, und der Voraussetzung der Möglichkeit eines Systems ausgeht.
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Ehe nicht die Philosophen Grammatiker, oder die Grammatiker Philosophen werden, wird die Grammatik nicht, was sie bey den Alten war, eine pragmatische Wissenschaft und ein Theil der Logik, noch überhaupt eine Wissenschaft werden.
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Die Lehre vom Geist und Buchstaben ist unter andern auch darum so interessant, weil sie die Philosophie mit der Philologie in Berührung setzen kann.
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Immer hat noch jeder große Philosoph seine Vorgänger, oft ohne seine Absicht, so erklärt, daß es schien, als habe man sie vor ihm gar nicht verstanden.
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Einiges muß die Philosophie einstweilen auf ewig voraussetzen, und sie darf es, weil sie es muß.
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Wer nicht um der Philosophie willen philosophiert, sondern die Philosophie als Mittel braucht, ist ein Sophist.
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Als vorübergehender Zustand ist der Skeptizismus logische Insurrekzion; als System ist er Anarchie. Skeptische Methode wäre also ungefähr wie insurgente Regierung.
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25 Philosophisch ist Alles, was zur Realisirung des logischen Ideals beyträgt, und wissenschaftliche Bildung hat.
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Bey den Ausdrücken, Seine Philosophie, Meine Philosophie, erinnert man sich immer an die Worte im Nathan: „Wem eignet Gott? Was ist das für ein Gott, der einem Menschen eignet?“
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Poetischer Schein ist Spiel der Vorstellungen, und Spiel ist Schein von Handlungen.
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Was in der Poesie geschieht, geschieht nie, oder immer. Sonst ist es keine rechte Poesie. Man darf nicht glauben sollen, daß es jetzt wirklich geschehe.
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Die Frauen haben durchaus keinen Sinn für die Kunst, wohl aber für die Poesie. Sie haben keine Anlage zur Wissenschaft, wohl aber zur Philosophie. An Spekulazion, innerer Anschauung des Unendlichen fehlts ihnen gar nicht; nur an Abstrakzion, die sich weit eher lernen läßt.
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Daß man eine Philosophie annihilirt, wobey sich der Unvorsichtige leicht gelegentlich selbst mit annihiliren kann, oder daß man ihr zeigt, sie annihilire sich selbst, kann ihr wenig schaden. Ist sie wirklich Philosophie, so wird sie doch wie ein Phönix aus ihrer eignen Asche immer wieder aufleben.
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26 Nach dem Weltbegriffe ist jeder ein Kantianer, der sich auch für die neueste deutsche philosophische Litteratur interessiert. Nach dem Schulbegriffe ist nur der ein Kantianer, der glaubt, Kant sey die Wahrheit, und der, wenn die Königsberger Post einmal verunglückte, leicht einige Wochen ohne Wahrheit seyn könnte. Nach dem veralteten Sokratischen Begriffe, da die, welche sich den Geist des großen Meisters selbständig angeeignet, und angebildet hatten, seine Schüler hießen, und als Söhne seines Geistes nach ihm genannt wurden, dürfte es nur wenige Kantianer geben.
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Schellings Philosophie, die man kritisirten Mystizismus nennen könnte, endigt, wie der Prometheus des Aeschylus, mit Erdbeben und Untergang.
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Die moralische Würdigung ist der ästhetischen völlig entgegengesetzt. Dort gilt der gute Wille alles, hier gar nichts. Der gute Wille witzig zu seyn, zum Beyspiel, ist die Tugend eines Pagliaß. Das Wollen beym Witze darf nur darin bestehen, daß man die konvenzionellen Schranken aufhebt, und den Geist frey läßt. Am witzigsten aber müßte der seyn, der es nicht nur ohne es zu wollen, sondern wider seinen Willen wäre, so wie der bienfaisant bourru eigentlich der allergutmüthigste Charakter ist.
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Das stillschweigends vorausgesetzte, und wirklich erste Postulat aller Kantianischen Harmonien 27 der Evangelisten, lautet: Kants Philosophie soll mit sich selbst übereinstimmen.
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Schön ist, was zugleich reizend und erhaben ist.
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Es giebt eine Mikrologie, und einen Glauben an Autorität, die Charakterzüge der Größe sind. Das ist die vollendende Mikrologie des Künstlers, und der historische Glaube an die Autorität der Natur.
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Es ist ein erhabener Geschmack, immer die Dinge in der zweyten Potenz vorzuziehn. Z. B. Kopieen von Nachahmungen, Beurtheilungen von Rezensionen, Zusätze zu Ergänzungen, Kommentare zu Noten. Uns Deutschen ist er vorzüglich eigen, wo es aufs Verlängern ankommt; den Franzosen, wo Kürze und Leerheit dadurch begünstigt wird. Ihr wissenschaftlicher Unterricht pflegt wohl die Abkürzung eines Auszugs zu seyn, und das höchste Produkt ihrer poetischen Kunst, ihre Tragödie, ist nur die Formel einer Form.
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Die Lehren welche ein Roman geben will, müssen solche seyn, die sich nur im Ganzen mittheilen, nicht einzeln beweisen, und durch Zergliederung erschöpfen lassen. Sonst wäre die rhetorische Form ungleich vorzüglicher.
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Die Philosophen welche nicht gegeneinander sind, verbindet gewöhnlich nur Sympathie, nicht Symphilosophie.
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28 Eine Klassifikazion ist eine Definizion, die ein System von Definizionen enthält.
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Eine Definizion der Poesie kann nur bestimmen, was sie seyn soll, nicht was sie in der Wirklichkeit war und ist; sonst würde sie am kürzesten so lauten: Poesie ist, was man zu irgendeiner Zeit, an irgendeinem Orte so genannt hat.
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Daß es den Adel vaterländischer Festgesänge nicht entweihen kann, wenn sie tüchtig bezahlt werden, beweisen die Griechen und Pindar. Daß aber das Bezahlen nicht allein selig macht, beweisen die Engländer, die wenigstens darin die Alten haben nachahmen wollen. Die Schönheit ist also doch in England nicht käuflich und verkäuflich, wenn auch die Tugend.
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Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen, und die Poesie mit der Philosophie, und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisiren, und die Formen der Kunst mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors beseelen. Sie umfaßt alles, was nur poetisch ist, vom größten wieder mehre Systeme 29 in sich enthaltenden Systeme der Kunst, bis zu dem Seufzer, dem Kuß, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosen Gesang. Sie kann sich so in das Dargestellte verliren, daß man glauben möchte, poetische Individuen jeder Art zu charakterisiren, sey ihr Eins und Alles; und doch giebt es noch keine Form, die so dazu gemacht wäre, den Geist des Autors vollständig auszudrücken: so daß manche Künstler, die nur auch einen Roman schreiben wollten, von ungefähr sich selbst dargestellt haben. Nur sie kann gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden. Und doch kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frey von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenziren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen. Sie ist der höchsten und der allseitigsten Bildung fähig; nicht bloß von innen heraus, sondern auch von außen hinein; indem sie jedem, was ein Ganzes in ihren Produkten seyn soll, alle Theile ähnlich organisirt, wodurch ihr die Aussicht auf eine gränzenlos wachsende Klassizität eröffnet wird. Die romantische Poesie ist unter den Künsten was der Witz der Philosophie, und die Gesellschaft, Umgang, Freundschaft und Liebe im Leben ist. Andre Dichtarten sind fertig, und können nun vollständig zergliedert werden. Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet seyn kann. Sie kann durch keine Theo30rie erschöpft werden, und nur eine divinatorische Kritik dürfte es wagen, ihr Ideal charakterisiren zu wollen. Sie allein ist unendlich, wie sie allein frey ist, und das als ihr erstes Gesetz anerkennt, daß die Willkühr des Dichters kein Gesetz über sich leide. Die romantische Dichtart ist die einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist: denn in einem gewissen Sinn ist oder soll alle Poesie romantisch seyn.
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Werke, deren Ideal für den Künstler nicht eben so viel lebendige Realität, und gleichsam Persönlichkeit hat, wie die Geliebte oder der Freund, blieben besser ungeschrieben. Wenigstens Kunstwerke werden es gewiß nicht.
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Es ist nicht einmal ein feiner, sondern eigentlich ein recht grober Kitzel des Egoismus, wenn alle Personen in einem Roman sich um Einen bewegen wie Planeten um die Sonne, der dann gewöhnlich des Verfassers unartiges Schoßkind ist, und der Spiegel und Schmeichler des entzückten Lesers wird. Wie ein gebildeter Mensch nicht bloß Zweck sondern auch Mittel ist für sich und für andre, so sollten auch im gebildeten Gedicht alle zugleich Zweck und Mittel seyn. Die Verfassung sey republikanisch, wobey immer erlaubt bleibt, daß einige Theile aktiv andre passiv seyn.
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Auch solche Bilder der Sprache, die bloß Eigensinn scheinen, haben oft tiefe Bedeutung. Was für eine Analogie, könnte man denken, ist wohl zwischen 31 Massen von Gold oder Silber, und Fertigkeiten des Geistes, die so sicher und so vollendet sind, daß sie willkührlich werden, und so zufällig entstanden, daß sie angebohren scheinen können? Und doch fällt es in die Augen, daß man Talente nur hat, besitzt, wie Sachen, die doch ihren soliden Werth behalten, wenn sie gleich den Inhaber selbst nicht adeln können. Genie kann man eigentlich nie haben, nur seyn. Auch giebt es keinen Pluralis von Genie, der hier schon im Singularis steckt. Genie ist nemlich ein System von Talenten.
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Den Witz achten sie darum so wenig, weil seine Äußerungen nicht lang, und nicht breit genug sind, denn ihre Empfindung ist nur eine dunkel vorgestellte Mathematik; und weil sie dabey lachen, welches gegen den Respekt wäre, wenn der Witz wahre Würde hätte. Der Witz ist wie einer, der nach der Regel repräsentiren sollte, und statt dessen bloß handelt.
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Eine Idee ist ein bis zur Ironie vollendeter Begriff, eine absolute Synthesis absoluter Antithesen, der stete sich selbst erzeugende Wechsel zwey streitender Gedanken. Ein Ideal ist zugleich Idee und Faktum. Haben die Ideale für den Denker nicht so viel Individualität wie die Götter des Alterthums für den Künstler, so ist alle Beschäftigung mit Ideen nichts als ein langweiliges und mühsames Würfelspiel mit hohlen Formeln, oder ein nach Art der Chinesischen Bonzen, hinbrütendes Anschauen seiner eignen Nase. 32 Nichts ist kläglicher und verächtlicher als diese sentimentale Spekulazion ohne Objekt. Nur sollte man das nicht Mystik nennen, da dieß schöne alte Wort für die absolute Philosophie, auf deren Standpunkte der Geist alles als Geheimniß und als Wunder betrachtet, was er aus andern Gesichtspunkten theoretisch und praktisch natürlich findet, so brauchbar und so unentbehrlich ist. Spekulazion en detail ist so selten als Abstrakzion en gros, und doch sind sie es, die allen Stoff des wissenschaftlichen Witzes erzeugen, sie die Prinzipien der höhern Kritik, die obersten Stufen der geistigen Bildung. Die große praktische Abstrakzion macht die Alten, bey denen sie Instinkt war, eigentlich zu Alten. Umsonst war es, daß die Individuen das Ideal ihrer Gattung vollständig ausdrückten, wenn nicht auch die Gattungen selbst, streng und scharf isolirt, und ihrer Originalität gleichsam frey überlassen waren. Aber sich willkührlich bald in diese bald in jene Sphäre, wie in eine andre Welt, nicht bloß mit dem Verstande und der Einbildung, sondern mit ganzer Seele versetzen; bald auf diesen bald auf jenen Theil seines Wesens frey Verzicht thun, und sich auf einen andern ganz beschränken; jetzt in diesem, jetzt in jenem Individuum sein Eins und Alles suchen und finden, und alle übrigen absichtlich vergessen: das kann nur ein Geist, der gleichsam eine Mehrheit von Geistern, und ein ganzes System von Personen in sich enthält, und in dessen Innerm das Universum, welches, wie man sagt, in jeder Monade keimen soll, ausgewachsen, und reif geworden ist.
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33 Wenn Bürgern ein neues Buch von der Art vorkam, die einen weder kalt noch warm macht, so pflegte er zu sagen: es verdiene in der Bibliothek der schönen Wissenschaften gepriesen zu werden.
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Sollte die Poesie nicht unter andern auch deswegen die höchste und würdigste aller Künste seyn, weil nur in ihr Dramen möglich sind?
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Wenn man einmal aus Psychologie Romane schreibt oder Romane liest, so ist es sehr inkonsequent, und klein, auch die langsamste und ausführlichste Zergliederung unnatürlicher Lüste, gräßlicher Marter, empörender Infamie, ekelhafter sinnlicher oder geistiger Impotenz scheuen zu wollen.
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Vielleicht würde eine ganz neue Epoche der Wissenschaften und Künste beginnen, wenn die Symphilosophie und Sympoesie so allgemein und so innig würde, daß es nichts seltnes mehr wäre, wenn mehre sich gegenseitig ergänzende Naturen gemeinschaftliche Werke bildeten. Oft kann man sich des Gedankens nicht erwehren, zwey Geister möchten eigentlich zusammengehören, wie getrennte Hälften, und nur verbunden alles seyn, was sie könnten. Gäbe es eine Kunst, Individuen zu verschmelzen, oder könnte die wünschende Kritik etwas mehr als wünschen, wozu sie überall so viel Veranlassung findet, so möchte ich Jean Paul und Peter Leberecht kombinirt sehen. Grade alles, was jenem fehlt, hat dieser. Jean 34 Pauls groteskes Talent und Peter Leberechts fantastische Bildung vereinigt, würden einen vortrefflichen romantischen Dichter hervorbringen.
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Alle nazionale und auf den Effekt gemachte Dramen sind romantisirte Mimen.
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Klopstock ist ein grammatischer Poet, und ein poetischer Grammatiker.
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Nichts ist kläglicher, als sich dem Teufel umsonst ergeben; zum Beyspiel schlüpfrige Gedichte machen, die nicht einmal vortrefflich sind.
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Manche Theoristen vergessen bey Fragen, wie die über den Gebrauch des Sylbenmaßes im Drama allzusehr, daß die Poesie überhaupt nur eine schöne Lüge ist, von der es aber dafür auch heißen kann:
Magnanima menzogna, ov’ or’ è il vero
Si bello, che si possa a te preporre?
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Es giebt auch grammatische Mystiker. Moriz war einer.
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Der Dichter kann wenig vom Philosophen, dieser aber viel von ihm lernen. Es ist sogar zu befürchten, daß die Nachtlampe des Weisen den irre führen möchte, der gewohnt ist im Licht der Offenbarung zu wandeln.
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35 Dichter sind doch immer Narzisse.
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Es ist als wenn die Weiber alles mit eignen Händen machten, und die Männer mit dem Handwerksgeräth.
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Das männliche Geschlecht wird nicht eher durch das weibliche verbessert werden, als bis die Geschlechtsfolge der Nayren nach den Müttern eingeführt seyn wird.
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Zuweilen nimmt man doch einen Zusammenhang zwischen den getrennten, und oft sich widersprechenden Theilen unsrer Bildung gewahr. So scheinen die besseren Menschen in unsern moralischen Dramen aus den Händen der neuesten Pädagogik zu kommen.
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Es giebt Geister, denen es bey großer Anstrengung und bestimmter Richtung ihrer Kraft an Biegsamkeit fehlt. Sie werden entdecken, aber weniges, und in Gefahr seyn diese Lieblingssätze immer zu wiederhohlen. Man dringt nicht tief, wenn man einen Bohrer mit großer Gewalt gegen ein Brett drückt, ohne ihn umzudrehen.
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Es giebt eine materiale, enthusiastische Rhetorik die unendlich weit erhaben ist über den sophistischen Misbrauch der Philosophie, die deklamatorische Stylübung, die angewandte Poesie, die improvisirte Politik, welche man mit demselben Nahmen zu bezeichnen 36 pflegt. Ihre Bestimmung ist, die Philosophie praktisch zu realisiren, und die praktische Unphilosophie und Antiphilosophie nicht bloß dialektisch zu besiegen, sondern real zu vernichten. Rousseau und Fichte verbieten auch denen, die nicht glauben, wo sie nicht sehen, dieß Ideal für chimärisch zu halten.
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Die Tragiker setzen die Szene ihrer Dichtungen fast immer in die Vergangenheit. Warum sollte dies schlechthin nothwendig, warum sollte es nicht auch möglich seyn, die Szene in die Zukunft zu setzen, wodurch die Fantasie mit einem Streich von allen historischen Rücksichten und Einschränkungen befreyt würde? Aber freylich müßte ein Volk, das die beschämenden Gestalten einer würdigen Darstellung der bessern Zukunft ertragen sollte, mehr als eine republikanische Verfassung, es müßte eine liberale Gesinnung haben.
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Aus dem romantischen Gesichtspunkt haben auch die Abarten der Poesie, selbst die ekzentrischen und monströsen, ihren Werth, als Materialien und Vorübungen der Universalität, wenn nur irgend etwas drin ist, wenn sie nur original sind.
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Die Eigenschaft des dramatischen Dichters scheint es zu seyn, sich selbst mit freygebiger Großmuth an andere Personen zu verlieren, des lyrischen, mit liebevollem Egoismus alles zu sich herüber zu ziehn.
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37 Es heißt, in Englischen und Deutschen Trauerspielen wären doch so viel Verstoße gegen den Geschmack. Die Französischen sind nur ein einziger großer Verstoß. Denn was kann geschmackwidriger seyn, als ganz außerhalb der Natur zu schreiben, und vorzustellen?
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Hemsterhuys vereinigt Plato’s schöne Seherflüge mit dem strengen Ernst des Systematikers. Jacobi hat nicht dieses harmonische Ebenmaß der Geisteskräfte, aber desto freyer wirkende Tiefe und Gewalt; den Instinkt des Göttlichen haben sie mit einander gemein. Hemsterhuys Werke mögen intellektuelle Gedichte heißen. Jacobi bildete keine untadeligen vollendeten Antiken, er gab Bruchstücke voll Originalität, Adel, und Innigkeit. Vielleicht wirkt Hemsterhuys Schwärmerey mächtiger, weil sie sich immer in den Gränzen des Schönen ergießt; hingegen setzt sich die Vernunft sogleich in wehrbaren Stand, wenn sie die Leidenschaftlichkeit des gegen sie eindringenden Gefühls gewahr wird.
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Man kann Niemand zwingen, die Alten für klassisch zu halten, oder für alt; das hängt zuletzt von Maximen ab.
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Das goldne Zeitalter der römischen Litteratur war genialischer und der Poesie günstiger; das sogenannte silberne in der Prosa ungleich korrekter.
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38 Als Dichter betrachtet, ist Homer sehr sittlich, weil er so natürlich, und doch so poetisch ist. Als Sittenlehrer aber, wie ihn die Alten trotz den Protestazionen der älteren und bessern Philosophen häufig betrachteten, ist er eben darum sehr unsittlich.
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Wie der Roman die ganze moderne Poesie, so tingiert auch die Satire, die durch alle Umgestaltungen, bey den Römern doch immer eine klassische Universalpoesie, eine Gesellschaftspoesie aus und für den Mittelpunkt des gebildeten Weltalls blieb, die ganze römische Poesie, ja die gesammte römische Litteratur, und giebt darin gleichsam den Ton an. Um Sinn zu haben für das, was in der Prosa eines Cicero, Caesar, Suetonius das Urbanste, das Originalste und das Schönste ist, muß man die Horazischen Satiren schon lange geliebt und verstanden haben. Das sind die ewigen Urquellen der Urbanität.
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Klassisch zu leben, und das Alterthum praktisch in sich zu realisiren, ist der Gipfel und das Ziel der Philologie. Sollte dies ohne allen Cynismus möglich seyn?
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Die größte aller Antithesen, die es je gegeben hat, ist Caesar und Cato. Sallust hat sie nicht unwürdig dargestellt.
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Der systematische Winkelmann, der alle Alten gleichsam wie Einen Autor las, alles im Ganzen sah, 39 und seine gesammte Kraft auf die Griechen konzentrirte, legte durch die Wahrnehmung der absoluten Verschiedenheit des Antiken und des Modernen, den ersten Grund zu einer materialen Alterthumslehre. Erst wenn der Standpunkt und die Bedingungen der absoluten Identität des Antiken und Modernen, die war ist oder seyn wird, gefunden ist, darf man sagen, daß wenigstens der Kontour der Wissenschaft fertig sey, und nun an die methodische Ausführung gedacht werden könne.
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Der Agrikola des Tacitus ist eine klassisch prächtige, historische Kanonisazion eines konsularischen Oekonomen. Nach der Denkart die darin herrscht, ist die höchste Bestimmung des Menschen, mit Erlaubniß des Imperators zu triumphiren.
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Jeder hat noch in den Alten gefunden, was er brauchte, oder wünschte; vorzüglich sich selbst.
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Cicero war ein großer Virtuose der Urbanität, der ein Redner, ja sogar ein Philosoph seyn wollte, und ein sehr genialischer Antiquar, Litterator, und Polyhistor altrömischer Tugend und altrömischer Festivität hätte werden können.
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Je populärer ein alter Autor ist, je romantischer ist er. Dies ist das Prinzip der neuen Auswahl, welche die Modernen aus der alten Auswahl der Klassi40ker durch die Tat gemacht haben, oder vielmehr immer noch machen.
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Wer frisch vom Aristophanes, dem Olymp der Komödie, kommt, dem erscheint die romantische Persifflage wie eine lang ausgesponnene Faser aus einem Gewebe der Athene, wie eine Flocke himmlischen Feuers, von der das Beste im Herabfallen auf die Erde verflog.
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Die rohen kosmopolitischen Versuche der Carthager und andrer Völker des Alterthums erscheinen gegen die politische Universalität der Römer, wie die Naturpoesie ungebildeter Nazionen gegen die klassische Kunst der Griechen. Nur die Römer waren zufrieden mit dem Geist des Despotismus, und verachteten den Buchstaben; nur sie haben naive Tyrannen gehabt.
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Der komische Witz ist eine Mischung des epischen und des jambischen. Aristophanes ist zugleich Homer und Archilochus.
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Ovid hat viel Aehnlichkeit mit dem Euripides. Dieselbe rührende Kraft, derselbe rhetorische Glanz und oft unzeitige Scharfsinn, dieselbe tändelnde Fülle, Eitelkeit und Dünnheit.
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Das Beste im Martial ist das, was Katullisch scheinen könnte.
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41 In manchem Gedicht der spätern Alten, wie zum Beyspiel in der Mosella des Ausonius, ist schon nichts mehr antik, als das antiquarische.
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Weder die attische Bildung des Xenophon, noch sein Streben nach dorischer Harmonie, noch seine sokratische Anmuth, durch die er liebenswürdig scheinen kann, diese hinreißende Einfalt, Klarheit und eigne Süßigkeit des Styls, kann dem unbefangnen Gemüth die Gemeinheit verbergen, die der innerste Geist seines Lebens, und seiner Werke ist. Die Memorabilien beweisen, wie unfähig er war, die Größe seines Meisters zu begreifen, und die Anabase, das interessanteste und schönste seiner Werke, wie klein er selbst war.
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Sollte die cyklische Natur des höchsten Wesens bey Plato und Aristoteles nicht die Personifikazion einer philosophischen Manier seyn?
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Hat man nicht bey Untersuchung der ältesten griechischen Mythologie viel zu wenig Rücksicht auf den Instinkt des menschlichen Geistes zu parallelisiren und zu antithesiren genommen? Die Homerische Götterwelt ist eine einfache Variazion der Homerischen Menschenwelt; die Hesiodische, welcher der heroische Gegensatz fehlt, spaltet sich in mehre entgegengesetzte Göttergeschlechter. In der alten Aristotelischen Bemerkung, daß man die Menschen aus ihren Göttern kennen lerne, liegt nicht bloß die von selbst einleuchtende Subjektivität aller Theologie, sondern auch die 42 unbegreiflichere angebohrne geistige Duplicität des Menschen.
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Die Geschichte der ersten Römischen Caesaren ist wie die Symphonie und das Thema der Geschichte aller nachfolgenden.
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Die Fehler der griechischen Sophisten waren mehr Fehler aus Ueberfluß als aus Mangel. Selbst in der Zuversicht und Arroganz, mit der sie alles zu wissen, ja auch wohl zu können glaubten und vorgaben, liegt etwas sehr philosophisches, nicht der Absicht, aber dem Instinkt nach: denn der Philosoph hat doch nur die Alternative, Alles oder Nichts wissen zu wollen. Das, woraus man nur Etwas, oder Allerley lernen soll, ist sicher keine Philosophie.
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Im Plato finden sich alle reinen Arten der Griechischen Prosa in klassischer Individualität unvermischt, und oft schneidend nebeneinander: die logische, die physische, die mimische, die panegyrische, und die mythische. Die mimische ist die Grundlage und das allgemeine Element: die andern kommen oft nur episodisch vor. Dann hat er noch eine ihm besonders eigne Art, worin er am meisten Plato ist, die dithyrambische. Man könnte sie eine Mischung der mythischen, und panegyrischen nennen, wenn sie nicht auch etwas von dem gedrängten und einfach Würdigen der physischen hätte.
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43 Nazionen und Zeitalter zu charakterisiren, das Große groß zu zeichnen, das ist das eigentliche Talent des poetischen Tacitus. In historischen Porträten ist der kritische Suetonius der größere Meister.
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Fast alle Kunsturtheile sind zu allgemein oder zu speziell. Hier in ihren eignen Produkten sollten die Kritiker die schöne Mitte suchen, und nicht in den Werken der Dichter.
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Cicero würdigt die Philosophieen nach ihrer Tauglichkeit für den Redner: ebenso läßt sich fragen, welche die angemessenste für den Dichter sey. Gewiß kein System, das mit den Aussprüchen des Gefühls und Gemeinsinnes im Widerspruch steht; oder das Wirkliche in Schein verwandelt; oder sich aller Entscheidung enthält; oder den Schwung zum Uebersinnlichen hemmt; oder die Menschheit von den äußern Gegenständen erst zusammenbettelt. Also weder der Eudämonismus, noch der Fatalismus, noch der Idealismus, noch der Skeptizismus, noch der Materialismus, noch der Empirismus. Und welche Philosophie bleibt dem Dichter übrig? Die schaffende, die von der Freyheit, und dem Glauben an sie ausgeht, und dann zeigt wie der menschliche Geist sein Gesetz allem aufprägt, und wie die Welt sein Kunstwerk ist.
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Das Demostriren a priori führt doch eine selige Beruhigung bey sich, während die Beobachtung immer etwas halbes und unvollendetes bleibt. Aristoteles 44 machte durch den bloßen Begriff die Welt kugelrund: nicht das kleinste Eckchen heraus, oder hineinwärts ließ er ihr. Er zog deswegen auch die Kometen in die Atmosphäre der Erde, und fertigte die wahren Sonnensysteme der Pythagoräer kurz ab. Wie lange werden unsre Astronomen, die durch Herschelsche Teleskope sehen, zu thun haben, ehe sie wieder zu einer so bestimmten klaren und kugelrunden Einsicht über die Welt gelangen?
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Warum schreiben die Deutschen Frauen nicht häufiger Romane? Was soll man daraus auf ihre Geschicklichkeit Romane zu spielen für einen Schluß ziehen? Hängen diese beyden Künste unter einander zusammen, oder steht diese mit jener in umgekehrtem Verhältnisse? Das letzte sollte man beynah aus dem Umstande vermuthen, daß so viele Romane von Englischen, so wenige von Französischen Frauen herrühren. Oder sind die geistreichen und reizenden Französinnen in dem Fall affairirter Staatsmänner, die nicht anders dazu kommen ihre Memoiren zu schreiben, als wenn sie etwa des Dienstes entlassen werden? Und wann glaubt wohl solch ein weiblicher Geschäftsmann seinen Abschied zu haben? Bey der steifen Etikette der weiblichen Tugend in England, und dem zurückgezogenen Leben, wozu die Ungeschliffenheit des männlichen Umgangs die Frauen dort oft nöthigt, scheint die häufige Romanenautorschaft der Engländerinnen auf das Bedürfniß freyerer Verhältnisse zu deuten. Man sonnt sich wenigstens im Mondschein, wenn man 45 durch das Spazierengehn am Tage seine Haut zu schwärzen fürchtet.
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Ein Französischer Beurtheiler hat in Hemsterhuys Schriften le flegme allemand gefunden; ein andrer nach einer Französischen Uebersetzung von Müllers Geschichte der Schweiz gemeynt, das Buch enthalte gute Materialien für einen künftigen Geschichtschreiber. Solche überschwengliche Dummheiten sollten in den Jahrbüchern des menschlichen Geistes aufbewahrt werden, man kann sie mit allem Verstande nicht so erfinden. Sie haben auch die Ähnlichkeit mit genialischen Einfällen, daß jedes als Kommentar hinzugefügte Wort ihnen das Pikante nehmen würde.
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Man kann sagen, daß es ein charakteristisches Kennzeichen des dichtenden Genies ist, viel mehr zu wissen, als es weiß, daß es weiß.
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Im Styl des echten Dichters ist nichts Schmuck, alles nothwendige Hieroglyphe.
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Die Poesie ist Musik für das innere Ohr, und Mahlerey für das innere Auge; aber gedämpfte Musik, aber verschwebende Mahlerey.
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Mancher betrachtet Gemählde am liebsten mit verschloßnen Augen, damit die Fantasie nicht gestört werde.
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46 Von vielen Plafonds kann man recht eigentlich sagen, daß der Himmel voll Geigen hängt.
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Für die so oft verfehlte Kunst, Gemählde mit Worten zu mahlen, läßt sich im Allgemeinen wohl keine andre Vorschrift ertheilen, als mit der Manier, den Gegenständen gemäß, aufs mannichfaltigste zu wechseln. Manchmal kann der dargestellte Moment aus einer Erzählung lebendig hervorgehn. Zuweilen ist eine fast mathematische Genauigkeit in lokalen Angaben nöthig. Meistens muß der Ton der Beschreibung das Beste thun, um den Leser über das Wie zu verständigen. Hierin ist Diderot Meister. Er musizirt viele Gemählde wie der Abt Vogler.
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Darf irgend etwas von Deutscher Mahlerey im Vorhofe zu Raphaels Tempel aufgestellt werden, so kommen Albrecht Dürer und Holbein gewiß näher am Heiligthume zu stehn, als der gelehrte Mengs.
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Tadelt den beschränkten Kunstgeschmack der Holländer nicht. Fürs erste wissen sie ganz bestimmt was sie wollen. Fürs zweyte haben sie sich ihre Gattungen selbst erschaffen. Läßt sich eins von beyden von der Englischen Kunstliebhaberey rühmen?
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Die bildende Kunst der Griechen ist sehr schamhaft, wo es auf die Reinheit des Edlen ankommt; sie deutet zum Beyspiel an nackten Figuren der Götter und Helden das irdische Bedürfniß auf das be47scheidenste an. Freylich weiß sie nichts von einer gewissen halben Delikatesse, und zeigt daher die viehischen Lüste der Satyrn ohne alle Verhüllung. Jedes Ding muß in seiner Art bleiben. Diese unbezähmbaren Naturen waren schon durch ihre Gestalt aus der Menschheit hinausgestoßen. Eben so war es vielleicht nicht bloß ein sinnliches, sondern ein sittliches Raffinement, das die Hermaphroditen erschuf. Da die Wollust einmal auf diesen Abweg gerathen war, so dichtete man eigne ursprünglich dazu bestimmte Geschöpfe.
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Rubens Anordnung ist oft dithyrambisch, während die Gestalten träge und auseinander geschwommen bleiben. Das Feuer seines Geistes kämpft mit der klimatischen Schwerfälligkeit. Wenn in seinen Gemählden mehr innre Harmonie seyn sollte, mußte er weniger Schwungkraft haben, oder kein Flamänder seyn.
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Sich eine Gemähldeausstellung von einem Diderot beschreiben lassen, ist ein wahrhaft kaiserlicher Luxus.
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Hogarth hat die Häßlichkeit gemalt, und über die Schönheit geschrieben.
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Peter Laar’s Bambocciaten sind Niederländische Kolonisten in Italien. Das heißere Klima scheint ihr Kolorit gebräunt, Charakter und Ausdruck aber durch rüstigere Kraft veredelt zu haben.
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48 Der Gegenstand kann die Dimensionen vergessen machen: man fand es nicht unschicklich, daß der Olympische Jupiter nicht aufstehen durfte, weil er das Dach eingestoßen hätte, und Herkules auf einem geschnittnen Steine erscheint noch übermenschlich groß. Über den Gegenstand können nur verkleinernde Dimensionen täuschen. Das Gemeine wird durch eine kolossale Ausführung gleichsam multiplizirt.
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Wir lachen mit Recht über die Chinesen, die beym Anblick Europäischer Porträte mit Licht und Schatten, fragten, ob die Personen denn wirklich so fleckig wären? Aber würden wir es wagen, über einen alten Griechen zu lächeln, dem man ein Stück mit Rembrandschen Helldunkel gezeigt, und der in seiner Unschuld gemeynt hätte: so mahlte man wohl im Lande der Cimmerier?
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Kein kräftigeres Mittel gegen niedrige Wollust als Anbetung der Schönheit. Alle höhere bildende Kunst ist daher keusch, ohne Rücksicht auf die Gegenstände; sie reinigt die Sinne, wie die Tragödie nach Aristoteles die Leidenschaften. Ihre zufälligen Wirkungen kommen hiebey nicht in Betracht, denn in schmutzigen Seelen kann selbst eine Vestalinn Begierden erregen.
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Gewisse Dinge bleiben unübertroffen, weil die Bedingungen, unter denen sie erreicht werden, zu herabwürdigend sind. Wenn nicht etwa einmal ein versoffner Gastwirt wie Jan Steen ein Künstler wird, 49 einem Künstler kann man nicht zumuthen ein versoffner Gastwirt zu werden.
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Das wenige, was in Diderots Essai sur la peinture nicht taugt, ist das Sentimentale. Er hat aber den Leser, den es irre führen könnte, durch seine unvergleichliche Frechheit selbst zurecht gewiesen.
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Die einförmigste und flachste Natur erzieht am besten zum Landschaftsmahler. Man denke an den Reichthum der holländischen Kunst in diesem Fache. Armuth macht haushälterisch: es bildet sich ein genügsamer Sinn, den selbst der leiseste Wink höheres Lebens in der Natur erfreut. Wenn der Künstler dann auf Reisen romantische Szenen kennen lernt, so wirken sie desto mächtiger auf ihn. Auch die Einbildungskraft hat ihre Antithesen: der größte Mahler schauerlicher Wüsteneyen, Salvator Rosa, war zu Neapel geboren.
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Die Alten, scheint es, liebten auch in der Miniatur das Unvergängliche: die Steinschneidekunst ist die Miniatur der Bildnerey.
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Die alte Kunst selbst will nicht ganz wiederkommen, so rastlos auch die Wissenschaft alle angehäuften Schätze der Natur bearbeitet. Zwar scheint es oft: aber es fehlt immer noch etwas, nämlich grade das, was nur aus dem Leben kommt und was kein Modell geben kann. Die Schicksale der alten Kunst 50 indessen kommen mit buchstäblicher Genauigkeit wieder. Es ist als sey der Geist des Mummius, der seine Kennerschaft an den korinthischen Kunstschätzen so gewaltig übte, jetzt von den Todten auferstanden.
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Wenn man sich nicht durch Künstlernamen und gelehrte Anspielungen blenden läßt, so findet man bey alten und neuen Dichtern den Sinn für bildende Kunst seltner als man erwarten sollte. Pindar kann vor allen der plastische unter den Dichtern heißen, und der zarte Styl der alten Vasengemälde erinnert an seine dorische Weichheit und süße Pracht. Propertius, der in acht Zeilen eben so viel Künstler charakterisiren konnte, ist eine Ausnahme unter den Römern. Dante zeigt durch seine Behandlung des Sichtbaren große Mahleranlagen, doch hat er mehr Bestimmtheit der Zeichnung als Perspektive. Es fehlte ihm an Gegenständen, diesen Sinn zu üben: denn die neuere Kunst war damals in ihrer Kindheit, die alte lag noch im Grabe. Aber was brauchte der von Mahlern zu lernen, von dem Michel Angelo lernen konnte? Im Ariost trifft man auf starke Spuren, daß er im blühendsten Zeitalter der Mahlerey lebte, sein Geschmack daran hat ihn bey Schilderung der Schönheit manchmal über die Gränzen der Poesie fortgerissen. Bey Goethen ist dieß nie der Fall. Er macht die bildenden Künste manchmal zum Gegenstande seiner Dichtungen, außerdem ist ihre Erwähnung darin niemals angebracht, oder herbey gezogen. Die Fülle des ruhigen Besitzes drängt sich nicht an den Tag, 51 sie verheimlicht sich auch nicht. Alle solche Stellen hinweggenommen, würde doch die Kunstliebe und Einsicht des Dichters, in der Gruppierung seiner Figuren, in der einfachen Großheit seiner Umrisse unverkennbar seyn.
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Als ein Merkmahl der Echtheit antiker Münzen kennt man in der Numismatik den sogenannten edlen Rost. Die verfälschende Kunst hat alles besser nachahmen gelernt, als dieß Gepräge der Zeiten. Solch einen edlen Rost giebt es auch an Menschen, Helden, Weisen, Dichtern. Johannes Müller ist ein vortrefflicher Numismatiker des Menschengeschlechts.
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Hat Condorcet sich nicht ein schöneres Denkmal gesetzt, da er, von Todesgefahren umringt, sein Buch von den progrès de l’esprit humain schrieb, als wenn er die kurze Frist dazu angewandt hätte, sein endliches Individuum statt jener unendlichen Aussichten hinzustellen? Wie konnte er besser an die Nachwelt appelliren, als durch das Vergessen seiner selbst im Umgange mit ihr?
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Reine Autobiographien werden geschrieben: entweder von Nervenkranken, die immer an ihr Ich gebannt sind, wohin Rousseau mit gehört; oder von einer derben künstlerischen oder abentheuerlichen Eigenliebe, wie die des Benvenuto Cellini; oder von gebornen Geschichtsschreibern, die sich selbst nur ein Stoff historischer Kunst sind; oder von Frauen, die auch 52 mit der Nachwelt kokettiren; oder von sorglichen Gemüthern, die vor ihrem Tode noch das kleinste Stäubchen in Ordnung bringen möchten, und sich selbst nicht ohne Erläuterungen aus der Welt gehen lassen können; oder sie sind ohne weiteres bloß als plaidoyers vor dem Publikum zu betrachten. Eine große Klasse unter den Autobiographen machen die Autopseusten aus.
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Schwerlich hat irgend eine andre Litteratur so viele Ausgeburten der Originalitätssucht aufzuweisen als unsre. Es zeigt sich auch hierin daß wir Hyperboreer sind. Bey den Hyperboreern wurden nämlich dem Apollo Esel geopfert, an deren wunderlichen Sprüngen er sich ergötzte.
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Ehedem wurde unter uns die Natur, jetzt wird das Ideal ausschließend gepredigt. Man vergißt zu oft, daß diese Dinge innig vereinbar sind, daß in der schönen Darstellung die Natur idealisch und das Ideal natürlich seyn soll.
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Die Meynung von der Erhabenheit des englischen Nazionalcharakters ist unstreitig zuerst durch die Gastwirthe veranlaßt; aber Romane und Schauspiele haben sie begünstigt, und dadurch einen nicht zu verwerfenden Beytrag zu der Lehre von der erhabenen Lächerlichkeit geliefert.
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53 „Ich will einem Narren niemals trauen“ sagt ein sehr gescheidter Narr beym Shakspeare, „bis ich sein Gehirn sehe.“ Man möchte diese Bedingung des Zutrauens gewissen angeblichen Philosophen zumuthen; was gilts, man fände papier maché aus Kantischen Schriften verfertigt.
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Diderot ist im Fatalisten, in den Versuchen über die Mahlerey, und überall wo er recht Diderot ist, bis zur Unverschämtheit wahr. Er hat die Natur nicht selten im reizenden Nachtkleide überrascht, er hat sie mitunter auch ihre Nothdurft verrichten sehen.
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Seit die Nothwendigkeit des Ideals in der Kunst so dringend eingeschärft worden ist, sieht man die Lehrlinge treuherzig hinter diesem Vogel herlaufen, um ihm, so bald sie etwa nahe genug wären, das Salz der Ästhetik auf den Schwanz zu streuen.
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Moriz liebte den Griechischen Gebrauch der geschlechtlosen Adjektive für Abstrakte, und suchte etwas Geheimnißvolles darin. Man könnte in seiner Sprache von der Mythologie und Anthusa sagen, daß das Menschliche dem Heiligen sich hier überall zu nähern und das Denkende im Sinnbildlichen sich wieder zu erkennen sucht, aber sich manchmal selbst nicht versteht.
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Mag es noch so gut seyn, was jemand vom Katheder herab sagt: die beste Freude ist weg, weil man 54 ihm nicht drein reden darf. Ebenso mit dem lehrhaften Schriftsteller.
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Sie pflegen sich selbst die Kritik zu nennen. Sie schreiben kalt, flach, vornehmthuend und über alle Maßen wäßericht. Natur, Gefühl, Adel und Größe des Geistes sind für sie gar nicht vorhanden, und doch thun sie, als könnten sie diese Dinge vor ihr Richterstühlchen laden. Nachahmungen der ehemaligen Französischen Schönenweltsversemacherey, sind das äußerste Ziel ihrer lauwarmen Bewunderung. Korrektheit gilt ihnen für Tugend. Geschmack ist ihr Idol; ein Götze dem man nur ohne Freude dienen darf. – Wer erkennt nicht in diesem Porträt die Priester im Tempel der schönen Wissenschaften, welche von dem Geschlecht sind wie die Priester der Cybele?
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Ein Fragment muß gleich einem kleinen Kunstwerke von der umgebenden Welt ganz abgesondert und in sich selbst vollendet seyn wie ein Igel.
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Die Freygeisterey geht immer in dieser Stufenleiter fort: zuerst wird der Teufel angegriffen, dann der heilige Geist, demnächst der Herr Christus, und zuletzt Gott der Vater.
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Es giebt Tage wo man sehr glücklich gestimmt ist, und leicht neue Entwürfe machen, sie aber eben so wenig mittheilen, als wirklich etwas hervorbringen kann. Nicht Gedanken sind es; nur Seelen von Gedanken.
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55 Sollte sich eine durch Konvenienzen gefesselte Sprache, wie etwa die Französische, nicht durch einen Machtanspruch des allgemeinen Willens republikanisiren können? Die Herrschaft der Sprache über die Geister ist offenbar: aber ihre heilige Unverletzlichkeit folgt daraus eben so wenig, als man im Naturrecht den ehemals behaupteten göttlichen Ursprung aller Staatsgewalt gelten lassen kann.
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Man erzählt, Klopstock habe den Französischen Dichter Rouget de Lisle, der ihn besuchte, mit der Anrede begrüßt: wie er es wage in Deutschland zu erscheinen, da sein Marseiller Marsch funfzigtausend braven Deutschen das Leben gekostet? Dieser Vorwurf war unverdient. Schlug Simson die Philister nicht mit einem Eselskinnbacken? Hat aber der Marseiller Marsch wirklich Antheil an den Siegen Frankreichs, so hat wenigstens Rouget de Lisle die mörderische Gewalt seiner Poesie in diesem einen Stücke erschöpft: mit allen seinen übrigen zusammengenommen, würde man keine Fliege todt schlagen.
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Die Menge nicht zu achten, ist sittlich; sie zu ehren, ist rechtlich.
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Werth ist vielleicht kein Volk der Freyheit, aber das gehört vor das forum Dei.
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Nur derjenige Staat verdient Aristokratie genannt zu werden, in welchem wenigstens die kleinere 56 Masse, welche die größere despotisirt, eine republikanische Verfassung hat.
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Die vollkommne Republik müßte nicht bloß demokratisch, sondern zugleich auch aristokratisch und monarchisch seyn; innerhalb der Gesetzgebung der Freyheit und Gleichheit müßte das Gebildete das Ungebildete überwiegen und leiten, und alles sich zu einem absoluten Ganzen organisiren.
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Kann eine Gesetzgebung wohl sittlich heißen, welche die Angriffe auf die Ehre der Bürger weniger hart bestraft, als die auf ihr Leben?
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Die Französische Revoluzion, Fichte’s Wissenschaftslehre, und Goethe’s Meister sind die größten Tendenzen des Zeitalters. Wer an dieser Zusammenstellung Anstoß nimmt, wem keine Revoluzion wichtig scheinen kann, die nicht laut und materiell ist, der hat sich noch nicht auf den hohen weiten Standpunkt der Geschichte der Menschheit erhoben. Selbst in unsern dürftigen Kulturgeschichten, die meistens einer mit fortlaufendem Kommentar begleiteten Variantensammlung, wozu der klassische Text verlohren ging, gleichen, spielt manches kleine Buch, von dem die lärmende Menge zu seiner Zeit nicht viel Notiz nahm, eine größere Rolle, als alles, was diese trieb.
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Alterthümlichkeit der Worte, und Neuheit der Wortstellungen, gedrungne Kürze und nebenausbildende 57 Fülle, die auch die unerklärlichern Züge der charakterisirten Individuen wieder giebt; das sind die wesentlichen Eigenschaften des historischen Styls. Die wesentlichste von allen ist Adel, Pracht, Würde. Vornehm wird der historische Styl durch die Gleichartigkeit und Reinheit einheimischer Worte von ächtem Stamm, und durch Auswahl der bedeutendsten, gewichtigsten und kostbarsten; durch groß gezeichneten, und deutlich, lieber zu hart als unklar, artikulirten Periodenbau, wie der des Thucydides; durch nackte Gediegenheit, erhabene Eil und großartige Fröhlichkeit der Stimmung und Farbe, nach Art des Caesar; besonders aber durch jene innige und hohe Bildung eines Tacitus, welche die trocknen Fakta der reinen Empirie so poetisiren, urbanisiren und zur Philosophie erheben, läutern und generalisiren muß, als sey sie von Einem der zugleich ein vollendeter Denker, Künstler, und Held wäre, aufgefaßt, und vielfach durchgearbeitet, ohne daß doch irgendwo rohe Poesie, reine Philosophie oder isolirter Witz die Harmonie störte. Das alles muß in der Historie verschmolzen seyn, wie auch die Bilder und Antithesen nur angedeutet oder wieder aufgelöst seyn müßen, damit der schwebende und fließende Ausdruck dem lebendigen Werden der beweglichen Gestalten entspreche.
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Man wundert sich immer mißtrauisch, wenn man zu wissen scheint: das und das wird so seyn. Und doch ist es grade ebenso wunderbar, daß wir wissen können: das und das ist so; was niemanden auffällt, weil es immer geschieht.
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58 Im Gibbon hat sich die gemeine Bigotterie der Engländischen Pedanten für die Alten auf klassischem Boden bis zu sentimentalen Epigrammen über die Ruinen der versunknen Herrlichkeit veredelt, doch konnte sie ihre Natur nicht ganz ablegen. Er zeigt verschiedentlich für die Griechen gar keinen Sinn gehabt zu haben. Und an den Römern liebt er doch eigentlich nur die materielle Pracht, vorzüglich aber, nach Art seiner zwischen Merkantilität und Mathematik getheilten Nazion, die quantitative Erhabenheit. Die Türken sollte man denken, hätten es ihm eben auch gethan.
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Ist aller Witz Prinzip und Organ der Universalphilosophie, und alle Philosophie nichts andres als der Geist der Universalität, die Wissenschaft aller sich ewig mischenden und wieder trennenden Wissenschaften, eine logische Chemie: so ist der Werth und die Würde jenes absoluten, enthusiastischen, durch und durch materialen Witzes, worin Baco und Leibniz, die Häupter der scholastischen Prosa, jener einer der ersten, dieser einer der größten Virtuosen war, unendlich. Die wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen sind bonmots der Gattung. Das sind sie durch die überraschende Zufälligkeit ihrer Entstehung, durch das Kombinatorische des Gedankens, und durch das Barokke des hingeworfenen Ausdrucks. Doch sind sie dem Gehalt nach freylich weit mehr als die sich in Nichts auflösende Erwartung des rein poetischen Witzes. Die besten sind echappées de vue ins Unend59liche. Leibnizens gesammte Philosophie besteht aus wenigen in diesem Sinne witzigen Fragmenten und Projekten. Kant der Kopernikus der Philosophie hat von Natur vielleicht noch mehr synkretistischen Geist und kritischen Witz als Leibniz: aber seine Situazion und seine Bildung ist nicht so witzig; auch geht es seinen Einfällen wie beliebten Melodieen: die Kantianer haben sie todt gesungen; daher kann man ihm leicht Unrecht thun, und ihn für weniger witzig halten, als er ist. Freylich ist die Philosophie erst dann in einer guten Verfassung, wenn sie nicht mehr auf genialische Einfälle zu warten, und zu rechnen braucht, und zwar nur durch enthusiastische Kraft, und mit genialischer Kunst aber doch in sicherer Methode stetig fortschreiten kann. Aber sollen wir die einzigen noch vorhandenen Produkte des synthesirenden Genie’s darum nicht achten, weil es noch keine kombinatorische Kunst und Wissenschaft giebt? Und wie kann es diese geben, so lange wir die meisten Wissenschaften nur noch buchstabiren wie Quintaner, und uns einbilden, wir wären am Ziel, wenn wir in einem der vielen Dialekte der Philosophie dekliniren und konjugiren können, und noch nichts vom Syntax ahnden, noch nicht den kleinsten Perioden konstruiren können?
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A. Sie behaupten immer Sie wären ein Christ. Was verstehn Sie unter Christenthum? – B. Was die Christen als Christen seit achtzehn Jahrhunderten machen, oder machen wollen. Der Christianismus scheint mir ein Faktum zu seyn. Aber ein erst ange60fangnes Faktum, das also nicht in einem System historisch dargestellt, sondern nur durch divinatorische Kritik charakterisirt werden kann.
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Der revoluzionäre Wunsch, das Reich Gottes zu realisiren, ist der elastische Punkt der progressiven Bildung, und der Anfang der modernen Geschichte. Was in gar keiner Beziehung auf’s Reich Gottes steht ist in ihr nur Nebensache.
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Die sogenannte Staatenhistorie, welche nichts ist als eine genetische Definizion vom Phänomen des gegenwärtigen politischen Zustandes einer Nazion, kann nicht für eine reine Kunst oder Wissenschaft gelten. Sie ist ein wissenschaftliches Gewerbe, das durch Freymüthigkeit und Opposizion gegen Faustrecht und Mode geadelt werden kann. Auch die Universalhistorie wird sophistisch, sobald sie dem Geiste der allgemeinen Bildung der ganzen Menschheit irgend etwas vorzieht, wäre auch eine moralische Idee das heteronomische Prinzip, sobald sie für eine Seite des historischen Universums Parthey nimmt; und nichts stört mehr in einer historischen Darstellung als rhetorische Seitenblicke und Nutzanwendungen.
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Johannes Müller thut in seiner Geschichte oft Blicke aus der Schweiz in die Weltgeschichte; seltner aber betrachtet er die Schweiz mit dem Auge eines Weltbürgers.
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61 Strebt eine Biographie zu generalisiren, so ist sie ein historisches Fragment. Konzentriert sie sich ganz darauf, die Individualität zu charakterisiren: so ist sie eine Urkunde oder ein Werk der Lebenskunstlehre.
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Da man immer so sehr gegen die Hypothesen redet, so sollte man doch einmahl versuchen, die Geschichte ohne Hypothese anzufangen. Man kann nicht sagen, daß etwas ist, ohne zu sagen, was es ist. Indem man sie denkt, bezieht man Fakta schon auf Begriffe, und es ist doch wohl nicht einerley, auf welche. Weiß man dieß, so bestimmt und wählt man sich selbst unter den möglichen Begriffen die nothwendigen, auf die man Fakta jeder Art beziehen soll. Will man es nicht anerkennen, so bleibt die Wahl dem Instinkt, dem Zufall, oder der Willkühr überlassen, man schmeichelt sich reine solide Empirie ganz a posteriori zu haben, und hat eine höchst einseitige, höchst dogmatizistische und transzendente Ansicht a priori.
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Der Schein der Regellosigkeit in der Geschichte der Menschheit entsteht nur durch die Kollisionsfälle heterogener Sphären der Natur, die hier alle zusammentreffen und in einander greifen. Dann sonst hat die unbedingte Willkühr in diesem Gebiet der freyen Nothwendigkeit und nothwendigen Freyheit, weder konstitutive noch legislative Gewalt, und nur den täuschenden Titel der exekutiven und richterlichen. Der skizzierte Gedanke einer historischen Dynamik macht dem Geiste des Condorcet so viel Ehre, als seinem 62 Herzen der mehr als französische Enthusiasmus für die beynah trivial gewordene Idee der unendlichen Vervollkommnung.
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Die historische Tendenz seiner Handlungen bestimmt die positive Sittlichkeit des Staatsmanns und Weltbürgers.
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Die Araber sind eine höchst polemische Natur, die Annihilanten unter den Nazionen. Ihre Liebhaberey, die Originale zu vertilgen, oder wegzuwerfen, wenn die Uebersetzung fertig war, charakterisirt den Geist ihrer Philosophie. Eben darum waren sie vielleicht unendlich kultivirter, aber bey aller Kultur rein barbarischer als die Europäer des Mittelalters. Barbarisch ist nämlich, was zugleich antiklassisch, und antiprogressiv ist.
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Die Mysterien des Christianismus mußten durch den unaufhörlichen Streit, in den sie Vernunft und Glauben verwickelten, entweder zur skeptischen Resignazion auf alles nicht empirische Wissen, oder auf kritischen Idealismus führen.
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Der Katholizismus ist das naive Christenthum; der Protestantismus ist sentimentaler, und hat außer seinem polemischen revoluzionären Verdienst auch noch das positive, durch die Vergötterung der Schrift die einer universellen und progreßiven Religion auch wesentliche Philologie veranlaßt zu haben. Nur fehlt es 63 dem protestantischen Christenthum vielleicht noch an Urbanität. Einige biblische Historien in ein Homerisches Epos zu travestiren, andre mit der Offenheit des Herodot und der Strenge des Tacitus im Styl der klassischen Historie darzustellen, oder die ganze Bibel als das Werk Eines Autors zu rezensiren; das würde allen paradox, vielen ärgerlich, einigen doch unschicklich und überflüßig scheinen. Aber darf irgend etwas wohl überflüßig scheinen, was die Religion liberaler machen könnte?
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Da alle Sachen die recht Eins sind, zugleich Drey zu seyn pflegen, so läßt sich nicht absehen warum es mit Gott grade anders seyn sollte. Gott ist aber nicht bloß ein Gedanke, sondern zugleich auch eine Sache, wie alle Gedanken, die nicht bloße Einbildungen sind.
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Die Religion ist meistens nur ein Supplement oder gar ein Surrogat der Bildung, und nichts ist religiös in strengem Sinne, was nicht ein Produkt der Freyheit ist. Man kann also sagen: Je freyer, je religiöser; und je mehr Bildung, je weniger Religion.
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Es ist sehr einseitig und anmaßend, daß es grade nur Einen Mittler geben soll. Für den vollkommnen Christen, dem sich in dieser Rücksicht der einzige Spinosa am meisten nähern dürfte, müßte wohl alles Mittler seyn.
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64 Christus ist jetzt verschiedentlich a priori deduziert worden: aber sollte die Madonna nicht eben so viel Anspruch haben, auch ein ursprüngliches, ewiges, nothwendiges Ideal wenn gleich nicht der reinen, doch der weiblichen und männlichen Vernunft zu seyn?
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Es ist ein grobes, doch immer noch gemeines Mißverständniß, daß man glaubt, um ein Ideal darzustellen, müsse ein so zahlreiches Aggregat von Tugenden wie möglich auf einen Namen zusammengepackt, ein ganzes Kompendium der Moral in einem Menschen aufgestellt werden; wodurch nichts erlangt wird als Auslöschung der Individualität und Wahrheit. Das Ideale liegt nicht in der Quantität sondern in der Qualität. Grandison ist ein Exempel, und kein Ideal.
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Humor ist gleichsam der Witz der Empfindung. Er darf sich daher mit Bewußtseyn äußern: aber er ist nicht ächt, sobald man Vorsatz dabey wahrnimmt.
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Es giebt eine Poesie, deren Eins und Alles das Verhältniß des Idealen und des Realen ist, und die also nach der Analogie der philosophischen Kunstsprache Transcendentalpoesie heißen müßte. Sie beginnt als Satire mit der absoluten Verschiedenheit des Idealen und Realen, schwebt als Elegie in der Mitte, und endigt als Idylle mit der absoluten Identität beyder. So wie man aber wenig Werth auf eine Transcendentalphilosophie legen würde, die nicht kritisch wäre, 65 nicht auch das Producirende mit dem Produkt darstellte, und im System der transcendentalen Gedanken zugleich eine Charakteristik des transcendentalen Denkens enthielte: so sollte wohl auch jene Poesie die in modernen Dichtern nicht seltnen transcendentalen Materialien und Vorübungen zu einer poetischen Theorie des Dichtungsvermögens mit der künstlerischen Reflexion und schönen Selbstbespiegelung, die sich im Pindar, den lyrischen Fragmenten der Griechen, und der alten Elegie, unter den Neuern aber in Goethe findet, vereinigen, und in jeder ihrer Darstellungen sich selbst mit darstellen, und überall zugleich Poesie und Poesie der Poesie seyn.
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Bey der Liebe der Alexandrinischen und Römischen Dichter für schwierigen und unpoetischen Stoff liegt doch der große Gedanke zum Grunde: daß alles poetisiert werden soll: keineswegs als Absicht der Künstler, aber als historische Tendenz der Werke. Und bey der Mischung aller Kunstarten der poetischen Eklektiker des spätern Alterthums, die Foderung, daß es nur Eine Poesie geben solle wie Eine Philosophie.
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Im Aristophanes ist die Immoralität gleichsam legal, und in den Tragikern ist die Illegalität moralisch.
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Wie bequem ist es doch daß mythologische Wesen allerley bedeuten, was man sich zueignen möchte! Indem man unaufhörlich von ihnen spricht, glaubt einen der gutmüthige Leser im Besitz der bezeichneten 66 Eigenschaft. Einer oder der andre von unsern Dichtern wäre ein geschlagner Mann, wenn es keine Grazien gäbe.
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Wenn jemand die Alten in Masse charakterisiren will, das findet niemand paradox; und doch, so wenig wissen sie meistens was sie meynen, würde es ihnen auffallen wenn man behauptete: die alte Poesie sey ein Individuum im strengsten und buchstäblichsten Sinne des Worts, markirter von Physiognomie, origineller an Manieren und konsequenter in ihren Maximen als ganze Summen solcher Phänomene, welche wir in rechtlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen für Personen, ja sogar für Individuen gelten lassen müßen und gelten lassen sollen. Kann man etwas andres charakterisiren als Individuen? Ist, was sich auf einem gewissen gegebnen Standpunkte nicht weiter multipliziren läßt, nicht eben so gut eine historische Einheit, als was sich nicht weiter dividiren läßt? Sind nicht alle Systeme Individuen, wie alle Individuen auch wenigstens im Keime und der Tendenz nach Systeme? Ist nicht alle reale Einheit historisch? Giebt es nicht Individuen, die ganze Systeme von Individuen in sich enthalten?
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Das Trugbild einer gewesenen goldnen Zeit ist eins der größten Hindernisse gegen die Annäherung der goldnen Zeit die noch kommen soll. Ist die goldne Zeit gewesen, so war sie nicht recht golden. Gold kann nicht rosten, oder verwittern: es geht aus allen 67 Vermischungen und Zersetzungen unzerstörbar ächt wieder hervor. Will die goldne Zeit nicht ewig fortgehend beharren, so mag sie lieber gar nicht anheben, so taugt sie nur zu Elegien über ihren Verlust.
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Die Komödien des Aristophanes sind Kunstwerke, die sich von allen Seiten sehen lassen. Gozzi’s Dramen haben einen Gesichtspunkt.
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Ein Gedicht oder ein Drama, welches der Menge gefallen soll, muß ein wenig von allem haben, eine Art Mikrokosmus seyn. Ein wenig Unglück und ein wenig Glück, etwas Kunst, und etwas Natur, die gehörige Quantität Tugend und eine gewisse Dosis Laster. Auch Geist muß drin seyn nebst Witz, ja sogar Philosophie, und vorzüglich Moral, auch Politik mitunter. Hilft ein Ingrediens nicht, so kann vielleicht das andre helfen. Und gesetzt auch, das Ganze könnte nicht helfen, so könnte es doch auch, wie manche darum immer zu lobende Medizin, wenigstens nicht schaden.
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Magie, Karikatur, und Materialität sind die Mittel durch welche die moderne Komödie der alten Aristophanischen im Innern, wie durch demagogische Popularität im Äußern, ähnlich werden kann, und im Gozzi bis zur Erinnerung geworden ist. Das Wesen der komischen Kunst aber bleibt immer der enthusiastische Geist und die klassische Form.
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68 Dante’s prophetisches Gedicht ist das einzige System der transzendentalen Poesie, immer noch das höchste seiner Art. Shakspeare’s Universalität ist wie der Mittelpunkt der romantischen Kunst. Goethe’s rein poetische Poesie ist die vollständigste Poesie der Poesie. Das ist der große Dreyklang der modernen Poesie, der innerste und allerheiligste Kreis unter allen engern und weitern Sphären der kritischen Auswahl der Klassiker der neuern Dichtkunst.
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Die einzelnen Großen stehen weniger isolirt unter den Griechen und Römern. Sie hatten weniger Genie’s, aber mehr Genialität. Alles Antike ist genialisch. Das ganze Alterthum ist ein Genius, der einzige den man ohne Übertreibung absolut groß, einzig und unerreichbar nennen darf.
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Der dichtende Philosoph, der philosophirende Dichter ist ein Prophet. Das didaktische Gedicht sollte prophetisch seyn, und hat auch Anlage, es zu werden.
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Wer Fantasie, oder Pathos, oder mimisches Talent hat, müßte die Poesie lernen können, wie jedes andre Mechanische. Fantasie ist zugleich Begeistrung und Einbildung; Pathos ist Seele und Leidenschaft; Mimik ist Blick und Ausdruck.
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Wie viele giebt es nicht jetzt, die zu weich und gutmüthig sind, um Tragödien sehen zu können, und zu edel und würdig, um Komödien hören zu wollen. 69 Ein großer Beweis für die zarte Sittlichkeit unsers Jahrhunderts, welches die Französische Revoluzion nur hat verleumden wollen.
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Eine eigentliche Kunstlehre der Poesie würde mit der absoluten Verschiedenheit der ewig unauflöslichen Trennung der Kunst und der rohen Schönheit anfangen. Sie selbst würde den Kampf beyder darstellen, und mit der vollkommnen Harmonie der Kunstpoesie und Naturpoesie endigen. Diese findet sich nur in den Alten, und sie selbst würde nichts anders seyn, als eine höhere Geschichte vom Geist der klassischen Poesie. Eine Philosophie der Poesie überhaupt aber, würde mit der Selbständigkeit des Schönen beginnen, mit dem Satz, daß es vom Wahren und Sittlichen getrennt sey und getrennt seyn solle, und daß es mit diesem gleiche Rechte habe; welches für den, der es nur überhaupt begreifen kann, schon aus dem Satz folgt, daß Ich = Ich sey. Sie selbst würde zwischen Vereinigung und Trennung der Philosophie und der Poesie, der Praxis und der Poesie, der Poesie überhaupt und der Gattungen und Arten schweben, und mit der völligen Vereinigung enden. Ihr Anfang gäbe die Prinzipien der reinen Poetik, ihre Mitte die Theorie der besondern eigenthümlich modernen Dichtarten, der didaktischen, der musikalischen, der rhetorischen im höhern Sinn u. s. w. Eine Philosophie des Romans, deren erste Grundlinien Platos politische Kunstlehre enthält, wäre der Schlußstein. Flüchtigen Dilettanten ohne Enthusiasmus, und ohne 70 Belesenheit in den besten Dichtern aller Art freylich müßte eine solche Poetik vorkommen, wie einem Kinde, das bildern wollte, ein trigonometrisches Buch. Die Philosophie über einen Gegenstand kann nur der brauchen, der den Gegenstand kennt, oder hat; nur der wird begreifen können, was sie will und meynt. Erfahrungen und Sinne kann die Philosophie nicht inokuliren oder anzaubern. Sie soll es aber auch nicht wollen. Wer es schon gewußt hat, der erfährt freylich nichts neues von ihr; doch wird es ihm erst durch sie ein Wissen und dadurch neu von Gestalt.
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In dem edleren und ursprünglichen Sinne des Worts Korrekt, da es absichtliche Durchbildung und Nebenausbildung des Innersten und Kleinsten im Werke nach dem Geist des Ganzen, praktische Reflexion des Künstlers, bedeutet, ist wohl kein moderner Dichter korrekter als Shakspeare. So ist er auch systematisch wie kein andrer: bald durch jene Antithesen, die Individuen, Massen, ja Welten in mahlerischen Gruppen kontrastiren lassen; bald durch musikalische Symmetrie desselben großen Maßstabes, durch gigantische Wiederholungen und Refrains; oft durch Parodie des Buchstabens und durch Ironie über den Geist des romantischen Drama und immer durch die höchste und vollständigste Individualität und die vielseitigste alle Stufen der Poesie von der sinnlichsten Nachahmung bis zur geistigsten Charakteristik vereinigende Darstellung derselben.
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71 Noch ehe Hermann und Dorothee erschien, verglich man es mit Vossens Luise; die Erscheinung hätte der Vergleichung ein Ende machen sollen; allein sie wird jenem Gedicht immer noch richtig als Empfehlungsschreiben an das Publikum mit auf den Weg gegeben. Bey der Nachwelt wird es Luisen empfehlen können, daß sie Dorotheen zur Taufe gehalten hat.
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Je mehr die Poesie Wissenschaft wird, je mehr wird sie auch Kunst. Soll die Poesie Kunst werden, soll der Künstler von seinen Mitteln und seinen Zwecken, ihren Hindernissen und ihren Gegenständen gründliche Einsicht und Wissenschaft haben, so muß der Dichter über seine Kunst philosophiren. Soll er nicht bloß Erfinder und Arbeyter sondern auch Kenner in seinem Fache seyn, und seine Mitbürger im Reiche der Kunst verstehn können, so muß er auch Philolog werden.
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Der Grundirrthum der sophistischen Ästhetik ist der, die Schönheit bloß für einen gegebnen Gegenstand, für ein psychologisches Phänomen zu halten. Sie ist freylich nicht bloß der leere Gedanke von etwas was hervorgebracht werden soll, sondern zugleich die Sache selbst, eine der ursprünglichen Handlungsweisen des menschlichen Geistes; nicht bloß eine nothwendige Fikzion, sondern auch ein Faktum, nämlich ein ewiges transzendentales.
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Die Gesellschaften der Deutschen sind ernsthaft; ihre Komödien und Satiren sind ernsthaft; ihre Kritik 72 ist ernsthaft; ihre ganze schöne Litteratur ist ernsthaft. Ist das Lustige bey dieser Nazion immer nur unbewußt und unwillkührlich?
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Alle Poesie, die auf einen Effekt geht, und alle Musik, die der ekzentrischen Poesie in ihren komischen oder tragischen Ausschweifungen und Übertreibungen folgen will, um zu wirken und sich zu zeigen, ist rhetorisch.
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A. Fragmente, sagen Sie, wären die eigentliche Form der Universalphilosophie. An der Form liegt nichts. Was können aber solche Fragmente für die größeste und ernsthafteste Angelegenheit der Menschheit, für die Vervollkommnung der Wissenschaft, leisten und seyn? – B. Nichts als ein Lessingsches Salz gegen die geistige Fäulniß, vielleicht eine zynische lanx satura im Styl des alten Lucilius oder Horaz, oder gar fermenta cognitionis zur kritischen Philosophie, Randglossen zu dem Text des Zeitalters.
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Wieland hat gemeynt, seine beynah ein halbes Jahrhundert umfassende Laufbahn habe mit der Morgenröthe unsrer Litteratur angefangen, und endige mit ihrem Untergange. Ein recht offenes Geständniß eines natürlichen optischen Betrugs.
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Wie das Lebensmotto des poetischen Vagabunden in Claudine von Villabella „Toll aber klug“ auch der Charakter manches Werks des Genies ist: so 73 ließe sich der entgegengesetzte Wahlspruch auf die geistlose Regelmäßigkeit anwenden: Vernünftig aber dumm.
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Jeder gute Mensch wird immer mehr und mehr Gott. Gott werden, Mensch seyn, sich bilden, sind Ausdrücke, die einerley bedeuten.
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Echte Mystik ist Moral in der höchsten Dignität.
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Man soll nicht mit allen symphilosophiren wollen, sondern nur mit denen die à la hauteur sind.
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Einige haben Genie zur Wahrheit; viele haben Talent zum Irren. Ein Talent, dem eine ebenso große Industrie zur Seite steht. Wie zu einem Leckerbissen sind oft zu einem einzigen Irrthum die Bestandtheile aus allen Weltgegenden des menschlichen Geistes mit unermüdlicher Kunst zusammengeholt.
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Könnte es nicht noch vor Abfassung der logischen Konstituzion eine provisorische Philosophie geben; und ist nicht alle Philosophie provisorisch, bis die Konstituzion durch die Akzeptazion sankzionirt ist?
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Je mehr man schon weiß, je mehr hat man noch zu lernen. Mit dem Wissen nimmt das Nichtwissen in gleichem Grade zu, oder vielmehr das Wissen des Nichtwissens.
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74 Was man eine glückliche Ehe nennt, verhält sich zur Liebe, wie ein korrektes Gedicht zu improvisirtem Gesang.
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W. sagte von einem jungen Philosophen: Er trage einen Theorien-Eierstock im Gehirne, und lege täglich wie eine Henne seine Theorie; und das sey für ihn der einzig mögliche Ruhepunkt in seinem beständigen Wechsel von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung, welches eine fatigante Manoeuvre seyn möchte.
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Leibniz ließ sich bekanntlich Augengläser von Spinosa machen, und das ist der einzige Verkehr, den er mit ihm oder mit seiner Philosophie gehabt hat. Hätte er sich doch auch Augen von ihm machen lassen um in die ihm unbekannte Weltgegend der Philosophie, wo Spinosa seine Heimath hat, wenigstens aus der Ferne hinüber schauen zu können!
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Vielleicht muß man um einen transcendentalen Gesichtspunkt für das Antike zu haben, erzmodern seyn. Winkelmann hat die Griechen wie ein Grieche gefühlt. Hemsterhuys hingegen wußte modernen Umfang durch antike Einfachheit schön zu beschränken, und warf von der Höhe seiner Bildung, wie von einer freyen Gränze, gleich seelenvolle Blicke in die alte, und in die neue Welt.
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Warum sollte es nicht auch unmoralische Menschen geben dürfen, so gut wie unphilosophische und 75 unpoetische? Nur antipolitische oder unrechtliche Menschen können nicht geduldet werden.
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Mystik ist was allein das Auge des Liebenden an dem Geliebten sieht. Jeder mag seine Mystik für sich haben, nur muß er sie auch für sich behalten. Es giebt wohl viele, die das schöne Alterthum travestiren, gewiß aber auch einige die es mystifiziren, und also für sich behalten müßen. Beydes entfernt von dem Sinn in dem es rein genossen, und von dem Wege worauf es zurückgebracht werden kann.
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Jede Philosophie der Philosophie, nach der Spinosa kein Philosoph ist muß verdächtig scheinen.
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Sie jammern immer, die Deutschen Autoren schrieben nur für einen so kleinen Kreis, ja oft nur für sich selbst untereinander. Das ist recht gut. Dadurch wird die Deutsche Litteratur immer mehr Geist und Charakter bekommen. Und unterdessen kann vielleicht ein Publikum entstehen.
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Leibniz war so sehr Moderantist, daß er auch das Ich, und Nicht-Ich, wie Katholizismus und Protestantismus verschmelzen wollte, und Thun und Leiden nur dem Grade nach verschieden hielt. Das heißt die Harmonie chargiren, und die Billigkeit bis zur Karikatur treiben.
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76 An die Griechen zu glauben, ist eben auch eine Mode des Zeitalters. Sie hören gern genug über die Griechen deklamiren. Kommt aber einer und sagt: Hier sind welche; so ist niemand zu Hause.
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Vieles was Dummheit scheint, ist Narrheit, die gemeiner ist, als man denkt. Narrheit ist absolute Verkehrtheit der Tendenz, gänzlicher Mangel an historischem Geist.
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Leibnizens Methode der Jurisprudenz ist ihrem Zwecke nach eine allgemeine Ausstellung seiner Plane. Er hatte es auf alles angelegt: Praktiker, Kanzellist, Professor, Hofmeister. Das Eigne davon ist bloße Kombinazion des juristischen Stoffs mit der theologischen Form. Die Theodicee ist im Gegentheil eine Advokatenschrift in Sachen Gottes contra Bayle und Konsorten.
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Man hält es für ein Unglück, daß es kein bestimmtes Gefühl der physischen Gesundheit giebt, wohl aber der Krankheit. Wie weise diese Veranstaltung der Natur sey, sieht man aus dem Zustande der Wissenschaften, wo der Fall umgekehrt ist, und wo ein Wassersüchtiger, Hektischer und Gelbsüchtiger, wenn er sich mit einem Gesunden vergleicht, glaubt, es gäbe zwischen ihnen keinen andern Unterschied als den zwischen Fett und Mager oder Brünett und Blondin.
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77 Fichte’s Wissenschaftslehre ist eine Philosophie über die Materie der Kantischen Philosophie. Von der Form redet er nicht viel, weil er Meister derselben ist. Wenn aber das Wesen der kritischen Methode darin besteht, daß Theorie des bestimmenden Vermögens und System der bestimmten Gemüthswirkungen in ihr wie Sache und Gedanken in der praestabilirten Harmonie innigst vereinigt sind: so dürfte er wohl auch in der Form ein Kant in der zweyten Potenz und die Wissenschaftslehre weit kritischer seyn, als sie scheint. Vorzüglich die neue Darstellung der Wissenschaftslehre ist immer zugleich Philosophie und Philosophie der Philosophie. Es mag gültige Bedeutungen des Worts Kritisch geben, in welchen es nicht auf jede Fichtische Schrift paßt. Aber bey Fichte muß man, wie er selbst, ohne alle Nebenrücksicht nur auf das Ganze sehen und auf das Eine, worauf es eigentlich ankommt; nur so kann man die Identität seiner Philosophie mit der Kantischen sehen und begreifen. Auch ist Kritisch wohl etwas, was man nie genug seyn kann.
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Wenn der Mensch nicht weiter kommen kann, so hilft er sich mit einem Machtspruche, oder einer Machthandlung, einem raschen Entschluß.
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Wer sucht wird zweifeln. Das Genie sagt aber so dreist und sicher, was es in sich vorgehn sieht, weil es nicht in seiner Darstellung und also auch die Darstellung nicht in ihm befangen ist, sondern seine Betrachtung und das Betrachtete frey zusammen zu 78 stimmen, zu einem Werke frey sich zu vereinigen scheinen. Wenn wir von der Außenwelt sprechen, wenn wir wirkliche Gegenstände schildern, so verfahren wir wie das Genie. Ohne Genialität existirten wir alle überhaupt nicht. Genie ist zu allem nöthig. Was man aber gewöhnlich Genie nennt, ist Genie des Genie’s.
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Der Geist führt einen ewigen Selbstbeweis.
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Der transcendentale Gesichtspunkt für dieses Leben erwartet uns. Dort wird es uns erst recht bedeutend werden.
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Das Leben eines wahrhaft kanonischen Menschen muß durchgehends symbolisch seyn. Wäre unter dieser Voraussetzung nicht jeder Tod ein Versöhnungstod? Mehr oder weniger versteht sich; und ließen sich nicht mehre höchst merkwürdige Folgerungen daraus ziehen?
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Nur dann zeige ich, daß ich einen Schriftsteller verstanden habe, wenn ich in seinem Geiste handeln kann; wenn ich ihn, ohne seine Individualität zu schmälern, übersetzen und mannichfach verändern kann.
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Wir sind dem Aufwachen nah, wenn wir träumen daß wir träumen.
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Ächt geselliger Witz ist ohne Knall. Es giebt eine Art desselben, die nur magisches Farbenspiel in höhern Sphären ist.
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79 Geistvoll ist das, worin sich der Geist unaufhörlich offenbart, wenigstens oft von neuem in veränderter Gestalt wiedererscheint; nicht bloß etwa nur einmal, so zu Anfang, wie bey vielen philosophischen Systemen.
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Deutsche giebt es überall. Germanität ist so wenig, wie Romanität, Gräzität oder Brittannität auf einen besondern Staat eingeschränkt; es sind allgemeine Menschenkaraktere die nur hie und da vorzüglich allgemein geworden sind. Deutschheit ist ächte Popularität, und darum ein Ideal.
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Der Tod ist eine Selbstbesiegung, die wie alle Selbstüberwindung, eine neue leichtere Existenz verschafft.
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Brauchen wir zum Gewöhnlichen und Gemeinen vielleicht deswegen so viel Kraft und Anstrengung, weil für den eigentlichen Menschen nichts ungewöhnlicher nichts ungemeiner ist als armselige Gewöhnlichkeit?
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Genialischer Scharfsinn ist scharfsinniger Gebrauch des Scharfsinns.
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Auf die berühmte Preisfrage der Berliner Akademie der Wissenschaften über die Fortschritte der Metaphysik sind Antworten jeder Art erschienen: eine feindliche, eine günstige, eine überflüßige, noch eine, 80 auch eine dramatische, und sogar eine Sokratische von Hülsen. Ein wenig Enthusiasmus, wenn er auch roh seyn sollte, ein gewisser Schein von Universalität verfehlen ihre Wirkung nicht leicht, und verschaffen auch wohl dem Paradoxen ein Publikum. Aber der Sinn für reine Genialität ist selbst unter gebildeten Menschen eine Seltenheit. Kein Wunder also, wenn es nur wenige wissen, daß Hülsens Werk eines von denen ist, wie sie in der Philosophie immer sehr selten waren und es auch jetzt noch sind: ein Werk im strengsten Sinne des Worts, ein Kunstwerk, das Ganze aus Einem Stück, an dialektischer Virtuosität das nächste nach Fichte, und das eine erste Schrift, die der Veranlassung nach eine Gelegenheitsschrift seyn sollte. Hülsen ist seines Gedankens und seines Ausdrucks völlig Meister, er geht sicher und leise; und diese ruhige hohe Besonnenheit bey dem weltumfassenden Blick und der reinen Humanität, ist es eben was ein historischer Philosoph in seinem antiquarischen und aus der Mode gekommenen Dialekt das Sokratische nennen würde; eine Terminiologie die sich jedoch ein Künstler, der so viel philologischen Geist hat, gefallen lassen muß.
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Ungeachtet er so eine idyllische Natur ist, hat Fontenelle doch eine starke Antipathie gegen den Instinkt, und vergleicht das reine Talent, welches er für unmöglich hält, mit dem ganz absichtslosen Kunstfleiße der Biber. Wie schwer ist es, sich selbst nicht zu übersehn! Denn wenn Fontenelle sagt: La gêne fait 81 l’essence et le merite brillant de la Poesie: so scheints kaum möglich, die französische Poesie mit wenigen Worten besser zu karakterisiren. Aber ein Biber, der Academicien wäre, könnte wohl nicht mit vollkommnerem Unbewußtseyn das Rechte treffen.
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Gebildet ist ein Werk, wenn es überall scharf begränzt, innerhalb der Gränzen aber gränzenlos und unerschöpflich ist, wenn es sich selbst ganz treu, überall gleich, und doch über sich selbst erhaben ist. Das Höchste und Letzte ist, wie bey der Erziehung eines jungen Engländers, le grand tour. Es muß durch alle drey oder vier Welttheile der Menschheit gewandert seyn, nicht um die Ecken seiner Individualität abzuschleifen, sondern um seinen Blick zu erweitern und seinem Geist mehr Freyheit und innre Vielseitigkeit und dadurch mehr Selbständigkeit und Selbstgenugsamkeit zu geben.
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Die Orthodoxen unter den Kantianern suchen das Prinzip ihrer Philosophie vergeblich im Kant. Es steht in Bürgers Gedichten und lautet: „Ein Kaiserwort soll man nicht drehn noch deuteln.“
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An genialischem Unbewußtseyn können die Philosophen, dünkt mich, den Dichtern den Rang recht wohl streitig machen.
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Wenn Verstand und Unverstand sich berühren, so giebt es einen elektrischen Schlag. Das nennt man Polemik.
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82 Noch bewundern die Philosophen im Spinosa nur die Konsequenz, wie die Engländer am Shakspeare bloß die Wahrheit preisen.
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Vermischte Gedanken sollten die Kartons der Philosophie seyn. Man weiß, was diese den Kennern der Mahlerey gelten. Wer nicht philosophische Welten mit dem Crayon skizziren, jeden Gedanken, der Physiognomie hat mit ein paar Federstrichen karakterisiren kann, für den wird die Philosophie nie Kunst, und also auch nie Wissenschaft werden. Denn in der Philosophie geht der Weg zur Wissenschaft nur durch die Kunst, wie der Dichter im Gegentheil erst durch Wissenschaft ein Künstler wird.
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Immer tiefer zu dringen, immer höher zu steigen, ist die Lieblingsneigung der Philosophen. Auch gelingt es, wenn man ihnen aufs Wort glaubt, mit bewundrungswürdiger Schnelligkeit. Mit dem Weiterkommen geht es dagegen langsam genug. Besonders in Rücksicht der Höhe überbieten sie sich ordentlich, wie wenn zwey zugleich auf einer Aukzion unbedingte Commission haben. Vielleicht ist aber alle Philosophie, die philosophisch ist, unendlich hoch und unendlich tief. Oder steht Plato niedriger als die jetzigen Philosophen?
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Auch die Philosophie ist das Resultat zwey streitender Kräfte, der Poesie und Praxis. Wo diese sich ganz durchdringen und in Eins schmelzen, da entsteht 83 Philosophie; wenn sie sich wieder zersetzt, wird sie Mythologie, oder wirft sich ins Leben zurück. Aus Dichtung und Gesetzgebung bildete sich die Griechische Weisheit. Die höchste Philosophie, vermuthen einige, dürfte wieder Poesie werden; und es ist sogar eine bekannte Erfahrung, daß gemeine Naturen erst nach ihrer Art zu philosophiren anfangen, wenn sie zu leben aufhören. – Diesen chemischen Prozeß des Philosophirens besser darzustellen, wo möglich die dynamischen Gesetze desselben ganz ins Reine zu bringen, und die Philosophie, welche sich immer von neuem organisiren und desorganisiren muß, in ihre lebendigen Grundkräfte zu scheiden, und zu ihrem Ursprung zurückzuführen, das halte ich für Schellings eigentliche Bestimmung. Dagegen scheint mir seine Polemik, besonders aber seine litterarische Kritik der Philosophie eine falsche Tendenz zu seyn; und seine Anlage zur Universalität ist wohl noch nicht gebildet genug, um in der Philosophie der Physik das finden zu können, was sie da sucht.
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Absicht bis zur Ironie, und mit willkührlichem Schein von Selbstvernichtung ist eben sowohl naiv, als Instinkt bis zur Ironie. Wie das Naive mit den Widersprüchen der Theorie und der Praxis, so spielt das Groteske mit wunderlichen Versetzungen von Form und Materie, liebt den Schein des Zufälligen und Seltsamen, und kokettirt gleichsam mit unbedingter Willkühr. Humor hat es mit Seyn und Nichtseyn zu tun, und sein eigentliches Wesen ist Reflexion. Da84her seine Verwandtschaft mit der Elegie und allem, was transcendental ist; daher aber auch sein Hochmuth und sein Hang zur Mystik des Witzes. Wie Genialität dem Naiven, so ist ernste reine Schönheit dem Humor nothwendig. Er schwebt am liebsten über leicht und klar strömenden Rhapsodien der Philosophie oder der Poesie und flieht schwerfällige Massen, und abgerißne Bruchstücke.
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Die Geschichte von den Gergesener Säuen ist wohl eine sinnbildliche Prophezeyung von der Periode der Kraftgenie’s, die sich nun glücklich in das Meer der Vergessenheit gestürzt haben.
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Wenn ich meine Antipathie gegen das Katzengeschlecht erkläre, so nehme ich Peter Leberechts gestiefelten Kater aus. Krallen hat er, und wer davon geritzt worden ist, schreyt, wie billig, über ihn; Andre aber kann es belustigen, wie er gleichsam auf dem Dache der dramatischen Kunst herumspaziert.
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Der Denker braucht grade ein solches Licht wie der Mahler: hell, ohne unmittelbaren Sonnenschein oder blendende Reflexe, und, wo möglich, von oben herab.
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Welche Vorstellungen müssen die Theoristen gehabt haben, die das Porträt vom Gebiet der eigentlich schönen, freyen und schaffenden Kunst ausschließen. Es ist grade, als wollte man es nicht für Poe85sie gelten lassen, wenn ein Dichter seine wirkliche Geliebte besingt. Das Porträt ist die Grundlage und der Prüfstein des historischen Gemähldes.
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Neuerdings ist die unerwartete Entdeckung gemacht worden, in der Gruppe des Laokoon sey der Held sterbend vorgestellt, und zwar an einem Schlagflusse. Weiter läßt sich nun die Kennerschaft in dieser Richtung nicht treiben, es müßte uns denn jemand belehren, Laokoon sey wirklich schon todt, welches auch in Rücksicht auf den Kenner seine vollkommene Richtigkeit haben würde. Bey Gelegenheit werden Lessing und Winkelmann zurechtgewiesen: nicht Schönheit, wie jener behauptet, (eigentlich beyde und mit ihnen Mengs) noch stille Größe und edle Einfalt, wie dieser, sey das Grundgesetz der Griechischen Kunst gewesen, sondern Wahrheit der Karakteristik. Karakterisiren will wohl alle menschliche Bildnerey bis auf die hölzernen Götzen der Kamtschadalen hinunter. Wenn man aber den Geist einer Sache in Einem Zuge fassen will, so nennt man nicht das, was sich von selbst versteht, und was sie mit andern gemein hat, sondern was wesentlich ihre Eigenthümlichkeit bezeichnet. Karakterlose Schönheit läßt sich nicht denken: sie wird, wenn auch keinen ethischen, doch allezeit einen physischen Karakter haben, d. h. die Schönheit eines gewissen Alters und Geschlechts seyn, oder bestimmte körperliche Gewöhnungen verrathen, wie die Körper der Ringer. Die alte Kunst hat nicht nur ihre unter Anleitung der Mythologie erschaffnen 86 Bildungen in dem höchsten und würdigsten Sinne gedacht, sondern mit jedem Karakter der Formen und des Ausdrucks den Grad von Schönheit vereinbart, der dabey Statt finden konnte, ohne jenen zu zerstören. Daß sie dies auch da möglich zu machen gewußt, wo ein barbarischer Geschmack nicht einmal des Gedankens fähig gewesen wäre, läßt sich, z. B. an antiken Medusenköpfen, beynah mit Händen greifen. Wenn komische oder tragische Darstellungen ein Einwurf gegen dies allgemeine, durchgängige Streben nach Schönheit wären, so läge er zu nahe, als daß er Kennern des Alterthums wie Mengs und Winkelmann hätte entgehen können. Man vergleiche die gröbste Ausgelassenheit antiker Satyren und Bakchantinnen mit ähnlichen Vorstellungen aus der Flamändischen Schule, und man müßte selbst ganz unhellenisch seyn, wenn man nicht dort noch das Hellenische fühlte. Es ist ganz etwas anders, im Schmutze gemeiner Sinnlichkeit einheimisch seyn, oder sich, wie eine Gottheit in eine Thiergestalt, aus muthwilliger Lust dazu herablassen. Auch bey der Wahl schrecklicher Gegenstände kommt ja noch alles auf die Behandlung an, welche den mildernden Hauch der Schönheit darüber verbreiten kann, und in der Griechischen Kunst und Poesie wirklich verbreitet hat. Grade in streitenden Elementen, in dem unauflöslich scheinenden Widerspruche zwischen der Natur des Dargestellten und dem Gesetze der Darstellung, erscheint die innre Harmonie des Geistes am göttlichsten. Oder wird man in den Tragödien des Sophokles, deswe87gen weil sie höchst tragisch sind, die stille Größe und edle Einfalt wegläugnen? Daß im Körper des Laokoon der gewaltsamste Zustand des Leidens und der Anstrengung ausgedrückt sey, hat Winkelmann sehr bestimmt anerkannt; nur im Gesichte, behauptet er, erscheine die nicht erliegende Heldenseele. Jetzt erfahren wir, daß Laokoon nicht schreyt, weil er nicht mehr schreyen kann. Nämlich von wegen des Schlagflusses. Freylich kann er nicht schreyen, sonst würde er gegen eine so entstellende Beschreibung und Verkennung seiner heroischen Größe die Stimme erheben.
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Wenn der Geschmack der Engländer in der Mahlerey, wie die mechanische Zierlichkeit ihrer Kupferstiche befürchten läßt, sich auf dem festen Lande noch weiter verbreiten sollte, so möchte man darauf antragen, den ohne dieß unschicklichen Namen, historisches Gemählde, abzuschaffen und dafür theatralisches Gemählde einzuführen.
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Gegen den Vorwurf, daß die eroberten italiänischen Gemählde in Paris übel behandelt würden, hat sich der Säuberer derselben erboten, ein Bild von Carracci halb gereinigt und halb in seinem ursprünglichen Zustand aufzustellen. Ein artiger Einfall! So sieht man bey plötzlichem Lärm auf der Gasse manchmal ein halb rasirtes Gesicht zum Fenster herausgucken; und mit Französischer Lebhaftigkeit und Ungeduld betrieben, mag das Säuberungsgeschäft überhaupt viel von der Barbierkunst an sich haben.
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88 Die zarte Weiblichkeit in Gedanken und Dichtungen, die auf den Bildern der Angelika Kaufmann anzieht, hat sich bey den Figuren mitunter auf eine unerlaubte Art eingeschlichen: ihren Jünglingen sieht es aus den Augen, daß sie gar zu gern einen Mädchenbusen hätten, und wo möglich auch solche Hüften. Vielleicht waren sich die griechischen Mahlerinnen dieser Gränze oder Klippe ihres Talentes bewußt. Unter den wenigen, die Plinius nennt, führt er von der Timarete, Irene und Lala nur weibliche Figuren an.
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Da man jetzt überall moralische Nutzanwendungen verlangt, so wird man auch die Nützlichkeit der Porträtmahlerey durch eine Beziehung auf häusliches Glück darthun müssen. Mancher, der sich an seiner Frau ein wenig müde gesehen, findet seine ersten Regungen vor den reineren Zügen ihres Bildnisses wieder.
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Der Ursprung der Griechischen Elegie, sagt man, liege in der lydischen Doppelflöte. Sollte er nicht nächstdem auch in der menschlichen Natur zu suchen seyn?
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Für Empiriker, die sich auch bis zum Streben nach Gründlichkeit und bis zum Glauben an einen großen Mann erheben können, wird die Fichtische Wissenschaftslehre doch nie mehr seyn als das dritte Heft von dem philosophischen Journal, die Konstituzion.
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89 Wenn Nichts zuviel so viel bedeutet als Alles ein wenig: so ist Garve der größte deutsche Philosoph.
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Heraklit sagte, man lerne die Vernunft nicht durch Vielwisserey. Jetzt scheint es nöthiger zu erinnern, daß man durch reine Vernunft allein noch nicht gelehrt werde.
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Um einseitig seyn zu können, muß man wenigstens eine Seite haben. Dieß ist gar nicht der Fall der Menschen, die (gleich ächten Rhapsoden nach Platos Karakteristik dieser Gattung) nur für Eins Sinn haben, nicht weil es ihr Alles, sondern weil es ihr Einziges ist, und immer dasselbe absingen. Ihr Geist ist nicht so wohl in enge Gränzen eingeschlossen; er hört vielmehr gleich auf, und wo er aufhört, geht unmittelbar der leere Raum an. Ihr ganzes Wesen ist wie ein Punkt, der aber doch die Aehnlichkeit mit dem Golde hat, daß er sich zu einem unglaublich dünnen Plättchen sehr weit auseinanderschlagen läßt.
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Warum fehlt in den modigen Verzeichnissen aller möglichen Grundsätze der Moral immer das Ridicüle? Etwa weil dieses Prinzip nur in der Praxis allgemein gilt?
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Über das geringste Handwerk der Alten wird keiner zu urtheilen wagen, der es nicht versteht. Über die Poesie und Philosophie der Alten glaubt jeder 90 mitsprechen zu dürfen, der eine Konjektur oder einen Kommentar machen kann, oder etwa in Italien gewesen ist. Hier glauben sie einmal dem Instinkt zu viel: denn übrigens mag es wohl eine Foderung der Vernunft seyn, daß jeder Mensch ein Poet und ein Philosoph seyn solle, und die Foderungen der Vernunft, sagt man, ziehen den Glauben nach sich. Man könnte diese Gattung des Naiven das philologische Naive nennen.
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Das beständige Wiederhohlen des Themas in der Philosophie entspringt aus zwey verschiedenen Ursachen. Entweder der Autor hat etwas entdeckt, er weiß aber selbst noch nicht recht was; und in diesem Sinne sind Kants Schriften musikalisch genug. Oder er hat etwas Neues gehört, ohne es gehörig zu vernehmen, und in diesem Sinne sind die Kantianer die größten Tonkünstler der Litteratur.
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Daß ein Prophet nicht in seinem Vaterlande gilt ist wohl der Grund, warum kluge Schriftsteller es so häufig vermeiden, ein Vaterland im Gebiete der Künste und Wissenschaften zu haben. Sie legen sich lieber aufs Reisen, Reisebeschreibungen, oder aufs Lesen und Übersetzen von Reisebeschreibungen, und erhalten das Lob der Universalität.
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Alle Gattungen sind gut, sagt Voltaire, ausgenommen die langweilige Gattung. Aber welches ist denn nun die langweilige Gattung? Sie mag größer 91 seyn als alle andern und viele Wege mögen dahin führen. Der kürzeste ist wohl, wenn ein Werk nicht weiß, zu welcher Gattung es gehören will oder soll. Sollte Voltaire diesen Weg nie gegangen seyn?
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Wie Simonides die Poesie eine redende Mahlerey und die Mahlerey eine stumme Poesie nannte, so könnte man sagen, die Geschichte sey eine werdende Philosophie, und die Philosophie eine vollendete Geschichte. Aber Apoll, der nicht verschweigt und nicht sagt, sondern andeutet, wird nicht mehr verehrt und wo sich eine Muse sehen läßt, wollen sie sie gleich zu Protokoll vernehmen. Wie übel verfährt selbst Lessing mit jenem schönen Wort des geistvollen Griechen, der vielleicht keine Gelegenheit hatte, an descriptive poetry zu denken, und dem es sehr überflüssig scheinen mußte, daran zu erinnern, daß die Poesie auch eine geistige Musik sey, da er keine Vorstellung davon hatte, daß beyde Künste getrennt seyn könnten.
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Wenn gemeine Menschen, ohne Sinn für die Zukunft, einmahl von der Wuth des Fortschreitens ergriffen werden, treiben sie’s auch recht buchstäblich. Den Kopf voran und die Augen zu schreiten sie in alle Welt, als ob der Geist Arme und Beyne hätte. Wenn sie nicht etwa den Hals brechen, so erfolgt gewöhnlich eins von beyden: entweder sie werden stätisch oder sie machen linksum. Mit den letzten muß mans machen wie Caesar, der die Gewohnheit hatte, im 92 Gedränge der Schlacht flüchtig gewordene Krieger bey der Kehle zu packen, und mit dem Gesicht gegen die Feinde zu kehren.
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Virtuosen in verwandten Gattungen verstehn sich oft am wenigstens, und auch die geistige Nachbarschaft pflegt Feindseligkeiten zu veranlassen. So findet man nicht selten, daß edle und gebildete Menschen, die alle göttlich dichten, denken oder leben, deren jeder aber sich der Gottheit auf einem andern Wege nähert, einander die Religion absprechen, gar nicht um der Parthey oder des Systems willen, sondern aus Mangel an Sinn für religiöse Individualität. Die Religion ist schlechthin groß wie die Natur, der vortrefflichste Priester hat doch nur ein klein Stück davon. Es giebt unendlich viel Arten derselben, die sich jedoch von selbst unter einige Hauptrubriken zu ordnen scheinen. Einige haben am meisten Talent für die Anbetung des Mittlers, für Wunder und Gesichte. Das sind die, welche der gemeine Mann, wie es kommt, Schwärmer oder Poeten nennt. Ein andrer weiß vielleicht mehr von Gott dem Vater, und versteht sich auf Geheimnisse und Weissagungen. Dieser ist ein Philosoph, und wird wie der Gesunde von der Gesundheit, nicht viel von der Religion reden, am wenigsten von seiner eignen. Andre glauben an den heiligen Geist, und was dem anhängt, Offenbarungen, Eingebungen u. s. w.; an sonst aber niemand. Das sind künstlerische Naturen. Es ist ein sehr natürlicher ja fast unvermeidlicher Wunsch, alle Gattungen der Religion 93 in sich vereinigen zu wollen. In der Ausführung ists damit aber ungefähr, wie mit der Vermischung der Dichtarten. Wer aus wahrem Instinkt zugleich an den Mittler und an den heiligen Geist glaubt, pflegt schon die Religion als isolirte Kunst zu treiben; welches eine der mißlichsten Professionen ist, die ein ehrlicher Mann treiben kann. Wie müßte es erst einem ergehn, der an alle drey glaubt!
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Nur der, welcher sich selbst setzt, kann andre setzen. Ebenso hat nur der, welcher sich selbst annihilirt, ein Recht jeden andern zu annihiliren.
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Es ist kindisch, den Leuten das einreden zu wollen, wofür sie keinen Sinn haben. Thut als ob sie nicht da wären, und macht ihnen vor, was sie sehen lernen sollen. Dieß ist zugleich höchst weltbürgerlich und höchst sittlich; sehr höflich und sehr cynisch.
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Viele haben Geist oder Gemüth oder Fantasie. Aber weil es für sich selbst nur in flüchtiger dunstförmiger Gestalt erscheinen könnte, hat die Natur Sorge getragen, es durch irgend einen gemeinen erdigen Stoff chemisch zu binden. Dieses Gebundne zu entdecken ist die beständige Aufgabe des höchsten Wohlwollens, aber es erfodert viel Übung in der intellektuellen Chemie. Wer für jedes, was in der menschlichen Natur schön ist, ein untrügliches Reagens zu entdecken wüßte, würde uns eine neue Welt zeigen. 94 Wie in der Vision des Propheten würde auf einmal das unendliche Feld zerstückter Menschenglieder lebendig werden.
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Es giebt Menschen, die kein Interesse an sich selbst nehmen. Einige, weil sie überhaupt keines, auch nicht an andern, fähig sind. Andere, weil sie ihres gleichmäßigen Fortschreitens sicher sind, und weil ihre selbstbildende Kraft keiner reflektirenden Theilnahme mehr bedarf, weil hier Freyheit in allen ihren höchsten und schönsten Aeußerungen gleichsam Natur geworden ist. So berührt sich auch hier in der Erscheinung das Niedrigste und das Erhabenste.
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Unter den Menschen, die mit der Zeit fortgehn, giebt es manche, welche, wie die fortlaufenden Kommentare, bey den schwierigen Stellen nicht still stehn wollen.
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Gott ist nach Leibnitz wirklich, weil nichts seine Möglichkeit verhindert. In dieser Rücksicht ist Leibnitzens Philosophie recht gottähnlich.
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Dafür ist das Zeitalter noch nicht reif, sagen sie immer. Soll es deswegen unterbleiben? – Was noch nicht seyn kann, muß wenigstens immer im Werden bleiben.
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Wenn Welt der Inbegriff desjenigen ist, was sich dynamisch afficirt, so wird es der gebildete 95 Mensch wohl nie dahin bringen, nur in einer Welt zu leben. Die eine müßte die beste seyn, die man nur suchen soll, nicht finden kann. Aber der Glaube an sie ist etwas so Heiliges, wie der Glaube an die Einzigkeit in der Freundschaft und Liebe.
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Wer mit seiner Manier, kleine Silhouetten von sich selbst in verschiednen Stellungen aus freyer Hand auszuschneiden und umherzubieten, eine Gesellschaft unterhalten kann, oder auf den ersten Wink fertig ist, den Kastellan von sich selbst zu machen, und was in ihm ist jedem, der an seiner Thüre stehn bleibt, zu zeigen wie ein Landedelmann die verschrobenen Anlagen seines englischen Gartens, der heißt ein offner Mensch. Für die, welche auch in die Gesellschaft ihre Trägheit mitbringen und beyläufig gern was sie um sich sehn mustern und klassifiziren möchten, ist dies freylich eine bequeme Eigenschaft. Auch giebt es Menschen genug, die dieser Foderung entsprechen, und durchaus in dem Styl eines Gartenhauses gebaut sind, wo jedes Fenster eine Thür ist, und jedermann Platz zu nehmen genöthigt wird, in der Voraussetzung, daß er nicht mehr zu finden erwarte, als was ein Dieb in einer Nacht ausräumen könnte, ohne sich sonderlich zu bereichern. Ein eigentlicher Mensch, der etwas mehr in sich hat, als diesen ärmlichen Hausbedarf, wird sich freylich nicht so preis geben, da es ohnedieß vergeblich wäre, ihn aus Selbstbeschreibungen, auch aus den besten und geistvollsten, kennen lernen zu wollen. Von einem Karakter giebt es keine an96dre Erkenntniß als Anschauung. Ihr müßt selbst den Standpunkt finden, aus dem grade ihr das Ganze übersehn könnt, und müßt verstehn aus den Erscheinungen das Innere nach festen Gesetzen und sichern Ahndungen zu konstruiren. Für einen reellen Zweck ist also jenes Selbsterklären überflüßig. Und Offenheit in diesem Sinne zu fodern, ist ebenso anmaßend als unverständig. Wer dürfte sich selbst zerlegen, wie das Objekt einer anatomischen Vorlesung, das einzelne aus der Verbindung, in der es allein schön und verständlich ist, herausreißen, und auch das Feinste und Zarteste mit Worten gleichsam aussprützen, daß es zur Ungestaltheit ausgedehnt wird? Das innere Leben verschwindet unter dieser Behandlung; sie ist der jämmerlichste Selbstmord. Der Mensch gebe sich selbst, wie ein Kunstwerk, welches im Freyen ausgestellt jedem den Zutritt verstattet, und doch nur von denen genossen und verstanden wird, die Sinn und Studium mitbringen. Er stehe frey und bewege sich seiner Natur gemäß, ohne zu fragen, wer ihn ansieht und wie. Diese ruhige Unbefangenheit verdient eigentlich den Namen der Offenheit allein: denn offen ist, wo hinein jeder gehn kann, ohne daß etwas gewaltthätiges nöthig wäre; versteht sich, daß er auch das, was nicht Niet- und Nagelfest ist, mit Achtung behandle. Mehr gehört nicht zu der Gastfreyheit die der Mensch innerhalb seines Gemüths beweisen muß: alles übrige ist nur in den Ergießungen und den Genüssen einer vertrauten Freundschaft nicht an der unrechten Stelle. Um diesen engeren Kreis erst zu finden, be97darf es freylich einer etwas zuvorkommendern Mittheilung, einer schamhaften, schüchtern versuchenden Offenheit, die hie und da durch einen kleinen Druck ihr innerstes Daseyn mit seinen Springfedern errathen läßt, und ihre Tendenz zu Liebe und Freundschaft offenbart. Sie ist aber kein permanenter Zustand, sondern wie eine Wünschelruthe schlägt sie nur da an, wo der Instinkt der Freundschaft seinen Schatz zu heben hoft. Über diese schmale Linie des sittlich Schönen werden liebenswürdige Seelen nur durch Mißverstand zu beyden Seiten etwas hinausgeführt. Durch mißlungene Versuche dieses schönen Instinkts zu jener interessanten Verschlossenheit, die sich nicht verstellen, sondern nur verbergen will, und die jeden, der das Vortreffliche zu ahnden weiß, so zauberisch intriguiert; durch sanguinische Hoffnungen und durch eine Reizbarkeit, welche auch von der geringsten Affinität in Bewegung gesetzt wird, zu jener naiven Herzlichkeit, welche, wie die Freymaurer, meynt, daß wenigstens der erste Grad niemals zu Vielen gegeben werden kann. Diese Erscheinungen sind erfreulich und interessant, weil sie noch an der Gränze des Besten liegen, und nur der Uneingeweihte wird sie mit Manieren verwechseln, die aus reiner Unfähigkeit hervorgehn. So wie man ein nicht verstandnes Buch lieber verläugnet, so sind viele nur deswegen verschlossen, weil sie den Fragen über sich selbst ausweichen wollen; und wie Manche nicht für sich lesen können, ohne zugleich die Worte hören zu lassen, so können manche sich nicht anschaun, ohne immer zu sagen, was sie sehn. Diese Verschlossenheit 98 aber ist ängstlich und kindisch verlegen, und diese nur scheinbare Offenheit kümmert sich nicht, ob jemand da ist und wer, sondern strömt ihren Stoff aus ins Weite und nach allen Richtungen wie eine elektrische Spitze. Eine andre langweilige Offenheit, der mehr mit Hörern gedient ist, ist die der Enthusiasten die aus reinem Eifer für das Reich Gottes sich selbst vortragen, erläutern und übersetzen, weil sie glauben Normal-Seelen zu seyn, an denen alles lehrreich und erbaulich ist. Heinrich Stilling mag leicht der vollkommenste unter diesen seyn; und wie ist er nun ganz herunter? Mit dem was wir nur haben, können wir uns ohne so große Gefahr viel freygebiger zeigen. Erfahrungen und Erkenntnisse deren Erwerbung von lokalen und temporellen Verhältnissen abhängt, darf keiner nur für sich haben wollen; sie müßen für jeden rechtlichen Mann immer bereit liegen. Es giebt freylich eine nicht eben beneidenswerthe Art, auch Meinungen, Gefühle und Grundsätze nur so zu haben, und mit wem es so steht, der hat natürlich für seine unbedeutende Offenheit einen weit größern Spielraum. Dagegen sind diejenigen sehr übel daran, bey denen Eigenthümlichkeit des Sinnes und Karakters überall ins Spiel kommt. Ihnen muß man erlauben, auch mit dem was andren nur lose anzuhängen pflegt zurückhaltender zu seyn, bis vollendete Kenntniß ihrer selbst und der andern ihnen den sichern Takt giebt, die Sache, worauf es den Leuten allein ankommt von ihrer individuellen Ansicht durchaus zu trennen und zu jedem Stoff, die ihnen fremde, Jenen aber so erwünschte 99 gemeine Form zu finden. So können Notizen und Urtheile mitgetheilt werden, ohne auf Ideen hinzudeuten und Empfindungen zu profaniren; und die Heiligkeit des Gemüths kann bewahrt werden, ohne irgend einem zu versagen, was ihm auch nur entfernt gebührt. Wer es dahin gebracht hätte, könnte für jeden offen seyn, nach dem Maß, welches ihm zukommt. Jeder würde glauben, ihn zu haben und zu kennen, und nur der, der ihm gleich wäre, oder dem er es gäbe, würde ihn wirklich besitzen.
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Arrogant ist, wer Sinn und Karakter zugleich hat, und sich dann und wann merken läßt, daß diese Verbindung gut und nützlich sey. Wer beydes auch von den Weibern fodert, ist ein Weiberfeind.
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Nur die äußerlich bildende und schaffende Kraft des Menschen ist veränderlich und hat ihre Jahreszeiten. Verändrung ist nur ein Wort für die physische Welt. Das Ich verliert nichts, und in ihm geht nichts unter; es wohnt mit allem, was ihm angehört, seinen Gedanken und Gefühlen, in der Burgfreyheit der Unvergänglichkeit. Verloren gehn kann nur das, was bald hierhin bald dorthin gelegt wird. Im Ich bildet sich alles organisch, und alles hat seine Stelle. Was du verliren kannst, hat dir noch nie angehört. Das gilt bis auf einzelne Gedanken.
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Sinn der sich selbst sieht, wird Geist; Geist ist innre Geselligkeit, Seele ist verborgene Liebenswürdig100keit. Aber die eigentliche Lebenskraft der innern Schönheit und Vollendung ist das Gemüth. Man kann etwas Geist haben ohne Seele, und viel Seele bey weniger Gemüth. Der Instinkt der sittlichen Größe aber, den wir Gemüth nennen, darf nur sprechen lernen, so hat er Geist. Er darf sich nur regen und lieben, so ist er ganz Seele; und wann er reif ist, hat er Sinn für alles. Geist ist wie eine Musik von Gedanken; wo Seele ist, da haben auch die Gefühle Umriß und Gestalt, edles Verhältniß und reizendes Kolorit. Gemüth ist die Poesie der erhabenen Vernunft, und durch Vereinigung mit Philosophie und sittlicher Erfahrung entspringt aus ihm die namenlose Kunst, welche das verworrne flüchtige Leben ergreift und zur ewigen Einheit bildet.
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Was oft Liebe genannt wird, ist nur eine eigne Art von Magnetismus. Es fängt an mit einem beschwerlich kitzelnden en rapport Setzen, besteht in einer Desorganisazion und endigt mit einem ekelhaften Hellsehen und viel Ermattung. Gewöhnlich ist auch einer dabey nüchtern.
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Wer einen höheren Gesichtspunkt für sich selbst gefunden hat, als sein äußeres Daseyn, kann auf einzelne Momente die Welt aus sich entfernen. So werden diejenigen, die sich selbst noch nicht gefunden haben, nur auf einzelne Momente wie durch einen Zauber in die Welt hineingerückt, ob sie sich etwa finden möchten.
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101 Es ist schön, wenn ein schöner Geist sich selbst anlächelt, und der Augenblick, in welchem eine große Natur sich mit Ruhe und Ernst betrachtet, ist ein erhabener Augenblick. Aber das Höchste ist, wenn zwey Freunde zugleich ihr Heiligstes in der Seele des andern klar und vollständig erblicken, und ihres Werthes gemeinschaftlich froh ihre Schranken nur durch die Ergänzung des Andern fühlen dürfen. Es ist die intellektuale Anschauung der Freundschaft.
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Wenn man ein interessantes philosophisches Phänomen, und dabey ein ausgezeichneter Schriftsteller ist, so kann man sicher auf den Ruhm eines großen Philosophen rechnen. Oft erhält man ihn auch ohne die letzte Bedingung.
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Philosophiren heißt die Allwissenheit gemeinschaftlich suchen.
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Es wäre zu wünschen, daß ein transcendentaler Linné die verschiedenen Ichs klassifizierte und eine recht genaue Beschreibung derselben allenfalls mit illuminirten Kupfern herausgäbe, damit das philosophirende Ich nicht mehr so oft mit dem philosophirten Ich verwechselt würde.
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Der gepriesne Salto mortale der Philosophen ist oft nur ein blinder Lärm. Sie nehmen in Gedanken einen erschrecklichen Anlauf und wünschen sich Glück zu der überstandnen Gefahr; sieht man aber nur 102 etwas genau zu, so sitzen sie immer auf dem alten Fleck. Es ist Don Quixotes Luftreise auf dem hölzernen Pferde. Auch Jacobi scheint mir zwar nie ruhig werden zu können, aber doch immer da zu bleiben, wo er ist: in der Klemme zwischen zwey Arten von Philosophie, der systematischen und der absoluten, zwischen Spinosa und Leibniz, wo sich sein zarter Geist etwas wund gedrückt hat.
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Es ist noch ungleich gewagter, anzunehmen, daß jemand ein Philosoph sey, als zu behaupten, daß jemand ein Sophist sei: Soll das letzte nie erlaubt seyn, so kann das erste noch weniger gelten.
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Es giebt Elegien von der heroisch kläglichen Art, die man so erklären könnte: es sind die Empfindungen der Jämmerlichkeit bey den Gedanken der Albernheit von den Verhältnissen der Plattheit zur Tollheit.
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Die Duldung hat keinen andern Gegenstand als das Vernichtende. Wer nichts vernichten will, bedarf gar nicht geduldet zu werden; wer alles vernichten will, soll nicht geduldet werden. In dem was zwischen beyden liegt, hat diese Gesinnung ihren ganz freyen Spielraum. Denn wenn man nicht intolerant seyn dürfte, wäre die Toleranz nichts.
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Keine Poesie, keine Wirklichkeit. So wie es trotz aller Sinne ohne Fantasie keine Außenwelt giebt, so 103 auch mit allem Sinn ohne Gemüth keine Geisterwelt. Wer nur Sinn hat, sieht keinen Menschen, sondern bloß Menschliches: dem Zauberstabe des Gemüths allein tut sich alles auf. Es setzt Menschen und ergreift sie; es schaut an wie das Auge ohne sich seiner mathematischen Operazion bewußt zu seyn.
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Hast du je den ganzen Umfang eines andern mit allen seinen Unebenheiten berühren können, ohne ihm Schmerzen zu machen? Ihr braucht beyde keinen weitern Beweis zu führen, daß ihr gebildete Menschen seyd.
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Es ist eine Dichtung der Geschichtschreiber der Natur, daß ihre plastischen Kräfte lange in vergeblichen Anstrengungen gearbeitet, und nachdem sie sich in Formen erschöpft hatten, die kein dauerndes Leben haben konnten, noch viele andre erzeugt worden wären, die zwar lebten, aber untergehn mußten, weil es ihnen an der Kraft fehlte sich fortzupflanzen. Die sich selbst bildende Kraft der Menschheit steht noch auf dieser Stufe. Wenige leben, und die meisten unter diesen haben nur ein vergängliches Daseyn. Wenn sie ihr Ich in einem glücklichen Moment gefunden haben, so fehlt es ihnen doch an der Kraft es aus sich selbst wieder zu erzeugen. Der Tod ist ihr gewöhnlicher Zustand, und wenn sie einmal leben, glauben sie in eine andre Welt entzückt zu seyn.
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104 Jene Geschichte von einem Franzosen der alten Zeit, welcher seine Adelszeichen den Gerichten übergab, um sie wieder zu fodern, wenn er durch den Handel einiges Vermögen erlangt haben würde, ist eine Allegorie auf die Bescheidenheit. Wer den Ruhm dieser beliebten Tugend haben will, muß es mit seinem innern Adel ebenso machen. Er gebe ihn der gemeinen Meinung ad depositum und erwerbe sich dadurch ein Recht ihn wieder zu fodern, daß er mit Glück und Fleiß einen Spedizionshandel treibt mit fremden Verdiensten, Talenten und Einfällen, feinem und Mittelgut, wie es jeder verlangt.
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Wer Liberalität und Rigorismus verbinden wollte, bey dem müßte jene etwas mehr seyn als Selbstverläugnung, und dieser etwas mehr als Einseitigkeit. Sollte das aber wohl erlaubt seyn?
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Jämmerlich ist freylich jene praktische Philosophie der Franzosen und Engländer, von denen man meynt, sie wüßten so gut, was der Mensch sey, unerachtet sie nicht darüber spekulirten, was er seyn solle. Jede organische Natur hat ihre Regel, ihr Sollen; und wer darum nicht weiß, wie kann der sie kennen? Woher nehmen sie denn den Eintheilungsgrund ihrer naturhistorischen Beschreibungen und wonach messen sie den Menschen? Eben so gut sind sie aber doch als jene, die mit dem Sollen anfangen und endigen. Diese wissen nicht, daß der sittliche Mensch aus eigner Kraft sich um seine Axe frey bewegt. Sie haben 105 den Punkt außer der Erde gefunden, den nur ein Mathematiker suchen wollen kann, aber die Erde selbst verloren. Um zu sagen, was der Mensch soll, muß man einer seyn, und es nebenbey auch wissen.
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Die Welt kennen, heißt wissen, daß man nicht viel auf derselben bedeutet, glauben, daß kein philosophischer Traum darin realisirt werden kann, und hoffen, daß sie nie anders werden wird, höchstens nur etwas dünner.
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Von einer guten Bibel fodert Lessing Anspielungen, Fingerzeige, Vorübungen; er billigt auch die Tautologien, welche den Scharfsinn üben, die Allegorien und Exempel, welche das Abstrakte lehrreich einkleiden; und er hat das Zutrauen, die geoffenbarten Geheimnisse seyen bestimmt, im Vernunftwahrheiten ausgebildet zu werden. Welches Buch hätten die Philosophen nach diesem Ideal wohl schicklicher zu ihrer Bibel wählen können, als die Kritik der reinen Vernunft?
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Leibniz bedient sich einmal, indem er das Wesen und Thun einer Monade beschreibt, des merkwürdigen Ausdrucks: Cela peut aller jusqu’au sentiment. Dieß möchte man auf ihn selbst anwenden. Wenn jemand die Physik universeller macht, sie als ein Stück Mathematik und diese als ein Charadenspiel behandelt, und dann sieht daß er die Theologie dazu nehmen muß, deren Geheimnisse seinen diplomatischen 106 und deren verwickelte Streitfragen seinen chirurgischen Sinn anlocken: cela peut aller jusqu’ à la philosophie, wenn er noch so viel Instinkt hat als Leibniz Aber eine solche Philosophie wird doch immer nur ein konfuses, unvollständiges Etwas bleiben, wie der Urstoff nach Leibniz seyn soll, der nach Art der Genies die Form seines Innern einzelnen Gegenständen der Außenwelt anzudichten pflegt.
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Freundschaft ist parziale Ehe und Liebe ist Freundschaft von allen Seiten und nach allen Richtungen, universelle Freundschaft. Das Bewußtseyn der nothwendigen Gränzen ist das Unentbehrlichste und das Seltenste in der Freundschaft.
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Wenn eine Kunst die schwarze Kunst heißen sollte, so wäre es die, den Unsinn flüßig klar und beweglich zu machen, und ihn zur Masse zu bilden. Die Franzosen haben Meisterwerke der Gattung aufzuweisen. Alles große Unheil ist seinem innersten Grunde nach eine ernsthaft Fratze, eine mauvaise plaisanterie. Heil und Ehre also den Helden, die nicht müde werden, gegen die Thorheit zu kämpfen, deren Unscheinbarstes oft den Keim zu einer endlosen Reihe ungeheurer Verwüstungen in sich trägt! Lessing und Fichte sind die Friedensfürsten der künftigen Jahrhunderte.
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Leibniz sieht die Existenz an wie eine Hofcharge, die man zu Lehn haben muß. Sein Gott ist nicht 107 nur Lehnsherr der Existenz, sondern er besitzt auch als Regale allein Freyheit, Harmonie, synthetisches Vermögen. Ein fruchtbarer Beyschlaf ist die Expedizion eines Adelsdiploms für eine schlummernde Monade aus der göttlichen geheimen Kanzley.
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Die Fertigkeit, zu einem gegebnen Zweck die Mittel zu finden, welche ihn, ohne Rücksicht auf etwas anders zu nehmen, am vollkommensten erreichen, und die, sie so zu wählen, daß nicht außer ihrer Beziehung auf den gegebnen Zweck noch etwas anders daraus erfolge, was entweder einen andern von unsern Zwecken hintertreibt, oder irgend einen Gegenstand für die Zukunft von unsern Bestrebungen ausschließt, sind sehr unterschiedene Talente, obgleich die Sprache für beyde nur das Wort Klugheit darbietet. Man sollte es nicht an jeden verschwenden, der sich nur in den gemeinsten Fällen des Schicklichen zu bemächtigen weiß, oder der sich durch kleinliche Selbstbeobachtung eine gewisse Menschenkenntniß erworben hat, die weder etwas Schweres noch etwas Rühmliches ist. Man denkt sich unter Klugheit doch etwas Bedeutendes und Wichtiges, und das Talent aus einer Mustercharte von Mitteln die zweckmäßigsten auszuwählen ist etwas so Geringfügiges, daß auch der gemeinste Verstand dazu hinreicht, und daß kaum etwas anders als leidenschaftliche Verblendung jemanden darin kann fehl gehen lassen. Sich für so ein Objekt mit einem so imposanten Wort in Unkosten zu stecken, lohnt wahrlich der Mühe nicht. Auch rechtfertigt es 108 der Sprachgebrauch nicht. Man schreibt der Natur oder dem höchsten Wesen nie Klugheit zu, ungeachtet man in allen ihren Veranstaltungen dieß Talent in einem hohen Grade preist. Es wäre daher besser, dieß Wort für die zweyte Eigenschaft allein aufzubewahren. Bey dem Streben nach einem Zweck zugleich auf alle wirklichen und möglichen Zwecke hinsehn, und die natürlichen Wirkungen, die eine jede Handlung nebenher haben kann, berechnen, das ist in der That etwas großes, und was man nur von wenigen wird rühmen können. Daß man im gemeinen Sprachgebrauch wirklich so etwas unter Klugheit versteht, geht auch aus dem Gefühl hervor, welches erregt wird, wenn man Jemand mit einem gewissen Akzent als klug preist. Das erste ist, daß er uns imponirt, und das zweyte, daß wir uns nach Wohlwollen und Ironie bey dem gerühmten Manne umsehn, und daß er uns verhaßt wird, wenn wir nicht beydes antreffen. Das letzte dürfte eben so allgemein seyn, als das erste und gewiß ist es auch, sobald man Klugheit in dieser Bedeutung nimmt, ebenso natürlich. Wir hoffen nämlich von jedem Menschen, daß wir ihn mehr oder weniger zu unsern Absichten werden gebrauchen können, und zugleich wünschen wir, daß er uns durch das freye Naturspiel seines Gemüths und durch absichtslose und unverwahrte Aeußerungen ein Gegenstand des Wohlwollens und nach Gelegenheit auch ein Gegenstand für den Scherz oder den arglosen Spott werden möge. Bey andern Menschen sind wir ziemlich sicher beydes allenfalls auch wider ihren 109 Willen zu erlangen. Der ausgezeichnet Kluge aber, der seine Handlungen so abmißt, daß nichts dabey herauskommen kann, als was er selbst beabsichtigt, macht uns für beydes bloß von seinem guten Willen abhängig; und wenn er nicht Wohlwollen besitzt, um mit Bewußtseyn und Freyheit in die Absichten andrer hinein zu gehen, oder wenn es ihm an der Ironie fehlt, die ihn dahin bringen könnte, absichtlich sich aus seiner Klugheit herauszusetzen und sich mit Entsagung auf dieselbe als ein Naturwesen der Gesellschaft zum beliebigen Gebrauch hinzugeben: so ist es natürlich, daß wir die Stelle, die er in unserm Kreise einnimmt, von einem andern besetzt wünschen.
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Das Geliebte zu vergöttern ist die Natur des Liebenden. Aber ein andres ist es, mit gespannter Imaginazion ein fremdes Bild unterschieben und eine reine Vollkommenheit anstaunen, die uns nur darum als solche erscheint, weil wir noch nicht gebildet genug sind, um die unendliche Fülle der menschlichen Natur zu begreifen, und die Harmonie ihrer Widersprüche zu verstehn. Laura war des Dichters Werk. Dennoch konnte die wirkliche Laura ein Weib seyn, aus der ein nicht so einseitiger Schwärmer etwas weniger und etwas mehr als eine Heilige gemacht hätte.
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Idee zu einem Katechismus der Vernunft für edle Frauen. – Die zehn Gebote. 1) Du sollst keinen Geliebten haben neben ihm: aber du sollst Freun110din seyn können, ohne in das Kolorit der Liebe zu spielen und zu kokettiren oder anzubeten. 2) Du sollst dir kein Ideal machen, weder eines Engels im Himmel, noch eines Helden aus einem Gedicht oder Roman, noch eines selbstgeträumten oder fantasirten; sondern du sollst einen Mann lieben, wie er ist. Denn sie die Natur, deine Herrin, ist eine strenge Gottheit, welche die Schwärmerey der Mädchen heimsucht an den Frauen bis ins dritte und vierte Zeitalter ihrer Gefühle. 3) Du sollst von den Heiligthümern der Liebe auch nicht das kleinste mißbrauchen: denn die wird ihr zartes Gefühl verlieren, die ihre Gunst entweiht und sich hingiebt für Geschenke und Gaben, oder um nur in Ruhe und Frieden Mutter zu werden. 4) Merke auf den Sabbath deines Herzens, daß du ihn feyerst, und wenn sie dich halten, so mache dich frey oder gehe zu Grunde. 5) Ehre die Eigenthümlichkeit und die Willkühr deiner Kinder, auf daß es ihnen wohlgehe, und sie kräftig leben auf Erden. 6) Du sollst nicht absichtlich lebendig machen. 7) Du sollst keine Ehe schließen, die gebrochen werden müßte. 8) Du sollst nicht geliebt seyn wollen, wo du nicht liebst. 9) Du sollst nicht falsch Zeugniß ablegen für die Männer; du sollst ihre Barbarey nicht beschönigen mit Worten und Werken. 10) Laß dich gelüsten nach der Männer Bildung, Kunst, Weisheit und Ehre. – Der Glaube. 1) Ich glaube an die unendliche Menschheit, die da war, ehe sie die Hülle der Männlichkeit und der Weiblichkeit annahm. 2) Ich glaube, daß ich nicht lebe, um zu gehorchen oder 111 um mich zu zerstreuen, sondern um zu seyn und zu werden; und ich glaube an die Macht des Willens und der Bildung, mich dem Unendlichen wieder zu nähern, mich aus den Fesseln der Mißbildung zu erlösen, und mich von den Schranken des Geschlechts unabhängig zu machen. 3) Ich glaube an Begeisterung und Tugend, an die Würde der Kunst und den Reiz der Wissenschaft, an Freundschaft der Männer und Liebe zum Vaterlande, an vergangene Größe und künftige Veredlung.
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Die Mathematik ist gleichsam eine sinnliche Logik, sie verhält sich zur Philosophie, wie die materiellen Künste, Musik und Plastik zur Poesie.
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Verstand ist mechanischer, Witz ist chemischer, Genie ist organischer Geist.
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Man glaubt Autoren oft durch Vergleichungen mit dem Fabrikwesen zu schmähen. Aber soll der wahre Autor nicht auch Fabrikant seyn? Soll er nicht sein ganzes Leben dem Geschäft widmen, litterarische Materie in Formen zu bilden, die auf eine große Art zweckmäßig und nützlich sind? Wie sehr wäre manchem Pfuscher nur ein geringer Theil von dem Fleiß und der Sorgfalt zu wünschen, die wir an den gemeinsten Werkzeugen kaum noch achten!
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Es gab und giebt schon Ärzte, die über ihre Kunst zu philosophiren wünschen. Die Kaufleute al112lein machen nicht einmal diese Prätension und sind recht altfränkisch bescheiden.
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Der Deputirte ist etwas ganz anders als der Repräsentant. Repräsentant ist nur, wer das politische Ganze in seiner Person, gleichsam identisch mit ihm, darstellt, er mag nun gewählt seyn oder nicht; er ist wie die sichtbare Weltseele des Staats. Diese Idee, welche offenbar nicht selten der Geist der Monarchien war, ist vielleicht nirgends so rein und konsequent ausgeführt wie zu Sparta. Die Spartanischen Könige waren zugleich die ersten Priester, Feldherren und Präsidenten der öffentlichen Erziehung. Mit der eigentlichen Administrazion hatten sie wenig zu schaffen; sie waren eben nichts als Könige im Sinne jener Idee. Die Gewalt des Priesters, des Feldherrn und des Erziehers ist ihrer Natur nach unbestimmt, universell, mehr oder weniger ein rechtlicher Despotismus. Nur durch den Geist der Repräsentazion kann er gemildert und legitimiert werden.
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Sollte nicht das eine absolute Monarchie seyn, wo alles Wesentliche durch ein Kabinett im Geheim geschieht, und wo ein Parlament über die Formen mit Pomp öffentlich reden und streiten darf? Eine absolute Monarchie könnte sonach sehr gut eine Art von Konstituzion haben, die Unverständigen wohl gar republikanisch schiene.
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113 Um den Unterschied der Pflichten gegen sich selbst und der Pflichten gegen andre zu bestimmen, dürften sich schwerlich andre Kennzeichen finden, als die welche jener einfältige Mensch für den der Tragödie und der Komödie angab. Lachst du dabey und bekommst du am Ende etwas, so nimms für eine Pflicht gegen dich selbst; ist dir das Weinen näher und bekommts ein andrer, so nimms für eine Pflicht gegen den Nächsten. Daß die ganze Eintheilung am Ende darauf hinausläuft, und daß es auch ein ganz unmoralischer Unterschied ist, leuchtet ein. Es entsteht daraus die Ansicht als ob es zwey ganz verschiedne im Streit liegende Stimmungen gäbe, die entweder sorgfältig auseinander gehalten oder durch eine kleinliche Arithmetik künstlich verglichen werden müßten. Es entstehn daraus die Fantome von Hingebung, Aufopferung, Großmuth und was alles für moralisches Unheil. Überhaupt ist die gesammte Moral aller Systeme eher jedes andre, nur nicht moralisch.
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In den Werken der größten Dichter athmet nicht selten der Geist einer andern Kunst. Sollte dieß nicht auch bey Mahlern der Fall seyn; mahlt nicht Michelangelo in gewissem Sinn wie ein Bildhauer, Rafael wie ein Architekt, Correggio wie ein Musiker? Und gewiß würden sie darum nicht weniger Mahler seyn als Tizian, weil dieser bloß Mahler war.
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Die Philosophie war bey den Alten in ecclesia pressa, die Kunst bey den Neuern; die Sittlichkeit 114 aber war noch überall im Gedränge, die Nützlichkeit und die Rechtlichkeit mißgönnen ihr sogar die Existenz.
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Sieht man nicht auf Voltaire’s Behandlung, sondern bloß auf die Meynung des Buchs, das Weltall persiffliren sey Philosophie und eigentlich das Rechte: so kann man sagen, die Französischen Philosophen machen es mit dem Candide, wie die Weiber mit der Weiblichkeit; sie bringen ihn überall an.
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Grade die Energie hat am wenigsten das Bedürfniß, zu zeigen, was sie kann. Fodern es die Umstände, so mag sie gern Passivität scheinen, und verkannt werden. Sie ist zufrieden, im Stillen zu wirken ohne Accompagnement und ohne Gestikulazion. Der Virtuose, der genialische Mensch will einen bestimmten Zweck durchsetzen, ein Werk bilden u. s. w. Der energische Mensch benutzt immer nur den Moment, und ist überall bereit und unendlich biegsam. Er hat unermeßlich viel Projekte oder gar keins: denn Energie ist zwar mehr als bloße Agilität, es ist wirkende, bestimmt nach Außen wirkende Kraft, aber universelle Kraft, durch die der ganze Mensch sich bildet und handelt.
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Die passiven Christen betrachten die Religion meistens aus einem medicinischen, die aktiven aus einem merkantilischen Gesichtspunkte.
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115 Hat der Staat denn ein Recht, Wechsel aus reiner Willkühr gültiger zu heiligen, als andre Verträge, und dadurch diese ihrer Majestät zu entsetzen?
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Es ist nicht selten, daß jemand lange kalt scheint und heißt, der nachher bey außerordentlichen Veranlassungen durch die gewaltigsten Explosionen von Leidenschaft alles in Erstaunen setzt. Das ist der wahrhaft gefühlvolle Mensch, bey dem die ersten Eindrücke nicht stark sind, aber lange nachwirken, tief ins Innre dringen, und im Stillen durch ihre eigne Kraft wachsen. Immer gleich zu reagiren ist das Kennzeichen der Schwäche, jenes innre Crescendo der Empfindungen ist die Eigenheit energischer Naturen.
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Der Satan der Italiänischen und Engländischen Dichter mag poetischer seyn: aber der deutsche Satan ist satanischer; und insofern könnte man sagen, der Satan sey eine deutsche Erfindung. Gewiß ist er ein Favorit deutscher Dichter und Philosophen. Er muß also wohl auch sein Gutes haben, und wenn sein Karakter in der unbedingten Willkührlichkeit und Absichtlichkeit, und in der Liebhaberey am Vernichten, Verwirren und Verführen besteht, so findet man ihn unstreitig nicht selten in der schönsten Gesellschaft. Aber sollte man sich bisher nicht in den Dimensionen vergriffen haben? Ein großer Satan hat immer etwas Ungeschlachtes, und Vierschrötiges; er paßt höchstens nur für die Prätensionen auf Ruchlosigkeit 116 solcher Caricaturen, die nichts können und mögen, als Verstand affektiren. Warum fehlen die Satanisken in der christlichen Mythologie? Es giebt vielleicht kein angemeßneres Wort und Bild für gewisse Bosheiten en miniature, deren Schein die Unschuld liebt; und für jene reizend groteske Farbenmusik des erhabensten und zartesten Muthwillens, welche die Oberfläche der Größe so gern zu umspielen pflegt. Die alten Amorinen sind nur eine andre Race dieser Satanisken.
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Vorlesen und Deklamiren ist nicht einerley. Dieses erfodert den richtig höchsten, jenes einen gemäßigten Ausdruck. Deklamazion gehört für die Ferne, nicht in das Zimmer. Die laute Stimme zu welcher sie sich, um den gehörigen Wechsel hervorzubringen, erhöhen muß, beleidigt ein feines Gehör. Alle Wirkung geht in der Betäubung verloren. Mit Gestikulazion verbunden wird sie widrig wie alle Demonstrazionen heftiger Leidenschaft. Die gebildete Empfindung kann sie nur in solcher Entfernung ertragen, die gleichsam wieder einen Schleyer über sie wirft. Der Ton, statt sich zu erheben, muß, um die Wirkung durch ein andres Mittel hervorzubringen, gedämpft, in der Tiefe gehalten und der Akzent nur so bezeichnet werden, daß das Verstehen dessen was man liest angedeutet wird, ohne das Gelesene ganz auszudrücken. Bey epischen Gedichten und dem Roman insbesondre sollte der Vorleser nie von seinem Gegenstande hingerissen scheinen, sondern die stille 117 Superiorität des Verfassers selbst behaupten, der über seinem Werke ist. Überhaupt wäre es sehr nöthig das Vorlesen zu üben, damit es allgemeiner eingeführt würde, und sehr nöthig es einzuführen, um es desto besser zu üben. Bey uns bleibt die Poesie wenigstens stumm und wer denn doch zum Beyspiel den »Wilhelm Meister« nie laut gelesen oder lesen gehört hätte, der hat diese Musik nur in den Noten studirt.
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Viele der ersten Stifter der modernen Physik müssen gar nicht als Philosophen, sondern als Künstler betrachtet werden.
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Der Instinkt spricht dunkel und bildlich. Wird er mißverstanden, so entsteht eine falsche Tendenz. Das widerfährt Zeitaltern und Nazionen nicht seltener als Individuen.
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Es giebt eine Art von Witz, den man wegen seiner Gediegenheit, Ausführlichkeit und Symmetrie den architektonischen nennen möchte. Aeußert er sich satirisch, so giebt das die eigentlichen Sarkasmen. Er muß ordentlich systematisch seyn, und doch auch wieder nicht; bey aller Vollständigkeit muß dennoch etwas zu fehlen scheinen, wie abgerissen. Dieses Barokke dürfte wohl eigentlich den großen Styl im Witz erzeugen. Es spielt eine wichtige Rolle in der Novelle: denn eine Geschichte kann doch nur durch eine solche einzig schöne Seltsamkeit ewig neu bleiben. 118 Dahin scheint die wenig verstandne Absicht der Unterhaltungen der Ausgewanderten zu gehn. Wunder nimmts gewiß niemand, daß der Sinn für reine Novellen fast nicht mehr existirt. Doch wäre es nicht übel, ihn wieder zu erwecken, da man unter andern die Form der Shakspeareschen Dramen ohne das wohl nie begreifen wird.
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Jeder Philosoph hat seine veranlassende Punkte, die ihn nicht selten real beschränken, an die er sich akkomodirt u. s. w. Da bleiben denn dunkle Stellen im System für den, welcher es isolirt, und die Philosophie nicht historisch und im Ganzen studirt. Manche verwickelte Streitfragen der modernen Philosophie sind wie die Sagen und Götter der alten Poesie. Sie kommen in jedem System wieder, aber immer verwandelt.
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In den Handlungen und Bestimmungen, welche der gesetzgebenden, ausübenden oder richterlichen Gewalt zur Erreichung ihrer Zwecke unentbehrlich sind, kommt oft etwas absolut Willkührliches vor, welches unvermeidlich ist, und sich aus dem Begriff jener Gewalten nicht ableiten läßt, wozu sie also für sich nicht berechtigt scheinen. Ist die Befugniß dazu nicht etwa von der konstitutiven Gewalt entlehnt, die daher auch nothwendig ein Veto haben müßte, nicht bloß ein Recht des Interdikts? Geschehn nicht alle absolut willkührlichen Bestimmungen im Staat kraft der konstitutiven Gewalt?
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119 Der platte Mensch beurtheilt alle andre Menschen wie Menschen, behandelt sie aber wie Sachen, und begreift es durchaus nicht, daß sie andre Menschen sind als er.
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Man betrachtet die kritische Philosophie immer so als ob sie vom Himmel gefallen wäre. Sie hätte auch ohne Kant in Deutschland entstehn müssen, und es auf viele Weisen können. Doch ists so besser.
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Transcendental ist was in der Höhe ist, seyn soll und kann: transcendent ist, was in die Höhe will, und nicht kann oder nicht soll. Es wäre Lästerung und Unsinn zu glauben, die Menschheit könne ihren Zweck überschreiten, ihre Kräfte überspringen, oder die Philosophie dürfe irgend etwas nicht, was sie will und also soll.
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Wenn jede rein willkührliche oder rein zufällige Verknüpfung von Form und Materie grotesk ist: so hat auch die Philosophie Grotesken wie die Poesie; nur weiß sie weniger darum, und hat den Schlüssel zu ihrer eignen esoterischen Geschichte noch nicht finden können. Sie hat Werke, die ein Gewebe von moralischen Dissonanzen sind, aus denen man die Desorganisazion lernen könnte, oder wo die Konfusion ordentlich konstruirt und symmetrisch ist. Manches philosophische Kunstchaos der Art hat Festigkeit genug gehabt, eine Gothische Kirche zu überleben. In unserem Jahrhundert hat man auch in den Wis120senschaften leichter gebaut, obgleich nicht weniger grotesk. Es fehlt der Litteratur nicht an chinesischen Gartenhäusern. So zum Beyspiel die Engländische Kritik, die doch nichts enthält, als eine Anwendung der Philosophie des gesunden Menschenverstandes, die selbst nur eine Versetzung der Naturphilosophie und Kunstphilosophie ist, auf die Poesie ohne Sinn für die Poesie. Denn von Sinn für die Poesie findet sich in Harris Home und Johnson, den Koryphäen der Gattung, auch nicht die schamhafteste Andeutung.
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Es giebt rechtliche und angenehme Leute, die den Menschen und das Leben so betrachten und besprechen, als ob von der besten Schafzucht oder vom Kaufen und Verkaufen der Güter die Rede wäre. Es sind die Oekonomen der Moral, und eigentlich behält wohl alle Moral ohne Philosophie auch bey großer Welt und hoher Poesie immer einen gewissen illiberalen und ökonomischen Anstrich. Einige Oekonomen bauen gern, andre flicken lieber, andre müssen immer etwas bringen, andre treiben, andre versuchen alles, und halten sich überall an, andre legen immer zurecht und machen Fächer, andre sehen zu und machen nach. Alle Nachahmer in der Poesie und Philosophie sind eigentlich verlaufne Oekonomen. Jeder Mensch hat seinen ökonomischen Instinkt, der gebildet werden muß, so gut wie auch die Orthographie und die Metrik gelernt zu werden verdienen. Aber es giebt ökonomische Schwärmer und Panthei121sten, die nichts achten als die Nothdurft und sich über nichts freuen als über ihre Nützlichkeit. Wo sie hinkommen, wird alles platt und handwerksmäßig, selbst die Religion, die Alten und die Poesie, die auf ihrer Drechselbank nichts edler ist als Flachshecheln.
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Lesen heißt den philologischen Trieb befriedigen, sich selbst litterarisch affiziren. Aus reiner Philosophie oder Poesie ohne Philologie kann man wohl nicht lesen.
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Viele musikalische Komposizionen sind nur Übersetzungen des Gedichts in die Sprache der Musik.
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Um aus den Alten ins Moderne vollkommen übersetzen zu können, müßte der Übersetzer desselben so mächtig seyn, daß er allenfalls alles Moderne machen könnte; zugleich aber das Antike so verstehn, daß ers nicht bloß nachmachen, sondern allenfalls wiederschaffen könnte.
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Es ist ein großer Irrthum, den Witz bloß auf die Gesellschaft einschränken zu wollen. Die besten Einfälle machen durch ihre zermalmende Kraft ihren unendlichen Gehalt und ihre klassische Form oft einen unangenehmen Stillstand im Gespräch. Eigentlichen Witz kann man sich doch nur geschrieben denken, wie Gesetze; man muß seine Produkte nach dem Gewicht würdigen, wie Caesar die Perlen und Edel122steine in der Hand sorgfältig gegeneinander abwog. Der Werth steigt mit der Größe ganz unverhältnißmäßig; und manche, die bey einem enthusiastischen Geist und barokkem Aeußern, noch beseelte Akzente, frisches Kolorit und eine gewisse krystallne Durchsichtigkeit haben, die man mit dem Wasser der Diamanten vergleichen möchte, sind gar nicht mehr zu taxiren.
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In der wahren Prosa muß alles unterstrichen seyn.
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Caricatur ist eine passive Verbindung des Naiven und Grotesken. Der Dichter kann sie ebensowohl tragisch als komisch gebrauchen.
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Da die Natur und die Menschheit sich so oft und so schneidend widersprechen, darf die Philosophie es vielleicht nicht vermeiden, dasselbe zu tun.
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Der Mystizismus ist die mäßigste und wohlfeilste aller philosophischen Rasereyen. Man darf ihm nur einen einzigen absoluten Widerspruch creditiren, er weiß alle Bedürfnisse damit zu bestreiten und kann noch großen Luxus treiben.
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Polemische Totalität ist zwar eine nothwendige Folge aus der Annahme und Foderung unbedingter Mittheilbarkeit und Mittheilung, und kann wohl die Gegner vollkommen vernichten, ohne jedoch die Phi123losophie ihres Eigentümers hinreichend zu legitimiren, so lange sie bloß nach Außen gerichtet ist. Nur wenn sie auch auf das Innere angewandt wäre, wenn eine Philosophie ihren Geist selbst kritisirte, und ihren Buchstaben auf dem Schleifstein und mit der Feile der Polemik selbst bildete, könnte sie zu logischer Correctheit führen.
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Es giebt noch gar keinen Skeptizismus, der den Namen verdient. Ein solcher müßte mit der Behauptung und Foderung unendlich vieler Widersprüche anfangen und endigen. Daß Konsequenz in ihm vollkommne Selbstvernichtung nach sich ziehen würde, ist nichts Karakteristisches. Das hat diese logische Krankheit mit aller Unphilosophie gemein. Respekt vor der Mathematik, und Appelliren an den gesunden Menschenverstand sind die diagnostischen Zeichen des halben unechten Skeptizismus.
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Um jemand zu verstehn, der sich selbst nur halb versteht, muß man ihn erst ganz und besser als er selbst, dann aber auch nur halb und grade so gut wie er selbst verstehn.
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Bey der Frage von der Möglichkeit, die alten Dichter zu übersetzen, kömmts eigentlich darauf an, ob das treu aber in das reinste Deutsch Übersetzte nicht etwa immer noch griechisch sey. Nach dem Eindruck auf die Layen, welche am meisten Sinn und Geist haben, zu urtheilen, sollte man das vermuthen.
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124 Die ächte Recension sollte die Auflösung einer kritischen Gleichung, das Resultat und die Darstellung eines philologischen Experiments und einer litterarischen Recherche sey[n].
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Zur Philologie muß man gebohren seyn, wie zur Poesie und zur Philosophie. Es giebt keinen Philologen ohne Philologie in der ursprünglichsten Bedeutung des Worts, ohne grammatisches Interesse. Philologie ist ein logischer Affekt, das Seitenstück der Philosophie, Enthusiasmus für chemische Erkenntniß: denn die Grammatik ist doch nur der philosophische Theil der universellen Scheidungs- und Verbindungskunst. Durch die kunstmäßige Ausbildung jenes Sinns entsteht die Kritik, deren Stoff nur das Klassische und schlechthin Ewige seyn kann, was nie ganz verstanden werden mag: sonst würden die Philologen, an deren meisten man die gewöhnlichsten und sichersten Merkmahle der unwissenschaftlichen Virtuosität wahrnimmt, ihre Geschicklichkeit eben so gern an jedem andern Stoff zeigen als an den Werken des Alterthums, für das sie in der Regel weder Interesse noch Sinn haben. Doch ist diese nothwendige Beschränktheit um so weniger zu tadeln oder zu beklagen, da auch hier die künstlerische Vollendung allein zur Wissenschaft führen, und die bloße formelle Philologie einer materialen Alterthumslehre und einer humanen Geschichte der Menschheit nähern muß. Besser als eine sogenannte Anwendung der Philosophie auf die Philologie im gewöhnlichen Styl derer, welche die 125 Wissenschaften mehr kompiliren als kombiniren. Die einzige Art, die Philosophie auf die Philologie oder, welches noch weit nöthiger ist, die Philologie auf die Philosophie anzuwenden, ist, wenn man zugleich Philolog und Philosoph ist. Doch auch ohne das kann die philologische Kunst ihre Ansprüche behaupten. Sich ausschließlich der Entwicklung eines ursprünglichen Triebes zu widmen, ist so würdig und so weise, wie das Beste und das Höchste, was der Mensch nur immer zum Geschäft seines Lebens wählen kann.
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Die Mildthätigkeit ist die schmähliche Tugend die es in Romanen und Schauspielen immer ausbüßen muß, wenn gemeine Natur zum edlen Karakter erhoben, oder gar wie in Kotzebue’s Stücken anderweitige Schlechtigkeit wieder gut gemacht werden soll. Warum benutzt man nicht die wohltätige Stimmung des Augenblicks, und läßt den Klingelbeutel im Schauspielhause umhergehn?
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Wenn jedes unendliche Individuum Gott ist, so giebts so viele Götter als Ideale. Auch ist das Verhältniß des wahren Künstlers und des wahren Menschen zu seinen Idealen durchaus Religion. Wem dieser innre Gottesdienst Ziel und Geschäft des ganzen Lebens ist, der ist Priester, und so kann und soll es jeder werden.
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Das wichtigste Stück der guten Lebensart ist die Dreistigkeit, sie denen absichtlich andichten zu können, 126 von denen man weiß, daß sie sie nicht haben: das schwerste ist, unter der Hülle der allgemeinen guten Sitte die eigentümliche Gemeinheit zu ahnden und zu errathen.
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Niedliche Gemeinheit und gebildete Unart heißt in der Sprache des feinen Umgangs Delikatesse.
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Um sittlich zu heißen, müssen Empfindungen nicht bloß schön, sondern auch weise, im Zusammenhange ihres Ganzen zweckmäßig, im höchsten Sinne schicklich seyn.
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Alltäglichkeit, Oekonomie ist das nothwendige Supplement aller nicht schlechthin universellen Naturen. Oft verliert sich das Talent und die Bildung ganz in diesem umgebenden Element.
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Das wissenschaftliche Ideal des Christianismus ist eine Karakteristik der Gottheit mit unendlich vielen Variazionen.
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Ideale die sich für unerreichbar halten, sind eben darum nicht Ideale, sondern mathematische Fantome des bloß mechanischen Denkens. Wer Sinn fürs Unendliche hat, und weiß was er damit will, sieht in ihm das Produkt sich ewig scheidender und mischender Kräfte, denkt sich seine Ideale wenigstens chemisch, und sagt, wenn er sich entschieden ausdrückt, lauter Widersprüche. So weit scheint die Philosophie 127 des Zeitalters gekommen zu seyn; nicht aber die Philosophie der Philosophie: denn auch chemische Idealisten haben doch nicht selten nur ein einseitiges mathematisches Ideal des Philosophirens. Ihre Thesen darüber sind ganz wahr d. h. philosophisch: aber die Antithesen dazu fehlen. Eine Physik der Philosophie scheint noch nicht an der Zeit zu seyn, und nur der vollendete Geist könnte Ideale organisch denken.
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Ein Philosoph muß von sich selbst reden so gut wie ein lyrischer Dichter.
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Giebts eine unsichtbare Kirche, so ist es die jener großen Paradoxie, die von der Sittlichkeit unzertrennlich ist, und von der bloß philosophischen noch sehr unterschieden werden muß. Menschen, die so ekzentrisch sind, im vollen Ernst tugendhaft zu seyn und zu werden, verstehn sich überall, finden sich leicht, und bilden eine stille Opposizion gegen die herrschende Unsittlichkeit, die eben für Sittlichkeit gilt. Ein gewisser Mystizismus des Ausdrucks, der bey einer romantischen Fantasie und mit grammatischem Sinn verbunden, etwas sehr Reizendes und etwas sehr Gutes seyn kann, dient ihnen oft als Symbol ihrer schönen Geheimnisse.
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Sinn für Poesie oder Philosophie hat der, für den sie ein Individuum ist.
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128 Zur Philosophie gehören, je nach dem man es nimmt, entweder gar keine oder alle Sachkenntnisse.
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Man soll niemanden zur Philosophie verführen oder bereden wollen.
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Auch nach den gewöhnlichsten Ansichten ist es Verdienst genug, um einen Roman berühmt zu machen, wenn ein durchaus neuer Karakter darin auf eine interessante Art dargestellt und ausgeführt wird. Dieß Verdienst hat William Lovell unläugbar, und daß alles Nebenwerk und Gerüste darin gemein oder misglückt ist, wie der große Machinist im Hintergrunde des Ganzen, daß das Ungewöhnliche darin oft nur ein umgekehrtes Gewöhnliches ist, hätte ihm wohl nicht geschadet: aber der Karakter war unglücklicherweise poetisch. Lovell ist wie seine nur etwas zu wenig unterschiedene Variazion Balder ein vollkommner Fantast in jedem guten und in jedem schlechten, in jedem schönen und in jedem häßlichen Sinne des Worts. Das ganze Buch ist ein Kampf der Prosa und der Poesie, wo die Prosa mit Füßen getreten wird und die Poesie über sich selbst den Hals bricht. Übrigens hat es den Fehler mancher ersten Produkte: es schwankt zwischen Instinkt und Absicht, weil es von beyden nicht genug hat. Daher die Wiederhohlungen, wodurch die Darstellung der erhabenen Langenweile zuweilen in Mittheilung übergehn kann. Hier liegt der Grund, 129 warum die absolute Fantasie in diesem Roman auch von Eingeweihten der Poesie verkannt und als bloß sentimental verachtet werden mag, während dem vernünftigen Leser, der für sein Geld mäßig gerührt zu werden verlangt, das Sentimentale darin keineswegs zusagt und sehr furios dünkt. So tief und ausführlich hat Tieck vieleicht noch keinen Karakter wieder dargestellt. Aber der Sternbald vereinigt den Ernst und Schwung des Lovell mit der künstlerischen Religiosität des Klosterbruders und mit allem was in den poetischen Arabesken, die er aus alten Märchen gebildet, im ganzen genommen das Schönste ist: die fantastische Fülle und Leichtigkeit, der Sinn für Ironie, und besonders die absichtliche Verschiedenheit und Einheit des Kolorits. Auch hier ist alles klar und transparent, und der romantische Geist scheint angenehm über sich selbst zu fantasiren.
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Die Welt ist viel zu ernsthaft, aber der Ernst ist doch selten genug. Ernst ist das Gegentheil von Spiel. Der Ernst hat einen bestimmten Zweck, den wichtigsten unter allen möglichen; er kann nicht tändeln und kann sich nicht täuschen; er verfolgt sein Ziel unermüdet bis er es ganz erreicht hat. Dazu gehört Energie, Geisteskraft von schlechthin unbegränzter Extension und Intension. Giebt es keine absolute Höhe und Weite für den Menschen, so ist das Wort Größe in sittlicher Bedeutung überflüssig. Ernst ist Größe in Handlung. Groß ist was zugleich Enthusiasmus und Genialität hat, was zugleich gött130lich und vollendet ist. Vollendet ist, was zugleich natürlich und künstlich ist. Göttlich ist was aus der Liebe zum reinen ewigen Seyn und Werden quillt, die höher ist als alle Poesie und Philosophie. Es giebt eine ruhige Göttlichkeit ohne die zermalmende Kraft des Helden und die bildende Tätigkeit des Künstlers. Was zugleich göttlich, vollendet und groß ist, ist vollkommen.
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Ob eine gebildete Frau, bey der von Sittlichkeit die Frage seyn kann, verderbt oder rein sey, läßt sich vielleicht sehr bestimmt entscheiden. Folgt sie der allgemeinen Tendenz, ist Energie des Geistes und des Karakters, die äußre Erscheinung derselben und was eben durch sie gilt, ihr Eins und Alles, so ist sie verderbt. Kennt sie etwas Größeres als die Größe, kann sie über ihre natürliche Neigung zur Energie lächeln, ist sie mit einem Worte des Enthusiasmus fähig, so ist sie unschuldig im sittlichen Sinne. In dieser Rücksicht kann man sagen, alle Tugend des Weibes sey Religion. Aber daß die Frauen gleichsam mehr an Gott oder an Christus glauben müßten, als die Männer, daß irgend eine gute und schöne Freygeisterey ihnen weniger zieme als den Männern, ist wohl nur eine von den unendlich vielen gemeingeltenden Plattheiten, die Rousseau in ein ordentliches System der Weiblichkeitslehre verbunden hat, in welchem der Unsinn so ins Reine gebracht und ausgebildet war, daß es durchaus allgemeinen Beyfall finden mußte.
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131 Der große Haufen liebt Friedrich Richters Romane vielleicht nur wegen der anscheinenden Abentheuerlichkeit. Überhaupt interessirt er wohl auf die verschiedenste Art und aus ganz entgegengesetzten Ursachen. Während der gebildete Oekonom edle Tränen in Menge bey ihm weint, und der strenge Künstler ihn als das blutrothe Himmelszeichen der vollendeten Unpoesie der Nazion und des Zeitalters haßt, kann sich der Mensch von universeller Tendenz an den grotesken Porzellanfiguren seines wie Reichstruppen zusammengetrommelten Bilderwitzes ergötzen, oder die Willkührlichkeit in ihm vergöttern. Ein eignes Phänomen ist es; ein Autor, der die Anfangsgründe der Kunst nicht in der Gewalt hat, nicht ein Bonmot rein ausdrücken, nicht eine Geschichte gut erzählen kann, nur so was man gewöhnlich gut erzählen nennt, und dem man doch schon um eines solchen humoristischen Dithyrambus willen, wie der Adamsbrief des trotzigen, kernigen, prallen, herrlichen Leibgeber, den Namen eines großen Dichters nicht ohne Ungerechtigkeit absprechen dürfte. Wenn seine Werke auch nicht übermäßig viel Bildung enthalten, so sind sie doch gebildet: das Ganze ist wie das Einzelne und umgekehrt; kurz, er ist fertig. Es ist ein großer Vorzug des Siebenkäs, daß die Ausführung und Darstellung darin noch am besten ist; ein weit größerer, daß so wenig Engländer darin sind. Freylich sind seine Engländer am Ende auch Deutsche, nur in idyllischen Verhältnissen und mit sentimentalen Namen: indessen haben sie immer eine starke Aehnlich132keit mit Louvets Pohlen und gehören mit zu den falschen Tendenzen, deren er so viele hat. Dahin gehören auch die Frauen, die Philosophie, die Jungfrau Maria, die Zierlichkeit, die idealischen Visionen und die Selbstbeurtheilung. Seine Frauen haben rothe Augen und sind Exempel, Gliederfrauen zu psychologischmoralischen Reflexionen über die Weiblichkeit oder über die Schwärmerey. Überhaupt läßt er sich fast nie herab, die Personen darzustellen; genug daß er sie sich denkt, und zuweilen eine treffende Bemerkung über sie sagt. So hält ers mit den passiven Humoristen, den Menschen, die eigentlich nur humoristische Sachen sind: die aktiven erscheinen auch selbständiger, aber sie haben eine zu starke Familienähnlichkeit unter sich und mit dem Autor, als daß man ihnen dieß für ein Verdienst anrechnen dürfte. Sein Schmuck besteht in bleyernen Arabesken im Nürnberger Styl. Hier ist die an Armuth gränzende Monotonie seiner Fantasie und seines Geistes am auffallendsten: aber hier ist auch seine anziehende Schwerfälligkeit zu Hause, und seine pikante Geschmacklosigkeit, an der nur das zu tadeln ist, daß er nicht um sie zu wissen scheint. Seine Madonna ist eine empfindsame Küstersfrau, und Christus erscheint wie ein aufgeklärter Kandidat. Je moralischer seine poetischen Rembrandts sind, desto mittelmäßiger und gemeiner; je komischer, je näher dem Bessern; je dithyrambischer und je kleinstädtischer, desto göttlicher: denn seine Ansicht des Kleinstädtischen ist vorzüglich gottesstädtisch. Seine humoristische Poesie sondert sich im133mer mehr von seiner sentimentalen Prosa; oft erscheint sie gleich eingestreuten Liedern als Episode, oder vernichtet als Appendix das Buch. Doch zerfließen ihm immer noch zu Zeiten gute Massen in das allgemeine Chaos.
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Mirabeau hat eine große Rolle in der Revoluzion gespielt, weil sein Karakter und sein Geist revoluzionär war; Robespierre, weil er der Revoluzion unbedingt gehorchte, sich ihr ganz hingab, sie anbetete, und sich für den Gott derselben hielt; Buonaparte, weil er Revoluzionen schaffen und bilden, und sich selbst annihiliren kann.
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Sollte der jetzige französische Nazionalkarakter nicht eigentlich mit dem Kardinal Richelieu anfangen? Seine seltsame und beynah abgeschmackte Universalität erinnert an viele der merkwürdigsten französischen Phänomene nach ihm.
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Man kann die französische Revoluzion als das größte und merkwürdigste Phänomen der Staatengeschichte betrachten, als ein fast universelles Erdbeben, eine unermeßliche Überschwemmung in der politischen Welt; oder als ein Urbild der Revoluzionen, als die Revoluzion schlechthin. Das sind die gewöhnlichen Gesichtspunkte. Man kann sie aber auch betrachten als den Mittelpunkt und den Gipfel des französischen Nazionalkarakters, wo alle Paradoxien desselben zusammengedrängt sind; als die furchtbarste 134 Groteske des Zeitalters, wo die tiefsinnigsten Vorurtheile und die gewaltsamsten Ahndungen desselben in ein grauses Chaos gemischt, zu einer ungeheuren Tragikomödie der Menschheit so bizarr als möglich verwebt sind. Zur Ausführung dieser historischen Ansichten findet man nur noch einzelne Züge.
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Die erste Regung der Sittlichkeit ist Opposizion gegen die positive Gesetzlichkeit und konvenzionelle Rechtlichkeit, und eine gränzenlose Reizbarkeit des Gemüths. Kommt dazu noch die selbständigen und starken Geistern so eigne Nachlässigkeit, und die Heftigkeit und Ungeschicklichkeit der Jugend, so sind Ausschweifungen unvermeidlich, deren nicht zu berechnende Folgen oft das ganze Leben vergiften. So geschiehts, daß der Pöbel die für Verbrecher oder Exempel der Unsittlichkeit hält, welche für den wahrhaft sittlichen Menschen zu den höchst seltnen Ausnahmen gehören, die er als Wesen seiner Art, als Mitbürger seiner Welt betrachten kann. Wer denkt hiebey nicht an Mirabeau und Chamfort?
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Es ist natürlich, daß die Franzosen etwas dominiren im Zeitalter. Sie sind eine chemische Nazion, der chemische Sinn ist bey ihnen am allgemeinsten erregt, und sie machen ihre Versuche auch in der moralischen Chemie immer im Großen. Das Zeitalter ist gleichfalls ein chemisches Zeitalter. Revoluzionen sind universelle nicht organische, sondern chemische Bewegungen. Der große Handel ist die Chemie der 135 großen Oekonomie; es giebt wohl auch eine Alchemie der Art. Die chemische Natur des Romans, der Kritik, des Witzes, der Geselligkeit, der neuesten Rhetorik und der bisherigen Historie leuchtet von selbst ein. Ehe man nicht zu einer Karakteristik des Universums und zu einer Eintheilung der Menschheit gelangt ist, muß man sich nur mit Notizen über den Grundton und einzelne Maniren des Zeitalters begnügen lassen, ohne den Riesen auch nur silhouettiren zu können. Denn wie wollte man ohne jene Vorkenntnisse bestimmen, ob das Zeitalter wirklich ein Individuum, oder vielleicht nur ein Collisionspunkt andrer Zeitalter sei; wo es bestimmt anfange und endige? Wie wäre es möglich, die gegenwärtige Periode der Welt richtig zu verstehen und zu interpungiren, wenn man nicht wenigstens den allgemeinen Karakter der nächstfolgenden antizipiren dürfte? Nach der Analogie jenes Gedankens würde auf das chemische ein organisches Zeitalter folgen, und dann dürften die Erdbürger des nächsten Sonnenumlaufs wohl bey weitem nicht so groß von uns denken wie wir selbst, und vieles was jetzt bloß angestaunt wird, nur für nützliche Jugendübungen der Menschheit halten.
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Eine sogenannte Recherche ist ein historisches Experiment. Der Gegenstand und das Resultat desselben ist ein Faktum. Was ein Faktum seyn soll, muß strenge Individualität haben, zugleich ein Geheimniß und ein Experiment seyn, nämlich ein Experiment der bildenden Natur. Geheimniß und Mysterie ist alles 136 was nur durch Enthusiasmus und mit philosophischem poetischem oder sittlichem Sinn aufgefaßt werden kann.
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Auch die Sprache begegnet der Sittlichkeit schlecht. Sie ist nirgends so roh und arm, als wo es auf die Bezeichnung sittlicher Begriffe ankommt. Zum Beyspiel nehme ich die drey Karaktere, die sich aus den verschiedenen Verbindungen zwischen Zweck und Mittel konstruiren lassen. Es giebt Menschen, denen unter der Hand alles was sie als Mittel behandeln, zum Zweck wird. Sie widmen sich einer Wissenschaft um ihr Glück zu machen, und werden von den Reizen derselben gefesselt. Sie suchen einen Anhänger derselben auf, und sie fangen an ihn zu lieben. Sie besuchen seine Zirkel um mit ihm zu seyn, und sie werden die leidenschaftlichsten Mitglieder derselben. Sie schreiben, oder treiben schöne Künste, oder kleiden sich besser, um in diesen Zirkeln zu gefallen, und ehe man sich versieht, finden sie unabhängig von Gefallen und Mißfallen in ihren Schreibereyen, in ihrem Kunststudium, in ihrer Eleganz einen innigen Genuß. Dieß ist ein sehr bestimmter Karakter der sich überall leicht erkennen läßt; hat aber die Sprache einen Namen dafür? Ein großer Kreis von verschiedenen Thätigkeiten wird auf diese Art durchlaufen, und die Sprache vergönnt auch ihn deswegen veränderlich oder vielseitig zu nennen: das ist aber nur ein Theil von den Erscheinungen dieser Denkungsart, welchen sie mit manchen andern gemein hat. Menschen 137 von dieser Art machen den endlichen Raum vom gegenwärtigen Augenblick bis zur Erreichung eines gewissen Zweckes zu einer unendlichen und ins Unendliche getheilten Größe. Wem diese Fertigkeit das Endliche als etwas Unendliches zu behandeln, immer liebenswürdig erscheint, möchte sie so nennen: aber dieß ist nur die Beschreibung eines Eindrucks. Für das Wesen dieses Karakters, von dem Interesse für etwas als Mittel in ein unmittelbares Interesse leicht und oft überzugehn, hat die Sprache kein Zeichen. Es giebt andre Menschen, welche den entgegengesetzten Weg gehn, und sehr leicht das, was ihnen anfangs Zweck war, nur als Mittel für etwas andres behandeln; die wenn sie einen Schriftsteller leidenschaftlich gelesen haben, mit einer Karakteristik desselben endigen, wenn sie eine Wissenschaft lange getrieben haben, sich bald zur Philosophie der Wissenschaft erheben, und selbst wenn eine persönliche Anhänglichkeit sie fesselt, in Gefahr sind, eine zärtliche Verbindung als Mittel zu behandeln, um eine neue Ansicht der menschlichen Natur zu gewinnen, oder über die Liebe aus eignen Experimenten zu philosophiren. Nenne mir das Jemand auf Deutsch! Von den Wirkungen und dem Eindruck eines solchen Karakters zu reden, ist wohlfeil: daß es groß ist, das Endliche wegzuwerfen, weil man auf das Unendliche losgeht, daß es originell ist, Schranken umzureißen, wo andere hängen bleiben, neue Bahnen zu eröffnen, wo andere einen geschloßnen Kreis zu sehen glauben, große Leidenschaften in reißendem Fluge zu durchlaufen, und 138 große Kunstwerke gleichsam im Vorbeygehn aufzubaun; denn das sind die natürlichen Aeußerungen eines solchen Karakters, wenn er nicht erlischt; dieß zu mahlen, hat die Sprache nicht Mangel an Worten. Es giebt einen dritten Karakter, der beyde vereinigt, der so lange er einen Zweck vor Augen hat, alles wieder zum Zweck macht, was in das System desselben gehört, bey diesem endlichen Genuß dennoch das Höherstreben nicht vergißt und mitten auf seinen Riesenschritten immer wieder zu jenem zurückkehrt. Er verbindet das Talent, seine eignen Gränzen leicht zu finden, und nichts zu wollen, als was man kann, mit dem, seine Endzwecke mit den Kräften zugleich zu erweitern: die Weisheit und ruhige Resignazion des in sich gekehrten Gemüths, mit der Energie eines äußerst elastischen und expansibeln Geistes, der durch die geringste Oeffnung, die sich darbietet, entweicht, um in einem Augenblick einen weit größern Kreis als den bisherigen auszufüllen. Er macht nie einen vergeblichen Versuch, den erkannten Schranken des Augenblicks zu entweichen, und glüht dabey doch von Sehnsucht, sich weiter auszudehnen; er widerstrebt nie dem Schicksal, aber er fodert es in jedem Augenblick auf, ihm eine Erweiterung seines Daseyns anzuweisen; er hat immer alles im Auge, was ein Mensch nur werden kann und zu werden wünschen mag, aber strebt nie nach etwas, bis der günstige Moment erschienen ist. Daß ein solcher Karakter ein vollendetes praktisches Genie wäre, daß bey ihm alles Absicht und alles Instinkt, alles Willkühr 139 und alles Natur seyn würde, das kann man sagen, aber ein Wort, um das Wesen dieses Karakters zu bezeichnen, wird vergebens gesucht.
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Wie die Novelle in jedem Punkt ihres Seyns und ihres Werdens neu und frappant seyn muß, so sollte vielleicht das poetische Märchen und vorzüglich die Romanze unendlich bizarr seyn; denn sie will nicht bloß die Fantasie interessiren, sondern auch den Geist bezaubern und das Gemüth reizen; und das Wesen des Bizarren scheint eben in gewissen willkührlichen und seltsamen Verknüpfungen und Verwechslungen des Denkens, Dichtens und Handelns zu bestehn. Es giebt eine Bizarrerie der Begeisterung, die sich mit der höchsten Bildung und Freyheit verträgt, und das Tragische nicht bloß verstärkt, sondern verschönert und gleichsam vergöttlicht; wie in Goethe’s Braut von Korinth, die Epoche in der Geschichte der Poesie macht. Das Rührende darin ist zerreißend und doch verführerisch lockend. Einige Stellen könnte man fast bürlesk nennen, und eben in diesen erscheint das Schreckliche zermalmend groß.
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Es giebt unvermeidliche Lagen und Verhältnisse, die man nur dadurch liberal behandeln kann, daß man sie durch einen kühnen Akt der Willkühr verwandelt und durchaus als Poesie betrachtet. Also sollen alle gebildete Menschen im Nothfalle Poeten seyn können, und daraus läßt sich ebenso gut folgern, daß der 140 Mensch von Natur ein Poet sey, daß es eine Naturpoesie gebe, als umgekehrt.
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Opfre den Grazien, heißt, wenn es einem Philosophen gesagt wird, so viel als: Schaffe dir Ironie und bilde dich zur Urbanität.
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Bey manchen, besonders historischen Werken von Umfang, die im einzelnen überall sehr anziehend und schön geschrieben sind, empfindet man dennoch im ganzen eine unangenehme Monotonie. Um dieß zu vermeiden, mußte Kolorit und Ton und selbst der Styl sich verändern und in den verschiedenen großen Massen des Ganzen auffallend verschieden seyn, wodurch das Werk nicht bloß mannichfaltiger, sondern auch systematischer werden würde. Es leuchtet ein, daß eine solche regelmäßige Abwechslung nicht das Werk des Zufalls seyn könne, daß der Künstler hier ganz bestimmt wissen müsse, was er wolle, um es machen zu können; aber es leuchtet auch ein, daß es voreilig sey, die Poesie oder die Prosa Kunst zu nennen, ehe sie dahin gelangt sind, ihre Werke vollständig zu konstruiren. Daß das Genie dadurch überflüssig gemacht werde, steht nicht zu besorgen, da der Sprung vom anschaulichsten Erkennen und klaren Sehen dessen, was hervorgebracht werden soll, bis zum Vollenden immer unendlich bleibt.
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Das Wesen des poetischen Gefühls liegt vielleicht darin, daß man sich ganz aus sich selbst affi141ciren, über Nichts in Affekt geraten und ohne Veranlassung fantasiren kann. Sittliche Reizbarkeit ist mit einem gänzlichen Mangel an poetischem Gefühl sehr gut vereinbar.
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Soll denn die Poesie schlechthin eingetheilt seyn? oder soll sie die eine und untheilbare bleiben? oder wechseln zwischen Trennung und Verbindung? Die meisten Vorstellungsarten vom poetischen Weltsystem sind noch so roh und kindisch, wie die ältern vom astronomischen vor Kopernikus. Die gewöhnlichen Eintheilungen der Poesie sind nur todtes Fachwerk für einen beschränkten Horizont. Was einer machen kann, oder was eben gilt, ist die ruhende Erde im Mittelpunkt. Im Universum der Poesie selbst aber ruht nichts, alles wird und verwandelt sich und bewegt sich harmonisch; und auch die Kometen haben unabänderliche Bewegungsgesetze. Ehe sich aber der Lauf dieser Gestirne nicht berechnen, ihre Wiederkunft nicht vorherbestimmen läßt, ist das wahre Weltsystem der Poesie noch nicht entdeckt.
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Einige Grammatiker scheinen den Grundsatz des alten Völkerrechts, daß jeder Fremde ein Feind sey, in die Sprache einführen zu wollen. Aber ein Autor, der auch ohne ausländische Worte fertig zu werden weiß, wird sich immer berechtigt halten dürfen, sie zu brauchen, wo der Karakter der Gattung selbst ein Kolorit der Universalität fodert oder wünscht; und ein historischer Geist wird sich immer für alte Worte, 142 die so oft nicht bloß mehr Erfahrung und Verstand, sondern auch mehr Lebenskraft und Einheit haben, als viele sogenannte Menschen oder Grammatiker, mit Ehrfurcht und Liebe interessiren und sie bey Gelegenheit gern verjüngen.
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Ganz ohne Rücksicht auf den Inhalt ist der Fürstenspiegel sehr schätzbar als ein Muster des guten Tons in geschriebner Konversazion, wie die deutsche Prosa nur wenige aufzuweisen hat, aus denen der Autor, der die Philosophie und das gesellschaftliche Leben en rapport setzen will, lernen muß, wie man das Dekorum der Konvenzion zum Anstand der Natur adelt. So sollte eigentlich jeder schreiben können, der Veranlassung findet, etwas drucken zu lassen, ohne darum eben ein Autor seyn zu wollen.
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Wie kann eine Wissenschaft auf wissenschaftliche Strenge und Vollendung Anspruch machen, die meistens in usum delphini oder nach dem System der gelegenheitlichen Ursachen angeordnet und eingetheilt ist, wie die Mathematik?
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Urbanität ist der Witz der harmonischen Universalität, und diese ist das Eins und Alles der historischen Philosophie und Platos höchste Musik. Die Humaniora sind die Gymnastik dieser Kunst und Wissenschaft.
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143 Eine Karakteristik ist ein Kunstwerk der Kritik, ein visum repertum der chemischen Philosophie. Eine Rezension ist eine angewandte und anwendende Karakteristik, mit Rücksicht auf den gegenwärtigen Zustand der Litteratur und des Publikums. Übersichten, litterarische Annalen sind Summen oder Reihen von Karakteristiken. Parallelen sind kritische Gruppen. Aus der Verknüpfung beyder entspringt die Auswahl der Klassiker, das kritische Weltsystem für eine gegebne Sphäre der Philosophie oder der Poesie.
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Alle reine uneigennützige Bildung ist gymnastisch oder musikalisch; sie geht auf Entwicklung der einzelnen und auf Harmonie aller Kräfte. Die Griechische Dichotomie der Erziehung ist mehr als eine von den Paradoxien des Alterthums.
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Liberal ist wer von allen Seiten und nach allen Richtungen wie von selbst frey ist und in seiner ganzen Menschheit wirkt; wer alles, was handelt, ist und wird, nach dem Maß seiner Kraft heilig hält, und an allem Leben Antheil nimmt, ohne sich durch beschränkte Ansichten zum Haß oder zur Geringschätzung desselben verführen zu lassen.
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Philosophische Juristen nennen sich auch solche, die neben ihren andern Rechten, die oft so unrechtlich sind, auch ein Naturrecht haben, welches nicht selten noch unrechtlicher ist.
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144 Die Dedukzion eines Begriffs ist die Ahnenprobe seiner ächten Abstammung von der intellektuellen Anschauung seiner Wissenschaft. Denn jede Wissenschaft hat die ihrige.
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Es pflegt manchem seltsam und lächerlich aufzufallen, wenn die Musiker von den Gedanken in ihren Composizionen reden; und oft mag es auch so geschehen, daß man wahrnimmt, sie haben mehr Gedanken in ihrer Musik als über dieselbe. Wer aber Sinn für die wunderbaren Affinitäten aller Künste und Wissenschaften hat, wird die Sache wenigstens nicht aus dem platten Gesichtspunkt der sogenannten Natürlichkeit betrachten, nach welcher die Musik nur die Sprache der Empfindung seyn soll, und eine gewisse Tendenz aller reinen Instrumentalmusik zur Philosophie an sich nicht unmöglich finden. Muß die reine Instrumentalmusik sich nicht selbst einen Text erschaffen? und wird das Thema in ihr nicht so entwickelt, bestätigt, variirt und konstrastirt, wie der Gegenstand der Meditazion in einer philosophischen Ideenreihe?
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Die Dynamik ist die Größenlehre der Energie, welche in der Astronomie auf die Organisazion des Universums angewandt wird. Insofern könnte man beyde eine historische Mathematik nennen. Die Algebra erfordert am meisten Witz und Enthusiasmus, nämlich mathematischen.
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145 Der konsequente Empirismus endigt mit Beyträgen zur Ausgleichung der Misverständnisse oder mit einer Subskripzion auf die Wahrheit.
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Die unächte Universalität ist entweder theoretisch oder praktisch. Die theoretische ist die Universalität eines schlechten Lexikons, einer Registratur. Die praktische entsteht aus der Totalität der Einmischung.
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Die intellektualen Anschauungen der Kritik sind das Gefühl von der unendlich feinen Analyse der Griechischen Poesie und das von der unendlich vollen Mischung der Römischen Satire und der Römischen Prosa.
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Wir haben noch keinen moralischen Autor, welcher den Ersten der Poesie und Philosophie verglichen werden könnte. Ein solcher müßte die erhabene antiquarische Politik Müllers mit Forsters großer Oekonomie des Universums und mit Jacobis sittlicher Gymnastik und Musik verknüpfen, und auch in der Schreibart den schweren, ehrwürdigen und begeisterten Styl des ersten, mit dem frischen Kolorit, der liebenswürdigen Zartheit des zweyten, und mit der überall wie ferne Harmonika der Geisterwelt antönenden gebildeten Fühlbarkeit des dritten verbinden.
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Rousseau’s Polemik gegen die Poesie ist doch nur eine schlechte Nachahmung des Plato. Plato hat es mehr gegen die Poeten als gegen die Poesie; er hielt 146 die Philosophie für den kühnsten Dithyrambus und für die einstimmigste Musik. Epikur ist eigentlicher Feind der schönen Kunst: denn er will die Fantasie ausrotten und sich bloß an den Sinn halten. Auf eine ganz andre Art könnte Spinosa ein Feind der Poesie scheinen; weil er zeigt, wie weit man mit Philosophie und Moralität ohne Poesie kommen kann, und weil es sehr im Geist seines Systems liegt, die Poesie nicht zu isoliren.
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Universalität ist Wechselsättigung aller Formen und aller Stoffe. Zur Harmonie gelangt sie nur durch Verbindung der Poesie und der Philosophie: auch den universellsten vollendetsten Werken der isolirten Poesie und Philosophie scheint die letzte Synthese zu fehlen; dicht am Ziel der Harmonie bleiben sie unvollendet stehn. Das Leben des universellen Geistes ist eine ununterbrochne Kette innerer Revoluzionen; alle Individuen, die ursprünglichen, ewigen nämlich leben in ihm. Er ist echter Polytheist und trägt den ganzen Olymp in sich.
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