Frage: Das Adverb nichtsdestotrotz höre und lese ich in letzter Zeit immer häufiger in standardsprachlichen, durchaus ernst gemeinten Zusammenhängen. Ich glaube mich aber zu erinnern, dass es eine scherzhafte Bildung von Heinz Erhardt (irgendjemand behauptete auch einmal: von Kurt Tucholsky) ist, die sich als solche eben nicht für seriöse Texte eignet.

Antwort: Bei Tucholsky (und ebenso bei Karl Kraus, an den man in Zusammenhängen wie diesem gleichfalls denken könnte) findet sich für nichtsdestotrotz kein einziger Beleg; Tucholsky verwendet an einer Stelle nichtsdestoweniger und an einer anderen die französische Entsprechung néanmoins, Kraus hat zweimal nichtsdestoweniger.
    Demgegenüber ist in der Tat die Auffassung verbreitet, der Komiker Heinz Erhardt habe das Wort als scherzhafte Mischbildung (linguistisch gesprochen: Kontamination) von nichtsdestoweniger und trotzdem geprägt. Das zehnbändige Duden-Wörterbuch erklärt nichtsdestotrotz auf eben diese Weise – allerdings ohne Nennung Heinz Erhardts.
    Ein Erhardt-Beleg ist auch mir leider nicht verfügbar, so dass ich die Annahme nicht überprüfen kann. Es ist freilich keineswegs auszuschließen, dass die Vermutung zutrifft, er habe nichtsdestotrotz populär gemacht. Dass er das Wort als Erster gebraucht hat, ist aber sicherlich nicht zutreffend. Denn bereits 1908 ist es in der Zeitschrift Ost und West (Jahrgang 8, Heft 11) nachweisbar: »nichtsdestotrotz liessen sich […] einige Angaben […] berichtigen«. Auf der Titelseite der Zeit (Nr. 22/1952) verwendet es Marion Gräfin Dönhoff (»nichtsdestotrotz […] drohte ihm die Besatzungsbehörde mit erneuter Verhaftung«).
    Ebenso wie diese beiden Zitate lässt auch die große Masse der mir vorliegenden Belege (es handelt sich insgesamt um mehrere Tausend) erkennen, dass nichtsdestotrotz seit vielen Jahren tatsächlich als Eins-zu-eins-Entsprechung der älteren Adverbien nichtsdestoweniger und nichtsdestominder gebraucht wird. Im Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (Bd. 7, erschienen 1889) liest man über diese beiden Wörter, dass sie dem lateinischen nihilominus bzw. dem französischen néanmoins nachgebildet sind und zur nachdrücklichen Hervorhebung eines Adversativsatzes dienen, ebenso wie trotzdem, dessenungeachtet und gleichwohl. Nichtsdestotrotz ist im Grimm nicht verzeichnet.
    Will man rein quantitativ argumentieren, so muss man feststellen, dass nichtsdestotrotz in der heutigen deutschen Sprache durchaus gebräuchlich ist. Wer allerdings Sprachgefühl erkennen lassen will oder (z. B. aus beruflichen Gründen) erkennen lassen sollte, der ist wohl gut beraten, die im Duden, aber auch im Wahrig verzeichnete Markierung »scherzhaft, umgangssprachlich« ernst zu nehmen.