Frage: Heißt es Umhorter oder Umhorder? Gemeint ist ein Gerät, das Silizium-Wafer von einem so genannten Wafer-Carrier in einen anderen – tja: umhortet/umhordet. D. h., die Silizium-Wafer werden von einem Carrier in den anderen geschoben. Silizium-Wafer sind etwa 0,6 mm dicke, annähernd runde Silizium-Scheiben. Sie werden zu je 25 Stück in einem Carrier aufbewahrt. Mitunter benötigt man jedoch Spezialcarrrier für bestimmte Arbeitsgänge. Dann muss eben umgehortet/-hordet werden. Seit Bestehen dieser Fertigung hier in unserem Werk in Reutlingen gibt es einen wahren Schreib-Wildwuchs: Umhorter (von horten ›sammeln‹), Umhorder (von Horde ›wilde Herde‹), Umhoarder (von engl. to hoard) etc. Könnten Sie klären, was richtig ist?
Antwort: Eine solche fachsprachliche Frage kann der Linguist (der zugegebenermaßen von dem Wort ebenso wie von der Sache zum ersten Mal hört) nicht beantworten, ohne den Rat eines Experten einzuholen. Dies haben wir getan und daraufhin folgende ausführliche Auskunft erhalten:
„Der Ausdruck Horde im Bereich Halbleiter ist synonym zu dem im Maschinenbau gebräuchlicheren
Ausdruck Los zu verstehen. Er beschreibt eine zumindest organisatorisch, teils technisch zusammengehörige
Gruppe von Werkstücken, die gleichzeitig in einer Maschine bearbeitet oder gleichzeitig einer Maschine zugeführt
werden, um mit denselben Prozessparametern behandelt zu werden. Die übertragene Verwendung von Horde
(›Gruppe von Menschen, Volksstamm‹) leuchtet ein, da die Wafer alle dasselbe erlebt und dieselbe
Historie haben. Es muss daher Umhorder heißen, da die gesamte Horde von einem Kassettentyp in einen
anderen umgelagert wird. Der Ausdruck Horde bei Halbleitern kann meiner Erfahrung nach sowohl für das Los
Wafer (12 bzw. 25 Stück) als auch für die Kassette, in der sich das Los befindet, verwendet werden. Die Horde
wurde dabei historisch über die ID der Kassette, der einzelne Wafer über die Horden-ID und den Slotplatz in
der Horde definiert (Bauteilrückverfolgung). Heute wird in vielen Prozessen Einzelwaferverfolgung durch eine ID
auf dem Wafer durchgeführt.
Die Schreibung Umhorter habe ich noch nie gelesen. Man hortet keine
Werkstücke, sondern puffert, lagert oder stapelt sie. Man würde allerdings auch nicht sagen,
man hordet sie. Man teilt sie einer Horde oder einem Los zu bzw. bearbeitet
sie als Horde. Die Horde als solche kann man dann umhorden mit einem Umhorder. —
Interessant ist, dass der Ausdruck ziemlich halbleiterspezifisch, aber auch gebräuchlich im Bereich Solarwafer ist.
Von einem Los Handbremshebel würde man nie sagen: umlosen. Ein Los würde man ummagazinieren,
umpacken von einem Magazin/einer Kassette in ein anderes.“
Ergänzen lässt sich aus sprachwissenschaftlicher Sicht noch Folgendes: Das Wort Horde kommt von mongolisch ordu, was ›Lager, Heerlager, Volksstamm‹ bedeutet und über das Türkische zur Zeit der Türkenkriege ins Deutsche gelangt ist). Demgegenüber geht das Verb horten (ebenso wie englisch to hoard ›anhäufen, sammeln, hamstern‹) auf eine indoeuropäische Wurzel *(s)keu (›bedecken, umhüllen‹) zurück, das auch den deutschen Substantiven Scheune, Haus und Hose zugrunde liegt. Der Hort (›Schatz, Gold‹, in neuerer Zeit auch ›Einrichtung zur ganztägigen Betreuung schulpflichtiger Kinder‹) ist also ursprünglich das Umschlossene, Verborgene, sicher Aufbewahrte; das Wort hat mit dem ähnlich klingenden und ähnlich geschriebenen Substantiv Horde nicht das Geringste zu tun.