[1]
Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (
21793), 1671
: Die Bewegung ist den Thieren[1] eigen. Verstand ist den Geistern[32; 1?] eigen.
[2]
Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 154
: Es müßte der dunkelste Schwärmer oder ein Vieh, der abstrakteste Götterseher oder eine träumende Monade seyn, der ganz ohne Worte[2] dächte. Und in der menschlichen Seele ist, wie wir selbst in Träumen und bei Verrükten sehen, kein solcher Zustand möglich. So kühn es klinge so ists wahr - der Mensch[1] empfindet mit dem Verstande und spricht, indem er denket[.] ➢ Volltext
[3]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 484
: Begriff[1], beruht auf derjenigen Fertigkeit des Verstandes, mittelst welcher es uns möglich wird, das durch die Sinne[4] Wahrgenommene in erneuter Form, als Einheit, Bild, auf dem Spiegel der Seele erscheinen zu lassen. Des Begriffs[1] mütterlicher Beistand ist das Vorstellungsvermögen; je lebhafter dieses ist, desto schneller und klarer wird der Verstand abstrahiren und die Resultate liefern, wozu jenes die Materialien sammelt [...].
[4]
Kant, Crit. rein. Vern. (
21787), 33
: Die Fähigkeit, (Receptivität) Vorstellungen durch die Art, wie wir von Gegenständen afficirt werden, zu bekommen, heißt Sinnlichkeit. Vermittelst der Sinnlichkeit also werden uns Gegenstände gegeben, und sie allein liefert uns Anschauungen; durch den Verstand aber werden sie gedacht, und von ihm entspringen Begriffe[1]. Alles Denken aber muß sich, es sey geradezu (directe), oder im Umschweife (indirecte), vermittelst gewisser Merkmale, zuletzt auf Anschauungen, mithin, bey uns, auf Sinnlichkeit beziehen, weil uns auf andere Weise kein Gegenstand gegeben werden kann.
[5]
Kant, Crit. rein. Vern. (
21787), 75
: Wollen wir die Receptivität unseres Gemüths, Vorstellungen zu empfangen, so fern es auf irgend eine Weise afficirt wird, Sinnlichkeit nennen: so ist dagegen das Vermögen, Vorstellungen selbst hervorzubringen, oder die Spontaneität des Erkenntnisses[3], der Verstand. Unsre Natur[1] bringt es so mit sich, daß die Anschauung niemals anders als sinnlich seyn kann, d. i. nur die Art enthält, wie wir von Gegenständen afficirt werden. Dagegen ist das Vermögen, den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu denken, der Verstand. Keine dieser Eigenschaften ist der andern vorzuziehen. Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe[1] sind blind. Daher ist es eben so nothwendig, seine Begriffe[1] sinnlich zu machen, (d. i. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beyzufügen,) als seine Anschauungen sich verständlich zu machen (d. i. sie unter Begriffe[1] zu bringen). Beide Vermögen, oder Fähigkeiten, können auch ihre Functionen nicht vertauschen. Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne[4] nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Er〈76〉kenntniß[2] entspringen.
[6]
Adelung, Gramm.-krit. Wb. IV (
21801), 1101 (2)
: Die Vernunft[1], [...] die freye, von dem Körper nicht abhängige Vorstellungskraft der Seele, zum Unterschiede von der sinnlichen Erkenntnißkraft; oder nach andern, das Vermögen, den Zusammenhang mehrerer Dinge einzusehen, zu urtheilen und zu schließen, welches doch nur ein höherer Grad, oder eine nähere Anwendung der Vernunft[1] ist. Die Vernunft[1] ist das innere Unterscheidungsmerkmahl des Menschen von den Thieren[1], so wie es die Sprache[1] von außen ist. Verstand ist das Vermögen zu deutlichen Vorstellungen oder allgemeiner Erkenntniß, von welchem die Vernunft[1] nur ein höherer Grad ist, ob gleich beyde im gemeinen Leben häufig mit einander verwechselt werden..
[7]
Adelung, Gramm.-krit. Wb. IV (
21801), 1146
: Der Verstand[4], [...] das Vermögen, die Fähigkeit, einen andern zu verstehen, welche erste und eigentliche Bedeutung noch im gemeinen Leben häufig ist, in welcher denn auch den Thieren[1] Verstand[4] zukommt. In weiterer Bedeutung ist der Verstand[6] das Vermögen zu erkennen, so daß es auch die Sinne[4] und Einbildungskraft mit unter sich begreift, und den Thieren[1] gleichfalls zukommt. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist es das Vermögen, deutliche Begriffe[1] zu haben; in welchem Falle der Verstand[2] nur vernünftigen Geschöpfen allein zukommt, sich aber von der Vernunft[1] in engerm Verstande[7] hinlänglich unterscheidet..
[8]
A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 50
: Der Mensch kann [...] die Natur[2] als Stoff für seine Einbildungskraft und sein Erkenntnißvermögen behandeln; und obgleich beide Ansichten ursprünglich eine sind, und am Ende wieder zusammenfallen; so giebt es doch einen großen Zeitraum, in welchem beide geschieden sind, und in welchem Poesie[7] und Spekulation sich gradezu entgegen gesetzt werden. Auch die Poesie[7] und die Spekulation, Dichten und Denken, hat zwei Epochen; entweder wir ahnden[1] nur die Freiheit[10], welche diese Operationen begleitet, oder wir sind uns derselben deutlich bewußt. Die Poesie[7] producirt nun Bilder, der Verstand Begriffe[1], und diese beiden Produktionen befassen wir unter dem Namen der freien Vorstellungen. Aus diesen entsteht aber das Correlat, die freien Darstellungen, von welchen eine Art als Darstellungsstoff auch den artikulirten Ton[1] wählen kann, wodurch dann freie Sprachdarstellungen als Produkte hervorgehen. ➢ Volltext.
[9]
G. Forster, Leitfad. Gesch. d. Menschh. (1789), 282
: Nur solche Völker[1], die in ihrer früheren Periode der Wollust glücklich entgangen, und in den Armen der Freiheit[6] zu männlicher Stärke herangewachsen sind, können und müssen zulezt den höchsten Gipfel der Bildung[5] ersteigen, wo die ganze Energie unseres Wesens sich in den feineren Werkzeugen der Empfindung und des Verstandes am thätigsten erweiset. Nur dreimal, nur in Europa, und jedesmal in anderer Gestalt erblickte die Welt das Schauspiel dieser lezten Ausbildungsstufe. Einzig und unerreichbar erhob Athen zuerst ihr stolzes Haupt, da blühende Fantasie[1] und reiner Schönheitssinn in ihr die Erstlinge der Kunst[2] und Wissenschaft[1] erzeugten. Rom war nicht mehr frei[6], und die Beute der halben Welt hatte daselbst bereits das zügelloseste Sittenverderbniß angezündet, als es die Trümmer attischer Kultur[4] in seinem Schooß aufnahm, und glänzender durch Ueppigkeit als durch hohen Schwung des Genies[2], für seine künftigen Ueberwinder sie aufbewahrte. Schon war der sanfte Frühlingszauber von Duft und Blüte dahin, und die Periode römischer Aufklärung glich einem schwülen Sommertage, den am Abend ein Donnerwetter beschließt. Uns endlich, der Nachkommenschaft eines glücklichorganisirten Barbarenstammes, bei dem hernach das romantische[2/7] Feuer des Rittergeistes so schön[6] aufloderte, uns bleibt der Herbst mit seinen reifen Früchten noch übrig; wir ernten und keltern und füllen unsere 〈283〉 Scheuren, der Himmel weis, für welchen bevorstehenden Winter!.
[10]
Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 24
: Alle Thiere[1], bis auf den stummen Fisch, tönen ihre Empfindung; deswegen aber hat doch kein Thier[1], selbst nicht das vollkommenste, den geringsten, eigentlichen Anfang zu einer menschlichen Sprache[2]. Man bilde und verfeinere und organisire[7] dies Geschrei, wie man wolle; wenn kein Verstand dazu kommt, diesen Ton mit Absicht zu brauchen: so sehe ich nicht, wie [...] je menschliche, willkührliche Sprache[2] werde? ➢ Volltext.
[11]
Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 73
: Bei den Morgenländern ists der gewöhnlichste Idiotismus geworden, das Anerkennen einer Sache Namengebung zu nennen: denn im Grunde der Seele sind beide Handlungen[1] Eins. Sie nennen den Menschen[1] das redende Thier[2], und die unvernünftigen Thiere[2] die Stummen: der Ausdruck ist sinnlich Charakteristisch[2]: und das griechische[5] ἄλογος fasset beides. Es wird so nach die Sprache[1] ein natürliches[3] Organ[1] des Verstandes, [...] wie sich [...] der Instinkt der Biene seine Zelle bauet. | [...] Ich kann nicht den ersten menschlichen Gedanken denken, nicht das Erste besonnene Urtheil reihen, ohne daß 〈74〉 ich in meiner Seele dialogire oder zu dialogiren strebe; der erste menschliche Gedanke bereitet also seinem Wesen nach, mit andern dialogiren zu können! Das erste Merkmal, was ich erfasse, ist Merkwort für mich, und Mittheilungswort für andre! ➢ Volltext.
[12]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. X (1838), 116 f.
: Eigentliche Vernunft[1] mangelt den Thieren[1]; doch ihre Gelehrigkeit, ihr[e] sich dem menschlichen Verstande so oft annähernde Entwickelungsfähigkeit sind durch viele der merkwürdigsten Beispiele hinlänglich documentirt. Die eigentliche thierische Vernunft[2] dagegen, d. i. das Vermögen, ohne eigne Ueberlegung gerade das Richtige zu ergreifen, wird Instinkt genannt. Mit diesem verwandt ist der Kunsttrieb, jene thierische Aeußerung, welche einen Stoff außer sich handhabt und, wie beim Nestbauen, einen bestimmten Gebrauch davon macht, um ihn zu ihren Zwecken zu benutzen. Und wie mannichfaltig ist nicht dieser Kunsttrieb und Instinkt, der Bau und die Gestalt der 〈117〉 Thiere[1]!.
[13]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. X (1838), 335
: Verstand, das Vermögen zu denken, oder aus Vorstellungen Begriffe[1] zu bilden, diese im Urtheile als ihrem Brennpunkte zu vereinen und daraus Schlüsse zu ziehen..
[14]
Kant, Crit. rein. Vern. (
21787), 169
: Die allgemeine Logik ist über einem Grundrisse erbauet, der ganz genau mit der Eintheilung der oberen Erkenntnißvermögen zusammentrifft. Diese sind: Verstand[2], Urtheilskraft und Vernunft[2]. Jene Doctrin handelt daher in ihrer Analytik von Begriffen[1], Urtheilen und Schlüssen, gerade den Functionen und der Ordnung jener Gemüthskräfte gemäß, die man unter der weitläuftigen Benennung des Verstandes[6] überhaupt begreift. ➢ Volltext.
[15]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (
21793), 203
: Der Geschmack ist, so wie die Urtheilskraft überhaupt, die Disziplin (oder Zucht) des Genie's[2], beschneidet diesem sehr die Flügel und macht es gesittet oder geschliffen; zugleich aber giebt er diesem eine Leitung, worüber und bis wie weit es sich verbreiten soll, um zweckmäßig zu bleiben; und, indem er Klarheit und Ordnung in die Gedankenfülle hineinbringt, macht er die Ideen haltbar, eines daurenden zugleich auch allgemeinen Beyfalls, der Nachfolge anderer, und einer immer fortschreitenden Cultur[3], fähig. Wenn also im Widerstreite beiderlei Eigenschaften an einem Producte etwas aufgeopfert werden soll, so müßte es eher auf der Seite des Genie's[2] geschehen: und die Urtheilskraft, welche in Sachen der schönen[2] Kunst[1] aus eigenen Principien den Ausspruch thut, wird eher der Freyheit[5] und dem Reichthum der Einbildungskraft, als dem Verstande Abbruch zu thun erlauben..
[16]
Koch, Compos. II (1787), 40 f. (41)
: Der zweyte Abweg, für welchem ich euch warnen will, besteht in einem der Absicht der Tonkunst schädlichen Witze[1]. [...] Sehet da einen Wink, den sich angehende Componisten besonders zu Nutze machen müssen, weil dieses Uebel sich auch in die Tonkunst einzuschleichen versucht hat. [...] Einmal hat man gesucht charakteristische[2] Tonstücke einzuführen, deren Charakteristisches[2] nicht Empfindung, sondern Spielwerk für den 〈41〉 Verstand ist. Was thut der Componist der z. B. durch ein Instrumentalstück den Zerstreuten vorstellt? Das Charakteristische[2] seines Tonstücks besteht in etwas äusserlichen; er verbindet Theile zusammen, die eigentlich nicht zusammen gehören; er macht einen ungeraden Rythmus wo wir einen geraden vermuthen, er verwechselt die weiche Tonart ohne Ursache mit der harten, u. s. w. Darinne besteht also das Charakteristische[2] solcher Tonstücke. Wird nun vielleicht (weil der Componist auf keine Empfindung dabey auszugehen scheint) doch wenigstens durch ein solches Stück der Geist[22] des Zuhörers beschäftiget, wird er vielleicht das Vergnügen haben, zu errathen, was der Componist hat vorstellen wollen? Nein, dieses werden die Zuhörer niemals im Stande seyn; daher sucht man es ihnen dadurch im voraus bekannt zu machen, daß man das Charakteristische[2] eines solchen Tonstücks auf den Umschlag und über die Stimmen[10] schreibt. Auf diese Art malt man in der Tonkunst Hypochondristen und Singuhren, Donnerwetter und verliebte Zänkereyen u. d. gl. Anstatt also mit der Kunst[10] auf das Herz zu würken, sucht man den Verstand der Zuhörer mit Witz[1] zu beschäftigen..
[17]
Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 71 f. (72)
: Die Fähigkeit zu allen süßen, allen traurigen Empfindungen ruht in der Kindheit noch unentwickelt in dem kleinen Herzen, und es empfindet da bei der einfachsten Veranlassung noch ungetheilt, alles, was es jemals, vertheilt, bei den mannigfaltigsten Eindrücken zu fühlen vermag. Jedes Bild tritt neu[1] und ungetrübt vor die jugendliche Phantasie[1], und der lebendige Eindruck ergießt sich mit sanfter Gewalt durch alle Saiten des erwachenden Gefühls. Deshalb umfaßt es die kleine Welt, die es umgibt, mit einer Innigkeit, die sich nicht durch Worte[2] ausdrücken kann. Die liebliche Magie der Unerfahrenheit überwebt Ursprung und Ende jeder schönen[1] Empfin〈72〉dung wie mit einer Wolke, daß sie auf einmal in ihrer ganzen Fülle dasteht, unbegreiflich und mächtig wie das Erscheinen einer Gottheit. Dies alles verschwindet, wenn der reifer gewordne Verstand, nun heller um sich schaut, und den leisen Gang der Eindrücke die das Saitenspiel des Herzens bewegen, zu verfolgen vermag. – Aber, Julie, giebt es keine Zeit[3] im Leben, wo diese jugendliche Begeisterung[1] in ihrer ganzen Stärke und Einheit, nur noch inniger, schöner[1], heiliger zurückkehrt? und welche Zeit[3] kann dies anders sein, als die, wo wir lieben?.
[18]
A. Müller, Beredsamk. (
!1812; 1816), 5 f. (6)
: Die gesammte deutsche Literatur zerfällt in zwei Theile: der Eine und bei weitem größere Teil 〈6〉 begreift die wissenschaftlichen, die Lehrbücher; in diesen zeigen sich Redner, die eigentlich niemanden anreden, sondern in sich selbst hineinsprechen. Während man nämlich in den wissenschaftlichen Werken der Franzosen, z. B. eines Montesquieu, Büffon, d'Alembert oder Diderot, oder auch in denen der Italiäner ganz deutlich im Lesen fühlt, daß man angeredet wird, daß der Autor einen bestimmten Menschen von Fleisch und Bein vor sich hat, den er überreden, den er überzeugen will; während die leichteste Flugschrift der Engländer, wenn es sich nur irgend thun lassen will, an einen bestimmten Menschen, an eine bestimmte Gemeinde oder Korporation gerichtet wird; während die abstraktesten Werke der Alten unser Ohr[3] bezaubern und uns zum Gespräche wohlthuend einladen, weil sie für ein lebendiges Ohr[3] geschrieben sind; während nach dem Ausdruck des Quintilian und dem Gefühle der Alten kein Wort[2] zur Audienz der innern Empfindung oder des Verstandes gelangen konnte, welches im Vorzimmer des Ohrs[3] beleidigt hätte, – baut der deutsche Gelehrte ein Gebäude von Chiffern, sinnreich, aber einsam, unerwärmend, unerfreulich, ohne Antwort oder Erwiederung von irgend einer Seite her!.
[19]
Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 251, Nr. 69
: Am Ende ist die ganze Mathemat[ik] gar keine besondre Wissenschaft[2] – sondern nur ein allgem[ein] wissenschaftliches Werckzeug [...]. Sie ist vielleicht nichts, als die exoterisirte, zu einem äußern Object und Organ[1], gemachte Seelenkraft des Verstandes – ein realisirter und objectivirter Verstand. Sollte dieses vielleicht mit mehreren und vielleicht allen Seelenkräften der Fall seyn – daß sie durch unsre Bemühungen, äußerliche Werckzeuge werden sollen?.
[20]
Schiller, Schaubühne (1785), NA 20, 90
: Unsre Natur[1], gleich unfähig, länger im Zustand des Thiers[10] fortzudauren, als die feinern Arbeiten des Verstands fortzusezen, verlangte einen mittleren Zustand, der beide widersprechenden Enden vereinigte, die harte Spannung zu sanfter Harmonie herabstimmte, und den wechselsweisen Uebergang eines Zustands in den andern erleichterte. Diesen Nuzen leistet überhaupt nun der ästhetische Sinn[5], oder das Gefühl für das Schöne[1]..
[21]
F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 32 ff. (34)
: Schon in den frühesten Zeitaltern der Europäischen Bildung[5] finden sich unverkennbare Spuren des künstlichen Ursprungs der 〈33〉 modernen[1] Poesie[11]. Die Kraft, der Stoff war zwar durch Natur[13] gegeben: das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2] war aber nicht der Trieb, sondern gewisse dirigirende Begriffe[1] [...]. Selbst der individuelle Charakter[1] dieser Begriffe[1] war durch Umstände veranlaßt, und durch die äußre Lage nothwendig bestimmt. Daß aber der Mensch[1] nach diesen Begriffen[1] sich selbst bestimmte, den gegebnen Stoff ordnete, und die Richtung seiner Kraft determi〈34〉nierte; das war ein freyer[10] Aktus des Gemüths. Dieser Aktus ist aber eben der ursprüngliche Quell, der erste bestimmende Anstoß der künstlichen Bildung[2], welcher also mit vollem Recht der Freyheit[10] zugeschrieben wird. Die Phantasterey der Romantischen[12] Poesie[11], hat nicht etwa wie Orientalischer[1] Bombast eine abweichende Naturanlage zum Grunde. Es sind vielmehr abenteuerliche[3] Begriffe[1], durch welche eine an sich glückliche, dem Schönen[2] nicht ungünstige Phantasie[1] eine verkehrte Richtung genommen hatte. Sie stand also unter der Herrschaft von Begriffen[1]; und so dürftig und dunkel diese auch seyn mochten, so war doch der Verstand das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2]..
[22]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 179 ff. (181)
: [Der Goethe'sche Wilhelm Meister] eröffnet eine ganz neue[1] endlose Aussicht auf das, was die höchste Aufgabe aller Dichtkunst zu seyn scheint, die Harmonie des Classischen[3/5/6?] und Romantischen[4/6/8/9?]. [...] 〈180〉 [...] Cervantes und Shakspeare [...] sind [...] die einzigen, mit denen Goethe's Universalität eine Vergleichung zuläßt. [...] Nur ist Goethe's Kunst[2] durchaus progressiv[6/3] [...]. | Goethe hat sich [...] zu einer Höhe der Kunst[2] heraufgearbeitet, welche zum erstenmal die ganze Poesie[17] der Alten[10] und der Modernen[1] umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens enthält. | Der Geist[14], der jetzt rege ist, muß auch diese Richtung nehmen, und so wird es, dürfen wir hoffen, nicht an Naturen[17] fehlen, die fähig seyn werden zu dichten, nach Ideen zu dichten. Wenn sie nach Goethe's Vorbilde in Versuchen und Werken jeder Art unermüdet 〈181〉 nach dem Bessern trachten; wenn sie sich die universelle Tendenz, die progressiven[6/3] Maximen dieses Künstlers zu eigen machen, die noch der mannichfaltigsten[1] Anwendung fähig sind; wenn sie wie er das Sichre des Verstandes dem Schimmer des Geistreichen vorziehn: so wird jener Keim nicht verloren gehn, so wird Goethe nicht das Schicksal des Cervantes und des Shakspeare haben können; sondern der Stifter und das Haupt einer neuen[1] Poesie[1] seyn [...]. ➢ Volltext.
[23]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 3
: Seitdem Vernunft[1] und Geschmack [...] wieder empor gekommen, wird das Abentheuerliche[3] von den Dichtern bloß zur Belustigung nachgeahmt. Erzählungen aus der abentheurlichen[3] Welt hergenommen, sind oft sehr ergetzend und ein Labsal des Geistes[19] in den Stunden, da man von Nachdenken ermüdet, dem Verstand eine gänzliche Ruhe geben muß. Gute Werke von dieser Art haben ihren Werth. Es scheinet, daß Hr. Wieland bey Bekanntmachung seines Idris die Absicht gehabt, Deutschland ein Werk dieser Gattung zu liefern, das in seiner Art claßisch[3/4] werden sollte, so wie es der Orlando furioso des Ariost in Italien ist. Es fehlt in der That diesem Werk nicht an glänzenden poetischen[3] Schönheiten[1]; doch scheint etwas mehr, als dieses erfoderlich zu seyn, um ein Buch bey einer ganzen Nation[1] claßisch[4] zu machen..
[24]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), III
: Daß die Menschen[1] nicht mehr einzeln, oder in kleinen Horden, gleich den Thieren[1] des Feldes herum irren, um eine kümmerliche Nahrung zu suchen; daß sie beständige Wohnplätze und einen zuverläßigen Unterhalt haben; daß sie in großen Gesellschaften, und unter guten Gesetzen leben, ist eine Wolthat, die sie dem Verstand zu danken haben, der die mechanischen Künste[1] erfunden, Wissenschaften und Gesetze ausgedacht hat..