[1]
B. v. Arnim, Buch König (1843), 55
: Ein Verstand der die Füß in einem Sack stecken hat von Vorurtheilen, der kann nicht nach dem Ziel laufen.
[2]
Hegel, Jacobi (1817), 11
: Was diese Philosophie [...] auf dem theoretischen Wege, das ist, im Erkennen dessen, was ist, als das Höchste findet, sind im Allgemeinen bloße Erscheinungen. Als deren Wesenheiten aber ergeben sich drey Bestimmungen, in welche sie analysirt sind, nämlich erstens ein Ding-an-sich, dem gar keine weitere Bestimmung zukommt, als dies ganz begrifflose Ding-an-sich zu seyn; zweytens das Ich des Selbstbewußtseyns, in sofern es aus sich Verknüpfungen macht, aber hiebey durch ein gegebenes Mannigfaltiges bedingt ist, und nur endliche Verknüpfungen des Endlichen hervorbringt, endlich das andere Extrem zum reinen Ding-an-sich, das Ich als reine Einheit. Ich in jener endlichen Thätigkeit hat Kant Verstand, Ich als die reine Einheit Vernunft[1] genannt.
[3]
Kant, Crit. rein. Vern. (
21787), 692
: Der Verstand macht für die Vernunft[1] eben so einen Gegenstand aus, als die Sinnlichkeit für den Verstand. Die Einheit aller möglichen empirischen Verstandeshandlungen systematisch zu machen, ist ein Geschäfte der Vernunft[1], so wie der Verstand das Mannigfaltige der Erscheinungen durch Begriffe[1] verknüpft und unter empirische Gesetze bringt.
[4]
Pückler-Muskau, Andeut. Landsch. (1834), 117
: Man verhindere [...] wo möglich von einem Wege auf einen andern, mit ihm parallellaufenden, zu sehen, wo die Gegend durch Berg und Thal oder eine Kluft nicht schon besonders auffallend geschieden ist; denn ohne diese natürliche[1] Trennung erscheinen zwei, in der Ebne nach gleicher Richtung nahe an einander geführte Wege überflüssig, und der Verstand will auch im Kleinsten immer, durch Zweckmässigkeit erst befriedigt seyn, ehe das gefälligste Ganze ihm völlig genügen kann.
[5]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 177
: Der anerkannt auch nach Einführung der Buchstabenschrift fortgesetzte Gebrauch der Hieroglyphen spricht [...] die große Wahrheit aus: daß der Verstand, dessen Beruf die Handhabung irdischer Dinge ist, hiezu die bequemsten Werkzeuge vorzieht: also willkührlich gebildete Begriffe[1], als Fächer und Classen[1] die Dinge hierin zu ordnen, willkührliche Zeichen derselben in der Wortsprache, und endlich willkührliche Zeichen von diesen willkührlichen in der Buchstabenschrift; daß hingegen zur vernünftigen d. i. philosophischen Erkenntniß der Natur[2] und Gottheit eine Anschauung erfodert wird, daß hier die Fantasie[1] immer rege seyn, und also durch bildliche Zeichen aufgefodert werden muß.
[6]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 349
: Hierin ist die Komödie der Fabel am nächsten verwandt: wie die Fabel vernunftbegabte Thiere[1] aufführt, so jene dem thierischen Triebe mit Verstand dienende Menschen[1]. Dem thierischen Triebe, das heißt der Sinnlichkeit, und noch allgemeiner ausgedrückt, der Selbstliebe. Wie Heroismus und Aufopferung zur tragischen Person adelt, so sind die komischen Personen ausgemachte Egoisten. ➢ Volltext
[7]
Weißenthurn, Manuscr. (1834), S 13, 47
: Jüngling. [...] Der gemeine Verstand will essen, trinken, schlafen. Phantasie[3] schlürft den Duft einer Rose, bettet sich auf einer lichten Wolke, läßt sich, von dem Hauch eines Zephirs geschaukelt, bis zu den Sternen tragen. | Flint lacht. Lassen Sie sich denn nie zu einer gemeinen Suppenschüssel hernieder? | Jüngling. Nur dann, wenn das Thier[10] in mir erwacht.
[8]
Adelung, Gramm.-krit. Wb. IV (
21801), 1343
: Der Wahnwitz, [...] von Witz[3], so fern es ehedem Verstand überhaupt bedeutete, ist Wahnwitz so viel als Wahnsinn, und beyde werden auch noch häufig als gleich bedeutend gebraucht, obgleich letzteres üblicher ist, als ersteres, vermuthlich um die Zweydeutigkeit mit der heutigen gangbaren Bedeutung 〈1344〉 des Wortes[1] Witz[3/2] zu vermeiden..
[9]
Auenbrugger, Rauchfangk. (
!1781), 54
: Volpino hat Verstand, Witz[3], Erfindungskraft und Entschlossenheit..
[10]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 12
: Abraham a Santa Clara [...] hatte einen hellen Verstand und furchtlose Wahrheitsliebe, war äußerst fruchtbar an sinnreichen Einfällen, beißenden Witzen[4] und treffenden Vergleichungen, und ließ es sich nie verdrießen, obschon er die Menschheit[2] als unverbesserlich schalt, immer [...] deren sittliche Besserung zu versuchen..
[11]
G. Forster, Ganz. d. Nat. (*1781; 1794), 312
: Zwar erwacht zuweilen noch ein vielfassender Kopf, der, in mehreren Wissenschaften[2] gleich groß, nicht an ihrer Fläche dahinschwebt, sondern ihre Tiefen versucht und ergründet. Allein wie selten wird der Welt ein solches Göttergeschenk? Oft ist ausgebreitete Gelehrsamkeit dieser Art ein bloßes Gedächtnißwerk, welches die Urtheils- und Anschauungskräfte entnervt. [...] Statt des Verstandes gilt noch öfter Witz[2], der nicht nach strengen und bewährten Regeln schließt, der Resultate ahnden[3] und errathen will, sich aber übereilt und die Wahrheit öfter verfehlen als treffen kann [...]. Nur wahres Genie[2] dringt in das finstre Chaos der Gelehrsamkeit, und schafft es zur organischen[6] Gestalt um: es verdauet gleichsam das Ganze, und bereitet aus seiner heterogenen Mischung gesunden, gleichartigen Lebenssaft. Mit kühnen aber sichern Schritten nahet es sich der Wahrheit, als seinem Ruhepunkte, und verschwendet, um dahin zu gelangen, keine Kraft 〈313〉 umsonst: mit eigenthümlichem Scharfsinn verkettet es Erfahrungen, und ergreift die entferntesten Resultate eines geprüften Satzes, fast in dem Augenblicke des Anschauens; ja, es fühlt schon sympathetisch die neue Wahrheit am Ende einer Reihe von Schlüssen, ehe noch der Fleiß des alltäglichen Denkers ein Glied dieser Schlußfolge berichtigen kann..
[12]
Goethe, Theatr. Send. I (*1777\85), WA I, 51, 216
: Es fehlte Madame Melina nicht an einer Art von Verstand, nur war ihr Geist[20] und Witz[1] nicht ausgebildet. Sie fand manchmal das Gute, doch oft fiel sie aus dem Übertriebenen in das Gemeine..
[13]
Goethe, Vermittler Obj. Subj. (*1792; 1823), WA II, 11, 35
: [W]o wir irgend etwas das wir behaupten durch isolirte Versuche gleichsam als durch Argumente beweisen wollen, wird das Urtheil öfters nur erschlichen, wenn es nicht gar in Zweifel stehen bleibt. Hat man aber eine Reihe Erfahrungen der höheren Art zusammengebracht, so übe sich alsdann der Verstand, die Einbildungskraft, der Witz[2] an denselben wie sie nur mögen, es wird nicht schädlich, ja es wird nützlich sein..
[14]
Grosse, Genius I (1791), 244
: Oft kam es mir vor, als wenn er einen tieferen Verstand und mehr Kunst[20] in seinem Karakter[2] besäße, als er mir zeigen wollte..
[15]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 341 f. (342)
: Gefühl (Aesthetik), ist die Fähigkeit der Seele (Gefühlsvermögen), die durch die äußeren Sinne[4] empfangenen Eindrücke sich als gut oder nicht gut, als schön[1] oder nicht schön[1] zu denken. 〈342〉 Ohne Denken findet kein Fühlen Statt; Gefühl lebt nur durch die Vernunft[6], d. i. durch das Erkenntnißvermögen. Das Thier[1] empfindet nur. So bewußtlos auch das Gefühl sich in uns anzukünden scheint, so unabhängig es vom Geiste[22] wirkt, so innig verbunden ist es doch mit dem höheren Denken (nicht mit dem Verstande, als dem niederen Erkenntnißvermögen), nämlich mit der Vernunft[1]. Das Gefühl ist die Sprache[2] der Seele, die Gesammtheit der inneren Sinne[4], die durch die äußeren in Thätigkeit versetzt werden, und durch welche der Wille angeregt wird..
[16]
Hoffmann, Theaterdir. (1819), PW 2, 502
: Nur die Begeisterung[1], von dem darüber schwebenden[5] Verstande beherrscht und gezügelt, schafft das klassische[3] Kunstwerk[2]..
[17]
W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 806
: In Woldemar haben sich nicht die denkenden und empfindenden Kräfte, beide für sich gebildet und gepflegt, erst in ihrer Reife vereinigt; sie sind gleichsam von Kindheit an mit einander aufgewachsen, und eigentlich haben die ersteren die letzteren erzogen. Denn die Einheit erstrebende Vernunft[1] – die sich immer leichter mit der Phantasie[1], von der sie ihren Ideen Symbole leiht, verbindet – ist stärker in ihm, als der zergliedernde Verstand. Daher sein Ringen nach allem Unvermittelten, Reinen, nach dem absoluten Daseyn. Von 〈807〉 diesem allem aber existirt in der Wirklichkeit nichts. Alles ist da vermittelt, gezeugt, vermischt, nur bedingungsweis existirend. So entsteht in Charakteren[6] dieser Gattung Abneigung gegen die empirische Wirklichkeit, und in Rücksicht auf die Empfindungsweise Abneigung gegen die Sinnlichkeit..
[18]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (
21793), 220 f. (221)
: Wenn man [...] den Werth der schönen[2] Künste[1] nach der Cultur[3] schätzt, die sie dem Gemüth verschaffen, und die Erweiterung der Vermögen, welche in der Urtheilskraft zum Erkenntnisse[1] zusammen kommen müssen, zum Maaßstabe nimmt: so hat Musik[1] unter den schönen[2] Künsten[1] sofern den untersten (so wie unter denen, die zugleich nach ihrer Annehmlichkeit geschätzt werden, vielleicht den obersten) Platz, weil sie bloß mit Empfin〈221〉dungen spielt. Die bildenden Künste[2] gehen ihr also in diesem Betracht weit vor; denn, indem sie die Einbildungskraft in ein freyes und doch zugleich dem Verstande angemessenes Spiel versetzen, so treiben sie zugleich ein Geschäft, indem sie ein Product zu Stande bringen, welches den Verstandesbegriffen zu einem dauerhaften und für sich selbst sich empfehlenden Vehikel dient, die Vereinigung derselben mit der Sinnlichkeit und so gleichsam die Urbanität der obern Erkenntnißkräfte zu befördern..
[19]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (
21793), 260
: Wir nennen Gebäude oder Bäume majestätisch und prächtig, oder Gefilde lachend und fröhlich; selbst Farben werden unschuldig, bescheiden, zärtlich genannt, weil sie Empfindungen erregen, die etwas mit dem Bewußtseyn eines durch moralische Urtheile bewirkten Gemüthszustandes Analogisches enthalten. Der Geschmack macht gleichsam den Uebergang vom Sinnenreiz zum habituellen moralischen Interesse, ohne einen zu gewaltsamen Sprung, möglich, indem er die Einbildungskraft auch in ihrer Freyheit[1] als zweckmäßig für den Verstand bestimmbar vorstellt, und sogar an Gegenständen der Sinne[4] auch ohne Sinnenreiz ein freyes Wohlgefallen finden lehrt..
[20]
Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CLIX (1833), 632
: Daher haben auch weise Gesetzgeber [...] verordnet, daß bei Eingehung eines Eheversprechens ganz besonders auf den ungezwungenen Willen von beiden Theilen gesehen werden soll, und daß selbst die kindliche Ehrfurcht, welche die erwachsene Jugend den Urhebern ihrer Tage schuldig ist, doch nicht die Verpflichtung den Kindern auferlegt, gegen ihren Willen und Neigung, bloß nach dem Gebote der Eltern, ein Eheverlöbniß einzugehen; besonders trifft dieses die weibliche Jugend, welche wegen der Romantik[7] ihrer Einbildungskraft[1] und der daraus fließenden Schlüpfrigkeit ihres Verstandes und Willens, von den Gesetzen, bei allen einzugehenden Geschäften in bürgerlichen Handlungen, vorzüglich in Schutz genommen zu werden verdient..
[21]
C. Michaelis, an L. Gotter (6. 2. 1783), C 1, 70
: Daß mir das übrige ihres Tagebuchs ganz gefiele, kan ich nicht sagen. Mich däucht es sind so viel Wiederholungen und Worte[1], mit denen sie [sc. Friederike Münter (später Friederike Brun)] kaum selbst immer einen Sinn[1] verbindet, weil sie nicht selbst gemacht und gedacht, sondern aus Dichtern[4] genommen sind, die ihr so im Gedächtniß zu schweben[5] scheinen, daß sie sich mit ihnen verwechselt. Sie hat sich in den sehr poetischen[1] Schwung geworfen, und nichts ist wohl verzeihlicher, da sie so jung ist, aber dies müste gemildert, ihr Herz fester und ihr Verstand schärfer gemacht werden. Das erste würde dann jene Weichheit, die so leicht in Empfindeley ausartet, und der zweyte seine Sonderbarkeit verlieren. Sie schien mir überhaupt mehr Talente als Verstand zu haben, wenn ich das Verstand nenne, Menschen[1] und Sachen nach ihrem wahren (unpoetischen) Gesichtspunkt zu beurtheilen [...]..
[22]
Nissen, Mozart (1828), 543 f. (544)
: Die Franzosen gestehen der deutschen Musik[1], und an ihrer Spitze Mozarten eine unbedingt ihnen 〈544〉 überlegene Vortrefflichkeit zu: eine Vortrefflichkeit, die von ihnen bey allen Werken dieses Componisten mit Bereitwilligkeit anerkannt wird, obgleich der Genuss derselben in ihnen mehr mittelbar durch Verstandes-Operation, als durch unmittelbar menschliche Theilnahme sich zu erkennen giebt. Da das Colorit dieser Composition [sc. Così fan tutte] unter allen Werken Mozart's am meisten aus dem Verstande hervorgegangen zu seyn scheint, indem der freyern[17] romantischen[4] Behandlung durch den so witzigen Inhalt des Textes fast allenthalben Fesseln angelegt worden, so muss die Natur[1] dieser Musik[4] einem französischen Publicum[4] auch schon desshalb mehr zusagen, wie viele dieser Art von seinen übrigen Arbeiten..
[23]
Rottmanner, Krit. Jacobi (1808), 35
: Mit der Philosophie des Mittelalters endigt die ideelle Ansicht der Dinge, und unter der zahlreichen Menge der späteren Philosophen ist außer Spinoza und Leibnitz auch kaum Einer, der die Philosophie in ihrer höheren Bedeutung begriffen hätte. [...] Eine gleiche Todtengestalt tritt dir in der Kunst[12] der neueren[9] Geschichte[3] entgegen. Sie hat entweder die Absicht zu nützen oder zu gefallen, und richtet sich wie alles andere nach den Aussprüchen des für sich allein gebietenden Verstandes. Jenen heiligen Sinn[1/9], jene zauberische Gluth der Phantasie[20/21] und Liebe, die Kraft 〈36〉 und kindliche Einfalt der romantischen[13] Poësie[11] suchst du in diesem Zeitraume vergebens..
[24]
Schiller, Nothw. Grenz. (1795 [hier:
21800]), NA 21, 17 f. (18)
: Dem Geschmack ist [...] bey Mittheilung der Erkenntniß zwar die Form anvertraut, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß er sich nicht an dem Inhalt vergreife. Er soll nie vergessen, daß er einen fremden Auftrag ausrichtet und nicht seine eignen Geschäfte führt. Sein ganzer Antheil soll darauf eingeschränkt seyn, das Gemüth in eine der Erkenntniß günstige Stimmung zu versetzen; aber in allem dem, was die Sache betrift, soll er sich durchaus keiner Autorität anmaßen. | 〈18〉 Wenn er das letztere thut – wenn er sein Gesetz, welches kein anders ist, als der Einbildungskraft gefällig zu seyn, und in der Betrachtung zu vergnügen, zum obersten erhebt – wenn er dieses Gesetz nicht bloß auf die Behandlung, sondern auch auf die Sache anwendet, und nach Maßgabe desselben die Materialien nicht bloß ordnet, sondern wählt, so überschreitet er nicht nur, sondern veruntreut seinen Auftrag, und verfälscht das Objekt, das er uns treu überliefern sollte. Nach dem, was die Dinge sind, wird jetzt nicht mehr gefragt, sondern wie sie sich am besten den Sinnen[5] empfehlen. Die strenge Consequenz der Gedanken, welche bloß hätte verborgen werden sollen, wird als eine lästige Fessel weggeworfen, die Vollkommenheit wird der Annehmlichkeit, die Wahrheit der Theile der Schönheit[6] des Ganzen, das innere Wesen dem äußern Eindruck aufgeopfert. Wo aber der Inhalt sich nach der Form richten muß, da ist gar kein Inhalt; die Darstellung ist leer, und anstatt sein Wissen vermehrt zu haben, hat man bloß ein unterhaltendes Spiel getrieben. | Schriftsteller, welche mehr Witz[2] als Verstand und mehr Geschmack als Wissenschaft besitzen, machen sich dieser Betrügerey nur allzu oft schuldig, und Leser, die mehr zu empfinden als zu denken gewohnt sind, zeigen sich nur zu bereitwillig, sie zu verzeihen..
[25]
A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 84
: Die Sprache[1], die wunderbarste Schöpfung des menschlichen Dichtungsvermögens, gleichsam das große, nie vollendete Gedicht, worinn die menschliche Natur[1] sich selbst darstellt, bietet uns von dem, was ich eben sagte, ein auffallendes Beyspiel dar. So wie sie auf der einen Seite, vom Verstande bearbeitet, an Brauchbarkeit zu allen seinen Verrichtungen zunimmt, so büßt sie auf der andern an jener ursprünglichen Kraft ein, die im nothwendigen Zusammenhange zwischen den Zeichen der Mittheilung und dem Bezeichneten liegt. So wie die gränzenlose Mannigfaltigkeit der Natur[2/11/19?] in abgezognen Begriffen[1] verarmt, so sinkt die lebendige Fülle der Töne immer mehr zum todten Buchstaben[9] hinab. Zwar ist es unmöglich, daß dieser jene völlig verdrängen sollte, weil der Mensch immer ein empfindendes Wesen bleibt, und sein angebohrner Trieb, Andern von seinem innersten Daseyn Zeugniß zu geben, und es dadurch in ihnen zu vervielfältigen, (wie sehr ihn auch die Herrschaft des Verstandes, der sein Wesen, so zu sagen, immer außer uns treibt, schwächen möge) doch nie ganz verloren gehen kann. Allein in den gebildeten Sprachen[3], hauptsächlich in der Gestalt, 〈85〉 wie sie zum Vortrage der deutlichen Einsicht, der Wissenschaft gebraucht werden, wittern wir kaum noch einige verlohrne Spuren ihres Ursprunges, von welchem sie so unermeßlich weit entfernt sind; wir können sie fast nicht anders als wie eine Sammlung durch Uebereinkunft festgesetzter Zeichen betrachten. ➢ Volltext.
[26]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!1798–99), KAV 1, 22
: Ein starkes Übergewicht der Vokale deutet auf üppige und zerflossene Sinnlichkeit, so wie hingegen der Mangel daran und die Häufung harter Konsonanten auf Gefühllosigkeit, harten Verstand und häßliche[1] Phantasie[1]. Es muß ein harmonisches Verhältnis der Rezeptivität und Spontaneität im Innern des Menschen stattfinden..
[27]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 243
: [S]o untrennbar wie in einem ächten Kunstwerke[2] das, was man das poetische[2], und was man das künstliche nennen kann, sind, so untrennbar ist auch der wahre Geschmack vom wahren Genie[2]. Dieses ist eben die innigste Vereinigung der bewußtlosen und der selbstbewußten Thätigkeit im menschlichen Geiste[19], des Instinktes und der Absicht, der Freyheit[10] und der Nothwendigkeit. Deswegen, weil in ihm die ursprüngliche Entzweyung sich aufhebt, worin der Mensch[1] als ein endliches Wesen sich endlos befangen sieht, erscheint es uns auch als etwas übermenschliches, als eine göttliche Kraft, und seine Mittheilungen als wahre Offenbarungen. Darum ist auch zum Genie[2] große Eminenz der auf Erkenntniß[1] gerichteten Geisteskräfte, Einbildungskraft[1] und Verstand, die Kant als seine Bestandtheile angiebt, nicht hinreichend, sondern es umfaßt den ganzen innern Menschen[6], und kann in nichts geringerem bestehen, als in der Energie und innigsten Eintracht dessen was sowohl in der Sinnlichkeit 〈244〉 als in der Geistigkeit des Menschen[1] das selbständige und unbeschränkte Vermögen ist, also der Fantasie[2] (die man in diesem Sinne[1] noch von der Einbildungskraft[1] unterscheiden kann) und der Vernunft[1]..
[28]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 276
: Das scherzhafte Ideal besteht [...] in der vollkommnen Harmonie und Eintracht der höhern Natur[1] mit der thierischen, als des herrschenden Prinzips. Vernunft[1] und Verstand werden als freywillige Sklavinnen der Sinne[3] vorgestellt. | Hieraus fließt nothwendig dasjenige, was im Aristophanes so viel Anstoß gegeben hat: die häufige Erinnerung an die niedrigen Bedürfnisse des Körpers, die muthwillige Schilderung des thierischen Naturtriebes, der sich trotz allen Fesseln, welche ihm Sittlichkeit und Anständigkeit anlegen wollen, immer, ehe man sichs versieht, in Freyheit[1] setzt. ➢ Volltext
.
[29]
F. Schlegel, Lucinde (1799), 34
: Die Blüthen aller Dinge jeglicher Art flicht Poesie[5] in einen leichten Kranz und so nennt und reimt auch Wilhelmine Gegenden, Zeiten, Begebenheiten, Personen, Spielwerke und Speisen, alles durch einander in romantischer[4] Verwirrung, so viel Worte[2] so viel Bilder; und das ohne alle Nebenbestimmungen und künstlichen Übergänge, die am Ende doch nur dem Verstande frommen und jeden kühneren Schwung der Fantasie[2] hemmen. ➢ Volltext.
[30]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 174 f. (175)
: Das Charakteristische[1] im Tasso ist der Geist[12] der Reflexion und der Harmonie; nämlich daß alles auf ein Ideal von harmonischem Leben und harmonischer Bildung[2] bezogen und selbst die Disharmonie in har〈175〉monischem Ton[12] gehalten wird. Die tiefe Weichlichkeit einer durchaus musikalischen[7] Natur[17] ist noch nie im Modernen[1] mit dieser sinnreichen Gründlichkeit dargestellt. Alles ist hier Antithese und Musik[7], und das zarteste Lächeln der feinsten Geselligkeit schwebt[5] über dem stillen Gemählde, das sich am Anfange und Ende in seiner eignen Schönheit[1] zu spiegeln scheint. Es mußten und sollten Unarten eines verzärtelten Virtuosen zum Vorschein kommen: aber sie zeigten sich im schönsten[1] Blumenschmuck der Poesie[3] beynah liebenswürdig. Das Ganze schwebt[5] in der Atmosphäre künstlicher Verhältnisse und Misverhältnisse vornehmer Stände, und das Räthselhafte der Auflösung ist nur auf den Standpunkt berechnet, wo Verstand und Willkühr allein herrschen, und das Gefühl beynah schweigt. ➢ Volltext.
[31]
F. Schlegel, Ideen (1800), 5, Nr. 8
: Der Verstand, sagt der Verfasser der Reden über die Religion[1], weiß nur vom Universum; die Fantasie[2] herrsche, so habt ihr einen Gott[1]. Ganz recht, die Fantasie[2] ist das Organ[3] des Menschen für die Gottheit. ➢ Volltext; vgl. [32].
[32]
Schleiermacher, Religion (1799), 129
: In der Religion[1] wird das Universum angeschaut, es wird gesezt als ursprünglich handelnd auf den Menschen. Hängt nun Eure Fantasie[2] an dem Bewußtsein Eurer Freiheit[10] so daß sie es nicht überwinden kann dasjenige was sie als ursprünglich wirkend denken soll anders als in der Form eines freien[10] Wesens zu denken; wohl, so wird sie den Geist[12] des Universums personifiziren und Ihr werdet einen Gott[1] haben; hängt sie am Verstande, so daß es Euch immer klar vor Augen steht, Freiheit[10] habe nur Sinn[2] im Einzelnen und fürs Einzelne; wohl, so werdet Ihr eine Welt haben und keinen Gott[1]. ➢ Volltext; vgl. [31].
[33]
A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 30
: Aus dem Gesagten ergiebt sich, daß alle Thiere[1] Verstand haben, selbst die unvollkommensten: denn sie alle erkennen Objekte, und diese Erkenntniß bestimmt als Motiv ihre Bewegungen. – Der Verstand ist in allen Thieren[1] und allen Menschen[1] der nämliche, hat überall die selbe einfache Form: Erkenntniß der Kausalität, Uebergang von Wirkung auf Ursach und von Ursach auf Wirkung, und nichts außerdem. Aber die Grade seiner Schärfe und die Ausdehnung seiner Erkenntnißsphäre sind höchst verschieden, mannigfaltig und vielfach abgestuft, vom niedrigsten Grad, welcher nur das Kausalitätsverhältniß zwischen dem unmittelbaren Objekt und den mittelbaren erkennt, also eben hinreicht, durch den Uebergang von der Einwirkung, welche der Leib erlitten auf dessen Ursach, diese als Objekt im Raum anzuschauen, bis zu den höheren Graden der Erkenntniß des kausalen Zusammenhanges der bloß mittelbaren Objekte unter einander, welche bis zum Verstehn der zusammengesetztesten Verkettungen von Ursachen und Wirkungen in der Natur[2] geht. Denn auch dieses letztere gehört immer noch dem Verstande an, nicht der Vernunft[1], deren abstrakte Begriffe[1] nur dienen können, jenes unmittelbar Verstandene aufzunehmen, und zu fixiren, nie das Verstehn selbst hervorzubringen. ➢ Volltext.
[34]
A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 31
: Diese Entdeckungen alle sind nichts anderes, als ein richtiges unmittelbares Zurückgehn von der Wirkung auf die Ursache, welchem alsbald die Erkenntniß der Identität der in allen Ursachen derselben Art sich äußernden Naturkraft folgt: und diese gesammte Einsicht ist eine bloß dem Grade nach verschiedene Aeußerung der nämlichen und einzigen Funktion des Verstandes, durch welche auch ein Thier[1] die Ursache, welche auf seinen Leib wirkt, als Objekt im Raum anschaut. ➢ Volltext.
[35]
A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 32 f. (33)
: Das größte und in der zu betrachtenden Rücksicht lehrreiche Beispiel von Dummheit, das mir je vorgekommen, war ein völlig blödsinniger Knabe 〈33〉 von etwa elf Jahren, im Irrenhause, der zwar Vernunft[1] hatte, da er sprach und vernahm, aber an Verstand manchem Thiere[1] nachstand: denn er betrachtete, so oft ich kam, ein Brillenglas, das ich am Halse trug und in welchem, durch die Spiegelung, die Fenster des Zimmers und Baumgipfel hinter diesen erschienen: darüber hatte er jedesmal große Verwunderung und Freude, und wurde nicht müde, es mit Erstaunen zu betrachten: weil er diese ganz unmittelbare Kausalität der Spiegelung nicht einsah. ➢ Volltext.
[36]
A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 33 f.
: Wie bei den Menschen[1] die Grade der Schärfe des Verstandes sehr verschieden sind, so sind sie zwischen den verschiedenen Thiergattungen es wohl noch mehr. Bei allen, selbst denen, welche der Pflanze[1] am nächsten stehn, ist doch so viel Verstand da, als zum Uebergang von der Wirkung im unmittelbaren Objekt zum vermittelten als Ursach, also zur Anschauung, zur Apprehension eines Objekts, hinreicht: denn diese eben macht sie zu Thieren[1], indem sie ihnen die Möglichkeit giebt einer Bewegung nach Motiven und dadurch des Aufsuchens, wenigstens Ergreifens der Nahrung; statt daß die Pflanzen[1] nur Bewegung auf Reize haben, deren unmittelbare Einwirkung sie abwarten müssen, oder verschmachten, nicht ihnen nachgehn oder sie ergreifen können. In den vollkommensten Thieren[1] bewundern wir ihre große Sagacität: so beim Hunde, Elephanten, Affen, beim Fuchse, dessen Klugheit Büffon so meisterhaft geschildert hat. An diesen allerklügsten Thieren[1] können wir ziemlich genau abmessen, wie viel der Verstand ohne Beihülfe der Vernunft[1], d. h. der abstrakten Erkenntniß in Begriffen[1], vermag: an uns selbst können wir dieses nicht so erkennen, weil Verstand und Vernunft[1] sich da immer wechselseitig unterstützen. Wir finden deshalb oft die Verstandesäußerungen der Thiere[1] bald 〈34〉 über, bald unter unserer Erwartung: einerseits überrascht uns die Sagacität jenes Elephanten, der, nachdem er auf seiner Reise in Europa schon über viele Brücken gegangen war, sich einst weigert, eine zu betreten, über welche er doch wie sonst den übrigen Zug von Menschen[1] und Pferden gehn sieht, weil sie ihm für sein Gewicht zu leicht gebaut scheint: andrerseits wieder wundern wir uns, daß die klugen Orang-Utangs das vorgefundene Feuer, an dem sie sich wärmen, nicht durch Nachlegen von Holz unterhalten: ein Beweis, daß dieses schon eine Ueberlegung erfordert, die ohne abstrakte Begriffe[1] nicht zu Stande kommt. Daß die Erkenntniß von Ursache und Wirkung, als die allgemeine Verstandesform, auch sogar a priori den Thieren[1] einwohne, ist zwar schon daraus völlig gewiß, daß sie ihnen, wie uns, die vorhergehende Bedingung aller anschaulichen Erkenntniß der Außenwelt ist: will man jedoch noch einen besonderen Beleg dazu, so betrachte man z. B. nur, wie selbst ein ganz junger Hund nicht wagt vom Tische zu springen, so sehr er es auch wünscht, weil er die Wirkung der Schwere seines Leibes vorhersieht, ohne übrigens diesen besonderen Fall schon aus Erfahrung zu kennen. Wir müssen indessen bei Beurtheilung des Verstandes der Thiere[1] uns hüten, nicht ihm zuzuschreiben, was Aeußerung des Instinkts ist, einer von ihm, wie auch von der Vernunft[1], gänzlich verschiedenen Eigenschaft, die aber oft der vereinigten Thätigkeit jener Beiden sehr analog wirkt. ➢ Volltext.
[37]
A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 57
: Wie der Verstand nur eine Funktion hat: unmittelbare Erkenntniß des Verhältnisses von Ursache und Wirkung, und die Anschauung der wirklichen Welt, wie auch alle Klugheit, Sagacität und Erfindungsgabe, so mannigfaltig auch ihre Anwendung ist, doch ganz offenbar nichts Anderes sind, als Aeußerungen jener einfachen Funktion; so hat auch die Vernunft[1] eine Funktion: Bildung[1] des Begriffs[1]: und aus dieser einzigen erklären sich sehr leicht und ganz und gar von selbst alle jene oben angeführten Erscheinungen, die das Leben des Menschen[1] von dem des Thieres[1] unterscheiden, und auf die Anwendung oder Nicht-Anwendung jener Funktion deutet schlechthin Alles, was man überall und jederzeit vernünftig oder unvernünftig genannt hat. ➢ Volltext.
[38]
L. Tieck, W. Lovell III (1796), 50
: Sie hat einen gewissen Verstand, den sie besonders an sich schätzt; sie hat viele Bücher gelesen, und manches darüber gedacht, daher ist sie im Leben ihrer Sache immer sehr gewiß; sie meinet daß es keine kritische[5] Fälle gebe, in denen man zweifeln könne, wie man sich zu betragen habe. ➢ Volltext.
[39]
Waiblinger, Brit. in Rom (1829–30), WuB 2, 493
: [V]or Allem war es seine Einbildungskraft[1], die mit einem Schwarm romantischer[7] Bilder und Hirngespinste jeden Skrupel unterdrückte, den der kältere Verstand in den Weg legen wollte..