Wortliste
Adel
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Struktur
Semantik
Belege
[1]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 203: In der romantischen[12/4] Kunst[10] zwar geht die Zerrissenheit und Dissonanz des Innern weiter, wie in ihr überhaupt die dargestellten Gegensätze sich vertiefen, und deren Entzweiung kann festgehalten werden. So bleibt z. B. die Malerei[1] in der Darstellung der Leidensgeschichte zuweilen beim Ausdruck des Hohns in den Zügen der peinigenden Kriegsknechte bei dem scheußlichen Verzerren und Grinsen der Gesichter stehn, und mit diesem Festhaften an der Entzweiung besonders in Schildrung des Lasterhaften, Sündlichen und Bösen geht dann die Heiterkeit[3] des Ideals verloren, denn wenn auch die Zerrissenheit nicht in jener Festigkeit bleibt, so tritt doch häufig, obschon nicht jedesmal Häßlichkeit, doch wenigstens Unschönheit an die Stelle. In einem andern Kreise der älteren[1] Niederländischen Malerei[2] zeigt sich wohl in der Rechtschaffenheit und Treue gegen sich selbst, ebenso in dem Glauben und der unerschütterlichen Sicherheit eine Versöhnung des Gemüths in sich, aber bis zur Heiterkeit[3] und Befriedigung des Ideals bringt es diese Festigkeit nicht. Dennoch kann auch in der romantischen[12] Kunst[10] obgleich das Leiden und der Schmerz in ihr das Gemüth und subjektive Innre tiefer als bei den Alten[10] trifft, eine geistige Innigkeit, eine Freudigkeit in der Ergebung, eine Seligkeit im Schmerz und Wonne im Leiden, ja eine Wollust selbst in der Marter zur Darstel〈204〉lung kommen. ➢ Volltext
[2] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 185 f. (186): Die Muster der schönen[2] Kunst[1] sind [...] die einzigen Leitungsmittel, diese auf die Nachkommenschaft zu bringen: welches durch bloße Beschreibungen nicht geschehen könnte (vornehmlich nicht 〈186〉 im Fache der redenden Künste[1]); und auch in diesen können nur die in alten, todten, und jetzt nur als gelehrte aufbehaltenen Sprachen[3] classisch[3] werden.
[3] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 699 f. (700): Man täusche sich nicht über den Grad, worin diese Nachbildung des antiken[2] bisher gelungen [...] 〈700〉 [...]. Manche Reize bleiben uns vielleicht immer unerreichbar: so die alte Wortstellung [...]. Wer alles dieß für Subtilität oder Nebensache hält, mag seine ungeweiheten Hände von Nachbildung des Classischen[7] in Übersetzungen oder eignen Werken entfernt halten.
[4] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 113 f. (114): Warum ist aber dennoch das Verfahren der griechischen[2] und der romantischen[12] Dramatiker in Absicht auf Ort und Zeit[6] so sehr verschieden? [...] 〈114〉 [...] Die Hauptursache des Unterschiedes ist [...] der plastische[3] Geist[12] der antiken[2], und der pittoreske[2] der romantischen[12] Poesie[11]. Die Sculptur richtet unsre Betrachtung ausschließend auf die dargestellte Gruppe, sie entkleidet sie möglichst aller äußern Umgebungen, und wo sie deren nicht ganz entrathen kann, deutet sie solche doch nur leicht an. Die Mahlerey[1] hingegen liebt es, mit den Hauptfiguren zugleich den umgebenden Ort und alle Nebenbestimmungen ausführlich darzustellen, und im Hintergrunde Ausblicke in eine gränzenlose Ferne zu öffnen; Beleuchtung und Perspectiv sind ihr eigentlicher Zauber. Daher vernichtet die dramatische, besonders die tragische Kunst[3] der Alten gewisser〈115〉maßen die Aeußerlichkeiten von Raum und Zeit[6]; das romantische[12] Drama schmückt vielmehr durch deren Wechsel seine mannichfaltigeren Gemählde. Oder noch anders ausgedrückt: das Prinzip der antiken[2] Poesie[11] ist idealistisch, das der romantischen[12] mystisch; jene unterwirft Raum und Zeit[6] der innern Freythätigkeit des Gemüths, diese verehrt diese unbegreiflichen Wesen als übernatürliche Mächte, denen auch etwas göttliches inwohnt. ➢ Volltext
[5] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 386: Will man die neuern[5] rhythmischen Formen mit den alten, classischen[7] vergleichen: so muß man nicht Vers gegen Vers, sondern Strophe gegen Vers stellen, und da wäre es eine schwer zu entscheidende Frage, ob der romantischen[12], oder der classischen[7] Formen mehrere wären. ➢ Volltext.
[6] Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 357: Die pantomimische Tanzkunst, deren Darstellungen ohne Worte[2] bloß durch Bewegungen und Gebehrden geschahen, hat, nach den Beschreibungen der Alten zu urtheilen, zu den Zeiten[3] Augusts in Rom auf dem höchsten Gipfel ihrer Größe gestanden; man tanzte eben so wohl tragische als komische Stücke. [...] In den neuern[5] Zeiten[3] hat der berühmte Noverre diese Kunst[2] [sc. die pantomimische Tanzkunst] wieder auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit gehoben (vergl. Ballet); und wenn er in seinen über diesen Gegenstand herausgegebenen Briefen[3] [sc. Lettres sur la danse et sur les ballets, Lyon/Stuttgart 1760] gesteht, daß die Kunst[2] der Pantomime zu unsern Zeiten[3] das nicht mehr leisten könne, was sie zu den Zeiten[3] Augusts geleistet, so hat er sich durch die übertriebnen Ideen täuschen lassen, die man sich nach den Lobschriften der Alten von ihrer Pantomime zu machen pflegt..
[7] Brockhaus, Conv.-Lex. VIII (1811), 52: Einen traurigen Beleg zu der Behauptung, daß der Mensch[1] sogar unter das Thier[1] sinken kann, das beim höchsten Hunger Geschöpfe seiner eignen Gattung zur Nahrung wählet, liefern die Nachrichten älterer und neuerer[5] glaubwürdiger Schriftsteller über Menschenfressende Nationen[1] und einzelne Menschenfresser..
[8] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 437: Classisch[3] und Classiker[4] wurden zuerst diejenigen Bürger des alten Roms genannt, welche zufolge der durch den König Servius Tullius, 578–534 v. Chr., angeordneten Eintheilung des Volkes[4] in sechs Vermögensclassen, in die erste Classe[1] gehörten. Nach Wiederherstellung des Studiums der aus dem Alterthume[3] übrigen Schriftsteller wurden aber beide Ausdrücke auf die griech.[2] und röm. Autoren im Allgemeinen angewandt und man legte ihren gesammten Schriften, im Gegensatze zur neuern[5] oder romantischen{12], den Namen der classischen[7] Literatur bei, obgleich Vieles nicht als classisch[3], d. h. durch seine äußere und innere Vollendung in die erste Classe[1] gehörend, betrachtet werden kann. Auch die Schöpfungen der Kunst[2] der Alten werden classisch[7] genannt, und insofern man darunter die innere und äußere Vollendung und musterhafte Ausführung eines Schrift- oder Kunstwerks[4] versteht, besitzt auch die neuere[5] Zeit[3] ihre classischen[3] Schriftsteller und Künstler..
[9] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. II (1838), 96: Unter den Verfassern der Erzählungen, welche Gegenstände der alten Geschichte[3] mit modernen[8] Lebensansichten behandelten, zeichnete sich vor Allen Fénélon [...] in seinem „Telemach“ aus..
[10] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. III (1839), 161: [D]ie der christlichen Zeit[3] eigenthümliche Richtung von Poesie[1] und Kunst[4] [wird] im Gegensatze des Antiken[2] [...] eine moderne[1] genannt und als Haupteigenschaft derselben die im Mittelalter und vorzüglich mit dem 12. Jahrh. sich geltend machende Romantik[8] angenommen, für die aber am Ende des Mittelalters durch das erneuerte Studium der Literatur und Kunst[4] der Alten [...] eine neue[1] Periode anhob, welche auch vorzugsweise als die moderne[8] und dann die vorhergehende als die romantische[13] bezeichnet wird..
[11] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 306: „Ich bin von Adel[1],“ sagt uns der moderne[1] Edelmann. – Welch etwas ganz anderes war es, wenn ein Römer sich einen Brutus, einen Scipio, einen Appius, oder Cimon sich eines Miltiades Sohn nannte! Bestimmte Thaten bestimmter Männer gingen dann vor der Seele des Volks[7] vorüber, dem er sich nannte, und knüpften sich an den Mann, der durch seinen Namen oder durch den Namen seines Vaters das Andenken derselben bei ihnen erneuerte. – Aber was denken wir uns bei dem unbestimmten weitsichtigen Begriffe[4]: Adel[1]? Etwas klares wenigstens nicht. [...] Wir sind im Allgemeinen in unsrer vaterländischen Geschichte[3] weit weniger einheimisch, als die alten Völker[1], weil man uns so viel als möglich abhält, Antheil an öffentlichen Geschäften zu nehmen: – und was wir allenfalls wissen, erregt unsre Theilnehmung in weit geringerm Grade, weil es derselben meist so wenig würdig ist..
[12] G. Forster, Kunst u. Zeitalt. (1791), 92: Unermeßlich ist die Entfernung, in welcher die moderne[1] Kunst[11] hinter der alten zurückbleibt; unermeßlich! denn wer getrauet sich die Kluft zu messen, die das Wahre von dem Falschen trennt? In dieser schneidenden Bezeichnung scheint etwas hartes, vielleicht sogar unbilliges zu liegen; allein retten wir in der Folge nur den relativen Werth neuer[5] Kunstwerke[4], so wird man uns eine strenge Wahrheit hingehen lassen [...]..
[13] G. Forster, Kunst u. Zeitalt. (1791), 101 f. (102): Doch es ist mehr als Hypothese, [...] daß auf jenen edlen Zeitpunkt, da das Feuer der Begeisterung[1] die Menschheit[2] ergriff, ihr Sinn[5] sich aufschloß dem Schönen[1], sich nährte von den Rhapsodien des Dichters[1] und des plastischen Künstlers[1] – die größte aller Veränderungen in ihr erfolgte. Die Kunst[2] ward die Pflegerin der Wissenschaft[1]. Das schöne[1] Ebenmaas ihrer Bilder erzeugte jene abgezogenen Begriffe[1], mit denen der Mensch[2] das Sinnenall umfaßte und bald auch die unabsehbaren Gefilde der intellektuellen Sittenwelt durchdrang. Wo der Künstler[1] innig gefühlt, kühn geahndet[3] und glücklich dargestellt hatte, dort bestimmte nun der Denker die Regeln des Vollkommenen, der Symmetrie und Übereinstimmung, dort abstrahirte er die ganze Kritik[1] der Kunst[2]. Jetzt also demonstrirte und begriff man die Tugend, das liebenswürdige Sittlichschöne, welches man bis dahin in dem Rhythmus des Sängers, in des Bildhauers oder des Malers Zauberwerken empfand. Allein indem der menschliche Geist[19] sich seiner freyesten[10] Thätigkeit und insbesondere die Vernunft[1] sich ihrer höchsten Entwickelung nahte, gieng unvermerkt die ästheti〈102〉sche Empfänglichkeit verloren. Der geistreichste Schriftsteller unseres Jahrhunderts hat irgendwo so fein als richtig bemerkt, daß auf ein geniereiches Zeitalter nur ein scharfsinniges folgen kann, und modernes[1] Verdienst nur in der Zergliederung des Verdienstes der Alten besteht..
[14] Gerstenberg, Merkw. Litt. I (1766), 20: Dem Trissino folgte Tasso, und nahm in seinem Gierusaleme liberata die Alten[10] zu Wegweisern; dabey aber blieb ihm das Nationalvorurtheil für idealische[3] Wesen und für romantische[2/4] Abenteuer noch allzuwichtig, als daß er sie gänzlich hätte verbannen oder verabsäumen sollen. Er hatte die classischen[7] Schönheiten[3] studirt, er hatte sie sich zu eigen gemacht [...]. Dennoch behielt er seine erste und Lieblingsbekanntschaft, die alten[11] provenzalischen Dichter[3], zum Augenmerk..
[15] Goethe, Klass. u. Rom. (1820), 103: Daß in Italien jene Cultur[4], die sich von den alten Sprachen[3] und den darin verfaßten unnachahmlichen Werken herschreibt, in großer Verehrung stehe, läßt sich gar wohl denken, ja, daß man auf diesem Grunde, worauf man sich erbaut, nun auch allein und ausschließlich zu ruhen wünscht, ist der Sache ganz gemäß; daß diese Anhänglichkeit zuletzt in eine Art Starrsinn und Pedanterie auslaufe, möchte man als natürliche[4] Folge gar wohl entschuldigen..
[16] Goethe, Klass. u. Rom. (1820), 105: Bey uns Deutschen[1] war die Wendung ins Romantische[14] aus einer, erst den Alten, dann den Franzosen abgewonnenen Bildung[5], durch christlich-religiose Gesinnungen eingeleitet, durch trübe, nordische Heldensagen begünstigt und bestärkt; worauf sich denn diese Denkweise festsetzen und verbreiten konnte, so daß jetzt kaum ein Dichter[1], Maler[1], Bildhauer übrig geblieben, der sich nicht religiosen Gefühlen hingäbe und analogen Gegenständen widmete. | Einen solchen Verlauf nimmt die Dicht- und Kunstgeschichte nun auch in Italien. Als 〈106〉 praktische Romantiker[3] werden gerühmt Johann Torti und dessen poetische[5] Darstellung der Leidensgeschichte Christi; ferner seine Terzinen über die Poesie[1]. Alexander Manzoni, sodann, Verfasser eines noch ungedruckten Trauerspiels, der Carmagnol, hat sich durch Heilige Hymnen guten Ruf erworben..
[17] Goethe, Theiln. d. Frz. (*?1828), WA I, 49.2, 494: Als Moderne[1] waren sie [sc. die Franzosen] schon längst auf dem romantischen[4] Wege. | Getrauten sichs nicht zu bekennen. | Besonders auf dem Theater wo die alte Form erstarrt war und Klassisch[3] hieß. | Diese mußte nach und nach durchbrochen werden. | Da kam ihnen unser Beyspiel unser Vorgang zu Nutz und sie fingen an unsre Productionen günstiger anzusehen..
[18] Görres, Tt. Volksb. (1807), 290: So wäre es daher verständig wohl, nicht ferner mehr so sehr zu pochen auf das was wir geleistet, und bey unsern Vätern anzufragen, daß sie in unserm Misere uns ihren Geist[11] nicht vorenthalten, und uns erquicken in unserer Noth, mit dem was Gutes und Schönes sie gebildet: sie sind immer die Nächsten uns, und werden es uns nicht entgelten lassen, was wir in den Tagen unseres Stolzes gegen sie verbrochen haben. Auch das wird uns fernerhin wenig zieren, sie herabzusetzen so ganz und gar gegen die alte classische[3] Zeit[3] in Griechenland; die Griechen mögten sonst, wenn wir so gar knechtisch von unserm und unserer Väter Naturelle denken, uns wohl für Heloten nehmen, die sich mit ihrer Herren Sitte und ihrer Art nach gemeiner Sclaven Weise blähen wollten, und das würde uns wieder sehr empfindlich fallen..
[19] Görres, Tt. Volksb. (1807), 290 f. (291): Es war wohl allerdings eine herrliche Zeit[5], diese Griechische[2], gerade deswegen weil sie Alles hatte, was uns nach und nach hingeschwunden ist: Lebensmark, und Trotz und freie Besonnenheit im raschen Thun und Treiben: sie mußte Treffliches wohl bilden, und das Trefflichste im engsten Kreise concentrirt mußte classisch[3/5/6] werden. Diese Concentrirung war nicht in der neuen[5] Zeit[5], dagegen trat das Unendliche ein in sie, und mit dem Uebergang in's Geisterreich konnte nun physische Geschlossenheit nicht mehr bestehen; im Uebersinnlichen sind nicht begränzte, scharf geschnittne Crystalle, aber es ist unendliche Crystallisirbarkeit, ein schwebend[5] Formenreich, das nur mehr Magnet bedarf, um anzuschießen in die einzelne besondere Gestalt. So war die Aufgabe der neuen[5] Zeit[5] eine Unendliche, ihr könnt von einem endlichen Zeitraum nicht fodern, daß er das ganze Problem nett und rein auf einmal euch löse. Das Mittelalter hat kein rein classisches[3/5/6] Werk hervorgebracht, aber 〈291〉 es hat die Schulschranken der alten sinnlichen Classicität durchbrochen, und eine Andere, Höhere begründet, an der alle Zeiten[5] zu bauen haben, weil in keiner einzeln die Quadratur des Zirkels gefunden werden kann. Den herrlichen Torso der Kunst[11] hat die alte griechische[2] Zeit[5] gebildet; aber blind war wie die alte Plastik die treffliche Gestalt, das tiefe, schwärmerisch versunkene Auge hat erst die Romantik[8] ihm gegeben, und die nordische Schaam hat freilich dafür den schönen[1] Körper in die Drapperie des Gewands verhüllt, das symbolisch nur die Formen der Gliedmaßen anzudeuten hat..
[20] Gutzkow, Wally (1835), 130: Wer auf seine Entwickelung lauscht, muß sich oft gestehen, daß ganze Gedichte in ihm sich zusammenreimen aus Motiven, welche die Außenwelt niemals anerkennen würde. Dies sollte nicht auch Wahrheit sein? Dies sollte den Dichter nicht entzücken? Die Alten und die Mittleren schufen in dieser Weise nicht: aber die Modernen[8] werden es. Ihre Historien sind nicht die Sage oder Geschichte[5], sondern die Ideen, die im Schoße der still wirkenden und schaffenden Gottheit schlummern. Die Welt, wie sie ist, wird ihren Gebilden nicht entsprechen; diese werden dem nüchternen Vorwurfe der Unwahrheit und Unwahrscheinlichkeit ausgesetzt sein..
[21] v. d. Hagen, Vorr. Nibel. (1810), VII f. (VIII): Es ist hier nicht die Rede von jener höheren Kritik[3], von einer historischen und literarischen Untersuchung der Entstehung, Ausbildung und mannichfaltigen Darstellung der Fabel, kurz, einer vollständigen Geschichte[4] des ganzen alten[1] Werkes, nach Inhalt, Sprache[4] und Form. Eine solche beabsichtigte ich schon in der vorlängst versprochenen Einleitung zu den Nibelungen, und ich werde sie gewiß nicht schuldig bleiben: sie hat sich indessen von selber, durch den innigen Zusammenhang des Ganzen, zu ei〈VIII〉nem eigenen Werke über den gesammten nazionalen Fabelkreis erweitert. Hier meine ich nur die einzele Sprach- und Wort-Kritik, zur wahren Darstellung und Berichtigung des Textes; welche im Grunde freilich auch nicht ohne jene bestehen kann. In Beziehung auf diese bestimmt aber das berührte Verhältniß des alten[1] Heldenliedes zu unserer, wie sehr auch veränderten, doch immer noch lebenden Sprache[3], auf mannichfache Weise die Anwendung dieser, für das fast ganz in sich abgeschlossene Alterthum[2] der todten Sprachen[3] am vollkommensten ausgebildeten Wissenschaft; – durch welches Verhältniß, zur Begegnung übelwollender Beurtheilungen gesagt, zugleich die eigenthümliche Art und Weise jener Übertragung dieses und anderer ähnlicher Werke bedingt, auch durch den Erfolg als trifftig bewiesen ist. Die Arbeit ist hier, beides, leichter und schwerer, willkürlicher und gebundener, als bei den alten[10] Klassikern: jenes, weil so vieles von der alten[1] Muttersprache doch wirklich noch lebt; dieses, weil Zeit[1] und Ort so vieles in der Bedeutung verändert haben, daß man durch die gegenwärtige gar oft getäuscht wird; – eben so wie bei dem Verständniß einer nahe verwandten Sprache[3]..
[22] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 35: In den Idealen der Alten [...] sehen wir [...] wohl nur den Ausdruck des Schmerzes edler Naturen[17], wie z. B. in der Niobe und dem Laokoon; sie vergehen nicht in Klage und Verzweiflung, sondern bewähren sich groß und hochherzig darin, aber dieses Bewahren ihrer selbst bleibt leer, das Leiden, der Schmerz ist gleichsam das Letzte, [...] die Hoheit der Individualität ist doch nur ein starres Beisichseyn, ein erfüllungsloses Ertragen des Schicksals, in welchem der Adel[5] und Schmerz der Seele 〈36〉 nicht als ausgeglichen erscheinen. Den Ausdruck der Seligkeit und Freiheit[10] hat erst die romantische[12/8] religiöse Liebe. ➢ Volltext.
[23] Heine, Relig. u. Philos. in Dtld. (1835), DHA 8.1, 45: Der Geist[12] der Behandlung ist nicht mehr romantisch[4], sondern klassisch[5]. Durch das Wiederaufleben der alten Literatur verbreitete sich über ganz Europa eine freudige Begeisterung für die griechischen[2] und römischen Schriftsteller, und die Gelehrten, die Einzigen welche damals schrieben, suchten den Geist[12] des klassischen[7] Alterthums[2] sich anzueignen, oder wenigstens in ihren Schriften die klassischen[7] Kunstformen nachzubilden. Konnten sie nicht, gleich den Griechen, eine Harmonie der Form und der Idee erreichen, so hielten sie sich doch desto strenger an das Aeußere der griechischen[2] Behandlung, sie schieden, nach griechischer[2] Vorschrift, die Gattungen, enthielten sich jeder romantischen[4/12] Extravaganz, und in dieser Beziehung nennen wir sie klassisch[5/8]. ➢ Volltext.
[24] Heinse, Ardinghello (1787), 35: Von den Alten lasen wir die Abende bald ein Stück aus dem Plato, bald aus dem Aristoteles oder Xenophon, kehrten aber von ihrem Scharfsinn und Adel[5], der reinsten Empfindung und ihren hohen Flügen oft zurück unter das atheniensische Volk zum Demosthenes und Aristophanes..
[25] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 87: Was so viele Alten sagen und so viel Neuere[5] ohne Sinn[2] nachgesagt, nimmt hieraus sein sinnliches Leben: „daß nemlich Poesie[11] älter[1] gewesen, als Prosa[2]!“ denn was war diese erste Sprache[3] als eine Sammlung von Elementen der Poesie[[11]? Nachahmung der tönenden, handelnden, sich regenden Natur[2]! [...] Ein Wörterbuch der Seele, was zugleich Mythologie und eine wun〈88〉derbare Epopee von den Handlungen[1] und Reden aller Wesen ist! Also eine beständige Fabeldichtung mit Leidenschaft und Interesse! – Was ist Poesie[11] anders? ➢ Volltext.
[26] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 323: Blutige Fechterspiele, grausame Thierkämpfe dulden wir nicht mehr; alle diese wilden Jugendübungen ist das Menschengeschlecht durchgangen und hat endlich einsehen gelernt, daß ihre tolle Lust der Mühe nicht werth sei. Gleichergestalt bedürfen wir des Drucks armer Römersklaven oder Spartanischer Heloten nicht mehr, da unsre Verfassung durch freie[6] Geschöpfe das leichter zu erreichen weiß, was jene alten Verfassungen durch menschliche Thiere[3] gefährlicher und selbst kostbarer erreichten; ja es muß eine Zeit[3] kommen, da wir auf unsern unmenschlichen Negerhandel ebenso bedaurend zurücksehen werden als auf die alten Römersklaven oder auf die Spartanischen Heloten, wenn nicht aus Menschenliebe so aus Berechnung..
[27] Herder, Bef. d. Hum. V (1795), 73: Wo sind nun in Deutschland die Odeen unsrer Geschichtschreiber, unsrer Lyrischen und Epischen Dichter? Wo sind die Schulen, in denen man die edelsten Gesänge den Jünglingen ans Herz legt, und sie nebst den schönsten[2] classischen[3] Stellen der Alten nicht etwa blos deklamirt, sondern in die Seelen schreibet?.
[28] Herder, Bef. d. Hum. VII (1796), 15 ff.: Zuerst giebt ihr Fragment es selbst zu, daß auch vor der sogenannten Erwekkung der Alten in jedem Fach große Männer, Denker und Dichter gelebt haben; und eben so wenig wird bezweifelt werden können, daß seit dieser Entdeckung große Männer gelebt und geschrieben haben, die von den Alten wenig oder nichts wußten. Ich darf von den ersten nur Dante, von 〈16〉 den letzten nur Shakespeare anführen; wie viel andre möchten zu nennen seyn! Die größten Erfindungen sind in den Zeiten[3] gemacht, die wir barbarische, rohe Zeiten[3] nennen; vielleicht haben in ihnen auch die größesten Männer gelebet. Damals standen die Köpfe noch nicht so dicht an einander; jeder hatte zum eignen Denken freien[1] Raum; um sie war Dämmerung; desto munterer aber wirkten sie, und dorften in der Mittagssonne der Alten eben noch nicht erblinden. Wie Ein Roger Baco vor hundert Commentatoren des Aristoteles gilt: so giebt es romantische[1] Gedichte der mittleren, selbst der neueren[9] Zeit[3], bei denen man den Geschmack der Alten gern vergißt und in ihnen wie im Feenreich lustwandelt. Ich erinnere Sie an so manche Romane[1], die uns der Graf Treßan und seine Gehülfen gegeben, ja 〈17〉 seit Wiederauflebung der Wissenschaften an die größesten Lichter aller cultivirten Nationen[1]. Woher nahmen Ariost und die ihm vorgingen, woher Spenser, Shakespeare und zwar in seinen rührendsten Stücken Form und Inhalt? Nicht aus den Alten, sondern aus der Denkart des Volks[5] und seinem Geschmack in ihren und den mittleren Zeiten[3]..
[29] Herder, Bef. d. Hum. VII (1796), 17 f. (18): Boëthius und Auson's Gedichte sind zur Zeit[7] des allgemeinen Verfalls der Römischen Sprache[3] und Poesie[1] merkwürdige Erscheinungen. [...] Beide, insonderheit Boëthius, sind den folgenden dunkeln Jahrhunderten leitende Sterne 〈18〉 gewesen; wie denn auch in ihm [...] bereits sichtbarerweise ein neuer[1] Geschmack hervorgehet, der den folgenden Zeiten[3] verwandt und ihnen daher lieber war, als der große Geschmack der alten classischen[5] Dichter..
[30] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 237: Antike[4], Antiken[3], (vom lateinischen Worte[1] antiquus, längst verflossen, alt[1]) die Kunst[11] der Alten, Alterthümer[5]; im scharfen 〈238〉 Gegensatze zur Kunst[11] der Neuen[5] zur modernen[1] oder romantischen[12] Kunst[11]. Die antike[2] Kunst[11] (eigentlich nur die griechische[2] zu nennen) ist leichter zu beurtheilen, als in ihrem Stile zu schaffen. Ideale Ruhe, göttlicher Adel[5] in der Form und kühne Einfachheit sind die Kennzeichen, das Wesen der Antike[4]. Woher aber jene himmlische Ruhe, jene unnachahmliche Grazie, jene Abgeschlossenheit (Plastik) in der Antike[4]? – Griechenland war von Poesie[14] durchdrungen, nämlich von einer Phantasie[3], die ihre Ideale im Leben selbst vorfand, und dieselben in Formen bringen konnte, die wirklich vorhanden waren; die Kunst[11] besteht aber nur in dieser Verschmelzung des Ideals mit der Wirklichkeit, diese Erhebung des Irdischen zum übersinnlichen Genusse. Und wenn ein poetischer[1] Mensch derjenige ist, welcher bei Beschauung irdischer Gegenstände diesen sogleich ihre himmlische Beziehung in schöner[1] Form anweist, so waren die Griechen eine poetische[1] Nation[1], und die Kunst[4] lag ihnen nahe. Das Schöne[1] setzten sie über Alles, weil sie selbst schön[1] waren; sie vergötterten schöne[1] Menschen nach dem Tode; ihre Lebensaufgabe war Genuß des Schönen[1]..
[31] Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), VIII: Kritik[3] der Sachen, der Geschichte[3] und der Stellen der alten Schriftsteller, auf die man sich beruft, sehe ich überhaupt [...] 〈IX〉 [...] als etwas sehr wichtiges und nöthiges an. ➢ Volltext.
[32] Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), X: Uebrigens schränke ich mich auf dasjenige ein, was ich leisten kann ohne Italien gesehen zu haben, und wage kein Urtheil über alte Kunstwerke[4], als so weit sich der Gedanke und die Ausführung aus Zeichnung, Kupfern und Nachrichten beurtheilen läßt. Mit diesen Erkenntnißquellen muß in Ansehung eines großen Theils der Antiken[3] selbst derjenige sich genügen lassen, welcher in Rom lebt und schreibt: denn über dasjenige, was in Florenz, Neapel und an andern Orten Italiens, in Frankreich, England, Dresden, Berlin und anderwärts vorhanden ist, muß er sich, so gut, als ich, aus Büchern belehren, und in Rom selbst hat er nicht immer alles vor Augen, und selbst wer Italien durchreiset hat, kann nicht alles gesehen haben; er kann eine anschauendere Kenntniß von vielem haben, das übrige aber muß er doch aus Büchern lernen. ➢ Volltext.
[33] A. v. Humboldt, Basalte Rhein (1790), 50: Der lapis lydius war bei den Alten, in deren Hausgeräth er gewissermassen gehörte, äusserst gemein. Daher wird er oft bei den Classikern[1] genannt..
[34] A. v. Humboldt, Basalte Rhein (1790), 126: Den Basalt der Alten hält Herr Desmarest für eine Art Schörl, die er im Limousin im Granit entdeckte. Er gründet diese Behauptung auf eine genaue Untersuchung der antiken[2] Kunstwerke[4], die er 1765. zu Rom sahe. Diese Untersuchung aber, so interressant[1] sie an sich ist, kann wenig zur Erläuterung des Plinius beitragen. Sie entscheidet wol, welche Steinart die Antiquarier in ihrer Sprache Basalt nennen, nicht was die Römer damit bezeichneten..
[35] W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 280: Uebersezungen. Diese können in Absicht des übersezten Schriftstellers einen dreifachen Nuzen haben. 1., ihn diejenigen kennen zu lehren, die sein Original nicht selbst zu lesen im Stande sind. 2., für denjenigen, der das Original selbst liest, zum Verständniss desselben zu dienen. 3., denjenigen, der das Original zu lesen im Begriff[6] ist, vorläufig mit ihm bekannt zu machen, ihn in seine Manier, seinen Geist[30] einzuweihen. [...] Die Haupterfordernisse einer Uebersezung wechslen nun nach diesem dreifachen Zwekke. Zu dem 1sten wird Anpassung des übersezten alten Schriftstellers auf den modernen[1] Leser, also oft absichtliche Abweichung von der Treue erfordert; zu dem 2ten Treue der Worte[4] und des Buchstabens[11]; zu dem 3ten Treue des Geistes[30], wenn ich so sagen darf, und des Gewandes, worin er gekleidet ist, wobei also vorzüglich viel auf die Nachahmung der Diktion bei Prosaikern und des Rhythmus und des Versbaues bei Dichtern ankommt..
[36] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 182: [W]enn er, mit dem classischen[3] Geiste[14] der Alten vertraut, und von dem besten der Neueren[3] durchdrungen, zugleich so individuell gebildet ist, daß er nur unter seiner Nation{1] und in seiner Zeit[3] emporkommen konnte, daß alles Fremde[1], was er sich aneignet, danach sich umgestaltet und er sich nur in seiner vaterländischen Sprache[3] darzustellen vermag, in jeder andern aber und zwar gerade für seine Eigenthümlichkeit schlechterdings unübersetzbar bleibt; wenn es ihm nun so gelingt, die Resultate seiner Erfahrungen über Menschenleben und Menschenglück in eine dichterische Idee zusammenzufassen, und diese Idee vollkommen auszuführen – dann mußte, und nur so konnte ein Gedicht, wie das gegenwärtige ist, entstehen..
[37] W. v. Humboldt, Lat. u. Hell. (*?1806), GS I, 3, 136: Es giebt einen vierfachen Genuss des Alterthums[3]: | in der Lesung der alten Schriftsteller, | in der Anschauung der alten Kunstwerke[4], | in dem Studium der alten Geschichte[1], | in dem Leben auf classischem[3/7] Boden..
[38] Jean Paul, Vorsch. Ästh. III (21813), 786 f. (787): Wenn nun alle Klassiker nur durch die Mehrheit glänzender Theile sich über die Gemeinen und doch Tadelfreien erheben: so fragt sich, ob diese Mehrheit in sogenannten sprach-klassischen oder ob in genialen Theilen bestehe. In den letzten durchdringt sich, wie gesagt, von selber Stoff und Form, Seel' und Leib erschaffen sich gegenseitig, aber die ersten würden nur eine negative, ja bloße grammatische Musterhaftigkeit 〈787〉 geben, und so wäre denn, mit Longin zu reden, ein Ion aus Chios klassischer[3] als Sophokles, und Adelungs Geschichte[7] der Menschheit[2] klassischer[3] als die Herdersche, und Goethe hätte vor Merkels Köpfchen den Hut abzunehmen. Kurz das Klassische[3] kann nicht in der Minderzahl der Flecken, sondern in der Mehrzahl der Strahlen bestehen. Auch nach dem vorigen Kunstrichter kann nichts klassisch[3] sein, was höher zu treiben ist [...]; – aber daher ist dann jede noch lebende Sprache[3] nur für die Gegenwart klassisch[3], weil sie Blüten abwirft und nachtreibt. Jede alte todte war auch so lange keine klassische[3], als sie fort- und nachwuchs; nur ihr Tod gab ihr feste Verklärung..
[39] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), 174 f. (175): Es giebt weder eine Wissenschaft des Schönen[1], sondern nur Critik[2], noch schöne[2] Wissenschaft, sondern nur schöne[2] Kunst[1]. Denn was die erstere betrifft, so würde in ihr wissenschaftlich, d. i. durch Beweisgründe ausgemacht werden sollen, ob etwas für schön[1] zu halten sey oder nicht; das Urtheil über Schönheit[1] würde also, wenn es zur Wissenschaft gehörte kein Geschmacksurtheil seyn. Was das zweyte anlangt, so ist eine Wissenschaft, die, als solche, schön[2] seyn soll, ein Unding. Denn, wenn 〈175〉 man in ihr als Wissenschaft nach Gründen und Beweisen früge, so würde man uns durch geschmackvolle Aussprüche (Bon Mots) abfertigen. – Was den gewöhnlichen Ausdruck, schöne[2] Wissenschaften veranlaßt hat, ist ohne Zweifel nichts anders, als daß man ganz richtig bemerkt hat, es werde zur schönen[2] Kunst[1] in ihrer ganzen Vollkommenheit viel Wissenschaft, als z. B. Kenntnis alter Sprachen[3], Belesenheit der Autoren, die für Classiker gelten, Geschichte[6], Kenntnis der Alterthümer[5] u. s. w. erfordert und, um daher diese historische Wissenschaften weil sie zur schönen[2] Kunst[1] die nothwendige Vorbereitung und Grundlage ausmachen, zum Theil auch weil darunter selbst die Kenntnis der Producte der schönen[2] Kunst[1] (Beredsamkeit und Dichtkunst) begriffen worden, durch eine Wortverwechselung, selbst schöne[2] Wissenschaften genannt hat..
[40] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 138: Daß man die Werke der Alten mit Recht zu Mustern anpreiset, und die Verfasser derselben classisch[3] nennt, gleich einem gewissen Adel[4] unter den Schriftstellern, der dem Volke[1/5] durch seinen Vorgang Gesetze giebt: scheint Quellen des Geschmacks a posteriori anzuzeigen, und die Autonomie desselben in jedem Subjecte zu widerlegen..
[41] Klein, Rheinreise (1828), 20: Das Gemälde des Rheingau's, welches sich hier mit seiner ganzen Lebendigkeit und in jugendlicher Frische entfaltet, hat einen eigenthümlichen Reiz; Vergangenheit und Gegenwart beschäftigen zugleich Phantasie[1] und Auge. Während auf einer Seite mannichfaltig[1] gefärbte Wolkenmassen über dem Taunus gleichsam zu alten[10] Römerburgen sich gestaltend, tiefer abwärts mit Epheu umrankte Wartthürme zerfallener Schlösser aus deutscher Ritterzeit auf den Vorsprüngen des Gebirges sich wirklich erheben, scheint links Kaiser Karl der Große mit seinen eisengepanzerten Helden über Ingelheims altem[11] Palaste zu schweben[5], und zahlreiche Kreuzfahrer das Ufer zu bedecken. [...] 〈21〉 [...] Friedliche Dörfer, geschäftiges Treiben größerer Flecken, stolze Landhäuser, stille friedliche Hütten, ehrwürdige Kirchtürme, ferne Einsiedeleien wechseln zwischen weinbekränzten Hügeln, Obstgärten, Getreidefeldern. Grüne Thalgründe, wiesenbedeckte Flächen mischen sich mit schroffen Felsen in buntem[2] Gewühle von verschiedenartiger Beleuchtung. Der seichte Fluß, zum weiten See ausgebreitet, dessen silberhelle Wellen um die vielen blühenden Auen in seiner Mitte spielen, scheint absichtlich zu zögern, um den Schiffenden Zeit zu lassen zur Beschauung des herrlichen Ganzen. Der Freund der Idylle, wie jener der Romantik[2], des frohen wie des ernsten Lebens, fühlt sich mächtig ergriffen, jeder stimmt ein in das Lob des reizenden Landes..
[42] Krünitz [Flörke], Oecon. Encycl. CI (1806), 489: So fern die Alten [...] unter der Natur[2] auch die zeugende Kraft verstanden, wurde dieses Wort[1] ehedem sehr häufig so wohl im mittlern Lateine als auch im Deutschen von den Zeugungs-Gliedern gebraucht. Die weibliche Natur[14]. 〈490〉 Jetzt kommt nur noch das Beywort bisweilen in diesem Verstande[7] vor; Die natürlichen[9] Theile..
[43] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CLXX (1839), 519 ff. (520 f.): Auch zu Buonarottis Zeiten[3] war man noch [...] sehr von dem bloßen Studium der [Antiken3] und des Antiken[2] eingenommen [...] 〈520〉 [...]. Buonarotti [...] zeigte, daß er für die antike[2] Bildhauerkunst die größte Hochachtung hege, sie studiere, aber mit Nutzen, ohne die Natur[12] zu vernachlässigen, wodurch selbst die Alten ein Muster geworden, und ohne Vernachlässigung der Zeit[3], in welcher man selbst lebt. Da er nun seine Arbeit so sehr unter die Bildhauerey der Alten herabgesetzt fand, so entschloß er sich, seine Landsleute [...] von ihrem Irrthume zu überzeugen. Er verfertigte also eine Statüe des Morpheus, oder Gottes[4] des Schlafs aus Marmor, und schlug, nach der Vollendung desselben, davon einen Arm fort, und verbarg denselben in seiner Wohnung. Die Statüe überzog er mit einer Art Rost, um derselben ein antikes[2] Ansehen zu geben, und ließ sie an einem Orte, wo er wußte, daß man nach Alterthümern[5] stets zu suchen pflegte, unter Trümmern und Schutt heimlich eingraben. Nach einiger Zeit[6] wurde daselbst wieder, wie es schon früher geschehen war, der Antiken[3] wegen, nachgegraben, und so fand man denn auch die Bildsäule von Buonarotti. Die größten Kenner Roms bewunderten sie sogleich als einen aufgefundenen antiken[2] Schatz, ja als eines der schönsten[1] Stücke des Alterthums[3]. Man ließ sich in Lobeserhebungen über die Schönheit[1] der Arbeit, aus, und sagte ganz offen, daß man hiernach die Arbeiten des Michael Angelo beurtheilen könne, wie weit diese hinter den Antiken[3] zurückständen. Man ließ ihm zwar dabei eine gewisse Gerechtigkeit widerfahren, indem man sagte: daß er, als ein Neuerer[5] in der Kunst[4], in der That ein geschickter Mann sey; allein hieran könne man doch erkennen, wie viel er noch zu thun habe, um diese Antike[3] zu erreichen [...]. Nachdem nun Buonarotti sie eine Zeitlang in dem 〈521〉 Wahne, eine wirkliche Antike[3] vor sich zu haben, gelassen, auch viele ironische[1] Bemerkungen zwischen der Antike[4] und seiner Arbeit mit angehört hatte, so trat er endlich hervor, und erklärte die Bildsäule für sein Werk [...]. Man kann sich leicht die Entrüstung denken, in welche alle seine Gegner geriethen, als sie sich mit ihrem Kunsturtheile so in die Enge getrieben sahen; indessen zweifelte man dennoch an der Wahrheit, bis Buonarotti den Arm brachte [...], welches zugleich eine Lehre für diejenigen zur Folge hat, die nur für das Antike[2] eingenommen sind, ohne das Moderne[1] in der Kunst[2] erst näher zu untersuchen oder zu prüfen, indem sie dann finden werden, daß man bei der Wahl und Nachahmung des Schönen[1] in der Natur[2], nur das erreichen kann, was die Alten auch nur erreichen konnten, weil sie nichts anderes thaten, und dann, daß die Kunst[2] nicht abgeschlossen ist, sondern sich jeder bestreben muß, das Höchste darin zu erreichen. Wer die Antiken[3] zum Vorbilde hat, hat nur das voraus, daß er schon die Muster zum Studium, der Nachahmung würdig, aufgestellt findet, ohne sie erst aufsuchen zu müssen; oder daß sich nach diesen Mustern sein Geschmack bilde, seine Empfindung für das Schöne[1] erregt werde, um dann selbst dasselbe aufzusuchen..
[44] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 55: Wie Großes haben die Alten gemeint, als sie von einer Harmonie der Sphären redeten, als wenn die Gesetze der wunderbaren Anordnung des Weltbaues doch eigentlich nur das Ohr[3] empfinden könnte!.
[45] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 62 f. (63): [E]s ist, als wenn [...] 〈63〉 [...] zwischen Parterre und Bühne die Grenze des Proszeniums verschwände, welche die Kunst[2] eigentlich immer aufheben sollte, wie die Alten andeuteten, indem sie die Bildsäule des Gottes[4], die Neueren[3], indem sie die Musik[9] an diese Grenze hin verlegten..
[46] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 266 f. (267): [E]s drängte diese liebenswürdige Natur[17] [sc. Schiller] sich zu dem Göttlichen zu erheben oder das Göttliche herabzuziehn: er sehnte sich wie jeder ordentliche und vollständige Mensch[1] nach der Verbindung des Göttlichen und Menschlichen [...]. Die griechischen[2] Götter[4] trugen wenigstens Masken von Menschen[1], und so übertrug er in rührendem Irrthume alle jene romantischen[7] Empfindungen seines Herzens, 〈267〉 welche er mit der Luft der neuern[3] Zeiten[3] eingesogen, auf jene alten, kalten, geschlechtslosen Gestalten [...]..
[47] Novalis, Über Goethe (*1798), NS 2, 641 f. (642), Nr. 445: Wenn ich die neuesten[3] Freunde der Litteratur des Alterthums[3] recht verstehe, so haben sie mit ihrer Foderung, die klassischen[7/3] Schriftsteller nachzuahmen nichts anders im Sinn[10], als uns zu 〈642〉 Künstlern zu bilden – Kunsttalent in uns zu erwecken. Keine moderne[1] Nation[1] hat den Kunstverstand in so hohem Grad gehabt, als die Alten. Alles ist bey ihnen Kunstwerk[2] – aber vielleicht dürfte man nicht zu viel sagen, wenn man annähme, daß sie es erst für uns sind, oder werden können. Der classischen[7/3] Litteratur geht es, wie der Antike[4]; sie ist uns eigentlich nicht gegeben – sie ist nicht vorhanden – sondern sie soll von uns erst hervorgebracht werden. Durch fleißiges und geistvolles Studium der Alten[10] entsteht erst eine klassische[7/3] Litteratur für uns – die die Alten selbst nicht hatten..
[48] Ramdohr, Landsch. Friedr. (1809), 109: [I]ch, der ich [...] um funfzig Jahre zu spät geboren [...] [bin], um statt der Bildung[5], die ich durch die klassischen[3] Werke der Alten und Neuen[5] erhalten habe, durch die Werke aus der ersten Kindheit der Kunst[4] zum Gefühl des Schönen[1] angezogen zu seyn [...]. ➢ Volltext.
[49] Schelling, Meth. Stud. (1803), 75 f. (76): Ich kenne keine Beschäftigungsart, welche mehr geeignet wäre, im früheren Alter dem erwachenden Witz[2/3], Scharfsinn, Erfindungskraft die erste Uebung zu geben, als die vornehmlich 〈76〉 mit den alten Sprachen[3]..
[50] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 429: Die ewige Nothwendigkeit offenbart sich in der Zeit[3] der Identität mit ihr als Natur[13]. [...] Mit dem Abfall von ihr offenbart sie sich als Schicksal in herben und gewaltigen Schlägen. Um sich dem Schicksal zu entziehen, ist nur Ein Mittel, sich in die Arme der Vorsehung zu werfen. Dieß war das Gefühl der Welt in jener Periode der tiefsten Umwandlung, als das Schicksal an allem Schönen[1] und Herrlichen des Alterthums[3] seine letzte Tücke übte. Da verloren die alten Götter[4] ihre Kraft, die Orakel schwiegen[1], die Feste verstummten und ein bodenloser Abgrund voll wilder Vermischung aller Elemente der gewesenen Welt schien sich vor dem menschlichen Geschlecht[7] zu öffnen. ➢ Volltext; vgl. [63].
[51] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 443: Nur der Katholicismus lebte in einer mythologischen Welt. Daher die Heiterkeit[4] der poetischen[4] Werke, die in dem Katholicismus selbst entsprungen sind, die Leichtigkeit und Freiheit[13] der Behandlung dieses – ihnen natürlichen[3] – Stoffes, fast wie die Griechen ihre Mythologie behandelt haben. Außer dem Katholicismus kann fast nur Unterordnung unter den Stoff, gezwungene Bewegung ohne Heiterkeit[4] und bloße Subjektivität des Gebrauchs erwartet werden. Ueberhaupt wenn eine Mythologie zum Gebrauch herabgesunken, z. B. der Gebrauch der alten Mythologie in den Modernen[1], so ist dieser, eben weil bloß Gebrauch, bloße Formalität; sie muß nicht auf den Leib passen, wie 〈444〉 ein Kleid, sondern der Leib selbst seyn. Selbst die vollendete Dichtung im Sinn der rein-mystischen Poesie[11] würde eine Absonderung im Dichter, sowie in denen, für welche er dichtet, voraussetzen, sie wäre nie rein, nie aus dem Ganzen der Welt und des Gemüths gegossen. ➢ Volltext.
[52] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 673: Das romantische[12] Epos hat in der Gattung, zu der es gehört, selbst wieder einen Gegensatz. Wenn es nämlich überhaupt zwar dem Stoff nach universell, der Form nach aber individuell ist, so läßt sich zum voraus eine andere entsprechende Gattung erwarten, in welcher an einem partiellen oder beschränkteren Stoff sich die allgemein gültigere und gleichsam indifferentere Darstellung versucht. Diese Gattung ist der Roman, und wir haben mit dieser Stelle, die wir ihm geben, zugleich auch seine Natur[1] bestimmt. | Man kann allerdings auch den Stoff des romantischen[12] Epos nur relativ universell nennen, weil er nämlich immer den Anspruch an das Subjekt macht, sich überhaupt auf einen phantastischen[1] Boden zu versetzen, welches das alte Epos nicht thut. Aber eben deßwegen auch, weil der Stoff vom Subjekt etwas fordert – Glauben, Lust, phantastische[1] Stimmung – so muß er Dichter von der seinigen etwas hinzuthun und so dem Stoff, was er in der einen Rücksicht an Universalität voraus haben kann, von der andern Seite wieder durch die Darstellung nehmen. Um sich dieser Nothwendigkeit zu überheben, und der objektiven Darstellung sich mehr zu nähern, bleibt demnach nichts übrig als auf die Universalität des Stoffs Verzicht zu thun und sie in der Form zu suchen. | Die ganze Mythologie des Rittergedichts gründet sich auf das Wunderbare, d. h. auf eine getheilte Welt. Diese Getheiltheit geht nothwendig in die Darstellung über, da der Dichter, um das Wunderbare als solches erscheinen zu lassen, selbst für sich in der übrigen Welt seyn muß, wo das Wunderbare als Wunderbares erscheint. Will also der Dichter mit seinem Stoff wahrhaft identisch werden und sich ihm selbst ungetheilt hingeben, so ist kein Mittel dazu, als daß das Individuum, wie überhaupt in der modernen[1] Welt, so auch hier ins Mittel trete und den Ertrag Eines Lebens und Geistes[32] in Erfindungen niederlege, die, je höher sie stehen, desto mehr die Gewalt einer Mythologie gewinnen. So entsteht der Roman, und ich trage kein Bedenken, ihn in dieser Rücksicht über das Rittergedicht zu setzen [...]. ➢ Volltext.
[53] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 723: Der Natur[1] des romantischen[12/4] Princips gemäß stellt die moderne[1] Komödie die Handlung[3] als Handlung[3] nicht rein, isoliert und in der plastischen[3] Beschränkung des alten Drama dar, sondern sie gibt zugleich ihre ganze Begleitung. ➢ Volltext.
[54] Schiller, an Goethe (19. 7. 1799), NA 30, 72 f. (73): Ich habe mir vor einigen Stunden durch Schlegels Lucinde den Kopf so taumelig gemacht, daß es mir noch nachgeht. Sie müssen dieses Product wundershalber doch ansehen. Es characterisiert seinen Mann, so wie alles Darstellende, beßer als alles was er sonst von sich gegeben, nur daß es ihn mehr ins frazenhafte 〈73〉 mahlt. Auch hier ist das ewig formlose und fragmentarische, und eine höchst seltsame Paarung des Nebulistischen mit dem Characteristischen[2], die Sie nie für möglich gehalten hätten. Da er fühlt, wie schlecht er im poetischen[4] fortkommt, so hat er sich ein Ideal seiner selbst aus der Liebe und dem Witz[2] zusammengesetzt. Er bildet sich ein, eine heiße unendliche Liebesfähigkeit mit einem entsetzlichen Witz[2] zu vereinigen und nachdem er sich so constituiert hat, erlaubt er sich alles, und die Frechheit erklärt er selbst für seine Göttin. | Das Werk ist übrigens nicht ganz durchzulesen, weil einem das hohle Geschwätz gar zu übel macht. Nach den Rodomontaden von Griechheit, und nach der Zeit[6], die Schlegel auf das Studium derselben gewendet, hätte ich gehofft, doch ein klein wenig an die Simplicität und Naivetät der Alten erinnert zu werden, aber diese Schrift ist der Gipfel moderner[1] Unform und Unnatur, man glaubt ein Gemengsel aus Woldemar, aus Sternbald, und aus einem frechen französischen Roman zu lesen..
[55] A. W. Schlegel, an Goethe (4. 2. 1799), KW, 83: Voß besitzt bey der Vertrautheit mit dem Buchstaben[8] der alten Poesie[11] 〈84〉 doch gar zu wenig von ihrem Geiste[12]..
[56] A. W. Schlegel, Gemählde (1799), 39: Sie gehen so gedankenvoll unter den Antiken[3] auf und ab, Waller; dichten Sie etwa einen Hymnus auf die alten Götter[4]? ➢ Volltext.
[57] A. W. Schlegel, Gemählde (1799), 118 f. (119): Daß die Sache [sc. die Aussetzung Mosis] in Egypten vorgeht, ist also hinlänglich außer Zweifel gesetzt: aber bey allem dem kann man der gerühmten Gelehrsamkeit Poussins im 〈119〉 Kostum hier nichts weiter zugestehen, als daß er es beynahe so gut wie Paul Veronese, beobachtet hat. Bey diesem ist alles modern[1], aber alles aus Einem Stücke; bey jenem ist alles antiquarisch, allein es paßt nicht zu einander. Mutter und Tochter sind der Kleidung nach ziemlich Griechisch[4], der Knecht ist ganz Griechisch[4], der Flußgott ist wahrlich weder Egyptisch noch Hebräisch, sondern Griechisch[4], und bey einer Geschichte[10], wo Jehovah's unmittelbare Vorsehung eintritt, noch obendrein erzheidnisch. Das Füllhorn ist auch Griechisch[4]. Eigentlich ist es doch ein Glück, daß der Mahler auf halbem Wege stehen blieb, und zufrieden war, wenn eine alte[1] Geschichte[10] antik[2] aussah. Ein andrer, der das Studium des Kostums (auf welches die Französischen Kunstrichter, die darin mit Poussin sympathisiren, eine so lächerliche Wichtigkeit legen) noch strenger verfolgte, könnte der Tochter Pharao's die Physiognomie einer Mumie geben. Soll aber einmal etwas fremdes[5] sich eindrängen dürfen, so ist es wohl eben so erlaubt, eine biblische Geschichte[10] im Venetianischen Dialekt[3] zu erzählen, als die ganze Welt durch eine griechische[4] Brille zu sehen. Das Einheimische und Neue[5] ist uns näher, lebendiger, lustiger; Paul mahlte frisch, was er sah und erlebte, Poussin schöpfte mühsam aus alten[10] Denkmälern und Büchern. Jener hätte vielleicht seine fantastische[2] Jovialität eingebüßt, wenn er die Kunst[4] so ernst hätte treiben wollen; dieser konnte sich schwerlich über seine klassische[8] Kälte erheben, wenn er sich auch geselliger ins Leben hineinwagte [...]. ⦿ ➢ Volltext.
[58] A. W. Schlegel, Zeichn. (1799), 197: Komödien sollten lustig seyn. In Hogarth's Bildern ist alles häßlich[1] und unpoetisch, oft die ekelhafteste Anatomie moralischer Verwesung. Keine leichte Jovialität, nichts von jener absoluten Willkühr, die den darstellenden Geist[32] über die Unsittlichkeit und Niedrigkeit des Dargestellten in eine reinere Region erhebt, und die scherzende Frechheit der alten Komödie so erhaben macht. Man erklärt uns mühsam alle Absichten und Anspielungen, man weist uns mit Fingern darauf hin, damit wir es auch ja merken, was hier zu bewundern ist. ➢ Volltext.
[59] A. W. Schlegel, Zeichn. (1799), 225: Nach dem Anblick dieser Umrisse kann man nicht umhin, Flaxman für einen gelehrten Kenner der Klassiker zu halten, der mit den griechischen Dichtern in ihrer Sprache vertraut ist; und wenn sich nachher bey genauerer Untersuchung hiegegen einige Zweifel regen, so wird es desto erstaunlicher, daß er sie so gefaßt: man könnte alsdann seine Umrisse zum Homer eine Rückübersetzung aus Pope's Travestie in das Aechtgriechische und Heroische nennen, aus eigenmächtiger Befugniß des Künstlersinnes ohne grammatische Beyhülfe vollbracht. Allerdings ist die klassische[7]〉 Bildung[6] ein großes untheilbares Ganzes: durch den vollkommnen Besitz einer Seite desselben muß einem also auch der Zugang zu den übrigen geöffnet werden. Wer die alten Dichter recht versteht, (man verstehe, was eigentlich verstehen heißt) dem mußten auch für die bildende Kunst[2] der Alten die Augen aufgehn, und umgekehrt hat sich unser Künstler durch tiefes und liebevolles Studium der Antike[4] mit den Dichtern in unmittelbarere Berührung gesetzt, als durch modernisirende Uebersetzungen hätte geschehen können. ➢ Volltext.
[60] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 195: Höchst wesentlich ist für die Kunstgeschichte die Anerkennung des Gegensatzes zwischen dem modernen[1] und antiken[2] Geschmack. [...] Man hat den Charakter[1] der antiken[2] Poesie[11] mit der Bezeichnung classisch[3/5/7], den der modernen[1] [als] romantisch[12/4/11] bezeichnet; [...] sehr treffend. Es ist eine große Entdeckung für die Kunstgeschichte daß dasjenige, was man bisher als die ganze Sphäre der Kunst[3] betrachtete (indem man den Alten die uneingeschränkte Autorität zugestand) nur die eine Hälfte ist: das classische[7] Alterthum[2] kann dadurch weit besser verstanden werden als aus sich allein..
[61] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 367: Nach unsrer allgemeinen Ansicht vom Verhältniß der alten und neueren[3] Kunst[10] werden wir auch in der Musik[4] keine gegen die andre herabzusetzen, sondern die Bedeutung ihres Gegensatzes zu verstehen suchen; und da würde sich vielleicht bey näherer Erörterung finden, daß das vorwaltende in der alten Musik[4] eben das war, was in den übrigen Künsten[10]: das plastische[3], rein classische[5], streng begränzende; in der neueren[3] hingegen das pittoreske[2], romantische[4/8] oder wie man es nennen will..
[62] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 439: Wirkung des Reimes überhaupt: Verknüpfung, Paarung, Vergleichung. Erregte Erwartung schon im einzelnen Verse und Befriedigung. Erinnerung und Ahndung[1], statt daß die alte Rhythmik immer in der Gegenwart festhält, und allen Theilen gleiche Dignität giebt. – Daher 〈439〉 liegt im Reime das romantische[12/4/11] Prinzip, welches das entgegengesetzte des plastischen[3] Isolierens ist. Allgemeines Verschmelzen, hinüber und herüber ziehen, Aussichten ins Unendliche..
[63] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 455: Es giebt kein andres Mittel sich der Gewalt des Schicksals zu entziehen, als sich in die Arme der Vorsehung zu werfen. Dieß that denn auch die Welt, als das Schicksal eben an allem Großen und Herrlichen des Alterthums[3] seine letzten Tücken übte; als die schöne[1] Kunstwelt Griechenlands nach Gesetzen der organischen[6] Auflösung in sich zerfallen war, und die prachtvolle Weltherrschaft Roms durch die Last ihrer eignen Größe erdrückt ward, und die Nemesis des Römischen Übermuthes in barbarischen Horden hereinbrach. Da verlohren die alten Götter[4] ihre Kraft, die laute Freude der Feste schwieg[4], die Orakel verstummten, und der Mensch[1], gleichsam aus seinem 〈geliebten〉 irdischen Wohnsitze ohne Rückhalt vertrieben, mußte eine höhere geistige Heimath suchen. ➢ vgl. [50].
[64] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 461 f. (462): Weit reiner [findet sich die Scheidung der Dichtarten] in der antiken[2] Poesie[11], weswegen diese vorzugsweise als Kunst[9] 〈462〉 und classisch[5] erscheint. In der romantischen[12/4] Poesie[11] eine unauflösliche Mischung aller poetischen[4] Elemente. Daher daß man sie verkennt. Die eigentlichen Originalwerke der Neueren[3] ganz übersehen, die schlechten Nachahmungen der Alten als das Wichtigste gepriesen. Keinen Sinn[5] für das Chaos. 〈Auch das Universum bleibt der höhern Ansicht immer noch Chaos.〉 Das Streben nach dem Unendlichen ist in der Romantischen[12/4/11] Poesie[11] nicht bloß im einzelnen Kunstwerke[3] ausgedrückt, sondern im ganzen Gange der Kunst[3]. Gränzenlose Progressivität..
[65] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 545: Die Neueren[3] haben sich die Kunstausdrücke der Alten von den Gattungen angeeignet, oft aber etwas ganz anderes damit gemeynt. Zuweilen haben sie aber auch die Poesie[1] auf gelehrte Weise getrieben, und sind von der Nachahmung der Alten ausgegangen. Die so entstandnen Werke werde ich, da man sie wegen ihres oft großen Ansehens bey geringem eigenthümlichen Werth und Geist[12], nicht ganz übergehen kann, bey Abhandlung der Griechischen[2] Vorbilder ebenfalls anfügen, um 〈546〉 bey der neueren[3] Poesie[11] die Entwicklung des Romantischen[4] so wenig als möglich zu unterbrechen. Ich nehme den Fall aus, wo ein Werk zwar mit der Intention entworfen worden, classisch[5] zu seyn, wo aber doch romantische[4] Elemente sich ihm eingemischt haben, und vielleicht das beste darin sind, wie es z. B. mit Tasso's befreytem Jerusalem der Fall ist. 〈Tasso hatte nächst dem Virgil wohl den sehr romantischen[4] Camoens vor Augen, und wirkte wieder auf den gar nicht romantischen[4] Milton.〉.
[66] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 551: Zuvörderst was die älteste[1] epische Epoche betrifft, so fällt sie, genauer betrachtet, vor der eigentlichen Sonderung der Dialekte[1], in der höheren, oben angegebnen, Bedeutung dieses Wortes[1]. Wir finden beym Homer die Griechische Bildung[5] auf einer Stufe, wo die Bestandtheile der Nation[1] durch Kriege, Wanderungen und mancherley Revolutionen sich gegenseitig durchdrungen hatten, [...] aber noch nicht wieder nach verschiednen eigenthümlichen Richtungen gesetzmäßiger aus einander gegangen waren. Deswegen behaupten die Alten[10], Homer habe geflissentlich alle Dialekte[1] durch einander gemischt, um sämtlichen Griechen verständlich zu seyn: der Wahrnehmung nach richtig, aber nur historisch unrichtig ausgedrückt..
[67] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 658: Ich habe hier diese Gesetze und Verhältnisse der Verskunst einmal für allemal aus einander gesetzt; denn sie gelten nicht bloß [für] die alte[10] 〈659〉 Poesie[3], sondern dieselbe Erscheinung kommt in den gereimten Versarten der romantischen[12] Dichter[2] wieder..
[68] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 763: Doch sind in so fern die gemischten Gattungen merkwürdig, um zu sehen, wie auch in ihnen die classische[7] Poesie[11] ihre Gesetzmässigkeit behauptet. Das Verhältniß der Elemente war wenigstens genau bestimmt: zwischen der Komödie und der Tragödie lag diese Spielart doch der letzten näher; denn bey der Einseitigkeit der alten Meister, die sich gewöhnlich nur in einer Gattung hervorthaten, verfertigten bloß die Tragiker satyrische Dramen, niemals aber die Komiker, wie es denn für ausgemacht unmöglich gehalten wurde, zugleich Komiker und Tragiker zu seyn..
[69] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 773: Prosaische[1] Theile in komischen Partien Romantischer[12] Dramen. Sehr zu billigen. Alte Poesie[11]: Reine Sonderung der Kunst[13] und Natur[19]; verlor sich also in der Prosa[1], ohne den Rückweg zur Poesie[3] finden zu können. Romantische[12/10] Poesie[11]: unauflösliche Verschmelzung von Kunst[13] und Natur[19]. Also Prosa[1] schon als ursprünglicher Bestandtheil aufgenommen..
[70] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 46 f. (47): Die Philologie ist an sich ein liberales Studium, weil es bloß auf Uebung und Bildung[2] des Geistes[14] im allgemeinen abzweckt, und sich der Gemeinnützigkeit bestimmter Anwendungen entzieht. Man hat sie aber auch in der neueren[5] Epoche diesen unterwürfig machen wollen, 〈47〉 und dadurch auf Abwege geleitet. Die älteren Philologen suchten den Schülern bloß den Buchstaben[11] der alten Autoren zu eröffnen, in der Zuversicht, wenn sie selbigen treufleißig erlernt hätten, würde ihnen der Geist[30] nach dem Maaße ihres Sinnes[5] von selbst aufgehen. Jetzt hat man sie voreilig in diesen einzuweihen gedacht, ohne ihn selbst recht gefaßt zu haben: man hat in Noten viel über die Schönheiten[3] der Dichter gefaselt, man hat die Mythologie nach oberflächlichen Ansichten aus der sogenannten Geschichte[4] der Menschheit[2], d. h. aus Vergleichungen mit andern Nationen[1] auf gleichen Stufen der Cultur[4] [...], zugestutzt, u. s. w. Was ist dabei herausgekommen? Die grammatische Gründlichkeit ist vernachlässigt, und das Höhere nicht erreicht worden. ➢ Volltext.
[71] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 70: Die Ehre, diese uns wenigstens in Ueberresten angestammte große Idee aus dem Mittelalter, [...] ist gleichsam eine romantisirte[2] Sittlichkeit; hierin liegt es schon, warum die Alten sie in diesem Sinne[1] nicht kannten, was ich auch daraus einzusehen glaube, daß bei den Alten Religion[1] und Moral mehr getrennet war; da nun das Christenthum das gesammte Thun des Menschen in Anspruch nahm, so rettete sich das Gefühl von der Selbstständigkeit des sittlichen Strebens dahin, und erfand neben der religiösen Moral eine noch von ihr unabhängige weltliche. Die ritterlichen Grundsätze der Ehre werden also auch so lange nicht wegfallen können, als das Christenthum einen so bedeutenden Einfluß auf unsre Sittenlehre hat, als es bisher ungeachtet seines Verfalls, noch immer ausgeübt. ➢ Volltext.
[72] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 14: Wenn [...] in einer allgemeinen Geschichte[7] der romantischen[12] Poesie[11] die Deutschen eine so unansehnliche Rolle spielen, ja fast daraus verschwinden, wenn wir besonders keine romantischen[12] Künstler aus der Vorzeit aufzuweisen haben, die sich den großen entgegenstellen ließen, worauf andre Nationen[1] seit Jahrhunderten stolz sind: so können wir uns damit trösten, daß unter der allgemeinen prosaischen[3] Erstorbenheit bey uns zuerst das Gefühl für ächte Poesie[11] wieder erwacht ist; daß wir mitlebende Künstler besitzen, die nicht nur den alten Meistern mit Glück nachfolgen, sondern etwas eigenthümliches wollen und anstreben, und eine noch nicht erreichte Stufe zu ersteigen, einen neuen[1] Styl der romantischen[12] Kunst[3] zu bilden angefangen haben, wie ihn die Wendungen fodern, welche der menschliche Geist[10] seitdem genommen, besonders die tiefere Ergründung seiner selbst; Künstler sage ich, die selbstständig und originell noch unerforschte Geheimnisse des menschlichen Gemüthes, dieses unerschöpflichen Räthsels, zu offenbaren wissen..
[73] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 173: Der Chor [...] war Repräsentant einer harmonisch frey[13] versammelten Menge d. i. eines Volksfestes. Dieß war er immer, wenn er auch, wie in den Tragödien eine ernste ja traurige Handlung[3] feyerte. Es war immer Feyer, ein wirkliches Volksfest konnte sich ja auch auf dergleichen beziehen, denn wir müssen hier ganz unsern rohen Begriff[1] entfernen, die Volksfeste waren die künstlerisch organisirte[7] öffentliche Geselligkeit überhaupt, der schönste[1] Selbstgenuß der Staaten. – So war in der Ode aus der ihr eignen contemplativen Concentration die heiterste[5] Geselligkeit wiederhergestellt. Daher die Neigung zur Fröhlichkeit auch in der höheren Lyrik der Alten, die auf uns gekommnen Gesänge des Pindar athmen in der That festliche Freude an einer festlichen Freude. | Bey den Neueren[3] geht nun die Richtung im allgemeinen mehr auf das Subjektive und Ideale, und es findet sich kein solches Gegengewicht, welches den lyrischen Sänger in die äußere Welt zurückriefe. Daher ist der Charakter[1] der eigenthümlich romantischen[12/9] Ode, der Canzone, statt der geselligen Heiterkeit[4] des Chores, vielmehr einsiedlerisch schwermüthig, und es ist ein vorwaltender Hang zur beschaulichen Vertiefung in sich selbst, in die Abgründe des eignen Gemüths, sichtbar..
[74] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 280: Es ist merkwürdig, daß, da die Alten die schöne[2] Kunst[1] in die Historie hineintrugen, bey den Neueren[3] hingegen die Historie in die Poesie[11] hinübergezogen worden ist: daß sich die romantische[12] Poesie[11] die Aufgabe gemacht, die Historie ganz der Wahrheit gemäß und doch zum Ausdruck einer Idee zu gestalten..
[75] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 357: [M]an [muß] den Gedanken loben, der seit der Wiederbelebung der classischen[7] Literatur in Europa gegolten hat, die Beschäftigung mit den alten Sprachen[3], ohne bestimmte nähere Zwecke, zur Erziehung überhaupt, als zur allgemeinen Ausbildung dienlich, mitzurechnen. Nur freylich wird die Sache meistens so pedantisch und und verkehrt getrieben, daß man wenig heilsame Wirkungen davon gewahr wird, und nicht sieht, was zB. die Engländer, die sich auf Schulen und Universitäten fast ausschließend mit Lesung der Classiker[2] beschäftigen, dadurch vor den Franzosen voraushaben, bey denen das Griechische eine wahre Seltenheit ist, und das Lateinische ziemlich flüchtig erlernt wird. Unter den Nationen[1] des südlichen Europa scheint sich vermöge der analogeren Conformation der Sprachen[3] das Latein immer noch mehr lebendig zu erhalten, und die Holländer haben in dem beharrlichen Studium der Classiker[2] überhaupt einen edleren Geschmack bewiesen, als man ihnen zutrauen sollte..
[76] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 13: Das ganze Spiel lebendiger Bewegung beruht auf Einstimmung und Gegensatz. Warum sollte sich diese Erscheinung nicht auch in der Geschichte[1] der Menschheit[2] im großen wiederhohlen? Vielleicht wäre mit diesem Gedanken der wahre Schlüssel zur alten und neuen[5] Geschichte[1] der Poesie[11] und der schönen[2] Künste[1] gefunden. Die, welche dieß annahmen, haben für den eigenthümlichen Geist[12] der modernen[1] Kunst[2], im Gegensatz mit der antiken[2] oder classischen[7/5], den Namen romantisch[12/4] erfunden. Allerdings nicht unpassend: das Wort[1] kommt her von romance, der Benennung der Volkssprachen, welche sich durch die Vermischung des Lateinischen mit den Mundarten[1] des Altdeutschen gebildet hatten, gerade wie die neuere[5] Bildung[5] aus den fremdartigen Bestandtheilen der nordischen Stammesart und der Bruchstücke des Alterthums[3] zusammengeschmolzen ist, da hingegen die Bildung[5] der Alten weit mehr aus einem Stücke war. ➢ Volltext.
[77] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 14: [I]n der Musik[1] hat Rousseau den Gegensatz anerkannt, und gezeigt, wie Rhythmus und Melodie das herrschende Prinzip der antiken[2], Harmonie der modernen[1] Musik[1] sey. Er verwirft aber einseitig die letztere, worin wir ganz und gar nicht mit ihm einig seyn können. Ueber die bildenden Künste[2] thut Hemsterhuys den sinnreichen Ausspruch: die alten Mahler seyen vermuthlich zu sehr Bildhauer gewesen, die neueren[3] Bildhauer seyen zu sehr Bildhauer [sc. Mahler]. Dieß trifft den eigentlichen Punkt; denn, wie ich es in der Folge deutlicher entwickeln 〈15〉 werde, der Geist[12] der gesamten antiken[2] Kunst[4] und Poesie[1] ist plastisch[3], so wie der modernen[1] pittoresk[2]. ➢ Volltext.
[78] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 22: Ritterthum, Liebe und Ehre sind neben der Religion[2] selbst die Gegenstände der Naturpoesie, welche sich im Mittelalter in unglaublicher Fülle ergoß, und einer mehr künstlerischen Bildung[2] des romantischen[12] Geistes[10] voranging. Diese Zeit[3] hatte auch ihre Mythologie, aus Ritterfabeln und Legenden bestehend, allein ihr Wunderbares und ihr Heroismus war dem der alten Mythologie ganz entgegengesetzt. ➢ Volltext.
[79] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 23 f. (24): Und wenn nun die Seele gleichsam unter den Trauerweiden der Verbannung ruhend, ihr Verlangen nach der fremd[4] gewordnen Heimath ausathmet, was andres kann der Grundton ihrer Lieder 〈24〉 seyn als Schwermuth? So ist es denn auch: die Poesie[11] der Alten war die des Besitzes, die unsrige ist die der Sehnsucht; jene steht fest auf dem Boden der Gegenwart, diese wiegt sich zwischen Erinnerung und Ahndung. Man mißverstehe dieß nicht, als ob alles in einförmige Klage verfließen, und die Melancholie sich immer vorlaut aussprechen müßte. Wie in der heitern[4] Weltansicht der Griechen die herbe Tragödie dennoch möglich war, so kann auch die aus der oben geschilderten entsprungene romantische[12/9] Poesie[11] alle Stimmungen bis zur fröhlichsten durchgehen; aber sie wird immer in einem namenlosen Etwas Spuren ihrer Quelle an sich tragen. Das Gefühl ist im ganzen bey den Neueren[3] inniger, die Fantasie[1] unkörperlicher, der Gedanke beschaulicher geworden. ➢ Volltext.
[80] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 30: Um Verwirrung zu verhüten, scheint es doch rathsamer, die verschiednen Litteraturen von einander zu sondern; die fremden[1] Einwirkungen lassen sich dennoch anmerken. Um so mehr, da bey einigen der neueren[3] Nationen[1] ganz entschieden der Grundsatz der Nachahmung der Alten, bey andern der romantische[12] Geist[14] oder wenigstens eine um die classischen[7] Muster unbekümmerte Originalität vorgewaltet hat: jenes nämlich bey den Italiänern und Franzosen, dieses bey den Engländern und Spaniern. ➢ Volltext.
[81] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 32 f. (33): Der Pastor fido insbesondre ist eine unnachahmliche Hervorbringung: originell und doch classisch[3]; romantisch[7] durch den Geist[12] der dargestellten Liebe: in den Formen mit dem großen einfachen Gepräge des classischen[3/7] Alterthums[2] bezeichnet; neben den süßen Tändeleyen der Poesie[3] voll von hoher keuscher Schönheit[6] des Gefühls. Keinem Dichter 〈33〉 ist es wohl so gelungen, die moderne[1] und antike[2] Eigenthümlichkeit zu verschmelzen. Für das Wesen der alten Tragödie zeigt er einen tiefen Sinn[5], denn die Idee des Schicksals beseelt die Grundanlage seines Stückes, und die Hauptcharakter kann man idealisch[1] nennen; er hat zwar auch Caricaturen eingemischt, und die Composition deswegen Tragikomödie genannt: allein sie sind es nur durch ihre Gesinnungen, nicht durch den Unadel der äußern Sitten, gerade wie die alte Tragödie selbst den untergeordneten Personen, Sklaven oder Boten, ihren Antheil an der allgemeinen Würde leiht. ➢ Volltext.
[82] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 91: Wir sehen hier eine neue[1] Bestimmung im Begriff[1] der Handlung[1], nämlich die Beziehung auf die Idee der sittlichen Freyheit[10], kraft welcher allein der Mensch[1] als der erste Urheber seiner Entschlüsse betrachtet wird. [...] Wir haben in dieser Beziehung auf eine höhere Idee allerdings die Einheit und Ganzheit der Tragödie im Sinne der Alten gesucht: nämlich ihr absoluter Anfang ist die Bewährung der Freyheit[10], die Anerkennung der Nothwendigkeit ihr absolutes Ende. ➢ Volltext.
[83] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 137 f. (138): Corneille war auf dem besten Wege von der Welt, als er den Cid, eine Geschichte[9] aus dem Mittelalter, bey einem verwandten Volke[1] vorgefallen, eine Geschichte[9], worin durchaus ritterliche Liebe und Ehre herrscht, deren 〈138〉 Hauptpersonen nicht einmal von fürstlichem Range sind, auf die Bühne brachte. Eine Menge Vorurtheile über das tragische Ceremoniell wären von selbst weggefallen, wenn man diesem Beyspiele gefolgt wäre; durch größere Wahrheit, durch verständliche, aus der noch geltenden Sinnesart entlehnte Motive, wäre das Trauerspiel dem Herzen befreundeter geworden; die Beschaffenheit der Gegenstände würde von selbst von der steifen Beobachtung misverstandener Regeln der Alten abgelenkt haben, wie sich denn Corneille auch nirgends weiter davon entfernt hat, als gerade in diesem Stück, freylich in Nachfolge seines spanischen Vorbildes; mit Einem Wort[2], das französische Trauerspiel hätte national und wahrhaft romantisch[14/2] werden können..
[84] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 13 f. (14): Die antike[2] Kunst[11] und Poesie[11] geht auf strenge Sonderung des Ungleichartigen, die romantische[12] gefällt sich in 〈14〉 unauflöslichen Mischungen; alle Entgegengesetzten: Natur[19] und Kunst[13], Poesie[3] und Prosa[1], Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahndung[1], Geistigkeit und Sinnlichkeit, das Irdische und Göttliche, Leben und Tod, verschmelzt sie auf das innigste mit einander. [...] [D]ie gesamte alte Poesie[11] und Kunst[11] [ist] gleichsam ein rhythmischer Nomos, eine harmonische Verkündigung der auf immer festgestellten Gesetzgebung einer schön[1] geordneten und die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden Welt. Die romantische[12/4] hingegen ist der Ausdruck des geheimen Zuges zu dem immerfort nach neuen[1] und wundervollen Geburten ringenden Chaos, welches unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schooße sich verbirgt: der beseelende Geist[12/1] der ursprünglichen Liebe schwebt[1] hier von neuem[2] über den Wassern. Jene ist einfacher, klarer, und der Natur[2] in der selbständigen Vollendung ihrer einzelnen Werke ähnlicher; diese, ungeachtet ihres fragmenta〈15〉rischen Ansehens, ist dem Geheimniß des Weltalls näher. Denn der Begriff[5] kann nur jedes für sich umschreiben, was doch der Wahrheit nach niemals für sich ist; das Gefühl wird alles in allem zugleich gewahr. ➢ Volltext.
[85] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 15 f. (16): Was nun die dichterische Gattung betrifft, womit wir uns hier beschäftigen, so verglichen wir die antike[2] Tragödie mit einer Gruppe in der Sculptur: die Figuren entsprechen dem Charakter[7], ihre Gruppirung der Handlung[3], und hierauf ist, als auf das einzige Dargestellte, die Betrachtung bey beyden Arten von Kunstwerken[2] ausschließlich gerichtet. Das romantische[12/4] Drama denke man sich hingegen als ein großes Gemälde, wo außer der Gestalt und Bewegung in reicheren Gruppen auch noch die Umgebung der Personen mit abgebildet ist, nicht blos die nächste, sondern ein bedeutender Ausblick in die Ferne, und dieß alles unter einer magischen Beleuchtung, welche den Eindruck so oder anders bestimmen hilft. | Ein solches Gemählde wird weniger vollkommen begränzt seyn als die Gruppe, denn es ist wie ein ausgeschnittnes Bruchstück aus dem optischen Schauplatze der Welt. [...] 〈16〉 [...] | Gerade dergleichen Schönheiten[1] sind dem romantischen[12/4] Drama eigenthümlich. Es sondert nicht strenge wie die alte Tragödie den Ernst und die Handlung[1] unter den Bestandtheilen des Lebens aus; es faßt das ganze bunte[2] Schauspiel desselben mit allen 〈17〉 Umgebungen zusammen, und indem es nur das zufällig neben einander befindliche abzubilden scheint, befriedigt es die unbewußten Foderungen der Fantasie[3], vertieft uns in Betrachtungen über die unaussprechliche Bedeutung des durch Anordnung, Nähe und Ferne, Colorit und Beleuchtung harmonisch gewordnen Scheines, und leiht gleichsam der Aussicht eine Seele. ➢ Volltext.
[86] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 23: Ben Jonson [...], der [...] das englische Schauspiel nicht romantisch[12], sondern nach dem Muster der Alten zu bilden strebte [...]. ➢ Volltext.
[87] F. Schlegel, an A. W. Schlegel (26. 8. 1797), KFSA 24, 8: Hermann und Dorothea [...] ist das herzlichste, biederbste, edelste, naivste[2] und sittlichste unter G[oethe]'s Gedichten. [...] Das Gedicht ist offenbar mit der Absicht gedichtet, so sehr altes Griechisches[2] επος zu seyn, als bey dem romantischen[12] Geist[12], der im Ganzen lebt, möglich wäre. Bey sehr großer Aehnlichkeit im Einzelnen ist also absolute Verschiedenheit im Ganzen. Durch diesen romantischen[12] Geist[12] ist es weit über Homer, dem es aber an ηθος und Fülle wieder weit nachsteht. Man könnte es ein romantisirtes[6] επος nennen. Aber freylich in ganz anderm Sinne, als das Romanzo der Italiäner. – Auch 〈9〉 wo es am antiksten[2] und naivsten[1], und am homerischsten scheint, läßt s.[ich] doch ein Bewußtseyn, eine Selbstbeschränkung wahrnehmen, die höchst unhomerisch oder vielmehr überhomerisch sind..
[88] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 91, Nr. 65: Als Vorübung zur Rom[antischen][1] π [Poesie][1] außer der Sat[irischen], auch Idyll[ische] und die μιμ [mimische] vorzügl[ich]. – Die Satire ist sehr empfänglich für Aeußerung der sittlich[en], wissenschaftl[ichen], gesellschaftl[ichen], bürgerl.[ichen] Bildung[5]. – Das arabische, romantische[2/7], absolut Wunderbare auch eine Vorübung zum Roman[1]. 〈Alle 〈91〉 Dichtart[en], die drei alten classisch[en][5] ausgenommen. Diese Bestandtheile dann zu einer progressiven[3] Einheit verknüpft.〉.
[89] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 111, Nr. 322: Als Form hat die επ [epische] offenbar d[en] Vorzug. Sie ist subjectiv-objectiv –/ Die lyrische ist bloß subjectiv, die dramatische bloß objectiv. – Auch romantisirt[1] zu werden ist das alte Epos ganz ausschließend geschickt. Vom Drama läßt s.[ich] nur die neue[3] Komödie romantisiren[1]..
[90] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 143 f. (144), Nr. 42: Die Philosophie ist die eigentliche Heimath der Ironie[3], welche man logische Schönheit[1] definiren möchte: denn überall wo in mündlichen oder geschriebenen Gesprächen, und nur nicht ganz systematisch philosophirt wird, soll man Ironie[3] leisten und fordern; und sogar die Stoiker hielten die Urbanität für eine Tugend. Freylich giebts auch eine rhetorische Ironie[1], welche sparsam gebraucht vortreffliche Wirkung thut, besonders im Polemischen; doch ist sie gegen die erhabne[4] Urbanität der sokratischen Muse, was die Pracht der glänzendsten Kunstrede gegen eine alte Tragödie in hohem Styl. Die Poesie[11] allein kann sich auch von dieser Seite bis zur Höhe der Philosophie erheben, und ist nicht auf ironische[1] Stellen be〈144〉gründet, wie die Rhetorik. Es giebt alte und moderne[1] Gedichte, die durchgängig im Ganzen und überall den göttlichen Hauch der Ironie[3] athmen. Es lebt in ihnen eine wirklich transcendentale[1] Buffonerie. Im Innern, die Stimmung, welche alles übersieht, und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst[8], Tugend, oder Genialität: im Äußern, in der Ausführung die mimische Manier eines gewöhnlichen guten italiänischen Buffo. ➢ Volltext.
[91] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 156, Nr. 93: In den Alten sieht man den vollendeten Buchstaben[8] der ganzen Poesie[11]: in den Neuern[3] ahnet[3] man den werdenden Geist[12]. ➢ Volltext.
[92] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 69, Nr. 100: Vom klassischen[7] Sinn[5] ist der antiquarische Geist[14] noch ganz verschieden: das Interesse am Alten, weil es alt ist: das Interesse an der Materie des Alterthums[3], an Reliquien, an klassischem[7] Boden. – Die größten Menschen haben diesen Sinn[5]. [...] 〈Interesse am Buchstaben[8] des Alterthums[3].〉.
[93] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 71, Nr. 112: Herders Liebe für die Alten ist wohl mehr Interesse für Cultur[7] überhaupt, sie mag progressiv[3/5] oder klassisch[3/5/7] oder selbst barbarisch oder auch ganz kindisch seyn..
[94] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 24, Nr. 66: Verworrenheit, Ungeschick, Inconsequenz [...], Fehler der progreßiven[3/5] Menschen[1]. 〈Vornehm = Classisch[7].〉 Ohne Classizität werden progreßive[3] Menschen[1] regreßiv. 〈Unser ganzes Zeitalter auch ein progreßiver[3] Mensch[1]; daher dieselbe Toleranz nöthig. –〉 Da liegt die Deduction der φλ [Philologie], die Nothwendigkeit d[es] Studiums d[er] Alten..
[95] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 24, Nr. 92: Ehe nicht die Philosophen Grammatiker, oder die Grammatiker Philosophen werden, wird die Grammatik nicht, was sie bey den Alten war, eine pragmatische Wissenschaft und ein Theil der Logik, noch überhaupt eine Wissenschaft werden. ➢ Volltext.
[96] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 64 f. (65), Nr. 238: Es giebt eine Poesie[11], deren Eins und Alles das Verhältniß des Idealen und des Realen ist, und die also nach der Analogie der philosophischen Kunstsprache Transcendentalpoesie heißen müßte. Sie beginnt als Satire mit der absoluten Verschiedenheit des Idealen und Realen, schwebt[5] als Elegie in der Mitte, und endigt als Idylle mit der absoluten Identität beyder. So wie man aber wenig Werth auf eine Transcendentalphilosophie legen würde, die nicht kritisch[1] wäre, 〈65〉 nicht auch das Producirende mit dem Produkt darstellte, und im System der transcendentalen[2] Gedanken zugleich eine Charakteristik des transcendentalen[1] Denkens enthielte: so sollte wohl auch jene Poesie[11] die in modernen[1] Dichtern[3] nicht seltnen transcendentalen[1] Materialien und Vorübungen zu einer poetischen[4] Theorie des Dichtungsvermögens mit der künstlerischen Reflexion und schönen[2] Selbstbespiegelung, die sich im Pindar, den lyrischen Fragmenten der Griechen, und der alten Elegie, unter den Neuern[5] aber in Goethe findet, vereinigen, und in jeder ihrer Darstellungen sich selbst mit darstellen, und überall zugleich Poesie[11] und Poesie[18] der Poesie[11] seyn. ➢ Volltext.
[97] F. Schlegel, Lucinde (1799), 263: Und diese Namenlosigkeit selbst ist von zweydeutiger Bedeutung. Je verschämter und je moderner[1/7] man ist, je mehr wird es Mode sie aufs Schamlose zu deuten. Für die alten Götter[4] hingegen hat alles Leben eine gewisse classische[6] Würde und so auch die unverschämte Heldenkunst lebendig zu machen. Die Menge solcher Werke und die Größe der Erfindungskraft in ihr bestimmt Rang und Adel[3] im Reiche der Mythologie. ➢ Volltext.
[98] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 101 ff. (103): Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre[4] spricht. | Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüth verlassen. Freylich, wem es da trocken ist, dem wird es nirgends quillen; und das ist eine bekannte Wahrheit, gegen die ich am wenigsten gesonnen bin mich aufzulehnen. Aber wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Aehnlichen, oder bey 〈102〉 gleicher Würde Feindlichen entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte[1] bilden. [...] | Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk[1] der Natur[2]. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigenthümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode, wenn ich so sagen darf. | Da finde ich nun eine große Aehnlichkeit mit jenem großen Witz[2] der romantischen[12/4] Poesie[22], der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Construction des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakspeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie[1], der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt, scheinen mir schon selbst eine indirekte Mythologie zu seyn. Die Organisazion[8] ist dieselbe und gewiß ist die Arabeske die älteste[1] und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie[2]. Weder dieser Witz[2] noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte[5] Natur[1/19] und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive[2] Tiefsinn den Schein des Verkehrten 〈103〉 und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie[11], den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft[1] aufzuheben und uns wieder in die schöne[1] Verwirrung der Fantasie[2], in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur[1/19] zu versetzen, für das ich kein schöneres[1] Symbol bis jetzt kenne, als das bunte[2] Gewimmel der alten[10] Götter[5]. ➢ Volltext.
[99] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 121: Die alte Poesie[11] [...] vermeidet [...] den eigentlich historischen Stoff. Die alte Tragödie sogar ist ein Spiel, und der Dichter, der eine wahre Begebenheit, die das ganze Volk[1] ernstlich anging, darstellte ward bestraft. Die romantische[12] Poesie[11] hingegen ruht ganz auf historischem Grunde [...]. Das erste beste Schauspiel, das Sie sehn, irgend eine Erzählung die Sie lesen; wenn eine geistreiche Intrigue darin ist, können Sie fast mit Gewißheit darauf rechnen, 〈122〉 daß wahre Geschichte[9] zum Grunde liegt, wenn gleich vielfach umgebildet. ➢ Volltext.
[100] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 179 ff. (180): [Der Goethe'sche Wilhelm Meister] eröffnet eine ganz neue[1] endlose Aussicht auf das, was die höchste Aufgabe aller Dichtkunst zu seyn scheint, die Harmonie des Classischen[3/5/6?] und Romantischen[4/6/8/9?]. [...] 〈180〉 [...] Cervantes und Shakspeare [...] sind [...] die einzigen, mit denen Goethe's Universalität eine Vergleichung zuläßt. [...] Nur ist Goethe's Kunst[2] durchaus progressiv[6/3] [...]. | Goethe hat sich [...] zu einer Höhe der Kunst[2] heraufgearbeitet, welche zum erstenmal die ganze Poesie[17] der Alten und der Modernen[1] umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens enthält. | Der Geist[14], der jetzt rege ist, muß auch diese Richtung nehmen, und so wird es, dürfen wir hoffen, nicht an Naturen[17] fehlen, die fähig seyn werden zu dichten, nach Ideen zu dichten. Wenn sie nach Goethe's Vorbilde in Versuchen und Werken jeder Art unermüdet 〈181〉 nach dem Bessern trachten; wenn sie sich die universelle Tendenz, die progressiven[6/3] Maximen dieses Künstlers zu eigen machen, die noch der mannichfaltigsten[1] Anwendung fähig sind; wenn sie wie er das Sichre des Verstandes[2] dem Schimmer des Geistreichen vorziehn: so wird jener Keim nicht verloren gehn, so wird Goethe nicht das Schicksal des Cervantes und des Shakspeare haben können; sondern der Stifter und das Haupt einer neuen[1] Poesie[11] seyn [...]. ➢ Volltext.
[101] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 181 f. (182): Ludoviko. [...] Der Geist[12] der Poesie[11] ist nur einer und überall derselbe. | Lothario. Allerdings der Geist[12]! Ich möchte hier die Eintheilung in Geist[12] und Buchstaben[8] anwenden. Was Sie [...] dargestellt oder doch angedeutet haben, ist, wenn Sie 〈182〉 wollen, der Geist[12] der Poesie[11]. Und Sie werden gewiß nichts dagegen haben können, wenn ich Metrum und dergleichen ja sogar Charaktere[7], Handlung[3], und was dem anhängt, nur für den Buchstaben[8] halte. Im Geist[12] mag Ihre unbedingte Verbindung des Antiken[2] und Modernen[1] Statt finden [...]. Nicht so im Buchstaben[8] der Poesie[11]. Der alte Rhythmus z. B. und die gereimten Sylbenmaaße bleiben ewig entgegengesetzt. ➢ Volltext.
[102] F. Schlegel, Transc. (1800–01), KFSA 12, 104: Interessant[1] ist, was sich bezieht auf den innern Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen, oder was zur Gottheit führt. Jedes Individuum kann und darf Geschichte[2] seyn. | Wir haben einen Begriff[4] zu suchen, der das ausdrückt, was interessant[1] im Individuo ist. Es ist der Begriff[4] des Classischen[3]. Man bezog immer diesen Begriff[4], aber mit Unrecht, bloß auf die Kunst[10]. | Bey den Alten bedeutete classisch[3] die Vollendung des Individuums nach seinem eigenen Ideal [...]..
[103] F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 66: Man hat die Einmischung alter Fabel in die christliche Denkart tadeln wollen. Aber warum wäre ein gänzliches Vergessen gleichsam der alten Fabel ein absolutes Stillschweigen darüber in einem christlichen Gedichte nothwendig? In welcher Zeit des Christenthums hat jenes geforderte absolute Vergessen der alten Fabel je Statt gefunden, oder auch nur Statt finden können? Camoens gebraucht sie als eine schöne[1] Bildersprache für sinnreiche Allegorie, wie auch andre Dichter und Mahler der romantischen[12] Zeit[3] oft mit mancher willkührlichen Neuerung sie betrachteten und gebrauchten. ➢ Volltext.
[104] F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 190: Die Patricier, die ausschliessend das Recht der Augurien hatten, waren wohl ursprünglich nichts anders als der erbliche Priesterstand; und nur dadurch, daß dieser auch den Krieg übte und die Rechte des Kriegesstandes mit an sich riß, ward der eigentliche Adel[2] (die equites) zurückgedrängt, bis die Alleinherrschaft dieses übermächtigen kriegrischen Priesteradels den Widerstand des Volks[5] aufreizte und jener Kampf begann, der uns noch jetzt in den alten Geschichten[9] so lebhaft anzieht. ➢ Volltext.
[105] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 478 f.: In der That streitet auch das Romantische[7] an sich mit dem Alten[10] und wahrhaft Antiken[5] nicht. Die Sage von Troja und die homerischen Gesänge sind durchaus romantisch[7]; so auch alles, was in indischen, persischen und andern alten[9] orientalischen[1] oder europäischen Gedichten wahrhaft poetisch[1] ist. Wo irgend das höchste Leben mit Gefühl und ahndungsvoller Begeisterung[1] in seiner tieferen Bedeutung ergriffen und dargestellt ist, da regen sich einzelne Anklänge wenigstens jener göttlichen Liebe, deren Mittelpunkt und volle Harmonie wir freylich erst im Christenthum finden. Auch in den Tragikern der Alten[10] sind die Anklänge dieses Gefühls ausgestreut und verbreitet, ungeachtet ihrer im Ganzen finstern und dunkeln Weltansicht; die innre Liebe bricht in edeln Gemüthern auch unter Irrthum und falschen Schreck〈479〉bildern überall hervor. Nicht bloß die Kunst[13] ist groß und bewundernswerth in Aeschylus und Sophokles, sondern auch die Gesinnung und das Gemüth. Nicht also in den lebendigen, nur in den künstlich gelehrten Dichtern des Alterthums[3] wird dieses liebevoll Romantische[7] vermißt. Nicht dem Alten[10] und Antiken[5], sondern nur dem unter uns fälschlich wieder aufgestellten Antikischen, allem was ohne innre Liebe bloß die Form der Alten[10] nachkünstelt, ist das Romantische[7] entgegen gesetzt: so wie auf der andern Seite dem Modernen[7/5], d. h. demjenigen, was die Wirkung auf's Leben fälschlich dadurch zu erreichen sucht, daß es sich ganz an die Gegenwart anschließt, und in die Wirklichkeit einengt, wodurch es denn, wie sehr auch die Absicht und der Stoff verfeinert werden mag, der Herrschaft der beschränkten Zeit[5] und Mode unvermeidlich anheim fällt. ➢ Volltext.
[106] A. W. Schlegel/F. Schlegel, Eleg. (1798), 126: Überhaupt würde man sehr irren, wenn man glaubte, der Liebe der alten Poeten, die freylich nicht so um die Begriffe[2] der Ehre und die Bilder des Himmels tändelte oder anbetete, wie die romantische[12] habe irgend ein Reiz gefehlt, den die geistreichste Geselligkeit, die reizbarste Leidenschaftlichkeit bey gebildeter und schöner[1] Sinnlichkeit und ein zartes Gemüth verleihen können. ➢ Volltext.
[107] A. W. Schlegel/F. Schlegel, Eleg. (1798), 127 f. (128): Der wunderbare und unauflösliche Zauber, der aus diesem Gemisch von Liebe und Witz[1], von schmachtender Hingegebenheit und geselliger Besonnenheit hervorgeht, darf auch für die nicht ganz verlohren gehn, 〈128〉 welche aus Unkunde der alten Geschichte[1], bey der Betrachtung und dem Genuß dieses Bruchstücks das entbehren müssen, was die frühere Bekanntschaft mit dem Stoff und die Vergleichung desselben mit der Behandlung und Ausbildung des Dichters gewährt. ➢ Volltext.
[108] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 289: Wer das Glük hat, von Jugend auf mit Menschen von feinerm Gefühl und einer edlern Lebensart umzugehen, dessen Geschmak wird allmählig zu dem edlern gebildet. Wer aber von dem Glük diese Wolthat nicht erhalten hat, der muß desto aufmerksamer das Genie[5] und den Geschmak der besten Werke der Kunst[2] alter und neuer[5] Völker[1] studiren. Mit Vorbeygehung aller Schriftsteller und Künstler, die nur einen zufälligen Ruhm, aus irgend einem mechanischen Theil derselben, oder nur einen vorübergehenden Beyfall erhalten haben, muß er sich an die ersten und claßischen[3] Männer jeder Art halten; an die, die nicht blos bey ihrer Nation[1], sondern bey allen Völkern[1], wo der Geschmak aufgekommen ist, für die ersten in ihrer Art gehalten werden. Für junge, noch ungebildete Genie[4], wenn die Natur[2] sie nicht vorzüglich bedacht hat, ist es allemal gefährlich, gutes, mittelmäßiges und schlechtes durch einander zu lesen, oder zu sehen. Es gehört ein ausnehmendes Genie[3] dazu, sich nach schlechten Mustern zu bilden, und gut zu werden..
[109] L. Tieck, an Wackenroder (28. 12. 1792), VL 2, 107: Vertiefe Dich übrigens ja nicht zu sehr in die Poesie[11] des Mittelalters, es ist so ein erstaunliches Feld von Schönheit[3] vor uns, ganz Europa und Asien und vorzüglich das alte Griechenland und das neue[5] England, daß ich fast verzweifle, mich je an diese Nachklänge der Provencalen zu wagen. Vergiß ja über das angenehme das wahre schöne[1] nicht. Soviel ich die Minnesänger kenne, herrscht auch eine erstaunliche Einförmigkeit in allen ihren Ideen, es ist überhaupt schon gar keine Empfehlung für den poetischen[4] Geist[20] dieses Zeitalters, daß es nur diese eine Art von Gedichten gab, nur diesen Zirkel von Empfindungen, in denen sich jeder wieder mit mehr oder weniger Glück herumdrehte..
[110] L. Tieck, Dichterleben I (1826), 28: Aus dieser Rede kann man allein abnehmen, daß dieser gute Mann keine gelehrte Erziehung genossen hat und auf keiner Universität gewesen ist. Denn das haben wir alle dem Umgang mit den Wissenschaften[2] und der Kenntniß der classischen[7] Autoren zu danken, daß wir von frühster Jugend an in einer größern Welt einheimisch werden, als uns die neuere[3] Zeit[3] bieten kann. Es ist gut, wenn die Menge so denkt, wie jener: aber der ausgebildete oder freie[14] Mann holt seinen wahren Lebensathem aus den alten Republiken herüber, und der hohe Olymp muß immer noch die Wohnung unserer Götter[6] bleiben..
[111] J. H. Voß, Romant. (*1801; 1808), 46: Manches Büchlein wird entfalten, | Wie wir, feind den hohen Alten, | Hier modern[7]-romantisch[14] lallten..
[112] Wezel, Herm. u. Ulr. (1780), 102 ff. (104): Herrmann wurde durch seine itzigen Beschäftigungen wieder an die längstvergeßne klassische[7] Belesenheit erinnert, die er sich unter Schwingers Anführung erwarb [...] 〈103〉 [...]: – alles, alles, wo〈104〉hin er nur blickte, wohin er nur hörte, was er nur that und thun sah, brachte ihm die Beschreibung eines alten Dichters zurück [...]..
[113] Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 162: Der große Corneille war nichts weniger als was man einen Weltmann nennt; er lebte in seinem Cabinet und im Schooße seiner Familie; mit den hohen Charaktern[6] und Idealen des alten Roms und Griechenlandes besser bekannt als mit dem Adel[2] und dem vornehmen Bürgerstande zu Paris. ➢ Volltext.
[114] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 19 f.: Man hat die Kunst[4] und Poesie[11] des Mittelalters mit dem Namen der romantischen[13], die Kunst[4] und Poesie[11] der Alten mit dem Namen der klassischen[7] getauft, welcher Name und Gegensatz von einer deutschen Dichterschule, Tieck und den beiden Schlegeln, die man selbst zur neuromantischen Klasse[1] zählte, ausging, in Deutschland viel Streit und Gerede machte und seit einem Dezennium auch in Frankreich und Italien die größten Spaltungen erregte, indem die jungen französischen und italienischen Dichter sich zu den deutschen Romantikern[3] schlugen, und im Gegensatze zu den Nachahmern des altklassischen Stils sich mehr der britischen und deutschen Phantasiefülle und Regellosigkeit hingaben, worin sie hauptsächlich das Wesen der Romantik[13] erblickten. Überhaupt hat man viel Mißbrauch mit beiderlei Namen getrieben, und man ist sich noch jetzt, weder in Deutschland, noch bei unsern Nachbarn selten klar, worin denn eigentlich das unterschiedliche Wesen der einen und der andern Art bestehe. Vielleicht drückt man sich darüber am richtigsten aus, wenn man sagt, die Kunst[2] der Alten, das ist die Klassik[5], habe darin bestanden, daß sie jede Idee, die sie darstellen wollten, sei's mit dem Meißel, am Stoff des Marmors, sei's mit dem Griffel, am Stoff der Sprache[1], daß sie jede darzustellende Idee, so vollkommen an diesem Stoffe ausdrückten, daß nichts 〈20〉 mehr und nichts weniger als eben die Idee selbst sinnlich vor Augen trat; dagegen die Kunst[2] der Romantiker[2] darin bestand und besteht, daß sie die Idee im sinnlichen Stoff keineswegs vollkommen erschöpften, sondern nur symbolisch an ihm darstellten, so daß man bei ihren Gebilden immer etwas mehr hinzuzudenken habe, als man vor Augen sähe. Die Ursache war denn die, daß die alten griechischen[1] Künstler, nach ihren Begriffen[1] von sinnlicher Form und Schönheit[1], alle diejenigen Ideen zur Darstellung verschmähten und von sich wiesen, welche sie nicht in feste Form vollkommen einfassen konnten, die Künstler und Dichter des Mittelalters aber sich kein Bedenken daraus machten, das Höchste und Tiefste, was nur die Menschenbrust fassen, aber kaum ein sterblicher Mund aussprechen konnte, symbolisch in Formen und Gestalten wenigstens anzudeuten. Daß uns eine solche Kunst[2] der Bedeutsamkeit, eine solche Symbolik der Religion[1] und der Liebe aus den Denkmälern des Mittelalters überall anweht, uns bald heimlich, bald großartig, bald abenteuerlich[3] ergreift und etwas Unendliches, Ahnungsvolles, Sehnsüchtiges in uns anregt, wird jeder gestehen, dem das Mittelalter bekannter geworden ist wie aus Büchern der neuern[9] Zeit[3] über dasselbe..
[115] Winckelmann, Anm. Gesch. Kunst (1767), III: Mein vorläufiger Entschluß war, anfänglich weniger aufmerksam zu seyn auf die Alterthümer[5] der Orte, der Lagen, Gegenden und auf alte Ueberbleibsel der Gebäude, weil vieles ungewiß ist, und weil das was man wissen und nicht wissen kann, von mehr als einem Scribenten hinlänglich gründlich abgehandelt worden. [...] Da nun diese Kenntnis auch ohne alles Genie[3] erlangt werden kann, nahm ich nur so viel auf meinem Wege mit, als ich selbst finden und untersuchen konnte. Denn ich verglich diese Wissenschaft mit der Bücher-Kenntnis, welche nicht selten diejenigen die Gelegenheit gehabt haben, dieselbe zu erlangen, verhindert hat, den Kern der Bücher zu kennen. Derjenige, welcher in das Wesen des Wissens zu dringen suchet, hat sich nicht weniger vor der Begierde ein Litterator zu werden, als vor das was man insgemein unter das Wort Antiquarius verstehet, zu hüten. Denn das eine sowohl als das andere ist sehr reizend, weil es Beschäftigungen sind, die dem Müßiggange und der uns angebohrnen Trägkeit zum eigenen Denken, schmeicheln. Es ist z. E. angenehm zu wissen, wo im alten Rom die Carinä waren, und ohngefehr den Ort anzugeben, wo Pompejus gewohnet hat, und ein Führer der Reisenden, der ihnen dieses zu zeigen weiß, pfleget es mit einer gewissen Genugsamkeit zu thun; was weiß man aber mehr, wenn man diesen Ort, wo nicht die geringste Spur von einem alten Gebäude ist, gesehen hat?.
[116] Winckelmann, Anm. Gesch. Kunst (1767), 39: Viele Künstler sind gelehrt in der Proportion, aber wenige haben Schönheiten[3] hervorgebracht, weil hier der Geist[20] und das Gefühl mehr als der Kopf arbeitet. Da nun das Idealische der Schönheit[1] von den alten Künstlern als das höhere Theil derselben betrachtet worden, so haben sie dieser die bestimmten Verhältnisse unterworfen und diese jener zugewäget. In der Proportion haben sie sich zuweilen einige Freyheit[9] genommen, und es ist dieselbe zu entschuldigen, wenn es mit Grunde geschehen..
[117] Zelter/Goethe, Haydn. Schöpf. (1826), WA I, 41.2, 384: [H]ierdurch werde ich erinnert, an den Vorwurf zu denken, den man Haydn machen wollen: seine Musik[4] ermangele der Leidenschaft. Hierauf nun erwidere ich Folgendes: Das Leidenschaftliche in der Musik[1] wie in allen Künsten[2] ist leichter als man denkt, schon weil es leichter nachempfunden wird; es ist nicht ursprünglich, die Gelegenheit bringt es hervor, und nach dem Begriffe[1] der Alten verdeckt es die reine Natur[19] und entstellt das Schöne[1]. [...] | Unser Haydn [...] wirkt ohne Hitze, was er wirkt; wer will denn auch erhitzt sein? Temperament, Sinn[6], Geist[20], Humor[3], Fluß, Süße, Kraft und endlich die echten Zeichen des Genies[4]: Naivetät und Ironie[3] müssen ihm durchaus zugestanden werden. Sind nun die hier genannten Elementartheile, welche ohne Wärmestoff nicht denkbar sind, Haydn'sche Eigenheiten, so begrüßen wir seine Kunst[10] als antik[4] im besten Sinne[1], und daß sie modern[4/7] sei, ist unsres Wissens nicht bestritten worden, was auch schwer gelingen möchte, da alle moderne[9] Musik[1] auf ihm ruht..
[2] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 185 f. (186): Die Muster der schönen[2] Kunst[1] sind [...] die einzigen Leitungsmittel, diese auf die Nachkommenschaft zu bringen: welches durch bloße Beschreibungen nicht geschehen könnte (vornehmlich nicht 〈186〉 im Fache der redenden Künste[1]); und auch in diesen können nur die in alten, todten, und jetzt nur als gelehrte aufbehaltenen Sprachen[3] classisch[3] werden.
[3] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 699 f. (700): Man täusche sich nicht über den Grad, worin diese Nachbildung des antiken[2] bisher gelungen [...] 〈700〉 [...]. Manche Reize bleiben uns vielleicht immer unerreichbar: so die alte Wortstellung [...]. Wer alles dieß für Subtilität oder Nebensache hält, mag seine ungeweiheten Hände von Nachbildung des Classischen[7] in Übersetzungen oder eignen Werken entfernt halten.
[4] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 113 f. (114): Warum ist aber dennoch das Verfahren der griechischen[2] und der romantischen[12] Dramatiker in Absicht auf Ort und Zeit[6] so sehr verschieden? [...] 〈114〉 [...] Die Hauptursache des Unterschiedes ist [...] der plastische[3] Geist[12] der antiken[2], und der pittoreske[2] der romantischen[12] Poesie[11]. Die Sculptur richtet unsre Betrachtung ausschließend auf die dargestellte Gruppe, sie entkleidet sie möglichst aller äußern Umgebungen, und wo sie deren nicht ganz entrathen kann, deutet sie solche doch nur leicht an. Die Mahlerey[1] hingegen liebt es, mit den Hauptfiguren zugleich den umgebenden Ort und alle Nebenbestimmungen ausführlich darzustellen, und im Hintergrunde Ausblicke in eine gränzenlose Ferne zu öffnen; Beleuchtung und Perspectiv sind ihr eigentlicher Zauber. Daher vernichtet die dramatische, besonders die tragische Kunst[3] der Alten gewisser〈115〉maßen die Aeußerlichkeiten von Raum und Zeit[6]; das romantische[12] Drama schmückt vielmehr durch deren Wechsel seine mannichfaltigeren Gemählde. Oder noch anders ausgedrückt: das Prinzip der antiken[2] Poesie[11] ist idealistisch, das der romantischen[12] mystisch; jene unterwirft Raum und Zeit[6] der innern Freythätigkeit des Gemüths, diese verehrt diese unbegreiflichen Wesen als übernatürliche Mächte, denen auch etwas göttliches inwohnt. ➢ Volltext
[5] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 386: Will man die neuern[5] rhythmischen Formen mit den alten, classischen[7] vergleichen: so muß man nicht Vers gegen Vers, sondern Strophe gegen Vers stellen, und da wäre es eine schwer zu entscheidende Frage, ob der romantischen[12], oder der classischen[7] Formen mehrere wären. ➢ Volltext.
[6] Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 357: Die pantomimische Tanzkunst, deren Darstellungen ohne Worte[2] bloß durch Bewegungen und Gebehrden geschahen, hat, nach den Beschreibungen der Alten zu urtheilen, zu den Zeiten[3] Augusts in Rom auf dem höchsten Gipfel ihrer Größe gestanden; man tanzte eben so wohl tragische als komische Stücke. [...] In den neuern[5] Zeiten[3] hat der berühmte Noverre diese Kunst[2] [sc. die pantomimische Tanzkunst] wieder auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit gehoben (vergl. Ballet); und wenn er in seinen über diesen Gegenstand herausgegebenen Briefen[3] [sc. Lettres sur la danse et sur les ballets, Lyon/Stuttgart 1760] gesteht, daß die Kunst[2] der Pantomime zu unsern Zeiten[3] das nicht mehr leisten könne, was sie zu den Zeiten[3] Augusts geleistet, so hat er sich durch die übertriebnen Ideen täuschen lassen, die man sich nach den Lobschriften der Alten von ihrer Pantomime zu machen pflegt..
[7] Brockhaus, Conv.-Lex. VIII (1811), 52: Einen traurigen Beleg zu der Behauptung, daß der Mensch[1] sogar unter das Thier[1] sinken kann, das beim höchsten Hunger Geschöpfe seiner eignen Gattung zur Nahrung wählet, liefern die Nachrichten älterer und neuerer[5] glaubwürdiger Schriftsteller über Menschenfressende Nationen[1] und einzelne Menschenfresser..
[8] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 437: Classisch[3] und Classiker[4] wurden zuerst diejenigen Bürger des alten Roms genannt, welche zufolge der durch den König Servius Tullius, 578–534 v. Chr., angeordneten Eintheilung des Volkes[4] in sechs Vermögensclassen, in die erste Classe[1] gehörten. Nach Wiederherstellung des Studiums der aus dem Alterthume[3] übrigen Schriftsteller wurden aber beide Ausdrücke auf die griech.[2] und röm. Autoren im Allgemeinen angewandt und man legte ihren gesammten Schriften, im Gegensatze zur neuern[5] oder romantischen{12], den Namen der classischen[7] Literatur bei, obgleich Vieles nicht als classisch[3], d. h. durch seine äußere und innere Vollendung in die erste Classe[1] gehörend, betrachtet werden kann. Auch die Schöpfungen der Kunst[2] der Alten werden classisch[7] genannt, und insofern man darunter die innere und äußere Vollendung und musterhafte Ausführung eines Schrift- oder Kunstwerks[4] versteht, besitzt auch die neuere[5] Zeit[3] ihre classischen[3] Schriftsteller und Künstler..
[9] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. II (1838), 96: Unter den Verfassern der Erzählungen, welche Gegenstände der alten Geschichte[3] mit modernen[8] Lebensansichten behandelten, zeichnete sich vor Allen Fénélon [...] in seinem „Telemach“ aus..
[10] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. III (1839), 161: [D]ie der christlichen Zeit[3] eigenthümliche Richtung von Poesie[1] und Kunst[4] [wird] im Gegensatze des Antiken[2] [...] eine moderne[1] genannt und als Haupteigenschaft derselben die im Mittelalter und vorzüglich mit dem 12. Jahrh. sich geltend machende Romantik[8] angenommen, für die aber am Ende des Mittelalters durch das erneuerte Studium der Literatur und Kunst[4] der Alten [...] eine neue[1] Periode anhob, welche auch vorzugsweise als die moderne[8] und dann die vorhergehende als die romantische[13] bezeichnet wird..
[11] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 306: „Ich bin von Adel[1],“ sagt uns der moderne[1] Edelmann. – Welch etwas ganz anderes war es, wenn ein Römer sich einen Brutus, einen Scipio, einen Appius, oder Cimon sich eines Miltiades Sohn nannte! Bestimmte Thaten bestimmter Männer gingen dann vor der Seele des Volks[7] vorüber, dem er sich nannte, und knüpften sich an den Mann, der durch seinen Namen oder durch den Namen seines Vaters das Andenken derselben bei ihnen erneuerte. – Aber was denken wir uns bei dem unbestimmten weitsichtigen Begriffe[4]: Adel[1]? Etwas klares wenigstens nicht. [...] Wir sind im Allgemeinen in unsrer vaterländischen Geschichte[3] weit weniger einheimisch, als die alten Völker[1], weil man uns so viel als möglich abhält, Antheil an öffentlichen Geschäften zu nehmen: – und was wir allenfalls wissen, erregt unsre Theilnehmung in weit geringerm Grade, weil es derselben meist so wenig würdig ist..
[12] G. Forster, Kunst u. Zeitalt. (1791), 92: Unermeßlich ist die Entfernung, in welcher die moderne[1] Kunst[11] hinter der alten zurückbleibt; unermeßlich! denn wer getrauet sich die Kluft zu messen, die das Wahre von dem Falschen trennt? In dieser schneidenden Bezeichnung scheint etwas hartes, vielleicht sogar unbilliges zu liegen; allein retten wir in der Folge nur den relativen Werth neuer[5] Kunstwerke[4], so wird man uns eine strenge Wahrheit hingehen lassen [...]..
[13] G. Forster, Kunst u. Zeitalt. (1791), 101 f. (102): Doch es ist mehr als Hypothese, [...] daß auf jenen edlen Zeitpunkt, da das Feuer der Begeisterung[1] die Menschheit[2] ergriff, ihr Sinn[5] sich aufschloß dem Schönen[1], sich nährte von den Rhapsodien des Dichters[1] und des plastischen Künstlers[1] – die größte aller Veränderungen in ihr erfolgte. Die Kunst[2] ward die Pflegerin der Wissenschaft[1]. Das schöne[1] Ebenmaas ihrer Bilder erzeugte jene abgezogenen Begriffe[1], mit denen der Mensch[2] das Sinnenall umfaßte und bald auch die unabsehbaren Gefilde der intellektuellen Sittenwelt durchdrang. Wo der Künstler[1] innig gefühlt, kühn geahndet[3] und glücklich dargestellt hatte, dort bestimmte nun der Denker die Regeln des Vollkommenen, der Symmetrie und Übereinstimmung, dort abstrahirte er die ganze Kritik[1] der Kunst[2]. Jetzt also demonstrirte und begriff man die Tugend, das liebenswürdige Sittlichschöne, welches man bis dahin in dem Rhythmus des Sängers, in des Bildhauers oder des Malers Zauberwerken empfand. Allein indem der menschliche Geist[19] sich seiner freyesten[10] Thätigkeit und insbesondere die Vernunft[1] sich ihrer höchsten Entwickelung nahte, gieng unvermerkt die ästheti〈102〉sche Empfänglichkeit verloren. Der geistreichste Schriftsteller unseres Jahrhunderts hat irgendwo so fein als richtig bemerkt, daß auf ein geniereiches Zeitalter nur ein scharfsinniges folgen kann, und modernes[1] Verdienst nur in der Zergliederung des Verdienstes der Alten besteht..
[14] Gerstenberg, Merkw. Litt. I (1766), 20: Dem Trissino folgte Tasso, und nahm in seinem Gierusaleme liberata die Alten[10] zu Wegweisern; dabey aber blieb ihm das Nationalvorurtheil für idealische[3] Wesen und für romantische[2/4] Abenteuer noch allzuwichtig, als daß er sie gänzlich hätte verbannen oder verabsäumen sollen. Er hatte die classischen[7] Schönheiten[3] studirt, er hatte sie sich zu eigen gemacht [...]. Dennoch behielt er seine erste und Lieblingsbekanntschaft, die alten[11] provenzalischen Dichter[3], zum Augenmerk..
[15] Goethe, Klass. u. Rom. (1820), 103: Daß in Italien jene Cultur[4], die sich von den alten Sprachen[3] und den darin verfaßten unnachahmlichen Werken herschreibt, in großer Verehrung stehe, läßt sich gar wohl denken, ja, daß man auf diesem Grunde, worauf man sich erbaut, nun auch allein und ausschließlich zu ruhen wünscht, ist der Sache ganz gemäß; daß diese Anhänglichkeit zuletzt in eine Art Starrsinn und Pedanterie auslaufe, möchte man als natürliche[4] Folge gar wohl entschuldigen..
[16] Goethe, Klass. u. Rom. (1820), 105: Bey uns Deutschen[1] war die Wendung ins Romantische[14] aus einer, erst den Alten, dann den Franzosen abgewonnenen Bildung[5], durch christlich-religiose Gesinnungen eingeleitet, durch trübe, nordische Heldensagen begünstigt und bestärkt; worauf sich denn diese Denkweise festsetzen und verbreiten konnte, so daß jetzt kaum ein Dichter[1], Maler[1], Bildhauer übrig geblieben, der sich nicht religiosen Gefühlen hingäbe und analogen Gegenständen widmete. | Einen solchen Verlauf nimmt die Dicht- und Kunstgeschichte nun auch in Italien. Als 〈106〉 praktische Romantiker[3] werden gerühmt Johann Torti und dessen poetische[5] Darstellung der Leidensgeschichte Christi; ferner seine Terzinen über die Poesie[1]. Alexander Manzoni, sodann, Verfasser eines noch ungedruckten Trauerspiels, der Carmagnol, hat sich durch Heilige Hymnen guten Ruf erworben..
[17] Goethe, Theiln. d. Frz. (*?1828), WA I, 49.2, 494: Als Moderne[1] waren sie [sc. die Franzosen] schon längst auf dem romantischen[4] Wege. | Getrauten sichs nicht zu bekennen. | Besonders auf dem Theater wo die alte Form erstarrt war und Klassisch[3] hieß. | Diese mußte nach und nach durchbrochen werden. | Da kam ihnen unser Beyspiel unser Vorgang zu Nutz und sie fingen an unsre Productionen günstiger anzusehen..
[18] Görres, Tt. Volksb. (1807), 290: So wäre es daher verständig wohl, nicht ferner mehr so sehr zu pochen auf das was wir geleistet, und bey unsern Vätern anzufragen, daß sie in unserm Misere uns ihren Geist[11] nicht vorenthalten, und uns erquicken in unserer Noth, mit dem was Gutes und Schönes sie gebildet: sie sind immer die Nächsten uns, und werden es uns nicht entgelten lassen, was wir in den Tagen unseres Stolzes gegen sie verbrochen haben. Auch das wird uns fernerhin wenig zieren, sie herabzusetzen so ganz und gar gegen die alte classische[3] Zeit[3] in Griechenland; die Griechen mögten sonst, wenn wir so gar knechtisch von unserm und unserer Väter Naturelle denken, uns wohl für Heloten nehmen, die sich mit ihrer Herren Sitte und ihrer Art nach gemeiner Sclaven Weise blähen wollten, und das würde uns wieder sehr empfindlich fallen..
[19] Görres, Tt. Volksb. (1807), 290 f. (291): Es war wohl allerdings eine herrliche Zeit[5], diese Griechische[2], gerade deswegen weil sie Alles hatte, was uns nach und nach hingeschwunden ist: Lebensmark, und Trotz und freie Besonnenheit im raschen Thun und Treiben: sie mußte Treffliches wohl bilden, und das Trefflichste im engsten Kreise concentrirt mußte classisch[3/5/6] werden. Diese Concentrirung war nicht in der neuen[5] Zeit[5], dagegen trat das Unendliche ein in sie, und mit dem Uebergang in's Geisterreich konnte nun physische Geschlossenheit nicht mehr bestehen; im Uebersinnlichen sind nicht begränzte, scharf geschnittne Crystalle, aber es ist unendliche Crystallisirbarkeit, ein schwebend[5] Formenreich, das nur mehr Magnet bedarf, um anzuschießen in die einzelne besondere Gestalt. So war die Aufgabe der neuen[5] Zeit[5] eine Unendliche, ihr könnt von einem endlichen Zeitraum nicht fodern, daß er das ganze Problem nett und rein auf einmal euch löse. Das Mittelalter hat kein rein classisches[3/5/6] Werk hervorgebracht, aber 〈291〉 es hat die Schulschranken der alten sinnlichen Classicität durchbrochen, und eine Andere, Höhere begründet, an der alle Zeiten[5] zu bauen haben, weil in keiner einzeln die Quadratur des Zirkels gefunden werden kann. Den herrlichen Torso der Kunst[11] hat die alte griechische[2] Zeit[5] gebildet; aber blind war wie die alte Plastik die treffliche Gestalt, das tiefe, schwärmerisch versunkene Auge hat erst die Romantik[8] ihm gegeben, und die nordische Schaam hat freilich dafür den schönen[1] Körper in die Drapperie des Gewands verhüllt, das symbolisch nur die Formen der Gliedmaßen anzudeuten hat..
[20] Gutzkow, Wally (1835), 130: Wer auf seine Entwickelung lauscht, muß sich oft gestehen, daß ganze Gedichte in ihm sich zusammenreimen aus Motiven, welche die Außenwelt niemals anerkennen würde. Dies sollte nicht auch Wahrheit sein? Dies sollte den Dichter nicht entzücken? Die Alten und die Mittleren schufen in dieser Weise nicht: aber die Modernen[8] werden es. Ihre Historien sind nicht die Sage oder Geschichte[5], sondern die Ideen, die im Schoße der still wirkenden und schaffenden Gottheit schlummern. Die Welt, wie sie ist, wird ihren Gebilden nicht entsprechen; diese werden dem nüchternen Vorwurfe der Unwahrheit und Unwahrscheinlichkeit ausgesetzt sein..
[21] v. d. Hagen, Vorr. Nibel. (1810), VII f. (VIII): Es ist hier nicht die Rede von jener höheren Kritik[3], von einer historischen und literarischen Untersuchung der Entstehung, Ausbildung und mannichfaltigen Darstellung der Fabel, kurz, einer vollständigen Geschichte[4] des ganzen alten[1] Werkes, nach Inhalt, Sprache[4] und Form. Eine solche beabsichtigte ich schon in der vorlängst versprochenen Einleitung zu den Nibelungen, und ich werde sie gewiß nicht schuldig bleiben: sie hat sich indessen von selber, durch den innigen Zusammenhang des Ganzen, zu ei〈VIII〉nem eigenen Werke über den gesammten nazionalen Fabelkreis erweitert. Hier meine ich nur die einzele Sprach- und Wort-Kritik, zur wahren Darstellung und Berichtigung des Textes; welche im Grunde freilich auch nicht ohne jene bestehen kann. In Beziehung auf diese bestimmt aber das berührte Verhältniß des alten[1] Heldenliedes zu unserer, wie sehr auch veränderten, doch immer noch lebenden Sprache[3], auf mannichfache Weise die Anwendung dieser, für das fast ganz in sich abgeschlossene Alterthum[2] der todten Sprachen[3] am vollkommensten ausgebildeten Wissenschaft; – durch welches Verhältniß, zur Begegnung übelwollender Beurtheilungen gesagt, zugleich die eigenthümliche Art und Weise jener Übertragung dieses und anderer ähnlicher Werke bedingt, auch durch den Erfolg als trifftig bewiesen ist. Die Arbeit ist hier, beides, leichter und schwerer, willkürlicher und gebundener, als bei den alten[10] Klassikern: jenes, weil so vieles von der alten[1] Muttersprache doch wirklich noch lebt; dieses, weil Zeit[1] und Ort so vieles in der Bedeutung verändert haben, daß man durch die gegenwärtige gar oft getäuscht wird; – eben so wie bei dem Verständniß einer nahe verwandten Sprache[3]..
[22] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 35: In den Idealen der Alten [...] sehen wir [...] wohl nur den Ausdruck des Schmerzes edler Naturen[17], wie z. B. in der Niobe und dem Laokoon; sie vergehen nicht in Klage und Verzweiflung, sondern bewähren sich groß und hochherzig darin, aber dieses Bewahren ihrer selbst bleibt leer, das Leiden, der Schmerz ist gleichsam das Letzte, [...] die Hoheit der Individualität ist doch nur ein starres Beisichseyn, ein erfüllungsloses Ertragen des Schicksals, in welchem der Adel[5] und Schmerz der Seele 〈36〉 nicht als ausgeglichen erscheinen. Den Ausdruck der Seligkeit und Freiheit[10] hat erst die romantische[12/8] religiöse Liebe. ➢ Volltext.
[23] Heine, Relig. u. Philos. in Dtld. (1835), DHA 8.1, 45: Der Geist[12] der Behandlung ist nicht mehr romantisch[4], sondern klassisch[5]. Durch das Wiederaufleben der alten Literatur verbreitete sich über ganz Europa eine freudige Begeisterung für die griechischen[2] und römischen Schriftsteller, und die Gelehrten, die Einzigen welche damals schrieben, suchten den Geist[12] des klassischen[7] Alterthums[2] sich anzueignen, oder wenigstens in ihren Schriften die klassischen[7] Kunstformen nachzubilden. Konnten sie nicht, gleich den Griechen, eine Harmonie der Form und der Idee erreichen, so hielten sie sich doch desto strenger an das Aeußere der griechischen[2] Behandlung, sie schieden, nach griechischer[2] Vorschrift, die Gattungen, enthielten sich jeder romantischen[4/12] Extravaganz, und in dieser Beziehung nennen wir sie klassisch[5/8]. ➢ Volltext.
[24] Heinse, Ardinghello (1787), 35: Von den Alten lasen wir die Abende bald ein Stück aus dem Plato, bald aus dem Aristoteles oder Xenophon, kehrten aber von ihrem Scharfsinn und Adel[5], der reinsten Empfindung und ihren hohen Flügen oft zurück unter das atheniensische Volk zum Demosthenes und Aristophanes..
[25] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 87: Was so viele Alten sagen und so viel Neuere[5] ohne Sinn[2] nachgesagt, nimmt hieraus sein sinnliches Leben: „daß nemlich Poesie[11] älter[1] gewesen, als Prosa[2]!“ denn was war diese erste Sprache[3] als eine Sammlung von Elementen der Poesie[[11]? Nachahmung der tönenden, handelnden, sich regenden Natur[2]! [...] Ein Wörterbuch der Seele, was zugleich Mythologie und eine wun〈88〉derbare Epopee von den Handlungen[1] und Reden aller Wesen ist! Also eine beständige Fabeldichtung mit Leidenschaft und Interesse! – Was ist Poesie[11] anders? ➢ Volltext.
[26] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 323: Blutige Fechterspiele, grausame Thierkämpfe dulden wir nicht mehr; alle diese wilden Jugendübungen ist das Menschengeschlecht durchgangen und hat endlich einsehen gelernt, daß ihre tolle Lust der Mühe nicht werth sei. Gleichergestalt bedürfen wir des Drucks armer Römersklaven oder Spartanischer Heloten nicht mehr, da unsre Verfassung durch freie[6] Geschöpfe das leichter zu erreichen weiß, was jene alten Verfassungen durch menschliche Thiere[3] gefährlicher und selbst kostbarer erreichten; ja es muß eine Zeit[3] kommen, da wir auf unsern unmenschlichen Negerhandel ebenso bedaurend zurücksehen werden als auf die alten Römersklaven oder auf die Spartanischen Heloten, wenn nicht aus Menschenliebe so aus Berechnung..
[27] Herder, Bef. d. Hum. V (1795), 73: Wo sind nun in Deutschland die Odeen unsrer Geschichtschreiber, unsrer Lyrischen und Epischen Dichter? Wo sind die Schulen, in denen man die edelsten Gesänge den Jünglingen ans Herz legt, und sie nebst den schönsten[2] classischen[3] Stellen der Alten nicht etwa blos deklamirt, sondern in die Seelen schreibet?.
[28] Herder, Bef. d. Hum. VII (1796), 15 ff.: Zuerst giebt ihr Fragment es selbst zu, daß auch vor der sogenannten Erwekkung der Alten in jedem Fach große Männer, Denker und Dichter gelebt haben; und eben so wenig wird bezweifelt werden können, daß seit dieser Entdeckung große Männer gelebt und geschrieben haben, die von den Alten wenig oder nichts wußten. Ich darf von den ersten nur Dante, von 〈16〉 den letzten nur Shakespeare anführen; wie viel andre möchten zu nennen seyn! Die größten Erfindungen sind in den Zeiten[3] gemacht, die wir barbarische, rohe Zeiten[3] nennen; vielleicht haben in ihnen auch die größesten Männer gelebet. Damals standen die Köpfe noch nicht so dicht an einander; jeder hatte zum eignen Denken freien[1] Raum; um sie war Dämmerung; desto munterer aber wirkten sie, und dorften in der Mittagssonne der Alten eben noch nicht erblinden. Wie Ein Roger Baco vor hundert Commentatoren des Aristoteles gilt: so giebt es romantische[1] Gedichte der mittleren, selbst der neueren[9] Zeit[3], bei denen man den Geschmack der Alten gern vergißt und in ihnen wie im Feenreich lustwandelt. Ich erinnere Sie an so manche Romane[1], die uns der Graf Treßan und seine Gehülfen gegeben, ja 〈17〉 seit Wiederauflebung der Wissenschaften an die größesten Lichter aller cultivirten Nationen[1]. Woher nahmen Ariost und die ihm vorgingen, woher Spenser, Shakespeare und zwar in seinen rührendsten Stücken Form und Inhalt? Nicht aus den Alten, sondern aus der Denkart des Volks[5] und seinem Geschmack in ihren und den mittleren Zeiten[3]..
[29] Herder, Bef. d. Hum. VII (1796), 17 f. (18): Boëthius und Auson's Gedichte sind zur Zeit[7] des allgemeinen Verfalls der Römischen Sprache[3] und Poesie[1] merkwürdige Erscheinungen. [...] Beide, insonderheit Boëthius, sind den folgenden dunkeln Jahrhunderten leitende Sterne 〈18〉 gewesen; wie denn auch in ihm [...] bereits sichtbarerweise ein neuer[1] Geschmack hervorgehet, der den folgenden Zeiten[3] verwandt und ihnen daher lieber war, als der große Geschmack der alten classischen[5] Dichter..
[30] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 237: Antike[4], Antiken[3], (vom lateinischen Worte[1] antiquus, längst verflossen, alt[1]) die Kunst[11] der Alten, Alterthümer[5]; im scharfen 〈238〉 Gegensatze zur Kunst[11] der Neuen[5] zur modernen[1] oder romantischen[12] Kunst[11]. Die antike[2] Kunst[11] (eigentlich nur die griechische[2] zu nennen) ist leichter zu beurtheilen, als in ihrem Stile zu schaffen. Ideale Ruhe, göttlicher Adel[5] in der Form und kühne Einfachheit sind die Kennzeichen, das Wesen der Antike[4]. Woher aber jene himmlische Ruhe, jene unnachahmliche Grazie, jene Abgeschlossenheit (Plastik) in der Antike[4]? – Griechenland war von Poesie[14] durchdrungen, nämlich von einer Phantasie[3], die ihre Ideale im Leben selbst vorfand, und dieselben in Formen bringen konnte, die wirklich vorhanden waren; die Kunst[11] besteht aber nur in dieser Verschmelzung des Ideals mit der Wirklichkeit, diese Erhebung des Irdischen zum übersinnlichen Genusse. Und wenn ein poetischer[1] Mensch derjenige ist, welcher bei Beschauung irdischer Gegenstände diesen sogleich ihre himmlische Beziehung in schöner[1] Form anweist, so waren die Griechen eine poetische[1] Nation[1], und die Kunst[4] lag ihnen nahe. Das Schöne[1] setzten sie über Alles, weil sie selbst schön[1] waren; sie vergötterten schöne[1] Menschen nach dem Tode; ihre Lebensaufgabe war Genuß des Schönen[1]..
[31] Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), VIII: Kritik[3] der Sachen, der Geschichte[3] und der Stellen der alten Schriftsteller, auf die man sich beruft, sehe ich überhaupt [...] 〈IX〉 [...] als etwas sehr wichtiges und nöthiges an. ➢ Volltext.
[32] Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), X: Uebrigens schränke ich mich auf dasjenige ein, was ich leisten kann ohne Italien gesehen zu haben, und wage kein Urtheil über alte Kunstwerke[4], als so weit sich der Gedanke und die Ausführung aus Zeichnung, Kupfern und Nachrichten beurtheilen läßt. Mit diesen Erkenntnißquellen muß in Ansehung eines großen Theils der Antiken[3] selbst derjenige sich genügen lassen, welcher in Rom lebt und schreibt: denn über dasjenige, was in Florenz, Neapel und an andern Orten Italiens, in Frankreich, England, Dresden, Berlin und anderwärts vorhanden ist, muß er sich, so gut, als ich, aus Büchern belehren, und in Rom selbst hat er nicht immer alles vor Augen, und selbst wer Italien durchreiset hat, kann nicht alles gesehen haben; er kann eine anschauendere Kenntniß von vielem haben, das übrige aber muß er doch aus Büchern lernen. ➢ Volltext.
[33] A. v. Humboldt, Basalte Rhein (1790), 50: Der lapis lydius war bei den Alten, in deren Hausgeräth er gewissermassen gehörte, äusserst gemein. Daher wird er oft bei den Classikern[1] genannt..
[34] A. v. Humboldt, Basalte Rhein (1790), 126: Den Basalt der Alten hält Herr Desmarest für eine Art Schörl, die er im Limousin im Granit entdeckte. Er gründet diese Behauptung auf eine genaue Untersuchung der antiken[2] Kunstwerke[4], die er 1765. zu Rom sahe. Diese Untersuchung aber, so interressant[1] sie an sich ist, kann wenig zur Erläuterung des Plinius beitragen. Sie entscheidet wol, welche Steinart die Antiquarier in ihrer Sprache Basalt nennen, nicht was die Römer damit bezeichneten..
[35] W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 280: Uebersezungen. Diese können in Absicht des übersezten Schriftstellers einen dreifachen Nuzen haben. 1., ihn diejenigen kennen zu lehren, die sein Original nicht selbst zu lesen im Stande sind. 2., für denjenigen, der das Original selbst liest, zum Verständniss desselben zu dienen. 3., denjenigen, der das Original zu lesen im Begriff[6] ist, vorläufig mit ihm bekannt zu machen, ihn in seine Manier, seinen Geist[30] einzuweihen. [...] Die Haupterfordernisse einer Uebersezung wechslen nun nach diesem dreifachen Zwekke. Zu dem 1sten wird Anpassung des übersezten alten Schriftstellers auf den modernen[1] Leser, also oft absichtliche Abweichung von der Treue erfordert; zu dem 2ten Treue der Worte[4] und des Buchstabens[11]; zu dem 3ten Treue des Geistes[30], wenn ich so sagen darf, und des Gewandes, worin er gekleidet ist, wobei also vorzüglich viel auf die Nachahmung der Diktion bei Prosaikern und des Rhythmus und des Versbaues bei Dichtern ankommt..
[36] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 182: [W]enn er, mit dem classischen[3] Geiste[14] der Alten vertraut, und von dem besten der Neueren[3] durchdrungen, zugleich so individuell gebildet ist, daß er nur unter seiner Nation{1] und in seiner Zeit[3] emporkommen konnte, daß alles Fremde[1], was er sich aneignet, danach sich umgestaltet und er sich nur in seiner vaterländischen Sprache[3] darzustellen vermag, in jeder andern aber und zwar gerade für seine Eigenthümlichkeit schlechterdings unübersetzbar bleibt; wenn es ihm nun so gelingt, die Resultate seiner Erfahrungen über Menschenleben und Menschenglück in eine dichterische Idee zusammenzufassen, und diese Idee vollkommen auszuführen – dann mußte, und nur so konnte ein Gedicht, wie das gegenwärtige ist, entstehen..
[37] W. v. Humboldt, Lat. u. Hell. (*?1806), GS I, 3, 136: Es giebt einen vierfachen Genuss des Alterthums[3]: | in der Lesung der alten Schriftsteller, | in der Anschauung der alten Kunstwerke[4], | in dem Studium der alten Geschichte[1], | in dem Leben auf classischem[3/7] Boden..
[38] Jean Paul, Vorsch. Ästh. III (21813), 786 f. (787): Wenn nun alle Klassiker nur durch die Mehrheit glänzender Theile sich über die Gemeinen und doch Tadelfreien erheben: so fragt sich, ob diese Mehrheit in sogenannten sprach-klassischen oder ob in genialen Theilen bestehe. In den letzten durchdringt sich, wie gesagt, von selber Stoff und Form, Seel' und Leib erschaffen sich gegenseitig, aber die ersten würden nur eine negative, ja bloße grammatische Musterhaftigkeit 〈787〉 geben, und so wäre denn, mit Longin zu reden, ein Ion aus Chios klassischer[3] als Sophokles, und Adelungs Geschichte[7] der Menschheit[2] klassischer[3] als die Herdersche, und Goethe hätte vor Merkels Köpfchen den Hut abzunehmen. Kurz das Klassische[3] kann nicht in der Minderzahl der Flecken, sondern in der Mehrzahl der Strahlen bestehen. Auch nach dem vorigen Kunstrichter kann nichts klassisch[3] sein, was höher zu treiben ist [...]; – aber daher ist dann jede noch lebende Sprache[3] nur für die Gegenwart klassisch[3], weil sie Blüten abwirft und nachtreibt. Jede alte todte war auch so lange keine klassische[3], als sie fort- und nachwuchs; nur ihr Tod gab ihr feste Verklärung..
[39] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), 174 f. (175): Es giebt weder eine Wissenschaft des Schönen[1], sondern nur Critik[2], noch schöne[2] Wissenschaft, sondern nur schöne[2] Kunst[1]. Denn was die erstere betrifft, so würde in ihr wissenschaftlich, d. i. durch Beweisgründe ausgemacht werden sollen, ob etwas für schön[1] zu halten sey oder nicht; das Urtheil über Schönheit[1] würde also, wenn es zur Wissenschaft gehörte kein Geschmacksurtheil seyn. Was das zweyte anlangt, so ist eine Wissenschaft, die, als solche, schön[2] seyn soll, ein Unding. Denn, wenn 〈175〉 man in ihr als Wissenschaft nach Gründen und Beweisen früge, so würde man uns durch geschmackvolle Aussprüche (Bon Mots) abfertigen. – Was den gewöhnlichen Ausdruck, schöne[2] Wissenschaften veranlaßt hat, ist ohne Zweifel nichts anders, als daß man ganz richtig bemerkt hat, es werde zur schönen[2] Kunst[1] in ihrer ganzen Vollkommenheit viel Wissenschaft, als z. B. Kenntnis alter Sprachen[3], Belesenheit der Autoren, die für Classiker gelten, Geschichte[6], Kenntnis der Alterthümer[5] u. s. w. erfordert und, um daher diese historische Wissenschaften weil sie zur schönen[2] Kunst[1] die nothwendige Vorbereitung und Grundlage ausmachen, zum Theil auch weil darunter selbst die Kenntnis der Producte der schönen[2] Kunst[1] (Beredsamkeit und Dichtkunst) begriffen worden, durch eine Wortverwechselung, selbst schöne[2] Wissenschaften genannt hat..
[40] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 138: Daß man die Werke der Alten mit Recht zu Mustern anpreiset, und die Verfasser derselben classisch[3] nennt, gleich einem gewissen Adel[4] unter den Schriftstellern, der dem Volke[1/5] durch seinen Vorgang Gesetze giebt: scheint Quellen des Geschmacks a posteriori anzuzeigen, und die Autonomie desselben in jedem Subjecte zu widerlegen..
[41] Klein, Rheinreise (1828), 20: Das Gemälde des Rheingau's, welches sich hier mit seiner ganzen Lebendigkeit und in jugendlicher Frische entfaltet, hat einen eigenthümlichen Reiz; Vergangenheit und Gegenwart beschäftigen zugleich Phantasie[1] und Auge. Während auf einer Seite mannichfaltig[1] gefärbte Wolkenmassen über dem Taunus gleichsam zu alten[10] Römerburgen sich gestaltend, tiefer abwärts mit Epheu umrankte Wartthürme zerfallener Schlösser aus deutscher Ritterzeit auf den Vorsprüngen des Gebirges sich wirklich erheben, scheint links Kaiser Karl der Große mit seinen eisengepanzerten Helden über Ingelheims altem[11] Palaste zu schweben[5], und zahlreiche Kreuzfahrer das Ufer zu bedecken. [...] 〈21〉 [...] Friedliche Dörfer, geschäftiges Treiben größerer Flecken, stolze Landhäuser, stille friedliche Hütten, ehrwürdige Kirchtürme, ferne Einsiedeleien wechseln zwischen weinbekränzten Hügeln, Obstgärten, Getreidefeldern. Grüne Thalgründe, wiesenbedeckte Flächen mischen sich mit schroffen Felsen in buntem[2] Gewühle von verschiedenartiger Beleuchtung. Der seichte Fluß, zum weiten See ausgebreitet, dessen silberhelle Wellen um die vielen blühenden Auen in seiner Mitte spielen, scheint absichtlich zu zögern, um den Schiffenden Zeit zu lassen zur Beschauung des herrlichen Ganzen. Der Freund der Idylle, wie jener der Romantik[2], des frohen wie des ernsten Lebens, fühlt sich mächtig ergriffen, jeder stimmt ein in das Lob des reizenden Landes..
[42] Krünitz [Flörke], Oecon. Encycl. CI (1806), 489: So fern die Alten [...] unter der Natur[2] auch die zeugende Kraft verstanden, wurde dieses Wort[1] ehedem sehr häufig so wohl im mittlern Lateine als auch im Deutschen von den Zeugungs-Gliedern gebraucht. Die weibliche Natur[14]. 〈490〉 Jetzt kommt nur noch das Beywort bisweilen in diesem Verstande[7] vor; Die natürlichen[9] Theile..
[43] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CLXX (1839), 519 ff. (520 f.): Auch zu Buonarottis Zeiten[3] war man noch [...] sehr von dem bloßen Studium der [Antiken3] und des Antiken[2] eingenommen [...] 〈520〉 [...]. Buonarotti [...] zeigte, daß er für die antike[2] Bildhauerkunst die größte Hochachtung hege, sie studiere, aber mit Nutzen, ohne die Natur[12] zu vernachlässigen, wodurch selbst die Alten ein Muster geworden, und ohne Vernachlässigung der Zeit[3], in welcher man selbst lebt. Da er nun seine Arbeit so sehr unter die Bildhauerey der Alten herabgesetzt fand, so entschloß er sich, seine Landsleute [...] von ihrem Irrthume zu überzeugen. Er verfertigte also eine Statüe des Morpheus, oder Gottes[4] des Schlafs aus Marmor, und schlug, nach der Vollendung desselben, davon einen Arm fort, und verbarg denselben in seiner Wohnung. Die Statüe überzog er mit einer Art Rost, um derselben ein antikes[2] Ansehen zu geben, und ließ sie an einem Orte, wo er wußte, daß man nach Alterthümern[5] stets zu suchen pflegte, unter Trümmern und Schutt heimlich eingraben. Nach einiger Zeit[6] wurde daselbst wieder, wie es schon früher geschehen war, der Antiken[3] wegen, nachgegraben, und so fand man denn auch die Bildsäule von Buonarotti. Die größten Kenner Roms bewunderten sie sogleich als einen aufgefundenen antiken[2] Schatz, ja als eines der schönsten[1] Stücke des Alterthums[3]. Man ließ sich in Lobeserhebungen über die Schönheit[1] der Arbeit, aus, und sagte ganz offen, daß man hiernach die Arbeiten des Michael Angelo beurtheilen könne, wie weit diese hinter den Antiken[3] zurückständen. Man ließ ihm zwar dabei eine gewisse Gerechtigkeit widerfahren, indem man sagte: daß er, als ein Neuerer[5] in der Kunst[4], in der That ein geschickter Mann sey; allein hieran könne man doch erkennen, wie viel er noch zu thun habe, um diese Antike[3] zu erreichen [...]. Nachdem nun Buonarotti sie eine Zeitlang in dem 〈521〉 Wahne, eine wirkliche Antike[3] vor sich zu haben, gelassen, auch viele ironische[1] Bemerkungen zwischen der Antike[4] und seiner Arbeit mit angehört hatte, so trat er endlich hervor, und erklärte die Bildsäule für sein Werk [...]. Man kann sich leicht die Entrüstung denken, in welche alle seine Gegner geriethen, als sie sich mit ihrem Kunsturtheile so in die Enge getrieben sahen; indessen zweifelte man dennoch an der Wahrheit, bis Buonarotti den Arm brachte [...], welches zugleich eine Lehre für diejenigen zur Folge hat, die nur für das Antike[2] eingenommen sind, ohne das Moderne[1] in der Kunst[2] erst näher zu untersuchen oder zu prüfen, indem sie dann finden werden, daß man bei der Wahl und Nachahmung des Schönen[1] in der Natur[2], nur das erreichen kann, was die Alten auch nur erreichen konnten, weil sie nichts anderes thaten, und dann, daß die Kunst[2] nicht abgeschlossen ist, sondern sich jeder bestreben muß, das Höchste darin zu erreichen. Wer die Antiken[3] zum Vorbilde hat, hat nur das voraus, daß er schon die Muster zum Studium, der Nachahmung würdig, aufgestellt findet, ohne sie erst aufsuchen zu müssen; oder daß sich nach diesen Mustern sein Geschmack bilde, seine Empfindung für das Schöne[1] erregt werde, um dann selbst dasselbe aufzusuchen..
[44] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 55: Wie Großes haben die Alten gemeint, als sie von einer Harmonie der Sphären redeten, als wenn die Gesetze der wunderbaren Anordnung des Weltbaues doch eigentlich nur das Ohr[3] empfinden könnte!.
[45] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 62 f. (63): [E]s ist, als wenn [...] 〈63〉 [...] zwischen Parterre und Bühne die Grenze des Proszeniums verschwände, welche die Kunst[2] eigentlich immer aufheben sollte, wie die Alten andeuteten, indem sie die Bildsäule des Gottes[4], die Neueren[3], indem sie die Musik[9] an diese Grenze hin verlegten..
[46] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 266 f. (267): [E]s drängte diese liebenswürdige Natur[17] [sc. Schiller] sich zu dem Göttlichen zu erheben oder das Göttliche herabzuziehn: er sehnte sich wie jeder ordentliche und vollständige Mensch[1] nach der Verbindung des Göttlichen und Menschlichen [...]. Die griechischen[2] Götter[4] trugen wenigstens Masken von Menschen[1], und so übertrug er in rührendem Irrthume alle jene romantischen[7] Empfindungen seines Herzens, 〈267〉 welche er mit der Luft der neuern[3] Zeiten[3] eingesogen, auf jene alten, kalten, geschlechtslosen Gestalten [...]..
[47] Novalis, Über Goethe (*1798), NS 2, 641 f. (642), Nr. 445: Wenn ich die neuesten[3] Freunde der Litteratur des Alterthums[3] recht verstehe, so haben sie mit ihrer Foderung, die klassischen[7/3] Schriftsteller nachzuahmen nichts anders im Sinn[10], als uns zu 〈642〉 Künstlern zu bilden – Kunsttalent in uns zu erwecken. Keine moderne[1] Nation[1] hat den Kunstverstand in so hohem Grad gehabt, als die Alten. Alles ist bey ihnen Kunstwerk[2] – aber vielleicht dürfte man nicht zu viel sagen, wenn man annähme, daß sie es erst für uns sind, oder werden können. Der classischen[7/3] Litteratur geht es, wie der Antike[4]; sie ist uns eigentlich nicht gegeben – sie ist nicht vorhanden – sondern sie soll von uns erst hervorgebracht werden. Durch fleißiges und geistvolles Studium der Alten[10] entsteht erst eine klassische[7/3] Litteratur für uns – die die Alten selbst nicht hatten..
[48] Ramdohr, Landsch. Friedr. (1809), 109: [I]ch, der ich [...] um funfzig Jahre zu spät geboren [...] [bin], um statt der Bildung[5], die ich durch die klassischen[3] Werke der Alten und Neuen[5] erhalten habe, durch die Werke aus der ersten Kindheit der Kunst[4] zum Gefühl des Schönen[1] angezogen zu seyn [...]. ➢ Volltext.
[49] Schelling, Meth. Stud. (1803), 75 f. (76): Ich kenne keine Beschäftigungsart, welche mehr geeignet wäre, im früheren Alter dem erwachenden Witz[2/3], Scharfsinn, Erfindungskraft die erste Uebung zu geben, als die vornehmlich 〈76〉 mit den alten Sprachen[3]..
[50] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 429: Die ewige Nothwendigkeit offenbart sich in der Zeit[3] der Identität mit ihr als Natur[13]. [...] Mit dem Abfall von ihr offenbart sie sich als Schicksal in herben und gewaltigen Schlägen. Um sich dem Schicksal zu entziehen, ist nur Ein Mittel, sich in die Arme der Vorsehung zu werfen. Dieß war das Gefühl der Welt in jener Periode der tiefsten Umwandlung, als das Schicksal an allem Schönen[1] und Herrlichen des Alterthums[3] seine letzte Tücke übte. Da verloren die alten Götter[4] ihre Kraft, die Orakel schwiegen[1], die Feste verstummten und ein bodenloser Abgrund voll wilder Vermischung aller Elemente der gewesenen Welt schien sich vor dem menschlichen Geschlecht[7] zu öffnen. ➢ Volltext; vgl. [63].
[51] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 443: Nur der Katholicismus lebte in einer mythologischen Welt. Daher die Heiterkeit[4] der poetischen[4] Werke, die in dem Katholicismus selbst entsprungen sind, die Leichtigkeit und Freiheit[13] der Behandlung dieses – ihnen natürlichen[3] – Stoffes, fast wie die Griechen ihre Mythologie behandelt haben. Außer dem Katholicismus kann fast nur Unterordnung unter den Stoff, gezwungene Bewegung ohne Heiterkeit[4] und bloße Subjektivität des Gebrauchs erwartet werden. Ueberhaupt wenn eine Mythologie zum Gebrauch herabgesunken, z. B. der Gebrauch der alten Mythologie in den Modernen[1], so ist dieser, eben weil bloß Gebrauch, bloße Formalität; sie muß nicht auf den Leib passen, wie 〈444〉 ein Kleid, sondern der Leib selbst seyn. Selbst die vollendete Dichtung im Sinn der rein-mystischen Poesie[11] würde eine Absonderung im Dichter, sowie in denen, für welche er dichtet, voraussetzen, sie wäre nie rein, nie aus dem Ganzen der Welt und des Gemüths gegossen. ➢ Volltext.
[52] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 673: Das romantische[12] Epos hat in der Gattung, zu der es gehört, selbst wieder einen Gegensatz. Wenn es nämlich überhaupt zwar dem Stoff nach universell, der Form nach aber individuell ist, so läßt sich zum voraus eine andere entsprechende Gattung erwarten, in welcher an einem partiellen oder beschränkteren Stoff sich die allgemein gültigere und gleichsam indifferentere Darstellung versucht. Diese Gattung ist der Roman, und wir haben mit dieser Stelle, die wir ihm geben, zugleich auch seine Natur[1] bestimmt. | Man kann allerdings auch den Stoff des romantischen[12] Epos nur relativ universell nennen, weil er nämlich immer den Anspruch an das Subjekt macht, sich überhaupt auf einen phantastischen[1] Boden zu versetzen, welches das alte Epos nicht thut. Aber eben deßwegen auch, weil der Stoff vom Subjekt etwas fordert – Glauben, Lust, phantastische[1] Stimmung – so muß er Dichter von der seinigen etwas hinzuthun und so dem Stoff, was er in der einen Rücksicht an Universalität voraus haben kann, von der andern Seite wieder durch die Darstellung nehmen. Um sich dieser Nothwendigkeit zu überheben, und der objektiven Darstellung sich mehr zu nähern, bleibt demnach nichts übrig als auf die Universalität des Stoffs Verzicht zu thun und sie in der Form zu suchen. | Die ganze Mythologie des Rittergedichts gründet sich auf das Wunderbare, d. h. auf eine getheilte Welt. Diese Getheiltheit geht nothwendig in die Darstellung über, da der Dichter, um das Wunderbare als solches erscheinen zu lassen, selbst für sich in der übrigen Welt seyn muß, wo das Wunderbare als Wunderbares erscheint. Will also der Dichter mit seinem Stoff wahrhaft identisch werden und sich ihm selbst ungetheilt hingeben, so ist kein Mittel dazu, als daß das Individuum, wie überhaupt in der modernen[1] Welt, so auch hier ins Mittel trete und den Ertrag Eines Lebens und Geistes[32] in Erfindungen niederlege, die, je höher sie stehen, desto mehr die Gewalt einer Mythologie gewinnen. So entsteht der Roman, und ich trage kein Bedenken, ihn in dieser Rücksicht über das Rittergedicht zu setzen [...]. ➢ Volltext.
[53] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 723: Der Natur[1] des romantischen[12/4] Princips gemäß stellt die moderne[1] Komödie die Handlung[3] als Handlung[3] nicht rein, isoliert und in der plastischen[3] Beschränkung des alten Drama dar, sondern sie gibt zugleich ihre ganze Begleitung. ➢ Volltext.
[54] Schiller, an Goethe (19. 7. 1799), NA 30, 72 f. (73): Ich habe mir vor einigen Stunden durch Schlegels Lucinde den Kopf so taumelig gemacht, daß es mir noch nachgeht. Sie müssen dieses Product wundershalber doch ansehen. Es characterisiert seinen Mann, so wie alles Darstellende, beßer als alles was er sonst von sich gegeben, nur daß es ihn mehr ins frazenhafte 〈73〉 mahlt. Auch hier ist das ewig formlose und fragmentarische, und eine höchst seltsame Paarung des Nebulistischen mit dem Characteristischen[2], die Sie nie für möglich gehalten hätten. Da er fühlt, wie schlecht er im poetischen[4] fortkommt, so hat er sich ein Ideal seiner selbst aus der Liebe und dem Witz[2] zusammengesetzt. Er bildet sich ein, eine heiße unendliche Liebesfähigkeit mit einem entsetzlichen Witz[2] zu vereinigen und nachdem er sich so constituiert hat, erlaubt er sich alles, und die Frechheit erklärt er selbst für seine Göttin. | Das Werk ist übrigens nicht ganz durchzulesen, weil einem das hohle Geschwätz gar zu übel macht. Nach den Rodomontaden von Griechheit, und nach der Zeit[6], die Schlegel auf das Studium derselben gewendet, hätte ich gehofft, doch ein klein wenig an die Simplicität und Naivetät der Alten erinnert zu werden, aber diese Schrift ist der Gipfel moderner[1] Unform und Unnatur, man glaubt ein Gemengsel aus Woldemar, aus Sternbald, und aus einem frechen französischen Roman zu lesen..
[55] A. W. Schlegel, an Goethe (4. 2. 1799), KW, 83: Voß besitzt bey der Vertrautheit mit dem Buchstaben[8] der alten Poesie[11] 〈84〉 doch gar zu wenig von ihrem Geiste[12]..
[56] A. W. Schlegel, Gemählde (1799), 39: Sie gehen so gedankenvoll unter den Antiken[3] auf und ab, Waller; dichten Sie etwa einen Hymnus auf die alten Götter[4]? ➢ Volltext.
[57] A. W. Schlegel, Gemählde (1799), 118 f. (119): Daß die Sache [sc. die Aussetzung Mosis] in Egypten vorgeht, ist also hinlänglich außer Zweifel gesetzt: aber bey allem dem kann man der gerühmten Gelehrsamkeit Poussins im 〈119〉 Kostum hier nichts weiter zugestehen, als daß er es beynahe so gut wie Paul Veronese, beobachtet hat. Bey diesem ist alles modern[1], aber alles aus Einem Stücke; bey jenem ist alles antiquarisch, allein es paßt nicht zu einander. Mutter und Tochter sind der Kleidung nach ziemlich Griechisch[4], der Knecht ist ganz Griechisch[4], der Flußgott ist wahrlich weder Egyptisch noch Hebräisch, sondern Griechisch[4], und bey einer Geschichte[10], wo Jehovah's unmittelbare Vorsehung eintritt, noch obendrein erzheidnisch. Das Füllhorn ist auch Griechisch[4]. Eigentlich ist es doch ein Glück, daß der Mahler auf halbem Wege stehen blieb, und zufrieden war, wenn eine alte[1] Geschichte[10] antik[2] aussah. Ein andrer, der das Studium des Kostums (auf welches die Französischen Kunstrichter, die darin mit Poussin sympathisiren, eine so lächerliche Wichtigkeit legen) noch strenger verfolgte, könnte der Tochter Pharao's die Physiognomie einer Mumie geben. Soll aber einmal etwas fremdes[5] sich eindrängen dürfen, so ist es wohl eben so erlaubt, eine biblische Geschichte[10] im Venetianischen Dialekt[3] zu erzählen, als die ganze Welt durch eine griechische[4] Brille zu sehen. Das Einheimische und Neue[5] ist uns näher, lebendiger, lustiger; Paul mahlte frisch, was er sah und erlebte, Poussin schöpfte mühsam aus alten[10] Denkmälern und Büchern. Jener hätte vielleicht seine fantastische[2] Jovialität eingebüßt, wenn er die Kunst[4] so ernst hätte treiben wollen; dieser konnte sich schwerlich über seine klassische[8] Kälte erheben, wenn er sich auch geselliger ins Leben hineinwagte [...]. ⦿ ➢ Volltext.
[58] A. W. Schlegel, Zeichn. (1799), 197: Komödien sollten lustig seyn. In Hogarth's Bildern ist alles häßlich[1] und unpoetisch, oft die ekelhafteste Anatomie moralischer Verwesung. Keine leichte Jovialität, nichts von jener absoluten Willkühr, die den darstellenden Geist[32] über die Unsittlichkeit und Niedrigkeit des Dargestellten in eine reinere Region erhebt, und die scherzende Frechheit der alten Komödie so erhaben macht. Man erklärt uns mühsam alle Absichten und Anspielungen, man weist uns mit Fingern darauf hin, damit wir es auch ja merken, was hier zu bewundern ist. ➢ Volltext.
[59] A. W. Schlegel, Zeichn. (1799), 225: Nach dem Anblick dieser Umrisse kann man nicht umhin, Flaxman für einen gelehrten Kenner der Klassiker zu halten, der mit den griechischen Dichtern in ihrer Sprache vertraut ist; und wenn sich nachher bey genauerer Untersuchung hiegegen einige Zweifel regen, so wird es desto erstaunlicher, daß er sie so gefaßt: man könnte alsdann seine Umrisse zum Homer eine Rückübersetzung aus Pope's Travestie in das Aechtgriechische und Heroische nennen, aus eigenmächtiger Befugniß des Künstlersinnes ohne grammatische Beyhülfe vollbracht. Allerdings ist die klassische[7]〉 Bildung[6] ein großes untheilbares Ganzes: durch den vollkommnen Besitz einer Seite desselben muß einem also auch der Zugang zu den übrigen geöffnet werden. Wer die alten Dichter recht versteht, (man verstehe, was eigentlich verstehen heißt) dem mußten auch für die bildende Kunst[2] der Alten die Augen aufgehn, und umgekehrt hat sich unser Künstler durch tiefes und liebevolles Studium der Antike[4] mit den Dichtern in unmittelbarere Berührung gesetzt, als durch modernisirende Uebersetzungen hätte geschehen können. ➢ Volltext.
[60] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 195: Höchst wesentlich ist für die Kunstgeschichte die Anerkennung des Gegensatzes zwischen dem modernen[1] und antiken[2] Geschmack. [...] Man hat den Charakter[1] der antiken[2] Poesie[11] mit der Bezeichnung classisch[3/5/7], den der modernen[1] [als] romantisch[12/4/11] bezeichnet; [...] sehr treffend. Es ist eine große Entdeckung für die Kunstgeschichte daß dasjenige, was man bisher als die ganze Sphäre der Kunst[3] betrachtete (indem man den Alten die uneingeschränkte Autorität zugestand) nur die eine Hälfte ist: das classische[7] Alterthum[2] kann dadurch weit besser verstanden werden als aus sich allein..
[61] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 367: Nach unsrer allgemeinen Ansicht vom Verhältniß der alten und neueren[3] Kunst[10] werden wir auch in der Musik[4] keine gegen die andre herabzusetzen, sondern die Bedeutung ihres Gegensatzes zu verstehen suchen; und da würde sich vielleicht bey näherer Erörterung finden, daß das vorwaltende in der alten Musik[4] eben das war, was in den übrigen Künsten[10]: das plastische[3], rein classische[5], streng begränzende; in der neueren[3] hingegen das pittoreske[2], romantische[4/8] oder wie man es nennen will..
[62] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 439: Wirkung des Reimes überhaupt: Verknüpfung, Paarung, Vergleichung. Erregte Erwartung schon im einzelnen Verse und Befriedigung. Erinnerung und Ahndung[1], statt daß die alte Rhythmik immer in der Gegenwart festhält, und allen Theilen gleiche Dignität giebt. – Daher 〈439〉 liegt im Reime das romantische[12/4/11] Prinzip, welches das entgegengesetzte des plastischen[3] Isolierens ist. Allgemeines Verschmelzen, hinüber und herüber ziehen, Aussichten ins Unendliche..
[63] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 455: Es giebt kein andres Mittel sich der Gewalt des Schicksals zu entziehen, als sich in die Arme der Vorsehung zu werfen. Dieß that denn auch die Welt, als das Schicksal eben an allem Großen und Herrlichen des Alterthums[3] seine letzten Tücken übte; als die schöne[1] Kunstwelt Griechenlands nach Gesetzen der organischen[6] Auflösung in sich zerfallen war, und die prachtvolle Weltherrschaft Roms durch die Last ihrer eignen Größe erdrückt ward, und die Nemesis des Römischen Übermuthes in barbarischen Horden hereinbrach. Da verlohren die alten Götter[4] ihre Kraft, die laute Freude der Feste schwieg[4], die Orakel verstummten, und der Mensch[1], gleichsam aus seinem 〈geliebten〉 irdischen Wohnsitze ohne Rückhalt vertrieben, mußte eine höhere geistige Heimath suchen. ➢ vgl. [50].
[64] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 461 f. (462): Weit reiner [findet sich die Scheidung der Dichtarten] in der antiken[2] Poesie[11], weswegen diese vorzugsweise als Kunst[9] 〈462〉 und classisch[5] erscheint. In der romantischen[12/4] Poesie[11] eine unauflösliche Mischung aller poetischen[4] Elemente. Daher daß man sie verkennt. Die eigentlichen Originalwerke der Neueren[3] ganz übersehen, die schlechten Nachahmungen der Alten als das Wichtigste gepriesen. Keinen Sinn[5] für das Chaos. 〈Auch das Universum bleibt der höhern Ansicht immer noch Chaos.〉 Das Streben nach dem Unendlichen ist in der Romantischen[12/4/11] Poesie[11] nicht bloß im einzelnen Kunstwerke[3] ausgedrückt, sondern im ganzen Gange der Kunst[3]. Gränzenlose Progressivität..
[65] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 545: Die Neueren[3] haben sich die Kunstausdrücke der Alten von den Gattungen angeeignet, oft aber etwas ganz anderes damit gemeynt. Zuweilen haben sie aber auch die Poesie[1] auf gelehrte Weise getrieben, und sind von der Nachahmung der Alten ausgegangen. Die so entstandnen Werke werde ich, da man sie wegen ihres oft großen Ansehens bey geringem eigenthümlichen Werth und Geist[12], nicht ganz übergehen kann, bey Abhandlung der Griechischen[2] Vorbilder ebenfalls anfügen, um 〈546〉 bey der neueren[3] Poesie[11] die Entwicklung des Romantischen[4] so wenig als möglich zu unterbrechen. Ich nehme den Fall aus, wo ein Werk zwar mit der Intention entworfen worden, classisch[5] zu seyn, wo aber doch romantische[4] Elemente sich ihm eingemischt haben, und vielleicht das beste darin sind, wie es z. B. mit Tasso's befreytem Jerusalem der Fall ist. 〈Tasso hatte nächst dem Virgil wohl den sehr romantischen[4] Camoens vor Augen, und wirkte wieder auf den gar nicht romantischen[4] Milton.〉.
[66] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 551: Zuvörderst was die älteste[1] epische Epoche betrifft, so fällt sie, genauer betrachtet, vor der eigentlichen Sonderung der Dialekte[1], in der höheren, oben angegebnen, Bedeutung dieses Wortes[1]. Wir finden beym Homer die Griechische Bildung[5] auf einer Stufe, wo die Bestandtheile der Nation[1] durch Kriege, Wanderungen und mancherley Revolutionen sich gegenseitig durchdrungen hatten, [...] aber noch nicht wieder nach verschiednen eigenthümlichen Richtungen gesetzmäßiger aus einander gegangen waren. Deswegen behaupten die Alten[10], Homer habe geflissentlich alle Dialekte[1] durch einander gemischt, um sämtlichen Griechen verständlich zu seyn: der Wahrnehmung nach richtig, aber nur historisch unrichtig ausgedrückt..
[67] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 658: Ich habe hier diese Gesetze und Verhältnisse der Verskunst einmal für allemal aus einander gesetzt; denn sie gelten nicht bloß [für] die alte[10] 〈659〉 Poesie[3], sondern dieselbe Erscheinung kommt in den gereimten Versarten der romantischen[12] Dichter[2] wieder..
[68] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 763: Doch sind in so fern die gemischten Gattungen merkwürdig, um zu sehen, wie auch in ihnen die classische[7] Poesie[11] ihre Gesetzmässigkeit behauptet. Das Verhältniß der Elemente war wenigstens genau bestimmt: zwischen der Komödie und der Tragödie lag diese Spielart doch der letzten näher; denn bey der Einseitigkeit der alten Meister, die sich gewöhnlich nur in einer Gattung hervorthaten, verfertigten bloß die Tragiker satyrische Dramen, niemals aber die Komiker, wie es denn für ausgemacht unmöglich gehalten wurde, zugleich Komiker und Tragiker zu seyn..
[69] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 773: Prosaische[1] Theile in komischen Partien Romantischer[12] Dramen. Sehr zu billigen. Alte Poesie[11]: Reine Sonderung der Kunst[13] und Natur[19]; verlor sich also in der Prosa[1], ohne den Rückweg zur Poesie[3] finden zu können. Romantische[12/10] Poesie[11]: unauflösliche Verschmelzung von Kunst[13] und Natur[19]. Also Prosa[1] schon als ursprünglicher Bestandtheil aufgenommen..
[70] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 46 f. (47): Die Philologie ist an sich ein liberales Studium, weil es bloß auf Uebung und Bildung[2] des Geistes[14] im allgemeinen abzweckt, und sich der Gemeinnützigkeit bestimmter Anwendungen entzieht. Man hat sie aber auch in der neueren[5] Epoche diesen unterwürfig machen wollen, 〈47〉 und dadurch auf Abwege geleitet. Die älteren Philologen suchten den Schülern bloß den Buchstaben[11] der alten Autoren zu eröffnen, in der Zuversicht, wenn sie selbigen treufleißig erlernt hätten, würde ihnen der Geist[30] nach dem Maaße ihres Sinnes[5] von selbst aufgehen. Jetzt hat man sie voreilig in diesen einzuweihen gedacht, ohne ihn selbst recht gefaßt zu haben: man hat in Noten viel über die Schönheiten[3] der Dichter gefaselt, man hat die Mythologie nach oberflächlichen Ansichten aus der sogenannten Geschichte[4] der Menschheit[2], d. h. aus Vergleichungen mit andern Nationen[1] auf gleichen Stufen der Cultur[4] [...], zugestutzt, u. s. w. Was ist dabei herausgekommen? Die grammatische Gründlichkeit ist vernachlässigt, und das Höhere nicht erreicht worden. ➢ Volltext.
[71] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 70: Die Ehre, diese uns wenigstens in Ueberresten angestammte große Idee aus dem Mittelalter, [...] ist gleichsam eine romantisirte[2] Sittlichkeit; hierin liegt es schon, warum die Alten sie in diesem Sinne[1] nicht kannten, was ich auch daraus einzusehen glaube, daß bei den Alten Religion[1] und Moral mehr getrennet war; da nun das Christenthum das gesammte Thun des Menschen in Anspruch nahm, so rettete sich das Gefühl von der Selbstständigkeit des sittlichen Strebens dahin, und erfand neben der religiösen Moral eine noch von ihr unabhängige weltliche. Die ritterlichen Grundsätze der Ehre werden also auch so lange nicht wegfallen können, als das Christenthum einen so bedeutenden Einfluß auf unsre Sittenlehre hat, als es bisher ungeachtet seines Verfalls, noch immer ausgeübt. ➢ Volltext.
[72] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 14: Wenn [...] in einer allgemeinen Geschichte[7] der romantischen[12] Poesie[11] die Deutschen eine so unansehnliche Rolle spielen, ja fast daraus verschwinden, wenn wir besonders keine romantischen[12] Künstler aus der Vorzeit aufzuweisen haben, die sich den großen entgegenstellen ließen, worauf andre Nationen[1] seit Jahrhunderten stolz sind: so können wir uns damit trösten, daß unter der allgemeinen prosaischen[3] Erstorbenheit bey uns zuerst das Gefühl für ächte Poesie[11] wieder erwacht ist; daß wir mitlebende Künstler besitzen, die nicht nur den alten Meistern mit Glück nachfolgen, sondern etwas eigenthümliches wollen und anstreben, und eine noch nicht erreichte Stufe zu ersteigen, einen neuen[1] Styl der romantischen[12] Kunst[3] zu bilden angefangen haben, wie ihn die Wendungen fodern, welche der menschliche Geist[10] seitdem genommen, besonders die tiefere Ergründung seiner selbst; Künstler sage ich, die selbstständig und originell noch unerforschte Geheimnisse des menschlichen Gemüthes, dieses unerschöpflichen Räthsels, zu offenbaren wissen..
[73] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 173: Der Chor [...] war Repräsentant einer harmonisch frey[13] versammelten Menge d. i. eines Volksfestes. Dieß war er immer, wenn er auch, wie in den Tragödien eine ernste ja traurige Handlung[3] feyerte. Es war immer Feyer, ein wirkliches Volksfest konnte sich ja auch auf dergleichen beziehen, denn wir müssen hier ganz unsern rohen Begriff[1] entfernen, die Volksfeste waren die künstlerisch organisirte[7] öffentliche Geselligkeit überhaupt, der schönste[1] Selbstgenuß der Staaten. – So war in der Ode aus der ihr eignen contemplativen Concentration die heiterste[5] Geselligkeit wiederhergestellt. Daher die Neigung zur Fröhlichkeit auch in der höheren Lyrik der Alten, die auf uns gekommnen Gesänge des Pindar athmen in der That festliche Freude an einer festlichen Freude. | Bey den Neueren[3] geht nun die Richtung im allgemeinen mehr auf das Subjektive und Ideale, und es findet sich kein solches Gegengewicht, welches den lyrischen Sänger in die äußere Welt zurückriefe. Daher ist der Charakter[1] der eigenthümlich romantischen[12/9] Ode, der Canzone, statt der geselligen Heiterkeit[4] des Chores, vielmehr einsiedlerisch schwermüthig, und es ist ein vorwaltender Hang zur beschaulichen Vertiefung in sich selbst, in die Abgründe des eignen Gemüths, sichtbar..
[74] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 280: Es ist merkwürdig, daß, da die Alten die schöne[2] Kunst[1] in die Historie hineintrugen, bey den Neueren[3] hingegen die Historie in die Poesie[11] hinübergezogen worden ist: daß sich die romantische[12] Poesie[11] die Aufgabe gemacht, die Historie ganz der Wahrheit gemäß und doch zum Ausdruck einer Idee zu gestalten..
[75] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 357: [M]an [muß] den Gedanken loben, der seit der Wiederbelebung der classischen[7] Literatur in Europa gegolten hat, die Beschäftigung mit den alten Sprachen[3], ohne bestimmte nähere Zwecke, zur Erziehung überhaupt, als zur allgemeinen Ausbildung dienlich, mitzurechnen. Nur freylich wird die Sache meistens so pedantisch und und verkehrt getrieben, daß man wenig heilsame Wirkungen davon gewahr wird, und nicht sieht, was zB. die Engländer, die sich auf Schulen und Universitäten fast ausschließend mit Lesung der Classiker[2] beschäftigen, dadurch vor den Franzosen voraushaben, bey denen das Griechische eine wahre Seltenheit ist, und das Lateinische ziemlich flüchtig erlernt wird. Unter den Nationen[1] des südlichen Europa scheint sich vermöge der analogeren Conformation der Sprachen[3] das Latein immer noch mehr lebendig zu erhalten, und die Holländer haben in dem beharrlichen Studium der Classiker[2] überhaupt einen edleren Geschmack bewiesen, als man ihnen zutrauen sollte..
[76] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 13: Das ganze Spiel lebendiger Bewegung beruht auf Einstimmung und Gegensatz. Warum sollte sich diese Erscheinung nicht auch in der Geschichte[1] der Menschheit[2] im großen wiederhohlen? Vielleicht wäre mit diesem Gedanken der wahre Schlüssel zur alten und neuen[5] Geschichte[1] der Poesie[11] und der schönen[2] Künste[1] gefunden. Die, welche dieß annahmen, haben für den eigenthümlichen Geist[12] der modernen[1] Kunst[2], im Gegensatz mit der antiken[2] oder classischen[7/5], den Namen romantisch[12/4] erfunden. Allerdings nicht unpassend: das Wort[1] kommt her von romance, der Benennung der Volkssprachen, welche sich durch die Vermischung des Lateinischen mit den Mundarten[1] des Altdeutschen gebildet hatten, gerade wie die neuere[5] Bildung[5] aus den fremdartigen Bestandtheilen der nordischen Stammesart und der Bruchstücke des Alterthums[3] zusammengeschmolzen ist, da hingegen die Bildung[5] der Alten weit mehr aus einem Stücke war. ➢ Volltext.
[77] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 14: [I]n der Musik[1] hat Rousseau den Gegensatz anerkannt, und gezeigt, wie Rhythmus und Melodie das herrschende Prinzip der antiken[2], Harmonie der modernen[1] Musik[1] sey. Er verwirft aber einseitig die letztere, worin wir ganz und gar nicht mit ihm einig seyn können. Ueber die bildenden Künste[2] thut Hemsterhuys den sinnreichen Ausspruch: die alten Mahler seyen vermuthlich zu sehr Bildhauer gewesen, die neueren[3] Bildhauer seyen zu sehr Bildhauer [sc. Mahler]. Dieß trifft den eigentlichen Punkt; denn, wie ich es in der Folge deutlicher entwickeln 〈15〉 werde, der Geist[12] der gesamten antiken[2] Kunst[4] und Poesie[1] ist plastisch[3], so wie der modernen[1] pittoresk[2]. ➢ Volltext.
[78] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 22: Ritterthum, Liebe und Ehre sind neben der Religion[2] selbst die Gegenstände der Naturpoesie, welche sich im Mittelalter in unglaublicher Fülle ergoß, und einer mehr künstlerischen Bildung[2] des romantischen[12] Geistes[10] voranging. Diese Zeit[3] hatte auch ihre Mythologie, aus Ritterfabeln und Legenden bestehend, allein ihr Wunderbares und ihr Heroismus war dem der alten Mythologie ganz entgegengesetzt. ➢ Volltext.
[79] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 23 f. (24): Und wenn nun die Seele gleichsam unter den Trauerweiden der Verbannung ruhend, ihr Verlangen nach der fremd[4] gewordnen Heimath ausathmet, was andres kann der Grundton ihrer Lieder 〈24〉 seyn als Schwermuth? So ist es denn auch: die Poesie[11] der Alten war die des Besitzes, die unsrige ist die der Sehnsucht; jene steht fest auf dem Boden der Gegenwart, diese wiegt sich zwischen Erinnerung und Ahndung. Man mißverstehe dieß nicht, als ob alles in einförmige Klage verfließen, und die Melancholie sich immer vorlaut aussprechen müßte. Wie in der heitern[4] Weltansicht der Griechen die herbe Tragödie dennoch möglich war, so kann auch die aus der oben geschilderten entsprungene romantische[12/9] Poesie[11] alle Stimmungen bis zur fröhlichsten durchgehen; aber sie wird immer in einem namenlosen Etwas Spuren ihrer Quelle an sich tragen. Das Gefühl ist im ganzen bey den Neueren[3] inniger, die Fantasie[1] unkörperlicher, der Gedanke beschaulicher geworden. ➢ Volltext.
[80] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 30: Um Verwirrung zu verhüten, scheint es doch rathsamer, die verschiednen Litteraturen von einander zu sondern; die fremden[1] Einwirkungen lassen sich dennoch anmerken. Um so mehr, da bey einigen der neueren[3] Nationen[1] ganz entschieden der Grundsatz der Nachahmung der Alten, bey andern der romantische[12] Geist[14] oder wenigstens eine um die classischen[7] Muster unbekümmerte Originalität vorgewaltet hat: jenes nämlich bey den Italiänern und Franzosen, dieses bey den Engländern und Spaniern. ➢ Volltext.
[81] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 32 f. (33): Der Pastor fido insbesondre ist eine unnachahmliche Hervorbringung: originell und doch classisch[3]; romantisch[7] durch den Geist[12] der dargestellten Liebe: in den Formen mit dem großen einfachen Gepräge des classischen[3/7] Alterthums[2] bezeichnet; neben den süßen Tändeleyen der Poesie[3] voll von hoher keuscher Schönheit[6] des Gefühls. Keinem Dichter 〈33〉 ist es wohl so gelungen, die moderne[1] und antike[2] Eigenthümlichkeit zu verschmelzen. Für das Wesen der alten Tragödie zeigt er einen tiefen Sinn[5], denn die Idee des Schicksals beseelt die Grundanlage seines Stückes, und die Hauptcharakter kann man idealisch[1] nennen; er hat zwar auch Caricaturen eingemischt, und die Composition deswegen Tragikomödie genannt: allein sie sind es nur durch ihre Gesinnungen, nicht durch den Unadel der äußern Sitten, gerade wie die alte Tragödie selbst den untergeordneten Personen, Sklaven oder Boten, ihren Antheil an der allgemeinen Würde leiht. ➢ Volltext.
[82] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 91: Wir sehen hier eine neue[1] Bestimmung im Begriff[1] der Handlung[1], nämlich die Beziehung auf die Idee der sittlichen Freyheit[10], kraft welcher allein der Mensch[1] als der erste Urheber seiner Entschlüsse betrachtet wird. [...] Wir haben in dieser Beziehung auf eine höhere Idee allerdings die Einheit und Ganzheit der Tragödie im Sinne der Alten gesucht: nämlich ihr absoluter Anfang ist die Bewährung der Freyheit[10], die Anerkennung der Nothwendigkeit ihr absolutes Ende. ➢ Volltext.
[83] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 137 f. (138): Corneille war auf dem besten Wege von der Welt, als er den Cid, eine Geschichte[9] aus dem Mittelalter, bey einem verwandten Volke[1] vorgefallen, eine Geschichte[9], worin durchaus ritterliche Liebe und Ehre herrscht, deren 〈138〉 Hauptpersonen nicht einmal von fürstlichem Range sind, auf die Bühne brachte. Eine Menge Vorurtheile über das tragische Ceremoniell wären von selbst weggefallen, wenn man diesem Beyspiele gefolgt wäre; durch größere Wahrheit, durch verständliche, aus der noch geltenden Sinnesart entlehnte Motive, wäre das Trauerspiel dem Herzen befreundeter geworden; die Beschaffenheit der Gegenstände würde von selbst von der steifen Beobachtung misverstandener Regeln der Alten abgelenkt haben, wie sich denn Corneille auch nirgends weiter davon entfernt hat, als gerade in diesem Stück, freylich in Nachfolge seines spanischen Vorbildes; mit Einem Wort[2], das französische Trauerspiel hätte national und wahrhaft romantisch[14/2] werden können..
[84] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 13 f. (14): Die antike[2] Kunst[11] und Poesie[11] geht auf strenge Sonderung des Ungleichartigen, die romantische[12] gefällt sich in 〈14〉 unauflöslichen Mischungen; alle Entgegengesetzten: Natur[19] und Kunst[13], Poesie[3] und Prosa[1], Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahndung[1], Geistigkeit und Sinnlichkeit, das Irdische und Göttliche, Leben und Tod, verschmelzt sie auf das innigste mit einander. [...] [D]ie gesamte alte Poesie[11] und Kunst[11] [ist] gleichsam ein rhythmischer Nomos, eine harmonische Verkündigung der auf immer festgestellten Gesetzgebung einer schön[1] geordneten und die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden Welt. Die romantische[12/4] hingegen ist der Ausdruck des geheimen Zuges zu dem immerfort nach neuen[1] und wundervollen Geburten ringenden Chaos, welches unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schooße sich verbirgt: der beseelende Geist[12/1] der ursprünglichen Liebe schwebt[1] hier von neuem[2] über den Wassern. Jene ist einfacher, klarer, und der Natur[2] in der selbständigen Vollendung ihrer einzelnen Werke ähnlicher; diese, ungeachtet ihres fragmenta〈15〉rischen Ansehens, ist dem Geheimniß des Weltalls näher. Denn der Begriff[5] kann nur jedes für sich umschreiben, was doch der Wahrheit nach niemals für sich ist; das Gefühl wird alles in allem zugleich gewahr. ➢ Volltext.
[85] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 15 f. (16): Was nun die dichterische Gattung betrifft, womit wir uns hier beschäftigen, so verglichen wir die antike[2] Tragödie mit einer Gruppe in der Sculptur: die Figuren entsprechen dem Charakter[7], ihre Gruppirung der Handlung[3], und hierauf ist, als auf das einzige Dargestellte, die Betrachtung bey beyden Arten von Kunstwerken[2] ausschließlich gerichtet. Das romantische[12/4] Drama denke man sich hingegen als ein großes Gemälde, wo außer der Gestalt und Bewegung in reicheren Gruppen auch noch die Umgebung der Personen mit abgebildet ist, nicht blos die nächste, sondern ein bedeutender Ausblick in die Ferne, und dieß alles unter einer magischen Beleuchtung, welche den Eindruck so oder anders bestimmen hilft. | Ein solches Gemählde wird weniger vollkommen begränzt seyn als die Gruppe, denn es ist wie ein ausgeschnittnes Bruchstück aus dem optischen Schauplatze der Welt. [...] 〈16〉 [...] | Gerade dergleichen Schönheiten[1] sind dem romantischen[12/4] Drama eigenthümlich. Es sondert nicht strenge wie die alte Tragödie den Ernst und die Handlung[1] unter den Bestandtheilen des Lebens aus; es faßt das ganze bunte[2] Schauspiel desselben mit allen 〈17〉 Umgebungen zusammen, und indem es nur das zufällig neben einander befindliche abzubilden scheint, befriedigt es die unbewußten Foderungen der Fantasie[3], vertieft uns in Betrachtungen über die unaussprechliche Bedeutung des durch Anordnung, Nähe und Ferne, Colorit und Beleuchtung harmonisch gewordnen Scheines, und leiht gleichsam der Aussicht eine Seele. ➢ Volltext.
[86] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 23: Ben Jonson [...], der [...] das englische Schauspiel nicht romantisch[12], sondern nach dem Muster der Alten zu bilden strebte [...]. ➢ Volltext.
[87] F. Schlegel, an A. W. Schlegel (26. 8. 1797), KFSA 24, 8: Hermann und Dorothea [...] ist das herzlichste, biederbste, edelste, naivste[2] und sittlichste unter G[oethe]'s Gedichten. [...] Das Gedicht ist offenbar mit der Absicht gedichtet, so sehr altes Griechisches[2] επος zu seyn, als bey dem romantischen[12] Geist[12], der im Ganzen lebt, möglich wäre. Bey sehr großer Aehnlichkeit im Einzelnen ist also absolute Verschiedenheit im Ganzen. Durch diesen romantischen[12] Geist[12] ist es weit über Homer, dem es aber an ηθος und Fülle wieder weit nachsteht. Man könnte es ein romantisirtes[6] επος nennen. Aber freylich in ganz anderm Sinne, als das Romanzo der Italiäner. – Auch 〈9〉 wo es am antiksten[2] und naivsten[1], und am homerischsten scheint, läßt s.[ich] doch ein Bewußtseyn, eine Selbstbeschränkung wahrnehmen, die höchst unhomerisch oder vielmehr überhomerisch sind..
[88] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 91, Nr. 65: Als Vorübung zur Rom[antischen][1] π [Poesie][1] außer der Sat[irischen], auch Idyll[ische] und die μιμ [mimische] vorzügl[ich]. – Die Satire ist sehr empfänglich für Aeußerung der sittlich[en], wissenschaftl[ichen], gesellschaftl[ichen], bürgerl.[ichen] Bildung[5]. – Das arabische, romantische[2/7], absolut Wunderbare auch eine Vorübung zum Roman[1]. 〈Alle 〈91〉 Dichtart[en], die drei alten classisch[en][5] ausgenommen. Diese Bestandtheile dann zu einer progressiven[3] Einheit verknüpft.〉.
[89] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 111, Nr. 322: Als Form hat die επ [epische] offenbar d[en] Vorzug. Sie ist subjectiv-objectiv –/ Die lyrische ist bloß subjectiv, die dramatische bloß objectiv. – Auch romantisirt[1] zu werden ist das alte Epos ganz ausschließend geschickt. Vom Drama läßt s.[ich] nur die neue[3] Komödie romantisiren[1]..
[90] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 143 f. (144), Nr. 42: Die Philosophie ist die eigentliche Heimath der Ironie[3], welche man logische Schönheit[1] definiren möchte: denn überall wo in mündlichen oder geschriebenen Gesprächen, und nur nicht ganz systematisch philosophirt wird, soll man Ironie[3] leisten und fordern; und sogar die Stoiker hielten die Urbanität für eine Tugend. Freylich giebts auch eine rhetorische Ironie[1], welche sparsam gebraucht vortreffliche Wirkung thut, besonders im Polemischen; doch ist sie gegen die erhabne[4] Urbanität der sokratischen Muse, was die Pracht der glänzendsten Kunstrede gegen eine alte Tragödie in hohem Styl. Die Poesie[11] allein kann sich auch von dieser Seite bis zur Höhe der Philosophie erheben, und ist nicht auf ironische[1] Stellen be〈144〉gründet, wie die Rhetorik. Es giebt alte und moderne[1] Gedichte, die durchgängig im Ganzen und überall den göttlichen Hauch der Ironie[3] athmen. Es lebt in ihnen eine wirklich transcendentale[1] Buffonerie. Im Innern, die Stimmung, welche alles übersieht, und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst[8], Tugend, oder Genialität: im Äußern, in der Ausführung die mimische Manier eines gewöhnlichen guten italiänischen Buffo. ➢ Volltext.
[91] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 156, Nr. 93: In den Alten sieht man den vollendeten Buchstaben[8] der ganzen Poesie[11]: in den Neuern[3] ahnet[3] man den werdenden Geist[12]. ➢ Volltext.
[92] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 69, Nr. 100: Vom klassischen[7] Sinn[5] ist der antiquarische Geist[14] noch ganz verschieden: das Interesse am Alten, weil es alt ist: das Interesse an der Materie des Alterthums[3], an Reliquien, an klassischem[7] Boden. – Die größten Menschen haben diesen Sinn[5]. [...] 〈Interesse am Buchstaben[8] des Alterthums[3].〉.
[93] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 71, Nr. 112: Herders Liebe für die Alten ist wohl mehr Interesse für Cultur[7] überhaupt, sie mag progressiv[3/5] oder klassisch[3/5/7] oder selbst barbarisch oder auch ganz kindisch seyn..
[94] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 24, Nr. 66: Verworrenheit, Ungeschick, Inconsequenz [...], Fehler der progreßiven[3/5] Menschen[1]. 〈Vornehm = Classisch[7].〉 Ohne Classizität werden progreßive[3] Menschen[1] regreßiv. 〈Unser ganzes Zeitalter auch ein progreßiver[3] Mensch[1]; daher dieselbe Toleranz nöthig. –〉 Da liegt die Deduction der φλ [Philologie], die Nothwendigkeit d[es] Studiums d[er] Alten..
[95] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 24, Nr. 92: Ehe nicht die Philosophen Grammatiker, oder die Grammatiker Philosophen werden, wird die Grammatik nicht, was sie bey den Alten war, eine pragmatische Wissenschaft und ein Theil der Logik, noch überhaupt eine Wissenschaft werden. ➢ Volltext.
[96] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 64 f. (65), Nr. 238: Es giebt eine Poesie[11], deren Eins und Alles das Verhältniß des Idealen und des Realen ist, und die also nach der Analogie der philosophischen Kunstsprache Transcendentalpoesie heißen müßte. Sie beginnt als Satire mit der absoluten Verschiedenheit des Idealen und Realen, schwebt[5] als Elegie in der Mitte, und endigt als Idylle mit der absoluten Identität beyder. So wie man aber wenig Werth auf eine Transcendentalphilosophie legen würde, die nicht kritisch[1] wäre, 〈65〉 nicht auch das Producirende mit dem Produkt darstellte, und im System der transcendentalen[2] Gedanken zugleich eine Charakteristik des transcendentalen[1] Denkens enthielte: so sollte wohl auch jene Poesie[11] die in modernen[1] Dichtern[3] nicht seltnen transcendentalen[1] Materialien und Vorübungen zu einer poetischen[4] Theorie des Dichtungsvermögens mit der künstlerischen Reflexion und schönen[2] Selbstbespiegelung, die sich im Pindar, den lyrischen Fragmenten der Griechen, und der alten Elegie, unter den Neuern[5] aber in Goethe findet, vereinigen, und in jeder ihrer Darstellungen sich selbst mit darstellen, und überall zugleich Poesie[11] und Poesie[18] der Poesie[11] seyn. ➢ Volltext.
[97] F. Schlegel, Lucinde (1799), 263: Und diese Namenlosigkeit selbst ist von zweydeutiger Bedeutung. Je verschämter und je moderner[1/7] man ist, je mehr wird es Mode sie aufs Schamlose zu deuten. Für die alten Götter[4] hingegen hat alles Leben eine gewisse classische[6] Würde und so auch die unverschämte Heldenkunst lebendig zu machen. Die Menge solcher Werke und die Größe der Erfindungskraft in ihr bestimmt Rang und Adel[3] im Reiche der Mythologie. ➢ Volltext.
[98] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 101 ff. (103): Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre[4] spricht. | Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüth verlassen. Freylich, wem es da trocken ist, dem wird es nirgends quillen; und das ist eine bekannte Wahrheit, gegen die ich am wenigsten gesonnen bin mich aufzulehnen. Aber wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Aehnlichen, oder bey 〈102〉 gleicher Würde Feindlichen entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte[1] bilden. [...] | Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk[1] der Natur[2]. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigenthümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode, wenn ich so sagen darf. | Da finde ich nun eine große Aehnlichkeit mit jenem großen Witz[2] der romantischen[12/4] Poesie[22], der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Construction des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakspeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie[1], der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt, scheinen mir schon selbst eine indirekte Mythologie zu seyn. Die Organisazion[8] ist dieselbe und gewiß ist die Arabeske die älteste[1] und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie[2]. Weder dieser Witz[2] noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte[5] Natur[1/19] und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive[2] Tiefsinn den Schein des Verkehrten 〈103〉 und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie[11], den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft[1] aufzuheben und uns wieder in die schöne[1] Verwirrung der Fantasie[2], in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur[1/19] zu versetzen, für das ich kein schöneres[1] Symbol bis jetzt kenne, als das bunte[2] Gewimmel der alten[10] Götter[5]. ➢ Volltext.
[99] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 121: Die alte Poesie[11] [...] vermeidet [...] den eigentlich historischen Stoff. Die alte Tragödie sogar ist ein Spiel, und der Dichter, der eine wahre Begebenheit, die das ganze Volk[1] ernstlich anging, darstellte ward bestraft. Die romantische[12] Poesie[11] hingegen ruht ganz auf historischem Grunde [...]. Das erste beste Schauspiel, das Sie sehn, irgend eine Erzählung die Sie lesen; wenn eine geistreiche Intrigue darin ist, können Sie fast mit Gewißheit darauf rechnen, 〈122〉 daß wahre Geschichte[9] zum Grunde liegt, wenn gleich vielfach umgebildet. ➢ Volltext.
[100] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 179 ff. (180): [Der Goethe'sche Wilhelm Meister] eröffnet eine ganz neue[1] endlose Aussicht auf das, was die höchste Aufgabe aller Dichtkunst zu seyn scheint, die Harmonie des Classischen[3/5/6?] und Romantischen[4/6/8/9?]. [...] 〈180〉 [...] Cervantes und Shakspeare [...] sind [...] die einzigen, mit denen Goethe's Universalität eine Vergleichung zuläßt. [...] Nur ist Goethe's Kunst[2] durchaus progressiv[6/3] [...]. | Goethe hat sich [...] zu einer Höhe der Kunst[2] heraufgearbeitet, welche zum erstenmal die ganze Poesie[17] der Alten und der Modernen[1] umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens enthält. | Der Geist[14], der jetzt rege ist, muß auch diese Richtung nehmen, und so wird es, dürfen wir hoffen, nicht an Naturen[17] fehlen, die fähig seyn werden zu dichten, nach Ideen zu dichten. Wenn sie nach Goethe's Vorbilde in Versuchen und Werken jeder Art unermüdet 〈181〉 nach dem Bessern trachten; wenn sie sich die universelle Tendenz, die progressiven[6/3] Maximen dieses Künstlers zu eigen machen, die noch der mannichfaltigsten[1] Anwendung fähig sind; wenn sie wie er das Sichre des Verstandes[2] dem Schimmer des Geistreichen vorziehn: so wird jener Keim nicht verloren gehn, so wird Goethe nicht das Schicksal des Cervantes und des Shakspeare haben können; sondern der Stifter und das Haupt einer neuen[1] Poesie[11] seyn [...]. ➢ Volltext.
[101] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 181 f. (182): Ludoviko. [...] Der Geist[12] der Poesie[11] ist nur einer und überall derselbe. | Lothario. Allerdings der Geist[12]! Ich möchte hier die Eintheilung in Geist[12] und Buchstaben[8] anwenden. Was Sie [...] dargestellt oder doch angedeutet haben, ist, wenn Sie 〈182〉 wollen, der Geist[12] der Poesie[11]. Und Sie werden gewiß nichts dagegen haben können, wenn ich Metrum und dergleichen ja sogar Charaktere[7], Handlung[3], und was dem anhängt, nur für den Buchstaben[8] halte. Im Geist[12] mag Ihre unbedingte Verbindung des Antiken[2] und Modernen[1] Statt finden [...]. Nicht so im Buchstaben[8] der Poesie[11]. Der alte Rhythmus z. B. und die gereimten Sylbenmaaße bleiben ewig entgegengesetzt. ➢ Volltext.
[102] F. Schlegel, Transc. (1800–01), KFSA 12, 104: Interessant[1] ist, was sich bezieht auf den innern Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen, oder was zur Gottheit führt. Jedes Individuum kann und darf Geschichte[2] seyn. | Wir haben einen Begriff[4] zu suchen, der das ausdrückt, was interessant[1] im Individuo ist. Es ist der Begriff[4] des Classischen[3]. Man bezog immer diesen Begriff[4], aber mit Unrecht, bloß auf die Kunst[10]. | Bey den Alten bedeutete classisch[3] die Vollendung des Individuums nach seinem eigenen Ideal [...]..
[103] F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 66: Man hat die Einmischung alter Fabel in die christliche Denkart tadeln wollen. Aber warum wäre ein gänzliches Vergessen gleichsam der alten Fabel ein absolutes Stillschweigen darüber in einem christlichen Gedichte nothwendig? In welcher Zeit des Christenthums hat jenes geforderte absolute Vergessen der alten Fabel je Statt gefunden, oder auch nur Statt finden können? Camoens gebraucht sie als eine schöne[1] Bildersprache für sinnreiche Allegorie, wie auch andre Dichter und Mahler der romantischen[12] Zeit[3] oft mit mancher willkührlichen Neuerung sie betrachteten und gebrauchten. ➢ Volltext.
[104] F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 190: Die Patricier, die ausschliessend das Recht der Augurien hatten, waren wohl ursprünglich nichts anders als der erbliche Priesterstand; und nur dadurch, daß dieser auch den Krieg übte und die Rechte des Kriegesstandes mit an sich riß, ward der eigentliche Adel[2] (die equites) zurückgedrängt, bis die Alleinherrschaft dieses übermächtigen kriegrischen Priesteradels den Widerstand des Volks[5] aufreizte und jener Kampf begann, der uns noch jetzt in den alten Geschichten[9] so lebhaft anzieht. ➢ Volltext.
[105] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 478 f.: In der That streitet auch das Romantische[7] an sich mit dem Alten[10] und wahrhaft Antiken[5] nicht. Die Sage von Troja und die homerischen Gesänge sind durchaus romantisch[7]; so auch alles, was in indischen, persischen und andern alten[9] orientalischen[1] oder europäischen Gedichten wahrhaft poetisch[1] ist. Wo irgend das höchste Leben mit Gefühl und ahndungsvoller Begeisterung[1] in seiner tieferen Bedeutung ergriffen und dargestellt ist, da regen sich einzelne Anklänge wenigstens jener göttlichen Liebe, deren Mittelpunkt und volle Harmonie wir freylich erst im Christenthum finden. Auch in den Tragikern der Alten[10] sind die Anklänge dieses Gefühls ausgestreut und verbreitet, ungeachtet ihrer im Ganzen finstern und dunkeln Weltansicht; die innre Liebe bricht in edeln Gemüthern auch unter Irrthum und falschen Schreck〈479〉bildern überall hervor. Nicht bloß die Kunst[13] ist groß und bewundernswerth in Aeschylus und Sophokles, sondern auch die Gesinnung und das Gemüth. Nicht also in den lebendigen, nur in den künstlich gelehrten Dichtern des Alterthums[3] wird dieses liebevoll Romantische[7] vermißt. Nicht dem Alten[10] und Antiken[5], sondern nur dem unter uns fälschlich wieder aufgestellten Antikischen, allem was ohne innre Liebe bloß die Form der Alten[10] nachkünstelt, ist das Romantische[7] entgegen gesetzt: so wie auf der andern Seite dem Modernen[7/5], d. h. demjenigen, was die Wirkung auf's Leben fälschlich dadurch zu erreichen sucht, daß es sich ganz an die Gegenwart anschließt, und in die Wirklichkeit einengt, wodurch es denn, wie sehr auch die Absicht und der Stoff verfeinert werden mag, der Herrschaft der beschränkten Zeit[5] und Mode unvermeidlich anheim fällt. ➢ Volltext.
[106] A. W. Schlegel/F. Schlegel, Eleg. (1798), 126: Überhaupt würde man sehr irren, wenn man glaubte, der Liebe der alten Poeten, die freylich nicht so um die Begriffe[2] der Ehre und die Bilder des Himmels tändelte oder anbetete, wie die romantische[12] habe irgend ein Reiz gefehlt, den die geistreichste Geselligkeit, die reizbarste Leidenschaftlichkeit bey gebildeter und schöner[1] Sinnlichkeit und ein zartes Gemüth verleihen können. ➢ Volltext.
[107] A. W. Schlegel/F. Schlegel, Eleg. (1798), 127 f. (128): Der wunderbare und unauflösliche Zauber, der aus diesem Gemisch von Liebe und Witz[1], von schmachtender Hingegebenheit und geselliger Besonnenheit hervorgeht, darf auch für die nicht ganz verlohren gehn, 〈128〉 welche aus Unkunde der alten Geschichte[1], bey der Betrachtung und dem Genuß dieses Bruchstücks das entbehren müssen, was die frühere Bekanntschaft mit dem Stoff und die Vergleichung desselben mit der Behandlung und Ausbildung des Dichters gewährt. ➢ Volltext.
[108] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 289: Wer das Glük hat, von Jugend auf mit Menschen von feinerm Gefühl und einer edlern Lebensart umzugehen, dessen Geschmak wird allmählig zu dem edlern gebildet. Wer aber von dem Glük diese Wolthat nicht erhalten hat, der muß desto aufmerksamer das Genie[5] und den Geschmak der besten Werke der Kunst[2] alter und neuer[5] Völker[1] studiren. Mit Vorbeygehung aller Schriftsteller und Künstler, die nur einen zufälligen Ruhm, aus irgend einem mechanischen Theil derselben, oder nur einen vorübergehenden Beyfall erhalten haben, muß er sich an die ersten und claßischen[3] Männer jeder Art halten; an die, die nicht blos bey ihrer Nation[1], sondern bey allen Völkern[1], wo der Geschmak aufgekommen ist, für die ersten in ihrer Art gehalten werden. Für junge, noch ungebildete Genie[4], wenn die Natur[2] sie nicht vorzüglich bedacht hat, ist es allemal gefährlich, gutes, mittelmäßiges und schlechtes durch einander zu lesen, oder zu sehen. Es gehört ein ausnehmendes Genie[3] dazu, sich nach schlechten Mustern zu bilden, und gut zu werden..
[109] L. Tieck, an Wackenroder (28. 12. 1792), VL 2, 107: Vertiefe Dich übrigens ja nicht zu sehr in die Poesie[11] des Mittelalters, es ist so ein erstaunliches Feld von Schönheit[3] vor uns, ganz Europa und Asien und vorzüglich das alte Griechenland und das neue[5] England, daß ich fast verzweifle, mich je an diese Nachklänge der Provencalen zu wagen. Vergiß ja über das angenehme das wahre schöne[1] nicht. Soviel ich die Minnesänger kenne, herrscht auch eine erstaunliche Einförmigkeit in allen ihren Ideen, es ist überhaupt schon gar keine Empfehlung für den poetischen[4] Geist[20] dieses Zeitalters, daß es nur diese eine Art von Gedichten gab, nur diesen Zirkel von Empfindungen, in denen sich jeder wieder mit mehr oder weniger Glück herumdrehte..
[110] L. Tieck, Dichterleben I (1826), 28: Aus dieser Rede kann man allein abnehmen, daß dieser gute Mann keine gelehrte Erziehung genossen hat und auf keiner Universität gewesen ist. Denn das haben wir alle dem Umgang mit den Wissenschaften[2] und der Kenntniß der classischen[7] Autoren zu danken, daß wir von frühster Jugend an in einer größern Welt einheimisch werden, als uns die neuere[3] Zeit[3] bieten kann. Es ist gut, wenn die Menge so denkt, wie jener: aber der ausgebildete oder freie[14] Mann holt seinen wahren Lebensathem aus den alten Republiken herüber, und der hohe Olymp muß immer noch die Wohnung unserer Götter[6] bleiben..
[111] J. H. Voß, Romant. (*1801; 1808), 46: Manches Büchlein wird entfalten, | Wie wir, feind den hohen Alten, | Hier modern[7]-romantisch[14] lallten..
[112] Wezel, Herm. u. Ulr. (1780), 102 ff. (104): Herrmann wurde durch seine itzigen Beschäftigungen wieder an die längstvergeßne klassische[7] Belesenheit erinnert, die er sich unter Schwingers Anführung erwarb [...] 〈103〉 [...]: – alles, alles, wo〈104〉hin er nur blickte, wohin er nur hörte, was er nur that und thun sah, brachte ihm die Beschreibung eines alten Dichters zurück [...]..
[113] Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 162: Der große Corneille war nichts weniger als was man einen Weltmann nennt; er lebte in seinem Cabinet und im Schooße seiner Familie; mit den hohen Charaktern[6] und Idealen des alten Roms und Griechenlandes besser bekannt als mit dem Adel[2] und dem vornehmen Bürgerstande zu Paris. ➢ Volltext.
[114] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 19 f.: Man hat die Kunst[4] und Poesie[11] des Mittelalters mit dem Namen der romantischen[13], die Kunst[4] und Poesie[11] der Alten mit dem Namen der klassischen[7] getauft, welcher Name und Gegensatz von einer deutschen Dichterschule, Tieck und den beiden Schlegeln, die man selbst zur neuromantischen Klasse[1] zählte, ausging, in Deutschland viel Streit und Gerede machte und seit einem Dezennium auch in Frankreich und Italien die größten Spaltungen erregte, indem die jungen französischen und italienischen Dichter sich zu den deutschen Romantikern[3] schlugen, und im Gegensatze zu den Nachahmern des altklassischen Stils sich mehr der britischen und deutschen Phantasiefülle und Regellosigkeit hingaben, worin sie hauptsächlich das Wesen der Romantik[13] erblickten. Überhaupt hat man viel Mißbrauch mit beiderlei Namen getrieben, und man ist sich noch jetzt, weder in Deutschland, noch bei unsern Nachbarn selten klar, worin denn eigentlich das unterschiedliche Wesen der einen und der andern Art bestehe. Vielleicht drückt man sich darüber am richtigsten aus, wenn man sagt, die Kunst[2] der Alten, das ist die Klassik[5], habe darin bestanden, daß sie jede Idee, die sie darstellen wollten, sei's mit dem Meißel, am Stoff des Marmors, sei's mit dem Griffel, am Stoff der Sprache[1], daß sie jede darzustellende Idee, so vollkommen an diesem Stoffe ausdrückten, daß nichts 〈20〉 mehr und nichts weniger als eben die Idee selbst sinnlich vor Augen trat; dagegen die Kunst[2] der Romantiker[2] darin bestand und besteht, daß sie die Idee im sinnlichen Stoff keineswegs vollkommen erschöpften, sondern nur symbolisch an ihm darstellten, so daß man bei ihren Gebilden immer etwas mehr hinzuzudenken habe, als man vor Augen sähe. Die Ursache war denn die, daß die alten griechischen[1] Künstler, nach ihren Begriffen[1] von sinnlicher Form und Schönheit[1], alle diejenigen Ideen zur Darstellung verschmähten und von sich wiesen, welche sie nicht in feste Form vollkommen einfassen konnten, die Künstler und Dichter des Mittelalters aber sich kein Bedenken daraus machten, das Höchste und Tiefste, was nur die Menschenbrust fassen, aber kaum ein sterblicher Mund aussprechen konnte, symbolisch in Formen und Gestalten wenigstens anzudeuten. Daß uns eine solche Kunst[2] der Bedeutsamkeit, eine solche Symbolik der Religion[1] und der Liebe aus den Denkmälern des Mittelalters überall anweht, uns bald heimlich, bald großartig, bald abenteuerlich[3] ergreift und etwas Unendliches, Ahnungsvolles, Sehnsüchtiges in uns anregt, wird jeder gestehen, dem das Mittelalter bekannter geworden ist wie aus Büchern der neuern[9] Zeit[3] über dasselbe..
[115] Winckelmann, Anm. Gesch. Kunst (1767), III: Mein vorläufiger Entschluß war, anfänglich weniger aufmerksam zu seyn auf die Alterthümer[5] der Orte, der Lagen, Gegenden und auf alte Ueberbleibsel der Gebäude, weil vieles ungewiß ist, und weil das was man wissen und nicht wissen kann, von mehr als einem Scribenten hinlänglich gründlich abgehandelt worden. [...] Da nun diese Kenntnis auch ohne alles Genie[3] erlangt werden kann, nahm ich nur so viel auf meinem Wege mit, als ich selbst finden und untersuchen konnte. Denn ich verglich diese Wissenschaft mit der Bücher-Kenntnis, welche nicht selten diejenigen die Gelegenheit gehabt haben, dieselbe zu erlangen, verhindert hat, den Kern der Bücher zu kennen. Derjenige, welcher in das Wesen des Wissens zu dringen suchet, hat sich nicht weniger vor der Begierde ein Litterator zu werden, als vor das was man insgemein unter das Wort Antiquarius verstehet, zu hüten. Denn das eine sowohl als das andere ist sehr reizend, weil es Beschäftigungen sind, die dem Müßiggange und der uns angebohrnen Trägkeit zum eigenen Denken, schmeicheln. Es ist z. E. angenehm zu wissen, wo im alten Rom die Carinä waren, und ohngefehr den Ort anzugeben, wo Pompejus gewohnet hat, und ein Führer der Reisenden, der ihnen dieses zu zeigen weiß, pfleget es mit einer gewissen Genugsamkeit zu thun; was weiß man aber mehr, wenn man diesen Ort, wo nicht die geringste Spur von einem alten Gebäude ist, gesehen hat?.
[116] Winckelmann, Anm. Gesch. Kunst (1767), 39: Viele Künstler sind gelehrt in der Proportion, aber wenige haben Schönheiten[3] hervorgebracht, weil hier der Geist[20] und das Gefühl mehr als der Kopf arbeitet. Da nun das Idealische der Schönheit[1] von den alten Künstlern als das höhere Theil derselben betrachtet worden, so haben sie dieser die bestimmten Verhältnisse unterworfen und diese jener zugewäget. In der Proportion haben sie sich zuweilen einige Freyheit[9] genommen, und es ist dieselbe zu entschuldigen, wenn es mit Grunde geschehen..
[117] Zelter/Goethe, Haydn. Schöpf. (1826), WA I, 41.2, 384: [H]ierdurch werde ich erinnert, an den Vorwurf zu denken, den man Haydn machen wollen: seine Musik[4] ermangele der Leidenschaft. Hierauf nun erwidere ich Folgendes: Das Leidenschaftliche in der Musik[1] wie in allen Künsten[2] ist leichter als man denkt, schon weil es leichter nachempfunden wird; es ist nicht ursprünglich, die Gelegenheit bringt es hervor, und nach dem Begriffe[1] der Alten verdeckt es die reine Natur[19] und entstellt das Schöne[1]. [...] | Unser Haydn [...] wirkt ohne Hitze, was er wirkt; wer will denn auch erhitzt sein? Temperament, Sinn[6], Geist[20], Humor[3], Fluß, Süße, Kraft und endlich die echten Zeichen des Genies[4]: Naivetät und Ironie[3] müssen ihm durchaus zugestanden werden. Sind nun die hier genannten Elementartheile, welche ohne Wärmestoff nicht denkbar sind, Haydn'sche Eigenheiten, so begrüßen wir seine Kunst[10] als antik[4] im besten Sinne[1], und daß sie modern[4/7] sei, ist unsres Wissens nicht bestritten worden, was auch schwer gelingen möchte, da alle moderne[9] Musik[1] auf ihm ruht..
161456 Besucher bislang. ::
Admin Login