[1]
Ahlefeld, Marie Müller (
21814 [
11799]), 250
: Der Graf kam an. Josephine empfing ihn mit ernster Würde. Ich habe Sie beleidigt, theure Josephine! sagte er, aber die unglückliche Ursach, die uns trennte, ist nicht mehr. Sie starb, indem sie mir vergab! Wollen Sie dem Beyspiel ihrer Versöhnung folgen? – – Er reichte ihr hier Mariens Brief[1] und schwieg[1]. – Josephine nahm ihn kalt und gleichgültig, aber sein Inhalt machte ihr Herz weich, und sanft wurde ihr stolzes Auge von Thränen überzogen, die sie der Unglücklichen nicht verweigern konnte. Rasch wandte sie sich zu ihrem Gemahl, mit festem Entschluß und festem Blicke, obgleich einer gerührten Stimme. Dieser Brief[1], sagte sie, indem sie ihn zurück gab, sey unser Scheidebrief. 〈251〉 Ich verlange nichts von Ihnen zur Entschädigung meines Kummers, als den Besitz meines Kindes, und die Sorge für seine Erziehung, damit sein Herz rein bleibt von der Falschheit seines Vaters.
[2]
A. v. Arnim, Dolores (1810), RuE 1, 282
: Arnika mußte bei ihrem Witze[3] und ihrer schönen[1] Stimme mit den Zuschauern reden; Divina, die sehr dumm war, und eine rauhe männliche Stimme in ihrem weichen Munde verschloß, spielte die schöne[1] Stumme [...].
[3]
Eichendorff, Freier (1833), W 1, 883
: Aber die Nacht hat lange Ohren[2] – die Gräfin wird daher, um alles Aufsehen zu vermeiden, auch ganz die Stimme des Herrn Arthur nachahmen; lassen Sie sich dadurch nicht irremachen.
[4]
G. Forster, Reise u. d. Welt I (1778), 112
: Zur Linken dieser herrlichen Scene stiegen schroffe braune Felsen empor, deren Gipfel mit überhängendem Buschwerk und Bäumen gekrönt waren. Zur Rechten lag ein Haufen großer Steine, den, allem Anschein nach, die Gewalt des vom Berge herabströmenden Wassers zusammengethürmt hatte; über diesem hinaus erhob sich eine abhängige Felsen-Schicht zu einer Höhe von etwa 150 Fus, und auf diese war eine 75 Fuß hohe, senkrechte Felsenwand mit Grün- und Buschwerk überwachsen, aufgesetzt. Weiter zur Rechten sahe man Gruppen von gebrochenen Felsen, durch Moos, Farnkraut, Gras und allerhand Blumen verschiedentlich schattirt, den dort herkommenden Strohm aber zu beyden Seiten mit Bäumen eingefaßt, die, vermöge ihrer Höhe von ohngefähr 40 Fus, das Wasser gegen die Strahlen der Sonne decken. Das Getöse des Wasserfalls war so heftig, und schallte von den benachbarten, wiedertönenden Felsen so stark zurück, daß man keinen andern Laut dafür unterscheiden konnte. Die Vögel schienen sich deshalb auch etwas davon entfernt zu halten, weiter hin aber ließ sich die durchdringend helle Kehle der Drosseln [...], die tiefere Stimme des Barth-Vogels [...] und der bezaubernde Gesang verschiedner Baumläufer oder Baumklettrer [...] an allen Seiten hören, und machte die Schönheit[1] dieser wilden, romantischen[3] Gegend vollkommen.
[5]
Goethe, Wilh. Meister II (1795), WA I, 21, 130
: So haben die Dichter[1] in Zeiten[3] gelebt, wo das Ehrwürdige mehr erkannt ward, rief Wilhelm aus, und so sollten sie immer leben. Genugsam in ihrem Innersten ausgestattet bedurften sie wenig von außen; die Gabe, schöne[1] Empfindungen, herrliche Bilder den Menschen[1] in süßen, sich an jeden Gegenstand anschmiegenden Worten[2] und Melodien mitzutheilen, bezauberte von jeher die Welt, und war für den Begabten ein reichliches Erbtheil. An der Könige Höfen, an den Tischen der Reichen, vor den Thüren der Verliebten horchte man auf sie, indem sich das Ohr[3] und die Seele für alles andere verschloß, wie man sich selig preis't und entzückt stille steht, wenn aus den Gebüschen, durch die man wandelt, die Stimme der Nachtigall gewaltig rührend hervordringt!
[6]
Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 89
: In der Reihe der Wesen hat jedes Ding seine Stimme und eine Sprache[12] nach seiner Stimme. Die Sprache[12] der Liebe ist im Nest der Nachtigall süßer Gesang, wie in der Höle des Löwen Gebrüll: im Forste des Wildes wiehernde Brunst, und im Winkel der Katze Zetergeschrei; jede Gattung redet die ihrige, nicht für den Menschen[1], sondern für sich, und für sich so angenehm als Petrarchs Gesang an seine Laura! ➢ Volltext
[7]
Hölderlin, Hyp. I (1797), 99
: Nur, wenn sie sang, erkannte man die liebende Schweigende[1], die so ungern sich zur Sprache[11] verstand. | Da, da gieng erst die himmlische Ungefällige in ihrer Majestät und Lieblichkeit hervor; da weht' es oft so bittend und so schmeichelnd, oft, wie ein Göttergebot, von den zarten blühenden Lippen. Und wie das Herz sich regt' in dieser göttlichen Stimme, wie alle Größe und Demuth, alle Lust und alle Trauer des Lebens verschönert im Adel[5] dieser Töne[11] erschien! ➢ Volltext
[8]
Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 222
: Ich wußte es, eine solche Nacht ließ Dich nicht ruhen. Du eiltest hinaus, in die Natur[2], vor Deinen Augen entfaltete sich eine neue Welt, himmlische Freiheit[1] und Liebe empfing Dich, und die heiligen Stimmen der Nacht, riefen wunderbare Bilder vor Dein Gemüth.
[9]
Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 335
: Die Menschenstimme | ist ganz natürlich[4] Urton, und alle übrigen Stimmen der Welt sind nur ferner Nachhall dieser göttlichen Urstimme. Die Menschenkehle ist das erste, reinste, vortrefflichste Instrument[3] in der Schöpfung. Ein natürlich[1] schönsingendes Bauernmädchen rührt mehr, als der erste Violinist der Welt.
[10]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 9
: Accent. [...] Die Modification der Stimme, wodurch in der Rede oder in dem Gesang einige Töne[1] sich vor andern ausnehmen, und wodurch also überhaupt Abwechslung und Mannigfaltigkeit in die Rede kommen. Wenn alle Sylben mit gleicher Stärke und Höhe der Stimme ausgesprochen würden, so wäre weder Annehmlichkeit noch Deutlichkeit in derselben; sogar die Bemerkung des Unterschieds der Wörter[1] würde wegfallen. Denn daß das Ohr[3] die Rede in Wörter[1] abtheilet, kommt blos von dem Accent her.
[11]
Ahlefeld, Erna (1820), 146
: Alle hörten bewegt diese Worte[2] an, die durch Erna's reine, jetzt sanft gedämpfte Stimme und eine ganz eigene kunstlose, aber die innersten Saiten des Gefühls berührende Melodie sich unaufhaltsam durch das Ohr[3] ins Herz stahlen.
.
[12]
Arndt, Erinn. (1840), 52
: Er redete und deklamierte wie ein König, konnte aller Menschen[1] und Tiere[1], aller Alter und Geschlechter[2] Töne[5], Stimmen und Gebärden nachmachen, zeichnete vortrefflich und hatte jenen stillen und leisen Witz[1], der von sich nichts weiß und nie sich selbst belächelt..
[13]
A. v. Arnim, Kronenwächt. II (*1812–17), RuE 1, 686
: [S]ie hieß Mathilde von Amorbach, war ernst, schön[1] und übergroß, fast einem Manne ähnlich an Bildung[10], aber ihre sanfte, bescheidene Stimme machte sie bald als Weib[1] kenntlich..
[14]
A. v. Arnim, Drei Schwest. (1812), 259
: Da ruft er mir mit starker Stimm: | Was hast Du Nachts zu machen?
.
[15]
B. v. Arnim, Günder. I (1840), 311
: Ach ich sag Dir, es liegt ein Adel[5], ein steigernder Trieb in der Seele der auf die Aussenseite des Lebens zurückstrahlt, alles aus leidenschaftlicher Berührung der Sinne[4] mit dem Geist[19]; wenn Du schreitest, wenn Du Dich wendest, wenn Du die Stimme erhebst – was auch des geringsten nur, Dich einen Augenblick aus der Gegenwart (Einwirkung) jener Lebensregungen entfernt, fühlst Du nicht Vorwürfe? – ein Stocken, eine Ohnmacht in Dir?.
[16]
B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 109 f. (110)
: Was Du thust, erhalte Deine Seele in reiner jugendlicher Liebe zum Großen und Schönen[1]. Auch die Sinne[4] wollen die Befriedigung in der Schönheit[1], sie suchen es in sich und in dem was Einfluß auf sie übt. Du 〈110〉 fühlst Dein Ohr[3] beleidigt, durch eine klanglose raue Stimme die keinen Geist[20] wiederhallt, so Dein Auge lenkt ab von dem was seinem Schönheitsreiz wiederspricht. Oder es forscht nach der tieferen Schönheit[1] des Geistesadel und der Güte, wenn es mit häßlichen[1] Zügen sich bekannt macht. ➢ Volltext.
[17]
A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 16
: [D]a die Thiere[1] als lebendige, mit Organen[2] für die Stimme versehene Wesen, ihre Empfindungen durch Töne[1] ausdrücken: so scheint es ja, es müsse ihnen [...] eine Sprache[1] zukommen. Dies würde in der That der Fall sein, sobald sich beweisen ließe, daß diese artikulirten Töne[1] würklich darstellten. Es ist nehmlich etwas ganz anderes äußern und darstellen. Aeußern heißt ursprünglich etwas Inneres zu etwas Aeußerem machen, und schließt also den Begriff[1] der Freiheit[10] nicht mit ein; allein Darstellen, ohngeachtet es mit dem Correlat der Vorstellung nothwendig zusammenhängt und durch dasselbe bestimt wird, ist doch auf der andern Seite ein unmittelbarer Akt der Freiheit[10] [...] 〈17〉 [...]. Nach den sorgfältigsten Beobachtungen sind nun alle artikulirten Töne[1] der Thiere[1] nur Aeußerungen [...] und wir sind daher nicht verpflichtet, auf diesen Einwurf Rücksicht zu nehmen. ➢ Volltext.
[18]
C. Böhmer, an ?Ph. Michaelis (Dez. 1789), C 1, 197
: [S]ie schien etwas in stillen Phantasien[17] zu sehn, wonach sich dann ihre [...] Arme [...] ausstreckten [...]. [...] Dabey war sie ganz bey Verstande[5] – sie begriff mich noch, wenn ich ihr vom Weinachten sagte [...] – sie autwortete noch [...]. Den krampfhaften Zustand zu lindern verordnete Friz ein warmes Bad, worinn ich sie in unaussprechlicher Angst[2] meines Herzens sezte. Ich war entzückt, wie es ihr so wohl darinn ward, daß ich es ihr ansah, und sie selbst sagte: gut! Gut! mit der innigen Stimme, mit welcher sie ihr Ja aussprach, und wie ich sie wieder ins Bett gelegt hatte, und sie um so vieles beßer schien [...] – ich konte nicht an ihrer Rettung verzweifeln ... Gegen 8 Uhr ... ein zweytes warmes Bad – [...] indeßen alles zitterte[2] für das Leben des theuren Lieblings, und Lotte in einen heftigen Anfall von Schlucken und convulsivischen Bewegungen sinnlos auf der Erde lag – starke Dosen Moschus – alles wurde gebraucht – von meiner Seite ohne Erwartung – vermuthlich auch von den übrigen..
[19]
Brentano [Kleist], Friedr. Seelandsch. (1810), 47
: Herrlich ist es, in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer, unter trübem Himmel, auf eine unbegränzte Wasserwüste, hinauszuschauen. Dazu gehört gleichwohl, daß man dahin gegangen sei, daß man zurück muß, daß man hinüber mögte, daß man es nicht kann, daß man Alles zum Leben vermißt, und die Stimme des Lebens dennoch im Rauschen der Fluth, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, dem einsamen Geschrei der Vögel, vernimmt. Dazu gehört ein Anspruch, den das Herz macht, und ein Abbruch, um mich so auszudrücken, den Einem die Natur[2] thut. ➢ Volltext.
[20]
Brockhaus, Conv.-Lex. VIII (1811), 49
: Sehr viel Wunderdinge erzählt die Fabel von seiner [Melampus'] Heil- und Wahrsagerkunst, welche letztere er von dem Phönicier Cadmus erlernt haben sollte. Doch erzählte man auch folgenden Ursprung dieser Gabe: Als nemlich ein paar Schlangen, welche er ganz jung in seinen Schutz genommen und sie aufgezogen hatte, einst, als er schlief, zu ihm hingekommen waren und seine Ohren[2] geleckt hatten, erschrack er beim Erwachen heftig, merkte aber bald, daß seine Ohren[3] durch die Schlangen geöffnet worden, so, daß er nun die Stimmen der Vögel verstand, und alles, was diese den Menschen[1] über die Zukunft andeuteten, ihnen entdecken konnte..
[21]
C. de la Motte Fouqué, Span. u. Frw. (1814), 37
: Alonzos Pferd wieherte jedem Trompetenstoß nach, und stampfte und schüttelte schäumend an dem zügelnden Gebiß. Er strich ihm wohl begütigend den schlanken Hals, und meisterte und wendete sich mit ihm bald rechts bald links, aber in der Seele war ihm wie dem feurigen Thier[3]; vorwärts! rief es mit tausend Stimmen und die Zähne zusammenbeißend, schlug er die zündenden Augen gen Himmel..
[22]
Goethe, Theatr. Send. I (*1777\85), WA I, 51, 165
: Jener Pfefferkuchen, den er kannte, war eigentlich ein stumpfer, kurzer, enger Mensch[8], ohne die Grazie des Adels[5] in seinen Bewegungen und Betragen. Sein Wesen war so gemein wie sein Name, und außer einer starken Stimme und einer gewissen Heftigkeit, womit er leidenschaftliche Rollen spielte, war nichts, das ihn einigermaßen ausgezeichnet hätte; und dieses Bild war in Wilhelms Seele geblieben. Melina hingegen [...] war durch seinen Zustand in eine stille Traurigkeit versetzt, er rührte die andern, weil er selbst gerührt war, und ein standhaftes Betragen auf dem Gipfel der Gefahr erhöhte sein Wesen einen Augenblick und verbreitete einen edeln Anstand über seine ganze Person..
[23]
Goethe, an Chr. G. Voigt (9. 12. 1808), WA IV, 20, 256
: Man erinnere sich der Gattin des Director Belluomo, die, mit einer leidlichen Stimme, einem völlig oberdeutschen Dialect[1] und einem unscheinbaren Äußeren, mehrere Jahre die ersten Liebhaberinnen vortrug. [Wortgleich mit Beleg 25.].
[24]
Goethe, Brf. Schweiz (1808), WA I, 19, 276
: Hinter uns, so weit wir in's Wallisthal hineinsehen konnten, lag es mit dicken Schnee-Wolken bedeckt, die das Land herauf gezogen kamen. Es war wirklich ein trüber Anblick und ich befürchtete in der Stille, daß, ob es gleich so hell vor uns aufwärts war als wie im Lande Gosen, uns doch die Wolken bald einholen, und wir vielleicht im Grunde des Wallis an beiden Seiten von Bergen eingeschlossen, von Wolken zugedeckt und in einer Nacht eingeschneit sein könnten. So flüsterte die Sorge, die sich meistentheils des einen Ohrs[3] bemeistert. Auf der andern Seite sprach der gute Muth mit weit zuverlässigerer Stimme, verwies mir meinen Unglauben, hielt mir das Vergangene vor und machte mich auch auf die gegenwärtigen Lufterscheinungen aufmerksam. Wir gingen dem schönen[4] Wetter immer entgegen; die Rhone hinauf war alles heiter[1], und so stark der Abendwind das Gewölk hinter uns her trieb, so konnte es uns doch niemals erreichen..
[25]
Goethe, Trenng. Schausp. Oper (*1808), WA I, 53, 268
: Man erinnere sich der Gattin des Director Bellomo, die mit einer leidlichen Stimme, einem völlig oberdeutschen Dialect[1] und einem unscheinbaren Äußeren mehrere Jahre die ersten Liebhaberinnen vortrug. [Wortgleich mit Beleg 23.].
[26]
Grabbe, Napoleon (1831), HKA 2, 332
: Eine alte Putzhändlerin. Nein, hieher Ausrufer, – hieher – Deine wichtige Nachricht gehört an diesen Tisch! | Zeitungsausrufer. An das morsche, alte Brett? | Die alte Putzhändlerin. Respekt vor ihm, Mann! Der Tisch ist klassisch[3] – Auf diesem Fleck fiel zuerst das Fünkchen, welches die Welt entzündete. Hier saß ich am zwölften Juli des Jahres siebenzehnhundertneunundachtzig, nachmittags gegen halb vier Uhr, an einem sonnigen Tage, und selbst noch jung und heiter verkaufte ich einem fröhlichen Bräutchen aus St. Marceau einige Spitzen. Wir scherzten über den Preis und dachten an nichts als den Hochzeittag. Da kam ein Mann mit wild flutenden Locken, brennenden Augen, herzzerschmetternder Stimme – es war Camille Desmoulins, – die Tränen rannen ihm aus den Augen, zwei Pistolen riß er aus der Tasche und rief: Necker hat den Abschied, eine Bartholomäusnacht ist wieder da, nehmt Waffen und wählt Kokarden, daß wir einander erkennen..
[27]
Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 22
: Diese Töne[5], diese Gebehrden, jene einfachen Gänge der Melodie [...] – was weiß ich mehr? Bei Kindern, und dem Volk[2] der Sinne[8], bei Weibern[1], bei Leuten von zartem Gefühl, bei Kranken, Einsamen, Betrübten, würken sie tausendmal mehr, als die Wahrheit selbst würken würde, wenn ihre leise, feine Stimme vom Himmel tönte. ➢ Volltext.
[28]
Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 150
: Wo irgend Bewegung in der Natur[4] ist, wo eine Sache zu leben scheint und sich verändert, ohne daß das Auge die Gesetze der Veränderung wahrnimmt: da höret das Ohr[3] Stimmen und Rede, die ihm das Räthsel des Gesehenen durchs Nichtge〈151〉sehene erklären: die Einbildungskraft[1] wird gespannt und auf ihre Weise d. i. durch Einbildungen befriedigt. Ueberhaupt ist das Ohr[3] der furchtsamste, der scheueste aller Sinne[4]; es empfindet lebhaft, aber nur dunkel: es kann nicht zusammenhalten, nicht bis zur Klarheit vergleichen: denn seine Gegenstände gehn im betäubenden Strom vorüber. Bestimmt, die Seele zu wecken, kann es, ohne Beihülfe der andern Sinne[4] insonderheit des Auges, sie selten bis zur deutlichen Gnugthuung belehren..
[29]
Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 177
: Selbst in den Resten des neuen[3] griechischen[2] Lustspiels tönt noch diese klagende Stimme der sanften Humanität wider..
[30]
Herder, Bef. d. Hum. I (1793), 72
: Fast immer tönet diese Stimme um mein Ohr[3], wenn ich Friedrichs [des Großen] Schriften lese. Man wandelt in ihnen wie auf klaßischem[3] Boden; ein Gefühl für die Würde, den Werth, die Schönheit[1] der Wissenschaften ist in seine kleinsten und größesten Aufsätze verbreitet..
[31]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IX (1837), 317
: Dort [...] ganz unten im Hintergrund sehen wir Arriero's, brave Maulthiertreiber, deren malerische[4] Karawanen auf S[panien]'s Landstraßen unsere schwerfälligen Frachtfuhrwerke ersetzen .... Lange Reihen schwerbeladener Thiere[3] mit rothem Schmuck und mit gelben, grünen oder himmelblauen Federn ohne Zaum und Zügel, blos der Stimme ihrer Führer und den Schellen des vordersten Maulthieres gehorchend ......
[32]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IX (1837), 365 f. (366)
: Sehr bezeichnend nennen die Orientalen die Thiere[1] „die Stummen der Erde,“ da nur die Sprache[1], welche mit dem Denken wesentlich ein und dasselbe ist, und sich zu ihm wie sich die Folge zur Ursache verhält, den Menschen[1] über die Thierwelt erhebt und den Göttern[4] näher bringt. Ohne Sprache[1] würde ihm das Siegel der Gottheit fehlen; sie ist der Athem seines 〈366〉 wahren Lebens; ohne sie glich er dem unvernünftigen Thiere[1], das nur verworrenen Eindrücken folgt; ohne sie könnte man sich bei ihm keine bestimmte Ideenreihe denken, denn sie eben ist das Vermögen des Menschen[1] in das Chaos seiner Vorstellungen Ordnung zu bringen, denselben eine Form zu geben und sie mittelst der Stimme[1/3?] in richtigen Absätzen (artikulirt) mitzutheilen. Die Thiersprache enthält dagegen nur unartikulirte Laute zur Bezeichnung einiger Gefühle, aber nicht Worte[1] als Nachhalle der Gedanken: – daher es ziemlich problematisch erscheint, wenn der Franzose Düpont 11 Wörter[1] aus der Tauben-, 11 aus der Hühner-, 33 aus der Hunde-, 14 aus der Katzen-, 22 aus der Rindersprache und die der Raben ganz verstehen will..
[33]
Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 67] (1810), 632
: In die Tiefen des Geisterreichs führt uns Mozart. Furcht umfängt uns: aber, ohne Marter, ist sie mehr Ahnung des Unendlichen. Liebe und Wehmuth tönen in holden Stimmen, die Macht der Geisterwelt geht auf in hellem Purpurschimmer, und in unaussprechlicher Sehnsucht ziehen wir den Gestalten nach, die freundlich uns in ihre Reihen winken, im ewigen Sphärentanze durch die Wolken fliegen. (Z. B. Mozarts Symphonie in Es dur, unter dem Namen des Schwanengesanges bekannt.) ➢ Volltext.
[34]
Hoffmann, Elix. d. Teuf. I (1815), PW 2, 37
: Ich [...] hörte meine Stimme durch das Gewölbe donnern [...]..
[35]
Hoffmann, Fermate (1815), 354
: Denke dir zwey schlanke hochgewachsene Italiänerinnen, nach der lezten Mode fantastisch[2] bunt[1] gekleidet, recht virtuosisch keck und doch gar anmuthig[1] auf meinen Onkel zuschreitend und auf ihn hineinredend mit starker aber wohltönender Stimme..
[36]
Jean Paul, Hesp. III (1795), 388
: Der schwarzhaarige und schwarzherzige Hofjunker wird, wenn er aus dem Arrest los ist, mit seiner ironischen[1] Miene und mit der eignen leisen Stimme – die Ripienstimme seines boshaftesten Hohns, wie bei andern die des erhabensten Enthusiasmus – überal herumstreichen [...]..
[37]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (
21793), 416
: Setzet einen Menschen in den Augenblicken der Stimmung seines Gemüths zur moralischen Empfindung. Wenn er sich, umgeben von einer schönen[1/4] Natur[2], in einem ruhigen heitern[5] Genusse seines Daseyns befindet, so fühlt er in sich ein Bedürfniß, irgend jemand dafür dankbar zu seyn. Oder er sehe sich einandermal in derselben Gemüthsverfassung im Gedränge von Pflichten, denen er nur durch freywillige Aufopferung Genüge leisten kann und will: so fühlt er in sich ein Bedürfniß, hiemit zugleich etwas Befohlnes ausgerichtet und einem Oberherren gehorcht zu haben. Oder er habe sich etwa unbedachtsamer Weise wider seine Pflicht vergangen, wodurch er doch eben nicht Menschen verantwortlich geworden ist: so werden die strengen Selbstverweise dennoch eine Sprache[12] in ihm führen, als ob sie die Stimme eines Richters wären, dem er darüber Rechenschaft abzulegen hatte..
[38]
Mereau, Blüth. d. Empf. (1794), 12
: Du selbst warst meiner Liebe nicht werth, nur die Liebe lieh dir Reize, die du nicht wirklich hast. Signor, erwiederte eine melodische weibliche Stimme, ich danke Ihnen für Ihre Aufrichtigkeit. Aber, wenn die Liebe Reize leiht, warum entlehnten Sie keine von ihr? – Wars der reine Wohllaut 〈13〉 einer unverdorbnen Jugend, wars diese edle Haltung bei beleidigter Selbstliebe, oder die leichte Wendung, mit der sie die Spitze auf ihren Gegner wandte, – genug, ich fand in dieser Antwort Etwas, was mir unbeschreiblich, was mir über alles wohlgefiel – die glüklichste Mischung von ruhiger Feinheit und treffendem Wizze[1]..
[39]
A. Müller, Beredsamk. (
!1812; 1816), 55 f. (56)
: Endlich übersieht man, indem man unsrem, der 〈56〉 heutigen kultivirten Europäer Ohr[3] von selbst schon die gehörige Bildung[5] zutraut, die Verwirrung und Verkehrung im Reiche der Geister[32], welche die Buchdruckerkunst angerichtet. – In den Zeiten vor dieser segensreichen, aber auch verderblichen Erfindung, wurde die Kunst[15] der Schrift nur angewendet für die Abwesenden und Nachkommen: für die Gegenwärtigen hingegen, für die Zeitgenossen, für alles, was man mit seiner Brust und Stimme erreichen konnte, galt die lebendige Rede..
[40]
Novalis, Begeist. (*
?1790), NS 2, 22 f. (23)
: Wie sich allmählich die Sprache[1] auszubilden anfing und nicht mehr bloß in Naturtönen stammelte, sondern mit vollem Strome 〈23〉 der Jugendfülle des menschlichen Geschlechts[7] dahinbrauste und jeder Ton[1], jede Stimme derselben fast Empfindung und durch abstrakte Begriffe[1] und Erfahrung noch nicht ausgebildet und verfeinert war, da entstand zuerst die Dichtkunst, die Tochter des edelsten Ungestüms der erhabensten und stärksten Empfindungen der Leidenschaften, die sich zwar nachher wie ein Chamäleon nach den Organisationen[6] der verschiedenen Erdstriche, Zeiten[3] und Charaktere[4] umgebildet, aber in ihrer Urbedeutung, zu ihrer größten Stärke, Zauberei und Wirkung auf die Gemüter, ihrer Mutter, der hohen Begeisterung[1], noch immer nötig hat..
[41]
A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 164 f. (165)
: Alsdann tritt Adelaide als das „seltne Geschöpf hervor, die sich von ihnen allen durch ihren Karakter[2] unterscheidet. Ihr Herz war ein lebender Hauch der Liebe, und zugleich stark wie ein Diamant, ihr offnes Auge war heiter[1], aber in diesen Augen spielte nicht der leichte Sinn der Jugend, es leuchtete darin ein Stral des ewigen Lebens, es schien über das Elend hinweg in eine Welt voll Ruhe zu sehn, und die Thräne, die in den langen Augen〈165〉wimpern hing, zeigte das Elend, das zwischen ihr und der Ewigkeit lag. Ihre Stimme war sanft und ernst triumphirend wie der Halleluja Gesang der Engel, ihre Wange stralend von einem sanften Morgenroth u. s. w.“ ⦿ So geht es ganze Blätter hindurch. Welche lockende Worte[2]! Könnte man mit Worten[2] allein dichten, so wäre Lafontaine der Mann. Aber aus dem Ganzen ergiebt sich, wie wenig poetischen[1] Sinn[1] sie im Hinterhalt haben, und daß sie höchstens als eine musikalische[3] Verzierung zu betrachten sind. Jean Paul musizirt zuweilen auch so; doch ist es wirklich seine Phantasie[3] die da spielt, nicht bloß eine mechanische Fertigkeit der Hände. ➢ Volltext.
[42]
F. Schlegel, Goethe's Meister (1798), 177 f. (178)
: Diese architektonischen Naturen[17] umfassen, tragen und erhalten das Ganze. Die andern, welche nach dem Maß von Ausführlichkeit der Darstellung die wichtigsten scheinen können, sind nur die kleinen Bilder und Verzierungen im Tempel. Sie interessiren den Geist[22] unendlich, und es läßt sich auch gut darüber sprechen, ob man sie achten oder lieben soll und kann, aber für das Gemüth selbst bleiben es Marionetten, allegorisches Spielwerk. Nicht so Mignon, Sperata und 〈178〉 Augustino, die heilige Familie der Naturpoesie, welche dem Ganzen romantischen[7/8] Zauber und Musik[7] geben, und im Übermaß ihrer eignen Seelengluth zu Grunde gehn. Es ist als wollte dieser Schmerz unser Gemüth aus allen seinen Fugen reißen: aber dieser Schmerz hat die Gestalt, den Ton[5] einer klagenden Gottheit und seine Stimme rauscht auf den Wogen der Melodie daher wie die Andacht würdiger Chöre. ➢ Volltext.
[43]
Schubert, Nachtseite (1808), 349
: Dagegen findet sich [...] im gewöhnlichen Wachen auch nicht die Spur einer Erinnerung an den Zustand des Somnambulismus, eben so wenig als sich in diesem eine an das zeigt, was im Doppelschlaf mit den Kranken vorgieng. Was uns hier diesen Zustand vorzüglich merkwürdig macht, ist, daß die im Doppelschlaf befindlichen, nur für ihren Magnetiseur Sinn[11] haben, nur seinen Fragen antworten, und nur seine Nähe mit dem gewöhnlichen Wohlgefallen ertragen, während ihnen andre Personen, selbst wenn sie sich nur unvermerkt nähern, Angst[3] und Schmerzen verursachen. Wenn diese selbst mit lauter Stimme und ganz nahe stehend, die Schlafenden anreden, werden sie von ihr eben so wenig vernommen, als von einer fest Schlafenden oder Ohnmächtigen. | In Beziehung mit ihr gesetzt, scheinen sie ihr aus weiter Ferne und unvernehmlich, oder in einem unverständlichen Dialekt[2] zu sprechen. In diesem Zustand nimmt die Somnambüle nur durch jene innige Verbindung der beyden Seelen, an dem Wachen des Magnetiseurs Theil, für die übrige Außenwelt ist sie im tiefen Schlaf..
[44]
R. Schumann, Symph. Berlioz (1835), 47
: Freilich darf man seine [sc. H. Berlioz'] Melodieen nicht mit dem Ohre[3] allein hören; sie werden unverstanden an denen vorübergehen, die sie nicht recht von innen heraus nachzusingen wissen, d. h. nicht mit halber Stimme sondern mit voller Brust – und dann werden sie einen Sinn[2] annehmen, dessen Bedeutung sich immer tiefer zu gründen scheint, je öfter man sie wiederholt..
[45]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 610
: Ohne Zweifel wollte die Natur[2] durch die von allen Seiten auf uns zuströhmenden Annehmlichkeiten unsre Gemüther überhaupt zu der Sanftmuth und Empfindsamkeit bilden, wodurch das rauhe Wesen, das eine übertriebene Selbstliebe und stärkere Leidenschaften geben, mit Lieblichkeit gemäßiget wird. Diese Schönheiten[3] sind einer in uns liegenden feineren Empfindsamkeit angemessen; durch den Eindruk, den die Farben, Formen und Stimmen der Natur[2] auf uns machen, wird sie beständig gereizt, und dadurch wird ein zarteres Gefühl in uns rege, Geist[22] und Herz werden geschäftiger und nicht nur die gröbern Empfindungen, die wir mit den Thieren[1] gemein haben, sondern auch die sanften Eindrüke werden in uns würksam. Dadurch werden wir zu Menschen[1]; unsre Thätigkeit wird vermehret, weil wir mehrere Dinge interessant[1] finden, es entsteht eine allgemeine Bestrebung aller in uns liegenden Kräfte, wir heben uns aus dem Staub empor, und nähern uns dem Adel[5] höherer Wesen. Wir finden nun die Natur[2] nicht mehr zu der bloßen Befriedigung unsrer thierischen Bedürfnisse, sondern zu einem feinern Genuß und zu allmähliger Erhöhung unsers Wesens eingerichtet..
[46]
Uhland, Romant. (
H1807), 138
: Über das Romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] [...] || Das Unendliche umgibt den Menschen, das Geheimniß der Gottheit und der Welt. Was er selbst war, ist und seyn wird, ist ihm verhüllt. Süß und furchtbar sind diese Geheimnisse. | Hier zieht sich um sein einsames Schiff das unermeßliche Weltmeer; er zittert von dem dumpfen Brausen, das ihm Sturm dräut. Und wenn er auch das Land erreicht, ist er sicher, daß nicht der Ozean, der die Veste rings umgürtet, mächtig hereinwoge und sie mit ihm verschlinge? | [...] Die reellen Seelenkräfte langen mit unendlicher Sehnsucht in die Ferne: Der Geist[[[[BedeutungsVerweis ID='139' Anzeige='19' Formatierung='1']]]] des Menschen aber, wohl fühlend, daß er nie das Unendliche in voller Klarheit in sich auffassen wird, und müde des unbestimmt schweifenden Verlangens, knüpft bald seine Sehnsucht an irrdische Bilder, in denen ihm doch Ein Blik des Überirrdischen aufzudämmern scheint; [...] sie erscheinen ihm wie Engel, freundlich grüssend, aber zugleich mit dem Fittig, auf dem sie sich immer in das Unendliche aufschwingen können. | Aber auch jene furchtbare Welt sendet uns ihre Gestalten, die schaurigen Nachtgeister; bedeutende Stimmen hören wir aus der Finsterniß. Fast in jedem Bilde, das ein Geheimniß andeutet, glauben wir gerade eines jener großen Geheimnisse zu ahnen[[[[BedeutungsVerweis ID='726' Anzeige='3' Formatierung='1']]]], nach denen unser Sinn[[[[BedeutungsVerweis ID='132' Anzeige='10' Formatierung='1']]]], mit oder ohne Bewußtseyn, immer sich hinneigt..
[47]
Uhland, Romant. (
H1807), 142
: Auch die Natur[[[[BedeutungsVerweis ID='130' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] hat ihre Romantik[[[[BedeutungsVerweis ID='651' Anzeige='7' Formatierung='1']]]]. Blumen, Regenbogen, Morgen- und Abendroth, Wolkenbilder, Mondnacht, Gebirge, Ströme, Klüfte u. s. w. lassen uns theils in lieblichen Bildern einen zarten, geheimen Sinn[[[[BedeutungsVerweis ID='130' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] ahnen[[[[BedeutungsVerweis ID='726' Anzeige='3' Formatierung='1']]]], theils erfüllen sie uns mit wunderbarem Schauer. | Manche Naturerscheinungen, Orkan, Gewitter stürmen zu rauh herein, sprechen ihren Sinn[[[[BedeutungsVerweis ID='130' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] zu laut aus, übertäuben zu sehr die Ahnung durch Schrecken um noch romantisch[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] zu seyn. Doch können sie es werden, wenn sie mehr untergeordnet, etwa in einer Handlung als Vorbedeutung, eintreten. | Eine Gegend ist romantisch[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] wo Geister[[[[BedeutungsVerweis ID='367' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] wandeln; mögen sie uns an vergangene Zeiten[[[[BedeutungsVerweis ID='231' Anzeige='3' Formatierung='1']]]] mahnen oder sonst in geheimer Geschäftigkeit sich um uns her bewegen. Wir stehen noch ausser dem Reigen der Luftigen Elfen, die, nach der nordischen Sage, nur der sieht, der innerhalb ihres Kreises steht; aber wir fühlen ihre wehende Bewegung, wir hören ihre flüsternden Stimmen..
[48]
Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 82
: Noch eines Gemähldes des Leonardo muß ich, eines merkwürdigen Umstandes halber, gedenken. Ich meyne das Bildniß der Lisa del Giocondo, (der Gemahlinn des Francesco,) an welchem er vier Jahre arbeitete, ohne durch die sorgfältigste und feinste Ausarbeitung jedes Härchens, den Geist[12] und das Leben des Ganzen zu ersticken. So oft nun die edle Frau[4] ihm zum Mahlen saß, rief er allemal einige Personen herzu, die sie durch eine angenehme und muntre Musik[6] auf Instrumenten[3], mit der menschlichen Stimme begleitet, aufheitern mußten. Ein sehr sinnreicher Einfall, wegen dessen ich den 〈83〉 Leonardo immer bewundert habe. Er wußte nur zu wohl, daß bey Personen, welche zum Mahlen sitzen, sich gewöhnlich eine trockene und leere Ernsthaftigkeit auf ihrem Gesichte einzufinden pflegt, und daß eine solche Miene, wenn sie im Gemählde in bleibenden Zügen festgehalten wird, ein ungefälliges oder wohl gar finsteres Ansehen gewinnt. Dagegen kannte er die Wirkung einer fröhlichen Musik[6], wie sie sich in den Mienen des Gesichts abspiegelt, wie sie alle Züge auflöst, und in ein liebliches, reges Spiel setzt. So trug er die sprechenden Reize des Antlitzes lebendig auf die Tafel über, und wußte bey Ausübung der einen Kunst[2] sich der andern so glücklich als Gehülfinn zu bedienen, daß diese auf jene ihren Wiederschein warf. ➢ Volltext.
[49]
Wieland, Agath. (1766–67), W 1, 411
: Ein Jonisches Ohr[4] will nicht nur ergötzt, es will bezaubert sein. Die Annehmlichkeit der Stimme, die Reinigkeit und das Weiche der Aussprache, die Richtigkeit des Accents, das Muntre, das Ungezwungene, das Musicalische[3] ist nicht hinlänglich; wir fodern eine vollkommne Nachahmung, einen Ausdruck, der jedem Teile des Stücks, jeder Periode, jedem Vers das Leben, den Affect, die Seele gibt, die sie haben sollen; kurz, die Art, wie gelesen wird, soll das Ohr[3] an die Stelle aller Übrigen Sinne[5] setzen..
[50]
Wieland, Gold. Spiegel (1772 [hier: 1795]), 61
: Das Ohr[3] ist, nach dem Auge, der vollkommenste unsrer Sinne[4]. Gewöhnet es an kunstlose, aber seelenvolle Melodien, aus welchen schöne[1] Gefühle atmen, die das Herz in sanfte Bebungen setzen, oder die einschlummernde Seele in süße Träume wiegen. Freude, Liebe, und Unschuld stimmen den Menschen[1] in Harmonie mit sich selbst, mit allen guten Menschen[1], mit der ganzen Natur[2]. So lang euch diese beseelen, wird jede eurer Bewegungen, der gewöhnliche Ton[5] eurer Stimme, eure Sprache[11] selbst wird Musik[5] sein..