Wortliste
Semantik 
8. ›Kritiker, Kunstrichter‹ als Einzelner oder auch als Typus (›Gesamtheit von Kunstrichtern‹); Metonymie zu 2, Spezialisierung zu 7. Idealiter besitzt der Kunstrichter „außer den Talenten und Kenntnissen des Kenners [...] auch noch alle Kenntnisse des Künstlers“ (Sulzer, Allg. Theor. II [1774], 631). ⦿ Aufgabe der Kritik8 ist es, ihre Beurteilungskriterien aus dem Wesen des zu beurteilenden Gegenstandes abzuleiten [4]. Seitens des Sturms und Drangs kann die gelehrte Kritik8 auch negativ wahrgenommen werden; in solchen Zusammenhängen kann das als natürlich und unverdorben empfindend konzipierte Volk5 gegen sie in Stellung gebracht werden [18].
Belege 
[1] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 45: Das System dieses Tonkünstlers [sc. J. Ph. Rameau] blieb indessen nicht ohne Widerspruch; und oft erhob die Kritik, die auch zuweilen seine Compositionen minder günstig beurtheilte, ihre Stimme[11] gegen seine Theorien.

[2] Bürger, Vorr. Ged. (1789), 7 f. (8): Ein gehöriger Grad der Strenge bey dieser neuen Ausgabe meiner theils 1778 bereits gesammelten, theils nachher einzeln erschienenen, und endlich gegenwärtig ganz neu hinzugefügten Gedichte, hätte vielleicht mehr, als die Hälfte derselben, ganz verwerfen, und von dem Reste wohl abermals mehr, als die Hälfte wegschneiden, oder doch ganz anders zur Vollkommenheit empor arbeiten müssen. [...] | ⟨8⟩ Warum ich denn nun aber diesen Proceß nicht vorgenommen habe? – Aufrichtig zu reden, ich trauete mir selbst nicht Unbefangenheit genug zu. Nicht, daß ich aus Autorliebe gefürchtet hätte, vieles zu fest, sondern vielmehr zu lose zu halten, was meiner gegenwärtigen Stimmung – vielleicht auch Verstimmung – mißfällt, gleichwohl aber mehrern Lesern noch angenehm seyn kann. Die Reduction sey daher lieber der Kritik und dem Geschmacke des gebildeten Publikums überlassen. Aus Ehrfurcht und Gefälligkeit gegen dasselbe bin ich sehr bereit, alles, was sein Urtheil verwirft, ohne Widerrede mit zu verwerfen.

[3] Heine, Romant. Schule (1836), 233: [E. T. A.] Hoffmann wurde in unseren Literaturzeitungen und ästhetischen Blättern fast gar nicht besprochen, die höhere Kritik beobachtete in Betreff seiner ein vornehmes Schweigen[1], und doch wurde er allgemein gelesen. Volltext

[4] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 266: Verbindet man mit der Epopee Nebenbegriffe von dem Umfange des Gedichts, und der Größe der Handlung[3], mischt man unwesentliche Dinge, wie die Fabel und das Wunderbare hinein, so ist das allein der Fehler der Kritik. Alle diese Forderungen fließen nicht aus dem Wesen des epischen Gedichts, sie sind bloß von den vorhandenen Mustern, welche unmöglich allen künftigen Erweiterungen Grenzen vorschreiben können, hergenommen und sind endlich nicht einmal an und für sich fest und sicher bestimmt.

[5] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 460: Man soll zwar gewißen Lesern ihr dürftiges Vergnügen nicht verkümmern, und was geht es zuletzt die Critik an, wenn es Leute giebt, die sich an dem schmutzigen Witz[2] des Herrn Blumauer erbauen und belustigen können.

[6] A. W. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 54, Nr. 205: Sie pflegen sich selbst die Kritik zu nennen. Sie schreiben kalt, flach, vornehmthuend und über alle Maßen wäßericht. Natur[19], Gefühl, Adel[5] und Größe des Geistes[20] sind für sie gar nicht vorhanden, und doch thun sie, als könnten sie diese Dinge vor ihr Richterstühlchen laden. Nachahmungen der ehemaligen Französischen Schönenweltsversemacherey, sind das äußerste Ziel ihrer lauwarmen Bewunderung. Korrektheit gilt ihnen für Tugend. Geschmack ist ihr Idol; ein Götze dem man nur ohne Freude dienen darf. Volltext

[7] Schulze-Kummerfeld, Leb. I (*1782–?94), 198: Vor Dir legt die Kritik die scharfen Waffen nieder, | Zu loben zwingst Du sie, was sie zu tadeln kam.

[8] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 284: Da in der heutigen Musik die Duette von zwey Singestimmen, so wol in Cantaten, als in dem Drama die wichtigsten und lieblichsten Tonstüke sind, so verdienen sie auch eine vorzügliche Betrachtung der Critik.

[9] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632: Es ist wahr, die Künste[2] sind ohne Hülfe der Kunstrichter zu einem hohen Grad der Vollkommenheit gestiegen. Aber dieses beweiset nicht, daß im Reiche der Künste[2], der Kunstrichter eine überflüßige Person sey. Der Geist[19] des Menschen hat von der Natur[2] einen keine Gränzen kennenden Trieb, nach immer höher steigender Vollkommenheit, zum Geschenke bekommen. Wer wird sich also unterstehen ihm Schranken zu setzen? So lange die Critik einen höhern Grad der Vollkommenheit sieht, kann niemand sagen, daß er über Kräfte der Kunst[18] reiche.

[10] A. v. Arnim, Dolores (1810), RuE 1, 196.

[11] A. v. Arnim, Loch (1813), 8.

[12] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 132.

[13] Brockhaus, Conv.-Lex. V (1809), 100.

[14] Brockhaus, Conv.-Lex. VII (1809), 536.

[15] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. IV (1841), 431.

[16] Bürger, Vorr. Ged. (1789), 12 f. (13).

[17] Ditters v. Dittersdorf [Spazier], Lebensbeschr. (1801), 10.

[18] Goethe, an E. Th. Langer (27. 10. 1773), WA IV, 2, 115.

[19] Goethe, an Schiller (19. 5. 1798), WA IV, 13, 151.

[20] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 35 f. (36).

[21] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 354.

[22] Koch, Compos. I (1782), 4.

[23] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 32 f. (33).

[24] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 76.

[25] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 77 f. (78).

[26] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 114.

[27] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 226.

[28] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 230.

[29] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 214.

[30] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 337.

[31] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 376.

[32] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 451.

[33] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 1103.

[34] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 1176.

[35] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 1195 f. (1196).

[36] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 1268.

[37] K. A. Varnhagen von Ense, Denkw. I (1837–42), 66.

[38] K. A. Varnhagen von Ense, Denkw. I (1837–42), 262.

[39] Zelter, Selbstbiogr. (*1820), 18.














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