5.
›sprachliche Äußerung, in der die Beurteilung eines Kunstwerks oder mehrerer Kunstwerke vorgetragen wird‹, insbesondere in schriftlicher Form und als spezifische Textsorte: ›Rezension‹; Metonymie zu
2.
—
Bdv.
:
♦
entsprechend:
Beschreibung [
10],
Beurteilung [
19],
Rezension [
2,
11]. ♦
ähnlich/unterschiedlich:
Darstellung [
12],
Pasquill [
6]. ♦
kategorial übergeordnet:
Schrift [
6]. ♦
andere Gattung des ausgedrückten Exemplars:
vorlaute Klügelei [
14]. —
Ktx.
:
♦
hervorbringend:
Kunstrichter [
13],
Pasquillant [
17]. ♦
Widerfahrnis:
Mitteilung [
3],
abfassen [
16],
erscheinen [
8],
gegen jemanden richten [
16],
lesen [
19],
schreiben [
15,
20],
über etw. fällen [
7]. ♦
Beteiligungszustand:
enthalten [
4]. ♦
dargestellt:
Kunsturteil [
5],
Kunstwerk [
10]. ♦
Eigenschaft:
Geist12 [
10],
feindselig [
14],
gründlich [
15],
sanft [
9],
scharf [
1,
15],
seicht [
8],
unbillig [
18]. —
Wbg.
:
♦
Verb:
kritisieren [
18]. ♦
Substantiv:
Kritikenschmierer [
21],
Kritikenschreiber [
22],
Kritiker [
4,
18],
Kritikus [
12],
Theaterkritik [
23].
[1]
Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 132
: Die Verdienste dieses würdigen Tonkünstlers [sc. J. F. Reichardt] können nicht geläugnet werden. Seine Opern sind, wenn auch nicht immer originell, doch größten Theils sehr schön. Seine Chöre haben viel Erhabenes, und fast immer ist die Musik dem Texte angemessen. Er hat übrigens durch die scharfen Kritiken[5], die er als Schriftsteller über seine Kunst[2] ergehen ließ, vielleicht in den Augen manches Tonkünstlers von seinem Werthe als Mensch verloren. Daß er auch in andern Fächern als Schriftsteller aufgetreten ist, hat das Journal Frankreich gelehrt. Wir unternehmen es nicht, die Aussprüche der Kritik[8] über diese Nebenarbeiten anzuführen und abzuwägen.
[2]
W. v. Humboldt, Schiller (1830), GS I, 6.2, 503
: Die Recension der Bürgerschen Gedichte [...] hat Schiller'n den Vorwurf der Ungerechtigkeit gegen diesen mit Recht beliebten Dichter zugezogen. Allerdings ist sie streng. [...] Schiller gesteht in einem seiner späteren Briefe[1] auch selbst ein, in jener Kritik das Ideal zu unmittelbar auf einen besonderen Fall angewendet zu haben.
[3]
A. W. Schlegel, an Schiller (28. 7. 1797), KW, 44
: Auch sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank für die Mittheilung der Kritiken.
[4]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 203
: Der Scholiast des Euripides endlich enthält manche kurze und bündige Kritiken über einzelne Stücke, worunter sich wohl Urtheile der alexandrinischen Kritiker erhalten haben könnten [...].
[5]
F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 148, Nr. 57
: Wenn manche mystische Kunstliebhaber, welche jede Kritik[2] für Zergliederung, und jede Zergliederung für Zerstörung des Genusses halten, konsequent dächten: so wäre Potz tausend das beste Kunsturtheil über das würdigste Werk. Auch giebts Kritiken[5], die nichts mehr sagen, nur viel weitläuftiger.
[6]
Schulze-Kummerfeld, Leb. I (*1782–
?94), 221
: Es kamen Schriften, Kritiken oder vielmehr Pasquille auf Ackermann sowohl, wie auf seine ganze Gesellschaft heraus.
[7]
Brockhaus, Conv.-Lex. VI (1809), 225
: Als Schriftsteller hat er [sc. Friedr. v. d. Trenck] sich besonders durch seine [...] Biographie bekannt gemacht; allein es ist wohl mehr als wahrscheinlich, daß solche nicht durchaus Glauben verdient, ungeachtet, durch mehrere über sie gefällte Kritiken, nur wenige unbedeutende Angaben in derselben widerlegt worden sind..
[8]
Brockhaus, Conv.-Lex. VII (1809), 524
: Daß auch seichte Kritiken erschienen, war wohl um so weniger zu verwundern, je weniger gerade die Verfasser davon selbst ihn vielleicht richtig verstanden. Klopstocks Ruhm wurde dadurch nur noch mehr erhöht [...]..
[9]
J. D. Michaelis, Lebensbeschr. (1793), 42
: [E]r [sc. Haller] hörte mich [...] ein deutsches Gedicht vorlesen, das verlangte er von mir, schickte es mit einer sanften Critik über einzelne Stellen wieder zurück, und war von nun an mein warmer Freund..
[10]
Novalis, Blüthenstaub (1798), 88, Nr. 68
: Eine Übersetzung ist entweder grammatisch, oder verändernd, oder mythisch. Mythische Übersetzungen sind Übersetzungen im höchsten Styl. Sie stellen den reinen, vollendeten Karakter[1] des individuellen Kunstwerks dar. Sie geben uns nicht das wirkliche Kunstwerk, sondern das Ideal desselben. Noch existirt wie ich glaube, kein ganzes Muster derselben. Im Geist[12] mancher Kritiken und Beschreibungen von Kunstwerken trifft man aber helle Spuren davon. .
[11]
Riepel, Sylbenmaß II (1776), [III] f.
: Also glaubst du, daß dasjenige in dem erwehnten Journal encyclopedique sollte von Kennern geachtet, und nicht vielmehr als ein erbärmliches Geklaff verlacht werden? Eine vermeynte Kritik, ohne Einsicht, wider einen unsrigen so grossen Meister! Eine Recension, ohne Kenntniß über eine so vortrefliche italienische Opera 〈[IV]〉 seria!.
[12]
Scheffner, Leben (1816), 137
: Wird mir aber Herr C. J. W – n das Geständniß verzeihen, daß ich solche lyrische Kritiken und Darstellungen nicht geeignet finde, viel zum richtigen Urtheil über einen Schriftsteller beytragen zu können, indem sie die Erwartungen dessen, der seine 〈138〉 Werke noch nicht gelesen hat, zu hoch spannen, den noch nicht ganz sichern Geschmack irre führen oder beunruhigen, und dem schon befestigten manchmal anstößig werden, wenn seine Erfahrungen ihm andere Resultate geliefert haben, die dann ihn, der in ihrer Zustimmung ein befriedigendes Zeugniß für die Richtigkeit seines Urtheils suchte, veranlassen können, den Kritikus für exaltirt, oder partheyisch zu halten?.
[13]
A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 170
: Der Dichter [sc. L. Tieck in den Volksmährchen (1797)] bestrebt sich [...] überall den Ton des Gegenstandes zu halten, und er trifft ihn gewöhnlich mit der Sicherheit einer unabsichtlichen Richtung. Deswegen konnte er aus der Geschichte von den Heymons Kindern, in zwanzig altfränkischen Bildern, nichts anders machen wollen als einen poetischen Holzschnitt. Die genaue Beobachtung der Perspektive muß man einem solchen schon erlassen: aber in den eckichten und groben Umrissen dieser kolossalen Figuren dürfte leicht mehr Natur[19] und Karakter[2] seyn, als in der Kritik eines Kunstrichters, der sie unnatürlich und karakterlos nennt, ihre Erdichtung der Unwissenheit und dem Aberwitz zuschreibt, und das Ganze vornehm in die Jahrmarktsbuden zurückweist. Man sollte sich doch hüten, in einem prosaischen[3] Zeitalter ehrliche alte Volkssagen so schnöde anzulassen, denen es, wie unförmlich sie auch sonst seyn 〈171〉 mögen, schwerlich ganz an poetischer[1] Energie fehlt. ➢ Volltext.
[14]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 71
: Man sehe nur ein vielgelesenes Buch, Laharpe's Cours de littérature: Ueber das französische Theater enthält es manche feine Bemerkung; wer die Griechen daraus kennen zu lernen gedächte, wäre übel berathen; es fehlte dem Verfaßer eben so sehr an gründlicher Bekanntschaft mit ihnen, als am Sinn[5] dafür. Auch Voltaire ist oft ungebührlich absprechend über sie: er erhebt sie oder würdigt sie herab, wie es ihm einfällt und das augenblickliche Bedürfniß, so oder so auf die Meynung des Publicums zu wirken, es mit sich bringt. So erinnere ich mich, von Metastasio eine flüchtige Beurtheilung der griechischen Tragödien gelesen zu haben, worin er ihre Dichter wie Schulknaben meistert. [...] Die Triebfedern jener feindseligen Kritiken sind zu errathen. Die Na〈72〉tional- und Autor-Eitelkeit mischt sich in's Spiel: man will es weit beßer gemacht haben als die Alten, und man wagt sich mit solchen Behauptungen an das Licht, weil die Werke der dramatischen Dichter nur den Gelehrten zugänglich in todter Schrift auf uns gekommen sind, ohne die lebendige Begleitung der Recitation, der Musik, der idealischen und wahrhaft plastischen Mimik, endlich des szenischen Pomps; welches alles in Athen ohne Zweifel die Dichtungen selbst so würdig zu einem harmonischen Eindruck zusammenstimmte, daß, wenn es uns auf einmal vor das Auge und Ohr gestellt werden könnte, jene vorlaute Klügeley tief verstummen müßte. .
[15]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 52
: Die Myrrha [sc. Vittorio Alfieri, Mirra (1789)] ist ein allzugewagter Versuch, einen für die Sinne und für das Gefühl gleich empörenden Stoff mit Schicklichkeit zu behandeln. Der Spanier Arteaga hat über dieses Trauerspiel und über den Philipp [sc. ders., Filippo (1783)] scharfe aber gründliche Kritiken geschrieben. .
[16]
A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), X ff.
: Das Mißlichste von allem ist, eine scharfe Kritik gegen ältere Zeitgenossen zu richten, die schon seit geraumer Zeit im Besitz des Beifalls und des Ruhmes waren. Hier mischt sich in die Theilnahme des zuschauenden Publicums ein moralisches Gefühl, das an sich löblich ist, aber durch ein Mißverständniß auf litterarische Vorfälle übertragen wird. Es ist als ob ein angesehener Mann seiner Aemter und Würden entsetzt werden sollte, 〈XI〉 ohne förmlichen Rechtsgang, und ohne daß eine bis jetzt verheimlichte Schuld entdeckt worden wäre. Ich habe dergleichen Kritiken eigentlich niemals abgefaßt: aber man hat geglaubt, ich mache Miene dazu, und das hat mir schon Anfeindungen genug zugezogen. [...] Man wird in allen meinen kritischen Schriften kaum ein Dutzend Zeilen finden, welche Wieland betreffen: was konnten diese gegen einen so weit verbreiteten und auf der Grundlage von fünfzig Bänden aufgebauten Ruhm ausrichten? Wenn die Lorbeern seitdem heruntergefallen sind, so kam es vermuthlich daher, daß sie welk und mürbe waren. So viel ich weiß, ist noch keine gründliche Kritik der Wielandischen Werke vorhanden, worin gezeigt würde, wie er das Idol des Deutschen Publicums geworden und zwanzig bis dreißig Jahre geblieben, und was er für die Ausbildung der Sprache[3], des Versbaues, der Formen unserer Poesie[11] wirklich geleistet habe. Es wäre wohl an der Zeit, von der allzugroßen Vernach〈XII〉läßigung dieses von manchen Seiten liebenswürdigen Schriftstellers abzumahnen..
[17]
Schulze-Kummerfeld, Leb. I (*1782–
?94), 219 f.
: Doch ließ er mir [...] sagen, daß jeder, der mich kennt, eines weit besseren von mir überzeugt wäre, als was ein schlechter Kerl mehr aus einem Privathaß gegen mich geschrieben, um mich zu kränken, als daß es eine Kritik sei, wie eine Kritik sein müsse. Er wolle es einrücken lassen, aber der Kerl würde wieder antworten und auf die letzt würde es ein Federkrieg, bei dem der Rechtschaffene sich doch immer ärgere. Ich sollte also, wenn seine Bitte bei mir etwas vermöge, es nicht einrücken lassen. Zehn solcher Pasquillanten würden nicht imstande 〈220〉 sein, die Liebe und Achtung zu unterdrücken, die ich mir von Freunden und Kennern des Theaters erworben..
[18]
Schulze-Kummerfeld, Leb. I (*1782–
?94), 227
: Jeder, der sich anmaßt, Theater und Schauspieler zu kritisieren, muß nicht allein gegründete Kenntnisse der Kunst[8] haben, sondern von aller Parteilichkeit sich frei wissen. Tadelt, aber seid nicht boshaft, nicht hämisch! Ich kann nicht mich allein nennen, nein, ich wollte ganze Seiten voll Schauspieler und Schauspielerinnen nennen, mit Namen nennen, die unbillige Kritiken mehr in ihrer Kunst vernachlässigt, mißmutig gemacht, als Lob und Beifall sie [...] stolz [...] gemacht haben sollten. Und der unbillige Kritiker, der einen Schauspieler auf des andern Kosten lobt oder tadelt, verdiente öffentlich mit Ruten gestrichen zu werden..
[19]
Schulze-Kummerfeld, Leb. I (*1782–
?94), 227 f.
: Von allen [...] Kritiken und Beurteilungen, die ich gelesen, weiß ich keine, die richtiger und wahrer ist, als die, wo man in der „Berliner Theaterzeitung“ Brockmanns und Schröders Hamlet gegeneinander 〈228〉 beurteilte..
[20]
Schulze-Kummerfeld, Leb. I (*1782–
?94), 231
: Ich weiß, Sie sind aufgebracht wegen den vielen Kritiken, die geschrieben worden, und halten mich für den Verfasser [...]..
[21]
Schulze-Kummerfeld, Leb. I (*1782–
?94), 236
: Kaufleute aus der Stadt übernehmen das Theater, und der Kritikenschmierer, Herr Sekretär Löwe, wird Direkteur..
[22]
Schulze-Kummerfeld, Leb. I (*1782–
?94), 237
: Karl geht auf Löwe los, nimmt solchen und packt ihn fest in seine linke Hand und schüttelt ihn bei seiner Halskrause, daß ihm die Zähne klapperten, und sagt dazu: „Dem Hundsfott, den Kritikenschreiber schlage ich noch Arm und Bein entzwei!“.
[23]
K. A. Varnhagen von Ense, Denkw. II (1837–42), 302
: Über den Gang der Dinge im allgemeinen schien Gentz jetzt keine großen Besorgnisse zu haben; [...] die Hauptsache sei nur, daß man sich der guten Köpfe zu versichern suche, zu denen er allerdings Lindner und Ludwig Wieland zählte, dann aber auch Ludwig Börne, welchen er aufs äußerste rühmte, besonders dessen Theaterkritiken, die nur denen von Lessing zu vergleichen wären..