Wortliste
Semantik 
4. ›geistreiche, pointierte Äußerung (in der überraschend Zusammenhänge hergestellt und Dinge in Verbindung gebracht werden); kürzere, zum Lachen reizende Erzählung‹ als Manifestation von Witz1; auch eine Abfolge solcher Äußerungen: ›geistreiche Konversation‹ [6] oder eine Gesamtheit als Qualität eines literarischen oder philosophischen Werkes [74, 76]; Metonymie zu 1. Auch als Gedanken- und/oder Redefigur: ›Verbindung zweier unterschiedlicher, auf den ersten Blick keine Analogie aufweisender Phänomene‹ [10, 40, 54, 55, 57, 90, 91] – für Bernhardi ist jede Art von Witz4 (u. a. das Wortspiel) Ausdruck oder Erscheinungsform des Philosophems der absoluten Identität [7] – und im Weiteren als Darstellungsform auch in der bildenden Kunst [72]. Insofern die durch einen Witz4 hervorgerufene Überraschung sich beabsichtigter- oder unbeabsichtigterweise durch Lachen oder Amüsement äußert (im Sinne einer „plötzlichen Entladung der gespannten Aufmerksamkeit“, die „durch einen Contrast entstehn“ muss [60]), auch ›Spaß, Scherz, Spott‹ [3, 4, 6, 8, 12, 13, 16, 20, 21, 23, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 39, 41, 45, 48, 49, 60, 62, 66, 68, 69, 73, 77, 78, 79, 90], der nicht notwendigerweise harmlos sein muss, sondern – dann in Abgrenzung zum Scherz – auch eine ernsthafte Seite haben [69] und als Waffe eingesetzt werden kann [9, 25, 67, 71, 75]; im letzteren Falle potentiell Werkzeug der Kritik(1) [6, 17, 41, 72]. Witz4 ist beißend, aber nicht fröhlich und eine heftige Explosion des Geistes20 [69]. – Übertragen auch ›geistreiche, kreative, originelle, überraschende Art der Komposition, des musikalischen Vortrags‹ [92].
Belege 
[1] Adelung, Gramm.-krit. Wb. IV (21801), 1586: In der engsten, jetzt noch allein üblichen Bedeutung ist der Witz, das Vermögen der Seele, Ähnlichkeiten, und besonders verborgene Ähnlichkeiten, zu entdecken, so wie Scharfsinn das Vermögen ist, verborgene Unterschiede aufzufinden.

[2] A. v. Arnim, Dolores (1810), RuE 1, 95: Witz hörte er gern von andern, um Gelegenheit zum Lachen zu haben, er selbst hatte den Witz[1] nur im Trunke [...].

[3] B. v. Arnim, Briefw. Kind II (1835), 182 f. (183): Der sechste war der junge Maler Ludwig Grimm, von dem ich Dir mein Bildchen und die schönen radierten Studien nach der Natur[2] geschickt habe, so lustig und naif, daß man mit ihm bald zum Kind in der Wiege wird, das um nichts lacht, er theilte mit ⟨183⟩ mir den Kutschersitz, von wo herab wir die ganze Natur[2] mit Spott und Witz begrüßten [...].

[4] B. v. Arnim, Günder. I (1840), 82: [I]ch wurde ausgemerzt [›ausgeschlossen‹] von dieser Expedition, weil ich vor Lachen über die unerschöpflichen Witze von Franz untauglich dazu war.

[5] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 3: Ach die langen Winterwege die Du gemacht hast, mir zu Lieb alle! – Aus dem lustigen Haus, wo die Geschwister und Hausfreunde zusammen Witze machten, heraus über die Schneefelder, auf der kalten einsamen Hoftreppe wo wir die Winde zusammen flüstern hörten. Und im Schneegestöber bist Du wieder allein in der Nacht den langen Weg nach Haus gewandert!

[6] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 132: Schlegel [...] ist groß und sehr bedeutend in der Literatur, und Du mußt ihn auch einmal sehen, aber ihm kann man nicht sagen was das Innere beschäftigt, mit ihm kann man nur Witz und Übermuth treiben, und doch kommt man dabei meist zu kurz weil er Scharfsinn der Kritik[1] und Satyre nie versteht, sobald es auf ihn geht.

[7] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 396 f.: Die Verknüpfung zweier Sprachsphären, welche gleichtönen, wobei aber eine bestimmte Betrachtung der Bedeutung beider vorkommt, heißt ein Wortspiel, und dieses ist die Fundamentalfigur aller übrigen musikalisch[3]-poetischen[4] Sprachfiguren. Das Wortspiel ist der Witz der Sprache[1], und an seiner Vortrefflichkeit kann nur der zweifeln, der überhaupt damit unbekannt ist, was der Witz sei und bedeute, und vielleicht den ärmlichen Begriff[1] mit sich herumträgt: daß er nur ein Zeitvertreib, und die untergeordnete, unbedeutendere, heitere[5] Wahrheit sei. Allein weit entfernt diese geringe Gattung des Witzes für sein Wesen zu halten; muß man vielmehr die Sache gradezu umkehren, und das Wesen der Wahrheit darin setzen, daß sie Witz sey. Denn alle Wissenschaft ist Witz des Verstandes, alle Kunst[2], Witz der Phantasie[1], und jeder einzelne witzige Einfall wird nur dadurch zu einem solchen, daß er an den ⟨397⟩ Witz der Wahrheit überhaupt erinnert. Damit man aber diese Stelle über den Witz, nicht etwa für witzelnd, sondern weil sie Wahrheit enthält, auch für witzig halte: so überlege man folgendes. Die Wissenschaft auf ihrem höchsten Standpunkte lehrt eine absolute Einheit eine unbedingte Identität alles mit allem. An diese ewige Consonanz des Weltalls, an diese heterogene Homogeneität, erinnert jede ernste und heitere[5], jede erhabene und burleske Stimmung, der Witz ist der Blitz, welcher eine einzelne Stelle in dem großen Ganzen erleuchtet, und diese Identität im Einzelnen heraustreten läßt, und daher ist ein jeder Witz, indem er an das Höchste erinnert, erhaben. Je kleiner freilich die erleuchtete Stelle ist, je flüchtiger und vorübergehender der Eindruck, und der gesellige Witz ist mehrentheils nur ein Wetterleuchten, welches das Dasein einer Region anzeigt, in welcher ein Blitz möglich wäre. Der ächte und große Witz wohnt in der Wissenschaft, in der Kunst[2] und dem Leben; und da nun die Sprache[1] das Organ[1] von allen diesem ist: so sieht man leicht ein, daß durch das Wortspiel, wie es zum Beispiel Shakespear gebraucht, oder Aristophanes, Andeutungen können hervorgebracht, Effekte erregt, Empfindungen angeschlagen werden, die nur durch dieses Medium möglich sind, welche sich wie die Musik, körperlich durch das Ohr[2] in den Geist[19] ergießen. Volltext

[8] Brockhaus, Conv.-Lex. VII (1809), 506: Seine witzige Laune riß ihn oft so hin, daß er dann keines Menschen schonte. Es war ihm unmöglich, einen beißenden Gedanken zurückzuhalten, und er selbst stellte sich das Prognosticon, daß er an verhaltenem Witze sterben werde.

[9] Goethe, Tageb. (1775), WA III, 1, 2: Ein bitrer scharfer Wiz, beißt der nicht wie ein Hunde?

[10] Goethe, Entopt. Farb. (1820), WA II, 5.1, 292: Wenn es zwar durchaus räthlich, ja höchst nothwendig ist das Phänomen erst an sich selbst zu betrachten, es in sich selbst sorgfältig zu wiederholen und solches von allen Seiten aber und abermals zu beschauen; so werden wir doch zuletzt angetrieben uns nach außen zu wenden und, von unserm Standpuncte aus, allenthalben umher zu blicken, ob wir nicht ähnliche Erscheinungen zu Gunsten unseres Vornehmens auffinden möchten [...]. | Hier dürfen wir also die Analogie, als Handhabe, als Hebel die Natur[10] anzufassen und zu bewegen gar wohl empfehlen und anrühmen. Man lasse sich nicht irre machen, wenn Analogie manchmal irre führt, wenn sie, als zu weit gesuchter willkürlicher Witz, völlig in Rauch aufgeht. Verwerfen wir ferner nicht ein heiteres[5] humoristisches Spiel mit den Gegenständen, schickliche und unschickliche Annäherung, ja ⟨293⟩ Verknüpfung des Entferntesten, womit man uns in Erstaunen zu setzen, durch Contrast auf Contrast zu überraschen trachtet. Halten wir uns aber zu unserm Zweck an eine reine methodische Analogie, wodurch Erfahrung erst belebt wird, indem das Abgesonderte und entfernt Scheinende verknüpft, dessen Identität entdeckt und das eigentliche Gesammtleben der Natur auch in der Wissenschaft nach und nach empfunden wird.

[11] Goethe, Gottfr. v. Berl. (*1771; 1833), WA I, 39, 55: Ich wolte ihr müsstet euch mit euerm Witz rasiren lassen, dass ihr nur fühltet wie schartig er ist.

[12] Grosse, Genius I (1791), 7: Er erwiederte diesen Scherz, aber mitten unter den Auswechselungen eines leichten und freundschaftlichen Witzes sah ich zuweilen etwas in seinem Auge funkeln, das einer Trähne ähnlich war.

[13] Hauff, Bettlerin (1827), SW 2, 392: Er belachte seinen eigenen Witz [...].

[14] Jahn, Dt. Volksth. (1810), 191: Einst kaufte ein armer Sünder, der auch ein Mahl gern den Mund [...] aufthun wollte, einem berühmten Erzähler eine hübsche Geschichte[8] ab, mit dem Beding, daß Verkäufer sie nie wieder erzählen sollte. Das ging so lange gut, bis beide sich in einer Gesellschaft trafen, wo der Einhändler den gekauften Witz äußerst erbärmlich machte, und der alte[6] Erzähler aufsprang: „Hier haben Sie ihr Geld wieder, lassen Sie mir meine Geschichte[8].“

[15] Schiller, Unter d. Lind. (1782), NA 22, 76: Wie Sie den Ernst wieder mit lächelndem Witz übertünchen!

[16] Schiller, an W. v. Humboldt (21. 3. 1796), NA 28, 202: Wahrhaftigkeit [...] ist das erste Erfoderniß des naiven Tons, wo der Erzähler nie den Spaßmacher spielen und aller Witz ausgeschlossen bleiben ⟨203⟩ soll.

[17] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 149: Da die witzigen Köpfe der Franzosen sich erlaubt haben, alles in der Welt, und besonders die Geisteswerke andrer Nationen[1] zu bespötteln, so wird man uns unsererseits auch wohl gönnen, uns gelegentlich daran zu ergötzen, wenn wir sehen, daß bey aller Sorgfalt ihre Trauerspieldichter der Klippe, die sie am meisten scheuten, dennoch dann und wann nicht haben entgehen können. Lessing hat das Lächerliche, wo es sich in der Anlage selbst findet, an der Rodogüne, Semiramis, Merope und Zaire, mit siegreichem Witze verfolgt.

[18] Schleiermacher, Religion (1799), 180: Wo Freude und Lachen auch wohnen, und der Ernst selbst sich nachgiebig paaren soll mit Scherz und Wiz, da kann kein Raum sein für dasjenige, was von heiliger Scheu und Ehrfurcht immerdar umgeben sein muß.

[19] Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (
2
1798), 1259.

[20] Arndt, Erinn. (1840), 311.

[21] A. v. Arnim, Ged. I (1808), SW 22, 115.

[22] A. v. Arnim, Wintergart. (1809), 246.

[23] A. v. Arnim, Wintergart. (1809), 253.

[24] A. v. Arnim, Dolores (1810), RuE 1, 406.

[25] A. v. Arnim, Dolores (1810), RuE 1, 646.

[26] B. v. Arnim, Briefw. Kind I (1835), 142.

[27] B. v. Arnim, Briefw. Kind I (1835), 343.

[28] B. v. Arnim, Günder. I (1840), 83.

[29] B. v. Arnim, Günder. I (1840), 94.

[30] B. v. Arnim, Günder. I (1840), 370.

[31] B. v. Arnim, Günder. II (1840), 8 f. (9).

[32] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 136.

[33] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 266.

[34] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 283.

[35] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 72.

[36] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 248.

[37] Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 495.

[38] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 345.

[39] Brockhaus, Conv.-Lex. V (1809), 57.

[40] Brockhaus, Conv.-Lex. VI (1809), 69.

[41] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 12.

[42] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 81.

[43] Ehrmann, Amalie (1788), 111.

[44] C. de la Motte Fouqué, Resign. I (1829), 211.

[45] Goethe, Theatr. Send. I (*1777\85), WA I, 51, 224.

[46] Goethe, Farbenl. Hist. Thl. I (1810), WA II, 3, .

[47] Goethe, Dicht. u. Wahrh. II (1812), WA I, 27, 139.

[48] Goethe, Ital. Reise II (1817), WA I, 31, 263.

[49] Goethe, Camp. Frankr. (1822), WA I, 33, 216.

[50] Hamann, Krzzg. d. Phlg. (1762), N 2, 147.

[51] Hauff, Lichtenst. (1826), SW 1, 29.

[52] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 213 f. (214).

[53] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 226.

[54] Jean Paul, Vorsch. Ästh. II (1804), 267.

[55] Jean Paul, Vorsch. Ästh. II (1804), 276.

[56] Klencke, Leben (1805), 99.

[57] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 143.

[58] Mundt, Dt. Prosa (1837), 324.

[59] Musäus, Grandison I (1760), 83.

[60] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 288, Nr. 270.

[61] Novalis, Blüthenstaub (1798), 81, Nr. 36.

[62] Schiller, Kasualged. (1782), NA 22, 191.

[63] Schiller, Fiesko (1783), NA 4, 15.

[64] Schiller, Weibl. Rache (1785), NA 16, 209.

[65] Schiller, an Körner (22. 4. 1787), NA 24, 93.

[66] Schiller, Geisters. (31798), NA 16, 109.

[67] Schiller, an Goethe (24. 12. 1800), NA 30, 224.

[68] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 81, Anm..

[69] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 93 f..

[70] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 99.

[71] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 152.

[72] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 364.

[73] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 768.

[74] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 45.

[75] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 273.

[76] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 292 f. (293).

[77] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 8.

[78] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 13.

[79] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 27 f..

[80] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 92, Nr. 89.

[81] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 119, Nr. 409.

[82] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 129, Nr. 539.

[83] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 129, Nr. 540.

[84] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 56 f., Nr. 217.

[85] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 58 f., Nr. 220.

[86] F. Schlegel, Fragm. Poes. u. Litt. (*1799), KFSA 16, 274, Nr. 252.

[87] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 113 f..

[88] F. Schlegel, Ideen (1800), 8, Nr. 26.

[89] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 461 f. (462).

[90] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 88 ff. (89).

[91] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 91.

[92] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 166.

[93] Wolzogen, Erzählg. I (1826), 22.














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