[1]
G. Forster, Ansichten II (1791), W 2, 673
: So würde es ebenfalls die Scheidung des Wesentlichen in der Kunst von dem Zufälligen sehr erleichtern, wenn man erwöge, daß sogar die rohesten Völker[1], die entweder einen höchst unvollkommnen oder noch gar keinen Trieb zu materiellen Kunstgebilden äußern, bereits wahre Poësien[11] besitzen, welche, verglichen mit den geglätteten und künstlich in einander gefügten dichterischen Produkten der verfeinerten Kultur[5], diesen oft den Preis der Gedankenfülle, der Stärke und Wahrheit des Gefühls, der Zartheit und Schönheit der Bilder abgewinnen. Man begreift, wie diese Eigenschaften das einfache Hirtenlied, die Klagen und das Frohlocken der Liebe, den wilden Schlachtgesang, das Skolion beim Freudenmale und den rauschenden Götterhymnus eines Halbwilden bezeichnen können; denn sie gehen aus der schöpferischen Energie des Menschen unmittelbar hervor und sind unabhängig von dem Vehikel ihrer Mittheilung, der mehr oder minder gebildeten Sprache[3].
[2]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 25
: Die Philosophie der Kunst bemüht sich nicht um Vorschriften für die Künstler, sondern sie hat auszumachen, was das Schöne überhaupt ist und wie es sich im Vorhandenen, in Kunstwerken gezeigt hat, ohne dergleichen Regeln geben zu wollen. ➢ Volltext
[3]
Schelling, Philos. d. Kunst (
!1803–04), SW I, 5, 357
: Der ist noch sehr weit zurück, dem die Kunst[10] nicht als ein geschlossenes, organisches[6] und ebenso in allen seinen Theilen nothwendiges Ganzes erschienen ist, als es die Natur[2] ist. Fühlen wir uns unaufhaltsam gedrungen, das innere Wesen der Natur[2] zu schauen, und jenen fruchtbaren Quell zu ergründen, der so viele große Erscheinungen mit ewiger Gleichförmigkeit und Gesetzmäßigkeit aus sich herausschüttet, wie viel mehr muß es uns interessiren, den Organismus[8] der Kunst[10/2] zu durchdringen, in der aus der absoluten Freiheit[10] sich die höchste Einheit und Gesetzmäßigkeit herstellt, die uns die Wunder unseres eignen 〈358〉 Geistes[19] weit unmittelbarer als die Natur[2] erkennen läßt. ➢ Volltext
[4]
Solger, Rez. A. W. Schlegel (1819), 85
: Rec. [...] setzt hier nur hinzu, daß eine gewisse Trauer in jeder Art von Kunst enthalten ist. Sie erlangt die höchste Heiterkeit[3], indem sie sich frey[10] über einen Schmerz erhebt; denn das Irdische muß als solches verzehrt werden, wenn wir erkennen sollen, wie das Ewige und Wesentliche darin gegenwärtig ist.
[5]
A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 219 f. (220)
: Bei den Griechen war der philosophische Dialog eine Naturform, ein großer Theil des philosophischen Unterrichts bestand in Unterredung. Diese Form der philosophischen Geselligkeit verwandelte Plato 〈220〉 in Kunst und er ist bis jetzt noch der unübertroffene Meister dieser Gattung. In seinen Dialogen herrscht neben der genauen Charakteristik, auch eine große Mannigfaltigkeit des Strebens und der Erreichung desselben, über welche Nüancen der rohe Sinn[13] hinwegblickt. Eine Form mit ähnlicher Tendenz, ist die moderne[1] ungesellige Briefform. Allein obgleich hier wie durch den Dialog nach Wahrheit lyrisch, und von einer individuellen Vernunft[7] aus gestrebt wird, so ist doch diese weit steifer, kälter und verliert den Reiz der schnellen Abwechselung, der raschen Uebergänge und jene leise Ironie[3], welche der stärkeren Vernunft[7] wohl momentan über die schwächere erlaubt ist, welche aber in Briefen[3] verkörpert, für das an sich ernsthafte Streben nach Wahrheit zu laut oder zu bitter wird. ➢ Volltext.
[6]
Goethe, Not. u. Abhdlg. (1829), WA I, 7, 116
: Diese Benennung und Eintheilung hat freilich Beifall und Platz gewonnen, weil höchst schätzenswerthe Bücher sie an der Stirne tragen, und schwer möchte man sich derselben sobald entwöhnen. Ein solches Verfahren kommt aber daher, weil man, bei Classification der Künste, den Künstler nicht zu Rathe zieht. Dem Literator kommen die poetischen[4] Werke zuerst als Buchstaben[8] in die Hand, sie liegen als Bücher vor ihm, die er aufzustellen und zu ordnen berufen ist..
[7]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 89 f. (90)
: Solger war nicht [...] mit oberflächlicher philosophischer Bildung[6] zufrieden, sondern sein ächt spekulatives innerstes Bedürfniß drängte ihn in die Tiefe der philosophischen Idee hinabzusteigen. Hier kam er auf das dialektische Moment der Idee, auf den Punkt, den ich „unendliche absolute Negativität“ nenne, auf die Thätigkeit der Idee, sich als das Unendliche und Allgemeine zu negiren zur Endlichkeit 〈90〉 und Besonderheit, und diese Negation ebenso sehr wieder aufzuheben, und somit das Allgemeine und Unendliche im Endlichen und Besondern wieder herzustellen. An dieser Negativität hielt Solger fest, und allerdings ist sie ein Moment in der spekulativen Idee, doch als diese bloße dialektische Unruhe und Auflösung des Unendlichen wie des Endlichen gefaßt, auch nur ein Moment, nicht aber, wie Solger es will, die ganze Idee. Solger's Leben ist leider zu frühe abgebrochen, als daß er hätte zur konkreten Ausführung der philosophischen Idee kommen können. So ist er bei dieser Seite der Negativität, die mit dem ironischen[3] Auflösen des Bestimmten wie des in sich Substantiellen Verwandtschaft hat, und in welcher er auch das Princip der Kunstthätigkeit erblickte, stehen geblieben. Doch in der Wirklichkeit seines Lebens war er bei der Festigkeit, dem Ernst und der Tüchtigkeit seines Charakters[1], weder selber in der obengeschilderten Weise ein ironischer[3] Künstler, noch sein tiefer Sinn[5] für wahrhafte Kunstwerke[2], den das dauernde Studium der Kunst[10] groß gezogen hatte, in dieser Beziehung von ironischer[3] Natur[1]. Soviel zur Rechtfertigung Solgers, der es in Rücksicht auf Leben, Philosophie und Kunst[17] verdient von den bisher bezeichneten Aposteln der Ironie[3] unterschieden zu werden. ➢ Volltext.
[8]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 203
: In der romantischen[12/4] Kunst zwar geht die Zerrissenheit und Dissonanz des Innern weiter, wie in ihr überhaupt die dargestellten Gegensätze sich vertiefen, und deren Entzweiung kann festgehalten werden. So bleibt z. B. die Malerei[1] in der Darstellung der Leidensgeschichte zuweilen beim Ausdruck des Hohns in den Zügen der peinigenden Kriegsknechte bei dem scheußlichen Verzerren und Grinsen der Gesichter stehn, und mit diesem Festhaften an der Entzweiung besonders in Schildrung des Lasterhaften, Sündlichen und Bösen geht dann die Heiterkeit[3] des Ideals verloren, denn wenn auch die Zerrissenheit nicht in jener Festigkeit bleibt, so tritt doch häufig, obschon nicht jedesmal Häßlichkeit, doch wenigstens Unschönheit an die Stelle. In einem andern Kreise der älteren[1] Niederländischen Malerei[2] zeigt sich wohl in der Rechtschaffenheit und Treue gegen sich selbst, ebenso in dem Glauben und der unerschütterlichen Sicherheit eine Versöhnung des Gemüths in sich, aber bis zur Heiterkeit[3] und Befriedigung des Ideals bringt es diese Festigkeit nicht. Dennoch kann auch in der romantischen[12] Kunst obgleich das Leiden und der Schmerz in ihr das Gemüth und subjektive Innre tiefer als bei den Alten[10] trifft, eine geistige Innigkeit, eine Freudigkeit in der Ergebung, eine Seligkeit im Schmerz und Wonne im Leiden, ja eine Wollust selbst in der Marter zur Darstel〈204〉lung kommen. ➢ Volltext.
[9]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 204 f. (205)
: Wie [...] ergreift das unauslöschliche Göttergelächter im Homer, das aus der seligen Ruhe der Götter[4] entspringt, und nur Heiterkeit[3] und nicht abstrakte Ausgelassenheit ist. Ebenso wenig auf der andern Seite darf das Weinen als haltungsloser Jammer in das ideale Kunstwerk[2] eintreten, wie z. B. solche abstrakte Trostlosigkeit [...] in Weber's Freischützen zu hören ist. In der Musik[4] überhaupt 〈205〉 ist der Gesang diese Freude und Lust sich zu vernehmen, wie die Lerche in den freien[1] Lüften singt; Hinausschreien des Schmerzes und der Fröhlichkeit macht noch keine Musik[4], sondern selbst im Leiden muß der süße Ton[9] der Klage die Schmerzen durchziehn und klären, so daß es Einem schon der Mühe werth scheint so zu leiden, um solche Klage zu vernehmen. Dieß ist die süße Melodie, der Gesang in aller Kunst. ➢ Volltext.
[10]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 206
: Die bildliche und äußerliche Seite nun, welche dem Ideal ebenso nothwendig ist als der in sich gediegene Inhalt, und die Art der Durchdringung beider führt uns auf das Verhältniß der idealen Darstellung der Kunst zur Natur[20]. [...] In dieser Beziehung ist der alte[1] immerfort sich erneuernde Zwist, ob die Kunst natürlich[6] im Sinne[1] des Vorhandenen Aeußeren darstellen, oder die Naturerscheinungen verherrlichen und verklären solle, noch nicht beigelegt. Recht der Natur[20] und Recht des Schönen[1], Ideal und Naturwahrheit – in solchen zunächst unbestimmten Wörtern[1] kann man ohne Aufhören gegeneinanderreden. Denn das Kunstwerk[2] soll allerdings natürlich[6] seyn, aber es giebt auch eine gemeine, häßliche[1] Natur[20], diese soll nun wiederum nicht nachgebildet werden, andrer Seits aber – und so geht es ohne Ende und festes Resultat fort. ➢ Volltext.
[11]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 207 f.
: Bei diesem Gegensatze des Ideals und der Natur[19] hat man nun also die eine Kunst mehr als die andre im Sinne gehabt, hauptsächlich aber die Malerei, deren Sphäre gerade die anschauliche Besonderheit ist. Wir wollen deshalb die Frage in Betreff dieses Gegensatzes allgemeiner so stellen: soll die Kunst Poesie[14] oder Prosa[4] seyn? Denn das ächt Poetische[1] in der Kunst ist eben das, 〈208〉 was wir Ideal nannten. Kommt es auf den bloßen Namen Ideal an, so ließe sich derselbe leicht aufgeben. Dann entsteht aber die Frage, was ist denn Poesie[14] und was ist Prosa[4] in der Kunst? Obschon auch das Festhalten des an sich selbst Poetischen[1/4] in Bezug auf bestimmte Künste zu Abirrungen führen kann und bereits geführt hat, insofern was der Poesie[11] ausdrücklich und näher der lyrischen etwa angehört, auch durch die Malerei, weil solch ein Inhalt denn doch gewiß poetischer[1] Art sey, dargestellt worden ist. Die jetzige Kunstausstellung (1828) z. B. enthält mehrere Gemälde, alle aus ein und derselben (der sogenannten Düsseldorfer) Schule, welche sämmtlich Sujets aus der Poesie[11] und zwar aus der nur als Empfindung darstellbaren Seite der Poesie[11] entlehnt haben. Sieht man diese Gemälde öfter und genauer an, so erscheinen sie bald genug als süß und fade. ➢ Volltext.
[12]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 282
: Dieß sind die großen Motive der Kunst, die ewigen religiösen und sittlichen Verhältnisse: Familie, Vaterland, Staat, Kirche, Ruhm, Freundschaft, Stand, Würde, in der Welt des Romantischen[12] besonders die Ehre und Liebe u. s. f. ➢ Volltext.
[13]
Hegel [Hotho], Aesth. II (1837), 14 f.
: Die klassische[3/7] Kunst und ihre schöne[1] Religion[1] befriedigt [...] nicht die Tiefen des Geistes[19]; wie konkret sie auch in sich selber ist, bleibt sie doch für ihn noch abstrakt, weil sie, statt der Bewegung und aus der Entgegensetzung erworbenen Versöhnung jener unendlichen Subjektivität, nur die ungetrübte Harmonie 〈15〉 der bestimmten freien Individualität in ihrem adäquaten Daseyn, diese Ruhe in ihrer Realität, dieses Glück, diese Befriedigung und Größe in sich selbst, diese ewige Heiterkeit[3] und Seligkeit zu ihrem Elemente hat, die selbst im Unglück und Schmerz das sichere Beruhen auf sich nicht verliert. Die klassische[3/7] Kunst hat in den Gegensatz, der im Absoluten begründet ist, nicht bis zur Tiefe hineingearbeitet und ihn ausgesöhnt. Dadurch kennt sie nun aber auch nicht die Seite, welche mit diesem Gegensatze in Beziehung steht, die Verhärtung des Subjekts in sich als abstrakte Persönlichkeit gegen das Sittliche und Absolute, die Sünde und das Böse, so wie das Verlaufen der subjektiven Innerlichkeit in sich, die Zerrissenheit, Haltlosigkeit, überhaupt den ganzen Kreis der Entzweiungen, welche innerhalb ihrer das Unschöne, Häßliche[1], Widrige nach der sinnlichen und geistigen Seite hin hereinbringen. Die klassische[3/7] Kunst überschreitet den reinen Boden des ächten Ideals nicht. ➢ Volltext.
[14]
Heine, Romant. Schule (1836), 50
: Aber auch hier blieb jene Reaction nicht aus, welche jeder Uebertreibung auf dem Fuße folgt. Wie das spiritualistische Christenthum eine Reaction gegen die brutale Herrschaft des imperial römischen Materialismus war; wie die erneuerte Liebe zur heiter[5] griechischen[2] Kunst und Wissenschaft als eine Reaction gegen den bis zur blödsinnigsten Abtödtung ausgearteten christlichen Spiritualismus zu betrachten ist; wie die Wiedererweckung der mittelalterlichen Romantik ebenfalls für eine Reaction gegen die nüchterne Nachahmerei der antiken[2], klassischen[7] Kunst gelten kann: so sehen wir jetzt auch eine Reaction gegen die Wiedereinführung jener katholisch feudalistischen 〈51〉 Denkweise, jenes Ritterthums und Pfaffenthums, das in Bild und Wort[8] gepredigt worden und zwar unter höchst befremdlichen Umständen. ➢ Volltext.
[15]
Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), 171
: [J]ener Grundsatz, der die Vollkommenheit der Kunst[10] unter den Griechen von der Freyheit[6] ableitet, erfordert, wenn er zutreffen soll, so viele Erweiterungen und Einschränkungen, daß am Ende wenig davon übrig bleibt. Allerdings kann die Freyheit[6] von Umständen begleitet werden, welche die Künstlergenies erwecken können: als, Begeisterung der Ruhmbegierde; aber Freyheit[6] an und für sich kann ein unthätiger, träger, tämischer Zustand seyn; er kann auch von so vielen Unruhen und Bedrängnissen, physischer, sittlicher und politischer Art, beenget werden, daß Kunst[2] und Wissenschaft wenig Eingang finden. Die Freyheit[6] der Griechen ist überdies ein so unbestimmtes, und nach verschiedenen Gegenden und Zeiten[3] Griechenlands so vielartiges Ding, daß alles schwankend wird, was man darauf bauet. Ganz anders war man frey in Athen, anders zu Sparta, zu Theben, und noch anders in den ruhigen Gefilden von Phocis und Doris, von Elis und Arcadien; und hier ist die Kunst[2] nie 〈172〉 hochgestiegen. ➢ Volltext.
[16]
W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 268 f.
: Bei den Griechen zeigt sich aber ein doppeltes, äusserst merkwürdiges, und vielleicht in der Geschichte einziges Phänomen. Als sie noch sehr viele Spuren der Rohheit anfangender Nationen[1] verriethen, besassen sie schon eine überaus grosse Empfänglichkeit für jede Schönheit der Natur[2] und der Kunst, einen feingebildeten Takt, und einen richtigen Geschmack, nicht der Kritik[2], aber der Empfindung, und finden sich Instanzen gegen diesen Takt und diesen Geschmak so ist wenigstens jene Reizbarkeit und Empfänglichkeit unläugbar; und wiederum als die Kultur[4] schon auf einen sehr hohen Grad gestiegen war, er〈269〉hielt sich dennoch eine Einfachheit des Sinns[5] und Geschmaks, den man sonst nur in der Jugend der Nationen[1] antrift. Die Entwikklung der Ursachen hievon gehört nicht hieher. Genug das Phänomen ist da..
[17]
W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 31 f. (32)
: Zwar ist es nicht ungewöhnlich, vorzüglich ästhetische Werke mit unbestimmten Lobsprüchen zu erheben, sie mit anderen ihrer Gattung zu vergleichen, und ihnen gleichsam überverdienstliche Tugenden beizulegen. Nichts desto weniger bleibt die einzig richtige Art der Beurtheilung immer die, dieselben allein mit dem, was 〈32〉 sie seyn sollen, mit den Grundsätzen der Ästhetik und dem Ideal der Kunst zu vergleichen, zu entscheiden, ob sie ihre Pflicht erfüllen, den gerechten und nothwendigen Ansprüchen der Kritik[2] ein Genüge leisten. Ihr absoluter, nicht ihr relativer Werth soll bestimmt werden..
[18]
W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 35
: Denn allerdings giebt es außer jenem großen und hohen Styl in der Kunst noch einen andern, der dem von Natur[1] minder reinen, oder durch Verwöhnung verdorbenen Geschmack sogar noch gefälliger schmeichelt, und daher sehr oft mit jenem allein echten verwechselt wird. Ja, da beide gewissermaßen in zwei verschie〈36〉denen Regionen liegen, so kann selbst die Kritik[8] zwischen zwei Kunstwerken[2] zweifelhaft seyn, von denen das eine in jenem minder hohen Styl mehr leistet, als das andre auf seinem besseren, aber auch steileren und gefahrvolleren Pfade..
[19]
W. v. Humboldt, Lat. u. Hell. (*
?1806), GS I, 3, 156
: Merkwürdig ist es [...], dass [...] so viele Geburten des Aberglaubens von Hexenkünsten, Gespenstern und bösen Geistern[1], von denen man [sc. im antiken Griechenland] doch auch vielfältige Spuren antrift, schlechterdings keinen Theil der Kunst durch abentheuerliche[3], oder gar fratzenhafte Behandlung entstellten..
[20]
Klingemann, Poesie (1800), 57
: Die Dichtkunst[1] ist wohl überall am zartesten, und an sich selbst schon näher mit dem Geistigen verwandt; darum muß auch in ihr das eigentlich Poetische[2] den höchsten Ausdruck erreichen: so ist jene südliche[2] Erscheinung des Romantischen[4], für das auch wir jetzt einen lebhafteren Sinn[5] bekommen haben, ein auffallender Beweis einer höhern poetischen[2] Bildung[5]. Das Romantische[4] ist mehr Ahnung als Sprache[11], und es äußert sich in leichten Spielen, und umgaukelt die Phantasie[1] mit lachenden Bildern; es erscheint in der Kunst, wie der Abend in der Wirklichkeit; mehr ein leichter rosenfarbener Traum, als bestimmtes Dasein. Am zartesten entfaltet sich die Blüthe des Romantischen[4] in der Novelle; hier sind die Farben am durchsichtigsten, und es ist das bunte[1] Blumenufer, das im stillen Strome sich abbildet..
[21]
Koch, Compos. II (1787), 41 f.
: Einmal hat man gesucht charakteristische[2] Tonstücke einzuführen, deren Charakteristisches[2] nicht Empfindung, sondern Spielwerk für den 〈41〉 Verstand[2] ist. Was thut der Componist der z. B. durch ein Instrumentalstück den Zerstreuten vorstellt? Das Charakteristische[2] seines Tonstücks besteht in etwas äusserlichen; er verbindet Theile zusammen, die eigentlich nicht zusammen gehören; er macht einen ungeraden Rythmus wo wir einen geraden vermuthen, er verwechselt die weiche Tonart ohne Ursache mit der harten, u. s. w. Darinne besteht also das Charakteristische[2] solcher Tonstücke. Wird nun vielleicht (weil der Componist auf keine Empfindung dabey auszugehen scheint) doch wenigstens durch ein solches Stück der Geist[22] des Zuhörers beschäftiget, wird er vielleicht das Vergnügen haben, zu errathen, was der Componist hat vorstellen wollen? Nein, dieses werden die Zuhörer niemals im Stande seyn; daher sucht man es ihnen dadurch im voraus bekannt zu machen, daß man das Charakteristische[2] eines solchen Tonstücks auf den Umschlag und über die Stimmen[10] schreibt. Auf diese Art malt man in der Tonkunst Hypochondristen und Singuhren, Donnerwetter und verliebte Zänkereyen u. d. gl. Anstatt also mit der Kunst auf das Herz zu würken, sucht man den Verstand der Zuhörer mit Witz[1] zu beschäftigen. [...] 〈42〉 [...] Jedoch diese Art des Witzes[1] ist in der Tonkunst noch nicht so allgemein, daß man großen Nachtheil für die Kunst dabey zu besorgen hätte..
[22]
Mnioch, Hell. u. Rom. (1802), 229, V. 124
: Als Ort des Sehnens lieben wir die Welt. | So auch mit Sehnsucht-Düften überhüllt | Die neue[5] Kunst dem Menschen[1] wohl gefällt, | Hellenisch Leben, du bist uns verlohren, | Drum haben das romant'sche[12] wir erkohren. ➢ Volltext.
[23]
Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. II (1830), 280
: Der Architekt, welcher diesen prächtigen Dom [sc. Bath Abbey] baute, hat in Zierrathen und Verhältnissen sich ganz vom Gewöhnlichen entfernt. So steigen z. B., von außen, neben dem Portal, zwei Jakobsleitern mit hinanklimmenden Engeln, bis an das Dach empor, wo sich die Kleinen hinter den Giebeln verlieren. Gar lieblich sind die emsigen Himmelsstürmer anzusehen, und wie mich dünkt, ganz im Geiste[[[[BedeutungsVerweis ID='60' Anzeige='12' Formatierung='1']]]] jener phantasiereichen Architektur erfunden, die das Kindlichste mit dem Erhabensten, den ausgeführtesten Schmuck mit dem grandiosesten Effekt der Massen zu verbinden wußte, und so zu sagen die ganze irdische Natur[[[[BedeutungsVerweis ID='40' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] mit Wald-Colossen und Blumen, mit Felsen und Edelsteinen (die bunten Fenster) mit Menschen und Thieren[[[[BedeutungsVerweis ID='474' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] abbilden wollte, hierdurch aber am sichersten die heilige Stimmung nach jenseits hervorrief. – Mir ist sie immer als die ächt romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]], i. e. ächt deutsche, Bauart vorgekommen, aus unserm eigensten Gemüth entsprossen. Doch glaube ich, sind wir ihr jetzt entfremdet, da eine mehr schwärmerische Zeit[[[[BedeutungsVerweis ID='499' Anzeige='5' Formatierung='1']]]] dazu gehört. Wir können sie wohl noch einzeln bewundern und lieben, aber nichts mehr der Art schaffen, was nicht den nüchternsten Stempel der Nachahmung trüge. Dampfmaschinen und Constitutionen gerathen dagegen jetzt besser, als überhaupt alle Kunst. Jedem Zeitalter das Seine..
[24]
Scheibe, Musik. Compos. (1773), 13
: Das Genie[2] muß den Musikverständigen beleben, die Kunst[10] oder das Studium aber ihn ausbilden. Ohne dieses letztere wird er es in der Musik (man mag sie nun als Wissenschaft oder als Kunst[2] betrachten), er mag so sehr Genie[4] seyn, als es möglich ist, doch nicht weit bringen. Er wird sich und andern bis zum Ekel wiederholen, und seine Zuhörer mit fehlerhaften Geburthen und ungereimten Sätzen, worinn so gar aller Zusammenhang vermisset wird, martern und verdrießlich machen [...]. Ohne Genie[2] aber wird die größte Kunst[8] steif und matt bleiben; weil ohne Feuer und Witz[1] auch die regelmäßigsten Arbeiten die Zuhörer einschläfern oder verjagen werden..
[25]
Schelling, Philos. d. Kunst (
!1803–04), SW I, 5, 383
: Der Wahrheit entspricht die Nothwendigkeit, der Güte die Freiheit[10]. Unsere Erklärung der Schönheit[1], sie sey die Ineinsbildung des Realen und Idealen, sofern sie im Gegenbild dargestellt ist, schließt also auch die in sich: Schönheit[1] ist Indifferenz der Freiheit[10] und der Nothwendigkeit, in einem Realen angeschaut. Wir nennen z. B. schön[1] eine Gestalt, in deren Entwurf die Natur[2] mit der größten Freiheit[10] und der erhabensten Besonnenheit, jedoch immer in den Formen, den Grenzen der strengsten Nothwendigkeit und Gesetzmäßigkeit gespielt zu haben scheint. Schön[1] ist ein Gedicht, in welchem die höchste Freiheit[10] sich selbst wieder in der Nothwendigkeit faßt. Kunst demnach eine absolute Synthese oder Wechseldurchdringung der Freiheit[10] und der Nothwendigkeit. ➢ Volltext.
[26]
Schelling, Philos. d. Kunst (
!1803–04), SW I, 5, 477
: Das Manierirte zeigt sich [...] in dem Verhältniß, das den Figuren zu einander gegeben wird, vorzüglich in dem Eigensinn der Stellungen, aber selbst in der ersten Invention und der unbiegsamen Gewohnheit, alle Sujets von einer gewissen Seite, z. B. der empfindsamen, der geistreichen, oder gar witzigen aufzufassen. Das bloß Geistreiche, ebenso wie der Witz[1], gehört einzig zur sentimentalen[1] Richtung, da die Kunst im großen Styl, selbst bei Aristophanes, eigentlich nie witzig, sondern immer nur groß ist. ➢ Volltext.
[27]
Schelling, Philos. d. Kunst (
!1803–04), SW I, 5, 631
: Die Natur[2] [...] erscheint mehr als geschaffene, die ideale [Welt] als schaffende [...]. Die Natur[2] ist [...] die plastische[2] Seite, ihr Bild ist die Niobe der plastischen[1] Kunst, die mit ihren Kindern erstarrt, die ideale Welt die Poesie[2] des Universums. ➢ Volltext.
[28]
Schiller, Vergnüg. trag. Gegenst. (1792), NA 20, 134
: Für die Würdigung der Kunst ist es [...] vollkommen einerley, ob ihr Zweck ein moralischer sey, oder ob sie ihren Zweck nur durch moralische Mittel erreichen könne, denn in beyden Fällen hat sie es mit der Sittlichkeit zu thun und muß mit dem Sittengesetz im engsten Einverständniß handeln; aber für die Vollkommenheit der Kunst ist es nichts weniger als einerley, welches von beyden ihr Zweck und welches das Mittel ist. Ist der Zweck selbst moralisch, so verliert sie das wodurch sie allein mächtig ist, ihre Freiheit[11], und das, wodurch sie so 〈135〉 allgemein wirksam ist, den Reiz des Vergnügens. Das Spiel verwandelt sich in ein ernsthaftes Geschäft, und doch ist es gerade das Spiel, wodurch sie das Geschäft am besten vollführen kann. Nur indem sie ihre höchste ästhetische Wirkung erfüllt, wird sie einen wohlthätigen Einfluß auf die Sittlichkeit haben; aber nur indem sie ihre völlige Freyheit[11] ausübt, kann sie ihre höchste ästhetische Wirkung erfüllen..
[29]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!1798–99), KAV 1, 131
: Ein Kunstwerk zu beurteilen, bezeichnet ein aktives Verhältnis des Kunstbetrachters gegenüber dem Künstler. Wie ist aber eine Kunstbetrachtung möglich? Sie ist eine Tätigkeit, der innere Eindruck in der Seele ist auch Tätigkeit; aber doch passiv; der Kunstbeurteiler kann seine eigene Empfänglichkeit zum Gegenstande seiner Kunstbeurteilung machen; er reflektiert streng über den empfangenen Eindruck. Er muß, um dies zu können, in Ansehung ihrer außerordentlichen Bedingungen die Tätigkeit des Gemüts in seine Gewalt bekommen. Er muß Eindrücke festhalten können, näher zusammen vereinigen, die jetzigen mit den vorher empfangenen vergleichen. Was bloß von der Stimmung (zufälliger, vorübergehender Eindruck der Empfänglichkeit) herrührt, muß er von der Kunstbeurteilung absondern können. Es findet dabei keine Anwendung des Allgemeinen auf das Einzelne statt, sondern eine Beziehung des Einzelnen auf das Allgemeine; der einzelnen Eindrücke auf die Kunstgesetze. Das Allgemeine der Kunstlehre, worauf sich die Beurteilung des Einzelnen bezieht, ist noch nicht vorhanden, man muß es selbst auf dem Wege der Selbstprüfung finden durch einen philosophischen Instinkt. Empfänglichkeit, selbsttätige Behandlung derselben und die Beziehung des Einzelnen auf ein zu erfindendes Allgemeines durch eine Art philosophischer Divination nennt man Sinn[5], Urteil und Erforschungsgeist. Kritik[1] ist ein unentbehrliches Werkzeug, wodurch die Kunst erst zu einem Objekte der Philosophie verarbeitet wird. Wie durch kritische[1] Selbstbeachtung wird das Gemeinschaftliche in einzelnen Eindrücken gefunden, um dadurch als Kunst betrachtet werden zu können. Die Kunst muß erst durch Philosophie, durch Kritik[1] bearbeitet werden. Die Kritik[1] bleibt immer das Organ[1] ihrer Anwendbarkeit, indem es möglich ist, die Regeln der Philosophie auf die Kunst anzuwenden. .
[30]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 367
: Nach unsrer allgemeinen Ansicht vom Verhältniß der alten[10] und neueren[3] Kunst werden wir auch in der Musik[4] keine gegen die andre herabzusetzen, sondern die Bedeutung ihres Gegensatzes zu verstehen suchen; und da würde sich vielleicht bey näherer Erörterung finden, daß das vorwaltende in der alten[10] Musik[4] eben das war, was in den übrigen Künsten: das plastische[3], rein classische[5], streng begränzende; in der neueren[3] hingegen das pittoreske[2], romantische[4/8] oder wie man es nennen will..
[31]
A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), XIII
: Unter allen Aufgaben der Kritik[2] ist keine schwieriger, aber auch keine belohnender, als eine treffende Charakteristik der großen Meisterwerke. Wie die schöpferische Wirksamkeit des Genius immer von einem gewissen Unbewußtseyn begleitet ist, so fällt es auch der begeisterten Bewunderung schwer und, je ächter sie ist, um so schwerer, zu besonnnener Klarheit über sich selbst zu gelangen. Am besten wird es damit gelingen, wenn die Betrachtung nicht vereinzelt wird, sondern vielmehr den menschlichen Geist[10] in dem Stufengange seiner Entwickelung bis zu dem Gipfel hinauf begleitet. Mit einem Worte[2], die Kunstkritik muß sich, um ihrem großen Zwecke Genüge zu leisten, mit der Geschichte[4], und, so fern sie sich auf Poesie[3] und Litteratur bezieht, auch mit der Philologie verbünden..
[32]
F. Schlegel, Transc. (
1800–01), KFSA 12, 104
: Interessant[1] ist, was sich bezieht auf den innern Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen, oder was zur Gottheit führt. Jedes Individuum kann und darf Geschichte[2] seyn. | Wir haben einen Begriff[4] zu suchen, der das ausdrückt, was interessant[1] im Individuo ist. Es ist der Begriff[4] des Classischen[3]. Man bezog immer diesen Begriff[4], aber mit Unrecht, bloß auf die Kunst. | Bey den Alten[10] bedeutete classisch[3] die Vollendung des Individuums nach seinem eigenen Ideal [...]..
[33]
F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. I (1804), 22 f. (23)
: Das Prinzip [...], nach welchem sie [sc. Griechen] [...] verfuhren, ist durchaus das richtige; indem sie nicht das fehlerfreie, meistens nur das, was keine Kraft hat zum Ausschweifen, für vortrefflich, für gebildet und ewiger Nachbildung würdig hielten; sondern was in seiner Gattung als das Erste, Höchste oder Letzte am kräftigsten 〈23〉 angelegt, oder am kunstreichsten vollendet war, mochte es übrigens dem beschränkten Sinne noch so viel Anstoß geben. Und vortrefflich war die Methode ihres Studiums; ein unaufhörliches, stets von neuem wiederhohltes Lesen der classischen[3] Schriften, ein immer wieder von vorn angefangnes Durchgehen des ganzen Cyklus; nur das heißt wirklich lesen; nur so können reife Resultate entstehen und ein Kunstgefühl, und ein Kunsturtheil, welches allein durch das Verständniß des Ganzen der Kunst und der Bildung[6] selbst möglich ist..
[34]
L. Tieck, Phant. ü. d. Kunst (1799), 101
: Die wahre Schöne, die Größe der Kunst ist unergründlich, sie zieht unser Herz, wo wir sie wahrnehmen, magnetisch an sich, wir fühlen bis in die innersten Tiefen unsre ewige Verwandtschaft, es zuckt wie mit Blitzesschlägen durch unsern Geist[19], wir erkennen das Göttliche, und ringen im schönsten[6] Kampfe darnach, wir streben ein Zeichen von uns zu geben, eine Vergeltung, ein Band, das unzerreißbar die verwandte Erhabenheit an uns ketten soll, und so ergießt sich unsre Sprache[16] in begeisterter Rede, weil wir der〈102〉malen noch durch Organe[1] uns kund geben müssen, und die Kraft der Seele nicht unmittelbar zu den goldenen Aetherbildern emporsteigen kann. ➢ Volltext.
[35]
Winkelmann, Gespr. Kunst (1800), 65
: Ja, es wird immer mehr Ton[4] von der Kunst zu reden, und, wie man es nennt, sich durch die Kunst zu bilden[.].
[36]
Zelter/Goethe, Haydn. Schöpf. (1826), WA I, 41.2, 384
: [H]ierdurch werde ich erinnert, an den Vorwurf zu denken, den man Haydn machen wollen: seine Musik[4] ermangele der Leidenschaft. Hierauf nun erwidere ich Folgendes: Das Leidenschaftliche in der Musik[1] wie in allen Künsten[2] ist leichter als man denkt, schon weil es leichter nachempfunden wird; es ist nicht ursprünglich, die Gelegenheit bringt es hervor, und nach dem Begriffe[1] der Alten[10] verdeckt es die reine Natur[19] und entstellt das Schöne[1]. [...] | Unser Haydn [...] wirkt ohne Hitze, was er wirkt; wer will denn auch erhitzt sein? Temperament, Sinn[6], Geist[20], Humor[3], Fluß, Süße, Kraft und endlich die echten Zeichen des Genies[4]: Naivetät und Ironie[3] müssen ihm durchaus zugestanden werden. Sind nun die hier genannten Elementartheile, welche ohne Wärmestoff nicht denkbar sind, Haydn'sche Eigenheiten, so begrüßen wir seine Kunst[10] als antik[4] im besten Sinne[1], und daß sie modern[4/7] sei, ist unsres Wissens nicht bestritten worden, was auch schwer gelingen möchte, da alle moderne[9] Musik[1] auf ihm ruht..