Wortliste
Adel
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Brief
Buchstabe
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Ironie
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Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Struktur
Semantik
Belege
[1]
G. Forster, Ansichten I (1791), W 2, 451 f. (452): Auf etwas Gemeinschaftliches, auf eine gewisse Übereinstimmung des Gefühls gründet sich indessen doch das Bestreben eines jeden Künstlers, die tiefempfundene Schönheit1 darzustellen. [...] 〈452〉 Weil nun aber das Wesen des Ideals es mit sich bringt, daß es ein Abdruck der sittlichen Vollkommenheit in sinnlich anschaulichen Formen sei; so scheinen zur Hervorbringung eines solchen höchstvollendeten Werkes der menschlichen Kunst dreierlei Requisite in der Person des Künstlers zusammentreffen zu müssen: erstlich, eine reiche Ausstattung mit jenen überlegenen Seelenkräften, in deren Fülle und Harmonie schon individuelle Größe und subjektive Vollkommenheit gegeben ist; zweitens, Schauplatz und Gelegenheit zur zartesten Entwickelung und Ausbildung dieser innern Energie, höchste sittliche Kultur[3]; drittens, hohe Darstellungsgabe und innerer Trieb sowohl, als äußere Veranlassung, sie in Wirksamkeit zu versetzen.
[2] L. Tieck, Herz. (1797 [1796]), 198: Die Muse. | Dieser Jüngling hier war Raphael. | Der Jüngling. Dieser Jüngling? – Unerforschlich, Gott[1]! | Sind Deine Wege, | Unerforschlich die tiefen Wunder der Kunst! | Dieses heitre[1], unbefangne Auge | Sah auf selbsterschaffne Christusbilder, | Madonnen, Heilige und Apostel, | Und alte[2] Weisen, und wilde Schlachten! – | Ach! er scheint nicht älter[3] als ich selber. | Über kleine frohe Spiele scheint er sinnend, | Und das Sinnen wieder scheint ihm Spiel. ➢ Volltext
[3] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 264: Wie weit idealischer lebte ich damals, da ich in unbefangener Jugend und stiller Einsamkeit die Kunst noch 〈265〉 bloß genoß; als itzt, da ich sie im blendendsten Glanze der Welt und von lauter seidenen Kleidern, lauter Sternen und Kreuzen, lauter kultivirten und geschmackvollen Menschen umgeben, ausübe! – Was ich möchte? – Ich möchte all' diese Kultur[4] im Stiche lassen und mich zu dem simplen Schweizerhirten ins Gebirge hinflüchten und seine Alpenlieder, wonach er überall das Heimweh bekömmt, mit ihm spielen.
[4] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 295 f. (296): Freyheit[17] [...], 〈296〉 [...] freye Handlung[1], eine Handlung[1], wodurch die vorgeschriebenen oder eingeführten Schranken überschritten werden; am häufigsten im nachtheiligen Verstande[7]. In einem Gemählde befinden sich große Freyheiten[17], wenn die Regeln der Kunst überschritten worden..
[5] Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (21798), 474 f. (475): Neu[1] [...] 〈475〉 [...], was man vorher noch nicht erfahren, empfunden oder erkannt hatte. Das ist mir nichts Neues[1], das habe ich schon mehrmahls erfahren, oder empfunden. Diese Sache ist mir nicht neu[1], nicht unbekannt. [...] Ein neuer[1] Gedanke, welchen man noch nicht gedacht, oder noch nicht gelesen hat. Neue[1] Gewächse, neue[1] Thiere[1], welche bisher noch nicht bekannt gewesen. Diese Forderung wäre ganz neu[1], ganz unerhört. [...] Ein neuer[1] Gegenstand, in den bildenden Künsten, der noch von niemanden oder doch nicht auf diese Art, behandelt worden. Etwas Neues[1] erzählen, was man noch nicht gewußt hat, besonders wenn es sich vor kurzen zugetragen hat, oder zugetragen haben soll..
[6] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 276: [D]ann fühlte ich daß nichts mich so beglücken kann als die spielende Heiterkeit[4] in Dir, die doch aus innigster warmer Lebensquelle strömt, lieb Kind! – Tanz ist doch edel! – ja gewiß mit die reinste, die erhabenste der Künste! – Denn jede Kunst hat im Geist[20] ihre Apotheose, und Deine heitere[5] Lebensansicht, Deine Gefühle sind tanzende Wendungen nach der lieblichsten Melodie. – Diesmal im Brief[1] spielen Deine Gefühle auf der Schalmei und begleitet der Witz[1] mit dem Triangel dazu.
[7] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 454: Es ist nicht Noth in der Kunst das Vortreffliche anzuschaffen, es ist Noth das Schlechte, Falsche, Verkehrte abzuschaffen, denn alles Vortreffliche erblühet aus dem Rechten und Wahren. – Die Freiheit[17] ist die Blüthe des Gesetzes, der Tod aller darstellenden Kunst aber ist die Eitelkeit und Selbstgefälligkeit, und ich werde mir es niemals nehmen lassen, daß einst die strenge, grausam scheinende bürgerliche Verachtung der Schauspieler ein Hausmittel der Geschichte[1] war vortreffliche Künstler zu haben. ➢ Volltext.
[8] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 396 f.: Die Verknüpfung zweier Sprachsphären, welche gleichtönen, wobei aber eine bestimmte Betrachtung der Bedeutung beider vorkommt, heißt ein Wortspiel, und dieses ist die Fundamentalfigur aller übrigen musikalisch[3]-poetischen[4] Sprachfiguren. Das Wortspiel ist der Witz[4] der Sprache[1], und an seiner Vortrefflichkeit kann nur der zweifeln, der überhaupt damit unbekannt ist, was der Witz[4] sei und bedeute, und vielleicht den ärmlichen Begriff[1] mit sich herumträgt: daß er nur ein Zeitvertreib, und die untergeordnete, unbedeutendere, heitere[5] Wahrheit sei. Allein weit entfernt diese geringe Gattung des Witzes[4] für sein Wesen zu halten; muß man vielmehr die Sache gradezu umkehren, und das Wesen der Wahrheit darin setzen, daß sie Witz[4] sey. Denn alle Wissenschaft ist Witz[4] des Verstandes, alle Kunst, Witz[4] der Phantasie[1], und jeder einzelne witzige Einfall wird nur dadurch zu einem solchen, daß er an den 〈397〉 Witz[4] der Wahrheit überhaupt erinnert. Damit man aber diese Stelle über den Witz[4], nicht etwa für witzelnd, sondern weil sie Wahrheit enthält, auch für witzig halte: so überlege man folgendes. Die Wissenschaft auf ihrem höchsten Standpunkte lehrt eine absolute Einheit eine unbedingte Identität alles mit allem. An diese ewige Consonanz des Weltalls, an diese heterogene Homogeneität, erinnert jede ernste und heitere[5], jede erhabene und burleske Stimmung, der Witz[4] ist der Blitz, welcher eine einzelne Stelle in dem großen Ganzen erleuchtet, und diese Identität im Einzelnen heraustreten läßt, und daher ist ein jeder Witz[4], indem er an das Höchste erinnert, erhaben. Je kleiner freilich die erleuchtete Stelle ist, je flüchtiger und vorübergehender der Eindruck, und der gesellige Witz[4] ist mehrentheils nur ein Wetterleuchten, welches das Dasein einer Region anzeigt, in welcher ein Blitz möglich wäre. Der ächte und große Witz[4] wohnt in der Wissenschaft, in der Kunst und dem Leben; und da nun die Sprache[1] das Organ[1] von allen diesem ist: so sieht man leicht ein, daß durch das Wortspiel, wie es zum Beispiel Shakespear gebraucht, oder Aristophanes, Andeutungen können hervorgebracht, Effekte erregt, Empfindungen angeschlagen werden, die nur durch dieses Medium möglich sind, welche sich wie die Musik, körperlich durch das Ohr[2] in den Geist[19] ergießen. ➢ Volltext.
[9] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 445: Durch die ganze Natur[2] und Menschheit[2] fluthet ewig derselbe Strom, den unendlichen nimmt keine Brust in sich auf, liebevoll schließt sie sich an das einzelne, und sucht und findet da die Gottheit. Sie predigt der Strohhalm, wie die ewigen Sterne[1] sie verkündigen, und sollte sie nicht in der Sprache[1] dem Organ[1] der Geselligkeit der Wissenschaft[1] und der Kunst wohnen?.
[10] S. Boisserée, Denkm. Baukunst (1833), I: Bei dieser Auswahl habe ich nicht nur das kirchliche, sondern auch das klösterliche und städtisch-bürgerliche Bauwesen, so wie die verschiedenen Künste berücksichtigt, welche dabei mitgewirkt haben; hauptsächlich hatte ich aber dabei den Zweck im Auge, eine Reihe von Denkmalen aufzustellen, an denen man die wesentlichsten Veränderungen, welche während dem genannten Zeitraum in der romanischen[4] Baukunst statt gefunden, nachweisen, und dadurch den Uebergang zu der so ganz von ihr verschiedenen deutschen[4] Baukunst begreiflich machen kann..
[11] Börne, Brf. Paris I (1832), 120: Sonntag habe ich einem Conzerte im Conservatoire beigewohnt. Ein junger Componist, Namens Berlioz, [...] ließ von seinen Compositionen aufführen; das ist ein Romantiker[3]. [...] Mir hat alles sehr gefallen. Eine merkwürdige Symphonie, eine dramatische in fünf Acten, natürlich blos Instrumental-Musik; aber daß man sie verstehe, ließ er wie zu einer Oper einen die Handlung[3] erklärenden Text drucken. Es ist die ausschweifendste Ironie[1], wie sie noch kein Dichter[1] in Worten[2] ausgedrückt, und alles gottlos. Der Componist erzählt darin seine eigene Jugendgeschichte. Er vergiftet sich mit Opium und da träumt ihm, er hätte die Geliebte ermordert, und würde zum Tode verurtheilt. Er wohnt seiner eigenen Hinrichtung bei. Da hört man einen unvergleichlichen Marsch, wie ich noch nie einen gehört. Im letzten Theile stellt er den Blocksberg vor, ganz wie im Faust, und es ist alles mit Händen zu greifen. Seine Geliebte, die sich seiner unwürdig zeigte, erscheinet auch in der Walpurgisnacht; aber nicht wie Gretchen in Faust, sondern frech, Hexenmäßig ..... In der Kunst und Literatur wie in der Politik, gehet die Frechheit der Freiheit[13/6] vor〈121〉aus. Das muß man zu würdigen wissen, um die jetzigen französischen Romantiker[3] nicht ungerecht zu verurtheilen. Sie sind oft rein toll, und schreiben Sachen, wie man sie im romantischen[7] Deutschland niemals lies't..
[12] Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 357: Die pantomimische Tanzkunst, deren Darstellungen ohne Worte[2] bloß durch Bewegungen und Gebehrden geschahen, hat, nach den Beschreibungen der Alten[10] zu urtheilen, zu den Zeiten[3] Augusts in Rom auf dem höchsten Gipfel ihrer Größe gestanden; man tanzte eben so wohl tragische als komische Stücke. [...] In den neuern[5] Zeiten[3] hat der berühmte Noverre diese Kunst wieder auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit gehoben (vergl. Ballet); und wenn er in seinen über diesen Gegenstand herausgegebenen Briefen[3] [sc. Lettres sur la danse et sur les ballets, Lyon/Stuttgart 1760] gesteht, daß die Kunst der Pantomime zu unsern Zeiten[3] das nicht mehr leisten könne, was sie zu den Zeiten[3] Augusts geleistet, so hat er sich durch die übertriebnen Ideen täuschen lassen, die man sich nach den Lobschriften der Alten[10] von ihrer Pantomime zu machen pflegt..
[13] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 132: Die Verdienste dieses würdigen Tonkünstlers [sc. J. F. Reichardt] können nicht geläugnet werden. Seine Opern sind, wenn auch nicht immer originell, doch größten Theils sehr schön. Seine Chöre haben viel Erhabenes, und fast immer ist die Musik dem Texte angemessen. Er hat übrigens durch die scharfen Kritiken[5], die er als Schriftsteller über seine Kunst ergehen ließ, vielleicht in den Augen manches Tonkünstlers von seinem Werthe als Mensch verloren. Daß er auch in andern Fächern als Schriftsteller aufgetreten ist, hat das Journal Frankreich gelehrt. Wir unternehmen es nicht, die Aussprüche der Kritik[8] über diese Nebenarbeiten anzuführen und abzuwägen..
[14] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 437: Classisch[3] und Classiker[4] wurden zuerst diejenigen Bürger des alten[10] Roms genannt, welche zufolge der durch den König Servius Tullius, 578–534 v. Chr., angeordneten Eintheilung des Volkes[4] in sechs Vermögensclassen, in die erste Classe[1] gehörten. Nach Wiederherstellung des Studiums der aus dem Alterthume[3] übrigen Schriftsteller wurden aber beide Ausdrücke auf die griech.[2] und röm. Autoren im Allgemeinen angewandt und man legte ihren gesammten Schriften, im Gegensatze zur neuern[5] oder romantischen{12], den Namen der classischen[7] Literatur bei, obgleich Vieles nicht als classisch[3], d. h. durch seine äußere und innere Vollendung in die erste Classe[1] gehörend, betrachtet werden kann. Auch die Schöpfungen der Kunst der Alten[10] werden classisch[7] genannt, und insofern man darunter die innere und äußere Vollendung und musterhafte Ausführung eines Schrift- oder Kunstwerks[4] versteht, besitzt auch die neuere[5] Zeit[3] ihre classischen[3] Schriftsteller und Künstler..
[15] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 559: Das Wiederaufleben der bildenden Künste seit dem Ende des vorigen Jahrh. ist im Allgemeinen auch als eine Folge der vorhergehenden Glanzperiode deutscher Poesie[1] und Literatur zu betrachten; eigenthümliche Verdienste erwarben sich aber darum J. J. Winckelmann und Mengs [...]. Neben der vom Erstern angeregten antiken[3] Richtung machte sich aber bald eine nationalalterthümliche, auch romantische[14] genannt, geltend, welche die Anknüpfungspunkte ihres Strebens vorzüglich im Mittelalter sucht, während eine dritte, die moderne[10], Gegenstände und Formen ihrer begeisterten Auffassung vorzugsweise unter den gewöhnlichen Erscheinungen der Natur wählt. .
[16] Fichte, Grundzg. d. Zeitalt. (1806), SW 7, 58: Die erste, unter der Menschheit[2] am frühesten ausgebrochene, und dermalen am weitesten verbreitete Art jenes Ausflusses der Urthätigkeit ist die in Materie ausser uns vermittelst unserer eigenen materiellen Kraft: und in dieser Art des Ausflusses besteht die schöne[2] Kunst[1]. Ausfluss der Urthätigkeit, 〈59〉 habe ich gesagt, – der nur aus sich selber strömenden und sich selbst genügenden, keinesweges der auf Erfahrung und Beobachtung in der Aussenwelt sich stützenden; diese letztere giebt nur das individuelle, und darum unedle und hässliche[1], welches schon um das Einemal, da es in der Wirklichkeit da ist, zu viel da ist, durch dessen Wiederholung sonach und Vervielfältigung durch die Kunst[2] ein schlechter Dienst geleistet werden würde..
[17] G. Forster, Menschenraßen (1786), W 2, 100: Weisser! der du so stolz und selbstzufrieden wahrnimmst, daß wohin du immer drangst, Geist[12] der Ordnung und Gesetzgebung den bürgerlichen Vertrag begründeten, Wissenschaft und Kunst den Bau der Kultur[4] vollführen halfen; der du fühlst, daß überall im weiten volkreichen Afrika die Vernunft[1] des Schwarzen nur die erste Kindheitsstufe ersteigt, und unter deiner Weisheit erliegt – Weisser! du schämst dich nicht am Schwachen deine Kraft zu misbrauchen, ihn tief hinab zu deinen Thieren[1] zu verstossen, bis auf die Spur der Denkkraft in ihm vertilgen zu wollen? Unglücklicher! von allen Pfändern, welche die Natur[2] deiner Pflege anbefohlen hat, ist er das edelste..
[18] G. Forster, Leitfad. Gesch. d. Menschh. (1789), 282: Nur solche Völker[1], die in ihrer früheren Periode der Wollust glücklich entgangen, und in den Armen der Freiheit[6] zu männlicher Stärke herangewachsen sind, können und müssen zulezt den höchsten Gipfel der Bildung[5] ersteigen, wo die ganze Energie unseres Wesens sich in den feineren Werkzeugen der Empfindung und des Verstandes[2] am thätigsten erweiset. Nur dreimal, nur in Europa, und jedesmal in anderer Gestalt erblickte die Welt das Schauspiel dieser lezten Ausbildungsstufe. Einzig und unerreichbar erhob Athen zuerst ihr stolzes Haupt, da blühende Fantasie[1] und reiner Schönheitssinn in ihr die Erstlinge der Kunst und Wissenschaft[1] erzeugten. Rom war nicht mehr frei[6], und die Beute der halben Welt hatte daselbst bereits das zügelloseste Sittenverderbniß angezündet, als es die Trümmer attischer Kultur[4] in seinem Schooß aufnahm, und glänzender durch Ueppigkeit als durch hohen Schwung des Genies[2], für seine künftigen Ueberwinder sie aufbewahrte. Schon war der sanfte Frühlingszauber von Duft und Blüte dahin, und die Periode römischer Aufklärung glich einem schwülen Sommertage, den am Abend ein Donnerwetter beschließt. Uns endlich, der Nachkommenschaft eines glücklichorganisirten Barbarenstammes, bei dem hernach das romantische[2/7] Feuer des Rittergeistes so schön[6] aufloderte, uns bleibt der Herbst mit seinen reifen Früchten noch übrig; wir ernten und keltern und füllen unsere 〈283〉 Scheuren, der Himmel weis, für welchen bevorstehenden Winter!.
[19] G. Forster, Kunst u. Zeitalt. (1791), 101: Doch es ist mehr als Hypothese, [...] daß auf jenen edlen Zeitpunkt, da das Feuer der Begeisterung[1] die Menschheit[2] ergriff, ihr Sinn[5] sich aufschloß dem Schönen[1], sich nährte von den Rhapsodien des Dichters[1] und des plastischen Künstlers[1] – die größte aller Veränderungen in ihr erfolgte. Die Kunst ward die Pflegerin der Wissenschaft[1]. Das schöne[1] Ebenmaas ihrer Bilder erzeugte jene abgezogenen Begriffe[1], mit denen der Mensch[2] das Sinnenall umfaßte und bald auch die unabsehbaren Gefilde der intellektuellen Sittenwelt durchdrang. Wo der Künstler[1] innig gefühlt, kühn geahndet[3] und glücklich dargestellt hatte, dort bestimmte nun der Denker die Regeln des Vollkommenen, der Symmetrie und Übereinstimmung, dort abstrahirte er die ganze Kritik[1] der Kunst. Jetzt also demonstrirte und begriff man die Tugend, das liebenswürdige Sittlichschöne, welches man bis dahin in dem Rhythmus des Sängers, in des Bildhauers oder des Malers Zauberwerken empfand. Allein indem der menschliche Geist[19] sich seiner freyesten[10] Thätigkeit und insbesondere die Vernunft[1] sich ihrer höchsten Entwickelung nahte, gieng unvermerkt die ästheti〈102〉sche Empfänglichkeit verloren. Der geistreichste Schriftsteller unseres Jahrhunderts hat irgendwo so fein als richtig bemerkt, daß auf ein geniereiches Zeitalter nur ein scharfsinniges folgen kann, und modernes[1] Verdienst nur in der Zergliederung des Verdienstes der Alten[10] besteht..
[20] C. D. Friedrich, an J. K. H. Schulze (8. 2. 1809), Z, 53: [Caspar David] F[riedrich] ist ein abgesagter Feind, des sogenannten Contrastes. Sich durch Widersprüche aussprechen zu wollen, findet er verrückt (so nehmen ja die groben platten Menschen den Contrast) Jedes wahrhafte Kunstwerk muß nach seiner Meynung einen bestimmten Sinn[2] aussprechen; das Gemüth des Beschauers entweder zur Freude oder zur Trauer, zur Schwermuth oder zum Frohsinn bewegen, aber nicht alle Empfindungen, wie mit einem Quirl, durch einandergerührt, in sich vereinigen wollen. Eins muß das Kunstwerk nur sein wollen, und dieser eine Wille muß sich durch's Ganze führen, und jeder einzle Theil desselben, muß das Gepräge des Ganzen haben; und nicht wie viele Menschen, sich hinter schmeichelnden Worten[2] mit heimtükischer Bosheit verstecken. | Contrast, sprecht ihr, das ist die Regel aller Regeln, das Grundgesetz der Kunst. Doch nur für euch, die ihr Contrast vom Geist[32], nur Körper seid! da paßts!.
[21] Goethe, an E. Th. Langer (27. 10. 1773), WA IV, 2, 115: Meine Gesundheit nahm, seitdem Sie mich verließen, immer zu, aber weil sie mir doch nicht erlauben wollte, im bürgerlichen Leben meine Rolle zu spielen [...], so habe ich dem Trieb der Wissenschafften und Künste gefolgt, und nicht ehe geruht, biss ich glaubte, mich darstellen zu dürfen. Ich habe [sc. mit dem Götz von Berlichingen] sogleich an die Herzen des Volks[5] angefragt, ohne erst am Stapel der Kritik[8] anzufahren..
[22] Goethe, Wilh. Meister IV (1795), WA I, 22, 19: Wenn wir am besten gespielt haben, hat uns niemand zugehört: alles war lauter Parteilichkeit. Wem man günstig war, der gefiel, und man war dem nicht günstig, der zu gefallen verdiente. Es war nicht erlaubt, wie oft das Alberne und Abgeschmackte Aufmerksamkeit und Beifall auf sich zog. | Wenn ich abrechne, versetzte Wilhelm, was Schadenfreude und Ironie[1] gewesen sein mag; so denk' ich, es geht in der Kunst, wie in der Liebe. Wie will der 〈20〉 Weltmann bei seinem zerstreuten Leben die Innigkeit erhalten, in der ein Künstler bleiben muß, wenn er etwas Vollkommenes hervorzubringen denkt, und die selbst demjenigen nicht fremd[4] sein darf, der einen solchen Antheil am Werke nehmen will, wie der Künstler ihn wünscht und hofft. .
[23] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 8: Ferner ist es gerade die Freiheit[5/13] der Produktion und der Gestaltungen, welche wir in der Kunstschönheit genießen, wir entfliehen, so scheint es, bei ihrer Hervorbringung und bei Anschauung derselben der Fessel der Regel und des Geregelten; vor der Strenge des Gesetzmäßigen und der finstern Innerlichkeit des Gedankens suchen wir Beruhigung und Belebung in den Gestalten der Kunst, gegen das Schattenreich der Idee, heitere[5], kräftige Wirklichkeit. ➢ Volltext.
[24] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 84: [A. W. und F. Schlegel] verfielen [...] darein, [...] sich [...] mit Keckheit für eine schiefe Richtung und untergeordnete Standpunkte als für das Höchste enthusiasmirt zu zeigen. | Aus dieser Richtung, und besonders den Gesinnungen und Doktrinen Friedrich's von Schlegel, entwickelte sich [...] in mannigfacher Gestalt die sogenannte Ironie[3]. Ihren tieferen Grund fand dieselbe, nach einer ihrer Seiten hin, in der fichteschen Philosophie, insofern die Principien dieser Philosophie auf die Kunst angewendet wurden. Friedrich von Schlegel wie Schelling gingen von dem fichteschen Standpunkt aus, Schelling um ihn durchaus zu überschreiten, Friedrich v. Schlegel um ihn eigenthümlich auszubilden, und sich ihm zu entreißen. Was nun den näheren Zusammenhang fichtescher Sätze mit der einen Richtung der Ironie[3] angeht, so brauchen wir in dieser Beziehung nur den folgenden Punkt herauszuheben, daß Fichte zum absoluten Princip alles Wissens, aller Vernunft und Erkenntniß das Ich feststellt, und zwar das durchaus abstrakt und formell bleibende Ich. Dies Ich ist nun dadurch zweitens schlechthin in sich einfach, und einer Seits jede Besonderheit, Bestimmtheit, jeden Inhalt in demselben negirt – denn alle Sache geht in diese abstrakte Freiheit[10] und Einheit unter – anderer Seits ist jeder Inhalt, der dem Ich gelten soll, nur als durch das Ich gesetzt und anerkannt. Was ist, ist nur durch das Ich, und was durch mich ist, kann Ich ebenso sehr auch wieder vernichten. ➢ Volltext.
[25] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 202: Wir können [...] die heitere[4] Ruhe und Seligkeit, dieß Sichselbstgenügen in der eigenen Beschlossenheit und Befriedigung als den Grundzug des Ideals an die Spitze stellen. Die ideale Kunstgestalt steht wie ein seliger Gott[4] vor uns da. Den seligen Göttern[4] nämlich ist es mit der Noth, dem Zorn und Intresse in endlichen Kreisen und Zwecken kein letzter Ernst, und dieses positive Zurückgenommenseyn in sich bei der Negativität alles Besonderen giebt ihnen den Zug der Heiterkeit[3] und Stille. In diesem Sinne[1] gilt das Wort[2] Schillers: „Ernst ist das Leben, heiter[4] ist die Kunst.“ Zwar ist häufig genug pedantisch hierüber gewitzelt worden, da die Kunst überhaupt und vornehmlich Schillers eigene Poesie[11] von der ernstesten Art sey, – wie denn die ideale Kunst auch in der That des Ernstes nicht entbehrt, – aber in dem Ernste eben bleibt die Heiterkeit[3] in sich selbst ihr wesentlicher Charakter[1]. Diese Kraft der Individualität, dieser Triumph der in sich koncentrirten konkreten Freiheit[10] ist es, den wir besonders in antiken[2] Kunstwerken[2] in der heiteren[4] Ruhe ihrer Gestalten erkennen. ➢ Volltext.
[26] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 263 f.: Die innere Vorstellung [...] kann in Zerrissenheit weit mehr ertragen als die unmittelbare Anschauung. Die Poesie[11] hat deshalb das Recht nach Innen fast bis zur äußersten Qual der Verzweiflung und im Aeußern bis zur Häßlichkeit als solcher fortzugehn. In den bildenden Künsten aber, in der Malerei und mehr noch in der Skulptur steht die Außengestalt fest und bleibend da, ohne wieder aufgehoben zu werden, oder als flüchtig vorübergeführt, so〈264〉gleich wieder zu verschwinden. Hier würde es ein Verstoß seyn das Häßliche[1], wenn es keine Auflösung findet, für sich festzuhalten. Den bildenden Künsten ist deshalb nicht alles das erlaubt, was in der dramatischen Poesie[11], insofern sie es nur augenblicklich erscheinen und sich wieder entfernen läßt, sehr wohl zu gestatten wäre. ➢ Volltext.
[27] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 311 f.: Aus dem Bereiche der Kunst [...] sind die dunklen Mächte grade zu verbannen, denn in ihr ist nichts dunkel, sondern Alles klar und durchsichtig, und mit jenen Uebersichtigkeiten [sc. Darstellungen von Personen mit ,zweitem Gesicht‘] ist nichts als der Krankheit des Geistes[19] das Wort[2] geredet, und die Poesie[11] in das Nebulose, Eitle und Leere hinübergespielt, wovon Hoffmann und Heinrich 〈312〉 von Kleist in seinem Prinzen von Homburg Beispiele liefern. [...] Die Gesundheit des Charakters[2] [...] mit der Krankheit des Geistes[19] vertauschen zu müssen, um Kollisionen hervorzubringen und Interesse zu erregen ist immer unglücklich; deshalb ist auch die Verrücktheit nur mit großer Vorsicht anzuwenden. | An solche Schiefheiten, welche der Einheit und Festigkeit des Charakters[2/7] entgegenstehn, können wir auch noch das Princip der neueren Ironie[1/3] sich anschließen lassen. Diese falsche Theorie hat die Dichter verführt in die Charaktere[7] eine Verschiedenheit hineinzusetzen, welche in keine Einheit zusammengeht, so daß sich jeder Charakter[7] als Charakter[2] zerstört. Tritt ein Individuum zunächst auch in einer Bestimmtheit auf, so soll dieselbe gerade in ihr Gegentheil überschlagen, und der Charakter[7] dadurch nichts als die Nichtigkeit des Bestimmten und seiner selbst darstellen. Dieß ist von der Ironie[4] als die eigentliche Höhe der Kunst angenommen worden, indem der Zuschauer nicht müsse durch ein in sich affirmatives Interesse ergriffen werden, sondern darüber zu stehen habe, wie die Ironie[3/4] selbst über Alles hinaus ist. – In diesem Sinne hat man denn auch Shakspearesche Charaktere[7] erklären wollen. [...] 〈313〉 [...] Jetzt [...] machen sie [...] Shakspeare's Charaktere[7] gespenstig, und meinen, daß die Nichtigkeit und Halbheit im Schwanken und Uebergehn, daß diese Quatschlichkeit eben für sich interessiren müsse. Das Ideale aber besteht darin, daß die Idee wirklich ist, und zu dieser Wirklichkeit gehört der Mensch als Subjekt und dadurch als in sich festes Eins. ➢ Volltext.
[28] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 537: Im Epischen war es, wie wir sahen, der Dichter, welcher durch verweilende ausmalende Gleichnisse dem Zuhörer die theoretische Ruhe, welche die Kunst erfordert, mitzutheilen beflissen ist; im Dramatischen erscheinen dagegen die handelnden Personen selber als die Dichter und Künstler, indem sie sich ihr Inneres zu einem Gegenstande machen, den sie zu bilden und zu gestalten kräftig bleiben, und uns dadurch den Adel[5] ihrer Gesinnung und die Macht ihres Gemüths kund thun. ➢ Volltext.
[29] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 466: Den Grund für die allgemeine Gruppirung der vielfachen nationalen und individuellen lyrischen Produkte haben wir [...] aus den durchgreifenden Formen zu entnehmen, zu denen sich das künstlerische Hervorbringen überhaupt entfaltet, und welche wir als die symbolische, klassische[3] und romantische[9] Kunst haben kennen lernen. Als Haupteintheilung müssen 〈467〉 wir [...] dem Stufengange folgen, der uns von der orientalischen[1] zu der Lyrik der Griechen und Römer, und von dieser zu den slavischen, romanischen[2] und germanischen Völkern[1] herüberführt. ➢ Volltext.
[30] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 502: Ein solches Publikum[4] [...], wie es sich als Kollektivum zum Richterspruche versammelt, ist höchst gemischter Art; verschieden an Bildung[5], Interessen, Gewohnheiten des Geschmacks, Liebhabereien u. s. f., so daß hin und wieder sogar, um vollständig zu gefallen, ein Talent im Schlechten und eine gewisse Schamlosigkeit in Rücksicht auf die reinen Forderungen echter Kunst nöthig seyn kann. ➢ Volltext.
[31] Heinse, Musik. Dialog. (1805), 95: Ihnen ist noch nicht bekannt, daß die Künste und Wissenschaften und das Genie[2] den Menschen allein adeln; könnt ihr es ihnen verdenken, daß sie Ahnen, Geld und Aemter für Verdienste halten?.
[32] Herder, Krit. Wäld. III (1769), 397: Die vortreflichste Bildersprache war ihr [sc. der griechischen Nation]. Sie, die im Plane des Schicksals der Völker[1] zunächst hinter die Aegypter trafen, und Cultur[4], Kunst[1/2/6?] und Weisheit, ja wenn man will, auch Politische Glückseligkeit aus den Händen dieses Reichs [...] empfangen, sie, die den über Völker[1] und Zeiten fortgehenden Faden der Cultur[3] des Menschlichen Geschlechts da auffassen sollten, wo er zunächst aus Aegyptischen Händen kam: sie erbten von diesen Allegoristen auch die reichste, die bedeutendste Bildersprache, die auf der Welt gewesen. .
[33] Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 38: Ich glaube, der Stand, in den ich Griechenland stelle, trägt auch bei, „den ewigen Streit über die Originalität der Griechen oder ihre Nachahmung fremder[1] Nationen[1]“ etwas zu entwirren: man hätte sich wie überall, also auch hier, lange vereinigt, hätte man sich nur besser verstanden. Daß Griechenland Samenkörner der Kultur[4], Sprache[3], Künste und Wissenschaften[2] anderswoher erhalten, ist, dünkt mich, unläugbar, und es kann bey einigen, Bildhauerey, Baukunst, Mythologie, Litteratur, offenbar gezeigt werden. .
[34] Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 66 f.: Unter frischem Himmel, in der Wüste und Wilde, wo es niemand vermuthete, reifte ein Frühling starker, nahrhafter Gewächse, die in die schönern[4], südlichern Länder [...] verpflanzt neue[1] Natur[1] annehmen, große Ernte fürs Weltschicksal geben sollte! Gothen, Vandalen, Burgunden, Anglen, Hunnen, Herulen, Franken und Bulgaren, Sklaven und Longobarden [...] verachteten [...] Künste und Wissenschaften[2], Ueppigkeit und Feinheit [...]; aber wenn 〈67〉 sie statt der Künste, Natur[19]: statt der Wissenschaften[2], gesunden nordischen Verstand[3], statt der feinen, starke und gute, obgleich wilde Sitten brachten, und das alles nun zusammen gährte – welch ein Eräugniß! [...] Ihr späteres Ideal über die Bedürfnisse hinaus – es gieng auf Keuschheit und Ehre, veredelte den besten Theil der menschlichen Neigungen: obgleich Roman[4], so doch ein hoher Roman[4]: eine wahre neue[1] Blüthe der menschlichen Seele..
[35] Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 91: Endlich folgte, wie wir sagen, die Auflösung, die Entwickelung: lange ewige Nacht klärte sich in Morgen auf: es ward Reformation, Wiedergeburt der Künste, Wissenschaften, Sitten! – die Hefen sanken; und es ward – unser Denken! Kultur[3/4]! Philosophie! on commencoit à penser comme nous pensons aujourd'hui: on n'etoit plus Barbare. | 〈92〉 Keinen Zeitpunkt der Entwickelung des menschlichen Geistes[11] hat man schöner[6] beschrieben als diesen!.
[36] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 62: Man erstaunt über die Menge der Künste[1/2] und Gewerbe, die man in den Nachrichten der Ebräer, schon von den frühesten Zeiten[3] an, mehreren kleinen Nomadenvölkern dieser Gegend [sc. Vorderasien] gemein findet. [...] Den Ackerbau mit mancherlei Geräthen, die Gärtnerei, Fischerei, Jagd, insonderheit die Viehzucht, das Mahlen des Getreides, das Backen des Brots, das Kochen der Speisen, Wein, Oel, zur Kleidung die Bereitung der Wolle und der Thierhäute, das Spinnen, Weben und Nähen, das Färben, Tapetenmachen und Sticken, das Stempeln des Geldes, das Siegelgraben und Steinschneiden, die Bereitung des Glases, die Korallenfischerei, den Bergbau und das Hüttenwesen, mancherlei Kunstarbeiten in Metall, im Modellieren, Zeichnen und Formen, die Bildnerei und Baukunst, Musik[1] und Tanz, die Schreib- und Dichtkunst, Handel mit Maas und Gewicht, [...] Gesetze, Gerichte, Gottesdienst, Contrakte, Strafen und eine Menge sittlicher Gebräuche, alles dies finden wir bei den Völ〈63〉kern[1] des Vorder-Asiens so früh' im Gange, daß wir die ganze Cultur[7/4] dieses Erdstrichs für den Rest einer gebildeten Vorwelt ansehen müßten, wenn uns auch keine Tradition darauf brächte. Nur die Völker[1], die der Mitte Asiens weit entlegen, in der Irre umherzogen; nur sie sind barbarisch und wilde geworden, daher ihnen auf mancherlei Wegen früher oder später eine zweite Cultur[3] zukommen mußte..
[37] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 163 f.: Allerdings [...] gaben die republicanischen Verfassungen, die mit der Zeit[1] überall in Griechenland eingeführet wurden, der Kunst einen weitern Raum. In einem Gemeinwesen waren Gebäude zur Versammlung des Volks[1], zum öffentlichen Schatz, zu gemeinschaftlichen Uebungen und Vergnügungen nöthig, und so entstanden z. B. in Athen die prächtigen Gymnasien, Theater und Galerien, das Odeum und Prytaneum, der Pnyx u. f. Da in den griechischen[2] Republiken alles im Namen des Volks[1] oder der Stadt getrieben ward: so war auch nichts zu kostbar, was auf die Schutzgötter derselben oder auf die Herrlichkeit ihres Namens verwandt wurde, dagegen einzelne, selbst die vornehmsten Bürger sich mit schlechteren Häusern begnügten. Dieser Gemeingeist, alles wenigstens dem Scheine nach für das Ganze zu thun, war die Seele der griechischen[2] Staaten, den ohne Zweifel auch Winckelmann meinte, wenn er die Freiheit[6] der 〈164〉 griechischen[2] Republiken als das Goldne Zeitalter der Kunst pries. Pracht und Größe [...] flossen in dem zusammen, was den Staat anging. [...] Perikles [...] that mehr für die Künste, als zehn atheniensischen Könige würden getan haben. Alles was er bauete, war im großen Geschmack, weil es den Göttern[4] und der ewigen Stadt gehörte; und gewiß würden wenige der griechischen[2] Städte und Inseln solche Gebäude errichtet, solche Kunstwerke[4] befördert haben, wenn sie nicht voneinander getrennte, im Ruhm wetteifernde Freistaaten gewesen wären. Da überdem bei demokratischen Republiken der Führer des Volks[1] dem Volk[1] gefallen mußte, was wählte er lieber als die Gattung des Aufwandes, die nebst dem Wohlgefallen der Schutzgötter auch dem Volk[1] in die Augen fiel und viele Menschen[1] nährte?.
[38] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 43: Adel[2]. Fast bei allen Völkern[1] der alten[9] und neuen[5] Welt, findet man, sobald sie sich ein Wenig über die Stufe der eigentlichen Wildheit erhoben haben, sobald die Cultur[3] eine günstige Veränderung in ihrem Zustande macht, und sie sich unter ein religiöses und moralisches Gesetz beugen, eine Klasse[2] von Menschen[1], welche gewisse Vorrechte vor den andern genießt, welche die Wissenschaften[2], die Künste, so weit sie bei dem Volke[1] ausgebildet sind, besitzt, und 〈44〉 nicht selten auf die Regierung den größten Einfluß hat. So war es in Otaheite, in Indien, in Mexiko, in Afrika, so war und ist es noch jetzt in Europa. Woher diese Rechte der einen Klasse[2] stammen, möchte vielleicht gar nicht zu ergründen sein, wenigstens ist man, so viel auch schon darüber geschrieben wurde, zu keinem Resultat gekommen..
[39] Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), 171: [J]ener Grundsatz, der die Vollkommenheit der Kunst[10] unter den Griechen von der Freyheit[6] ableitet, erfordert, wenn er zutreffen soll, so viele Erweiterungen und Einschränkungen, daß am Ende wenig davon übrig bleibt. Allerdings kann die Freyheit[6] von Umständen begleitet werden, welche die Künstlergenies erwecken können: als, Begeisterung der Ruhmbegierde; aber Freyheit[6] an und für sich kann ein unthätiger, träger, tämischer Zustand seyn; er kann auch von so vielen Unruhen und Bedrängnissen, physischer, sittlicher und politischer Art, beenget werden, daß Kunst[2] und Wissenschaft wenig Eingang finden. Die Freyheit[6] der Griechen ist überdies ein so unbestimmtes, und nach verschiedenen Gegenden und Zeiten[3] Griechenlands so vielartiges Ding, daß alles schwankend wird, was man darauf bauet. Ganz anders war man frey in Athen, anders zu Sparta, zu Theben, und noch anders in den ruhigen Gefilden von Phocis und Doris, von Elis und Arcadien; und hier ist die Kunst[2] nie 〈172〉 hochgestiegen. ➢ Volltext.
[40] Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), 172: Wohlhabenheit und Prachtliebe sind überhaupt unentbehrliche Bedingungen, wenn Künste emporkommen sollen; beyde können in politischer Freyheit[6] und unter politischer Sklaverey erwachsen, bey Einfalt der Sitten und bey Verfeinerung und Ueppigkeit statt finden, aus Eroberung und Beute, und durch Handlung[4] und Schiffahrt, hervorgebracht werden, und 〈173〉 können verhältnißweise nach vielen Stufen auf einerley Weise wirken; beyde können das Antheil von mehrern, oder nur von einigen im Staate, seyn; einen merklichen Unterschied macht es blos, ob den Gebrauch davon jeder für sich, oder alle für den öffentlichen und gemeinen Ruhm machen. Der erste Fall, daß jeder seinen Aufwand für seine eigene Rechnung macht, und seinen Pallast, sein Landhaus, seinen Garten ausschmücket, ist der herrschende in unsern Zeiten[3] und Staatsverfassungen, und er hat auch seine natürlichen[4] Folgen. Der andre fand in jenen griechischen[2] Staaten statt, und hatte jene großen Folgen, die wir heut zu Tage bey unsern eingeschränkten Leidenschaften vergeblich erwarten. [...] Bey dem allen wird immer noch etwas erfordert, was die Prachtliebe auf Gebäude, auf Malerey[1] und Bildhauerkunst, und nicht auf Schauspiele, auf andre Lustbarkeiten richtet; etwas, was die Bemühungen erregt, Künstler erweckt, das Genie[4] erwärmt, Wettstreit veranlaßt, Aufmunterung giebt: und das ist weder Freyheit[6] noch Clima[1], noch irgend etwas dem ähnliches; es ist immer etwas sehr Zufälliges, ein Hof, ein Fürst, eine Maitresse, ein Minister, ein Demagog. ➢ Volltext.
[41] Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 53: Nach dem Charakter[1] der Gebüsche richtet sich auch die Kunst der Pflanzung. Eine Wildniß, ein Labyrinth wird ohne Ordnung und Verbindung hingeworfen. Eine melancholische Scene wird dicht, ohne dem Lichte eine andere als nur schwache Einwirkung zu verstatten, zusammengehäuft. Ein fröhliches Revier hat viel offene Plätze und luftige Zwischenräume; und ein romantisches[3/4] lauter seltsame Entgegenstellungen der Formen der Bäume, und der Farben des Laubwerks. ➢ Volltext.
[42] Hirt, Baukunst (1809), 165: Je höher die Bogenart ist, desto geringer ist ihr Schub oder Seitendruck; je mehr sich aber der Bogen der wagerechten Linie nähert, desto mächtiger wird der Seitenschub, und desto stärkere Widerlagen sind vonnöthen. Hiernach ist der gothische[2] Bogen (Fig. 12. [❏]) derjenige, welcher der geringsten, und der scheitrechte der (Fig. 16. [❏]) welcher der stärksten Widerlagen bedarf. Dies erkläret, wie nach dem Verfall der Baukunst man im Mittelalter auf die hohen Bogenarten verfiel. Aus Armuth und Unwissenheit fing man an, die Pfeiler und Mauern theils von sehr ungleichartigem, theils von sehr schlechtem Material, und zwar ohne gehörige Besorgung der Construction aufzuführen. Man nahm also nothgedrungen die Zuflucht zu den höhern Bogenarten, welche weniger Schub verursachten. Man baute in diesen unglücklichen Zeiten[3] bloß für das Bedürfniß. Das Gefühl für schöne[2] Formen, und für ein gefälliges Verhältnißmaß hatte sich in der Baukunst, so wie in den übrigen Künsten, verloren. Das Auge gewöhnte sich nach und nach an die unförmlichsten Spitzen und Thürmelungen, so daß späterhin selbst eine Art System abgeschmackter Bauerey entstand, welches mehrere Jahrhunderte hindurch dauerte, und jetzt noch nicht selten seine flachen Bewunderer hat..
[43] Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 67] (1810), 631: Wenn von der Musik als einer selbstständigen Kunst die Rede ist, sollte immer nur die Instrumental-Musik gemeint sein, welche, jede Hülfe, jede Beymischung einer andern Kunst verschmähend, das eigenthümliche, nur in ihr zu erkennende Wesen der Kunst rein ausspricht. Sie ist die romantischte[8] aller Künste, – fast möchte man sagen, allein rein romantisch[8]. – Orpheus Lyra öffnete die Tore des Orcus. Die Musik schliesst dem Menschen ein unbekanntes Reich auf; eine Welt, die nichts gemein hat mit der äussern Sinnenwelt, die ihn umgiebt, und in der er alle durch Begriffe bestimmbaren Gefühle zurücklässt, um sich dem Unaussprechlichen hinzugeben. Wie wenig erkannten die Instrumental-Componisten dies eigenthümliche Wesen der Musik, welche versuchten, jene bestimmbaren Empfindungen, oder gar Begebenheiten darzustellen, und so die der Plastik geradezu entgegengesetzte Kunst plastisch[3] zu behandeln! Dittersdorfs Symphonien der Art, so wie alle neuere Batailles de trois Empereurs etc. sind, als lächerliche Verirrungen, mit gänzlichem Vergessen zu bestrafen. – In dem Gesange, wo die hinzutretende Poesie[11] bestimmte Affecte durch Worte[2] andeutet, wirkt die magische Kraft der Musik, wie das Wunder-Elixir der Weisen, von dem etliche Tropfen jeden Trank köstlich und herrlich machen. Jede Leidenschaft – Liebe – Hass – Zorn – Verzweiflung etc. wie die Oper sie uns giebt, kleidet die Musik in den Purpurschimmer der Romantik[8], und selbst das im Leben Empfundene führt uns hinaus aus dem Leben in das Reich des Unendlichen. So stark ist der Zauber der Musik, und, immer mächtiger wirkend, müsste er jede Fessel einer andern Kunst zerreissen. ➢ Volltext.
[44] Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 84] (1813), SW 1, 741: Um so mehr ist diese Komposition ein hoher Gewinn für die Kunst, als wirklich, sonderbarer Weise, ein größeres Göthesches, für die Musik, oder auch nur für den musikalischen[1] Schmuck berechnetes Werk, sich noch keiner gediegenen, klassischen[3] Komposition zu erfreuen hat. So sinnig z. B. ein Meister der Tonkunst manches gemütliche Lied von Göthe gesetzt hat, so wahrhaft klassisch[3] in dieser Art die Gesänge zum Wilhelm Meister geraten sind: so mißlungen ist doch die Musik der überaus zarten, lieblichen, dem Komponisten recht in die Hand gearbeiteten Claudine von Villa Bella. Rez. darf dies frei sagen, da das Publikum[3] 〈742〉 durch gänzliches Nichtbeachten und Vergessen längst über die Komposition den Stab gebrochen hat..
[45] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 819: Vertraut mit dem Wesen der poetischen[4] Kunst, weiß er [F. H. Jacobi], auch was völlig subjectiv scheint, noch an die nothwendigen Bedingungen der menschlichen Natur[1] anzuknüpfen; mit kluger Vorsicht läßt er jede neue[1] Wendung des Charakters[7] so vollständig vorbereiten, und so lange verweilen, und mit meisterhaftem Talent versucht er durch eine schöne[1], an mehr als Einer Stelle hinreißende Sprache[4] den Leser so in sein Interesse zu verweben, daß sein Gefühl in die gleiche Stimmung übergeht..
[46] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), 257 f. (258): Die Eintheilung einer Critik[1] in Elementarlehre und Methodenlehre, welche vor der Wissenschaft vorhergeht, läßt sich auf die Geschmackscritik nicht anwenden; weil es keine Wissenschaft des Schönen[1] giebt noch geben kann, und das Urtheil des Geschmacks nicht durch Principien bestimmbar ist. Denn was das Wissenschaftliche in jeder Kunst[1] anlangt, welches auf Wahrheit in der Darstellung ihres Objects geht, so ist dieses zwar die unumgängliche Bedingung (conditio sine qua non) der schönen[2] Kunst[1], aber diese nicht selber. Es giebt also für die schöne[2] Kunst[1] nur eine Manier (modus), nicht Lehrart (methodus). Der Meister muß es vormachen, was und wie es der Schüler zu Stande bringen soll; und die allgemeinen Regeln, darunter er zuletzt sein Verfah〈258〉ren bringt, können eher dienen die Hauptmomente desselben gelegentlich in Erinnerung zu bringen, als sie ihm vorzuschreiben. Hiebey muß dennoch auf ein gewisses Ideal Rücksicht genommen werden, welches die Kunst[18/2] vor Augen haben muß, ob sie es gleich in ihrer Ausübung nie völlig erreicht..
[47] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 220 f. (221): Wenn man [...] den Werth der schönen[2] Künste[1] nach der Cultur[3] schätzt, die sie dem Gemüth verschaffen, und die Erweiterung der Vermögen, welche in der Urtheilskraft zum Erkenntnisse[1] zusammen kommen müssen, zum Maaßstabe nimmt: so hat Musik[1] unter den schönen[2] Künsten[1] sofern den untersten (so wie unter denen, die zugleich nach ihrer Annehmlichkeit geschätzt werden, vielleicht den obersten) Platz, weil sie bloß mit Empfin〈221〉dungen spielt. Die bildenden Künste[2] gehen ihr also in diesem Betracht weit vor; denn, indem sie die Einbildungskraft in ein freyes und doch zugleich dem Verstande[1] angemessenes Spiel versetzen, so treiben sie zugleich ein Geschäft, indem sie ein Product zu Stande bringen, welches den Verstandesbegriffen zu einem dauerhaften und für sich selbst sich empfehlenden Vehikel dient, die Vereinigung derselben mit der Sinnlichkeit und so gleichsam die Urbanität der obern Erkenntnißkräfte zu befördern..
[48] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 221: Außerdem hängt der Musik[1] ein gewisser Mangel der Urbanität an, daß sie, vornehmlich nach Beschaffenheit ihrer Instrumente[3], ihren Einfluß weiter, als man ihn verlangt (auf die Nachbarschaft), ausbreitet, und so sich gleichsam aufdringt, mithin der Freyheit[1] andrer, außer der musikalischen[1] Gesellschaft, Abbruch thut; welches die Künste, die zu den Augen reden, nicht thun, indem man seine Augen nur wegwenden darf, wenn man ihren Eindruck nicht einlassen will..
[49] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 54: Muster des Geschmacks in Ansehung der redenden Künste müssen in einer todten und gelehrten Sprache[3] abgefaßt seyn: das erste, um nicht die Veränderungen erdulden zu müssen, welche die lebenden unvermeidlicher Weise trifft, daß edle Ausdrücke platt, gewöhnliche veraltet, und neugeschaffene in einen nur kurz daurenden Umlauf gebracht werden; das zweyte, damit sie eine Grammatik habe, welche keinem muthwilligen Wechsel der Mode unterworfen sey, sondern ihre unveränderliche Regel hat..
[50] Klingemann, Poesie (1800), 55: Die Poesie[19] geht durch die ganze Kunst; sie ist das Innerliche in ihr, und der geheime wunderliche Geist[12], der später erst durch sie zur Erscheinung kommt. Die Kunst selbst ist nur Organ[1] der Poesie[19], sie aber ist die Seele des Ganzen, und das heilige Feuer, das unsichtbar sich entzündet. So ist die Dichtkunst allein nicht ihre einzige Heimath; sondern sie herrscht unumschränkt auch in der Skulptur und Mahlerei[2], und redet zart und geistig aus der Musik[4] uns an. Sie ist es eben, wodurch die Kunst sich ausbreitet, und allgemein wird; denn Poesie[19] ist die Grundanlage der Menschheit[1] überhaupt, und sie zeichnet sich nur, dem Grade nach, stärker oder schwächer in den Einzelnen aus. | Die Poesie[19] ist das eigentlich Absichtslose, oder die Natur[19] in der Kunst; Niemand vermag sie zu erringen, oder durch Kunst sich anzueignen; sie ist vielmehr eine freie[5] Gunst der Götter[4], und wird dem Menschen[1] schon bei seiner Geburt zu Theile..
[51] Knigge, Reise n. Braunschw. (1792), 70 f. (71): Es haben Herr und Madam Deckelschall aus der Schweiz gebürthig, sich entschlossen, sowohl zum Besten der Menschheit[2] überhaupt, als insbesondere zur Gemächlichkeit derjenigen Eltern, welche auf dem Lande wohnten und folglich nicht Gelegenheit hatten, ihren Kindern zu Hause denjenigen Grad der Bildung zu geben, welchen man jetzt in der feinern Welt fordert, in der Reichsstadt Goßlar am Harze eine Pensions-Anstalt für junge Frauenzimmer zu errichten. Daselbst geben sie für den sehr mäßigen Preis von *** jährlich, ihren Zöglingen Kost, 〈71〉 Wohnung und Unterricht im Französischen und Italienischen, in der Music[1] und allen andern, dem weiblichen Geschlechte nöthigen Wissenschaften[2], Kenntnissen, Künsten, Hand-Arbeiten, in feiner Lebensart und der Gabe, die besten classischen[7] Schriftsteller mit Geschmack, Gefühl und Nutzen zu lesen..
[52] Krünitz, Oecon. Encycl. XII (1777; 21786), 177: Fantasie[19], aus dem Franz. Fantaisie, und Ital. Fantasia, nennet man, in der Mahlerey[1], ein Gemählde, welches nicht nach der Natur[2] oder nach den strengen Regeln der Kunst[8] gemahlt ist. Fantasien[19] mahlen, aus dem Kopf mahlen, ohne in der Natur[2] ein Modell vor sich zu haben. Mehrentheils bedeutet dieses so viel, als Grotesken mahlen. Daher fantasieren, in den Künsten[2], nach seiner Einbildungskraft[1] arbeiten, ohne sich an die strengen Regeln der Kunst[8] zu binden..
[53] Krünitz, Oecon. Encycl. LIII (1791), 547 f. (548): Man beurtheilt oder kritisirt die Thaten der Menschen, wenn man entscheidet, ob sie klug, recht, nützlich, wohlanständig, löblich, schön, u. s. f. seyn. Man beurtheilt ihre Producte, sie seyn nun Schriften, 〈548〉 oder andere Arbeiten und Werke der Kunst[2] beynahe auf dieselbe Art; und wer dieses thut, den nennt man im gemeinen Leben schon einen Kritiker, wenn er es gleich auch nicht recht thut. Eigentlich aber gebührt nur demjenigen dieser Nahme, welcher dieses auf eine regelmäßige Art nicht nur thut, sondern auch eine Fertigkeit besitzt, solches zu thun. Kritik[1] ist alsdann eine Wissenschaft oder Kunst[6], dasjenige, was Menschen thun und hervor bringen, richtig zu beurtheilen..
[54] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CLXX (1839), 521: Man kann sich leicht die Entrüstung denken, in welche alle seine Gegner geriethen, als sie sich mit ihrem Kunsturtheile so in die Enge getrieben sahen; [...] welches zugleich eine Lehre für diejenigen zur Folge hat, die nur für das Antike[2] eingenommen sind, ohne das Moderne[1] in der Kunst erst näher zu untersuchen oder zu prüfen, indem sie dann finden werden, daß man bei der Wahl und Nachahmung des Schönen[1] in der Natur[2], nur das erreichen kann, was die Alten[10] auch nur erreichen konnten, weil sie nichts anderes thaten, und dann, daß die Kunst nicht abgeschlossen ist, sondern sich jeder bestreben muß, das Höchste darin zu erreichen. Wer die Antiken[3] zum Vorbilde hat, hat nur das voraus, daß er schon die Muster zum Studium, der Nachahmung würdig, aufgestellt findet, ohne sie erst aufsuchen zu müssen; oder daß sich nach diesen Mustern sein Geschmack bilde, seine Empfindung für das Schöne[1] erregt werde, um dann selbst dasselbe aufzusuchen..
[55] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 51: [W]er singen lernen will, muß ein musikalisches[6] Ohr[3] haben; und wer Musik[1] als Kunst und nicht als bloße Schmeichelei des Ohrs[3] empfinden will, soll sein Ohr[3] für die Musik[1/4] ausgebildet haben wie derjenige seine Stimme[1] oder seine Instrumentalfertigkeit, der sie hervorbringt..
[56] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 62 f. (63): Der große Schauspieler weiß, was er von den bestimmten und hergebrachten Manieren der Antwort von Seiten des Publikums[4], vom Händeklatschen und von dem eigentlich schreienden und brausenden Beifall zu denken hat: aber wenn eine große Versammlung von der Macht der Rede so überwältigt wird, daß sie die konventionelle Antwort vergißt, daß sie wie mit einem einzigen Ohre[3] horcht [...], wenn die ganze Versammlung sich unsichtbar, aber ganz deutlich aneinander lehnt, jeder empfindet, daß er nur Glied eines größeren Menschen ist, der angeredet wird, dann ergreift auch den Künstler auf der Bühne etwas ihm selbst unerwartetes, größer als menschliches, nicht etwa eine gemeine Verwandlung in das, was er darstellt, nicht etwa eine Trunkenheit der Begeisterung[1], aber eine gewisse göttliche Ruhe; das ganze Gerüst von Vorübung und Studium seiner Rolle verschwindet, die Bemühung wird unnütz, das Talent selbst tritt zurück; es ist, als wenn ein höherer Geist[32], der Dichter oder irgendwer sonst, den ganzen irdischen Apparat dieser Kunst[8] entrückt hätte, als wenn er durch den Mund des Künstlers redete, 〈63〉 und als wenn derselbige Geist[32] in seligem Anschaun seines eignen Werks auch durch das Ohr[3] der Versammlung wieder horchte; es ist, als wenn jene glückliche Gemeinschaftlichkeit des Bodens und des Himmels, von der wir in unsrer vorigen Unterhaltung sprechen [sic], alle überkäme und als wenn zwischen Parterre und Bühne die Grenze des Prosceniums verschwände, welche die Kunst[2] eigentlich immer aufheben sollte, wie die Alten[2] andeuteten, indem sie die Bildsäule des Gottes[4], die Neueren[3], indem sie die Musik[9] an diese Grenze hin verlegten..
[57] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 164: [W]ie viele Ungerechtigkeit ist begangen worden, da man [...] von dem Ideal einer gewissen gleichförmigen klassischen[5] Schreibart ausgehend, die romantischen[4] Spiele der poetischen[4] Feder nicht für wahre Kunst der Rede und für Stil hat gelten lassen wollen; und andrerseits den Ernst des praktischen Lebens, wie er sich in den schriftlichen Verhandlungen der Bürger und der Völker[1] und der Wissenschaften ausdrückte, neben der poetischen[4] Feder überhaupt für keine Feder anerkennen wollte..
[58] Novalis, Begeist. (*?1790), NS 2, 23: Alles dies [...] gilt nur hauptsächlich von dem Morgenlande[2], dem eigentlichen Vaterlande der Menschheit[2], Sprache[1], Dichtkunst [...], von woher eigentlich wie vom Urstamme sich alles in die übrigen Erdgegenden und Zonen nur fortgepflanzt hat und eingepfropft worden ist. Das ganze Klima[1] desselben war für die Kindheit des menschlichen Geschlechts und der Künste und Wissenschaften[1] wie seine Gegenden ganz vorzüglich geschickt; die Menschen[1] und Künste erhielten hier die Kraft, die sie in den kältesten Wüsten und Regionen noch immer nach vielen Jahrhunderten erhält und ihnen feste Wurzeln fassen läßt: die schönen[1] Gegenden, die Wärme und Heiterkeit[1/2] des selten bewölkten Himmels bildeten sie, nährten sie, und die Fruchtbarkeit des Bodens ließ ihnen Ruhe, sich allmählich auszubilden und zu reifen; das ihnen in einem weniger milden Boden durch die Einflüsse des Klima[1], stumpfere Organisation[6] und ängstliche Mühe und Suchen nach Lebensunterhalt und nach den notwendigsten Bedürfnissen wäre verwehrt worden..
[59] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 102: Für den Dichter ist die Poesie[11/2] an beschränkte Werkzeuge gebunden, und eben dadurch wird sie zur Kunst. Die Sprache[1] überhaupt hat ihren bestimmten Kreis. Noch enger ist der Umfang einer besondern Volkssprache. Durch Übung und Nachdenken lernt der Dichter seine Sprache[3] kennen. Er weiß, was er mit ihr leisten kann, genau, und wird keinen thörichten Versuch machen, sie über ihre Kräfte anzuspannen. Nur selten wird er alle ihre Kräfte in Einen Punkt zusammen drängen, denn sonst wird er ermüdend, und vernichtet selbst die kostbare Wirkung einer gutangebrachten Kraftäußerung. Auf seltsame Sprünge richtet sie nur ein Gaukler, kein Dichter ab. Überhaupt können die Dichter nicht genug von den Musikern und Mahlern lernen. In diesen Künsten wird es recht auffallend, wie nöthig es ist, wirthschaftlich mit den Hülfsmitteln der Kunst umzugehn, und wie viel auf geschickte Verhältnisse ankommt. Dagegen könnten freylich jene Künstler auch von uns die poetische[2] Unabhängigkeit und den innern Geist[12] jeder Dichtung und Erfindung, jedes ächten Kunstwerks überhaupt, dankbar annehmen. Sie sollten poetischer[2] und wir musikalischer[4] und mahlerischer[3] seyn – beydes nach der Art und Weise unserer Kunst..
[60] Passavant, Toscana (1820), 2: In allen Zeiten[3], wo die Kunst bey einem Volke[1] entstand, ist zu bemerken, daß sie ursprünglich nur zur Ausschmückung der zum Gottesdienst geweihten Orte gebraucht wurde. Es liegt wohl in einem feinen religiösen Gefühl des Menschen, daß er dem Hause Gottes[1] gerne ein anderes und herrlicheres Ansehen gibt, als seiner eignen Wohnung; da, wo er seine Andacht verrichtet und seine Gedanken zu etwas Höheren wendet, verlangt er auch, daß die Umgebung ihn dazu erhebe; er will durch die Ansicht ihm heilig gewordener Gegenstände aus der gewöhnlichen Stimmung seiner Seele, sich zu etwas Höhe〈3〉rem angeregt fühlen. So dachten wohl einstens die alten[9] Ägypter, so das Volk[1] Israels, oder die Griechen und Römer in den Zeiten[3] ihrer Blüthe und Freiheit[6]; so das christliche Europa in den Tagen seiner regsten Kraft; so auch unsere Vorfahren in den Zeiten[3], als sie noch, nach außen und innen selbstständig, keine Gesetze und Formen der Fremden[1] sich hatten aufdringen lassen, die nicht gleichartig mit ihrem eigenen Streben waren; wo sie durch die lebendige Fülle der Minnelieder, den Gesang eines Nibelungenliedes, die Ausbildung einer den Deutschen eigenthümlichen Baukunst, die in Europa nur an der griechischen[2] eine Nebenbuhlerin findet, durch so viele Werke der Bildhauerkunst und Malerei[1], wie sie in jenen Zeiten[3] außer Deutschland nur in Italien entstanden, sich an die Seite der ausgezeichnetsten Völker[1] stellen durften..
[61] Passavant, Toscana (1820), 15: Von der Mitte des 9ten bis zum 11ten Jahrhundert versank bei dem gänzlichen Verfall der italienischen Staaten auch die Kunst in die tiefste Barbarei, bis endlich die Unabhängigkeit und bessere Regierung einiger Städte in Italien eine größere Sinnesart und der durch die Kreuzzüge beförderte Handel, Wohlstand unter dem Volke[3] verbreitete. Da erhob die Kunst sich auch wieder durch Erbauung und Ausschmückung vieler Kirchen und derjenige Geschmack, welcher von uns der vorgothische, altgothische, neugriechische oder byzantinische genannt wird, verbreitete sich über ganz Italien, so wie über alle übrigen christlichen Abendlande[1]..
[62] Ritter, Fragm. II (1810), 101, Nr. 487: Freyheit[6/17?] ist Organ[1] der Kunst. Ihr Misbrauch wird Prinzip der Krankheit..
[63] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 13: Das Genie[2] muß den Musikverständigen beleben, die Kunst[10] oder das Studium aber ihn ausbilden. Ohne dieses letztere wird er es in der Musik (man mag sie nun als Wissenschaft oder als Kunst[2] betrachten), er mag so sehr Genie[4] seyn, als es möglich ist, doch nicht weit bringen. Er wird sich und andern bis zum Ekel wiederholen, und seine Zuhörer mit fehlerhaften Geburthen und ungereimten Sätzen, worinn so gar aller Zusammenhang vermisset wird, martern und verdrießlich machen [...]. Ohne Genie[2] aber wird die größte Kunst[8] steif und matt bleiben; weil ohne Feuer und Witz[1] auch die regelmäßigsten Arbeiten die Zuhörer einschläfern oder verjagen werden..
[64] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 342: Man ist mit diesen Zwischentönen oder Stufen, die zwar ihrer Natur[1] nach eben so alt sind, wie die diatonische Octavengattung, unsere erste ursprüngliche Melodie ist, erst mit der Zeit[1] und vielleicht sehr spät bekannt geworden. Die diatonischen Töne und Stufen selbst, sind, nicht eher als lange, nachdem man schon gesungen und gespielet hatte, bekannt geworden; denn die Natur[2] führet uns zuerst durch leichtere und beqvemere Wege, ehe wir durch die Kunst oder durch unsern Witz[1] diese natürlichen[2] Wege ausschmücken und verschönern lernen. Sie überläßt dieses unserm Genie[2] und unserer uns durch sie angebohrnen Erfindungskraft, wozu sie uns durch jenes gleichsam mit der Hand leitet..
[65] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 343 f. (344): Die Empfindung des Natürlichen[2] äußert sich von sich selbst und fast ohne Mühe. So ist es auch mit den Tönen beschaffen gewesen; denn so bald man den Trieb zum Singen empfand, so bald ward auch diese diatonische Octavengattung, diese natürliche[2] Tonleiter, die gleichsam ein musikalisches[8] ganz unentbehrliches Bedürfniß war, hervorgebracht, und zwar bloß durch den innerlichen Trieb der Natur[2], 〈344〉 und ohne solches zu verlangen, oder zu erkennen. Das Wissen oder die Kenntniß dieses Triebes, dieser Würkung der Natur[2], ist erst lange hernach erfolgt, nachdem man vielleicht manche Jahrhunderte gesungen und gespielet hatte; so lange wußte man auch von keiner Kunst, von keinem System, und auch nichts von der Verschiedenheit der Klanggeschlechte. Das ist nun die wahre Erzeugung der Töne, der Klangstufen, der Tonleiter, der Klanggeschlechte und endlich der Theorie der Töne selbst; denn darinn besteht die wahre ursprüngliche Natur[1] derselben. Und darinn lag auch die eigenthümliche Verwandschaft und Verknüpfung der Töne zwar anfangs verborgen; Zeit[1], Mühe und Fleiß haben sie aber hernach näher untersuchet und gleichsam aufgedeckt. Dem menschlichen Witze[1], durch die Schönheit des Gegenstandes gereitzt, durch die Neugierde angetrieben, durch die Erfahrung geleitet, kam die Kunst zu Hülfe; die Ordnung, auf die uns schon die Natur[2] geführet hatte, ward durch Regeln erkannt und unterstützt; man ward sinnreich in der Kunst[1], zu erfinden; man entdeckte gar bald, daß man die schon vorhandenen Töne vervielfältigen, vermehren, abändern, verkleinern und erweitern könnte; dadurch entdeckte man die Klanggeschlechte, ihre verschiedenen Arten, und den Umfang und Nutzen derselben. Endlich, da sich Natur[2], Witz[1] und Kunst gänzlich mit einander vereiniget hatten, erfand man [...] auch die Harmonie; nein! man erfand sie nicht, sondern man entdeckte sie nur, denn sie hatte schon von Anfang an in der Melodie verborgen gelegen; es brauchte nur Zeit[6], Witz[1] und Fleiß sie auszuwickeln [...]..
[66] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 345: Nachdem man nun mit den Tönen[11] und insonderheit mit der schon erfundenen Ordnung derselben immer bekannter ward, auch die menschliche Stimme[1] erst durch Witz[3] und nach und nach auch durch Kunst verschönert, und ihr Umfang mit mehrern Tönen[11] bereichert ward, nachdem erfand man vermittelst der Klanggeschlechte mehrere Töne[11] und mehrere Abänderungen der Haupttöne..
[67] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 350 f. (351): [U]m auch nur anfangen zu können, zu handeln, muß ich schon beschränkt seyn. Daß meine freye Thätigkeit ursprünglich sich nur auf ein bestimmtes Object richtet, wurde im Vorhergehenden daraus erklärt, daß es mir durch andere Intelligenzen[2] schon unmöglich gemacht ist, alles zu wollen. Allein es kann mir denn doch durch mehrere Intelligenzen[2] nicht unmöglich gemacht seyn, mehreres zu wollen; daß ich also von mehreren Objecten B, C, D gerade C wähle, davon muß der letzte Grund doch nur in mir selbst liegen. Nun kann aber dieser Grund nicht in meiner Freyheit[1] liegen, denn erst durch diese Beschränktheit der freyen Thätigkeit auf ein bestimmtes Object 〈351〉 werde ich meiner bewußt, also auch frey, mithin muß, ehe ich frey, d. h. der Freyheit[1] bewußt bin, meine Freyheit[1] schon eingeschränkt, und gewisse freye Handlungen[1] müssen noch, ehe ich frey bin, für mich unmöglich gemacht seyn. Dahin gehört z. B. das, was man Talent, oder Genie[3] nennt, und zwar nicht nur Genie[3] zu Künsten, oder Wissenschaften, sondern auch Genie[3] zu Handlungen[1]. Es klingt hart, ist aber deßwegen um nichts weniger wahr, daß, so wie unzählige Menschen zu den höchsten Functionen des Geistes[19] ursprünglich untüchtig sind, ebenso unzählige nie im Stande seyn werden, mit der Freyheit[1] und Erhebung des Geistes[19] selbst über das Gesetz zu handeln, welche nur wenigen Auserlesenen zukommen kann..
[68] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 457 f. (458): Dieses unveränderlich Identische, was zu keinem Bewußtseyn gelangen kann, und nur aus dem Product widerstrahlt, ist für das Producirende eben das, was für das Handelnde das Schicksal ist, d. h. eine dunkle unbekannte Gewalt, die zu dem Stückwerk der Freyheit[10] das Vollendete, oder das Objective hinzubringt, und wie jene Macht, welche durch unser freyes Handeln ohne unser Wissen, und selbst wider unsern Willen nicht vorgestellten Zwecke realisirt, Schicksal genannt wird, so wird das Unbegreifliche, was ohne Zuthun der Freyheit[10], und gewissermaaßen der Freyheit[10] entgegen, in welcher ewig sich flieht, was in jener Production vereinigt ist, zu dem Bewußten das Ob〈458〉jective hinzubringt, mit dem dunklen Begriff[4] des Genies[2] bezeichnet. | Das postulirte Product ist kein anderes, als das Genieproduct, oder, da das Genie[2] nur in der Kunst möglich ist, das Kunstproduct. .
[69] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 460 f.: Wenn nun ferner die Kunst[2] durch zwei völlig verschiedene Thätigkeiten vollendet wird, so ist das Genie[2] weder die Eine noch die andere, sondern das, was über beyden ist. Wenn wir in der Einen jener beyden Thätigkeiten, der 〈461〉 bewußten nämlich, das suchen müßen, was gemeinhin Kunst[1] genannt wird, was aber nur der Eine Theil derselben ist, nämlich dasjenige an ihr, was mit Bewußtseyn, Überlegung und Reflexion ausgeübt wird, was auch gelehrt und gelernt, durch Überlieferung und durch eigene Übung erreicht werden kann, so werden wir dagegen in dem Bewußtlosen, was in die Kunst[2] mit eingeht, dasjenige suchen müßen, was an ihr nicht gelernt, nicht durch Übung, noch auf andere Art erlangt werden, sondern allein durch freye Gunst der Natur[2/15] angebohren seyn kann, und welches dasjenige ist, was wir mit einem Wort die Poësie[2] in der Kunst[2] nennen können. [...] 〈462〉 [...] Es läßt sich [...] eher erwarten, daß Kunst[1] ohne Poësie[2], als daß Poësie[2] ohne Kunst[1] etwas zu leisten vermöge, [...] weil nicht leicht ein Mensch von Natur[2/15] ohne alle Poësie[19], obgleich viele ohne alle Kunst[6] sind [...]..
[70] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 485 f. (486): Wenn [...] diese mit Bewußtseyn freye Thätigkeit, welche im Handeln der objectiven entgegengesetzt ist, ob sie gleich mit ihr Eins werden soll, in ihrer ursprünglichen Identität mit der objectiven angeschaut wird, welches durch Freyheit[10] schlechthin unmöglich ist, so entsteht dadurch endlich die höchste Potenz der Selbstanschauung, welche, da sie selbst schon über die Bedingungen des Bewußtseyns hinausliegt, und vielmehr das von vorn sich schaffende Bewußtseyn selbst ist, wo sie ist, als schlechthin zufällig erscheinen muß, welches schlechthin zufällige in der höchsten Potenz der Selbstanschauung das ist, was durch die Idee des Genie's[2] bezeichnet wird. | Dieß sind die unveränderlichen und für alles Wissen feststehenden Momente in der Geschichte[2] des Selbstbewußtseyns, welche in der Erfahrung durch eine continuirliche Stuffenfolge bezeichnet sind, die vom einfachen Stoff an bis zur Organisation[1] [...] 〈486〉 [...], und von da durch Vernunft[1] und Willkühr bis zur höchsten Vereinigung von Freyheit[10] und Nothwendigkeit in der Kunst, [...] aufgezeigt und fortgeführt werden kann..
[71] Schelling, Meth. Stud. (1803), 305: Wissenschaft der Kunst kann vorerst die historische Construktion derselben bedeuten. In diesem Sinne[1] fodert sie als äußere Bedingung nothwendig unmittelbare Anschauung der vorhandenen Denkmäler. Da diese in Ansehung der Werke der Dichtkunst allgemein möglich ist, wird auch jene in der angegebenen Beziehung, als Philologie, ausdrücklich unter die Gegenstände des academischen Vortrags gezählt. Demungeachtet wird auf Universitäten nichts seltener gelehrt als Philologie in dem zuvor bestimmten Sinne[1], welches nicht zu verwundern, da jene eben so sehr Kunst ist wie die Poesie[1] und der Philologe nicht minder als der Dichter gebohren wird..
[72] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 357: Der ist noch sehr weit zurück, dem die Kunst[10] nicht als ein geschlossenes, organisches[6] und ebenso in allen seinen Theilen nothwendiges Ganzes erschienen ist, als es die Natur[2] ist. Fühlen wir uns unaufhaltsam gedrungen, das innere Wesen der Natur[2] zu schauen, und jenen fruchtbaren Quell zu ergründen, der so viele große Erscheinungen mit ewiger Gleichförmigkeit und Gesetzmäßigkeit aus sich herausschüttet, wie viel mehr muß es uns interessiren, den Organismus[8] der Kunst[10/2] zu durchdringen, in der aus der absoluten Freiheit[10] sich die höchste Einheit und Gesetzmäßigkeit herstellt, die uns die Wunder unseres eignen 〈358〉 Geistes[19] weit unmittelbarer als die Natur[2] erkennen läßt. ➢ Volltext.
[73] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 552: Die höchste Regel ist [...], wie in aller Kunst, so auch hier, die Schönheit[1], und daß das rein Gräßliche, Abscheuliche und Widrige vermieden werde. Die wüthende Nothwendigkeit, wie sie Horatius nennt, die Wuth des Krieges bei Virgilius oder die Teufeleien des Milton würden in der Malerei nur mit schlechtem Erfolg ausgeführt werden können. So ist in der St. Peterskirche zu Rom ein allegorisches Gemälde, das die Ketzerei zu den Füßen der Heiligen in der häßlichsten[1] Gestalt vorstellt, als ob sie in einer schönen[1] weiblichen Figur vorgestellt in dieser Unterwerfung und Beugung nicht eine viel bessere Wirkung machte. ➢ Volltext.
[74] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 569: So kann die höchste Weisheit und innere Schönheit[1] des Künstlers sich in der Thorheit oder Häßlichkeit desjenigen spiegeln, was er darstellt, und nur in diesem Sinn kann das Häßliche[1] Gegenstand der Kunst werden, indem es durch diesen Reflex gleichsam aufhört es zu seyn. ➢ Volltext.
[75] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 36: Das Genie[2] dieser Nation[1], durch den Geist[12] des Handels und den Verkehr mit so vielen Völkern[1] entwickelt, glänzte in nützlichen Erfindungen; im Schooße des Ueberflusses und der Freiheit[6] reiften alle edleren Künste..
[76] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 41 f. (42): Noch ein andrer Umstand mußte das Wachsthum der neuen[1] Religion[1] in diesen Ländern [sc. Niederlande] begünstigen. Italien, 〈42〉 damals der Sitz der größten Geistesverfeinerung, ein Land, wo sonst immer die heftigsten politischen Faktionen gewüthet haben, wo ein brennendes Klima das Blut zu den wildesten Affekten erhitzt, Italien, könnte man einwenden, blieb unter allen europäischen Ländern beinahe am meisten von dieser Neuerung [sc. Reformation] frei. Aber einem romantischen[6] Volk[1], das durch einen warmen und lieblichen Himmel, durch eine üppige, immer junge und immer lachende Natur[2] und die mannichfaltigsten Zaubereien der Kunst in einem ewigen Sinnengenusse erhalten wird, war eine Religion[1] angemessener, deren prächtiger Pomp die Sinne[4] gefangen nimmt, deren geheimnißvolle Räthsel der Phantasie[1] einen unendlichen Raum eröfnen, deren vornehmste Lehren sich durch mahlerische[4] Formen in die Seele einschmeicheln. Einem Volke[1] im Gegentheil, das, durch die Geschäfte des gemeinen bürgerlichen Lebens zu einer undichterischen Wirklichkeit herabgezogen, in deutlichen Begriffen[1] mehr als in Bildern lebt, und auf Unkosten der Einbildungskraft seine Menschenvernunft ausbildet; einem solchen Volk[1] wird sich ein Glaube empfehlen, der die Prüfung weniger fürchtet, der weniger auf Mystik als auf Sittenlehre dringt, weniger angeschaut als begriffen werden kann. Mit kürzeren Worten[2]: Die katholische Religion[1] wird im Ganzen mehr für ein Künstlervolk, die protestantische mehr für ein Kaufmannsvolk taugen..
[77] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 31: Je nachdem [...] die Poesie[1] entweder einen bestimmten Gegenstand nachahmt, wie die bildenden Künste thun, oder je nachdem sie, wie die Tonkunst, bloß einen bestimmten Zustand des Gemüths hervorbringt, ohne dazu eines bestimmten Gegenstandes nöthig zu haben, kann sie bildend (plastisch[3]) genannt werden. Der letztere Ausdruck bezieht sich also nicht bloß auf dasjenige, was in der Poesie[11], wirklich und der Materie nach, Musik[5] ist, sondern überhaupt auf alle diejenigen Effekte derselben, die sie hervorzubringen vermag, ohne die Einbildungskraft durch ein bestimmtes Objekt zu beherrschen; und in diesem Sinne[1] nenne ich Klopstock vorzugsweise einen musikalischen[7] Dichter..
[78] Schiller, Ästh. Erzieh. (1795), NA 20, 309: Sie wollen mir also vergönnen, Ihnen die Resultate meiner Untersuchungen über das Schöne[1] und die Kunst in einer Reihe von Briefen[3] vorzulegen. Lebhaft empfinde ich das Gewicht, aber auch den Reiz und die Würde dieser Unternehmung. Ich werde von einem Gegenstande sprechen, der mit dem beßten Theil unsrer Glückseligkeit in einer unmittelbaren, und mit dem moralischen Adel[5] der menschlichen Natur[1] in keiner sehr entfernten Verbindung steht..
[79] Schiller, Chor. Trag. (1803), V: Die wahre Kunst [...] hat es nicht bloß auf ein vorübergehendes Spiel abgesehen, es ist ihr ernst damit, den Menschen nicht bloß in einen augenblicklichen Traum von Freiheit[10] zu versetzen, sondern ihn wirklich und in der That frei zu machen, und dieses dadurch, daß sie eine Kraft in ihm erweckt, übt und ausbildet, die sinnliche Welt, die sonst nur als ein roher Stoff auf uns lastet, als eine blinde Macht auf uns drückt, in eine objektive Ferne zu rücken, in ein freies Werk unsers Geistes[19] zu verwandeln, und das Materielle durch Ideen zu beherrschen. .
[80] Schiller, Chor. Trag. (1803), VI: Wem die Natur[2] zwar einen treuen Sinn[9] und eine Innigkeit des Gefühls verliehen, aber die schaffende Einbildungskraft versagte, der wird ein treuer Mahler des Wirklichen seyn, er wird die zufällige Erscheinungen aber nie den Geist[12] der Natur[2] ergreifen. Nur den Stoff der Welt wird er uns wiederbringen, aber es wird eben darum nicht unser Werk, nicht das freie Produkt unsers bildenden Geistes[19] seyn, und kann also auch die wohlthätige Wirkung der Kunst, welche in der Freiheit[10] besteht, nicht haben. Ernst zwar, doch unerfreulich ist die Stimmung, mit der uns ein solcher Künstler und Dichter entläßt, und wir sehen uns durch die Kunst selbst, die uns befreien sollte, in die gemeine enge Wirklichkeit peinlich zurück versezt. Wem hingegen zwar eine rege Phantasie[1] aber ohne Gemüth und Charakter[3] zu Theil geworden, der wird sich um keine Wahrheit bekümmern; sondern mit dem Weltstoff nur spielen, nur durch phantastische[2] und bizarre Combinationen zu überraschen suchen, und wie sein ganzes Thun nur Schaum und Schein ist, so wird er zwar für den Augenblick unterhalten, aber im Gemüth nichts 〈VII〉 erbauen und begründen. Sein Spiel ist, so wie der Ernst des andern, kein poetisches[1]. Phantastische[2] Gebilde willkührlich aneinander reihen, heißt nicht ins Ideale gehen, und das Wirkliche nachahmend wieder bringen, heißt nicht die Natur[10] darstellen..
[81] A. W. Schlegel, an Schiller (9. 11. 1795), KW, 16: Freylich fodern solche Beurtheilungen, wie die, welche Sie mir vorschlagen, die angestrengteste Thätigkeit aller Geisteskräfte: allein sie fallen auch selten vor. Dieser Antrag ist sehr ehrenvoll, und ein für mich unendlich schätzbarer Beweis Ihres Zutrauens. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, ihn anzunehmen, sollten sich auch geheime Zweifel regen, ob ich seiner glücklichen Ausführung wohl völlig gewachsen bin, da man berechtigt ist über Meisterstücke der Kunst auch ein Meisterstück von Kritik[2] zu erwarten, und mehrere von den Gedichten in den Horen so viel philosophische Tiefe haben. Wenn Sie indessen nicht etwa jemanden finden, der besser dazu im Stande ist, wie ich, so will ich mich gern an dieses belohnende Geschäft wagen. .
[82] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 141: Darstellung heißt, eine innere Vorstellung bis zur Anschaulichkeit vor Andere bringen. Diese Vorstellung braucht sich auf kein äußeres Vorbild zu beziehen, im Begriffe[1] der Darstellung liegt die Unabhängigkeit von einer bestimmten Wirklichkeit, wobei die Phantasie[1] selbsttätig wirkt ohne äußeres Vorbild (das Poetische[2] in den Künsten); hingegen bei der Nachahmung findet Abhängigkeit von bestimmter Wirklichkeit statt; das Dargestellte wird immer durch andere Mittel zur Anschaulichkeit gebracht als wodurch es in der Wirklichkeit erscheint; hingegen das Nachgeahmte bedient sich derselben Mittel. Eine zweite Einteilung bezieht sich auf das Nachahmen selbst; man stellt entweder bessere Menschen als sie wirklich sind, oder ebensolche, oder schlechtere. Die Ausdrücke: bessere und schlechtere beziehen sich nicht auf moralische Eigenschaften, sondern auf die gesamte Erscheinung des Menschen, insofern sie edel oder unedel, schön[1] oder häßlich[1] sind. So unterscheidet man die Tragödie von der Komödie dadurch, daß erstere die Menschen ins Schöne[1] idealisiert, und die Komödie ins Häßliche[1] und Lächerliche. .
[83] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 162: Er [sc. Sulzer] macht das Schöne[1] nicht zum obersten, nicht zum einzigen Zweck der Künste[2] und das Häßliche[1] hätte ebenso gegründeten Anteil an der Kunst[2], das oft Schrecken und Furcht errege usw. Hier verwechselt er das Dargestellte mit der Darstellung (die den Gesetzen der schönen[2] Kunst[1], die ein schönes[1] Ganze fordert, angemessen sein muß)..
[84] A. W. Schlegel, Gemählde (1799), 106: Bey ihm [sc. Leonardo da Vinci] hielt das Streben nach der Wahrheit mit dem Kunsttriebe nicht nur gleichen Schritt: beydes hatte sich gegenseitig durchdrungen und war eins geworden. Sein Forschungsgeist war durchaus romantisch[4], bizarr und mit Poesie[19/21] tingirt; und er verfolgte hinwieder die Foderungen der Kunst mit der Strenge der Wissenschaft oder der Pflicht. ➢ Volltext.
[85] A. W. Schlegel, Zeichn. (1799), 225: Nach dem Anblick dieser Umrisse kann man nicht umhin, Flaxman für einen gelehrten Kenner der Klassiker zu halten, der mit den griechischen Dichtern in ihrer Sprache vertraut ist; und wenn sich nachher bey genauerer Untersuchung hiegegen einige Zweifel regen, so wird es desto erstaunlicher, daß er sie so gefaßt: man könnte alsdann seine Umrisse zum Homer eine Rückübersetzung aus Pope's Travestie in das Aechtgriechische und Heroische nennen, aus eigenmächtiger Befugniß des Künstlersinnes ohne grammatische Beyhülfe vollbracht. Allerdings ist die klassische[7]〉 Bildung[6] ein großes untheilbares Ganzes: durch den vollkommnen Besitz einer Seite desselben muß einem also auch der Zugang zu den übrigen geöffnet werden. Wer die alten[10] Dichter recht versteht, (man verstehe, was eigentlich verstehen heißt) dem mußten auch für die bildende Kunst der Alten die Augen aufgehn, und umgekehrt hat sich unser Künstler durch tiefes und liebevolles Studium der Antike[4] mit den Dichtern in unmittelbarere Berührung gesetzt, als durch modernisirende Uebersetzungen hätte geschehen können. ➢ Volltext.
[86] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 193: Die Kunstgeschichte soll keine Elegie auf verlohrne und unwiederbringliche goldne Zeitalter seyn. Eine solche vollendete Harmonie des Lebens und der Kunst wie in der Griechischen[2] Welt statt fand und die von einer Seite unendlich über unserm jetzigen Zustande ist, wird man in derselben Art nie wiederkommen sehen. Allein jene schöne[1] Periode fiel in die Jugend, ja zum Theil in die Kindheit der Welt, wo sich die Menschheit[1] noch nicht recht auf sich besonnen hatte. Aber wenn einmal ein solches Zusammentreffen auf andre Weise, weit mehr mit Absicht und Bewußtseyn wieder erlangt wird, so kann man zuverläßig voraus sagen, daß es etwas weit größeres und daurenderes seyn wird als die Hellenische Blüthezeit. Wie sehr uns auch die Barbarey und Unpoesie mancher Zeitalter, und vielleicht unsers eignen, abstoßen mag: wer kann wissen, ob nicht der Genius alle diese abweichenden tausendfachen Formen und Gestaltungen der Menschheit[1] selbst, zu einem großen Kunstwerke[2] verarbeitet und ordnet, worin auch die Dissonanzen ihre Stelle finden müssen? Wie in allem der unendliche Fortschritt gefodert wird, so steht sogar zu erwarten, daß er in dieser allgemeinen Metempsychose in immer höhere und mehr geläuterte Organisationen[7] übergehen und zuletzt sich in aetherischer Verklärung darstellen wird..
[87] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 266: Es giebt [...] in der menschlichen Schönheit[1] etwas allgemein geltendes, wenn es schon von jenen manierirt gebildeten Nationen[1] nicht anerkannt wird; das darf uns nicht irren, machen es doch die Manieristen in der Kunst[4] mit dem einfachen Style der großen Meister eben so. Es begreift sich, daß Nationen[1] die aus einer solchen einseitigen, ihnen von der Natur[2] aufgezwungnen National-Physiognomie nicht heraus können, in der bildenden Kunst[2], deren höchster Gegenstand die menschliche Gestalt ist, keine sonderlichen Fortschritte haben machen mögen, auch gar keine Anmuthung dazu haben; wie hingegen dieselbe, unter einer von dieser Seite so einzig begünstigten Nation[1], wie die Griechen waren, ganz vorzugsweise gedeihen mußte..
[88] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 709: Die neueren[3] Theoristen haben sich vielfältig mit dem Lehrgedicht herumgeschlagen: einige haben es viel zu wichtig genommen, andre [...] haben es mit Unrecht ganz verworfen und aus dem Gebiet der Poesie[11] verwiesen. Das versteht sich von selbst, daß, wenn man das höchste in ihr sucht, von technischen Lehrgedichten gar nicht die Rede seyn kann; auch leuchtet es sogleich ein, daß das Ganze solcher Werke nicht poetisch[1] ist, sondern nur logisch zusammengehalten wird; dieß verhindert aber nicht die Ächtheit der einzelnen poetischen[4] Elemente, die daran sehr schätzbar seyn können. Die Poesie[11] hat, wie jede andre Kunst, ihren Geist[12] und ihren Buchstaben[8]: sollte es nicht erlaubt und vortheilhaft seyn zuweilen auch den Buchstaben[8] isolirt, ohne den Geist[12], zu bearbeiten und auszubilden. Freylich muß es alsdann mit tüchtiger Gründlichkeit und Meisterschaft geschehen [...]..
[89] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 52: Allgemein betrachtet, ist ein gewisses Gesetz der Form [...] Bedingung freyer Individualität in der Kunst wie in der Natur[2], denn was zu keiner Gattung von Organisationen[1/7] gehört, ist monstros. Noch mehr als gegen die Dichterlinge möchte ich den Terrorismus der Formen gegen die zugleich unwissenden und gefühllosen Kritiker wenden. Sie sollten sich nicht erfrechen, über den Geist[12] umfassender Werke abzusprechen, ohne den Buchstaben[8] der Poesie[18] erlernt zu haben, und dabey ganz von unten auf dienen. So giebt es einen oder den anderen Kunstrichter, dem ich rathen würde einmal alle hochfliegende Gedanken fahren zu lassen, und einige Jahre im stillen darüber zu ruminiren, was wohl ein Triolet sey. Wenn er darüber Rechenschaft geben könnte, so machte man ihn zum kritischen[3] Baccalaureus oder Licentiaten, und so könnte er allmählich zur Doctorwürde befördert werden..
[90] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 63: Bis hieher hätte ich also dargethan, wie alle unsre Dichter in so fern gelehrt oder literarisch zu Werke gingen, daß sie fremde[1] Muster vor Augen hatten; und zugleich wie diese entweder nicht die rechten waren, oder von ihnen verfehlt wurden. Es trat aber eine Classe[1] von Schriftstellern auf, welche behaupteten, die Poesie[1] solle gar keine Kunst[1], sondern ein bestimmungsloser fast unbewußter Erguß der Natur[15] seyn. Der Irrthum lag darin, daß sie die Entgegensetzung von Kunst[1] und Natur[15] als absolut fixirten, und sie nicht zu synthesiren wußten, da doch ächte vollendete Poesie[11] eben so sehr Kunst[9] als Natur[10] seyn muß, und eins immer in das andre übergeht..
[91] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 273: Die Einheit eines historischen Kunstwerks[2] ist nun unstreitig von derselben Art wie die poetische[4], nur daß in der Poesie[1] Stoff und Form der schaffenden Fantasie[2] anheim gestellt ist, da hingegen die historische Kunst sich an ein gegebnes anzuschließen hat. Dieß ist es, was ich meynte, wenn ich die Geschichte[4] eine Poesie[1] der Wahrheit nannte, ein Ausdruck den man aus lächerlicher Kurzsichtigkeit und Unwissenheit so lächerlich gefunden hat..
[92] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 4: Die Aesthetik oder die philosophische Theorie des Schönen[2] und der Kunst ist unendlich wichtig in ihrer Beziehung auf die übrigen Untersuchungen über den menschlichen Geist[11]; aber für sich allein ist sie darum noch nicht praktisch belehrend. Dieß wird sie erst durch ihre Verbindung mit der Geschichte[4] der Künste. Kritik[2] nennen wir den Mittelbegriff zwischen der allgemeinen Lehre und der geordneten Erfahrung oder der Geschichte[4]. Die Vergleichung und Beurtheilung der vorhandenen Hervorbringungen des menschlichen Geistes[11] muß uns die Bedingungen an die Hand geben, die zur Bildung[1] eigenthümlicher und gehaltvoller Kunstwerke[2] erfoderlich sind. | Mit der Fackel der Kritik[2] [...] wollen wir die Geschichte[1] der dramatischen Kunst beleuchten. ➢ Volltext.
[93] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 13: Das ganze Spiel lebendiger Bewegung beruht auf Einstimmung und Gegensatz. Warum sollte sich diese Erscheinung nicht auch in der Geschichte[1] der Menschheit[2] im großen wiederhohlen? Vielleicht wäre mit diesem Gedanken der wahre Schlüssel zur alten[10] und neuen[5] Geschichte[1] der Poesie[11] und der schönen[2] Künste[1] gefunden. Die, welche dieß annahmen, haben für den eigenthümlichen Geist[12] der modernen[1] Kunst[2], im Gegensatz mit der antiken[2] oder classischen[7/5], den Namen romantisch[12/4] erfunden. Allerdings nicht unpassend: das Wort[1] kommt her von romance, der Benennung der Volkssprachen, welche sich durch die Vermischung des Lateinischen mit den Mundarten[1] des Altdeutschen gebildet hatten, gerade wie die neuere[5] Bildung[5] aus den fremdartigen Bestandtheilen der nordischen Stammesart und der Bruchstücke des Alterthums[3] zusammengeschmolzen ist, da hingegen die Bildung[5] der Alten[10] weit mehr aus einem Stücke war. ➢ Volltext.
[94] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 14: [I]n der Musik[1] hat Rousseau den Gegensatz anerkannt, und gezeigt, wie Rhythmus und Melodie das herrschende Prinzip der antiken[2], Harmonie der modernen[1] Musik[1] sey. Er verwirft aber einseitig die letztere, worin wir ganz und gar nicht mit ihm einig seyn können. Ueber die bildenden Künste thut Hemsterhuys den sinnreichen Ausspruch: die alten[10] Mahler seyen vermuthlich zu sehr Bildhauer gewesen, die neueren[3] Bildhauer seyen zu sehr Bildhauer [sc. Mahler]. Dieß trifft den eigentlichen Punkt; denn, wie ich es in der Folge deutlicher entwickeln 〈15〉 werde, der Geist[12] der gesamten antiken[2] Kunst[4] und Poesie[1] ist plastisch[3], so wie der modernen[1] pittoresk[2]. ➢ Volltext.
[95] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (21817), 3 f.: Die allgemeine philosophische Theorie der Poesie[1] und der übrigen schönen[2] Künste[1] stellt die Grundgesetze des Schönen[1] auf, die allen mit einander gemein sind. Jede Kunst[2] hat ferner ihre besondere Theorie, welche darauf abzweckt, die Gränzen, die Schwierigkeiten und die Mittel dieser Kunst[2] kennen zu lehren. Hiezu werden wissenschaftliche Erörterungen erfo〈4〉dert, welche dem Künstler nützlich, aber wenig anziehend für solche Freunde der Kunst[2] sind, die nur die Hervorbringungen ausgezeichneter Geister[32] genießen wollen. Die allgemeine Theorie hingegen zergliedert eine der menschlichen Natur[1] wesentliche Eigenschaft: die Fähigkeit das Schöne[1] zu empfinden, woraus das Bedürfniß der schönen[2] Künste[1] und das Wohlgefallen daran entsteht; sie zeigt das Verhältniß zwischen dieser Fähigkeit und allen übrigen sittlichen und erkennenden Fähigkeiten des Menschen. Sie ist also sehr wichtig für den Denker, aber an sich allein reicht sie nicht hin, um zur Führerin bey Ausübung der Kunst[2] zu dienen. | Die Geschichte[4] der schönen[2] Künste[1] lehrt uns, was geleistet worden, die Theorie, was geleistet werden soll. Ohne ein verbindendes Mittelglied würden beyde abgesondert und unzulänglich bleiben. Die Kritik[2] ist es, welche die Geschichte[4] der Künste[2] aufklärt, und ihre Theorie fruchtbar macht. Die Vergleichung und Beurtheilung der vorhandenen Hervorbringungen des menschlichen Geistes[11] muß uns die Bedingungen an die Hand geben, die zur Bildung[1] eigenthümlicher und gehaltvoller Kunstwerke[2] erforderlich sind..
[96] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 62, Nr. 35: Ist die Hermeneutik nicht auch eine Art der Kritik[2]? oder giebt es nicht wenigstens auch eine hermeneutische Kritik[2]? Der Gebrauch der hermeneutisch[en] Materialien (histor[ische] Erläuterung[en]) und Organe[1] (Gramm[atik] pp) ist eine Kunst, nicht Wissenschaft[1], und zwar nicht eine Werke bildende sondern eine urtheilende Kunst, also Kritik[2]..
[97] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28 f., Nr. 116: Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Poesie[1] ist eine progressive[3/6] Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie[11] wieder zu vereinigen, und die Poesie[1/18] mit der Philosophie, und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie[3] und Prosa[1], Genialität und Kritik[1], Kunstpoesie, und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie[1] lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch[1] machen, den Witz[1] poetisiren, und die Formen der Kunst mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors[2] beseelen. [...] 〈29〉 [...] Die romantische[12/14/1/9/3/10/11] Poesie[1] ist unter den Künsten was der Witz[1] der Philosophie, und die Gesellschaft, Umgang, Freundschaft und Liebe im Leben ist. ➢ Volltext.
[98] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 179 f. (180): [Der Goethe'sche Wilhelm Meister] eröffnet eine ganz neue[1] endlose Aussicht auf das, was die höchste Aufgabe aller Dichtkunst zu seyn scheint, die Harmonie des Classischen[3/5/6?] und Romantischen[13/6/8/9?]. [...] 〈180〉 [...] Cervantes und Shakspeare [...] sind [...] die einzigen, mit denen Goethe's Universalität eine Vergleichung zuläßt. [...] Nur ist Goethe's Kunst durchaus progressiv[6/3] [...]. | Goethe hat sich [...] zu einer Höhe der Kunst heraufgearbeitet, welche zum erstenmal die ganze Poesie[17] der Alten[10] und der Modernen[1] umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens enthält. | Der Geist[14], der jetzt rege ist, muß auch diese Richtung nehmen, und so wird es, dürfen wir hoffen, nicht an Naturen[17] fehlen, die fähig seyn werden zu dichten, nach Ideen zu dichten. Wenn sie nach Goethe's Vorbilde in Versuchen und Werken jeder Art unermüdet 〈181〉 nach dem Bessern trachten; wenn sie sich die universelle Tendenz, die progressiven[6/3] Maximen dieses Künstlers zu eigen machen, die noch der mannichfaltigsten[1] Anwendung fähig sind; wenn sie wie er das Sichre des Verstandes[2] dem Schimmer des Geistreichen vorziehn: so wird jener Keim nicht verloren gehn, so wird Goethe nicht das Schicksal des Cervantes und des Shakspeare haben können; sondern der Stifter und das Haupt einer neuen[1] Poesie[1] seyn [...]. ➢ Volltext.
[99] F. Schlegel, Ideen (1800), 7, Nr. 22: Was thun die wenigen Mystiker die es noch giebt? – Sie bilden mehr oder weniger das rohe Chaos der schon vorhandnen Religion[1]. Aber nur einzeln, im Kleinen, durch schwache Versuche. Thut es im Großen von allen Seiten mit der ganzen Masse, und laßt uns alle Religionen[1] aus ihren Gräbern wecken, und die unsterblichen neu beleben und bilden durch die Allmacht der Kunst und Wissenschaft.
[100] F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. I (1804), 31: Uebrigens zeigt es sich in dieser Tendenz noch ganz besonders, wie fremd[4] den Menschen die Poesie[1] geworden war; das Kunstgefühl war ihnen ein Phänomen, das sie vor allen Dingen zu begreifen und zu erklären wünschten; wodurch aber weder das Verständniß der Kunst eröffnet, noch auch der Dichter selbst gefördert wird. In neuerer[3] Zeit[3] hat man, besonders seit Kant, einen andern Weg eingeschlagen, und durch Zurückführung eines jeden besondern ästhetischen Gefühls auf das Gefühl des Unendlichen, oder die Erinnerung der Freiheit[10] wenigstens die Würde der Poesie[1] gerettet. Für die Kritik[2] aber ist damit immer nicht viel gewonnen, so lange man den Kunstsinn nur erklären will, statt daß man ihn allseitig üben, anwenden und bilden sollte..
[101] F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. I (1804), 332 f. (333): Es hatte nämlich 〈333〉 [...] der Engländer Harris, auf den Unterschied der in sukzessiven und der in coexistenten Medien wirkenden oder bildenden Künste [...] aufmerksam gemacht [...]. Dieser Unterschied nun wurde nebst der Winkelmannischen Schönheit[6] gleichsam Lessings Princip der Kunstforschung. Er nahm ihn ganz an, wandte ihn überall weiter an, suchte ihn ganz ins Reine zu bringen, und ist fast überall damit beschäftigt. Und allerdings verdiente dieser Unterschied wohl die größte Aufmerksamkeit, da er gerade das einzige sehr nahe berührt, was die eigentliche Speculation über die Kunst, ihr Wesen und ihre Art festsetzen wollen kann. Wenn man nämlich nicht bloß auf die äußerlichen Bedingungen bei diesem Unterschiede sähe, sondern auf den Geist[12] der Künste selbst, ob diese mehr progressiv[2] oder mehr substantiell, ob das Werdende, Bewegliche in einer Kunst herrschend sey, oder das Seyende, Ruhende; so würde dieser Unterschied zusammenfallen, mit der 〈334〉 großen Scheidung alles höhern menschlichen Thuns und Denkens in Dualismus und in Realismus, je nachdem die Freiheit[1], das unendliche Leben, oder die unbedingte Einheit überwiegend ist..
[102] Schleiermacher, Religion (1799), 52 f. (53): Spekulazion und Praxis haben zu wollen ohne Religion[3], ist verwegener Übermuth, es ist freche Feindschaft gegen die Götter[4/6], es ist der unheilige Sinn[10] des Prometheus, der feigherzig stahl, was er in ruhiger Sicherheit hätte fordern und erwarten können. Geraubt nur hat der Mensch[1] das Gefühl seiner Unendlichkeit und Gottähnlichkeit, und es kann ihm als unrechtes Gut nicht gedeihen, wenn er nicht auch seiner Beschränktheit sich bewußt wird, der Zufälligkeit seiner ganzen Form, des geräuschlosen Verschwindens seines ganzen Daseins im Unermeßlichen. Auch haben die Götter[4/6] von je an diesen Frevel gestraft. Pra〈53〉xis ist Kunst, Spekulazion ist Wissenschaft[1], Religion[3] ist Sinn[5] und Geschmak fürs Unendliche. Ohne diese, wie kann sich die erste über den gemeinen Kreis abenteuerlicher[3] und hergebrachter Formen erheben? wie kann die andere etwas beßeres werden als ein steifes und mageres Skelet? ➢ Volltext.
[103] Schleiermacher, Religion (1799), 219 f. (220): [S]o würdet Ihr doch zugeben, daß kein Künstler seine Kunst[8] einer Schule mit einigem Erfolg mittheilen kann wenn nicht unter den Lehrlingen eine gewiße Gleichheit der Vorkenntniße Statt findet; und doch ist diese in je〈220〉der Kunst[2] wo der Schüler seine Fortschritte durch Übungen macht, und der Lehrer vornehmlich durch Kritik[2] nüzlich ist, minder nothwendig als in der Religion wo der Meister nichts thun kann als zeigen und darstellen..
[104] Schlichtegroll, Mozart (1793), 7: Wem, der jemahls bey den Harmonien dieses großen Tonkünstlers sich bald in süße Empfindung verloren gefühlt, bald den unerschöpflichen Reichthum seiner Ideen bewundert hat, und die Gewalt, mit der er das Gebiethe seiner Kunst in ihrem weiten Umfange beherrschte, wem also von allen Kennern und Freunden der Musik[1] muß es nicht willkommen seyn, etwas von der merkwürdigen Lebensgeschichte dieses früh entwickelten, großen und originellen Genies[4] zu hören!.
[105] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 164: Gräf, in Erlangen, ist ein ausnehmend guter Clavierspieler. Seine Stücke, wovon viele in der großen in Kupfer gestochnen nürnbergschen Sammlung stehen, sind sehr regelmäßig, mit Kunst[2], ja oft mit Genie[2] bearbeitet..
[106] R. Schumann, Hummel (1834), 73: Ruhe, Grazie, Idealität, Objectivität, die Träger der antiken[2] Kunstwerke[2], sind die der Mozart'schen Schule. Wie der menschliche Grieche seinen donnernden Jupiter noch mit heiterm[4] Gesicht zeichnete, so hält Mozart seine Blitze. | [...] Sollte diese helle Art zu denken und zu dichten vielleicht einmal durch eine formlosere, mystische verdrängt werden, wie es die Zeit[9] will, die ihre Schatten auch auf die Kunst wirft, so mögen dennoch jene schönen[1] Kunstalter nicht vergessen werden, die Mozart regierte und die zuerst Beethoven schüttelte in den Fugen, daß es bebte, vielleicht nicht ohne Zustimmung seines Vorfürsten Wolfgang Amadeus. Später usurpirte Carl Maria von Weber und einige Ausländer den Königsthron. Als aber auch diese abgetreten, verwirrten sich die Völker[1] mehr und mehr und wenden und strecken sich nun in einem unbequemen classisch[5]-romantischen[8] Halbschlaf..
[107] Solger, Erwin II (1815), 277 f.: Geht [...] die Idee durch den künstlerischen Verstand[9] in die Besonderheit über, so drückt sie sich nicht allein darin ab, erscheint auch nicht bloß als zeitlich und vergänglich, sondern sie wird das gegenwärtige Wirkliche, und, da außer ihr nichts ist, die Nichtigkeit und das Vergehen selbst, und unermeßliche Trauer muß uns ergreifen, wenn wir das Herrlichste, durch sein nothwendiges irdisches Dasein in das Nichts zerstieben sehn. Und doch können wir die Schuld davon auf nichts anderes wälzen, als auf das Vollkommene selbst in seiner Offenbarung für das zeitliche Erkennen; denn das bloß Irdische, wenn wir es allein wahrnehmen, hält sich zusammen durch Eingreifen in einander, und nie abreißendes Werden und Vergehen. Dieser Augenblick des Uebergangs nun, in welchem die Idee selbst nothwendig zunichte wird, muß der wahre Sitz der Kunst, und darin Witz[1] und Betrachtung, wovon jedes zugleich mit entgegengesetztem Bestreben schafft und vernichtet, Eins und dasselbe sein. Hier also muß der Geist[20] des Künstlers[1] alle Richtungen in Einen alles überschauenden Blick zusammenfassen, und diesen über allem schwebenden[5], alles vernichtenden Blick nennen wir Ironie[3]. | Ich erstaune, sprach Anselm hier, über deine Kühnheit, das ganze Wesen der Kunst in die Ironie[3] aufzulösen, welches viele für Ruchlosigkeit halten möchten. | 〈278〉 Greif mich nur nicht mehr an, versetzt' ich, mit jener matten und falschen Religiosität, welche die Dichter[1] des Tages durch ihre selbstersonnenen Ideale unterstützen, und womit sie rüstig helfen, die schon so verbreitete empfindelnde und heuchelnde Selbsttäuschung über Religion[3], Vaterland, Kunst bis zum leersten Unsinn zu bringen. Ich sage dir, wer nicht den Muth hat, die Ideen selbst in ihrer ganzen Vergänglichkeit und Nichtigkeit aufzufassen, der ist wenigstens für die Kunst verloren..
[108] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 252: Also kann die Poesie[11] jede Triebfeder der Seele in Würksamkeit setzen, und mit zauberischer Kraft über die Herzen der Menschen herrschen. Diese Würkung hat sie nicht nur denn, wenn sie von feiner Kunst[8] und tiefforschender Critik[1] unterstützt wird: blos Natur[15] und Genie[2] sind dazu schon hinlänglich. Die Dichter scheinen noch immer die Größten zu seyn, die die Natur[15] zu Dichtern gemacht, ehe die Kunst[8] dem Genie[2] sich zur Gehülfin angebothen hat..
[109] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 289: Wer das Glük hat, von Jugend auf mit Menschen von feinerm Gefühl und einer edlern Lebensart umzugehen, dessen Geschmak wird allmählig zu dem edlern gebildet. Wer aber von dem Glük diese Wolthat nicht erhalten hat, der muß desto aufmerksamer das Genie[5] und den Geschmak der besten Werke der Kunst alter[10] und neuer[5] Völker[1] studiren. Mit Vorbeygehung aller Schriftsteller und Künstler, die nur einen zufälligen Ruhm, aus irgend einem mechanischen Theil derselben, oder nur einen vorübergehenden Beyfall erhalten haben, muß er sich an die ersten und claßischen[3] Männer jeder Art halten; an die, die nicht blos bey ihrer Nation[1], sondern bey allen Völkern[1], wo der Geschmak aufgekommen ist, für die ersten in ihrer Art gehalten werden. Für junge, noch ungebildete Genie[4], wenn die Natur[2] sie nicht vorzüglich bedacht hat, ist es allemal gefährlich, gutes, mittelmäßiges und schlechtes durch einander zu lesen, oder zu sehen. Es gehört ein ausnehmendes Genie[3] dazu, sich nach schlechten Mustern zu bilden, und gut zu werden..
[110] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 578: [L]eicht würde die Beurtheilung der Kunstwerke[2] seyn, wenn unsre Kunstrichter und die Verfasser der mannigfaltigen periodischen Schriften, darin die von Zeit[7] zu Zeit[7] herauskommenden Werke des Geschmaks beurtheilet werden, sich angelegen seyn ließen, anstatt so viel Geheimnisvolles von den Regeln der Kunst, in einer dem gemeinen Leser unverständlichen Kunstsprache, zu sagen, ihm auf die rechte Spuhr hülfen, selbst zu urtheilen. Dieses wäre bald gethan, wenn man nur bey jeder Gelegenheit die Wahre und gar einfache Theorie der Kunst überhaupt, und jedes Zweyges derselben besonders, vorbrächte, danach urtheilte, und so die allgemeine Critik[2] in ihrer wahren Einfallt darstellte, und auf populare Kenntnis zurükführte..
[111] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 580: Dieses wenige kann hinlänglich seyn, denen, die dergleichen Kirchen bauen, oder bauen lassen, zu zeigen, wie nöthig es sey, überall auf den wahren Zwek der Sachen zu sehen. Auch diesem Theile der Kunst, fehlet es noch an einer wahren gründlichen Critik[2], die den Baumeister in seinen Verrichtungen immer auf dem geraden Weg halte..
[112] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 624: Im Tanze vereinigen sich die Künste, die durch Aug und Ohr[3] zugleich rühren; in dem Gesange vereinigen sich die redenden Künste mit der Musik, und in dem Schauspiele können gar alle zugleich würken. Darum ist das Schauspiel die höchste Erfindung der Kunst, und kann von allen Mitteln die Gemüther der Menschen zu erhöhen, das vollkommenste werden..
[113] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (1): Es ist wahr, die Künste[2] sind ohne Hülfe der Kunstrichter zu einem hohen Grad der Vollkommenheit gestiegen. Aber dieses beweiset nicht, daß im Reiche der Künste[2], der Kunstrichter eine überflüßige Person sey. Der Geist[19] des Menschen hat von der Natur[2] einen keine Gränzen kennenden Trieb, nach immer höher steigender Vollkommenheit, zum Geschenke bekommen. Wer wird sich also unterstehen ihm Schranken zu setzen? So lange die Critik[8] einen höhern Grad der Vollkommenheit sieht, kann niemand sagen, daß er über Kräfte der Kunst[18] reiche..
[114] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (2): Doch kann [...] nicht geläugnet werden, daß die Künste meistentheils ihrem Verfall am nächsten gewesen, wenn die Critik[2] und die Menge der Kunstrichter aufs höchste gestiegen sind. [...] Aber dieses beweißt nichts gegen die Critik[2]. Die fürtreflichsten Werke der Kunst mögen immer älter als sie seyn, so wie die edelsten Thaten, der Philosophischen Kenntnis der Sittenlehre können vorhergegangen seyn. [...] Dieses beweißt blos, daß die Bestrebungen des Genies[4] nicht von Theorien und Untersuchungen abhangen, sondern ganz andere Veranlassungen haben. [...] Der Mensch dem die Natur[2] alles gegeben hat, sinnreich und erfinderisch zu werden, wird es doch erst dann, wenn ihn irgend eine Noth antreibet, seine Kräfte zusammen zu nehmen. [...] Schon Aeschylus hat angemerkt, daß die Nothwendigkeit und nicht die Kenntnis der Kunst dem Genie[2] seine Stärke giebt [...]. Aber diese Kräfte haben eine Lenkung nöthig, um den nächsten Weg einzuschlagen, der zum Zwek führet..
[115] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (3): Man erkennet deutlich, warum nicht eher große Kunstrichter entstehen können, als bis große Künstler gewesen sind. Denn aus Betrachtung der Kunstwerke entstehet die Critik[2]. Daß aber die Künste fallen, nachdem die Critik[2] das Haupt empor hebt, muß von zufälligen Ursachen herkommen. Denn in der deutlichen Kenntnis der Kunst, kann der Grund von der Unthätigkeit des Genies[2] nicht liegen..
[116] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (4): Freylich kann eine falsche und spitzfündige Critik[2] den Künsten selbst sehr schädlich werden, wie eine spitzfündige Moral einen sehr schlimmen Einfluß auf die Sitten haben kann. Es ist tausendmahl besser daß die Menschen von gutem sittlichen Gefühl nach ihren natürlichen[2] und unverdorbenen Empfindungen, als nach Grundsätzen und Lehren einer Sophistischen Sittenlehre handeln. Und in diesem Falle sind auch Künstler von gutem natürlichen[2] Genie[2] in Beziehung auf eine spitzfündige Critik[2]. Nur so lange als sie aus ächten Grundsätzen, ohne Zwang und Sophisterey natürliche[4] Folgen zieht, wird sie unfehlbar dem Genie[2] der Künstler nützlich werden..
[117] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633 (1): Die ersten Kunstrichter widmeten ihr Nachdenken der Theorie der Künste, weil die Natur[2] ihnen das besondere Genie[2] zu Untersuchungen dieser Art gegeben hatte: was sie bemerkten und entdekten, hatte das Gepräg der Gründlichkeit, ob es gleich noch nicht allgemein und vollständig genug war. Nachdem einmal die Critik[2] durch dergleichen Bemerkungen mit Säzen so weit bereichert worden, daß es der Mühe werth war, sie in ein System zu sammeln; so wurd sie zu einer Wissenschaft, die nun auch mittelmäßigen und seichten Köpfen in die Augen leuchtete. Nicht nur Männer von Genie[2], sondern auch bloße Liebhaber ohne Talente wiedmeten ihr ihre Zeit[6]. Diese bildeten sich ein, man könne sie lernen, weil die Kunstsprache, und die einmal in die Wissenschaft aufgenommenen Säze sich leicht ins Gedächtnis fassen lassen. Was also im Anfang die Frucht des wahren Genies[2] war, wurd nun zur Modewissenschaft, auf welche sich Leute ohne Genie[2] und Talente legten. Jeder seichte Kopf, der sie ohne Verstand[4] blos durch das Gedächtnis gefaßt hatte, versuchte sie mit seinen eigenen Säzen, mit neuen[1] Wörtern[1], an denen das Genie[2] keinen Antheil hatte, zu bereichern; und so wurd die Critik[2] zulezt zu einem Gewäsche, in welchem man nur mit großer Mühe, die von den wahren Kunstrichtern gemachten Entdekungen noch wahrnehmen konnte. Wenn nun zugleich auch Menschen ohne natürlichen[3] Beruf sich auf die Künste legen; so glauben sie dieselben aus den Theorien erlernen zu können: und so werden Künste und Critik[2] zugleich verdorben..
[118] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633 (2): Aristoteles, der als ein Mann von Genie[2] über diese Kunst [sc. Beredsamkeit] geschrieben hatte, bekam tausend Nachfolger ohne Genie[2], welche nach und nach die Theorie der Kunst in einen beynahe leeren Wortkram verwandelten [...]. Und nun gab es auch schwache Köpfe, die aus den Rhetoriken die Beredsamkeit erlernen wollten. Auf diese Weise mußte die Kunst durch die Critik[2] zu Grunde gehen..
[119] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633 (3): Man muß es deswegen nicht der Critik[2] selbst, nicht den Kunstrichtern von Genie[2], sondern den Sophisten, die aus dieser Wissenschaft[1] ein Handwerk gemacht haben, zuschreiben, wenn die schönen[2] Künste[1] durch Theorien verdorben werden. Den ächten Kunstrichter wollen wir als den Lehrer des Künstlers[1] ansehen, und diesem rathen auf seine Stimme[1] zu horchen. Zwar scheinet es, daß der Künstler[1] auch der beste Richter über die Kunst[2] seyn sollte. Wenn man aber bedenkt, wie viel Zeit[6], Nachdenken und Fleiß die Ausübung erfodert; so läßt sich begreifen, daß ein zur Kunst[2] gebohrnes Genie[4], (und ein solches muß der Kunstrichter seyn) das sich selbst mit der Ausübung nicht beschäftiget, in gar vielen zur Kunst[2] gehörigen Dingen, noch weiter sehen muß, als der Künstler[1] selbst..
[120] L. Tieck, Phantasus I (1812), 470: Es war den neusten[3] Zeiten[5] vorbehalten, fuhr Lothar fort, den wundervollen Reichthum des menschlichen Sinnes[6] in dieser Kunst [sc. Musik], vorzüglich in der Instrumental-Musik auszusprechen. In diesen vielstimmigen Compositionen und in den Symphonien vernehmen wir aus dem tiefsten Grunde heraus das unersättliche, aus sich verirrende und in sich zurück kehrende Sehnen, jenes unaussprechliche Verlangen, das nirgend Erfüllung findet und in verzehrender Leidenschaft sich in den Strom des Wahnsinns wirft, nun mit allen Tönen kämpft, bald überwältigt bald siegend aus den Wogen ruft, und Rettung suchend tiefer und tiefer versinkt. Und wie es dem Menschen allenthalben geschieht, wenn er alle Schranken überfliegen und das Letzte und Höchste erringen will, daß die Leidenschaft in sich selbst zerbricht und zersplittert, das Gegentheil ihrer ursprünglichen Größe, so geschieht es auch wohl in dieser Kunst großen Talenten. Wenn wir Mozart wahnsinnig nennen dürfen, so ist der genialische Beethoven oft nicht vom Rasenden zu unterscheiden, der selten einen musikalischen[1] Gedanken verfolgt und sich in ihm beruhigt, sondern durch die gewaltthätigsten Uebergänge springt und der Phantasie[3] gleichsam selbst im rastlosen Kampfe zu entfliehen sucht. | Alle diese neuen[3] tiefsinnigen Bestrebungen, sagte Anton, sind meinem Gemüthe nicht fremd[4], sie tönen wie das Rauschen des Lebensstromes zwischen Felsenufern, der über Klippen und hemmendem Gestein in romantischer[3; 8?] Wildniß musikalisch[3; 7?] braust[.].
[121] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 82 f. (83): Noch eines Gemähldes des Leonardo muß ich, eines merkwürdigen Umstandes halber, gedenken. Ich meyne das Bildniß der Lisa del Giocondo, (der Gemahlinn des Francesco,) an welchem er vier Jahre arbeitete, ohne durch die sorgfältigste und feinste Ausarbeitung jedes Härchens, den Geist[12] und das Leben des Ganzen zu ersticken. So oft nun die edle Frau[4] ihm zum Mahlen saß, rief er allemal einige Personen herzu, die sie durch eine angenehme und muntre Musik[6] auf Instrumenten[3], mit der menschlichen Stimme[3] begleitet, aufheitern mußten. Ein sehr sinnreicher Einfall, wegen dessen ich den 〈83〉 Leonardo immer bewundert habe. Er wußte nur zu wohl, daß bey Personen, welche zum Mahlen sitzen, sich gewöhnlich eine trockene und leere Ernsthaftigkeit auf ihrem Gesichte einzufinden pflegt, und daß eine solche Miene, wenn sie im Gemählde in bleibenden Zügen festgehalten wird, ein ungefälliges oder wohl gar finsteres Ansehen gewinnt. Dagegen kannte er die Wirkung einer fröhlichen Musik[6], wie sie sich in den Mienen des Gesichts abspiegelt, wie sie alle Züge auflöst, und in ein liebliches, reges Spiel setzt. So trug er die sprechenden Reize des Antlitzes lebendig auf die Tafel über, und wußte bey Ausübung der einen Kunst sich der andern so glücklich als Gehülfinn zu bedienen, daß diese auf jene ihren Wiederschein warf. ➢ Volltext.
[122] Wackenroder, Phant. ü. d. Kunst (1799), 155 ff. (156): Es scheinen uns diese Gefühle, die in unserm Herzen aufsteigen, manchmal so herrlich und groß, daß wir sie wie Reliquien in kostbare Monstranzen einschließen, freudig davor niederknieen, und im Taumel nicht wissen, ob wir unser eignes menschliches Herz, oder ob wir den Schöpfer, von dem alles Große und Herrliche herabkommt, verehren. | Zu dieser Aufbewahrung der Gefühle sind nun verschiedene schöne[1] Erfindungen gemacht worden, und so sind alle schönen[2] 〈156〉 Künste[1] entstanden. Die Musik[1] aber halte ich für die wunderbarste dieser Erfindungen, weil sie menschliche Gefühle auf eine übermenschliche Art schildert, weil sie uns alle Bewegungen unsers Gemüths unkörperlich, in goldne Wolken luftiger Harmonien eingekleidet, über unserm Haupte zeigt, – weil sie eine Sprache[2] redet, die wir im ordentlichen Leben nicht kennen, die wir gelernt haben, wir wissen nicht wo? und wie? und die man allein für die Sprache[2] der Engel halten möchte. | Sie ist die einzige Kunst[2], welche die mannigfaltigsten und widersprechendsten Bewegungen unsers Gemüths auf dieselben schönen[1] Harmonien zurückführt, die mit Freud' und Leid, mit Verzweiflung und Verehrung in gleichen harmonischen Tönen spielt. Daher ist sie es auch, die uns die ächte Heiterkeit[3] der Seele einflößt, welche das 〈157〉 schönste[1] Kleinod ist, das der Mensch erlangen kann; – jene Heiterkeit[3] meyn' ich, da alles in der Welt uns natürlich[2], wahr und gut erscheint, da wir im wildesten Gewühle der Menschen einen schönen[1] Zusammenhang finden, da wir mit reinem Herzen alle Wesen uns verwandt und nahe fühlen, und, gleich den Kindern, die Welt wie durch die Dämmerung eines lieblichen Traumes erblicken. ➢ Volltext.
[123] Wackenroder, Phant. ü. d. Kunst (1799), 166 f.: Es ist rührend zu sehen, wie diese drey Künste die Himmelsburg von ganz verschiedenen Seiten bestürmen, und mit kühnem Wetteifer untereinander kämpfen, dem Throne Gottes am nächsten zu kommen. Ich glaube aber wohl, daß die vernunftreiche Muse der Dichtkunst, und vorzüglich die stille und ernste Muse der Mahlerey, ihre dritte Schwester für die allerdreisteste und verwegenste im Lobe Gottes achten mögen, weil sie in einer fremden, unübersetzbaren Sprache[2], mit lautem Schalle, mit heftiger Bewegung, und mit harmoni〈167〉scher Vereinigung einer ganzen Schaar lebendiger Wesen, von den Dingen des Himmels zu sprechen wagt. | Allein auch diese heilige Muse redet von den Dingen des Himmels nicht beständig auf einerley Art, sondern hat vielmehr ihre Freude daran, Gott auf ganz verschiedene Weise zu loben, – und ich finde, daß jegliche Art, wenn man deren wahre Bedeutung recht verstehet, ein Balsam für das menschliche Herz ist. | Bald geht sie in muntern, fröhlichen Tönen daher, läßt sich von einfachen und heiteren[5], oder auch von zierlichen und künstlichen Harmonieen in allerley liebliche, wohlklingende Irrgänge leiten, und lobt Gott nicht anders, als Kinder thun, welche vor ihrem guten Vater an seinem Geburtstage eine Rede oder einen dramatischen Actus halten [...].
[124] Wackenroder, Phant. ü. d. Kunst (1799), 188: Von denjenigen, welche die Musik[1] und alle Künste nur als Anstalten betrachten, ihren nüchternen und groben Organen[3] die nothdürftig sinnliche Nahrung zu verschaffen, – da doch die Sinnlichkeit nur als die kräftigste, eindringlichste und menschlichste Sprache[2] anzusehn ist, worin das Erhabene[3], Edle und Schöne[2] zu uns reden kann, – von diesen unfruchtbaren Seelen ist nicht zu reden. ➢ Volltext.
[125] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 19 f.: Man hat die Kunst[4] und Poesie[11] des Mittelalters mit dem Namen der romantischen[13], die Kunst[4] und Poesie[11] der Alten[10] mit dem Namen der klassischen[7] getauft, welcher Name und Gegensatz von einer deutschen Dichterschule, Tieck und den beiden Schlegeln, die man selbst zur neuromantischen Klasse[1] zählte, ausging, in Deutschland viel Streit und Gerede machte und seit einem Dezennium auch in Frankreich und Italien die größten Spaltungen erregte, indem die jungen französischen und italienischen Dichter sich zu den deutschen Romantikern[3] schlugen, und im Gegensatze zu den Nachahmern des altklassischen Stils sich mehr der britischen und deutschen Phantasiefülle und Regellosigkeit hingaben, worin sie hauptsächlich das Wesen der Romantik[13] erblickten. Überhaupt hat man viel Mißbrauch mit beiderlei Namen getrieben, und man ist sich noch jetzt, weder in Deutschland, noch bei unsern Nachbarn selten klar, worin denn eigentlich das unterschiedliche Wesen der einen und der andern Art bestehe. Vielleicht drückt man sich darüber am richtigsten aus, wenn man sagt, die Kunst[2] der Alten[10], das ist die Klassik[5], habe darin bestanden, daß sie jede Idee, die sie darstellen wollten, sei's mit dem Meißel, am Stoff des Marmors, sei's mit dem Griffel, am Stoff der Sprache[1], daß sie jede darzustellende Idee, so vollkommen an diesem Stoffe ausdrückten, daß nichts 〈20〉 mehr und nichts weniger als eben die Idee selbst sinnlich vor Augen trat; dagegen die Kunst[2] der Romantiker[2] darin bestand und besteht, daß sie die Idee im sinnlichen Stoff keineswegs vollkommen erschöpften, sondern nur symbolisch an ihm darstellten, so daß man bei ihren Gebilden immer etwas mehr hinzuzudenken habe, als man vor Augen sähe. Die Ursache war denn die, daß die alten[10] griechischen[1] Künstler, nach ihren Begriffen[1] von sinnlicher Form und Schönheit[1], alle diejenigen Ideen zur Darstellung verschmähten und von sich wiesen, welche sie nicht in feste Form vollkommen einfassen konnten, die Künstler und Dichter des Mittelalters aber sich kein Bedenken daraus machten, das Höchste und Tiefste, was nur die Menschenbrust fassen, aber kaum ein sterblicher Mund aussprechen konnte, symbolisch in Formen und Gestalten wenigstens anzudeuten. Daß uns eine solche Kunst[2] der Bedeutsamkeit, eine solche Symbolik der Religion[1] und der Liebe aus den Denkmälern des Mittelalters überall anweht, uns bald heimlich, bald großartig, bald abenteuerlich[3] ergreift und etwas Unendliches, Ahnungsvolles, Sehnsüchtiges in uns anregt, wird jeder gestehen, dem das Mittelalter bekannter geworden ist wie aus Büchern der neuern[9] Zeit[3] über dasselbe..
[126] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 26: Diese Griechen [...], welche ihre Freyheit[7] vor der angränzenden Macht der Perser nicht vertheidigen konnten, waren nicht im Stande, sich in mächtige freye Staaten, wie die Athenienser, zu erheben, und die Künste und Wissenschaften konnten daher in dem Jonischen Asien ihren vornehmsten Sitz nicht nehmen..
[127] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 83: Diese Freyheit[6], die Pflegerinn der Künste, und der große Handel der Hetrurier zu Wasser und zu Lande, welcher jene beschäftigte und nährete, muß unter ihnen eine Nacheiferung mit Künstlern anderer Völker[1] erwecket haben, sonderlich da der Künstler in allen freyen[6] Staaten mehr wahre Ehre zu hoffen und zu erlangen hat. .
[128] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 130: In Absicht der Verfassung und Regierung von Griechenland ist die Freyheit[6] die vornehmste Ursache des Vorzugs der Kunst..
[129] Winckelmann, Gesch. d. Kunst II (1764), 316: Es war also nöthig, die Umstände anzuzeigen, in welchen sich die Griechen von Zeit[3] zu Zeit[3] befunden haben, welches kürzlich, und bloß in Absicht auf unser Vorhaben geschehen wird; und aus dieser ganzen Geschichte[1] erhellet, daß es die Freyheit[6] gewesen, durch welche die Kunst empor gebracht wurde. .
[130] Winckelmann, Gesch. d. Kunst II (1764), 340: Ich kehre [...] zu dem unglücklichen Peloponnesischen Kriege zurück, welcher sich im ersten Jahre der vier und neunzigsten Olympias endigte, aber mit Verlust der Freyheit[6/7] von Athen, und zugleich, wie es scheinet, mit großem Nachtheile der Kunst. .
[131] Winckelmann, Gesch. d. Kunst II (1764), 356: Die Kunst, welche von der Freyheit[6] gleichsam das Leben erhalten, mußte [...] nothwendig durch den Verlust derselben [...] sinken und fallen..
[132] Zelter/Goethe, Haydn. Schöpf. (1826), WA I, 41.2, 384: [H]ierdurch werde ich erinnert, an den Vorwurf zu denken, den man Haydn machen wollen: seine Musik[4] ermangele der Leidenschaft. Hierauf nun erwidere ich Folgendes: Das Leidenschaftliche in der Musik[1] wie in allen Künsten[2] ist leichter als man denkt, schon weil es leichter nachempfunden wird; es ist nicht ursprünglich, die Gelegenheit bringt es hervor, und nach dem Begriffe[1] der Alten[10] verdeckt es die reine Natur[19] und entstellt das Schöne[1]. [...] | Unser Haydn [...] wirkt ohne Hitze, was er wirkt; wer will denn auch erhitzt sein? Temperament, Sinn[6], Geist[20], Humor[3], Fluß, Süße, Kraft und endlich die echten Zeichen des Genies[4]: Naivetät und Ironie[3] müssen ihm durchaus zugestanden werden. Sind nun die hier genannten Elementartheile, welche ohne Wärmestoff nicht denkbar sind, Haydn'sche Eigenheiten, so begrüßen wir seine Kunst[10] als antik[4] im besten Sinne[1], und daß sie modern[4/7] sei, ist unsres Wissens nicht bestritten worden, was auch schwer gelingen möchte, da alle moderne[9] Musik[1] auf ihm ruht..
[2] L. Tieck, Herz. (1797 [1796]), 198: Die Muse. | Dieser Jüngling hier war Raphael. | Der Jüngling. Dieser Jüngling? – Unerforschlich, Gott[1]! | Sind Deine Wege, | Unerforschlich die tiefen Wunder der Kunst! | Dieses heitre[1], unbefangne Auge | Sah auf selbsterschaffne Christusbilder, | Madonnen, Heilige und Apostel, | Und alte[2] Weisen, und wilde Schlachten! – | Ach! er scheint nicht älter[3] als ich selber. | Über kleine frohe Spiele scheint er sinnend, | Und das Sinnen wieder scheint ihm Spiel. ➢ Volltext
[3] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 264: Wie weit idealischer lebte ich damals, da ich in unbefangener Jugend und stiller Einsamkeit die Kunst noch 〈265〉 bloß genoß; als itzt, da ich sie im blendendsten Glanze der Welt und von lauter seidenen Kleidern, lauter Sternen und Kreuzen, lauter kultivirten und geschmackvollen Menschen umgeben, ausübe! – Was ich möchte? – Ich möchte all' diese Kultur[4] im Stiche lassen und mich zu dem simplen Schweizerhirten ins Gebirge hinflüchten und seine Alpenlieder, wonach er überall das Heimweh bekömmt, mit ihm spielen.
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[4] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 295 f. (296): Freyheit[17] [...], 〈296〉 [...] freye Handlung[1], eine Handlung[1], wodurch die vorgeschriebenen oder eingeführten Schranken überschritten werden; am häufigsten im nachtheiligen Verstande[7]. In einem Gemählde befinden sich große Freyheiten[17], wenn die Regeln der Kunst überschritten worden..
[5] Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (21798), 474 f. (475): Neu[1] [...] 〈475〉 [...], was man vorher noch nicht erfahren, empfunden oder erkannt hatte. Das ist mir nichts Neues[1], das habe ich schon mehrmahls erfahren, oder empfunden. Diese Sache ist mir nicht neu[1], nicht unbekannt. [...] Ein neuer[1] Gedanke, welchen man noch nicht gedacht, oder noch nicht gelesen hat. Neue[1] Gewächse, neue[1] Thiere[1], welche bisher noch nicht bekannt gewesen. Diese Forderung wäre ganz neu[1], ganz unerhört. [...] Ein neuer[1] Gegenstand, in den bildenden Künsten, der noch von niemanden oder doch nicht auf diese Art, behandelt worden. Etwas Neues[1] erzählen, was man noch nicht gewußt hat, besonders wenn es sich vor kurzen zugetragen hat, oder zugetragen haben soll..
[6] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 276: [D]ann fühlte ich daß nichts mich so beglücken kann als die spielende Heiterkeit[4] in Dir, die doch aus innigster warmer Lebensquelle strömt, lieb Kind! – Tanz ist doch edel! – ja gewiß mit die reinste, die erhabenste der Künste! – Denn jede Kunst hat im Geist[20] ihre Apotheose, und Deine heitere[5] Lebensansicht, Deine Gefühle sind tanzende Wendungen nach der lieblichsten Melodie. – Diesmal im Brief[1] spielen Deine Gefühle auf der Schalmei und begleitet der Witz[1] mit dem Triangel dazu.
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.[7] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 454: Es ist nicht Noth in der Kunst das Vortreffliche anzuschaffen, es ist Noth das Schlechte, Falsche, Verkehrte abzuschaffen, denn alles Vortreffliche erblühet aus dem Rechten und Wahren. – Die Freiheit[17] ist die Blüthe des Gesetzes, der Tod aller darstellenden Kunst aber ist die Eitelkeit und Selbstgefälligkeit, und ich werde mir es niemals nehmen lassen, daß einst die strenge, grausam scheinende bürgerliche Verachtung der Schauspieler ein Hausmittel der Geschichte[1] war vortreffliche Künstler zu haben. ➢ Volltext.
[8] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 396 f.: Die Verknüpfung zweier Sprachsphären, welche gleichtönen, wobei aber eine bestimmte Betrachtung der Bedeutung beider vorkommt, heißt ein Wortspiel, und dieses ist die Fundamentalfigur aller übrigen musikalisch[3]-poetischen[4] Sprachfiguren. Das Wortspiel ist der Witz[4] der Sprache[1], und an seiner Vortrefflichkeit kann nur der zweifeln, der überhaupt damit unbekannt ist, was der Witz[4] sei und bedeute, und vielleicht den ärmlichen Begriff[1] mit sich herumträgt: daß er nur ein Zeitvertreib, und die untergeordnete, unbedeutendere, heitere[5] Wahrheit sei. Allein weit entfernt diese geringe Gattung des Witzes[4] für sein Wesen zu halten; muß man vielmehr die Sache gradezu umkehren, und das Wesen der Wahrheit darin setzen, daß sie Witz[4] sey. Denn alle Wissenschaft ist Witz[4] des Verstandes, alle Kunst, Witz[4] der Phantasie[1], und jeder einzelne witzige Einfall wird nur dadurch zu einem solchen, daß er an den 〈397〉 Witz[4] der Wahrheit überhaupt erinnert. Damit man aber diese Stelle über den Witz[4], nicht etwa für witzelnd, sondern weil sie Wahrheit enthält, auch für witzig halte: so überlege man folgendes. Die Wissenschaft auf ihrem höchsten Standpunkte lehrt eine absolute Einheit eine unbedingte Identität alles mit allem. An diese ewige Consonanz des Weltalls, an diese heterogene Homogeneität, erinnert jede ernste und heitere[5], jede erhabene und burleske Stimmung, der Witz[4] ist der Blitz, welcher eine einzelne Stelle in dem großen Ganzen erleuchtet, und diese Identität im Einzelnen heraustreten läßt, und daher ist ein jeder Witz[4], indem er an das Höchste erinnert, erhaben. Je kleiner freilich die erleuchtete Stelle ist, je flüchtiger und vorübergehender der Eindruck, und der gesellige Witz[4] ist mehrentheils nur ein Wetterleuchten, welches das Dasein einer Region anzeigt, in welcher ein Blitz möglich wäre. Der ächte und große Witz[4] wohnt in der Wissenschaft, in der Kunst und dem Leben; und da nun die Sprache[1] das Organ[1] von allen diesem ist: so sieht man leicht ein, daß durch das Wortspiel, wie es zum Beispiel Shakespear gebraucht, oder Aristophanes, Andeutungen können hervorgebracht, Effekte erregt, Empfindungen angeschlagen werden, die nur durch dieses Medium möglich sind, welche sich wie die Musik, körperlich durch das Ohr[2] in den Geist[19] ergießen. ➢ Volltext.
[9] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 445: Durch die ganze Natur[2] und Menschheit[2] fluthet ewig derselbe Strom, den unendlichen nimmt keine Brust in sich auf, liebevoll schließt sie sich an das einzelne, und sucht und findet da die Gottheit. Sie predigt der Strohhalm, wie die ewigen Sterne[1] sie verkündigen, und sollte sie nicht in der Sprache[1] dem Organ[1] der Geselligkeit der Wissenschaft[1] und der Kunst wohnen?.
[10] S. Boisserée, Denkm. Baukunst (1833), I: Bei dieser Auswahl habe ich nicht nur das kirchliche, sondern auch das klösterliche und städtisch-bürgerliche Bauwesen, so wie die verschiedenen Künste berücksichtigt, welche dabei mitgewirkt haben; hauptsächlich hatte ich aber dabei den Zweck im Auge, eine Reihe von Denkmalen aufzustellen, an denen man die wesentlichsten Veränderungen, welche während dem genannten Zeitraum in der romanischen[4] Baukunst statt gefunden, nachweisen, und dadurch den Uebergang zu der so ganz von ihr verschiedenen deutschen[4] Baukunst begreiflich machen kann..
[11] Börne, Brf. Paris I (1832), 120: Sonntag habe ich einem Conzerte im Conservatoire beigewohnt. Ein junger Componist, Namens Berlioz, [...] ließ von seinen Compositionen aufführen; das ist ein Romantiker[3]. [...] Mir hat alles sehr gefallen. Eine merkwürdige Symphonie, eine dramatische in fünf Acten, natürlich blos Instrumental-Musik; aber daß man sie verstehe, ließ er wie zu einer Oper einen die Handlung[3] erklärenden Text drucken. Es ist die ausschweifendste Ironie[1], wie sie noch kein Dichter[1] in Worten[2] ausgedrückt, und alles gottlos. Der Componist erzählt darin seine eigene Jugendgeschichte. Er vergiftet sich mit Opium und da träumt ihm, er hätte die Geliebte ermordert, und würde zum Tode verurtheilt. Er wohnt seiner eigenen Hinrichtung bei. Da hört man einen unvergleichlichen Marsch, wie ich noch nie einen gehört. Im letzten Theile stellt er den Blocksberg vor, ganz wie im Faust, und es ist alles mit Händen zu greifen. Seine Geliebte, die sich seiner unwürdig zeigte, erscheinet auch in der Walpurgisnacht; aber nicht wie Gretchen in Faust, sondern frech, Hexenmäßig ..... In der Kunst und Literatur wie in der Politik, gehet die Frechheit der Freiheit[13/6] vor〈121〉aus. Das muß man zu würdigen wissen, um die jetzigen französischen Romantiker[3] nicht ungerecht zu verurtheilen. Sie sind oft rein toll, und schreiben Sachen, wie man sie im romantischen[7] Deutschland niemals lies't..
[12] Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 357: Die pantomimische Tanzkunst, deren Darstellungen ohne Worte[2] bloß durch Bewegungen und Gebehrden geschahen, hat, nach den Beschreibungen der Alten[10] zu urtheilen, zu den Zeiten[3] Augusts in Rom auf dem höchsten Gipfel ihrer Größe gestanden; man tanzte eben so wohl tragische als komische Stücke. [...] In den neuern[5] Zeiten[3] hat der berühmte Noverre diese Kunst wieder auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit gehoben (vergl. Ballet); und wenn er in seinen über diesen Gegenstand herausgegebenen Briefen[3] [sc. Lettres sur la danse et sur les ballets, Lyon/Stuttgart 1760] gesteht, daß die Kunst der Pantomime zu unsern Zeiten[3] das nicht mehr leisten könne, was sie zu den Zeiten[3] Augusts geleistet, so hat er sich durch die übertriebnen Ideen täuschen lassen, die man sich nach den Lobschriften der Alten[10] von ihrer Pantomime zu machen pflegt..
[13] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 132: Die Verdienste dieses würdigen Tonkünstlers [sc. J. F. Reichardt] können nicht geläugnet werden. Seine Opern sind, wenn auch nicht immer originell, doch größten Theils sehr schön. Seine Chöre haben viel Erhabenes, und fast immer ist die Musik dem Texte angemessen. Er hat übrigens durch die scharfen Kritiken[5], die er als Schriftsteller über seine Kunst ergehen ließ, vielleicht in den Augen manches Tonkünstlers von seinem Werthe als Mensch verloren. Daß er auch in andern Fächern als Schriftsteller aufgetreten ist, hat das Journal Frankreich gelehrt. Wir unternehmen es nicht, die Aussprüche der Kritik[8] über diese Nebenarbeiten anzuführen und abzuwägen..
[14] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 437: Classisch[3] und Classiker[4] wurden zuerst diejenigen Bürger des alten[10] Roms genannt, welche zufolge der durch den König Servius Tullius, 578–534 v. Chr., angeordneten Eintheilung des Volkes[4] in sechs Vermögensclassen, in die erste Classe[1] gehörten. Nach Wiederherstellung des Studiums der aus dem Alterthume[3] übrigen Schriftsteller wurden aber beide Ausdrücke auf die griech.[2] und röm. Autoren im Allgemeinen angewandt und man legte ihren gesammten Schriften, im Gegensatze zur neuern[5] oder romantischen{12], den Namen der classischen[7] Literatur bei, obgleich Vieles nicht als classisch[3], d. h. durch seine äußere und innere Vollendung in die erste Classe[1] gehörend, betrachtet werden kann. Auch die Schöpfungen der Kunst der Alten[10] werden classisch[7] genannt, und insofern man darunter die innere und äußere Vollendung und musterhafte Ausführung eines Schrift- oder Kunstwerks[4] versteht, besitzt auch die neuere[5] Zeit[3] ihre classischen[3] Schriftsteller und Künstler..
[15] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 559: Das Wiederaufleben der bildenden Künste seit dem Ende des vorigen Jahrh. ist im Allgemeinen auch als eine Folge der vorhergehenden Glanzperiode deutscher Poesie[1] und Literatur zu betrachten; eigenthümliche Verdienste erwarben sich aber darum J. J. Winckelmann und Mengs [...]. Neben der vom Erstern angeregten antiken[3] Richtung machte sich aber bald eine nationalalterthümliche, auch romantische[14] genannt, geltend, welche die Anknüpfungspunkte ihres Strebens vorzüglich im Mittelalter sucht, während eine dritte, die moderne[10], Gegenstände und Formen ihrer begeisterten Auffassung vorzugsweise unter den gewöhnlichen Erscheinungen der Natur wählt. .
[16] Fichte, Grundzg. d. Zeitalt. (1806), SW 7, 58: Die erste, unter der Menschheit[2] am frühesten ausgebrochene, und dermalen am weitesten verbreitete Art jenes Ausflusses der Urthätigkeit ist die in Materie ausser uns vermittelst unserer eigenen materiellen Kraft: und in dieser Art des Ausflusses besteht die schöne[2] Kunst[1]. Ausfluss der Urthätigkeit, 〈59〉 habe ich gesagt, – der nur aus sich selber strömenden und sich selbst genügenden, keinesweges der auf Erfahrung und Beobachtung in der Aussenwelt sich stützenden; diese letztere giebt nur das individuelle, und darum unedle und hässliche[1], welches schon um das Einemal, da es in der Wirklichkeit da ist, zu viel da ist, durch dessen Wiederholung sonach und Vervielfältigung durch die Kunst[2] ein schlechter Dienst geleistet werden würde..
[17] G. Forster, Menschenraßen (1786), W 2, 100: Weisser! der du so stolz und selbstzufrieden wahrnimmst, daß wohin du immer drangst, Geist[12] der Ordnung und Gesetzgebung den bürgerlichen Vertrag begründeten, Wissenschaft und Kunst den Bau der Kultur[4] vollführen halfen; der du fühlst, daß überall im weiten volkreichen Afrika die Vernunft[1] des Schwarzen nur die erste Kindheitsstufe ersteigt, und unter deiner Weisheit erliegt – Weisser! du schämst dich nicht am Schwachen deine Kraft zu misbrauchen, ihn tief hinab zu deinen Thieren[1] zu verstossen, bis auf die Spur der Denkkraft in ihm vertilgen zu wollen? Unglücklicher! von allen Pfändern, welche die Natur[2] deiner Pflege anbefohlen hat, ist er das edelste..
[18] G. Forster, Leitfad. Gesch. d. Menschh. (1789), 282: Nur solche Völker[1], die in ihrer früheren Periode der Wollust glücklich entgangen, und in den Armen der Freiheit[6] zu männlicher Stärke herangewachsen sind, können und müssen zulezt den höchsten Gipfel der Bildung[5] ersteigen, wo die ganze Energie unseres Wesens sich in den feineren Werkzeugen der Empfindung und des Verstandes[2] am thätigsten erweiset. Nur dreimal, nur in Europa, und jedesmal in anderer Gestalt erblickte die Welt das Schauspiel dieser lezten Ausbildungsstufe. Einzig und unerreichbar erhob Athen zuerst ihr stolzes Haupt, da blühende Fantasie[1] und reiner Schönheitssinn in ihr die Erstlinge der Kunst und Wissenschaft[1] erzeugten. Rom war nicht mehr frei[6], und die Beute der halben Welt hatte daselbst bereits das zügelloseste Sittenverderbniß angezündet, als es die Trümmer attischer Kultur[4] in seinem Schooß aufnahm, und glänzender durch Ueppigkeit als durch hohen Schwung des Genies[2], für seine künftigen Ueberwinder sie aufbewahrte. Schon war der sanfte Frühlingszauber von Duft und Blüte dahin, und die Periode römischer Aufklärung glich einem schwülen Sommertage, den am Abend ein Donnerwetter beschließt. Uns endlich, der Nachkommenschaft eines glücklichorganisirten Barbarenstammes, bei dem hernach das romantische[2/7] Feuer des Rittergeistes so schön[6] aufloderte, uns bleibt der Herbst mit seinen reifen Früchten noch übrig; wir ernten und keltern und füllen unsere 〈283〉 Scheuren, der Himmel weis, für welchen bevorstehenden Winter!.
[19] G. Forster, Kunst u. Zeitalt. (1791), 101: Doch es ist mehr als Hypothese, [...] daß auf jenen edlen Zeitpunkt, da das Feuer der Begeisterung[1] die Menschheit[2] ergriff, ihr Sinn[5] sich aufschloß dem Schönen[1], sich nährte von den Rhapsodien des Dichters[1] und des plastischen Künstlers[1] – die größte aller Veränderungen in ihr erfolgte. Die Kunst ward die Pflegerin der Wissenschaft[1]. Das schöne[1] Ebenmaas ihrer Bilder erzeugte jene abgezogenen Begriffe[1], mit denen der Mensch[2] das Sinnenall umfaßte und bald auch die unabsehbaren Gefilde der intellektuellen Sittenwelt durchdrang. Wo der Künstler[1] innig gefühlt, kühn geahndet[3] und glücklich dargestellt hatte, dort bestimmte nun der Denker die Regeln des Vollkommenen, der Symmetrie und Übereinstimmung, dort abstrahirte er die ganze Kritik[1] der Kunst. Jetzt also demonstrirte und begriff man die Tugend, das liebenswürdige Sittlichschöne, welches man bis dahin in dem Rhythmus des Sängers, in des Bildhauers oder des Malers Zauberwerken empfand. Allein indem der menschliche Geist[19] sich seiner freyesten[10] Thätigkeit und insbesondere die Vernunft[1] sich ihrer höchsten Entwickelung nahte, gieng unvermerkt die ästheti〈102〉sche Empfänglichkeit verloren. Der geistreichste Schriftsteller unseres Jahrhunderts hat irgendwo so fein als richtig bemerkt, daß auf ein geniereiches Zeitalter nur ein scharfsinniges folgen kann, und modernes[1] Verdienst nur in der Zergliederung des Verdienstes der Alten[10] besteht..
[20] C. D. Friedrich, an J. K. H. Schulze (8. 2. 1809), Z, 53: [Caspar David] F[riedrich] ist ein abgesagter Feind, des sogenannten Contrastes. Sich durch Widersprüche aussprechen zu wollen, findet er verrückt (so nehmen ja die groben platten Menschen den Contrast) Jedes wahrhafte Kunstwerk muß nach seiner Meynung einen bestimmten Sinn[2] aussprechen; das Gemüth des Beschauers entweder zur Freude oder zur Trauer, zur Schwermuth oder zum Frohsinn bewegen, aber nicht alle Empfindungen, wie mit einem Quirl, durch einandergerührt, in sich vereinigen wollen. Eins muß das Kunstwerk nur sein wollen, und dieser eine Wille muß sich durch's Ganze führen, und jeder einzle Theil desselben, muß das Gepräge des Ganzen haben; und nicht wie viele Menschen, sich hinter schmeichelnden Worten[2] mit heimtükischer Bosheit verstecken. | Contrast, sprecht ihr, das ist die Regel aller Regeln, das Grundgesetz der Kunst. Doch nur für euch, die ihr Contrast vom Geist[32], nur Körper seid! da paßts!.
[21] Goethe, an E. Th. Langer (27. 10. 1773), WA IV, 2, 115: Meine Gesundheit nahm, seitdem Sie mich verließen, immer zu, aber weil sie mir doch nicht erlauben wollte, im bürgerlichen Leben meine Rolle zu spielen [...], so habe ich dem Trieb der Wissenschafften und Künste gefolgt, und nicht ehe geruht, biss ich glaubte, mich darstellen zu dürfen. Ich habe [sc. mit dem Götz von Berlichingen] sogleich an die Herzen des Volks[5] angefragt, ohne erst am Stapel der Kritik[8] anzufahren..
[22] Goethe, Wilh. Meister IV (1795), WA I, 22, 19: Wenn wir am besten gespielt haben, hat uns niemand zugehört: alles war lauter Parteilichkeit. Wem man günstig war, der gefiel, und man war dem nicht günstig, der zu gefallen verdiente. Es war nicht erlaubt, wie oft das Alberne und Abgeschmackte Aufmerksamkeit und Beifall auf sich zog. | Wenn ich abrechne, versetzte Wilhelm, was Schadenfreude und Ironie[1] gewesen sein mag; so denk' ich, es geht in der Kunst, wie in der Liebe. Wie will der 〈20〉 Weltmann bei seinem zerstreuten Leben die Innigkeit erhalten, in der ein Künstler bleiben muß, wenn er etwas Vollkommenes hervorzubringen denkt, und die selbst demjenigen nicht fremd[4] sein darf, der einen solchen Antheil am Werke nehmen will, wie der Künstler ihn wünscht und hofft. .
[23] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 8: Ferner ist es gerade die Freiheit[5/13] der Produktion und der Gestaltungen, welche wir in der Kunstschönheit genießen, wir entfliehen, so scheint es, bei ihrer Hervorbringung und bei Anschauung derselben der Fessel der Regel und des Geregelten; vor der Strenge des Gesetzmäßigen und der finstern Innerlichkeit des Gedankens suchen wir Beruhigung und Belebung in den Gestalten der Kunst, gegen das Schattenreich der Idee, heitere[5], kräftige Wirklichkeit. ➢ Volltext.
[24] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 84: [A. W. und F. Schlegel] verfielen [...] darein, [...] sich [...] mit Keckheit für eine schiefe Richtung und untergeordnete Standpunkte als für das Höchste enthusiasmirt zu zeigen. | Aus dieser Richtung, und besonders den Gesinnungen und Doktrinen Friedrich's von Schlegel, entwickelte sich [...] in mannigfacher Gestalt die sogenannte Ironie[3]. Ihren tieferen Grund fand dieselbe, nach einer ihrer Seiten hin, in der fichteschen Philosophie, insofern die Principien dieser Philosophie auf die Kunst angewendet wurden. Friedrich von Schlegel wie Schelling gingen von dem fichteschen Standpunkt aus, Schelling um ihn durchaus zu überschreiten, Friedrich v. Schlegel um ihn eigenthümlich auszubilden, und sich ihm zu entreißen. Was nun den näheren Zusammenhang fichtescher Sätze mit der einen Richtung der Ironie[3] angeht, so brauchen wir in dieser Beziehung nur den folgenden Punkt herauszuheben, daß Fichte zum absoluten Princip alles Wissens, aller Vernunft und Erkenntniß das Ich feststellt, und zwar das durchaus abstrakt und formell bleibende Ich. Dies Ich ist nun dadurch zweitens schlechthin in sich einfach, und einer Seits jede Besonderheit, Bestimmtheit, jeden Inhalt in demselben negirt – denn alle Sache geht in diese abstrakte Freiheit[10] und Einheit unter – anderer Seits ist jeder Inhalt, der dem Ich gelten soll, nur als durch das Ich gesetzt und anerkannt. Was ist, ist nur durch das Ich, und was durch mich ist, kann Ich ebenso sehr auch wieder vernichten. ➢ Volltext.
[25] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 202: Wir können [...] die heitere[4] Ruhe und Seligkeit, dieß Sichselbstgenügen in der eigenen Beschlossenheit und Befriedigung als den Grundzug des Ideals an die Spitze stellen. Die ideale Kunstgestalt steht wie ein seliger Gott[4] vor uns da. Den seligen Göttern[4] nämlich ist es mit der Noth, dem Zorn und Intresse in endlichen Kreisen und Zwecken kein letzter Ernst, und dieses positive Zurückgenommenseyn in sich bei der Negativität alles Besonderen giebt ihnen den Zug der Heiterkeit[3] und Stille. In diesem Sinne[1] gilt das Wort[2] Schillers: „Ernst ist das Leben, heiter[4] ist die Kunst.“ Zwar ist häufig genug pedantisch hierüber gewitzelt worden, da die Kunst überhaupt und vornehmlich Schillers eigene Poesie[11] von der ernstesten Art sey, – wie denn die ideale Kunst auch in der That des Ernstes nicht entbehrt, – aber in dem Ernste eben bleibt die Heiterkeit[3] in sich selbst ihr wesentlicher Charakter[1]. Diese Kraft der Individualität, dieser Triumph der in sich koncentrirten konkreten Freiheit[10] ist es, den wir besonders in antiken[2] Kunstwerken[2] in der heiteren[4] Ruhe ihrer Gestalten erkennen. ➢ Volltext.
[26] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 263 f.: Die innere Vorstellung [...] kann in Zerrissenheit weit mehr ertragen als die unmittelbare Anschauung. Die Poesie[11] hat deshalb das Recht nach Innen fast bis zur äußersten Qual der Verzweiflung und im Aeußern bis zur Häßlichkeit als solcher fortzugehn. In den bildenden Künsten aber, in der Malerei und mehr noch in der Skulptur steht die Außengestalt fest und bleibend da, ohne wieder aufgehoben zu werden, oder als flüchtig vorübergeführt, so〈264〉gleich wieder zu verschwinden. Hier würde es ein Verstoß seyn das Häßliche[1], wenn es keine Auflösung findet, für sich festzuhalten. Den bildenden Künsten ist deshalb nicht alles das erlaubt, was in der dramatischen Poesie[11], insofern sie es nur augenblicklich erscheinen und sich wieder entfernen läßt, sehr wohl zu gestatten wäre. ➢ Volltext.
[27] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 311 f.: Aus dem Bereiche der Kunst [...] sind die dunklen Mächte grade zu verbannen, denn in ihr ist nichts dunkel, sondern Alles klar und durchsichtig, und mit jenen Uebersichtigkeiten [sc. Darstellungen von Personen mit ,zweitem Gesicht‘] ist nichts als der Krankheit des Geistes[19] das Wort[2] geredet, und die Poesie[11] in das Nebulose, Eitle und Leere hinübergespielt, wovon Hoffmann und Heinrich 〈312〉 von Kleist in seinem Prinzen von Homburg Beispiele liefern. [...] Die Gesundheit des Charakters[2] [...] mit der Krankheit des Geistes[19] vertauschen zu müssen, um Kollisionen hervorzubringen und Interesse zu erregen ist immer unglücklich; deshalb ist auch die Verrücktheit nur mit großer Vorsicht anzuwenden. | An solche Schiefheiten, welche der Einheit und Festigkeit des Charakters[2/7] entgegenstehn, können wir auch noch das Princip der neueren Ironie[1/3] sich anschließen lassen. Diese falsche Theorie hat die Dichter verführt in die Charaktere[7] eine Verschiedenheit hineinzusetzen, welche in keine Einheit zusammengeht, so daß sich jeder Charakter[7] als Charakter[2] zerstört. Tritt ein Individuum zunächst auch in einer Bestimmtheit auf, so soll dieselbe gerade in ihr Gegentheil überschlagen, und der Charakter[7] dadurch nichts als die Nichtigkeit des Bestimmten und seiner selbst darstellen. Dieß ist von der Ironie[4] als die eigentliche Höhe der Kunst angenommen worden, indem der Zuschauer nicht müsse durch ein in sich affirmatives Interesse ergriffen werden, sondern darüber zu stehen habe, wie die Ironie[3/4] selbst über Alles hinaus ist. – In diesem Sinne hat man denn auch Shakspearesche Charaktere[7] erklären wollen. [...] 〈313〉 [...] Jetzt [...] machen sie [...] Shakspeare's Charaktere[7] gespenstig, und meinen, daß die Nichtigkeit und Halbheit im Schwanken und Uebergehn, daß diese Quatschlichkeit eben für sich interessiren müsse. Das Ideale aber besteht darin, daß die Idee wirklich ist, und zu dieser Wirklichkeit gehört der Mensch als Subjekt und dadurch als in sich festes Eins. ➢ Volltext.
[28] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 537: Im Epischen war es, wie wir sahen, der Dichter, welcher durch verweilende ausmalende Gleichnisse dem Zuhörer die theoretische Ruhe, welche die Kunst erfordert, mitzutheilen beflissen ist; im Dramatischen erscheinen dagegen die handelnden Personen selber als die Dichter und Künstler, indem sie sich ihr Inneres zu einem Gegenstande machen, den sie zu bilden und zu gestalten kräftig bleiben, und uns dadurch den Adel[5] ihrer Gesinnung und die Macht ihres Gemüths kund thun. ➢ Volltext.
[29] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 466: Den Grund für die allgemeine Gruppirung der vielfachen nationalen und individuellen lyrischen Produkte haben wir [...] aus den durchgreifenden Formen zu entnehmen, zu denen sich das künstlerische Hervorbringen überhaupt entfaltet, und welche wir als die symbolische, klassische[3] und romantische[9] Kunst haben kennen lernen. Als Haupteintheilung müssen 〈467〉 wir [...] dem Stufengange folgen, der uns von der orientalischen[1] zu der Lyrik der Griechen und Römer, und von dieser zu den slavischen, romanischen[2] und germanischen Völkern[1] herüberführt. ➢ Volltext.
[30] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 502: Ein solches Publikum[4] [...], wie es sich als Kollektivum zum Richterspruche versammelt, ist höchst gemischter Art; verschieden an Bildung[5], Interessen, Gewohnheiten des Geschmacks, Liebhabereien u. s. f., so daß hin und wieder sogar, um vollständig zu gefallen, ein Talent im Schlechten und eine gewisse Schamlosigkeit in Rücksicht auf die reinen Forderungen echter Kunst nöthig seyn kann. ➢ Volltext.
[31] Heinse, Musik. Dialog. (1805), 95: Ihnen ist noch nicht bekannt, daß die Künste und Wissenschaften und das Genie[2] den Menschen allein adeln; könnt ihr es ihnen verdenken, daß sie Ahnen, Geld und Aemter für Verdienste halten?.
[32] Herder, Krit. Wäld. III (1769), 397: Die vortreflichste Bildersprache war ihr [sc. der griechischen Nation]. Sie, die im Plane des Schicksals der Völker[1] zunächst hinter die Aegypter trafen, und Cultur[4], Kunst[1/2/6?] und Weisheit, ja wenn man will, auch Politische Glückseligkeit aus den Händen dieses Reichs [...] empfangen, sie, die den über Völker[1] und Zeiten fortgehenden Faden der Cultur[3] des Menschlichen Geschlechts da auffassen sollten, wo er zunächst aus Aegyptischen Händen kam: sie erbten von diesen Allegoristen auch die reichste, die bedeutendste Bildersprache, die auf der Welt gewesen. .
[33] Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 38: Ich glaube, der Stand, in den ich Griechenland stelle, trägt auch bei, „den ewigen Streit über die Originalität der Griechen oder ihre Nachahmung fremder[1] Nationen[1]“ etwas zu entwirren: man hätte sich wie überall, also auch hier, lange vereinigt, hätte man sich nur besser verstanden. Daß Griechenland Samenkörner der Kultur[4], Sprache[3], Künste und Wissenschaften[2] anderswoher erhalten, ist, dünkt mich, unläugbar, und es kann bey einigen, Bildhauerey, Baukunst, Mythologie, Litteratur, offenbar gezeigt werden. .
[34] Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 66 f.: Unter frischem Himmel, in der Wüste und Wilde, wo es niemand vermuthete, reifte ein Frühling starker, nahrhafter Gewächse, die in die schönern[4], südlichern Länder [...] verpflanzt neue[1] Natur[1] annehmen, große Ernte fürs Weltschicksal geben sollte! Gothen, Vandalen, Burgunden, Anglen, Hunnen, Herulen, Franken und Bulgaren, Sklaven und Longobarden [...] verachteten [...] Künste und Wissenschaften[2], Ueppigkeit und Feinheit [...]; aber wenn 〈67〉 sie statt der Künste, Natur[19]: statt der Wissenschaften[2], gesunden nordischen Verstand[3], statt der feinen, starke und gute, obgleich wilde Sitten brachten, und das alles nun zusammen gährte – welch ein Eräugniß! [...] Ihr späteres Ideal über die Bedürfnisse hinaus – es gieng auf Keuschheit und Ehre, veredelte den besten Theil der menschlichen Neigungen: obgleich Roman[4], so doch ein hoher Roman[4]: eine wahre neue[1] Blüthe der menschlichen Seele..
[35] Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 91: Endlich folgte, wie wir sagen, die Auflösung, die Entwickelung: lange ewige Nacht klärte sich in Morgen auf: es ward Reformation, Wiedergeburt der Künste, Wissenschaften, Sitten! – die Hefen sanken; und es ward – unser Denken! Kultur[3/4]! Philosophie! on commencoit à penser comme nous pensons aujourd'hui: on n'etoit plus Barbare. | 〈92〉 Keinen Zeitpunkt der Entwickelung des menschlichen Geistes[11] hat man schöner[6] beschrieben als diesen!.
[36] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 62: Man erstaunt über die Menge der Künste[1/2] und Gewerbe, die man in den Nachrichten der Ebräer, schon von den frühesten Zeiten[3] an, mehreren kleinen Nomadenvölkern dieser Gegend [sc. Vorderasien] gemein findet. [...] Den Ackerbau mit mancherlei Geräthen, die Gärtnerei, Fischerei, Jagd, insonderheit die Viehzucht, das Mahlen des Getreides, das Backen des Brots, das Kochen der Speisen, Wein, Oel, zur Kleidung die Bereitung der Wolle und der Thierhäute, das Spinnen, Weben und Nähen, das Färben, Tapetenmachen und Sticken, das Stempeln des Geldes, das Siegelgraben und Steinschneiden, die Bereitung des Glases, die Korallenfischerei, den Bergbau und das Hüttenwesen, mancherlei Kunstarbeiten in Metall, im Modellieren, Zeichnen und Formen, die Bildnerei und Baukunst, Musik[1] und Tanz, die Schreib- und Dichtkunst, Handel mit Maas und Gewicht, [...] Gesetze, Gerichte, Gottesdienst, Contrakte, Strafen und eine Menge sittlicher Gebräuche, alles dies finden wir bei den Völ〈63〉kern[1] des Vorder-Asiens so früh' im Gange, daß wir die ganze Cultur[7/4] dieses Erdstrichs für den Rest einer gebildeten Vorwelt ansehen müßten, wenn uns auch keine Tradition darauf brächte. Nur die Völker[1], die der Mitte Asiens weit entlegen, in der Irre umherzogen; nur sie sind barbarisch und wilde geworden, daher ihnen auf mancherlei Wegen früher oder später eine zweite Cultur[3] zukommen mußte..
[37] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 163 f.: Allerdings [...] gaben die republicanischen Verfassungen, die mit der Zeit[1] überall in Griechenland eingeführet wurden, der Kunst einen weitern Raum. In einem Gemeinwesen waren Gebäude zur Versammlung des Volks[1], zum öffentlichen Schatz, zu gemeinschaftlichen Uebungen und Vergnügungen nöthig, und so entstanden z. B. in Athen die prächtigen Gymnasien, Theater und Galerien, das Odeum und Prytaneum, der Pnyx u. f. Da in den griechischen[2] Republiken alles im Namen des Volks[1] oder der Stadt getrieben ward: so war auch nichts zu kostbar, was auf die Schutzgötter derselben oder auf die Herrlichkeit ihres Namens verwandt wurde, dagegen einzelne, selbst die vornehmsten Bürger sich mit schlechteren Häusern begnügten. Dieser Gemeingeist, alles wenigstens dem Scheine nach für das Ganze zu thun, war die Seele der griechischen[2] Staaten, den ohne Zweifel auch Winckelmann meinte, wenn er die Freiheit[6] der 〈164〉 griechischen[2] Republiken als das Goldne Zeitalter der Kunst pries. Pracht und Größe [...] flossen in dem zusammen, was den Staat anging. [...] Perikles [...] that mehr für die Künste, als zehn atheniensischen Könige würden getan haben. Alles was er bauete, war im großen Geschmack, weil es den Göttern[4] und der ewigen Stadt gehörte; und gewiß würden wenige der griechischen[2] Städte und Inseln solche Gebäude errichtet, solche Kunstwerke[4] befördert haben, wenn sie nicht voneinander getrennte, im Ruhm wetteifernde Freistaaten gewesen wären. Da überdem bei demokratischen Republiken der Führer des Volks[1] dem Volk[1] gefallen mußte, was wählte er lieber als die Gattung des Aufwandes, die nebst dem Wohlgefallen der Schutzgötter auch dem Volk[1] in die Augen fiel und viele Menschen[1] nährte?.
[38] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 43: Adel[2]. Fast bei allen Völkern[1] der alten[9] und neuen[5] Welt, findet man, sobald sie sich ein Wenig über die Stufe der eigentlichen Wildheit erhoben haben, sobald die Cultur[3] eine günstige Veränderung in ihrem Zustande macht, und sie sich unter ein religiöses und moralisches Gesetz beugen, eine Klasse[2] von Menschen[1], welche gewisse Vorrechte vor den andern genießt, welche die Wissenschaften[2], die Künste, so weit sie bei dem Volke[1] ausgebildet sind, besitzt, und 〈44〉 nicht selten auf die Regierung den größten Einfluß hat. So war es in Otaheite, in Indien, in Mexiko, in Afrika, so war und ist es noch jetzt in Europa. Woher diese Rechte der einen Klasse[2] stammen, möchte vielleicht gar nicht zu ergründen sein, wenigstens ist man, so viel auch schon darüber geschrieben wurde, zu keinem Resultat gekommen..
[39] Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), 171: [J]ener Grundsatz, der die Vollkommenheit der Kunst[10] unter den Griechen von der Freyheit[6] ableitet, erfordert, wenn er zutreffen soll, so viele Erweiterungen und Einschränkungen, daß am Ende wenig davon übrig bleibt. Allerdings kann die Freyheit[6] von Umständen begleitet werden, welche die Künstlergenies erwecken können: als, Begeisterung der Ruhmbegierde; aber Freyheit[6] an und für sich kann ein unthätiger, träger, tämischer Zustand seyn; er kann auch von so vielen Unruhen und Bedrängnissen, physischer, sittlicher und politischer Art, beenget werden, daß Kunst[2] und Wissenschaft wenig Eingang finden. Die Freyheit[6] der Griechen ist überdies ein so unbestimmtes, und nach verschiedenen Gegenden und Zeiten[3] Griechenlands so vielartiges Ding, daß alles schwankend wird, was man darauf bauet. Ganz anders war man frey in Athen, anders zu Sparta, zu Theben, und noch anders in den ruhigen Gefilden von Phocis und Doris, von Elis und Arcadien; und hier ist die Kunst[2] nie 〈172〉 hochgestiegen. ➢ Volltext.
[40] Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), 172: Wohlhabenheit und Prachtliebe sind überhaupt unentbehrliche Bedingungen, wenn Künste emporkommen sollen; beyde können in politischer Freyheit[6] und unter politischer Sklaverey erwachsen, bey Einfalt der Sitten und bey Verfeinerung und Ueppigkeit statt finden, aus Eroberung und Beute, und durch Handlung[4] und Schiffahrt, hervorgebracht werden, und 〈173〉 können verhältnißweise nach vielen Stufen auf einerley Weise wirken; beyde können das Antheil von mehrern, oder nur von einigen im Staate, seyn; einen merklichen Unterschied macht es blos, ob den Gebrauch davon jeder für sich, oder alle für den öffentlichen und gemeinen Ruhm machen. Der erste Fall, daß jeder seinen Aufwand für seine eigene Rechnung macht, und seinen Pallast, sein Landhaus, seinen Garten ausschmücket, ist der herrschende in unsern Zeiten[3] und Staatsverfassungen, und er hat auch seine natürlichen[4] Folgen. Der andre fand in jenen griechischen[2] Staaten statt, und hatte jene großen Folgen, die wir heut zu Tage bey unsern eingeschränkten Leidenschaften vergeblich erwarten. [...] Bey dem allen wird immer noch etwas erfordert, was die Prachtliebe auf Gebäude, auf Malerey[1] und Bildhauerkunst, und nicht auf Schauspiele, auf andre Lustbarkeiten richtet; etwas, was die Bemühungen erregt, Künstler erweckt, das Genie[4] erwärmt, Wettstreit veranlaßt, Aufmunterung giebt: und das ist weder Freyheit[6] noch Clima[1], noch irgend etwas dem ähnliches; es ist immer etwas sehr Zufälliges, ein Hof, ein Fürst, eine Maitresse, ein Minister, ein Demagog. ➢ Volltext.
[41] Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 53: Nach dem Charakter[1] der Gebüsche richtet sich auch die Kunst der Pflanzung. Eine Wildniß, ein Labyrinth wird ohne Ordnung und Verbindung hingeworfen. Eine melancholische Scene wird dicht, ohne dem Lichte eine andere als nur schwache Einwirkung zu verstatten, zusammengehäuft. Ein fröhliches Revier hat viel offene Plätze und luftige Zwischenräume; und ein romantisches[3/4] lauter seltsame Entgegenstellungen der Formen der Bäume, und der Farben des Laubwerks. ➢ Volltext.
[42] Hirt, Baukunst (1809), 165: Je höher die Bogenart ist, desto geringer ist ihr Schub oder Seitendruck; je mehr sich aber der Bogen der wagerechten Linie nähert, desto mächtiger wird der Seitenschub, und desto stärkere Widerlagen sind vonnöthen. Hiernach ist der gothische[2] Bogen (Fig. 12. [❏]) derjenige, welcher der geringsten, und der scheitrechte der (Fig. 16. [❏]) welcher der stärksten Widerlagen bedarf. Dies erkläret, wie nach dem Verfall der Baukunst man im Mittelalter auf die hohen Bogenarten verfiel. Aus Armuth und Unwissenheit fing man an, die Pfeiler und Mauern theils von sehr ungleichartigem, theils von sehr schlechtem Material, und zwar ohne gehörige Besorgung der Construction aufzuführen. Man nahm also nothgedrungen die Zuflucht zu den höhern Bogenarten, welche weniger Schub verursachten. Man baute in diesen unglücklichen Zeiten[3] bloß für das Bedürfniß. Das Gefühl für schöne[2] Formen, und für ein gefälliges Verhältnißmaß hatte sich in der Baukunst, so wie in den übrigen Künsten, verloren. Das Auge gewöhnte sich nach und nach an die unförmlichsten Spitzen und Thürmelungen, so daß späterhin selbst eine Art System abgeschmackter Bauerey entstand, welches mehrere Jahrhunderte hindurch dauerte, und jetzt noch nicht selten seine flachen Bewunderer hat..
[43] Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 67] (1810), 631: Wenn von der Musik als einer selbstständigen Kunst die Rede ist, sollte immer nur die Instrumental-Musik gemeint sein, welche, jede Hülfe, jede Beymischung einer andern Kunst verschmähend, das eigenthümliche, nur in ihr zu erkennende Wesen der Kunst rein ausspricht. Sie ist die romantischte[8] aller Künste, – fast möchte man sagen, allein rein romantisch[8]. – Orpheus Lyra öffnete die Tore des Orcus. Die Musik schliesst dem Menschen ein unbekanntes Reich auf; eine Welt, die nichts gemein hat mit der äussern Sinnenwelt, die ihn umgiebt, und in der er alle durch Begriffe bestimmbaren Gefühle zurücklässt, um sich dem Unaussprechlichen hinzugeben. Wie wenig erkannten die Instrumental-Componisten dies eigenthümliche Wesen der Musik, welche versuchten, jene bestimmbaren Empfindungen, oder gar Begebenheiten darzustellen, und so die der Plastik geradezu entgegengesetzte Kunst plastisch[3] zu behandeln! Dittersdorfs Symphonien der Art, so wie alle neuere Batailles de trois Empereurs etc. sind, als lächerliche Verirrungen, mit gänzlichem Vergessen zu bestrafen. – In dem Gesange, wo die hinzutretende Poesie[11] bestimmte Affecte durch Worte[2] andeutet, wirkt die magische Kraft der Musik, wie das Wunder-Elixir der Weisen, von dem etliche Tropfen jeden Trank köstlich und herrlich machen. Jede Leidenschaft – Liebe – Hass – Zorn – Verzweiflung etc. wie die Oper sie uns giebt, kleidet die Musik in den Purpurschimmer der Romantik[8], und selbst das im Leben Empfundene führt uns hinaus aus dem Leben in das Reich des Unendlichen. So stark ist der Zauber der Musik, und, immer mächtiger wirkend, müsste er jede Fessel einer andern Kunst zerreissen. ➢ Volltext.
[44] Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 84] (1813), SW 1, 741: Um so mehr ist diese Komposition ein hoher Gewinn für die Kunst, als wirklich, sonderbarer Weise, ein größeres Göthesches, für die Musik, oder auch nur für den musikalischen[1] Schmuck berechnetes Werk, sich noch keiner gediegenen, klassischen[3] Komposition zu erfreuen hat. So sinnig z. B. ein Meister der Tonkunst manches gemütliche Lied von Göthe gesetzt hat, so wahrhaft klassisch[3] in dieser Art die Gesänge zum Wilhelm Meister geraten sind: so mißlungen ist doch die Musik der überaus zarten, lieblichen, dem Komponisten recht in die Hand gearbeiteten Claudine von Villa Bella. Rez. darf dies frei sagen, da das Publikum[3] 〈742〉 durch gänzliches Nichtbeachten und Vergessen längst über die Komposition den Stab gebrochen hat..
[45] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 819: Vertraut mit dem Wesen der poetischen[4] Kunst, weiß er [F. H. Jacobi], auch was völlig subjectiv scheint, noch an die nothwendigen Bedingungen der menschlichen Natur[1] anzuknüpfen; mit kluger Vorsicht läßt er jede neue[1] Wendung des Charakters[7] so vollständig vorbereiten, und so lange verweilen, und mit meisterhaftem Talent versucht er durch eine schöne[1], an mehr als Einer Stelle hinreißende Sprache[4] den Leser so in sein Interesse zu verweben, daß sein Gefühl in die gleiche Stimmung übergeht..
[46] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), 257 f. (258): Die Eintheilung einer Critik[1] in Elementarlehre und Methodenlehre, welche vor der Wissenschaft vorhergeht, läßt sich auf die Geschmackscritik nicht anwenden; weil es keine Wissenschaft des Schönen[1] giebt noch geben kann, und das Urtheil des Geschmacks nicht durch Principien bestimmbar ist. Denn was das Wissenschaftliche in jeder Kunst[1] anlangt, welches auf Wahrheit in der Darstellung ihres Objects geht, so ist dieses zwar die unumgängliche Bedingung (conditio sine qua non) der schönen[2] Kunst[1], aber diese nicht selber. Es giebt also für die schöne[2] Kunst[1] nur eine Manier (modus), nicht Lehrart (methodus). Der Meister muß es vormachen, was und wie es der Schüler zu Stande bringen soll; und die allgemeinen Regeln, darunter er zuletzt sein Verfah〈258〉ren bringt, können eher dienen die Hauptmomente desselben gelegentlich in Erinnerung zu bringen, als sie ihm vorzuschreiben. Hiebey muß dennoch auf ein gewisses Ideal Rücksicht genommen werden, welches die Kunst[18/2] vor Augen haben muß, ob sie es gleich in ihrer Ausübung nie völlig erreicht..
[47] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 220 f. (221): Wenn man [...] den Werth der schönen[2] Künste[1] nach der Cultur[3] schätzt, die sie dem Gemüth verschaffen, und die Erweiterung der Vermögen, welche in der Urtheilskraft zum Erkenntnisse[1] zusammen kommen müssen, zum Maaßstabe nimmt: so hat Musik[1] unter den schönen[2] Künsten[1] sofern den untersten (so wie unter denen, die zugleich nach ihrer Annehmlichkeit geschätzt werden, vielleicht den obersten) Platz, weil sie bloß mit Empfin〈221〉dungen spielt. Die bildenden Künste[2] gehen ihr also in diesem Betracht weit vor; denn, indem sie die Einbildungskraft in ein freyes und doch zugleich dem Verstande[1] angemessenes Spiel versetzen, so treiben sie zugleich ein Geschäft, indem sie ein Product zu Stande bringen, welches den Verstandesbegriffen zu einem dauerhaften und für sich selbst sich empfehlenden Vehikel dient, die Vereinigung derselben mit der Sinnlichkeit und so gleichsam die Urbanität der obern Erkenntnißkräfte zu befördern..
[48] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 221: Außerdem hängt der Musik[1] ein gewisser Mangel der Urbanität an, daß sie, vornehmlich nach Beschaffenheit ihrer Instrumente[3], ihren Einfluß weiter, als man ihn verlangt (auf die Nachbarschaft), ausbreitet, und so sich gleichsam aufdringt, mithin der Freyheit[1] andrer, außer der musikalischen[1] Gesellschaft, Abbruch thut; welches die Künste, die zu den Augen reden, nicht thun, indem man seine Augen nur wegwenden darf, wenn man ihren Eindruck nicht einlassen will..
[49] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 54: Muster des Geschmacks in Ansehung der redenden Künste müssen in einer todten und gelehrten Sprache[3] abgefaßt seyn: das erste, um nicht die Veränderungen erdulden zu müssen, welche die lebenden unvermeidlicher Weise trifft, daß edle Ausdrücke platt, gewöhnliche veraltet, und neugeschaffene in einen nur kurz daurenden Umlauf gebracht werden; das zweyte, damit sie eine Grammatik habe, welche keinem muthwilligen Wechsel der Mode unterworfen sey, sondern ihre unveränderliche Regel hat..
[50] Klingemann, Poesie (1800), 55: Die Poesie[19] geht durch die ganze Kunst; sie ist das Innerliche in ihr, und der geheime wunderliche Geist[12], der später erst durch sie zur Erscheinung kommt. Die Kunst selbst ist nur Organ[1] der Poesie[19], sie aber ist die Seele des Ganzen, und das heilige Feuer, das unsichtbar sich entzündet. So ist die Dichtkunst allein nicht ihre einzige Heimath; sondern sie herrscht unumschränkt auch in der Skulptur und Mahlerei[2], und redet zart und geistig aus der Musik[4] uns an. Sie ist es eben, wodurch die Kunst sich ausbreitet, und allgemein wird; denn Poesie[19] ist die Grundanlage der Menschheit[1] überhaupt, und sie zeichnet sich nur, dem Grade nach, stärker oder schwächer in den Einzelnen aus. | Die Poesie[19] ist das eigentlich Absichtslose, oder die Natur[19] in der Kunst; Niemand vermag sie zu erringen, oder durch Kunst sich anzueignen; sie ist vielmehr eine freie[5] Gunst der Götter[4], und wird dem Menschen[1] schon bei seiner Geburt zu Theile..
[51] Knigge, Reise n. Braunschw. (1792), 70 f. (71): Es haben Herr und Madam Deckelschall aus der Schweiz gebürthig, sich entschlossen, sowohl zum Besten der Menschheit[2] überhaupt, als insbesondere zur Gemächlichkeit derjenigen Eltern, welche auf dem Lande wohnten und folglich nicht Gelegenheit hatten, ihren Kindern zu Hause denjenigen Grad der Bildung zu geben, welchen man jetzt in der feinern Welt fordert, in der Reichsstadt Goßlar am Harze eine Pensions-Anstalt für junge Frauenzimmer zu errichten. Daselbst geben sie für den sehr mäßigen Preis von *** jährlich, ihren Zöglingen Kost, 〈71〉 Wohnung und Unterricht im Französischen und Italienischen, in der Music[1] und allen andern, dem weiblichen Geschlechte nöthigen Wissenschaften[2], Kenntnissen, Künsten, Hand-Arbeiten, in feiner Lebensart und der Gabe, die besten classischen[7] Schriftsteller mit Geschmack, Gefühl und Nutzen zu lesen..
[52] Krünitz, Oecon. Encycl. XII (1777; 21786), 177: Fantasie[19], aus dem Franz. Fantaisie, und Ital. Fantasia, nennet man, in der Mahlerey[1], ein Gemählde, welches nicht nach der Natur[2] oder nach den strengen Regeln der Kunst[8] gemahlt ist. Fantasien[19] mahlen, aus dem Kopf mahlen, ohne in der Natur[2] ein Modell vor sich zu haben. Mehrentheils bedeutet dieses so viel, als Grotesken mahlen. Daher fantasieren, in den Künsten[2], nach seiner Einbildungskraft[1] arbeiten, ohne sich an die strengen Regeln der Kunst[8] zu binden..
[53] Krünitz, Oecon. Encycl. LIII (1791), 547 f. (548): Man beurtheilt oder kritisirt die Thaten der Menschen, wenn man entscheidet, ob sie klug, recht, nützlich, wohlanständig, löblich, schön, u. s. f. seyn. Man beurtheilt ihre Producte, sie seyn nun Schriften, 〈548〉 oder andere Arbeiten und Werke der Kunst[2] beynahe auf dieselbe Art; und wer dieses thut, den nennt man im gemeinen Leben schon einen Kritiker, wenn er es gleich auch nicht recht thut. Eigentlich aber gebührt nur demjenigen dieser Nahme, welcher dieses auf eine regelmäßige Art nicht nur thut, sondern auch eine Fertigkeit besitzt, solches zu thun. Kritik[1] ist alsdann eine Wissenschaft oder Kunst[6], dasjenige, was Menschen thun und hervor bringen, richtig zu beurtheilen..
[54] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CLXX (1839), 521: Man kann sich leicht die Entrüstung denken, in welche alle seine Gegner geriethen, als sie sich mit ihrem Kunsturtheile so in die Enge getrieben sahen; [...] welches zugleich eine Lehre für diejenigen zur Folge hat, die nur für das Antike[2] eingenommen sind, ohne das Moderne[1] in der Kunst erst näher zu untersuchen oder zu prüfen, indem sie dann finden werden, daß man bei der Wahl und Nachahmung des Schönen[1] in der Natur[2], nur das erreichen kann, was die Alten[10] auch nur erreichen konnten, weil sie nichts anderes thaten, und dann, daß die Kunst nicht abgeschlossen ist, sondern sich jeder bestreben muß, das Höchste darin zu erreichen. Wer die Antiken[3] zum Vorbilde hat, hat nur das voraus, daß er schon die Muster zum Studium, der Nachahmung würdig, aufgestellt findet, ohne sie erst aufsuchen zu müssen; oder daß sich nach diesen Mustern sein Geschmack bilde, seine Empfindung für das Schöne[1] erregt werde, um dann selbst dasselbe aufzusuchen..
[55] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 51: [W]er singen lernen will, muß ein musikalisches[6] Ohr[3] haben; und wer Musik[1] als Kunst und nicht als bloße Schmeichelei des Ohrs[3] empfinden will, soll sein Ohr[3] für die Musik[1/4] ausgebildet haben wie derjenige seine Stimme[1] oder seine Instrumentalfertigkeit, der sie hervorbringt..
[56] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 62 f. (63): Der große Schauspieler weiß, was er von den bestimmten und hergebrachten Manieren der Antwort von Seiten des Publikums[4], vom Händeklatschen und von dem eigentlich schreienden und brausenden Beifall zu denken hat: aber wenn eine große Versammlung von der Macht der Rede so überwältigt wird, daß sie die konventionelle Antwort vergißt, daß sie wie mit einem einzigen Ohre[3] horcht [...], wenn die ganze Versammlung sich unsichtbar, aber ganz deutlich aneinander lehnt, jeder empfindet, daß er nur Glied eines größeren Menschen ist, der angeredet wird, dann ergreift auch den Künstler auf der Bühne etwas ihm selbst unerwartetes, größer als menschliches, nicht etwa eine gemeine Verwandlung in das, was er darstellt, nicht etwa eine Trunkenheit der Begeisterung[1], aber eine gewisse göttliche Ruhe; das ganze Gerüst von Vorübung und Studium seiner Rolle verschwindet, die Bemühung wird unnütz, das Talent selbst tritt zurück; es ist, als wenn ein höherer Geist[32], der Dichter oder irgendwer sonst, den ganzen irdischen Apparat dieser Kunst[8] entrückt hätte, als wenn er durch den Mund des Künstlers redete, 〈63〉 und als wenn derselbige Geist[32] in seligem Anschaun seines eignen Werks auch durch das Ohr[3] der Versammlung wieder horchte; es ist, als wenn jene glückliche Gemeinschaftlichkeit des Bodens und des Himmels, von der wir in unsrer vorigen Unterhaltung sprechen [sic], alle überkäme und als wenn zwischen Parterre und Bühne die Grenze des Prosceniums verschwände, welche die Kunst[2] eigentlich immer aufheben sollte, wie die Alten[2] andeuteten, indem sie die Bildsäule des Gottes[4], die Neueren[3], indem sie die Musik[9] an diese Grenze hin verlegten..
[57] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 164: [W]ie viele Ungerechtigkeit ist begangen worden, da man [...] von dem Ideal einer gewissen gleichförmigen klassischen[5] Schreibart ausgehend, die romantischen[4] Spiele der poetischen[4] Feder nicht für wahre Kunst der Rede und für Stil hat gelten lassen wollen; und andrerseits den Ernst des praktischen Lebens, wie er sich in den schriftlichen Verhandlungen der Bürger und der Völker[1] und der Wissenschaften ausdrückte, neben der poetischen[4] Feder überhaupt für keine Feder anerkennen wollte..
[58] Novalis, Begeist. (*?1790), NS 2, 23: Alles dies [...] gilt nur hauptsächlich von dem Morgenlande[2], dem eigentlichen Vaterlande der Menschheit[2], Sprache[1], Dichtkunst [...], von woher eigentlich wie vom Urstamme sich alles in die übrigen Erdgegenden und Zonen nur fortgepflanzt hat und eingepfropft worden ist. Das ganze Klima[1] desselben war für die Kindheit des menschlichen Geschlechts und der Künste und Wissenschaften[1] wie seine Gegenden ganz vorzüglich geschickt; die Menschen[1] und Künste erhielten hier die Kraft, die sie in den kältesten Wüsten und Regionen noch immer nach vielen Jahrhunderten erhält und ihnen feste Wurzeln fassen läßt: die schönen[1] Gegenden, die Wärme und Heiterkeit[1/2] des selten bewölkten Himmels bildeten sie, nährten sie, und die Fruchtbarkeit des Bodens ließ ihnen Ruhe, sich allmählich auszubilden und zu reifen; das ihnen in einem weniger milden Boden durch die Einflüsse des Klima[1], stumpfere Organisation[6] und ängstliche Mühe und Suchen nach Lebensunterhalt und nach den notwendigsten Bedürfnissen wäre verwehrt worden..
[59] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 102: Für den Dichter ist die Poesie[11/2] an beschränkte Werkzeuge gebunden, und eben dadurch wird sie zur Kunst. Die Sprache[1] überhaupt hat ihren bestimmten Kreis. Noch enger ist der Umfang einer besondern Volkssprache. Durch Übung und Nachdenken lernt der Dichter seine Sprache[3] kennen. Er weiß, was er mit ihr leisten kann, genau, und wird keinen thörichten Versuch machen, sie über ihre Kräfte anzuspannen. Nur selten wird er alle ihre Kräfte in Einen Punkt zusammen drängen, denn sonst wird er ermüdend, und vernichtet selbst die kostbare Wirkung einer gutangebrachten Kraftäußerung. Auf seltsame Sprünge richtet sie nur ein Gaukler, kein Dichter ab. Überhaupt können die Dichter nicht genug von den Musikern und Mahlern lernen. In diesen Künsten wird es recht auffallend, wie nöthig es ist, wirthschaftlich mit den Hülfsmitteln der Kunst umzugehn, und wie viel auf geschickte Verhältnisse ankommt. Dagegen könnten freylich jene Künstler auch von uns die poetische[2] Unabhängigkeit und den innern Geist[12] jeder Dichtung und Erfindung, jedes ächten Kunstwerks überhaupt, dankbar annehmen. Sie sollten poetischer[2] und wir musikalischer[4] und mahlerischer[3] seyn – beydes nach der Art und Weise unserer Kunst..
[60] Passavant, Toscana (1820), 2: In allen Zeiten[3], wo die Kunst bey einem Volke[1] entstand, ist zu bemerken, daß sie ursprünglich nur zur Ausschmückung der zum Gottesdienst geweihten Orte gebraucht wurde. Es liegt wohl in einem feinen religiösen Gefühl des Menschen, daß er dem Hause Gottes[1] gerne ein anderes und herrlicheres Ansehen gibt, als seiner eignen Wohnung; da, wo er seine Andacht verrichtet und seine Gedanken zu etwas Höheren wendet, verlangt er auch, daß die Umgebung ihn dazu erhebe; er will durch die Ansicht ihm heilig gewordener Gegenstände aus der gewöhnlichen Stimmung seiner Seele, sich zu etwas Höhe〈3〉rem angeregt fühlen. So dachten wohl einstens die alten[9] Ägypter, so das Volk[1] Israels, oder die Griechen und Römer in den Zeiten[3] ihrer Blüthe und Freiheit[6]; so das christliche Europa in den Tagen seiner regsten Kraft; so auch unsere Vorfahren in den Zeiten[3], als sie noch, nach außen und innen selbstständig, keine Gesetze und Formen der Fremden[1] sich hatten aufdringen lassen, die nicht gleichartig mit ihrem eigenen Streben waren; wo sie durch die lebendige Fülle der Minnelieder, den Gesang eines Nibelungenliedes, die Ausbildung einer den Deutschen eigenthümlichen Baukunst, die in Europa nur an der griechischen[2] eine Nebenbuhlerin findet, durch so viele Werke der Bildhauerkunst und Malerei[1], wie sie in jenen Zeiten[3] außer Deutschland nur in Italien entstanden, sich an die Seite der ausgezeichnetsten Völker[1] stellen durften..
[61] Passavant, Toscana (1820), 15: Von der Mitte des 9ten bis zum 11ten Jahrhundert versank bei dem gänzlichen Verfall der italienischen Staaten auch die Kunst in die tiefste Barbarei, bis endlich die Unabhängigkeit und bessere Regierung einiger Städte in Italien eine größere Sinnesart und der durch die Kreuzzüge beförderte Handel, Wohlstand unter dem Volke[3] verbreitete. Da erhob die Kunst sich auch wieder durch Erbauung und Ausschmückung vieler Kirchen und derjenige Geschmack, welcher von uns der vorgothische, altgothische, neugriechische oder byzantinische genannt wird, verbreitete sich über ganz Italien, so wie über alle übrigen christlichen Abendlande[1]..
[62] Ritter, Fragm. II (1810), 101, Nr. 487: Freyheit[6/17?] ist Organ[1] der Kunst. Ihr Misbrauch wird Prinzip der Krankheit..
[63] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 13: Das Genie[2] muß den Musikverständigen beleben, die Kunst[10] oder das Studium aber ihn ausbilden. Ohne dieses letztere wird er es in der Musik (man mag sie nun als Wissenschaft oder als Kunst[2] betrachten), er mag so sehr Genie[4] seyn, als es möglich ist, doch nicht weit bringen. Er wird sich und andern bis zum Ekel wiederholen, und seine Zuhörer mit fehlerhaften Geburthen und ungereimten Sätzen, worinn so gar aller Zusammenhang vermisset wird, martern und verdrießlich machen [...]. Ohne Genie[2] aber wird die größte Kunst[8] steif und matt bleiben; weil ohne Feuer und Witz[1] auch die regelmäßigsten Arbeiten die Zuhörer einschläfern oder verjagen werden..
[64] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 342: Man ist mit diesen Zwischentönen oder Stufen, die zwar ihrer Natur[1] nach eben so alt sind, wie die diatonische Octavengattung, unsere erste ursprüngliche Melodie ist, erst mit der Zeit[1] und vielleicht sehr spät bekannt geworden. Die diatonischen Töne und Stufen selbst, sind, nicht eher als lange, nachdem man schon gesungen und gespielet hatte, bekannt geworden; denn die Natur[2] führet uns zuerst durch leichtere und beqvemere Wege, ehe wir durch die Kunst oder durch unsern Witz[1] diese natürlichen[2] Wege ausschmücken und verschönern lernen. Sie überläßt dieses unserm Genie[2] und unserer uns durch sie angebohrnen Erfindungskraft, wozu sie uns durch jenes gleichsam mit der Hand leitet..
[65] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 343 f. (344): Die Empfindung des Natürlichen[2] äußert sich von sich selbst und fast ohne Mühe. So ist es auch mit den Tönen beschaffen gewesen; denn so bald man den Trieb zum Singen empfand, so bald ward auch diese diatonische Octavengattung, diese natürliche[2] Tonleiter, die gleichsam ein musikalisches[8] ganz unentbehrliches Bedürfniß war, hervorgebracht, und zwar bloß durch den innerlichen Trieb der Natur[2], 〈344〉 und ohne solches zu verlangen, oder zu erkennen. Das Wissen oder die Kenntniß dieses Triebes, dieser Würkung der Natur[2], ist erst lange hernach erfolgt, nachdem man vielleicht manche Jahrhunderte gesungen und gespielet hatte; so lange wußte man auch von keiner Kunst, von keinem System, und auch nichts von der Verschiedenheit der Klanggeschlechte. Das ist nun die wahre Erzeugung der Töne, der Klangstufen, der Tonleiter, der Klanggeschlechte und endlich der Theorie der Töne selbst; denn darinn besteht die wahre ursprüngliche Natur[1] derselben. Und darinn lag auch die eigenthümliche Verwandschaft und Verknüpfung der Töne zwar anfangs verborgen; Zeit[1], Mühe und Fleiß haben sie aber hernach näher untersuchet und gleichsam aufgedeckt. Dem menschlichen Witze[1], durch die Schönheit des Gegenstandes gereitzt, durch die Neugierde angetrieben, durch die Erfahrung geleitet, kam die Kunst zu Hülfe; die Ordnung, auf die uns schon die Natur[2] geführet hatte, ward durch Regeln erkannt und unterstützt; man ward sinnreich in der Kunst[1], zu erfinden; man entdeckte gar bald, daß man die schon vorhandenen Töne vervielfältigen, vermehren, abändern, verkleinern und erweitern könnte; dadurch entdeckte man die Klanggeschlechte, ihre verschiedenen Arten, und den Umfang und Nutzen derselben. Endlich, da sich Natur[2], Witz[1] und Kunst gänzlich mit einander vereiniget hatten, erfand man [...] auch die Harmonie; nein! man erfand sie nicht, sondern man entdeckte sie nur, denn sie hatte schon von Anfang an in der Melodie verborgen gelegen; es brauchte nur Zeit[6], Witz[1] und Fleiß sie auszuwickeln [...]..
[66] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 345: Nachdem man nun mit den Tönen[11] und insonderheit mit der schon erfundenen Ordnung derselben immer bekannter ward, auch die menschliche Stimme[1] erst durch Witz[3] und nach und nach auch durch Kunst verschönert, und ihr Umfang mit mehrern Tönen[11] bereichert ward, nachdem erfand man vermittelst der Klanggeschlechte mehrere Töne[11] und mehrere Abänderungen der Haupttöne..
[67] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 350 f. (351): [U]m auch nur anfangen zu können, zu handeln, muß ich schon beschränkt seyn. Daß meine freye Thätigkeit ursprünglich sich nur auf ein bestimmtes Object richtet, wurde im Vorhergehenden daraus erklärt, daß es mir durch andere Intelligenzen[2] schon unmöglich gemacht ist, alles zu wollen. Allein es kann mir denn doch durch mehrere Intelligenzen[2] nicht unmöglich gemacht seyn, mehreres zu wollen; daß ich also von mehreren Objecten B, C, D gerade C wähle, davon muß der letzte Grund doch nur in mir selbst liegen. Nun kann aber dieser Grund nicht in meiner Freyheit[1] liegen, denn erst durch diese Beschränktheit der freyen Thätigkeit auf ein bestimmtes Object 〈351〉 werde ich meiner bewußt, also auch frey, mithin muß, ehe ich frey, d. h. der Freyheit[1] bewußt bin, meine Freyheit[1] schon eingeschränkt, und gewisse freye Handlungen[1] müssen noch, ehe ich frey bin, für mich unmöglich gemacht seyn. Dahin gehört z. B. das, was man Talent, oder Genie[3] nennt, und zwar nicht nur Genie[3] zu Künsten, oder Wissenschaften, sondern auch Genie[3] zu Handlungen[1]. Es klingt hart, ist aber deßwegen um nichts weniger wahr, daß, so wie unzählige Menschen zu den höchsten Functionen des Geistes[19] ursprünglich untüchtig sind, ebenso unzählige nie im Stande seyn werden, mit der Freyheit[1] und Erhebung des Geistes[19] selbst über das Gesetz zu handeln, welche nur wenigen Auserlesenen zukommen kann..
[68] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 457 f. (458): Dieses unveränderlich Identische, was zu keinem Bewußtseyn gelangen kann, und nur aus dem Product widerstrahlt, ist für das Producirende eben das, was für das Handelnde das Schicksal ist, d. h. eine dunkle unbekannte Gewalt, die zu dem Stückwerk der Freyheit[10] das Vollendete, oder das Objective hinzubringt, und wie jene Macht, welche durch unser freyes Handeln ohne unser Wissen, und selbst wider unsern Willen nicht vorgestellten Zwecke realisirt, Schicksal genannt wird, so wird das Unbegreifliche, was ohne Zuthun der Freyheit[10], und gewissermaaßen der Freyheit[10] entgegen, in welcher ewig sich flieht, was in jener Production vereinigt ist, zu dem Bewußten das Ob〈458〉jective hinzubringt, mit dem dunklen Begriff[4] des Genies[2] bezeichnet. | Das postulirte Product ist kein anderes, als das Genieproduct, oder, da das Genie[2] nur in der Kunst möglich ist, das Kunstproduct. .
[69] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 460 f.: Wenn nun ferner die Kunst[2] durch zwei völlig verschiedene Thätigkeiten vollendet wird, so ist das Genie[2] weder die Eine noch die andere, sondern das, was über beyden ist. Wenn wir in der Einen jener beyden Thätigkeiten, der 〈461〉 bewußten nämlich, das suchen müßen, was gemeinhin Kunst[1] genannt wird, was aber nur der Eine Theil derselben ist, nämlich dasjenige an ihr, was mit Bewußtseyn, Überlegung und Reflexion ausgeübt wird, was auch gelehrt und gelernt, durch Überlieferung und durch eigene Übung erreicht werden kann, so werden wir dagegen in dem Bewußtlosen, was in die Kunst[2] mit eingeht, dasjenige suchen müßen, was an ihr nicht gelernt, nicht durch Übung, noch auf andere Art erlangt werden, sondern allein durch freye Gunst der Natur[2/15] angebohren seyn kann, und welches dasjenige ist, was wir mit einem Wort die Poësie[2] in der Kunst[2] nennen können. [...] 〈462〉 [...] Es läßt sich [...] eher erwarten, daß Kunst[1] ohne Poësie[2], als daß Poësie[2] ohne Kunst[1] etwas zu leisten vermöge, [...] weil nicht leicht ein Mensch von Natur[2/15] ohne alle Poësie[19], obgleich viele ohne alle Kunst[6] sind [...]..
[70] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 485 f. (486): Wenn [...] diese mit Bewußtseyn freye Thätigkeit, welche im Handeln der objectiven entgegengesetzt ist, ob sie gleich mit ihr Eins werden soll, in ihrer ursprünglichen Identität mit der objectiven angeschaut wird, welches durch Freyheit[10] schlechthin unmöglich ist, so entsteht dadurch endlich die höchste Potenz der Selbstanschauung, welche, da sie selbst schon über die Bedingungen des Bewußtseyns hinausliegt, und vielmehr das von vorn sich schaffende Bewußtseyn selbst ist, wo sie ist, als schlechthin zufällig erscheinen muß, welches schlechthin zufällige in der höchsten Potenz der Selbstanschauung das ist, was durch die Idee des Genie's[2] bezeichnet wird. | Dieß sind die unveränderlichen und für alles Wissen feststehenden Momente in der Geschichte[2] des Selbstbewußtseyns, welche in der Erfahrung durch eine continuirliche Stuffenfolge bezeichnet sind, die vom einfachen Stoff an bis zur Organisation[1] [...] 〈486〉 [...], und von da durch Vernunft[1] und Willkühr bis zur höchsten Vereinigung von Freyheit[10] und Nothwendigkeit in der Kunst, [...] aufgezeigt und fortgeführt werden kann..
[71] Schelling, Meth. Stud. (1803), 305: Wissenschaft der Kunst kann vorerst die historische Construktion derselben bedeuten. In diesem Sinne[1] fodert sie als äußere Bedingung nothwendig unmittelbare Anschauung der vorhandenen Denkmäler. Da diese in Ansehung der Werke der Dichtkunst allgemein möglich ist, wird auch jene in der angegebenen Beziehung, als Philologie, ausdrücklich unter die Gegenstände des academischen Vortrags gezählt. Demungeachtet wird auf Universitäten nichts seltener gelehrt als Philologie in dem zuvor bestimmten Sinne[1], welches nicht zu verwundern, da jene eben so sehr Kunst ist wie die Poesie[1] und der Philologe nicht minder als der Dichter gebohren wird..
[72] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 357: Der ist noch sehr weit zurück, dem die Kunst[10] nicht als ein geschlossenes, organisches[6] und ebenso in allen seinen Theilen nothwendiges Ganzes erschienen ist, als es die Natur[2] ist. Fühlen wir uns unaufhaltsam gedrungen, das innere Wesen der Natur[2] zu schauen, und jenen fruchtbaren Quell zu ergründen, der so viele große Erscheinungen mit ewiger Gleichförmigkeit und Gesetzmäßigkeit aus sich herausschüttet, wie viel mehr muß es uns interessiren, den Organismus[8] der Kunst[10/2] zu durchdringen, in der aus der absoluten Freiheit[10] sich die höchste Einheit und Gesetzmäßigkeit herstellt, die uns die Wunder unseres eignen 〈358〉 Geistes[19] weit unmittelbarer als die Natur[2] erkennen läßt. ➢ Volltext.
[73] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 552: Die höchste Regel ist [...], wie in aller Kunst, so auch hier, die Schönheit[1], und daß das rein Gräßliche, Abscheuliche und Widrige vermieden werde. Die wüthende Nothwendigkeit, wie sie Horatius nennt, die Wuth des Krieges bei Virgilius oder die Teufeleien des Milton würden in der Malerei nur mit schlechtem Erfolg ausgeführt werden können. So ist in der St. Peterskirche zu Rom ein allegorisches Gemälde, das die Ketzerei zu den Füßen der Heiligen in der häßlichsten[1] Gestalt vorstellt, als ob sie in einer schönen[1] weiblichen Figur vorgestellt in dieser Unterwerfung und Beugung nicht eine viel bessere Wirkung machte. ➢ Volltext.
[74] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 569: So kann die höchste Weisheit und innere Schönheit[1] des Künstlers sich in der Thorheit oder Häßlichkeit desjenigen spiegeln, was er darstellt, und nur in diesem Sinn kann das Häßliche[1] Gegenstand der Kunst werden, indem es durch diesen Reflex gleichsam aufhört es zu seyn. ➢ Volltext.
[75] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 36: Das Genie[2] dieser Nation[1], durch den Geist[12] des Handels und den Verkehr mit so vielen Völkern[1] entwickelt, glänzte in nützlichen Erfindungen; im Schooße des Ueberflusses und der Freiheit[6] reiften alle edleren Künste..
[76] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 41 f. (42): Noch ein andrer Umstand mußte das Wachsthum der neuen[1] Religion[1] in diesen Ländern [sc. Niederlande] begünstigen. Italien, 〈42〉 damals der Sitz der größten Geistesverfeinerung, ein Land, wo sonst immer die heftigsten politischen Faktionen gewüthet haben, wo ein brennendes Klima das Blut zu den wildesten Affekten erhitzt, Italien, könnte man einwenden, blieb unter allen europäischen Ländern beinahe am meisten von dieser Neuerung [sc. Reformation] frei. Aber einem romantischen[6] Volk[1], das durch einen warmen und lieblichen Himmel, durch eine üppige, immer junge und immer lachende Natur[2] und die mannichfaltigsten Zaubereien der Kunst in einem ewigen Sinnengenusse erhalten wird, war eine Religion[1] angemessener, deren prächtiger Pomp die Sinne[4] gefangen nimmt, deren geheimnißvolle Räthsel der Phantasie[1] einen unendlichen Raum eröfnen, deren vornehmste Lehren sich durch mahlerische[4] Formen in die Seele einschmeicheln. Einem Volke[1] im Gegentheil, das, durch die Geschäfte des gemeinen bürgerlichen Lebens zu einer undichterischen Wirklichkeit herabgezogen, in deutlichen Begriffen[1] mehr als in Bildern lebt, und auf Unkosten der Einbildungskraft seine Menschenvernunft ausbildet; einem solchen Volk[1] wird sich ein Glaube empfehlen, der die Prüfung weniger fürchtet, der weniger auf Mystik als auf Sittenlehre dringt, weniger angeschaut als begriffen werden kann. Mit kürzeren Worten[2]: Die katholische Religion[1] wird im Ganzen mehr für ein Künstlervolk, die protestantische mehr für ein Kaufmannsvolk taugen..
[77] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 31: Je nachdem [...] die Poesie[1] entweder einen bestimmten Gegenstand nachahmt, wie die bildenden Künste thun, oder je nachdem sie, wie die Tonkunst, bloß einen bestimmten Zustand des Gemüths hervorbringt, ohne dazu eines bestimmten Gegenstandes nöthig zu haben, kann sie bildend (plastisch[3]) genannt werden. Der letztere Ausdruck bezieht sich also nicht bloß auf dasjenige, was in der Poesie[11], wirklich und der Materie nach, Musik[5] ist, sondern überhaupt auf alle diejenigen Effekte derselben, die sie hervorzubringen vermag, ohne die Einbildungskraft durch ein bestimmtes Objekt zu beherrschen; und in diesem Sinne[1] nenne ich Klopstock vorzugsweise einen musikalischen[7] Dichter..
[78] Schiller, Ästh. Erzieh. (1795), NA 20, 309: Sie wollen mir also vergönnen, Ihnen die Resultate meiner Untersuchungen über das Schöne[1] und die Kunst in einer Reihe von Briefen[3] vorzulegen. Lebhaft empfinde ich das Gewicht, aber auch den Reiz und die Würde dieser Unternehmung. Ich werde von einem Gegenstande sprechen, der mit dem beßten Theil unsrer Glückseligkeit in einer unmittelbaren, und mit dem moralischen Adel[5] der menschlichen Natur[1] in keiner sehr entfernten Verbindung steht..
[79] Schiller, Chor. Trag. (1803), V: Die wahre Kunst [...] hat es nicht bloß auf ein vorübergehendes Spiel abgesehen, es ist ihr ernst damit, den Menschen nicht bloß in einen augenblicklichen Traum von Freiheit[10] zu versetzen, sondern ihn wirklich und in der That frei zu machen, und dieses dadurch, daß sie eine Kraft in ihm erweckt, übt und ausbildet, die sinnliche Welt, die sonst nur als ein roher Stoff auf uns lastet, als eine blinde Macht auf uns drückt, in eine objektive Ferne zu rücken, in ein freies Werk unsers Geistes[19] zu verwandeln, und das Materielle durch Ideen zu beherrschen. .
[80] Schiller, Chor. Trag. (1803), VI: Wem die Natur[2] zwar einen treuen Sinn[9] und eine Innigkeit des Gefühls verliehen, aber die schaffende Einbildungskraft versagte, der wird ein treuer Mahler des Wirklichen seyn, er wird die zufällige Erscheinungen aber nie den Geist[12] der Natur[2] ergreifen. Nur den Stoff der Welt wird er uns wiederbringen, aber es wird eben darum nicht unser Werk, nicht das freie Produkt unsers bildenden Geistes[19] seyn, und kann also auch die wohlthätige Wirkung der Kunst, welche in der Freiheit[10] besteht, nicht haben. Ernst zwar, doch unerfreulich ist die Stimmung, mit der uns ein solcher Künstler und Dichter entläßt, und wir sehen uns durch die Kunst selbst, die uns befreien sollte, in die gemeine enge Wirklichkeit peinlich zurück versezt. Wem hingegen zwar eine rege Phantasie[1] aber ohne Gemüth und Charakter[3] zu Theil geworden, der wird sich um keine Wahrheit bekümmern; sondern mit dem Weltstoff nur spielen, nur durch phantastische[2] und bizarre Combinationen zu überraschen suchen, und wie sein ganzes Thun nur Schaum und Schein ist, so wird er zwar für den Augenblick unterhalten, aber im Gemüth nichts 〈VII〉 erbauen und begründen. Sein Spiel ist, so wie der Ernst des andern, kein poetisches[1]. Phantastische[2] Gebilde willkührlich aneinander reihen, heißt nicht ins Ideale gehen, und das Wirkliche nachahmend wieder bringen, heißt nicht die Natur[10] darstellen..
[81] A. W. Schlegel, an Schiller (9. 11. 1795), KW, 16: Freylich fodern solche Beurtheilungen, wie die, welche Sie mir vorschlagen, die angestrengteste Thätigkeit aller Geisteskräfte: allein sie fallen auch selten vor. Dieser Antrag ist sehr ehrenvoll, und ein für mich unendlich schätzbarer Beweis Ihres Zutrauens. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, ihn anzunehmen, sollten sich auch geheime Zweifel regen, ob ich seiner glücklichen Ausführung wohl völlig gewachsen bin, da man berechtigt ist über Meisterstücke der Kunst auch ein Meisterstück von Kritik[2] zu erwarten, und mehrere von den Gedichten in den Horen so viel philosophische Tiefe haben. Wenn Sie indessen nicht etwa jemanden finden, der besser dazu im Stande ist, wie ich, so will ich mich gern an dieses belohnende Geschäft wagen. .
[82] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 141: Darstellung heißt, eine innere Vorstellung bis zur Anschaulichkeit vor Andere bringen. Diese Vorstellung braucht sich auf kein äußeres Vorbild zu beziehen, im Begriffe[1] der Darstellung liegt die Unabhängigkeit von einer bestimmten Wirklichkeit, wobei die Phantasie[1] selbsttätig wirkt ohne äußeres Vorbild (das Poetische[2] in den Künsten); hingegen bei der Nachahmung findet Abhängigkeit von bestimmter Wirklichkeit statt; das Dargestellte wird immer durch andere Mittel zur Anschaulichkeit gebracht als wodurch es in der Wirklichkeit erscheint; hingegen das Nachgeahmte bedient sich derselben Mittel. Eine zweite Einteilung bezieht sich auf das Nachahmen selbst; man stellt entweder bessere Menschen als sie wirklich sind, oder ebensolche, oder schlechtere. Die Ausdrücke: bessere und schlechtere beziehen sich nicht auf moralische Eigenschaften, sondern auf die gesamte Erscheinung des Menschen, insofern sie edel oder unedel, schön[1] oder häßlich[1] sind. So unterscheidet man die Tragödie von der Komödie dadurch, daß erstere die Menschen ins Schöne[1] idealisiert, und die Komödie ins Häßliche[1] und Lächerliche. .
[83] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 162: Er [sc. Sulzer] macht das Schöne[1] nicht zum obersten, nicht zum einzigen Zweck der Künste[2] und das Häßliche[1] hätte ebenso gegründeten Anteil an der Kunst[2], das oft Schrecken und Furcht errege usw. Hier verwechselt er das Dargestellte mit der Darstellung (die den Gesetzen der schönen[2] Kunst[1], die ein schönes[1] Ganze fordert, angemessen sein muß)..
[84] A. W. Schlegel, Gemählde (1799), 106: Bey ihm [sc. Leonardo da Vinci] hielt das Streben nach der Wahrheit mit dem Kunsttriebe nicht nur gleichen Schritt: beydes hatte sich gegenseitig durchdrungen und war eins geworden. Sein Forschungsgeist war durchaus romantisch[4], bizarr und mit Poesie[19/21] tingirt; und er verfolgte hinwieder die Foderungen der Kunst mit der Strenge der Wissenschaft oder der Pflicht. ➢ Volltext.
[85] A. W. Schlegel, Zeichn. (1799), 225: Nach dem Anblick dieser Umrisse kann man nicht umhin, Flaxman für einen gelehrten Kenner der Klassiker zu halten, der mit den griechischen Dichtern in ihrer Sprache vertraut ist; und wenn sich nachher bey genauerer Untersuchung hiegegen einige Zweifel regen, so wird es desto erstaunlicher, daß er sie so gefaßt: man könnte alsdann seine Umrisse zum Homer eine Rückübersetzung aus Pope's Travestie in das Aechtgriechische und Heroische nennen, aus eigenmächtiger Befugniß des Künstlersinnes ohne grammatische Beyhülfe vollbracht. Allerdings ist die klassische[7]〉 Bildung[6] ein großes untheilbares Ganzes: durch den vollkommnen Besitz einer Seite desselben muß einem also auch der Zugang zu den übrigen geöffnet werden. Wer die alten[10] Dichter recht versteht, (man verstehe, was eigentlich verstehen heißt) dem mußten auch für die bildende Kunst der Alten die Augen aufgehn, und umgekehrt hat sich unser Künstler durch tiefes und liebevolles Studium der Antike[4] mit den Dichtern in unmittelbarere Berührung gesetzt, als durch modernisirende Uebersetzungen hätte geschehen können. ➢ Volltext.
[86] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 193: Die Kunstgeschichte soll keine Elegie auf verlohrne und unwiederbringliche goldne Zeitalter seyn. Eine solche vollendete Harmonie des Lebens und der Kunst wie in der Griechischen[2] Welt statt fand und die von einer Seite unendlich über unserm jetzigen Zustande ist, wird man in derselben Art nie wiederkommen sehen. Allein jene schöne[1] Periode fiel in die Jugend, ja zum Theil in die Kindheit der Welt, wo sich die Menschheit[1] noch nicht recht auf sich besonnen hatte. Aber wenn einmal ein solches Zusammentreffen auf andre Weise, weit mehr mit Absicht und Bewußtseyn wieder erlangt wird, so kann man zuverläßig voraus sagen, daß es etwas weit größeres und daurenderes seyn wird als die Hellenische Blüthezeit. Wie sehr uns auch die Barbarey und Unpoesie mancher Zeitalter, und vielleicht unsers eignen, abstoßen mag: wer kann wissen, ob nicht der Genius alle diese abweichenden tausendfachen Formen und Gestaltungen der Menschheit[1] selbst, zu einem großen Kunstwerke[2] verarbeitet und ordnet, worin auch die Dissonanzen ihre Stelle finden müssen? Wie in allem der unendliche Fortschritt gefodert wird, so steht sogar zu erwarten, daß er in dieser allgemeinen Metempsychose in immer höhere und mehr geläuterte Organisationen[7] übergehen und zuletzt sich in aetherischer Verklärung darstellen wird..
[87] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 266: Es giebt [...] in der menschlichen Schönheit[1] etwas allgemein geltendes, wenn es schon von jenen manierirt gebildeten Nationen[1] nicht anerkannt wird; das darf uns nicht irren, machen es doch die Manieristen in der Kunst[4] mit dem einfachen Style der großen Meister eben so. Es begreift sich, daß Nationen[1] die aus einer solchen einseitigen, ihnen von der Natur[2] aufgezwungnen National-Physiognomie nicht heraus können, in der bildenden Kunst[2], deren höchster Gegenstand die menschliche Gestalt ist, keine sonderlichen Fortschritte haben machen mögen, auch gar keine Anmuthung dazu haben; wie hingegen dieselbe, unter einer von dieser Seite so einzig begünstigten Nation[1], wie die Griechen waren, ganz vorzugsweise gedeihen mußte..
[88] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 709: Die neueren[3] Theoristen haben sich vielfältig mit dem Lehrgedicht herumgeschlagen: einige haben es viel zu wichtig genommen, andre [...] haben es mit Unrecht ganz verworfen und aus dem Gebiet der Poesie[11] verwiesen. Das versteht sich von selbst, daß, wenn man das höchste in ihr sucht, von technischen Lehrgedichten gar nicht die Rede seyn kann; auch leuchtet es sogleich ein, daß das Ganze solcher Werke nicht poetisch[1] ist, sondern nur logisch zusammengehalten wird; dieß verhindert aber nicht die Ächtheit der einzelnen poetischen[4] Elemente, die daran sehr schätzbar seyn können. Die Poesie[11] hat, wie jede andre Kunst, ihren Geist[12] und ihren Buchstaben[8]: sollte es nicht erlaubt und vortheilhaft seyn zuweilen auch den Buchstaben[8] isolirt, ohne den Geist[12], zu bearbeiten und auszubilden. Freylich muß es alsdann mit tüchtiger Gründlichkeit und Meisterschaft geschehen [...]..
[89] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 52: Allgemein betrachtet, ist ein gewisses Gesetz der Form [...] Bedingung freyer Individualität in der Kunst wie in der Natur[2], denn was zu keiner Gattung von Organisationen[1/7] gehört, ist monstros. Noch mehr als gegen die Dichterlinge möchte ich den Terrorismus der Formen gegen die zugleich unwissenden und gefühllosen Kritiker wenden. Sie sollten sich nicht erfrechen, über den Geist[12] umfassender Werke abzusprechen, ohne den Buchstaben[8] der Poesie[18] erlernt zu haben, und dabey ganz von unten auf dienen. So giebt es einen oder den anderen Kunstrichter, dem ich rathen würde einmal alle hochfliegende Gedanken fahren zu lassen, und einige Jahre im stillen darüber zu ruminiren, was wohl ein Triolet sey. Wenn er darüber Rechenschaft geben könnte, so machte man ihn zum kritischen[3] Baccalaureus oder Licentiaten, und so könnte er allmählich zur Doctorwürde befördert werden..
[90] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 63: Bis hieher hätte ich also dargethan, wie alle unsre Dichter in so fern gelehrt oder literarisch zu Werke gingen, daß sie fremde[1] Muster vor Augen hatten; und zugleich wie diese entweder nicht die rechten waren, oder von ihnen verfehlt wurden. Es trat aber eine Classe[1] von Schriftstellern auf, welche behaupteten, die Poesie[1] solle gar keine Kunst[1], sondern ein bestimmungsloser fast unbewußter Erguß der Natur[15] seyn. Der Irrthum lag darin, daß sie die Entgegensetzung von Kunst[1] und Natur[15] als absolut fixirten, und sie nicht zu synthesiren wußten, da doch ächte vollendete Poesie[11] eben so sehr Kunst[9] als Natur[10] seyn muß, und eins immer in das andre übergeht..
[91] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 273: Die Einheit eines historischen Kunstwerks[2] ist nun unstreitig von derselben Art wie die poetische[4], nur daß in der Poesie[1] Stoff und Form der schaffenden Fantasie[2] anheim gestellt ist, da hingegen die historische Kunst sich an ein gegebnes anzuschließen hat. Dieß ist es, was ich meynte, wenn ich die Geschichte[4] eine Poesie[1] der Wahrheit nannte, ein Ausdruck den man aus lächerlicher Kurzsichtigkeit und Unwissenheit so lächerlich gefunden hat..
[92] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 4: Die Aesthetik oder die philosophische Theorie des Schönen[2] und der Kunst ist unendlich wichtig in ihrer Beziehung auf die übrigen Untersuchungen über den menschlichen Geist[11]; aber für sich allein ist sie darum noch nicht praktisch belehrend. Dieß wird sie erst durch ihre Verbindung mit der Geschichte[4] der Künste. Kritik[2] nennen wir den Mittelbegriff zwischen der allgemeinen Lehre und der geordneten Erfahrung oder der Geschichte[4]. Die Vergleichung und Beurtheilung der vorhandenen Hervorbringungen des menschlichen Geistes[11] muß uns die Bedingungen an die Hand geben, die zur Bildung[1] eigenthümlicher und gehaltvoller Kunstwerke[2] erfoderlich sind. | Mit der Fackel der Kritik[2] [...] wollen wir die Geschichte[1] der dramatischen Kunst beleuchten. ➢ Volltext.
[93] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 13: Das ganze Spiel lebendiger Bewegung beruht auf Einstimmung und Gegensatz. Warum sollte sich diese Erscheinung nicht auch in der Geschichte[1] der Menschheit[2] im großen wiederhohlen? Vielleicht wäre mit diesem Gedanken der wahre Schlüssel zur alten[10] und neuen[5] Geschichte[1] der Poesie[11] und der schönen[2] Künste[1] gefunden. Die, welche dieß annahmen, haben für den eigenthümlichen Geist[12] der modernen[1] Kunst[2], im Gegensatz mit der antiken[2] oder classischen[7/5], den Namen romantisch[12/4] erfunden. Allerdings nicht unpassend: das Wort[1] kommt her von romance, der Benennung der Volkssprachen, welche sich durch die Vermischung des Lateinischen mit den Mundarten[1] des Altdeutschen gebildet hatten, gerade wie die neuere[5] Bildung[5] aus den fremdartigen Bestandtheilen der nordischen Stammesart und der Bruchstücke des Alterthums[3] zusammengeschmolzen ist, da hingegen die Bildung[5] der Alten[10] weit mehr aus einem Stücke war. ➢ Volltext.
[94] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 14: [I]n der Musik[1] hat Rousseau den Gegensatz anerkannt, und gezeigt, wie Rhythmus und Melodie das herrschende Prinzip der antiken[2], Harmonie der modernen[1] Musik[1] sey. Er verwirft aber einseitig die letztere, worin wir ganz und gar nicht mit ihm einig seyn können. Ueber die bildenden Künste thut Hemsterhuys den sinnreichen Ausspruch: die alten[10] Mahler seyen vermuthlich zu sehr Bildhauer gewesen, die neueren[3] Bildhauer seyen zu sehr Bildhauer [sc. Mahler]. Dieß trifft den eigentlichen Punkt; denn, wie ich es in der Folge deutlicher entwickeln 〈15〉 werde, der Geist[12] der gesamten antiken[2] Kunst[4] und Poesie[1] ist plastisch[3], so wie der modernen[1] pittoresk[2]. ➢ Volltext.
[95] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (21817), 3 f.: Die allgemeine philosophische Theorie der Poesie[1] und der übrigen schönen[2] Künste[1] stellt die Grundgesetze des Schönen[1] auf, die allen mit einander gemein sind. Jede Kunst[2] hat ferner ihre besondere Theorie, welche darauf abzweckt, die Gränzen, die Schwierigkeiten und die Mittel dieser Kunst[2] kennen zu lehren. Hiezu werden wissenschaftliche Erörterungen erfo〈4〉dert, welche dem Künstler nützlich, aber wenig anziehend für solche Freunde der Kunst[2] sind, die nur die Hervorbringungen ausgezeichneter Geister[32] genießen wollen. Die allgemeine Theorie hingegen zergliedert eine der menschlichen Natur[1] wesentliche Eigenschaft: die Fähigkeit das Schöne[1] zu empfinden, woraus das Bedürfniß der schönen[2] Künste[1] und das Wohlgefallen daran entsteht; sie zeigt das Verhältniß zwischen dieser Fähigkeit und allen übrigen sittlichen und erkennenden Fähigkeiten des Menschen. Sie ist also sehr wichtig für den Denker, aber an sich allein reicht sie nicht hin, um zur Führerin bey Ausübung der Kunst[2] zu dienen. | Die Geschichte[4] der schönen[2] Künste[1] lehrt uns, was geleistet worden, die Theorie, was geleistet werden soll. Ohne ein verbindendes Mittelglied würden beyde abgesondert und unzulänglich bleiben. Die Kritik[2] ist es, welche die Geschichte[4] der Künste[2] aufklärt, und ihre Theorie fruchtbar macht. Die Vergleichung und Beurtheilung der vorhandenen Hervorbringungen des menschlichen Geistes[11] muß uns die Bedingungen an die Hand geben, die zur Bildung[1] eigenthümlicher und gehaltvoller Kunstwerke[2] erforderlich sind..
[96] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 62, Nr. 35: Ist die Hermeneutik nicht auch eine Art der Kritik[2]? oder giebt es nicht wenigstens auch eine hermeneutische Kritik[2]? Der Gebrauch der hermeneutisch[en] Materialien (histor[ische] Erläuterung[en]) und Organe[1] (Gramm[atik] pp) ist eine Kunst, nicht Wissenschaft[1], und zwar nicht eine Werke bildende sondern eine urtheilende Kunst, also Kritik[2]..
[97] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28 f., Nr. 116: Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Poesie[1] ist eine progressive[3/6] Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie[11] wieder zu vereinigen, und die Poesie[1/18] mit der Philosophie, und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie[3] und Prosa[1], Genialität und Kritik[1], Kunstpoesie, und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie[1] lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch[1] machen, den Witz[1] poetisiren, und die Formen der Kunst mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors[2] beseelen. [...] 〈29〉 [...] Die romantische[12/14/1/9/3/10/11] Poesie[1] ist unter den Künsten was der Witz[1] der Philosophie, und die Gesellschaft, Umgang, Freundschaft und Liebe im Leben ist. ➢ Volltext.
[98] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 179 f. (180): [Der Goethe'sche Wilhelm Meister] eröffnet eine ganz neue[1] endlose Aussicht auf das, was die höchste Aufgabe aller Dichtkunst zu seyn scheint, die Harmonie des Classischen[3/5/6?] und Romantischen[13/6/8/9?]. [...] 〈180〉 [...] Cervantes und Shakspeare [...] sind [...] die einzigen, mit denen Goethe's Universalität eine Vergleichung zuläßt. [...] Nur ist Goethe's Kunst durchaus progressiv[6/3] [...]. | Goethe hat sich [...] zu einer Höhe der Kunst heraufgearbeitet, welche zum erstenmal die ganze Poesie[17] der Alten[10] und der Modernen[1] umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens enthält. | Der Geist[14], der jetzt rege ist, muß auch diese Richtung nehmen, und so wird es, dürfen wir hoffen, nicht an Naturen[17] fehlen, die fähig seyn werden zu dichten, nach Ideen zu dichten. Wenn sie nach Goethe's Vorbilde in Versuchen und Werken jeder Art unermüdet 〈181〉 nach dem Bessern trachten; wenn sie sich die universelle Tendenz, die progressiven[6/3] Maximen dieses Künstlers zu eigen machen, die noch der mannichfaltigsten[1] Anwendung fähig sind; wenn sie wie er das Sichre des Verstandes[2] dem Schimmer des Geistreichen vorziehn: so wird jener Keim nicht verloren gehn, so wird Goethe nicht das Schicksal des Cervantes und des Shakspeare haben können; sondern der Stifter und das Haupt einer neuen[1] Poesie[1] seyn [...]. ➢ Volltext.
[99] F. Schlegel, Ideen (1800), 7, Nr. 22: Was thun die wenigen Mystiker die es noch giebt? – Sie bilden mehr oder weniger das rohe Chaos der schon vorhandnen Religion[1]. Aber nur einzeln, im Kleinen, durch schwache Versuche. Thut es im Großen von allen Seiten mit der ganzen Masse, und laßt uns alle Religionen[1] aus ihren Gräbern wecken, und die unsterblichen neu beleben und bilden durch die Allmacht der Kunst und Wissenschaft.
➢ Volltext
.[100] F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. I (1804), 31: Uebrigens zeigt es sich in dieser Tendenz noch ganz besonders, wie fremd[4] den Menschen die Poesie[1] geworden war; das Kunstgefühl war ihnen ein Phänomen, das sie vor allen Dingen zu begreifen und zu erklären wünschten; wodurch aber weder das Verständniß der Kunst eröffnet, noch auch der Dichter selbst gefördert wird. In neuerer[3] Zeit[3] hat man, besonders seit Kant, einen andern Weg eingeschlagen, und durch Zurückführung eines jeden besondern ästhetischen Gefühls auf das Gefühl des Unendlichen, oder die Erinnerung der Freiheit[10] wenigstens die Würde der Poesie[1] gerettet. Für die Kritik[2] aber ist damit immer nicht viel gewonnen, so lange man den Kunstsinn nur erklären will, statt daß man ihn allseitig üben, anwenden und bilden sollte..
[101] F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. I (1804), 332 f. (333): Es hatte nämlich 〈333〉 [...] der Engländer Harris, auf den Unterschied der in sukzessiven und der in coexistenten Medien wirkenden oder bildenden Künste [...] aufmerksam gemacht [...]. Dieser Unterschied nun wurde nebst der Winkelmannischen Schönheit[6] gleichsam Lessings Princip der Kunstforschung. Er nahm ihn ganz an, wandte ihn überall weiter an, suchte ihn ganz ins Reine zu bringen, und ist fast überall damit beschäftigt. Und allerdings verdiente dieser Unterschied wohl die größte Aufmerksamkeit, da er gerade das einzige sehr nahe berührt, was die eigentliche Speculation über die Kunst, ihr Wesen und ihre Art festsetzen wollen kann. Wenn man nämlich nicht bloß auf die äußerlichen Bedingungen bei diesem Unterschiede sähe, sondern auf den Geist[12] der Künste selbst, ob diese mehr progressiv[2] oder mehr substantiell, ob das Werdende, Bewegliche in einer Kunst herrschend sey, oder das Seyende, Ruhende; so würde dieser Unterschied zusammenfallen, mit der 〈334〉 großen Scheidung alles höhern menschlichen Thuns und Denkens in Dualismus und in Realismus, je nachdem die Freiheit[1], das unendliche Leben, oder die unbedingte Einheit überwiegend ist..
[102] Schleiermacher, Religion (1799), 52 f. (53): Spekulazion und Praxis haben zu wollen ohne Religion[3], ist verwegener Übermuth, es ist freche Feindschaft gegen die Götter[4/6], es ist der unheilige Sinn[10] des Prometheus, der feigherzig stahl, was er in ruhiger Sicherheit hätte fordern und erwarten können. Geraubt nur hat der Mensch[1] das Gefühl seiner Unendlichkeit und Gottähnlichkeit, und es kann ihm als unrechtes Gut nicht gedeihen, wenn er nicht auch seiner Beschränktheit sich bewußt wird, der Zufälligkeit seiner ganzen Form, des geräuschlosen Verschwindens seines ganzen Daseins im Unermeßlichen. Auch haben die Götter[4/6] von je an diesen Frevel gestraft. Pra〈53〉xis ist Kunst, Spekulazion ist Wissenschaft[1], Religion[3] ist Sinn[5] und Geschmak fürs Unendliche. Ohne diese, wie kann sich die erste über den gemeinen Kreis abenteuerlicher[3] und hergebrachter Formen erheben? wie kann die andere etwas beßeres werden als ein steifes und mageres Skelet? ➢ Volltext.
[103] Schleiermacher, Religion (1799), 219 f. (220): [S]o würdet Ihr doch zugeben, daß kein Künstler seine Kunst[8] einer Schule mit einigem Erfolg mittheilen kann wenn nicht unter den Lehrlingen eine gewiße Gleichheit der Vorkenntniße Statt findet; und doch ist diese in je〈220〉der Kunst[2] wo der Schüler seine Fortschritte durch Übungen macht, und der Lehrer vornehmlich durch Kritik[2] nüzlich ist, minder nothwendig als in der Religion wo der Meister nichts thun kann als zeigen und darstellen..
[104] Schlichtegroll, Mozart (1793), 7: Wem, der jemahls bey den Harmonien dieses großen Tonkünstlers sich bald in süße Empfindung verloren gefühlt, bald den unerschöpflichen Reichthum seiner Ideen bewundert hat, und die Gewalt, mit der er das Gebiethe seiner Kunst in ihrem weiten Umfange beherrschte, wem also von allen Kennern und Freunden der Musik[1] muß es nicht willkommen seyn, etwas von der merkwürdigen Lebensgeschichte dieses früh entwickelten, großen und originellen Genies[4] zu hören!.
[105] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 164: Gräf, in Erlangen, ist ein ausnehmend guter Clavierspieler. Seine Stücke, wovon viele in der großen in Kupfer gestochnen nürnbergschen Sammlung stehen, sind sehr regelmäßig, mit Kunst[2], ja oft mit Genie[2] bearbeitet..
[106] R. Schumann, Hummel (1834), 73: Ruhe, Grazie, Idealität, Objectivität, die Träger der antiken[2] Kunstwerke[2], sind die der Mozart'schen Schule. Wie der menschliche Grieche seinen donnernden Jupiter noch mit heiterm[4] Gesicht zeichnete, so hält Mozart seine Blitze. | [...] Sollte diese helle Art zu denken und zu dichten vielleicht einmal durch eine formlosere, mystische verdrängt werden, wie es die Zeit[9] will, die ihre Schatten auch auf die Kunst wirft, so mögen dennoch jene schönen[1] Kunstalter nicht vergessen werden, die Mozart regierte und die zuerst Beethoven schüttelte in den Fugen, daß es bebte, vielleicht nicht ohne Zustimmung seines Vorfürsten Wolfgang Amadeus. Später usurpirte Carl Maria von Weber und einige Ausländer den Königsthron. Als aber auch diese abgetreten, verwirrten sich die Völker[1] mehr und mehr und wenden und strecken sich nun in einem unbequemen classisch[5]-romantischen[8] Halbschlaf..
[107] Solger, Erwin II (1815), 277 f.: Geht [...] die Idee durch den künstlerischen Verstand[9] in die Besonderheit über, so drückt sie sich nicht allein darin ab, erscheint auch nicht bloß als zeitlich und vergänglich, sondern sie wird das gegenwärtige Wirkliche, und, da außer ihr nichts ist, die Nichtigkeit und das Vergehen selbst, und unermeßliche Trauer muß uns ergreifen, wenn wir das Herrlichste, durch sein nothwendiges irdisches Dasein in das Nichts zerstieben sehn. Und doch können wir die Schuld davon auf nichts anderes wälzen, als auf das Vollkommene selbst in seiner Offenbarung für das zeitliche Erkennen; denn das bloß Irdische, wenn wir es allein wahrnehmen, hält sich zusammen durch Eingreifen in einander, und nie abreißendes Werden und Vergehen. Dieser Augenblick des Uebergangs nun, in welchem die Idee selbst nothwendig zunichte wird, muß der wahre Sitz der Kunst, und darin Witz[1] und Betrachtung, wovon jedes zugleich mit entgegengesetztem Bestreben schafft und vernichtet, Eins und dasselbe sein. Hier also muß der Geist[20] des Künstlers[1] alle Richtungen in Einen alles überschauenden Blick zusammenfassen, und diesen über allem schwebenden[5], alles vernichtenden Blick nennen wir Ironie[3]. | Ich erstaune, sprach Anselm hier, über deine Kühnheit, das ganze Wesen der Kunst in die Ironie[3] aufzulösen, welches viele für Ruchlosigkeit halten möchten. | 〈278〉 Greif mich nur nicht mehr an, versetzt' ich, mit jener matten und falschen Religiosität, welche die Dichter[1] des Tages durch ihre selbstersonnenen Ideale unterstützen, und womit sie rüstig helfen, die schon so verbreitete empfindelnde und heuchelnde Selbsttäuschung über Religion[3], Vaterland, Kunst bis zum leersten Unsinn zu bringen. Ich sage dir, wer nicht den Muth hat, die Ideen selbst in ihrer ganzen Vergänglichkeit und Nichtigkeit aufzufassen, der ist wenigstens für die Kunst verloren..
[108] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 252: Also kann die Poesie[11] jede Triebfeder der Seele in Würksamkeit setzen, und mit zauberischer Kraft über die Herzen der Menschen herrschen. Diese Würkung hat sie nicht nur denn, wenn sie von feiner Kunst[8] und tiefforschender Critik[1] unterstützt wird: blos Natur[15] und Genie[2] sind dazu schon hinlänglich. Die Dichter scheinen noch immer die Größten zu seyn, die die Natur[15] zu Dichtern gemacht, ehe die Kunst[8] dem Genie[2] sich zur Gehülfin angebothen hat..
[109] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 289: Wer das Glük hat, von Jugend auf mit Menschen von feinerm Gefühl und einer edlern Lebensart umzugehen, dessen Geschmak wird allmählig zu dem edlern gebildet. Wer aber von dem Glük diese Wolthat nicht erhalten hat, der muß desto aufmerksamer das Genie[5] und den Geschmak der besten Werke der Kunst alter[10] und neuer[5] Völker[1] studiren. Mit Vorbeygehung aller Schriftsteller und Künstler, die nur einen zufälligen Ruhm, aus irgend einem mechanischen Theil derselben, oder nur einen vorübergehenden Beyfall erhalten haben, muß er sich an die ersten und claßischen[3] Männer jeder Art halten; an die, die nicht blos bey ihrer Nation[1], sondern bey allen Völkern[1], wo der Geschmak aufgekommen ist, für die ersten in ihrer Art gehalten werden. Für junge, noch ungebildete Genie[4], wenn die Natur[2] sie nicht vorzüglich bedacht hat, ist es allemal gefährlich, gutes, mittelmäßiges und schlechtes durch einander zu lesen, oder zu sehen. Es gehört ein ausnehmendes Genie[3] dazu, sich nach schlechten Mustern zu bilden, und gut zu werden..
[110] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 578: [L]eicht würde die Beurtheilung der Kunstwerke[2] seyn, wenn unsre Kunstrichter und die Verfasser der mannigfaltigen periodischen Schriften, darin die von Zeit[7] zu Zeit[7] herauskommenden Werke des Geschmaks beurtheilet werden, sich angelegen seyn ließen, anstatt so viel Geheimnisvolles von den Regeln der Kunst, in einer dem gemeinen Leser unverständlichen Kunstsprache, zu sagen, ihm auf die rechte Spuhr hülfen, selbst zu urtheilen. Dieses wäre bald gethan, wenn man nur bey jeder Gelegenheit die Wahre und gar einfache Theorie der Kunst überhaupt, und jedes Zweyges derselben besonders, vorbrächte, danach urtheilte, und so die allgemeine Critik[2] in ihrer wahren Einfallt darstellte, und auf populare Kenntnis zurükführte..
[111] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 580: Dieses wenige kann hinlänglich seyn, denen, die dergleichen Kirchen bauen, oder bauen lassen, zu zeigen, wie nöthig es sey, überall auf den wahren Zwek der Sachen zu sehen. Auch diesem Theile der Kunst, fehlet es noch an einer wahren gründlichen Critik[2], die den Baumeister in seinen Verrichtungen immer auf dem geraden Weg halte..
[112] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 624: Im Tanze vereinigen sich die Künste, die durch Aug und Ohr[3] zugleich rühren; in dem Gesange vereinigen sich die redenden Künste mit der Musik, und in dem Schauspiele können gar alle zugleich würken. Darum ist das Schauspiel die höchste Erfindung der Kunst, und kann von allen Mitteln die Gemüther der Menschen zu erhöhen, das vollkommenste werden..
[113] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (1): Es ist wahr, die Künste[2] sind ohne Hülfe der Kunstrichter zu einem hohen Grad der Vollkommenheit gestiegen. Aber dieses beweiset nicht, daß im Reiche der Künste[2], der Kunstrichter eine überflüßige Person sey. Der Geist[19] des Menschen hat von der Natur[2] einen keine Gränzen kennenden Trieb, nach immer höher steigender Vollkommenheit, zum Geschenke bekommen. Wer wird sich also unterstehen ihm Schranken zu setzen? So lange die Critik[8] einen höhern Grad der Vollkommenheit sieht, kann niemand sagen, daß er über Kräfte der Kunst[18] reiche..
[114] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (2): Doch kann [...] nicht geläugnet werden, daß die Künste meistentheils ihrem Verfall am nächsten gewesen, wenn die Critik[2] und die Menge der Kunstrichter aufs höchste gestiegen sind. [...] Aber dieses beweißt nichts gegen die Critik[2]. Die fürtreflichsten Werke der Kunst mögen immer älter als sie seyn, so wie die edelsten Thaten, der Philosophischen Kenntnis der Sittenlehre können vorhergegangen seyn. [...] Dieses beweißt blos, daß die Bestrebungen des Genies[4] nicht von Theorien und Untersuchungen abhangen, sondern ganz andere Veranlassungen haben. [...] Der Mensch dem die Natur[2] alles gegeben hat, sinnreich und erfinderisch zu werden, wird es doch erst dann, wenn ihn irgend eine Noth antreibet, seine Kräfte zusammen zu nehmen. [...] Schon Aeschylus hat angemerkt, daß die Nothwendigkeit und nicht die Kenntnis der Kunst dem Genie[2] seine Stärke giebt [...]. Aber diese Kräfte haben eine Lenkung nöthig, um den nächsten Weg einzuschlagen, der zum Zwek führet..
[115] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (3): Man erkennet deutlich, warum nicht eher große Kunstrichter entstehen können, als bis große Künstler gewesen sind. Denn aus Betrachtung der Kunstwerke entstehet die Critik[2]. Daß aber die Künste fallen, nachdem die Critik[2] das Haupt empor hebt, muß von zufälligen Ursachen herkommen. Denn in der deutlichen Kenntnis der Kunst, kann der Grund von der Unthätigkeit des Genies[2] nicht liegen..
[116] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (4): Freylich kann eine falsche und spitzfündige Critik[2] den Künsten selbst sehr schädlich werden, wie eine spitzfündige Moral einen sehr schlimmen Einfluß auf die Sitten haben kann. Es ist tausendmahl besser daß die Menschen von gutem sittlichen Gefühl nach ihren natürlichen[2] und unverdorbenen Empfindungen, als nach Grundsätzen und Lehren einer Sophistischen Sittenlehre handeln. Und in diesem Falle sind auch Künstler von gutem natürlichen[2] Genie[2] in Beziehung auf eine spitzfündige Critik[2]. Nur so lange als sie aus ächten Grundsätzen, ohne Zwang und Sophisterey natürliche[4] Folgen zieht, wird sie unfehlbar dem Genie[2] der Künstler nützlich werden..
[117] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633 (1): Die ersten Kunstrichter widmeten ihr Nachdenken der Theorie der Künste, weil die Natur[2] ihnen das besondere Genie[2] zu Untersuchungen dieser Art gegeben hatte: was sie bemerkten und entdekten, hatte das Gepräg der Gründlichkeit, ob es gleich noch nicht allgemein und vollständig genug war. Nachdem einmal die Critik[2] durch dergleichen Bemerkungen mit Säzen so weit bereichert worden, daß es der Mühe werth war, sie in ein System zu sammeln; so wurd sie zu einer Wissenschaft, die nun auch mittelmäßigen und seichten Köpfen in die Augen leuchtete. Nicht nur Männer von Genie[2], sondern auch bloße Liebhaber ohne Talente wiedmeten ihr ihre Zeit[6]. Diese bildeten sich ein, man könne sie lernen, weil die Kunstsprache, und die einmal in die Wissenschaft aufgenommenen Säze sich leicht ins Gedächtnis fassen lassen. Was also im Anfang die Frucht des wahren Genies[2] war, wurd nun zur Modewissenschaft, auf welche sich Leute ohne Genie[2] und Talente legten. Jeder seichte Kopf, der sie ohne Verstand[4] blos durch das Gedächtnis gefaßt hatte, versuchte sie mit seinen eigenen Säzen, mit neuen[1] Wörtern[1], an denen das Genie[2] keinen Antheil hatte, zu bereichern; und so wurd die Critik[2] zulezt zu einem Gewäsche, in welchem man nur mit großer Mühe, die von den wahren Kunstrichtern gemachten Entdekungen noch wahrnehmen konnte. Wenn nun zugleich auch Menschen ohne natürlichen[3] Beruf sich auf die Künste legen; so glauben sie dieselben aus den Theorien erlernen zu können: und so werden Künste und Critik[2] zugleich verdorben..
[118] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633 (2): Aristoteles, der als ein Mann von Genie[2] über diese Kunst [sc. Beredsamkeit] geschrieben hatte, bekam tausend Nachfolger ohne Genie[2], welche nach und nach die Theorie der Kunst in einen beynahe leeren Wortkram verwandelten [...]. Und nun gab es auch schwache Köpfe, die aus den Rhetoriken die Beredsamkeit erlernen wollten. Auf diese Weise mußte die Kunst durch die Critik[2] zu Grunde gehen..
[119] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633 (3): Man muß es deswegen nicht der Critik[2] selbst, nicht den Kunstrichtern von Genie[2], sondern den Sophisten, die aus dieser Wissenschaft[1] ein Handwerk gemacht haben, zuschreiben, wenn die schönen[2] Künste[1] durch Theorien verdorben werden. Den ächten Kunstrichter wollen wir als den Lehrer des Künstlers[1] ansehen, und diesem rathen auf seine Stimme[1] zu horchen. Zwar scheinet es, daß der Künstler[1] auch der beste Richter über die Kunst[2] seyn sollte. Wenn man aber bedenkt, wie viel Zeit[6], Nachdenken und Fleiß die Ausübung erfodert; so läßt sich begreifen, daß ein zur Kunst[2] gebohrnes Genie[4], (und ein solches muß der Kunstrichter seyn) das sich selbst mit der Ausübung nicht beschäftiget, in gar vielen zur Kunst[2] gehörigen Dingen, noch weiter sehen muß, als der Künstler[1] selbst..
[120] L. Tieck, Phantasus I (1812), 470: Es war den neusten[3] Zeiten[5] vorbehalten, fuhr Lothar fort, den wundervollen Reichthum des menschlichen Sinnes[6] in dieser Kunst [sc. Musik], vorzüglich in der Instrumental-Musik auszusprechen. In diesen vielstimmigen Compositionen und in den Symphonien vernehmen wir aus dem tiefsten Grunde heraus das unersättliche, aus sich verirrende und in sich zurück kehrende Sehnen, jenes unaussprechliche Verlangen, das nirgend Erfüllung findet und in verzehrender Leidenschaft sich in den Strom des Wahnsinns wirft, nun mit allen Tönen kämpft, bald überwältigt bald siegend aus den Wogen ruft, und Rettung suchend tiefer und tiefer versinkt. Und wie es dem Menschen allenthalben geschieht, wenn er alle Schranken überfliegen und das Letzte und Höchste erringen will, daß die Leidenschaft in sich selbst zerbricht und zersplittert, das Gegentheil ihrer ursprünglichen Größe, so geschieht es auch wohl in dieser Kunst großen Talenten. Wenn wir Mozart wahnsinnig nennen dürfen, so ist der genialische Beethoven oft nicht vom Rasenden zu unterscheiden, der selten einen musikalischen[1] Gedanken verfolgt und sich in ihm beruhigt, sondern durch die gewaltthätigsten Uebergänge springt und der Phantasie[3] gleichsam selbst im rastlosen Kampfe zu entfliehen sucht. | Alle diese neuen[3] tiefsinnigen Bestrebungen, sagte Anton, sind meinem Gemüthe nicht fremd[4], sie tönen wie das Rauschen des Lebensstromes zwischen Felsenufern, der über Klippen und hemmendem Gestein in romantischer[3; 8?] Wildniß musikalisch[3; 7?] braust[.].
[121] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 82 f. (83): Noch eines Gemähldes des Leonardo muß ich, eines merkwürdigen Umstandes halber, gedenken. Ich meyne das Bildniß der Lisa del Giocondo, (der Gemahlinn des Francesco,) an welchem er vier Jahre arbeitete, ohne durch die sorgfältigste und feinste Ausarbeitung jedes Härchens, den Geist[12] und das Leben des Ganzen zu ersticken. So oft nun die edle Frau[4] ihm zum Mahlen saß, rief er allemal einige Personen herzu, die sie durch eine angenehme und muntre Musik[6] auf Instrumenten[3], mit der menschlichen Stimme[3] begleitet, aufheitern mußten. Ein sehr sinnreicher Einfall, wegen dessen ich den 〈83〉 Leonardo immer bewundert habe. Er wußte nur zu wohl, daß bey Personen, welche zum Mahlen sitzen, sich gewöhnlich eine trockene und leere Ernsthaftigkeit auf ihrem Gesichte einzufinden pflegt, und daß eine solche Miene, wenn sie im Gemählde in bleibenden Zügen festgehalten wird, ein ungefälliges oder wohl gar finsteres Ansehen gewinnt. Dagegen kannte er die Wirkung einer fröhlichen Musik[6], wie sie sich in den Mienen des Gesichts abspiegelt, wie sie alle Züge auflöst, und in ein liebliches, reges Spiel setzt. So trug er die sprechenden Reize des Antlitzes lebendig auf die Tafel über, und wußte bey Ausübung der einen Kunst sich der andern so glücklich als Gehülfinn zu bedienen, daß diese auf jene ihren Wiederschein warf. ➢ Volltext.
[122] Wackenroder, Phant. ü. d. Kunst (1799), 155 ff. (156): Es scheinen uns diese Gefühle, die in unserm Herzen aufsteigen, manchmal so herrlich und groß, daß wir sie wie Reliquien in kostbare Monstranzen einschließen, freudig davor niederknieen, und im Taumel nicht wissen, ob wir unser eignes menschliches Herz, oder ob wir den Schöpfer, von dem alles Große und Herrliche herabkommt, verehren. | Zu dieser Aufbewahrung der Gefühle sind nun verschiedene schöne[1] Erfindungen gemacht worden, und so sind alle schönen[2] 〈156〉 Künste[1] entstanden. Die Musik[1] aber halte ich für die wunderbarste dieser Erfindungen, weil sie menschliche Gefühle auf eine übermenschliche Art schildert, weil sie uns alle Bewegungen unsers Gemüths unkörperlich, in goldne Wolken luftiger Harmonien eingekleidet, über unserm Haupte zeigt, – weil sie eine Sprache[2] redet, die wir im ordentlichen Leben nicht kennen, die wir gelernt haben, wir wissen nicht wo? und wie? und die man allein für die Sprache[2] der Engel halten möchte. | Sie ist die einzige Kunst[2], welche die mannigfaltigsten und widersprechendsten Bewegungen unsers Gemüths auf dieselben schönen[1] Harmonien zurückführt, die mit Freud' und Leid, mit Verzweiflung und Verehrung in gleichen harmonischen Tönen spielt. Daher ist sie es auch, die uns die ächte Heiterkeit[3] der Seele einflößt, welche das 〈157〉 schönste[1] Kleinod ist, das der Mensch erlangen kann; – jene Heiterkeit[3] meyn' ich, da alles in der Welt uns natürlich[2], wahr und gut erscheint, da wir im wildesten Gewühle der Menschen einen schönen[1] Zusammenhang finden, da wir mit reinem Herzen alle Wesen uns verwandt und nahe fühlen, und, gleich den Kindern, die Welt wie durch die Dämmerung eines lieblichen Traumes erblicken. ➢ Volltext.
[123] Wackenroder, Phant. ü. d. Kunst (1799), 166 f.: Es ist rührend zu sehen, wie diese drey Künste die Himmelsburg von ganz verschiedenen Seiten bestürmen, und mit kühnem Wetteifer untereinander kämpfen, dem Throne Gottes am nächsten zu kommen. Ich glaube aber wohl, daß die vernunftreiche Muse der Dichtkunst, und vorzüglich die stille und ernste Muse der Mahlerey, ihre dritte Schwester für die allerdreisteste und verwegenste im Lobe Gottes achten mögen, weil sie in einer fremden, unübersetzbaren Sprache[2], mit lautem Schalle, mit heftiger Bewegung, und mit harmoni〈167〉scher Vereinigung einer ganzen Schaar lebendiger Wesen, von den Dingen des Himmels zu sprechen wagt. | Allein auch diese heilige Muse redet von den Dingen des Himmels nicht beständig auf einerley Art, sondern hat vielmehr ihre Freude daran, Gott auf ganz verschiedene Weise zu loben, – und ich finde, daß jegliche Art, wenn man deren wahre Bedeutung recht verstehet, ein Balsam für das menschliche Herz ist. | Bald geht sie in muntern, fröhlichen Tönen daher, läßt sich von einfachen und heiteren[5], oder auch von zierlichen und künstlichen Harmonieen in allerley liebliche, wohlklingende Irrgänge leiten, und lobt Gott nicht anders, als Kinder thun, welche vor ihrem guten Vater an seinem Geburtstage eine Rede oder einen dramatischen Actus halten [...].
➢ Volltext
.[124] Wackenroder, Phant. ü. d. Kunst (1799), 188: Von denjenigen, welche die Musik[1] und alle Künste nur als Anstalten betrachten, ihren nüchternen und groben Organen[3] die nothdürftig sinnliche Nahrung zu verschaffen, – da doch die Sinnlichkeit nur als die kräftigste, eindringlichste und menschlichste Sprache[2] anzusehn ist, worin das Erhabene[3], Edle und Schöne[2] zu uns reden kann, – von diesen unfruchtbaren Seelen ist nicht zu reden. ➢ Volltext.
[125] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 19 f.: Man hat die Kunst[4] und Poesie[11] des Mittelalters mit dem Namen der romantischen[13], die Kunst[4] und Poesie[11] der Alten[10] mit dem Namen der klassischen[7] getauft, welcher Name und Gegensatz von einer deutschen Dichterschule, Tieck und den beiden Schlegeln, die man selbst zur neuromantischen Klasse[1] zählte, ausging, in Deutschland viel Streit und Gerede machte und seit einem Dezennium auch in Frankreich und Italien die größten Spaltungen erregte, indem die jungen französischen und italienischen Dichter sich zu den deutschen Romantikern[3] schlugen, und im Gegensatze zu den Nachahmern des altklassischen Stils sich mehr der britischen und deutschen Phantasiefülle und Regellosigkeit hingaben, worin sie hauptsächlich das Wesen der Romantik[13] erblickten. Überhaupt hat man viel Mißbrauch mit beiderlei Namen getrieben, und man ist sich noch jetzt, weder in Deutschland, noch bei unsern Nachbarn selten klar, worin denn eigentlich das unterschiedliche Wesen der einen und der andern Art bestehe. Vielleicht drückt man sich darüber am richtigsten aus, wenn man sagt, die Kunst[2] der Alten[10], das ist die Klassik[5], habe darin bestanden, daß sie jede Idee, die sie darstellen wollten, sei's mit dem Meißel, am Stoff des Marmors, sei's mit dem Griffel, am Stoff der Sprache[1], daß sie jede darzustellende Idee, so vollkommen an diesem Stoffe ausdrückten, daß nichts 〈20〉 mehr und nichts weniger als eben die Idee selbst sinnlich vor Augen trat; dagegen die Kunst[2] der Romantiker[2] darin bestand und besteht, daß sie die Idee im sinnlichen Stoff keineswegs vollkommen erschöpften, sondern nur symbolisch an ihm darstellten, so daß man bei ihren Gebilden immer etwas mehr hinzuzudenken habe, als man vor Augen sähe. Die Ursache war denn die, daß die alten[10] griechischen[1] Künstler, nach ihren Begriffen[1] von sinnlicher Form und Schönheit[1], alle diejenigen Ideen zur Darstellung verschmähten und von sich wiesen, welche sie nicht in feste Form vollkommen einfassen konnten, die Künstler und Dichter des Mittelalters aber sich kein Bedenken daraus machten, das Höchste und Tiefste, was nur die Menschenbrust fassen, aber kaum ein sterblicher Mund aussprechen konnte, symbolisch in Formen und Gestalten wenigstens anzudeuten. Daß uns eine solche Kunst[2] der Bedeutsamkeit, eine solche Symbolik der Religion[1] und der Liebe aus den Denkmälern des Mittelalters überall anweht, uns bald heimlich, bald großartig, bald abenteuerlich[3] ergreift und etwas Unendliches, Ahnungsvolles, Sehnsüchtiges in uns anregt, wird jeder gestehen, dem das Mittelalter bekannter geworden ist wie aus Büchern der neuern[9] Zeit[3] über dasselbe..
[126] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 26: Diese Griechen [...], welche ihre Freyheit[7] vor der angränzenden Macht der Perser nicht vertheidigen konnten, waren nicht im Stande, sich in mächtige freye Staaten, wie die Athenienser, zu erheben, und die Künste und Wissenschaften konnten daher in dem Jonischen Asien ihren vornehmsten Sitz nicht nehmen..
[127] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 83: Diese Freyheit[6], die Pflegerinn der Künste, und der große Handel der Hetrurier zu Wasser und zu Lande, welcher jene beschäftigte und nährete, muß unter ihnen eine Nacheiferung mit Künstlern anderer Völker[1] erwecket haben, sonderlich da der Künstler in allen freyen[6] Staaten mehr wahre Ehre zu hoffen und zu erlangen hat. .
[128] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 130: In Absicht der Verfassung und Regierung von Griechenland ist die Freyheit[6] die vornehmste Ursache des Vorzugs der Kunst..
[129] Winckelmann, Gesch. d. Kunst II (1764), 316: Es war also nöthig, die Umstände anzuzeigen, in welchen sich die Griechen von Zeit[3] zu Zeit[3] befunden haben, welches kürzlich, und bloß in Absicht auf unser Vorhaben geschehen wird; und aus dieser ganzen Geschichte[1] erhellet, daß es die Freyheit[6] gewesen, durch welche die Kunst empor gebracht wurde. .
[130] Winckelmann, Gesch. d. Kunst II (1764), 340: Ich kehre [...] zu dem unglücklichen Peloponnesischen Kriege zurück, welcher sich im ersten Jahre der vier und neunzigsten Olympias endigte, aber mit Verlust der Freyheit[6/7] von Athen, und zugleich, wie es scheinet, mit großem Nachtheile der Kunst. .
[131] Winckelmann, Gesch. d. Kunst II (1764), 356: Die Kunst, welche von der Freyheit[6] gleichsam das Leben erhalten, mußte [...] nothwendig durch den Verlust derselben [...] sinken und fallen..
[132] Zelter/Goethe, Haydn. Schöpf. (1826), WA I, 41.2, 384: [H]ierdurch werde ich erinnert, an den Vorwurf zu denken, den man Haydn machen wollen: seine Musik[4] ermangele der Leidenschaft. Hierauf nun erwidere ich Folgendes: Das Leidenschaftliche in der Musik[1] wie in allen Künsten[2] ist leichter als man denkt, schon weil es leichter nachempfunden wird; es ist nicht ursprünglich, die Gelegenheit bringt es hervor, und nach dem Begriffe[1] der Alten[10] verdeckt es die reine Natur[19] und entstellt das Schöne[1]. [...] | Unser Haydn [...] wirkt ohne Hitze, was er wirkt; wer will denn auch erhitzt sein? Temperament, Sinn[6], Geist[20], Humor[3], Fluß, Süße, Kraft und endlich die echten Zeichen des Genies[4]: Naivetät und Ironie[3] müssen ihm durchaus zugestanden werden. Sind nun die hier genannten Elementartheile, welche ohne Wärmestoff nicht denkbar sind, Haydn'sche Eigenheiten, so begrüßen wir seine Kunst[10] als antik[4] im besten Sinne[1], und daß sie modern[4/7] sei, ist unsres Wissens nicht bestritten worden, was auch schwer gelingen möchte, da alle moderne[9] Musik[1] auf ihm ruht..
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