[1]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 208 f. (209)
: In dieser Weise hat z. B. die holländische Malerei die vorhandenen flüchtigen Scheine der Natur[2] als vom Menschen neuerzeugte zu tausend und aber tausend Effekten umzuschaffen gewußt. Sammet, Metallglanz, Licht, Pferde, Knechte, alte[2] Weiber, Bauern aus Pfeifenstummeln den Rauch heraus blasend, das Blinken des Weins im durchsichtigen Glase, Kerle in schmutzigen Jacken mit alten[1] Karten spielend, solche und hunderterlei andere Gegenstände, um welche wir uns im alltäglichen Leben kaum bekümmern, da uns selbst, wenn auch wir Karten spielen, trinken und von die〈209〉sem und Jenem schwatzen, noch ganz andre Intressen ausfüllen, werden uns in diesen Gemälden vors Auge gebracht. Was uns nun aber bei dergleichen Inhalt, insofern ihn die Kunst uns darbietet, sogleich in Anspruch nimmt, ist eben dieß Scheinen und Erscheinen der Gegenstände als durch den Geist[20] producirt, welcher das Aeußere und Sinnliche der ganzen Materiatur im Innersten verwandelt. Denn statt existirender Wolle, Seide, statt des wirklichen Haares, Glases, Fleisches und Metalls sehen wir bloße Farben, statt der totalen Dimensionen, deren das Natürliche[5] zu seiner Erscheinung bedarf, eine bloße Fläche, und dennoch haben wir denselben Anblick, den das Wirkliche giebt. | [...] Gegen die vorhandene prosaische[3] Realität ist daher dieser durch den Geist[20] producirte Schein das Wunder der Idealität, ein Spott, wenn man will, und eine Ironie[1] über das äußerliche natürliche[4] Daseyn. ➢ Volltext
[2]
A. W. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 49, Nr. 190
: Die einförmigste und flachste Natur[2] erzieht am besten zum Landschaftsmahler. Man denke an den Reichthum der Holländischen Kunst in diesem Fache. Armuth macht haushälterisch: es bildet sich ein genügsamer Sinn[5], den selbst der leiseste Wink höheres Lebens in der Natur[2] erfreut. Wenn der Künstler dann auf Reisen romantische[3] Szenen kennen lernt, so wirken sie desto mächtiger auf ihn. ➢ Volltext
[3]
Brockhaus, Conv.-Lex. VII (1809), 127
: Merkwürdig endlich und segensreich sind Bodmers Verdienste um die deutsche Literatur. Er ist gewissermaßen der erste deutsche Kritiker im Felde der Kunst, der schönen[2] Wissenschaften und Literatur; er bahnte den Weg, auf welchem späterhin Lessing ging, und widersetzte sich zuerst Gottsched und seinen Jüngern; hob, schützte und vertheidigte die aufblühenden Genies[4], Wieland, Gleim, Klopstock u. s. w., brachte alte[1] vergeßne Dichter, als Canitz, Opitz, Wernicke und die Minnesänger wieder aus Licht, machte die Deutschen mit Miltons verlornem Paradiese bekannt, übersetzte den Homer und fuhr bis an sein Ende fort, mündlich und schriftlich das Wohl der deutschen Literatur zu pflegen. Er versuchte sich selbst als Dichter, z. B. in der Noachide, war aber, wie alle Kritiker, als eigner Schöpfer nicht glücklich. Es konnte übrigens nicht fehlen, daß er sich durch seine bisweilen wirklich harte und eigensinnige Kritik[2] auch viele Feinde zuzog..
[4]
G. Forster, Kunst u. Zeitalt. (1791), 92
: Unermeßlich ist die Entfernung, in welcher die moderne[1] Kunst hinter der alten[10] zurückbleibt; unermeßlich! denn wer getrauet sich die Kluft zu messen, die das Wahre von dem Falschen trennt? In dieser schneidenden Bezeichnung scheint etwas hartes, vielleicht sogar unbilliges zu liegen; allein retten wir in der Folge nur den relativen Werth neuer[5] Kunstwerke[4], so wird man uns eine strenge Wahrheit hingehen lassen [...]..
[5]
Görres, Tt. Volksb. (1807), 290 f. (291)
: Es war wohl allerdings eine herrliche Zeit[5], diese Griechische[2], gerade deswegen weil sie Alles hatte, was uns nach und nach hingeschwunden ist: Lebensmark, und Trotz und freie Besonnenheit im raschen Thun und Treiben: sie mußte Treffliches wohl bilden, und das Trefflichste im engsten Kreise concentrirt mußte classisch[3/5/6] werden. Diese Concentrirung war nicht in der neuen[5] Zeit[5], dagegen trat das Unendliche ein in sie, und mit dem Uebergang in's Geisterreich konnte nun physische Geschlossenheit nicht mehr bestehen; im Uebersinnlichen sind nicht begränzte, scharf geschnittne Crystalle, aber es ist unendliche Crystallisirbarkeit, ein schwebend[5] Formenreich, das nur mehr Magnet bedarf, um anzuschießen in die einzelne besondere Gestalt. So war die Aufgabe der neuen[5] Zeit[5] eine Unendliche, ihr könnt von einem endlichen Zeitraum nicht fodern, daß er das ganze Problem nett und rein auf einmal euch löse. Das Mittelalter hat kein rein classisches[3/5/6] Werk hervorgebracht, aber 〈291〉 es hat die Schulschranken der alten[10] sinnlichen Classicität durchbrochen, und eine Andere, Höhere begründet, an der alle Zeiten[5] zu bauen haben, weil in keiner einzeln die Quadratur des Zirkels gefunden werden kann. Den herrlichen Torso der Kunst hat die alte[10] griechische[2] Zeit[5] gebildet; aber blind war wie die alte[10] Plastik die treffliche Gestalt, das tiefe, schwärmerisch versunkene Auge hat erst die Romantik[8] ihm gegeben, und die nordische Schaam hat freilich dafür den schönen[1] Körper in die Drapperie des Gewands verhüllt, das symbolisch nur die Formen der Gliedmaßen anzudeuten hat..
[6]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 237 f.
: Antike[4], Antiken[3], (vom lateinischen Worte[1] antiquus, längst verflossen, alt[1]) die Kunst[11] der Alten[10], Alterthümer[5]; im scharfen 〈238〉 Gegensatze zur Kunst[11] der Neuen[5] zur modernen[1] oder romantischen[12] Kunst[11]. Die antike[2] Kunst[11] (eigentlich nur die griechische[2] zu nennen) ist leichter zu beurtheilen, als in ihrem Stile zu schaffen. Ideale Ruhe, göttlicher Adel[5] in der Form und kühne Einfachheit sind die Kennzeichen, das Wesen der Antike[4]. Woher aber jene himmlische Ruhe, jene unnachahmliche Grazie, jene Abgeschlossenheit (Plastik) in der Antike[4]? – Griechenland war von Poesie[14] durchdrungen, nämlich von einer Phantasie[3], die ihre Ideale im Leben selbst vorfand, und dieselben in Formen bringen konnte, die wirklich vorhanden waren; die Kunst[11] besteht aber nur in dieser Verschmelzung des Ideals mit der Wirklichkeit, diese Erhebung des Irdischen zum übersinnlichen Genusse. Und wenn ein poetischer[1] Mensch derjenige ist, welcher bei Beschauung irdischer Gegenstände diesen sogleich ihre himmlische Beziehung in schöner[1] Form anweist, so waren die Griechen eine poetische[1] Nation[1], und die Kunst[4] lag ihnen nahe. Das Schöne[1] setzten sie über Alles, weil sie selbst schön[1] waren; sie vergötterten schöne[1] Menschen nach dem Tode; ihre Lebensaufgabe war Genuß des Schönen[1]..
[7]
Schiller, Brf. Dän. (1785), NA 20, 102
: Ich komme aus dem Saal der Antiken[3] zu Mannheim. [...] Empfangen von dem allmächtigen Wehen des griechischen[2] Genius trittst du in diesen Tempel der Kunst. Schon deine erste Ueberraschung hat etwas ehrwürdiges, heiliges. Eine unsichtbare Hand scheint die Hülle der Vergangenheit vor deinem Aug wegzustreifen, zwei Jahrtausende versinken vor deinem Fußtritt, du stehst auf einmal mitten im schönen[4/2] lachenden Griechenland, wandelst unter Helden und Grazien, und betest an, wie sie, vor romantischen[7] Göttern[5]..
[8]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 13 f.
: Die antike[2] Kunst[11] und Poesie[11] geht auf strenge Sonderung des Ungleichartigen, die romantische[12] gefällt sich in 〈14〉 unauflöslichen Mischungen; alle Entgegengesetzten: Natur[19] und Kunst[13], Poesie[3] und Prosa[1], Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahndung[1], Geistigkeit und Sinnlichkeit, das Irdische und Göttliche, Leben und Tod, verschmelzt sie auf das innigste mit einander. [...] [D]ie gesamte alte[10] Poesie[11] und Kunst[11] [ist] gleichsam ein rhythmischer Nomos, eine harmonische Verkündigung der auf immer festgestellten Gesetzgebung einer schön[1] geordneten und die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden Welt. Die romantische[12/4] hingegen ist der Ausdruck des geheimen Zuges zu dem immerfort nach neuen[1] und wundervollen Geburten ringenden Chaos, welches unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schooße sich verbirgt: der beseelende Geist[12/1] der ursprünglichen Liebe schwebt[1] hier von neuem[2] über den Wassern. Jene ist einfacher, klarer, und der Natur[2] in der selbständigen Vollendung ihrer einzelnen Werke ähnlicher; diese, ungeachtet ihres fragmenta〈15〉rischen Ansehens, ist dem Geheimniß des Weltalls näher. Denn der Begriff[5] kann nur jedes für sich umschreiben, was doch der Wahrheit nach niemals für sich ist; das Gefühl wird alles in allem zugleich gewahr. ➢ Volltext.
[9]
A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), XII f.
: Die Aufgabe der litterarischen und Kunst-Kritik[1] ist ja nicht, wie es von der philologischen und historischen Kritik[1] allerdings gilt, die scharfsinnige und gelehrte Führung eines schwierigen Erweises. Die Bemühung des Kritikers verliert dadurch nichts an ihrem Werth, daß das Urtheil unverbildeter, unverwöhnter und vorurtheilsfreier Leser des Gedichtes oder Betrachter des Kunstwerkes schon im voraus mit dem seinigen übereinstimmt. Man suchte nur einen Sprecher der gemeinsamen Empfindungen, weil die Mittheilung und Verständigung darüber den Genuß erhöht. Die Aufgabe ist, für den Gesamt-Eindruck, der aus einem unendlich feinen Gewebe einzelner Eindrücke zusammengesetzt ist, den angemessensten Ausdruck zu finden; diese Wirkung des Kunstwerkes aus den Anlagen der menschlichen Natur[1], aus den Forderungen des äußern Sinnes[4], der Einbildungskraft, des Geschmacks, des Verstandes und des sittlichen Gefühls, befriedigend zu erklären; und überall von dem besonderen Fall auf allgemeine Wahrheiten und Grundgesetze zurückzuweisen. Man schätzt die Verbindung des philosophi〈XIII〉schen Geistes[22] mit der praktischen Einsicht, wie dieses oder jenes anders und besser hätte gemacht werden können, aber warum das Ganze, so wie es ist, vollendet erscheint..