[1]
Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 331
: [W]ahrscheinlich entsteht der Kretinismus
von der eingeschlossenen, feuchten und ungesunden Luft der dasigen tiefen Alpenthäler, die Geist und Körper erschlafft, und zugleich durch Erschlaffung der Halsmuskeln die Kröpfe erzeugt, von dem unreinen und mit vielen fremden
Theilen geschwängerten Wasser und der Unreinlichkeit der Straßen, so wie überhaupt von der geringen Cultur[4] und großen Trägheit und Unreinlichkeit der meisten Einwohner des Walliserlandes.
[2]
Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 93
: Quintilian
fordert mit Recht von dem Redner Stärke des Geistes, Innigkeit und Wärme des Gefühls. Die erste ist ihm nöthig, um seine Hauptsache immer vor Augen zu haben, alle ihr fremde
Nebenvorstellungen zu entfernen, und insbesondere sein Ich, das Interesse seiner Person und seiner Eitelkeit ganz aus dem Gesichtskreise hinauszustoßen; denn sobald diese hervorschimmern, ist der Zweck verfehlt oder verschoben.
[3]
Brockhaus, Conv.-Lex. V (1809), 41
: Die meisten Salze sind entweder in vielem Wasser aufgelöst, als z. B. das Küchensalz, oder mit vielerlei fremden
, erdhaften, metallischen und fetten Theilen verunreinigt, von welchen sie erst befreiet werden müssen.
[4]
Goethe, Wilh. Meister VIII (1796), WA I, 23, 167
: Ein Kind, ein junger Mensch, die auf ihrem eigenen Wege irre gehen, sind mir lieber als manche, die auf fremdem Wege recht wandeln. Finden jene, entweder durch sich selbst, oder durch Anleitung, den rechten Weg, das ist den, der ihrer Natur[1] gemäß ist, so werden sie ihn nie verlassen, anstatt daß diese jeden Augenblick in Gefahr sind, ein fremdes Joch abzuschütteln, und sich einer unbedingten Freiheit[1] zu übergeben.
[5]
Jean Paul, Siebenkäs I (1796), 77
: Nürnberg und Ulm waren vor Kurzem so glücklich wie Kuhschnappel noch ist, daß sie nicht von gemeinen Handwerkern, sondern blos von gutem Adel[2] regieret wurden, ohne daß ein gemeiner Bürger sich in Person oder durch Repräsentanten *) hätte im Geringsten darein mischen können:
 
*) Denn die wenigen sogenannten Rathsfreunde (aus dem Bürgerstande), die in Nürnberg und Kuhschnappel unter den Patriziern sitzen, haben zwar ihren Sitz, aber keine andere Stimme[7] als eine fremde; und der übrigen unschädlichen Stellvertreter, wodurch der Tiers-Etat wirklich Sitz und Stimme[7] in der Regierung hat wie durch Visitenkarten, nämlich der Steuer-Gelder, können nie genug seyn.
 
〈78〉 Jetzt leider scheint man in beiden Städten das Faß des Staats, weil der obere Bierhahn sauers Gesöff herausließ, unten einen Zoll hoch über der Hefe des Pöbels angezapft zu haben.
[6]
Novalis, Allg. Brouill. (*1798–99), NS 3, 454, Nr. 983
: Der W[issenschaft] ist es wie den Menschen[1] gegangen – um sie leichter bearbeiten und bilden zu können, hat man sie in einzelne Wissenschaften (und Staaten) eingetheilt – der Eintheilungsgrund war hier und dort zufällig und fremd.
[7]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!1803–04), KAV 2.1, 59
: Von dieser Zeit[7] an, gegen die Mitte des 18ten Jahrhunderts, wird nun von vielen das goldne Zeitalter der Deutschen Literatur gerechnet. Es traten damals ungefähr zugleich auf [...] Uz, Gleim, Kleist, Ramler, Geßner, dann Lessing, und Wieland der eben so früh, zum Theil unter Bodmers Leitung aufgetreten war, gelangte erst eine Anzahl Jahre später zu seiner eigenthümlichen und noch fortdauernden Celebrität. [...] Die ganze Periode gründlich zu charakterisiren und zu würdigen, das würde sich nicht so in der Kürze thun lassen, und unserm Zwecke fremd, indem die meisten dieser Dichter[1] anerkanntermaßen gar nicht darauf ausgegangen sind, romantisch[14/2/4/8] zu seyn.
[8]
A. W. Schlegel, Brchtg. Mißdt. (1828), 84
: Hier ist es meinem Zwecke fremd, den interessanten[1] Gegenstand weiter abzuhandeln: es kann aber ein andermal geschehen.
[9]
Solger, Rez. A. W. Schlegel (1819), 82
: Und so wie das Herumschauen nach dem Fremden immer unserer edelsten Eigenthümlichkeit Abbruch thut, so auch überhaupt schon das Streben nach der äußeren Wirksamkeit, wenn es den Hauptzweck wissenschaftlicher Bemühungen, die Wahrheit selbst darzustellen, überwiegt.
[10]
A. v. Arnim, Rez. Arndt Pr. Volk (1813), 4
: So verderblich es für Frankreich war, Deutschlands Geschichte[11] zu vernichten, ihm eine fremde[1/5] Verfassung aufdringen zu wollen, eben so vergebens und schädlich wäre es für uns, diese sieben Jahre als gar nicht vorhanden vergessen zu wollen, auch sie gehören zu dem Weltplane und nur der kann ihn ergreifen und ihm ohne Widerstreben folgen, der alles Geschehene gut und schön[6] zu machen weiß. Auch in dem untergegangenen Westphalen hatte sich bei aller Verderblichkeit und Fremdartigkeit des Ganzen im Einzelnen manches Gute entwickelt, was bewahrt zu werden verdiente, manche Einrichtung wie die Friedensrichter und die Geschwornen, die vielleicht aus Deutschland stammen, nach weitem Umlaufe wieder als fremde[1] Einrichtung dahin zurückkehrten, verdienten allgemeiner eingeführt zu werden, eben so die mündliche, kürzere Verhandlung, die Oeffentlichkeit der Gerichte u. s. w. ➢ Volltext.
[11]
Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 300
: In den neuern Zeiten war es vorzüglich zu Ende des 16. Jahrhunderts, daß man mit dem Schauspiele, dem eigentlich der Gesang nie ganz fremd
war [...], allmählig starke Veränderungen vornahm, und die Musik ein wesentlicher Theil
des Schauspiels ward [...]..
[12]
Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 258
: Dadurch waren sie zwar stückweise bekannt, aber ohne Zusammenhang und Ordnung, zum Theil verfälscht und mit fremden
Zusätzen vermischt..
[13]
Brockhaus, Conv.-Lex. V (1809), 338
: Man nennt das übertriebene Bestreben, die Landessprache von allen fremden[1/5] Worten[1] zu reinigen, Purismus, und die Anhänger dieses Systems – Puristen..
[14]
Brockhaus, Conv.-Lex. VI (1809), 497
: Der Zwischenact
ist eigentlich die Zeit, welche zwischen zwei Aufzügen bei einem Drama verstreicht, und während welcher der Zuschauer von der Handlung nichts zu sehen bekommt. Diesen Zwischenraum füllt bekannter Maßen in unsern Schauspielen das Orchester durch eine Sinfonie, oder einen andern, längern oder kürzern Satz aus [...]. Daß durch solche beträchtliche Zwischenzeiten sehr oft der Eindruck des Ganzen geschwächt wird, ist wohl nicht zu bezweifeln, indem der Zuschauer meistentheils mit ganz fremden, das Schauspiel nicht angehenden Dingen [...] beschäftiget wird..
[15]
Brockhaus, Conv.-Lex. VII (1809), 81
: Der Barbarism [...], wenn man sich eines Worts[1] oder einer Wendung auf eine fremde, sprachwidrige Art bedient..
[16]
C. de la Motte Fouqué, Dt. Geselligk. (1814), 30
: Wir sollen nicht länger zwischen eigenthümlicher und fremder Bildung[5] schwanken, es steht uns wohl an Deutsch[1] zu seyn. Ist die französische Sprache[3] dem gesellig verkehrenden Europa unentbehrlich geworden, so gelte sie wie eine Scheide- und Ausglei〈31〉chungsmünze, so lange sie in Cours bleiben kann, Jedweder lerne sie als solche kennen, sie bleibe ihm Mittel, nichts weiter. Was hülfe es auch, sie zum Zweck machen zu wollen? Ihre klassischen[4] Sprichwörter und Phrasen liegen doch nur wie veralteter bestäubter Modeprunk auf der lebendigen Nationalbildung, der deutsche[1] Geist[12] ist aus dem alten[6] Kleide herausgewachsen, beide passen nicht zu einander..
[17]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 158 f. (159)
: Die unbelebten Körper der unorganischen Natur[2] haben ihre feste Räum〈159〉lichkeit, sie sind eins mit ihrem Ort und an ihn gebunden, oder von außen her bewegt. | Denn ihre Bewegung geht nicht von ihnen selbst aus, und wenn sie deshalb an ihnen hervortritt, erscheint sie als eine ihnen fremde Einwirkung, welche aufzuheben sie das reagirende Streben haben. Und wenn auch die Bewegung der Planeten u. s. f. nicht als äußerer Anstoß und als den Körpern fremdartig erscheint, so ist sie doch an ein festes Gesetz und dessen abstrakte Nothwendigkeit gebunden. Das lebendige Thier[1] aber in seiner freien[5] Selbstbewegung negirt das Gebundenseyn an den bestimmten Ort aus sich selbst, und ist die fortgesetzte Befreiung von dem sinnlichen Einsseyn mit solcher Bestimmtheit. ➢ Volltext.
[18]
Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 146
: Und so ward jenes einzige Gepräge der griechischen[2] Sprache[3], das nicht von stummen Gesetzen erpreßt, das durch Musik[6] und Tanz, durch Gesang und Geschichte[2], endlich durch den plauderhaften freien[13/6] Umgang vieler Stämme und Colonien wie eine lebendige Form der Natur[2] entstanden war. Die nordischen Völker[1] Europens hatten bei ihrer Bildung[3] dies Glück nicht. Da ihnen durch fremde[1/5] Gesetze und durch eine Gesanglose Religion[1] ausländische Sitten gegeben wurden; so verstummete auch ihre Sprache[3]. Die Deutsche z. B. hat unstreitig viel von ihrer innern Biegsamkeit, von ihrer bestimmtem Zeichnung in der Flexion der Worte, ja noch mehr von jenem lebendigen Schall verlohren, den sie unter günstigem Himmelsstrichen ehedem hatte. Einst war sie eine nahe Schwester der griechischen[2] Sprache[3] und jetzt wie fernab von dieser ist sie gebildet! [...] Nur die griechische[2] Sprache[3] ist wie durch Gesang entstanden: denn Gesang und 〈147〉 Dichtkunst und ein früher Gebrauch des freien[6] Lebens hat sie zur Musensprache der Welt gebildet..
[19]
Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 225 f. (226)
: Das Band [...], dadurch alle römisch-katholische Länder unläugbar vereint wurden, die lateinische Mönchssprache, hatte auch manche Knoten. Nicht nur wurden die Muttersprachen der Völker[1], die Europa besassen, und mit ihnen die Völker[1] selbst in Roheit erhalten; sondern es kam unter andern auch hiedurch insonderheit das Volk[5] um seinen letzten Antheil an öffentlichen Verhandlungen, weil es kein Latein konnte. Mit der Landessprache ward jedesmal ein großer Theil des Nationalcharakters aus den Geschäften der Nation[1] verdrängt, wo〈226〉gegen sich mit der lateinischen Mönchssprache auch jener fromme Mönchsgeist einschlich, der zu gelegener Zeit[7] zu schmeicheln, zu erschleichen, wohl auch zu verfälschen wußte. Daß die Acten sämmtlicher Nationen[1] Europa's, ihre Gesetze, Schlüsse, Vermächtnisse, Kauf- und Lehninstrumente, endlich auch die Landesgeschichte so viele Jahrhunderte hindurch latein geschrieben wurden; dies konnte zwar der Geistlichkeit, als dem gelehrten Stande sehr nützlich, den Nationen[1] selbst aber nicht anders als schädlich seyn. Nur durch die Cultur[3] der vaterländischen Sprache[3] kann sich ein Volk[1] aus der Barbarei heben; und Europa blieb auch deshalb so lange barbarisch, weil sich dem natürlichen[3] Organ[1] seiner Bewohner, fast ein Jahrtausend hin, eine fremde Sprache[3] vordrang, ihnen selbst die Reste ihrer Denkmahle nahm und auf so lange Zeit[6] einen vaterländischen Codex der Gesetze, eine eigenthümliche Verfassung und Nationalgeschichte ihnen ganz unmöglich machte..
[20]
W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 149
: Um gewiß zu seyn, daß wir unserem Dichter[1] [sc. J. W. Goethe] nicht etwas Fremdes unterschieben, seine rein antike[3] Dichtung nicht bloß mit modernem[1] Sinne[5] betrachten, wollen wir, zur Bestätigung unsrer Behauptung, noch ein Paar einzelne Stellen aus dem Ganzen herausheben..
[21]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (
21813), 147
: Zwei romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Gattungen ohne Christentum, einander in Ausbildung wie in Klima[[[[BedeutungsVerweis ID='409' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] fremd, sind die indische und die der Edda. Die altnordische, mehr ans Erhabne gränzende fand im Schattenreiche ihrer klimatischen verfinsterten Schauernatur, in ihren Nächten und auf ihren Gebirgen zum Gespensterorkus eine gränzenlose Geisterwelt, worin die enge Sinnenwelt zerfloß und versank; dahin gehört Os〈148〉sian [...] mit seinen Abend- und Nachtstücken, in welchen die himmlischen Nebelsterne der Vergangenheit über dem dicken Nachtnebel der Gegenwart stehen und blinken; und nur in der Vergangenheit findet er Zukunft und Ewigkeit. | Alles ist in seinem Gedichte Musik[[[[BedeutungsVerweis ID='619' Anzeige='5' Formatierung='1']]]], aber entfernte und dadurch verdoppelte und ins Unendliche verschwommene, gleichsam ein Echo, das nicht durch rauh-treues Wiedergeben der Töne[[[[BedeutungsVerweis ID='578' Anzeige='1' Formatierung='1']]]], sondern durch abschwächendes Mildern derselben entzückt. | Die indische Romantik[[[[BedeutungsVerweis ID='651' Anzeige='7' Formatierung='1']]]] bewegt sich in einer allbelebenden Religion[[[[BedeutungsVerweis ID='393' Anzeige='1' Formatierung='1']]]], welche von der Sinnenwelt durch Vergeistigung die Schranken wegbrach; diese wurde so groß wie die 〈149〉 Geisterwelt, aber nicht voll Polter-, sondern voll Schmeichelgeister, und Erde und Himmel sanken, wie auf einem Meere, einander zu..
[22]
Rottmanner, Krit. Jacobi (1808), XI f. (XII)
: Der Verfaßer bittet [...] den geneigten Leser, daß er mit Unbefangenheit diese Schrift, die nichts anderes zur Absicht hat, als das freymüthige Ur〈XII〉theil ihres Verfassers über einen gelehrten Gegenstand dem unparteyischen Publicum[3] vorzulegen, in die Hand nehme und durchaus keinen äußeren, der Wissenschaft[1] fremden Zweck ihr unterlege..
[23]
Schelling, Würzb. Syst. (
!1804), SW I, 6, 378
: Hier nur Eine Bemerkung über die gewöhnlichen Ansichten des Organismus[1]. Die herrschende ist die, kraft welcher derselbe als ein zweckmäßiges Ganzes gedacht wird. Aber was ist denn Zweckmäßigkeit? Es gibt innere und äußere Zweckmäßigkeit. Jene ist, wenn in jedem Theil eines Ganzen der Begriff[1] des Ganzen liegt, diese, wenn in dem Begriff[1] eines Dings zugleich der Begriff[1] anderer Dinge enthalten ist. Aber diese Zweckmäßigkeit hat eine Maschine auch. Denn in jeder Maschine ist der Begriff[1] des Theils durch den Begriff[1] des Ganzen bestimmt, sowie überhaupt in jedem Werkzeug als solchem eigentlich der Begriff[1] eines andern liegt als es selbst. Worin liegt also der Unterschied des Organismus[1] von dieser Art der Zweckmäßigkeit? Darin, daß in dieser der Begriff[1] des Ganzen dem Theil nur durch einen ihm fremden Zusammenhang verbunden ist, der Zusammenhang also nicht in dem Theil selbst, sondern außer ihm liegt, anstatt daß im Organismus[1] der Begriff[1] des Ganzen zugleich der Begriff[1] des Theils selbst, und in diesen übergegangen, mit ihm völlig identisch ist. Wie dann der einzelne Theil vom Begriff[1] des Ganzen beseelt ist, so ist im Ganzen selbst wieder der Begriff[1] anderer Dinge außer ihm enthalten, aber so daß dieser Begriff[1] dem Objekt, dem Seyn, welchem er verbunden ist, nicht fremd, sondern ganz in es übergegangen sey. In den organischen[3] Naturprodukten ist also allerdings eine Zweckmäßigkeit, aber eine ganz blinde, nothwendige 〈379〉 Zweckmäßigkeit, in der keine Zufälligkeit ist wie in der eines Werkzeugs, sondern die aus dem Gegenstand selbst kommt und im Gegenstand einwohnend ist..
[24]
Schiller, Send. Moses (1790), NA 17, 380
: Woher sollte aber nun den Ebräern dieser Retter kommen? Schwerlich aus der Mitte der Egypter selbst, denn wie sollte sich einer von diesen für eine Nation[1] verwenden, die ihm fremd war, deren Sprache[3] er nicht einmal verstand, und sich gewiß nicht die Mühe nahm zu erlernen, die ihm eines bessern Schicksals eben so unfähig als unwürdig scheinen mußte. Aus ihrer eignen Mitte aber noch viel weniger, denn was hat die Unmenschlichkeit der Egypter im Verlauf einiger Jahrhunderte aus dem Volk[1] der Ebräer endlich gemacht? Das roheste, das bößartigste, das verworfenste Volk[1] der Erde, durch eine 300jährige Vernachlässigung verwildert, durch einen so langen knechtischen Druck verzagt gemacht und erbittert, durch eine erblich auf ihm haftende Infamie vor sich selbst erniedrigt, entnervt und gelähmt zu allen heroischen Entschlüßen; durch eine solange anhaltende Dummheit endlich fast bis zum Thier[10] herunter gestoßen. Wie sollte aus einer so verwahrloßten Menschenrasse ein freier Mann, ein erleuchteter 〈381〉 Kopf, ein Held oder ein Staatsmann hervorgehen?.
[25]
Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 436
: Auch jetzt ist die Natur[19] noch die einzige Flamme, an der sich der Dichtergeist nähret, aus ihr allein schöpft er seine ganze Macht, zu ihr allein spricht er auch in dem künstlichen, in der Kultur[4] begriffenen Menschen. Jede andere Art zu wirken, ist dem poetischen[4] Geiste[12] fremd; daher, beiläufig zu sagen, alle sogenannten Werke des Witzes[2] ganz mit Unrecht poetisch[4] heißen, ob wir sie gleich lange Zeit[6], durch das Ansehen der französischen Litteratur verleitet, damit vermenget haben. Die Natur[19], sage ich, ist es auch noch jetzt, in dem künstlichen Zustande der Kultur[4], wodurch der Dichtergeist mächtig ist, nur steht er jetzt in einem ganz andern Verhältniß zu derselben..
[26]
Schiller, Ästh. Erzieh. (1795), NA 20, 321
: Die Griechen beschämen uns nicht bloß durch eine Simplicität, die unserm Zeitalter fremd ist; sie sind zugleich unsre Nebenbuhler, ja oft unsre Muster in den nehmlichen Vorzügen, mit denen wir uns über die Naturwidrigkeit unsrer Sitten zu trösten pflegen. Zugleich voll Form und voll Fülle, zugleich philosophirend und bildend, zugleich zart und energisch sehen wir sie die Jugend der Phantasie[1] mit der Männlichkeit der Vernunft[1] in einer herrlichen Menschheit[3] vereinigen. | Damals bey jenem schönen[1] Erwachen der Geisteskräfte hatten die Sinne[3] und der Geist[22] noch kein strenge geschiedenes Eigenthum; denn noch hatte kein Zwiespalt sie gereizt, mit einander feindselig abzutheilen, und ihre Markung zu bestimmen. Die Poesie[1] hatte noch nicht mit dem Witze[2] gebuhlt, und die Spekulation sich noch nicht durch Spitzfindigkeit geschändet. .
[27]
A. W. Schlegel, Gemählde (1799), 118 f. (119)
: Daß die Sache [sc. die Aussetzung Mosis] in Egypten vorgeht, ist also hinlänglich außer Zweifel gesetzt: aber bey allem dem kann man der gerühmten Gelehrsamkeit Poussins im 〈119〉 Kostum hier nichts weiter zugestehen, als daß er es beynahe so gut wie Paul Veronese, beobachtet hat. Bey diesem ist alles modern[1], aber alles aus Einem Stücke; bey jenem ist alles antiquarisch, allein es paßt nicht zu einander. Mutter und Tochter sind der Kleidung nach ziemlich Griechisch[4], der Knecht ist ganz Griechisch[4], der Flußgott ist wahrlich weder Egyptisch noch Hebräisch, sondern Griechisch[4], und bey einer Geschichte[10], wo Jehovah's unmittelbare Vorsehung eintritt, noch obendrein erzheidnisch. Das Füllhorn ist auch Griechisch[4]. Eigentlich ist es doch ein Glück, daß der Mahler auf halbem Wege stehen blieb, und zufrieden war, wenn eine alte[1] Geschichte[10] antik[2] aussah. Ein andrer, der das Studium des Kostums (auf welches die Französischen Kunstrichter, die darin mit Poussin sympathisiren, eine so lächerliche Wichtigkeit legen) noch strenger verfolgte, könnte der Tochter Pharao's die Physiognomie einer Mumie geben. Soll aber einmal etwas fremdes sich eindrängen dürfen, so ist es wohl eben so erlaubt, eine biblische Geschichte[10] im Venetianischen Dialekt[3] zu erzählen, als die ganze Welt durch eine griechische[4] Brille zu sehen. Das Einheimische und Neue[5] ist uns näher, lebendiger, lustiger; Paul mahlte frisch, was er sah und erlebte, Poussin schöpfte mühsam aus alten[10] Denkmälern und Büchern. Jener hätte vielleicht seine fantastische[2] Jovialität eingebüßt, wenn er die Kunst[4] so ernst hätte treiben wollen; dieser konnte sich schwerlich über seine klassische[8] Kälte erheben, wenn er sich auch geselliger ins Leben hineinwagte [...]. ⦿ ➢ Volltext.
[28]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 71
: Die Ironie[3] bezieht sich [...] beym Shakspeare nicht bloß auf die einzelnen Charakter[7], sondern häufig auf das Ganze der Handlung[3]. Die meisten Dichter[1], welche menschliche Begebenheiten erzählend oder dramatisch schildern, nehmen Partey, und verlangen von den Lesern blinden Glauben für ihre Bemühungen zu erheben oder herabzusetzen. Je eifriger diese Rhetorik ist, desto leichter verfehlt sie ihren Zweck. Auf jeden Fall werden wir gewahr, daß wir die Sache nicht unmittelbar, sondern durch das Medium einer fremden Denkart erblicken. Wenn hingegen der Dichter[1] zuweilen durch eine geschickte Wendung die weniger glänzende Kehrseite der Münze 〈72〉 nach vorne dreht, so setzt er sich mit dem auserlesenen Kreis der Einsichtsvollen unter seinen Lesern oder Zuschauern in ein verstohlnes Einverständniß; er zeigt ihnen, daß er ihre Einwendungen vorhergesehen und im voraus zugegeben habe; daß er nicht selbst in dem dargestellten Gegenstande befangen sey, sondern frey[5] über ihm schwebe[8], und daß er den schönen[2], unwiderstehlich anziehenden Schein, den er selbst hervorgezaubert, wenn er anders wollte, unerbittlich vernichten könnte. ➢ Volltext.
[29]
F. Schlegel, Gedanken (*1808–09), KFSA 19, 268, Nr. 35
: Daß man im Deutschen jetzt die fremden[1/5] Worte[1] mit der fremden[1/5] Orthographie schreibt – hat einen tiefen Grund – es deutet an, daß von dieser Seite die deutsche Sprache[3] jetzt geschlossen sei, daß sie keine fremdartigen Worte[1] mehr sich lebendig einverleiben kann. – Ihre Bildsamkeit geht jetzt in sich selbst, und auf das Alterthum[2] zurück – wo sie fast noch unbegränzt ist. Daher sollte man auch die ursprüngl[ich] bloß römischen Buchstaben[1] qu und v aus Deutschen Worten[1] ausmerzen. y desgl[eichen.].