[1]
Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 473
: Wie in die epische Poesie[1] kommt [...] auch in die Lyrik ein ursprünglicher Gehalt und Geist[12] erst durch das Auftreten neuer[1] Nationen[1] hinein. Dieß ist bei den germanischen, romanischen[2] und slawischen Völkerschaften der Fall, welche bereits in ihrer heidnischen Vorzeit, hauptsächlich aber nach ihrer Bekehrung zum Christenthume, sowohl im Mittelalter als auch in den letzten Jahrhunderten, eine dritte Hauptrichtung der Lyrik im allgemeinen Charakter der romantischen[9] Kunstform immer mannigfacher und reichhaltiger ausbilden. ➢ Volltext
[2]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VI (1836), 4
: Der Charakter der höhern Kochkunst trägt in Italien, so wie der der Moden, den Stempel der franz. Abkunft. Allerdings ist das Eigenthümliche nicht verloren gegangen und es haben sich die klassischen[3] Gerichte des Volkes[5], so wie das vaterländische Obst auf den Tischen der Reichen mit erhalten, aber die Polenta und das Hartbrod ist von Ragouts fins und pane francese verdrängt worden.
[3]
Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), 156
: Unter dem Namen Venus Victrix gehen heut zu Tage verschiedne Antiken[3], die diesen Charakter allem Ansehen nach blos dem neuern[3] Künstler[2] zu danken haben, der sie ergänzt hat: er gab ihr einen Apfel in die Hand, die er ansetzte, so war es eine siegreiche Venus. Oft ist doch dieser Apfel sehr ungeschickt angebracht. Das berühmteste Stück dieser Art stehet zu Florenz neben der Mediceischen; [...] sie ist über Lebensgröße. [...] Das Gewand hängt hinterwärts herunter und ist über beyde Arme geschlagen; die rechte Hand hält den Apfel, die linke bedeckt die Natur[14]. ➢ Volltext
[4]
Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 27 f. (28)
: Das Clima kann [...] nur als eine entfernte und mittelbare Ursache der die Menschenracen bezeichnenden Hautfarben gelten. [...] [D]enn keine Materie kann Veränderungen in einer andern hervorbringen, wenn dieser die Fähigkeit, durch die Eindrücke jener modificirt [...] zu werden, nicht zukommt. Und daher muß man auch bei denjenigen physischen Abweichungen, welche Kant Schläge nennt, und die durch die Beschaffenheit der Nahrungsstoffe, durch das Feuchte oder Trockene des Bodens und der Luft entwickelt werden, auf innere Ursachen zurück schließen; denn auch die Entstehung dieser Merkmahle kann durch die bloßen äußern Einwirkungen, und ohne gewisse Anlagen in dem Wesen selbst anzunehmen nicht begriffen werden. Gründet sich übrigens das Verschiedene in den Farben 〈28〉 der Haut auf besondere Veranstaltungen einer bildenden Kraft, so darf das Beharrliche, durch das sich jene classischen Charaktere bei Verpflanzungen auszeichnen, weniger befremden: denn hat die bildende Kraft unter der Einwirkung mittelbarer Ursachen gewisse Theile entwickelt, und haben sich diese Theile schon mehrere Generationen hindurch perpetuirt; so werden sie, wenn die Einflüsse der Außenwelt auch nicht mehr dieselben sind, doch unverändert fort bestehen müssen, weil vielleicht das sie hervorbringende Princip von den einmahl angenommenen Richtungen nicht wieder abgelenkt werden kann..
[5]
Goethe, Sammler (1799), WA I, 47, 202 f. (203)
: Die bildende Kunst[18] soll, durch den äußern Sinn[4], zum Geiste[19] nicht nur sprechen, sie soll den äußern Sinn[4] selbst befriedigen. Der Geist[19] 〈203〉 mag sich alsdann hinzugesellen und seinen Beifall nicht versagen. Der Skizzist spricht aber unmittelbar zum Geiste[19], besticht und entzückt dadurch jeden Unerfahrnen. Ein glücklicher Einfall, halbwege deutlich, und nur gleichsam symbolisch dargestellt, eilt durch das Auge durch, regt den Geist[19], den Witz[2], die Einbildungskraft auf, und der überraschte Liebhaber sieht was nicht da steht. Hier ist nicht mehr von Zeichnung, von Proportion, von Formen, Charakter, Ausdruck, Zusammenstellung, Übereinstimmung, Ausführung die Rede, sondern ein Schein von allem tritt an die Stelle. Der Geist[19] spricht zum Geiste[19], und das Mittel wodurch es geschehen sollte, wird zu nichte..
[6]
Goethe, Not. u. Abhdlg. (1829), WA I, 7, 76
: Der höchste Charakter orientalischer Dichtkunst ist, was wir Deutsche Geist[20] nennen, das Vorwaltende des oberen Leitenden; hier sind alle übrigen Eigenschaften vereinigt, ohne daß irgend eine, das eigenthümliche Recht behauptend, hervorträte. Der Geist[20] gehört vorzüglich dem Alter, oder einer alternden Weltepoche. Übersicht des Weltwesens, Ironie[3], freien Gebrauch der Talente finden wir in allen Dichtern des Orients. Resultat und Prämisse wird uns zugleich geboten, deßhalb sehen wir auch, wie großer Werth auf ein Wort[2] aus dem Stegreife gelegt wird. Jene Dichter haben alle Gegenstände gegenwärtig und beziehen die entferntesten Dinge leicht auf einander, daher nähern sie sich auch dem was wir Witz[2] nennen; doch steht der Witz[2] nicht so hoch, denn dieser ist selbstsüchtig, selbstgefällig, wovon der Geist[20] ganz frei bleibt, deßhalb er auch überall genialisch genannt werden kann und muß..
[7]
Herder, Plastik (1778), 54 f. (55)
: Im Gemählde ist keine einzelne Person Alles: sind sie nun alle gleich schön[1], so ist keine mehr schön[1]. Es wird ein mattes Einerley langschenklichter, geradnäsiger, sogenannter Griechischen[4/6] Figuren, 〈55〉 die alle dastehn und paradiren, an der Handlung[3] so wenig Antheil nehmen als möglich, und uns in wenigen Tagen und Stunden so leer sind, daß man in Jahren keine Larven der Art sehen mag. [...] Und nun, wenn diese Lüge von Schönheit[1] sogleich der ganzen Vorstellung, der Geschichte[10], dem Charakter[4] der Handlung[3] Hohn spricht, und diese jene offenbar als Lüge zeihet? Da wird ein Mißton, ein Unleidliches vom Ganzen im Gemählde, das zwar der Antikennarr nicht gewahr wird, aber der Freund der Antike[4] um so weher fühlet. Und endlich wird uns ja ganz unsre Zeit[4], die fruchtbarsten Sujets der Geschichte[3], die lebendigsten Charaktere[5], alles Gefühl von einzelner Wahrheit und Bestimmtheit hinwegantikisiret..
[8]
Hirschfeld, Gartenkunst I (1779), 214
: Das Romantische[3/4] oder Bezaubernde in der Landschaft entspringt aus dem Außerordentlichen und Seltsamen der Formen, der Gegenstellungen und der Verbindungen. Man findet es am meisten in gebirgigen und felsigen Gegenden, in versperrten Wildnissen, wohin die geschäftige Hand des Menschen noch nicht gedrungen ist. Zur Bildung[3] dieses Charakters tragen Felsen, [...] nicht weniger Wasserfälle, vorzüglich bey. Aber außer dem, was hier die Form bewirkt, wird auch durch starke und auffallende Entgegenstellungen und kühne überraschende Zusammensetzungen das Romantische[3/4] erzeugt. Die Aussichten sind, weil die Einbildungskraft[1] sich mit nahen Gegenständen beschäftigen soll, hier mehrentheils verschlossen; sie breiten sich selten vorwärts aus, sondern erheben sich öfter aus der Tiefe in die Höhe, oder senken sich von der Höhe in die Tiefe herab. Wo die rauhe finstre Wildniß sich mit einem kleinen stillen Thale voll glänzender Blumen paart, wo ein Waldstrom am Felsen durch blühende Gesträuche herabschäumt, und das blinkende Wasser zwischen den grünen Blättern umherirrt, wo kahle weiße Felsspitzen mitten über die Oberfläche einer schönen Waldung hervorragen – da ist ein Anfang von diesem Charakter. | Die Natur[2] scheint ihn in einer glücklichen Laune mehr hinzuwerfen, als sorgfältig auszubilden; es sind kühne, seltsame, abspringende Nebenzüge, die sich ihre Hand in der Malerey[6] der Landschaft entwischen läßt. Die Wirkungen des Romantischen[3/4] sind Verwunderung, Ueberraschung, angenehmes Staunen und Versinken in sich selbst. ⦿ ➢ Volltext.
[9]
Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 90
: An dem Charakter des Romantischen[3/4] [...] kann die Kunst[1] wenig Antheil nehmen; er ist fast ganz ein Werk der Natur[2]. Sie bildet ihn nicht blos durch gebirgigte Gegenden, Felsen, Höhlen, Wasserfälle, Katarakte, und durch seltsame Lagen und Gestalten dieser Gegenden, sondern auch durch ungewöhnliche Verbindungen und Gegenstellungen, durch eine ausschweifende Regellosigkeit der Anordnung und durch überraschende Kühnheiten der Kontraste. Wo romantische[3/4] Gärten erscheinen sollen, da muß die Natur[2] die Anlage ganz vorbereitet haben; alle Nachahmungen der Kunst[1] würden sich hier nur in lächerliche Spielwerke endigen. Allein die Natur[2] zeigt auch in der Bildung[3] dieses Charakters so viel Mannigfaltigkeit, daß sich eine 〈91〉 Reihe von romantischen[3/4] Anlagen und Gärten denken läßt, die sich alle neben einander durch starke ausgezeichnete Pinselstriche unterscheiden. Nur darf der Gartenkünstler hier, wo fast alles auf die Laune der Natur[2] ankommt, am wenigsten verlangen, daß sie gerade in seiner Gegend alle Züge des Romantischen[3/4] vereinige, die sie hin und wieder in ihren Gemälden erscheinen läßt. | Wie viel Abwechselung von Zügen in diesen Gemälden des Romantischen[3/4]! Bald ist es ein Klump waldigter Inseln, die in gespitzten Höhen vom Rande des Wassers sich erheben, wo die Zweige der Bäume in den See tauchen; so steigen in dem See Earne in Irland unzählige Hügel mit dunklen Wäldern aus der Wasserfläche kühn empor, und bilden gleichsam eine große krumme Straße, auf welcher die Fahrzeuge durchsegeln. Bald ist es eine Reihe von Bergen, mit Fichten bewachsen, über deren grüne Spitzen sich der kahle mit beständigem Schnee bedeckte Gipfel erhebt, wie in so vielen Gegenden der Schweitz. ➢ Volltext.
[10]
Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 112
: Die Gebäude in romantischen[3/2/4] Gegenden oder Gärten heischen die meiste Ueberlegung und Vorsichtigkeit. Ein feines Lusthaus, ein zierlicher Tempel sind für diesen Charakter gar nicht anpassend, so gewöhnlich man sie auch sieht. ➢ Volltext.
[11]
Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 113
: Einige Ueberbleibsel der maurischen Baukunst in Spanien zeigen, daß sie dem Charakter des Romantischen[3/4] besonders angemessen scheint. Unerwartete Springwasser, [...] die sich für Gebäude dieser Art ungemein schicken, würden hier von einer überaus glücklichen Wirkung seyn, wenn diese nicht schon durch die allgemeine Nachahmung der alten[6] Manier zu sehr geschwächt wäre. Alle übrige Werke der Architectur, die in romantischen[3/4] Gegenden erscheinen, müssen kühn und sonderbar seyn, wie z. B. eine schwebende[2] Brücke, die auf beyden Ufern an Bäumen befestigt ist. ➢ Volltext.
[12]
A. v. Humboldt, Cordill. II [TrN. N.] (1810), 95
: Bei jeder Veränderung von Breite und Clima[2] verändert sich auch die Ansicht der organischen[3] Natur[2], die Form der Thiere[1] und der Pflanzen[1], welche jeder Zone einen besondern Karakter aufdrücken, und, mit Ausnahme einiger Wasser- und kryptogamischen Gewächse, ist der Boden in jeder Region mit verschiedenen Pflanzen[1] bedekt..
[13]
Klein, Rheinreise (1828), 248
: Unterhalb Andernach verengt sich das Rheinthal, doch nimmt die Gegend keinen so ernst schwermüthigen Charakter an, als bei Bingen. Heftige Vulkan〈249〉erschütterung scheint hier entscheidender gewirkt zu haben, die Trennung der Felslager gewaltiger und vollständiger gewesen zu seyn. Der Strom fand nicht solchen Widerstand zu bekämpfen, als bei Ehrenfels, weder zur Seite noch im Bette. Daher auch keine seltsame Steingestaltung, keine phantastischen[2] Bergzacken wie am Mäusethurm die Aufmerksamkeit auf sich ziehen..
[14]
Novalis, Begeist. (*
?1790), NS 2, 22 f. (23)
: Wie sich allmählich die Sprache[1] auszubilden anfing und nicht mehr bloß in Naturtönen stammelte, sondern mit vollem Strome 〈23〉 der Jugendfülle des menschlichen Geschlechts[7] dahinbrauste und jeder Ton[1], jede Stimme[3] derselben fast Empfindung und durch abstrakte Begriffe[1] und Erfahrung noch nicht ausgebildet und verfeinert war, da entstand zuerst die Dichtkunst, die Tochter des edelsten Ungestüms der erhabensten und stärksten Empfindungen der Leidenschaften, die sich zwar nachher wie ein Chamäleon nach den Organisationen[6] der verschiedenen Erdstriche, Zeiten[3] und Charaktere umgebildet, aber in ihrer Urbedeutung, zu ihrer größten Stärke, Zauberei und Wirkung auf die Gemüter, ihrer Mutter, der hohen Begeisterung[1], noch immer nötig hat..
[15]
Novalis, Blüthenstaub (1798), 79, Nr. 29
: Humor[2] ist eine willkührlich angenommene Manier. Das Willkührliche ist das Pikante daran: Humor[2] ist Resultat einer freyen Vermischung des Bedingten und Unbedingten. Durch Humor[2] wird das eigenthümlich Bedingte allgemein interessant[1], und erhält objektiven Werth. Wo Fantasie[4] und Urtheilskraft sich berühren, entsteht Witz[1]; wo sich Vernunft und Willkühr paaren, Humor[2]. Persifflage gehört zum Humor[2], ist aber um einen Grad geringer: es ist nicht mehr rein artistisch, und viel beschränkter. Was Fr. Schlegel als Ironie[3] karakterisirt, ist meinem Bedünken nach nichts anders als die Folge, der Karakter der Besonnenheit, der wahrhaften Gegenwart [›aktuellen Wirksamkeit‹] des Geistes[22]. Schlegels Ironie[3] scheint mir ächter Humor[2] zu seyn. Mehre Nahmen sind einer Idee vortheilhaft. ➢ Volltext.
[16]
Pückler-Muskau, Andeut. Landsch. (1834), 45
: Wo wirklich alte[11] (nicht bloss im alten[13] Styl neu[9] aufgebaute) Schlösser, als langer Familienbesitz vorhanden sind, bin ich der Meinung, dass man sie nur wohnlicher, ansehnlicher mache, aber sonst in dem alten[11] Charakter möglichst erhalte, wenn auch ein weit schönerer[1] an sich denkbar wäre..
[17]
Schelling, Notizenbl. III (1802), 70
: Es wäre eine Kritik[1] über die Kritik[1] erfoderlich gewesen, um die Frage zu beantworten: welche Elemente der Kantischen Philosophie eignen sich dazu aus der besondern und nationalen Kultur[4] der Deutschen in die allgemeine aufgenommen zu werden, und die französische Nation[1], deren Kultur[4] die der andern mehr oder weniger gebieterisch bestimmt und bis jetzt am meisten den Charakter der Allgemeinheit sich zu geben gewußt hat, konnte hier zum bestimmtesten Maasstab dienen. ➢ Volltext.
[18]
F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 60
: Durch die nasalen Töne[1] könnte man im Portugiesischen [...] eine Aehnlichkeit mit dem Französischen, wenigstens dem südlichen finden. Doch bekommt das freilich in jener Sprache[3], die von allen romantischen[15] unstreitig die weicheste und süßeste ist, einen ganz anderen Charakter. ➢ Volltext.
[19]
F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 214
: Daher finden wir diesen sogenannten orientalischen[2] Charakter eben so wohl in vielen Dichtern des Mittelalters (auch in italiänischen und deutschen, nicht bloß in spanischen) als in den romantischen[1/4] Dichtungen der Perser und Araber, ohne daß wir desfalls zu dem Einfluß der Kreuzzüge unsre Zuflucht zu nehmen brauchten, da die gleichen Umstände in Europa wie in Asien dieselben Folgen hervorrufen mußten. Wie paßt nun aber diese Farbengluth zu der prosaischen[3] Trockenheit der Chinesischen Bücher, oder zu der schönen[1] Einfalt des indischen Styls? Zwar in der Sokuntola des Kalidas fehlt es auch nicht an Blumenschmuck und Bilderfülle; doch auch hier ohne alle Ueberspannung. ➢ Volltext.