Wortliste
Adel
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Struktur
Semantik
Belege
[1]
Heine, Romant. Schule (1836), 22 f. (23): Bei den Völkern[1] wo die Poesie[22] ebenfalls das Unendliche darstellen wollte, und ungeheure Aus〈23〉geburthen der Phantasie zum Vorschein kamen, z. B. bey den Skandinaviern und Indiern, finden wir Gedichte, die wir ebenfalls für romantisch[8] halten und auch romantisch[8] zu nennen pflegen. ➢ Volltext
[2] Ritter, Fragm. II (1810), 119, Nr. 504: Bey der Zeugung – Kraft der Phantasie. Nichts als bloßes Gebilde des andern. Magie, wegen Wirkung der Chiffer, der Form, des Buchstabens[8] (des organischen[3]). Denn beyde geben, keines eigentlich empfängt. Die Gestalt des Mannes muß ideell wirken, denn sie ruft dem Weibe die Materie hervor, die Gestalt der Frau[1] materiell, denn sie ruft den Geist[12], die Idee, hervor.
[3] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 377: Die Götterbilder der griechischen[2] Sculptur stehen für alle Zeit als vollendete Typen da. Das erhabne[3] Geschäft, die menschliche Gestalt bis da hinauf zu läutern, hat die Fantasie einmal vorgenommen; sie könnte es, auch bey gleicher Begeisterung, höchstens nur wiederhohlen. Im persönlichen individuellen Bildniß aber ist der moderne[1] Bildhauer Nebenbuhler des antiken2; dieß ist keine rein künstlerische Schöpfung; die Beobachtung muß hier eintreten, und jeder ist, bey aller Wissenschaft, Gründlichkeit und Anmuth 〈378〉 in der Ausführung, an das gebunden, was er eben wirklich vor Augen hat. ➢ Volltext
[4] Ahlefeld, Marie Müller (21814 [11799]), 70: Sie malte sich mit allem Zauber ihrer lebhaften
[5] Bauernfeld, Bürgerl. u. Romant. (1839), AW 1, 332: Die Tugend und Sittsamkeit selbst sind vor bösen Zungen nicht sicher, wenn sie ohne Paß und männliche Begleitung reisen. Minna von Barnhelm und Sophie im Tom Jones, die tugendhaftesten Mädchen, die ich kenne, und die herrlichsten Geschöpfe einer dichterischen Phantasie, würden in der Wirklichkeit eine ziemlich zweideutige Rolle spielen, denn unsere Zeit[5] und unsere Gesellschaft entbehrt leider aller Poesie[20] und aller Romantik[7]..
[6] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 396: Die Verknüpfung zweier Sprachsphären, welche gleichtönen, wobei aber eine bestimmte Betrachtung der Bedeutung beider vorkommt, heißt ein Wortspiel, und dieses ist die Fundamentalfigur aller übrigen musikalisch[3]-poetischen[4] Sprachfiguren. Das Wortspiel ist der Witz[4] der Sprache[1], und an seiner Vortrefflichkeit kann nur der zweifeln, der überhaupt damit unbekannt ist, was der Witz[4] sei und bedeute, und vielleicht den ärmlichen Begriff[1] mit sich herumträgt: daß er nur ein Zeitvertreib, und die untergeordnete, unbedeutendere, heitere[5] Wahrheit sei. Allein weit entfernt diese geringe Gattung des Witzes[4] für sein Wesen zu halten; muß man vielmehr die Sache gradezu umkehren, und das Wesen der Wahrheit darin setzen, daß sie Witz[4] sey. Denn alle Wissenschaft ist Witz[4] des Verstandes, alle Kunst[2], Witz[4] der Phantasie, und jeder einzelne witzige Einfall wird nur dadurch zu einem solchen, daß er an den 〈397〉 Witz[4] der Wahrheit überhaupt erinnert. Damit man aber diese Stelle über den Witz[4], nicht etwa für witzelnd, sondern weil sie Wahrheit enthält, auch für witzig halte: so überlege man folgendes. Die Wissenschaft auf ihrem höchsten Standpunkte lehrt eine absolute Einheit eine unbedingte Identität alles mit allem. An diese ewige Consonanz des Weltalls, an diese heterogene Homogeneität, erinnert jede ernste und heitere[5], jede erhabene und burleske Stimmung, der Witz[4] ist der Blitz, welcher eine einzelne Stelle in dem großen Ganzen erleuchtet, und diese Identität im Einzelnen heraustreten läßt, und daher ist ein jeder Witz[4], indem er an das Höchste erinnert, erhaben. Je kleiner freilich die erleuchtete Stelle ist, je flüchtiger und vorübergehender der Eindruck, und der gesellige Witz[4] ist mehrentheils nur ein Wetterleuchten, welches das Dasein einer Region anzeigt, in welcher ein Blitz möglich wäre. Der ächte und große Witz[4] wohnt in der Wissenschaft, in der Kunst[2] und dem Leben; und da nun die Sprache[1] das Organ[1] von allen diesem ist: so sieht man leicht ein, daß durch das Wortspiel, wie es zum Beispiel Shakespear gebraucht, oder Aristophanes, Andeutungen können hervorgebracht, Effekte erregt, Empfindungen angeschlagen werden, die nur durch dieses Medium möglich sind, welche sich wie die Musik, körperlich durch das Ohr[2] in den Geist[19] ergießen. ➢ Volltext.
[7] G. Forster, Leitfad. Gesch. d. Menschh. (1789), 282: Nur solche Völker[1], die in ihrer früheren Periode der Wollust glücklich entgangen, und in den Armen der Freiheit[6] zu männlicher Stärke herangewachsen sind, können und müssen zulezt den höchsten Gipfel der Bildung[5] ersteigen, wo die ganze Energie unseres Wesens sich in den feineren Werkzeugen der Empfindung und des Verstandes[2] am thätigsten erweiset. Nur dreimal, nur in Europa, und jedesmal in anderer Gestalt erblickte die Welt das Schauspiel dieser lezten Ausbildungsstufe. Einzig und unerreichbar erhob Athen zuerst ihr stolzes Haupt, da blühende Fantasie und reiner Schönheitssinn in ihr die Erstlinge der Kunst[2] und Wissenschaft[1] erzeugten. Rom war nicht mehr frei[6], und die Beute der halben Welt hatte daselbst bereits das zügelloseste Sittenverderbniß angezündet, als es die Trümmer attischer Kultur[4] in seinem Schooß aufnahm, und glänzender durch Ueppigkeit als durch hohen Schwung des Genies[2], für seine künftigen Ueberwinder sie aufbewahrte. Schon war der sanfte Frühlingszauber von Duft und Blüte dahin, und die Periode römischer Aufklärung glich einem schwülen Sommertage, den am Abend ein Donnerwetter beschließt. Uns endlich, der Nachkommenschaft eines glücklichorganisirten Barbarenstammes, bei dem hernach das romantische[2/7] Feuer des Rittergeistes so schön[6] aufloderte, uns bleibt der Herbst mit seinen reifen Früchten noch übrig; wir ernten und keltern und füllen unsere 〈283〉 Scheuren, der Himmel weis, für welchen bevorstehenden Winter!.
[8] G. Forster, Vorr. Sakont. (1791), XXVIII: [N]ur als seltene, vereinzelte Gabe findet sich unter uns die künstlerische Unbefangenheit, womit die reine Phantasie sich alle noch so fremde[4] Formen aneignen und das Schöne[2] in jeder 〈XXIX〉 Beziehung auffassen kann, ohne sich selbst der Herrschaft der edelsten Form zu entziehen..
[9] Grosse, Genius II (1792), 1: Kein Laut konnte sich mehr von ihren zusammengepreßten Lippen loßmachen, aber ich sahe es ihnen an, was für ein Vermächtniß sie mir noch zurücklassen wollte. Immer hielt ich es noch für einen täuschenden, grausamen Traum. So romanhaft[1] hatte ich mir Elmiren wiedererworben; unter so erschütternden Ereignissen hatte ich sie mir gerettet; unmöglich konnte daher auch dies etwas anderes seyn, als ein Spiel der Phantasie..
[10] Grosse, Genius II (1792), 42: Unter diesem etwas beklommenen [...] Selbstgespräch erreichte ich an den Gränzen des Thals [...] einen Wald. Ich war es schon so sehr gewohnt, in jedem dunkeln Gebüsch einen Schauplatz seltsamer Abentheuer und Ereignisse zu finden, daß ich mich ruhig darauf vorbereitete. Meine Phantasie hatte eine so unruhige, romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='923' Anzeige='4' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Spannung erhalten, daß sie immer schrecklichen Erscheinungen mit einem bangen Entzücken entgegensah. Jeder Trümmer der Vorzeit hatte für sie etwas Bedenkliches gewonnen, jeder unschuldige Erdfall war dem Eingange in einer schauervollen Gruft ähnlich, und es war zum wenigsten möglich, daß manche seltsame Gestalt eines Baumes tiefe Räthsel und Geheimnisse verschloß..
[11] Grosse, Genius II (1792), 231 f. (232): Wenn er unter uns war, stockte die Unterhaltung nicht einen Augenblick lang, und immer erinnere ich mich noch mit einer Art 〈232〉 von Entzücken seiner Mährchen, die er uns, wenn wir am Kamine traulich zusammensaßen, aus dem Stegereife erfand, und mit der üppigsten Laune zum Besten gab. Seine Phantasie war durch eine Reise nach dem Morgenlande[2], von der er erst vor einigen Jahren zurückgekommen war, dazu recht eigentlich aufgelegt; aber er hatte dadurch auch einen so herrschenden Hang zum Romantischen[4/7] derselben erhalten, daß er gewöhnlich alles ansteckte, was ihn umgab..
[12] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 59: Wie oft hört man sagen, daß eine europäische Schönheit[3] einem Chinesen oder gar einem Hottentotten mißfallen würde, indem dem Chinesen ein ganz anderer Begriff[1] von Schönheit[1] inwohne als dem Neger, und diesem wieder ein anderer als dem Europäer u. s. f. Ja betrachten wir die Kunstwerke[2] jener außer-europäischen Völker[1], ihre Götterbilder z. B., die als verehrungswürdig und erhaben aus ihrer Phantasie entsprungen sind, so können sie uns als die scheußlichsten Götzenbilder vorkommen, und ihre Musik als die abscheulichste in die Ohren[2] klingen, während sie ihrer Seits unsere Skulpturen, Malereien, Musiken für unbedeutend oder häßlich[1] halten werden. ➢ Volltext.
[13] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 87 f. (88): Insofern nun aber die Ironie[3] ist zur Kunstform gemacht worden, blieb sie nicht dabei stehen, nur das eigene Leben und die besondre Individualität des ironischen[3] Subjekts künstlerisch heraus zu gestalten, sondern außer dem Kunstwerk der eigenen 〈88〉 Handlungen[1] u. s. f. sollte der Künstler auch äußere Kunstwerke als Produkte der Phantasie zu Stande bringen. ➢ Volltext.
[14] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 105: In der freieren[11] Entfaltung [...] der italienischen Malerei haben wir [...] einen anderen Charakter[1] der Kunst[4] aufzusuchen. Außer dem religiösen Inhalt des alten[1] und neuen[3] Testaments und der Lebensgeschichten von Märtyrern und Heiligen entnimmt sie ihre Gegenstände größtentheils nur aus der griechischen[2] Mythologie, selten dagegen aus den Ereignissen der Nationalgeschichte, oder [...] aus der Gegenwart und Wirklichkeit des Lebens; gleich selten, spät und vereinzelt erst, aus der landschaftlichen Natur[2]. Was sie aber für die Auffassung und künstlerische Ausarbeitung des religiösen Kreises vornehmlich hinzubringt, ist die lebendige Wirklichkeit des geistigen und leiblichen Daseyns, zu welcher jetzt alle Gestalten sich versinnlichen und beseelen. Für diese Lebendigkeit bildet von Seiten des Geistes[19] jene natürliche[2] Heiterkeit[4], von Seiten des Körpers jene entsprechende Schönheit[1] der sinnlichen Form das Grundprincip, welche für sich, als schöne[1] Form schon, die Unschuld, Frohheit, Jungfräulichkeit, natürliche[2] Grazie des Gemüths, Adel[5], Phantasie und eine liebevolle Seele ankündigt. ➢ Volltext.
[15] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 44: Alle Kräfte unsrer und der Thierseelen sind nichts als Metaphysische Abstraktionen, Würkungen! sie werden abgetheilt, weil sie von unserm schwachen Geiste[22] nicht auf einmal betrachtet werden konnten: sie stehen in Kapiteln, nicht, weil sie so Kapitelweise in der Natur[2] würkten, sondern ein Lehrling sie sich vielleicht so am besten entwickelt. Daß wir gewisse ihrer Verrichtungen unter gewisse Hauptnamen gebracht haben z. E. Witz[2], Scharfsinn, Phantasie, Vernunft, ist nicht, als wenn je eine einzige Handlung des Geistes[19] möglich wäre, wo der Witz[2] oder die Vernunft allein würkt: sondern nur, weil wir in dieser Handlung am meisten von der Abstraktion entdecken, die wir Witz[2] oder Vernunft nennen, z. E. Vergleichung oder Deutlichmachung der Ideen: überall aber würkt die ganze unabge〈45〉theilte Seele. ➢ Volltext.
[16] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. II (1834), 38 f. (39): Beschreibung nennt man die Aufzählung der Merkmale 〈39〉 eines Gegenstandes, um selbigen von anderen unterscheiden zu können. Die Beschreibung kann entweder den Zweck haben, dem Verstande einen deutlichen Begriff[1] von Etwas zu geben, oder aber der Phantasie ein schönes Bild vorzuführen. Im erstern Falle sind Wahrheit, Vollständigkeit, Genauigkeit Bedingung, weil sonst kein deutlicher Begriff[1] entstehen kann; im letztern kommt es darauf an, den todten Buchstaben[9] Leben und Frische einzuhauchen; sie ist die nahe Verwandte der Poesie[11] und leiht sich von ihr die Farben, mit welchen sie ihre Kinder schmückt..
[17] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. II (1834), 164: Branchu, [...] geborne Chevalier, die erste Sängerin, ja für uns die eigentliche Repräsentantin der französischen großen Oper, betrat 1801 die Bühne. Unerschöpflich an Kraft und Ausdauer, ist ihre Stimme[1] auch in alten[2] Tagen noch von seltener Reinheit, jugendlicher Frische, zuweilen fast so melodisch klingend wie deutsche und italienische Stimmen[1]. Fast vollendet in Allem, was den mechanischen Theil des Vortrags betrifft, ist sie wahrhaft bewundernswürdig durch die Freiheit[13], womit sie alle Schwierigkeiten der Partien einer Armida, Dido, Alceste, Julia etc. beherrscht. Uebrigens bleibt sie stets der Declamationsschule der Franzosen treu, welche fast unbekümmert um die Cantilena den Gesang verstandesgemäß zerstückelt, der Phantasie auf Worten[1] und Sylben ihre Stationen anweist. Als Schauspielerin hat sie keine andern Verdienste, als die, welche lange Uebung und mechanischer Fleiß gewähren. Für die eigentlich moderne[7] Oper hat sie keinen Sinn[5] mehr und keine Bedeutung..
[18] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VIII (1837), 470: Vornehmlich [...] war es Shakespeare, dessen Riesengebilde die Phantasie der jugendlichen franz. Dichter[1] entzündete..
[19] Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 112: Die Gebäude in romantischen[3/2/4] Gegenden oder Gärten heischen die meiste Ueberlegung und Vorsichtigkeit. Ein feines Lusthaus, ein zierlicher Tempel sind für diesen Charakter[4] gar nicht anpassend, so gewöhnlich man sie auch sieht. In Revieren mit Felsen und Klüften sind Höhlen oder Grotten [...] sehr zustimmende Werke. Allein man kann ihnen noch einen Anstrich des Wunderbaren mehr geben, indem man sie Zauberern, Hexen, Riesen, Gespenstern, Feen und andern Geschöpfen der Phantasie widmet, abentheuerliche[3] Begebenheiten von ihnen verbreitet und in Inschriften erzählt. Die Sage des Volks[5] geht hier als Beyspiel voran; sie bewahrt noch in so vielen Ländern die Annalen des Aberglaubens. [...] Die Einbildungskraft[1], die schon durch den Eindruck der Gegend empört ist, schweift gern in schwärmerischen Bildern zügellos umher, entflammt sich aus der Erinnerung von hundert Märchen, die einst die Amme oder der Küster erzählte, verjüngt alte[1] Erscheinungen, wandelt und bildet neue[1] Gestalten, und leihet den Scenen einen Schauer, den die Natur[2] und die Vernunft[3] nicht kennen, und den gleichwohl jene zu veranlassen, und diese nicht zu verwerfen scheint. Außer den Inschriften können die Zauberhöhlen mit phantastischen[1] Bildern ausgeziert werden; das Ausschweifende und Abentheuerliche[3], das an jedem andern Orte verwerflich wäre, kann hier wahres Eigenthum werden. ➢ Volltext.
[20] Hülsen, Nat.-Betr. (1800), 53: Nicht der flüchtigste Eindruck kann vorübergehen an dir, ohne daß die Phantasie bleibendes Leben an ihm wecke. Eine längere Uebung erst hat dich gelehrt, die Farbe vom Tone[11] und die Ruhe von der Bewegung zu unterscheiden; und nur allmählig erst wandelten die Gestalten des Auges im Spiele des Lichts, und bildetest du fort der Töne[11] Melodien und ihren gemessenen Einklang. So erweiterte sich dein Blick im freien[1] Triebe des Lebens, und du riefest durch jede fortgehende Betrachtung deine Welt in eine höhere und freiere[10] Anschauung..
[21] A. v. Humboldt, Gasarten (1799), 112 f. (113): Hier ist es genug daran zu erinnern, daß bey der Muskelbewegung Sauerstoff verzehrt (gebunden) wird, daß die Respirations-Organe, von Sauerstoffarmen Luftgemengen [...] umgeben, dem Arteriellen Blute 〈113〉 weniger Sauerstoff zuführen, daß also der thierische Organismus[3] Mangel an diesem ersten und wohlthätigsten aller Reitzmittel leidet, woraus Hemmung der Lebensprocesse, Gefühl der Schwäche und Beängstigung entstehen muß. In diesem asthenischen Zustande des Muskelsystems wird die Nervenkraft doppelt angestrengt, um den erschlaften Körper zu bewegen. Die Folge dieser Anstrengung ist eine vermehrte thierische Wärme, und eine Wassererzeugung (Schweiß) deren erste Ursache die getäuschte Phantasie in eine erhöhte Temperatur der Luftschichten setzt..
[22] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 806: In Woldemar haben sich nicht die denkenden und empfindenden Kräfte, beide für sich gebildet und gepflegt, erst in ihrer Reife vereinigt; sie sind gleichsam von Kindheit an mit einander aufgewachsen, und eigentlich haben die ersteren die letzteren erzogen. Denn die Einheit erstrebende Vernunft[1] – die sich immer leichter mit der Phantasie, von der sie ihren Ideen Symbole leiht, verbindet – ist stärker in ihm, als der zergliedernde Verstand[1]. Daher sein Ringen nach allem Unvermittelten, Reinen, nach dem absoluten Daseyn. Von 〈807〉 diesem allem aber existirt in der Wirklichkeit nichts. Alles ist da vermittelt, gezeugt, vermischt, nur bedingungsweis existirend. So entsteht in Charakteren[6] dieser Gattung Abneigung gegen die empirische Wirklichkeit, und in Rücksicht auf die Empfindungsweise Abneigung gegen die Sinnlichkeit..
[23] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 93: Unser Dichter hat keinen so großen und glänzenden Schauplatz, keine so reiche Anzahl von Nebenfiguren, durch welche die Hauptfiguren von selbst hervortreten, keine Helden und Heldengeschlechter, welche die Phantasie von selbst, und ohne daß es dazu nur eines Winkes bedarf, in die Vergangenheit zurückführen; unbekannt, und von Unbekannten abstammend, müssen die Personen, die er uns zeigt, allein durch sich selbst gelten. Wie hat er es nun angefangen, um ihnen den Adel[5] und die Größe zu geben, ohne welche keine tiefe dichterische Wirkung möglich ist?.
[24] Jean Paul, Vorsch. Ästh. II (1804), 257: Jeder von uns darf ohne Eitelkeit sagen, er sey verständig, vernünftig, er habe Phantasie, Gefühl, Geschmack; aber keiner darf sagen, er habe Witz[1]; so wie man sich Stärke, Gesundheit, Gelenkigkeit des Körpers zuerkennen kann, aber nicht Schönheit. Beides aus denselben Gründen: nämlich Witz[1] und Schönheit sind für sich Vorzüge, schon ohne den Grad; aber Vernunft, Phantasie, so wie körperliche Stärke etc. zeichnen nur einen 〈258〉 Besitzer ungewöhnlicher Grade aus –; zweitens sind Witz[1] und Schönheit gesellige Kräfte und Triumphe (denn was wäre ein witziger Einsiedler oder eine schöne Einsiedlerin?); und Siege des Gefallens kann man nicht selber als sein eigner Eilbote überbringen, ohne unterwegs geschlagen zu werden..
[25] Klein, Rheinreise (1828), 20: Das Gemälde des Rheingau's, welches sich hier mit seiner ganzen Lebendigkeit und in jugendlicher Frische entfaltet, hat einen eigenthümlichen Reiz; Vergangenheit und Gegenwart beschäftigen zugleich Phantasie und Auge. Während auf einer Seite mannichfaltig[1] gefärbte Wolkenmassen über dem Taunus gleichsam zu alten[10] Römerburgen sich gestaltend, tiefer abwärts mit Epheu umrankte Wartthürme zerfallener Schlösser aus deutscher Ritterzeit auf den Vorsprüngen des Gebirges sich wirklich erheben, scheint links Kaiser Karl der Große mit seinen eisengepanzerten Helden über Ingelheims altem[11] Palaste zu schweben[5], und zahlreiche Kreuzfahrer das Ufer zu bedecken. [...] 〈21〉 [...] Friedliche Dörfer, geschäftiges Treiben größerer Flecken, stolze Landhäuser, stille friedliche Hütten, ehrwürdige Kirchtürme, ferne Einsiedeleien wechseln zwischen weinbekränzten Hügeln, Obstgärten, Getreidefeldern. Grüne Thalgründe, wiesenbedeckte Flächen mischen sich mit schroffen Felsen in buntem[2] Gewühle von verschiedenartiger Beleuchtung. Der seichte Fluß, zum weiten See ausgebreitet, dessen silberhelle Wellen um die vielen blühenden Auen in seiner Mitte spielen, scheint absichtlich zu zögern, um den Schiffenden Zeit zu lassen zur Beschauung des herrlichen Ganzen. Der Freund der Idylle, wie jener der Romantik[2], des frohen wie des ernsten Lebens, fühlt sich mächtig ergriffen, jeder stimmt ein in das Lob des reizenden Landes..
[26] Klingemann, Poesie (1800), 57: Die Dichtkunst[1] ist wohl überall am zartesten, und an sich selbst schon näher mit dem Geistigen verwandt; darum muß auch in ihr das eigentlich Poetische[2] den höchsten Ausdruck erreichen: so ist jene südliche[2] Erscheinung des Romantischen[4], für das auch wir jetzt einen lebhafteren Sinn[5] bekommen haben, ein auffallender Beweis einer höhern poetischen[2] Bildung[5]. Das Romantische[4] ist mehr Ahnung als Sprache[11], und es äußert sich in leichten Spielen, und umgaukelt die Phantasie mit lachenden Bildern; es erscheint in der Kunst[10], wie der Abend in der Wirklichkeit; mehr ein leichter rosenfarbener Traum, als bestimmtes Dasein. Am zartesten entfaltet sich die Blüthe des Romantischen[4] in der Novelle; hier sind die Farben am durchsichtigsten, und es ist das bunte[1] Blumenufer, das im stillen Strome sich abbildet..
[27] Krünitz, Oecon. Encycl. XXXI (1784), 117: Was den Character[1] der Italiäner überhaupt betrifft, so ist die Grundlage desselben: die leichte Entzündbarkeit und große Lebhaftigkeit ihrer Einbildungs-Kraft[1]; eine natürliche[4] Folge ihres milden Klima[1] welches nur in einigen Gegenden einen strengen Winter verstattet, in allen aber den herrlichsten Frühling und einen heißen Sommer gewährt. Mit denselben verbindet sich Lebensart, Erziehung, Religion[1], die Phantasie immer wirksamer zu machen; und wenn diese einmahl erweckt ist, so verbreitet sie wieder einen Rückstrahl in eben die Fächer, von denen sie ausgegangen ist, und gibt jenen Sitten und jener Religion[1] ihre ganz individuelle Bildung[10]. Die katholische Religion[1] z. B. beschäftiget überall die Einbildungskraft[1] mehr, als andere kirchliche Systeme und Verfassungen. Ist nun der Katholicismus in Italien seiner Quelle am nächsten, und wird er daselbst am eifrigsten gehäget, so kann er allerdings für eine mitwirkende Ursache der Reitzbarkeit der italiänischen Phantasie angesehen werden..
[28] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXVI (1819), 700: Am aller schädlichsten, und von der Jugend zu entfernen, sind [...] diejenigen Romane, die der Empfindelei huldigen; denn das Heer von Uebeln, welches sie hervorbringen, ist kaum zu berechnen. Sie erzeugen die romanhafte[2] Denkart, die traurige Schwärmerei, die unsern Körper von seiner physischen Seite verfeinern und verzärteln; denn die durch das Lesen solcher Bücher immer rege erhaltene Phantasie[1/3], die für jeden Eindruck offen, sich am liebsten dem Schwärmerischen und Romantischen[7] hingiebt, verliert zuletzt die Kraft energische Gegenstände, die zum Wohl der Menschheit[2] gereichen, zu behandeln, weil an die Stelle der Kraft, die durch Ueberreiz erzeugte kränkliche Empfindelei tritt, und das Gemüth immer weich, wehmüthig und liebesiech erhält..
[29] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXVI (1819), 714 f.: In der Malerei[3] ist ein romantischer[3/4] Styl die Vorstellung einer Gegend mit Ruinen oder mit andern erhabenen, die Phantasie des Beschauers fesselnden, Gegenständen. Der Landschaftsmaler muß daher sein Augenmerk nur auf die sogenannte wilde Natur[2] richten; denn nur diese hat ihre romantische[3/4] Seite. Die Gegenstände, welche den romantischen[3/4] Charakter[1] im höchsten Grade an sich tragen und die der Land〈715〉schaftsmaler mit dem ihm eigenen Zauber auf der Leinwand etc. dazustellen versuchen muß, sind: graue Felsmassen, die sich in der Ferne aus einer üppigen unbeschornen Vegetation zu des Himmels Azur erheben; ein stürmischer See, der seine Wellen mit Ungestüm empor treibt und über dem gewitterschwangere Wolken sich ihres Feuerstoffs entladen; oder ein See, der sich ruhig zwischen grünen Schilfmassen und prächtigen Wiesen dahin schlänget und über den in der Entfernung Städte und Dörfer aus grüner Umgebung ihre Zinnen und Thürme im vergoldeten Morgen- und Abendglanz emporheben. Hierzu geselle sich nun ein Fischer mit seinem Netze am See, oder ein Schäfer mit seiner Heerde und seinem Hunde auf dem grünen Teppich der Wiese; auch eine alte[11] Ritterburg, einsam auf einer Höhe gelegen, wo durch des Fensters Trümmer, im Gegenscheine der untergehenden Sonne, sich des Vollmondes falbes Licht blicken läßt, und über welcher einige Vögel schwärmen etc. Freilich muß aber der Landschaftsmaler eine glühende Phantasie, ein dichterisches Gefühl besitzen, um den Beschauer, durch eine glückliche und harmonische Zusammenstellung des Ganzen, durch eine richtige Perspective, durch ein heiteres[1], frisches, überhaupt dem Gegenstande angemessenes, Kolorit, durch sanfte Verschmelzung der Tinten in einander, zu fesseln und sein Gemüth zu dem Schönen[1] zu erheben..
[30] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 71: Die Fähigkeit zu allen süßen, allen traurigen Empfindungen ruht in der Kindheit noch unentwickelt in dem kleinen Herzen, und es empfindet da bei der einfachsten Veranlassung noch ungetheilt, alles, was es jemals, vertheilt, bei den mannigfaltigsten Eindrücken zu fühlen vermag. Jedes Bild tritt neu[1] und ungetrübt vor die jugendliche Phantasie, und der lebendige Eindruck ergießt sich mit sanfter Gewalt durch alle Saiten des erwachenden Gefühls. Deshalb umfaßt es die kleine Welt, die es umgibt, mit einer Innigkeit, die sich nicht durch Worte[2] ausdrücken kann. Die liebliche Magie der Unerfahrenheit überwebt Ursprung und Ende jeder schönen[1] Empfin〈72〉dung wie mit einer Wolke, daß sie auf einmal in ihrer ganzen Fülle dasteht, unbegreiflich und mächtig wie das Erscheinen einer Gottheit. Dies alles verschwindet, wenn der reifer gewordne Verstand[2], nun heller um sich schaut, und den leisen Gang der Eindrücke die das Saitenspiel des Herzens bewegen, zu verfolgen vermag. – Aber, Julie, giebt es keine Zeit[3] im Leben, wo diese jugendliche Begeisterung[1] in ihrer ganzen Stärke und Einheit, nur noch inniger, schöner[1], heiliger zurückkehrt? und welche Zeit[3] kann dies anders sein, als die, wo wir lieben?.
[31] Ritter, Fragm. II (1810), 88, Nr. 478: Denken wir an jemand, so denken wir ihn an ihm, wir denken ihn, und er selbst ist da. Die Lebenden geben den Todten die Unsterblichkeit; ein übles Andenken muß ihm ein Leben voll Hölle, wie ein gutes ein Leben voll Himmel, geben. Die Lebenden bilden das Todtengericht. Hier die Macht der Phantasie, des Gedankens. Alles an Etwas Denken, ist Denken dieses Etwas selbst. Wir geben Daseyn, eben aber, weil zum großen Theile es dem Gedachten gehört, läßt es uns nur jenen schwachen Grad der Gegenwart desselben zurück, der das Gedachte uns immer noch vom Wirklichen unterscheidet, genau, wie die zweyte Person, die ich sehe, doch für mich noch bey weitem den Grad der Wirklichkeit nicht hat, die ich mir selbst. – Um und um sind wir Lebensspender und -Verbreiter..
[32] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 398: Was die Bildung[10] des Vulcan betrifft, so zeigt uns diese die große Identität zwischen den Bildungen[16/10] der Phantasie und der organisch[4] schaffenden Natur[2]. Wie die Natur[2] durch die vorzügliche Ausbildung eines Organs[2] oder Triebs in einer Gattung von Geschöpfen sich genöthigt sieht, es dagegen in einem andern zu verkürzen, so hat hier die Phantasie das, was sie den mächtigen Armen des Hephästos gab, seinen Füßen entziehen müssen, welche hinkend sind. Aber allgemein gilt in Ansehung der häßlichen[1] Bildungen[10] der griechischen[2] Götterwelt, daß diese sämmtlichen Bildungen[10] in ihrer Art wieder Ideale, nur die umgekehrten Ideale sind, und daß sie dadurch wieder in den Kreis des Schönen[1] aufgenommen werden. ➢ Volltext.
[33] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 670 f. (671): Im Wunderbaren zeigt sich Poesie[20] und Prosa[3] im Kampf; das Wunderbare ist es nur gegenüber von der Prosa[3] und 〈671〉 in einer getheilten Welt. Im Homer ist, wenn man will, alles, aber eben deßwegen nichts wunderbar. Allein Ariosto hat wirklich vortrefflich verstanden, sein Wunderbares vermittelst seiner Leichtigkeit, seiner Ironie[1] und des oft ganz ungeschmückten Vortrags in ein Natürliches zu verwandeln. Er wird auch am schwersten da zu erreichen seyn, wo er ganz trocken erzählt. Im Uebergang aber von solchen Partieen zu andern, über die er den ganzen Schmuck seiner reichen Phantasie ergossen, malen sich die Contraste und Mischungen des Stoffs, welche im romantischen[12/4] Gedicht nothwendig sind [...]. ➢ Volltext.
[34] Schiller, Kasualged. (1782), NA 22, 191: Der Verfasser, ein vortrefflicher Kopf, hat seine eigene komische Laune, die ihn unstrittig zu etwas besserm als Kasualgedichten berechtigte, wenn er billig genug gegen sich selbst wäre. Schade, daß er sein herrliches Dichtertalent an dem unfruchtbaren Stoff der Hochzeiten und Alltagsleichen verschwendet; wir hätten aus seiner Feder einen guten komischen Roman zu erwarten. Sein Witz[4] ist munter und treffend; seine Verse fließen frei und harmonisch; seine lebhafte Phantasie arbeitet auch aus dem kärglichsten Gegenstand Interesse hervor..
[35] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 41 f. (42): Noch ein andrer Umstand mußte das Wachsthum der neuen[1] Religion[1] in diesen Ländern [sc. Niederlande] begünstigen. Italien, 〈42〉 damals der Sitz der größten Geistesverfeinerung, ein Land, wo sonst immer die heftigsten politischen Faktionen gewüthet haben, wo ein brennendes Klima das Blut zu den wildesten Affekten erhitzt, Italien, könnte man einwenden, blieb unter allen europäischen Ländern beinahe am meisten von dieser Neuerung [sc. Reformation] frei. Aber einem romantischen[6] Volk[1], das durch einen warmen und lieblichen Himmel, durch eine üppige, immer junge und immer lachende Natur[2] und die mannichfaltigsten Zaubereien der Kunst[2] in einem ewigen Sinnengenusse erhalten wird, war eine Religion[1] angemessener, deren prächtiger Pomp die Sinne[4] gefangen nimmt, deren geheimnißvolle Räthsel der Phantasie einen unendlichen Raum eröfnen, deren vornehmste Lehren sich durch mahlerische[4] Formen in die Seele einschmeicheln. Einem Volke[1] im Gegentheil, das, durch die Geschäfte des gemeinen bürgerlichen Lebens zu einer undichterischen Wirklichkeit herabgezogen, in deutlichen Begriffen[1] mehr als in Bildern lebt, und auf Unkosten der Einbildungskraft seine Menschenvernunft ausbildet; einem solchen Volk[1] wird sich ein Glaube empfehlen, der die Prüfung weniger fürchtet, der weniger auf Mystik als auf Sittenlehre dringt, weniger angeschaut als begriffen werden kann. Mit kürzeren Worten[2]: Die katholische Religion[1] wird im Ganzen mehr für ein Künstlervolk, die protestantische mehr für ein Kaufmannsvolk taugen..
[36] Schiller, Ästh. Erzieh. (1795), NA 20, 321: Die Griechen beschämen uns nicht bloß durch eine Simplicität, die unserm Zeitalter fremd[5] ist; sie sind zugleich unsre Nebenbuhler, ja oft unsre Muster in den nehmlichen Vorzügen, mit denen wir uns über die Naturwidrigkeit unsrer Sitten zu trösten pflegen. Zugleich voll Form und voll Fülle, zugleich philosophirend und bildend, zugleich zart und energisch sehen wir sie die Jugend der Phantasie mit der Männlichkeit der Vernunft[1] in einer herrlichen Menschheit[3] vereinigen. | Damals bey jenem schönen[1] Erwachen der Geisteskräfte hatten die Sinne[3] und der Geist[22] noch kein strenge geschiedenes Eigenthum; denn noch hatte kein Zwiespalt sie gereizt, mit einander feindselig abzutheilen, und ihre Markung zu bestimmen. Die Poesie[1] hatte noch nicht mit dem Witze[2] gebuhlt, und die Spekulation sich noch nicht durch Spitzfindigkeit geschändet. .
[37] Schiller, Chor. Trag. (1803), VI: Wem die Natur[2] zwar einen treuen Sinn[9] und eine Innigkeit des Gefühls verliehen, aber die schaffende Einbildungskraft versagte, der wird ein treuer Mahler des Wirklichen seyn, er wird die zufällige Erscheinungen aber nie den Geist[12] der Natur[2] ergreifen. Nur den Stoff der Welt wird er uns wiederbringen, aber es wird eben darum nicht unser Werk, nicht das freie Produkt unsers bildenden Geistes[19] seyn, und kann also auch die wohlthätige Wirkung der Kunst[2], welche in der Freiheit[10] besteht, nicht haben. Ernst zwar, doch unerfreulich ist die Stimmung, mit der uns ein solcher Künstler und Dichter entläßt, und wir sehen uns durch die Kunst[2] selbst, die uns befreien sollte, in die gemeine enge Wirklichkeit peinlich zurück versezt. Wem hingegen zwar eine rege Phantasie aber ohne Gemüth und Charakter[3] zu Theil geworden, der wird sich um keine Wahrheit bekümmern; sondern mit dem Weltstoff nur spielen, nur durch phantastische[2] und bizarre Combinationen zu überraschen suchen, und wie sein ganzes Thun nur Schaum und Schein ist, so wird er zwar für den Augenblick unterhalten, aber im Gemüth nichts 〈VII〉 erbauen und begründen. Sein Spiel ist, so wie der Ernst des andern, kein poetisches[1]. Phantastische[2] Gebilde willkührlich aneinander reihen, heißt nicht ins Ideale gehen, und das Wirkliche nachahmend wieder bringen, heißt nicht die Natur[10] darstellen..
[38] A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 167: Meisners Andenken, an dessen Stelle Lafontaine gleichsam trat, ruft nur noch dann und wann ein grauer Apollo zurück. [⦿] Seine steife Eleganz hatte immer etwas todtes an sich. Er war so prüde und kostbar, als Lafontaine lebendig und ungezwungen, und es ist ihm nie wie diesem gelungen, der Liebenswürdige zu heißen. An Verstand übertraf ihn Meisner leicht, aber es war von der dürren Gattung, die den Geist[19] nicht zu fesseln vermag. Lieblingsschriftsteller ist er dennoch gewesen. Mehr kann Lafontaine auch nicht werden; das ist wenig genug, aber immer zu viel für die im Ganzen so herabziehende Tendenz seiner Produkte, denen es an Poesie[14], an Geist[27], ja sogar an romantischem[4] Schwunge fehlt. | Wer also einiges Bedürfniß für alle diese Dinge hat, wird sich gern von jener materiellen Masse, jener breiten Natürlichkeit, zu luftigeren Bildungen[16] der Fantasie wenden, die bald heitern[5] Scherz hingaukeln, bald die Musik zarter Regungen anklingen lassen. Ihm wird alsdann eine ruhige Darstellung sehr erquickend entgegen kommen, die, wenn sie auch noch nicht bis zur Vollendung gediehen ist, doch in der milden Temperatur eines künstlerischen Sinnes geboren wurde. Die theils dramatisirten, theils erzählten Volksmährchen von Tieck unter dem Namen Peter 〈168〉 Leberecht, sind von dieser Art: doch scheinen sie bis jetzt nicht mit der Aufmerksamkeit bewillkommt worden zu seyn, auf die eine so gefällige Erscheinung wohl rechnen dürfte, wenn es nicht gar wenige gäbe, welche in der Dichtung nur die Dichtung suchen. ➢ Volltext.
[39] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 22: Ein starkes Übergewicht der Vokale deutet auf üppige und zerflossene Sinnlichkeit, so wie hingegen der Mangel daran und die Häufung harter Konsonanten auf Gefühllosigkeit, harten Verstand[1] und häßliche[1] Phantasie. Es muß ein harmonisches Verhältnis der Rezeptivität und Spontaneität im Innern des Menschen stattfinden. [...] Häßliche[1] Phantasie faßt häßliche[1] Gegenstände auf und verschönert nichts. .
[40] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 141: Darstellung heißt, eine innere Vorstellung bis zur Anschaulichkeit vor Andere bringen. Diese Vorstellung braucht sich auf kein äußeres Vorbild zu beziehen, im Begriffe[1] der Darstellung liegt die Unabhängigkeit von einer bestimmten Wirklichkeit, wobei die Phantasie selbsttätig wirkt ohne äußeres Vorbild (das Poetische[2] in den Künsten[2]); hingegen bei der Nachahmung findet Abhängigkeit von bestimmter Wirklichkeit statt; das Dargestellte wird immer durch andere Mittel zur Anschaulichkeit gebracht als wodurch es in der Wirklichkeit erscheint; hingegen das Nachgeahmte bedient sich derselben Mittel. Eine zweite Einteilung bezieht sich auf das Nachahmen selbst; man stellt entweder bessere Menschen als sie wirklich sind, oder ebensolche, oder schlechtere. Die Ausdrücke: bessere und schlechtere beziehen sich nicht auf moralische Eigenschaften, sondern auf die gesamte Erscheinung des Menschen, insofern sie edel oder unedel, schön[1] oder häßlich[1] sind. So unterscheidet man die Tragödie von der Komödie dadurch, daß erstere die Menschen ins Schöne[1] idealisiert, und die Komödie ins Häßliche[1] und Lächerliche. .
[41] A. W. Schlegel, Zeichn. (1799), 243: Bey der sonst feurigen und doch einfachen Komposizion vom Schwur der sieben Helden gegen Thebe, hat einmal ein moderner[1] Gebrauch zu fest in der Fantasie des Künstlers[2] gehaftet, als daß er den Irrthum hätte wahrnehmen sollen. Sie stehen nämlich in ihrer Rüstung und mit den Schilden gegen einander, drey an einer, 〈244〉 vier an der andern Seite des geschlachteten Stiers, und halten alle den Daum und die nächsten zwey Finger in die Höhe [❏], welches gewiß nicht die griechische[2] Weise zu schwören war. ➢ Volltext.
[42] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
[43] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 177: Der anerkannt auch nach Einführung der Buchstabenschrift fortgesetzte Gebrauch der Hieroglyphen spricht [...] die große Wahrheit aus: daß der Verstand[1], dessen Beruf die Handhabung irdischer Dinge ist, hiezu die bequemsten Werkzeuge vorzieht: also willkührlich gebildete Begriffe[1], als Fächer und Classen[1] die Dinge hierin zu ordnen, willkührliche Zeichen derselben in der Wortsprache, und endlich willkührliche Zeichen von diesen willkührlichen in der Buchstabenschrift; daß hingegen zur vernünftigen d. i. philosophischen Erkenntniß der Natur[2] und Gottheit eine Anschauung erfodert wird, daß hier die Fantasie immer rege seyn, und also durch bildliche Zeichen aufgefodert werden muß..
[44] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 23 f. (24): Und wenn nun die Seele gleichsam unter den Trauerweiden der Verbannung ruhend, ihr Verlangen nach der fremd[4] gewordnen Heimath ausathmet, was andres kann der Grundton ihrer Lieder 〈24〉 seyn als Schwermuth? So ist es denn auch: die Poesie[11] der Alten[10] war die des Besitzes, die unsrige ist die der Sehnsucht; jene steht fest auf dem Boden der Gegenwart, diese wiegt sich zwischen Erinnerung und Ahndung. Man mißverstehe dieß nicht, als ob alles in einförmige Klage verfließen, und die Melancholie sich immer vorlaut aussprechen müßte. Wie in der heitern[4] Weltansicht der Griechen die herbe Tragödie dennoch möglich war, so kann auch die aus der oben geschilderten entsprungene romantische[12/9] Poesie[11] alle Stimmungen bis zur fröhlichsten durchgehen; aber sie wird immer in einem namenlosen Etwas Spuren ihrer Quelle an sich tragen. Das Gefühl ist im ganzen bey den Neueren[3] inniger, die Fantasie unkörperlicher, der Gedanke beschaulicher geworden. ➢ Volltext.
[45] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 264: In mythologischen Geschichten[10], wobey Bacchus nichts zu schaffen hatte, ließen sich [...] seine beständigen Begleiter zwar nur mit einer gewissen Willkühr, jedoch nicht ohne Schicklichkeit anbringen. Wie die Natur[2] in ihrer ursprünglichen Freyheit[1] überhaupt der griechischen[2] Fantasie als reich an Wundererzeugnissen erschien, so durfte man wohl die wilden Landschaften, wo gewöhnlich der Schauplatz lag, fern vom Anbau gesitteter 〈265〉 Städte, mit jenen sinnlich fröhlichen Waldnaturen bevölkern. ➢ Volltext.
[46] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 72 f. (73): Wo das eigentlich Tragische eintritt, hört freylich alle Ironie[1] auf; allein von dem eingestandnen Scherz der Komödie an bis dahin, wo die Unterwerfung sterblicher Wesen unter ein unvermeidliches Schicksal den strengsten Ernst fodert, giebt es eine Menge menschlicher Verhältnisse, die allerdings, ohne die ewige Gränzscheidung zwischen Gut und Böse zu verwirren, mit Ironie[3] betrachtet werden dürfen. Diesem Zweck dienen die komischen Personen und Auftritte, welche in Shakspeare's meisten Stücken einer edlen und erhöhenden Darstellung romantischer[7] Dichtungen oder historischer Vorfälle eingeflochten sind. Manchmal ist eine bestimmte Parodie des ernsthaften Theils darin nicht 〈73〉 zu verkennen; andremale ist der Zusammenhang loser und willkührlicher, um so mehr, je wunderbarer die Erfindung des Ganzen ist, je mehr es bloß zu einer leichten Gaukeley der Fantasie wird. Ueberall dienen die komischen Unterbrechungen dazu, zu verhüten, daß das Spiel sich nicht in ein Geschäft verwandle, dem Gemüth seine Heiterkeit[4] zu bewahren, und jenen trüben schwunglosen Ernst abzuhalten, der sich so leicht im sentimentalen jedoch nicht tragischen Schauspiele einschleicht. ➢ Volltext.
[47] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 32 ff. (34): Schon in den frühesten Zeitaltern der Europäischen Bildung[5] finden sich unverkennbare Spuren des künstlichen Ursprungs der 〈33〉 modernen[1] Poesie[11]. Die Kraft, der Stoff war zwar durch Natur[13] gegeben: das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2] war aber nicht der Trieb, sondern gewisse dirigirende Begriffe[1] [...]. Selbst der individuelle Charakter[1] dieser Begriffe[1] war durch Umstände veranlaßt, und durch die äußre Lage nothwendig bestimmt. Daß aber der Mensch[1] nach diesen Begriffen[1] sich selbst bestimmte, den gegebnen Stoff ordnete, und die Richtung seiner Kraft determi〈34〉nierte; das war ein freyer[10] Aktus des Gemüths. Dieser Aktus ist aber eben der ursprüngliche Quell, der erste bestimmende Anstoß der künstlichen Bildung[2], welcher also mit vollem Recht der Freyheit[10] zugeschrieben wird. Die Phantasterey der Romantischen[12] Poesie[11], hat nicht etwa wie Orientalischer[1] Bombast eine abweichende Naturanlage zum Grunde. Es sind vielmehr abenteuerliche[3] Begriffe[1], durch welche eine an sich glückliche, dem Schönen[2] nicht ungünstige Phantasie eine verkehrte Richtung genommen hatte. Sie stand also unter der Herrschaft von Begriffen[1]; und so dürftig und dunkel diese auch seyn mochten, so war doch der Verstand[2] das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2]..
[48] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 58 f. (59): Die Vernunft ist nur eine und in allen dieselbe: wie aber jeder Mensch seine eigne Natur hat und seine eigne Liebe, so trägt auch jeder seine eigne Poesie in sich. Die muß ihm bleiben und soll ihm bleiben, so gewiß er der ist, der er ist, so gewiß nur irgend etwas Ursprüngliches in ihm war; und keine Kritik kann und darf ihm sein eigenstes Wesen, seine innerste Kraft rauben, um ihn zu einem allgemeinen Bilde ohne Geist und ohne Sinn zu läutern und zu reinigen, wie die Thoren sich bemühen, die nicht wissen was sie wollen. Aber lehren soll ihn die hohe Wissenschaft ächter Kritik, wie er sich selbst bilden muß in sich selbst, und vor allem soll sie ihn lehren, auch jede andre selbständige Gestalt der Poesie in ihrer classischen Kraft und Fülle zu fassen, daß die Blüthe und der Kern fremder Geister Nahrung und Saame werde für seine eigne
[49] F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 55: [S]päterhin beschränkten sich die Italiäner auf ihre eigne Nationalität, begnügten sich nur mit dem, was ihre ersten Dichter von den Provenzalen genommen hatten, oder wagten Versuche, den Dichtern des römischen Alterthums[3] nachzueifern. | Nicht so in der spanischen Poesie[11]; sie eignete sich von allen Seiten her ausländische Formen und Reize an, die verschiedensten romantischen[2/4/5/6/7/8] Elemente treffen hier zusammen, um endlich die vollkommenste und farbigste Blüthe der Phantasie hervorzubringen und zum höchsten Glanz zu vollenden. ➢ Volltext.
[50] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 461 f. (462): Das Genie[2] des Cervantes abgerechnet, dem wohl einiges frey stand, was einem andern zur Nachfolge nicht zu rathen wäre; so waren auch die Verhältnisse, unter denen er in Prosa[1] darstellte und dichtete, ungleich günstiger, als die seiner Nachfolger. Das 〈462〉 wirkliche Leben in Spanien war damals noch mehr ritterlich[1] und romantisch[3/4], als in sonst irgend einem Lande von Europa. Selbst der Mangel an einer allzustreng vervollkommneten bürgerlichen Ordnung, das freyere[17] und wildere Leben in den Provinzen konnte für die Poesie[15] günstiger seyn. | In allen diesen Versuchen, die prosaische[3] Wirklichkeit durch Witz[4] und Abentheuer, oder durch Geist[27] und Gefühlserregung zu einer Gattung der Dichtkunst zu erheben, sehen wir die Verfasser immer auf irgend eine Weise eine poetische[3] Ferne suchen; sey es nun in dem Künstlerleben des südlichen[3] Italiens, wie oft in den deutschen Romanen[1]; oder in den amerikanischen Wäldern und Wildnissen, was vielfältig bey den Ausländern versucht worden. Ja, wenn auch die Begebenheit ganz im Lande und in der Sphäre des einheimischen bürgerlichen Lebens spielt, immer strebt die Darstellung, so lange sie noch Darstellung bleibt, und nicht bloß in ein Gedankenspiel der Laune, des Witzes[2] und des Gefühls sich auflöst, auf irgend eine Weise aus der beengenden Wirklichkeit sich heraus zu arbeiten, und irgend eine Oeffnung, einen Eingang zu gewinnen in ein Gebiet, wo die Fantasie sich freyer[1] bewegen kann; wären es auch nur Reiseabentheuer, Zweykämpfe, Entführungen, eine Räuberbande oder die Ereignisse und Verhältnisse einer fahrenden Schauspielergesellschaft. | Der Begriff[1] des Romantischen[3/4/1] in diesen Romanen[1], selbst in vielen der bessern und berühmtesten, fällt meistens ganz zusammen mit dem Polizeywidrigen. Ich 〈463〉 erinnere mich hiebey der Aeußerung eines berühmten Denkers, welcher der Meynung war, daß bey einer durchaus vollkommenen Polizey [...] ein Roman[1] schlechtweg unmöglich seyn würde, weil alsdann gar nichts im wirklichen Leben vorkommen könnte, was dazu irgend Veranlassung, oder einen wahrscheinlichen Stoff darbieten würde. ➢ Volltext.
[51] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 468: So wie die spanische Monarchie bis um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts die größte und glänzendste in Europa, der spanische Nationalgeist der entwickeltste war, so stand auch die Bühne zu Madrid, der lebendige Spiegel dieses Nationallebens, am frühesten in reichem Flor. Diesen Reichthum und die Fülle der Empfindung hat das übrige Europa immer anerkannt, weniger die eigenthümliche Form und Bedeutung, den eigentlichen Sinn[2] und Geist[12] dieses spanischen Schauspiels. Hätte es auch nur den Vorzug, daß es durchaus romantisch[2] ist, so würde es schon dadurch sehr merkwürdig, es würde lehrreich seyn, an diesem Beyspiel zu sehen, welche Art von dramatischer Dichtkunst denn aus der Ritterpoesie, überhaupt aus der dem neueren[3] Europa und dem Mittelalter eigenthümlichen Richtung der Fantasie hervorgehen könne. ➢ Volltext.
[52] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 477 f. (478): Da die spanische Dichtkunst überhaupt ohne allen fremdartigen Einfluß und durchaus rein romantisch[7] geblieben ist, da die christliche Ritterpoesie des Mittelalters bey dieser Nation[1] am längsten bis in die Zeiten[3] der neuern[3] Bil〈478〉dung[5] fortgedauert, und die kunstreichste Form erlangt hat, so ist hier wohl der rechte Ort, das Wesen des Romantischen[12/7] überhaupt zu bestimmen. Es beruht allein auf dem mit dem Christenthum und durch dasselbe auch in der Poesie[11] herrschendem [sic] Liebegefühl, in welchem selbst das Leiden nur als Mittel der Verklärung erscheint, der tragische Ernst der alten[10] Götterlehre und heidnischen Vorzeit in ein heiteres[5] Spiel der Fantasie sich auflöst, und dann auch unter den äußern Formen der Darstellung und der Sprache[1] solche gewählt werden, welche jenem innren Liebegefühl und Spiel der Fantasie entsprechen. ➢ Volltext.
[53] Schleiermacher, Ath.-Fragm. (1798), 102, Nr. 350: Keine Poesie[7], keine Wirklichkeit. So wie es trotz aller Sinne[4] ohne Fantasie keine Außenwelt giebt, so 〈103〉 auch mit allem Sinn[5] ohne Gemüth keine Geisterwelt. Wer nur Sinn[5] hat, sieht keinen Menschen[9], sondern bloß Menschliches: dem Zauberstabe des Gemüths allein tut sich alles auf. Es setzt Menschen[9] und ergreift sie; es schaut an wie das Auge ohne sich seiner mathematischen Operazion bewußt zu seyn. ➢ Volltext.
[54] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 75 f. (76): Wissen überhaupt heißt: solche Urtheile in der Gewalt seines Geistes[19] zu willkührlicher Reproduktion haben, welche in irgend etwas außer ihnen ihren zureichenden Erkenntnißgrund haben, d. h. wahr sind. Die abstrakte Erkenntniß allein ist also ein Wissen; dieses ist daher durch die Vernunft[1] bedingt, und von den Thieren[1] können wir 〈76〉 nicht sagen, daß sie irgend etwas wissen, wiewohl sie die anschauliche Erkenntniß, für diese auch Erinnerung und eben deshalb Phantasie haben, welche überdies ihr Träumen beweist. Bewußtsein legen wir ihnen bei, dessen Begriff[1] folglich, obgleich das Wort[1] von Wissen genommen ist, mit dem des Vorstellens überhaupt, von welcher Art es auch sei, zusammenfällt. Daher auch legen wir der Pflanze[1] zwar Leben, aber kein Bewußtseyn bei. ➢ Volltext.
[55] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 402: Der Mensch[1] allein trägt in abstrakten Begriffen[1] die Gewißheit seines Todes mit sich herum: diese kann ihn dennoch, was sehr seltsam ist, nur auf einzelne Augenblicke, wo ein Anlaß sie der Phantasie vergegenwärtigt, ängstigen. Gegen die mächtige Stimme[14] der Natur[13] vermag die Reflexion wenig. Auch in ihm, wie im Thiere[1], das nicht denkt, waltet als dauernder Zustand jene [...] 〈403〉 [...] Sicherheit vor, vermöge welcher keinen Menschen[1] der Gedanke des gewissen und nie fernen Todes merklich beunruhigt, sondern jeder dahinlebt, als müsse er ewig leben [...]. ➢ Volltext.
[56] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 166: Herr von Beeke [...] gehört nicht nur unter die besten Flügelspieler, sondern auch unter die vorzüglichsten und originalsten[1] Componisten. Seine Hand ist klein und brillant; sein Vortrag deutlich und rund; seine Phantasie reich und glänzend, und – was ihn am meisten ehrt, seine ganze Spielart selbst geschaffen. Er hat im Clavier eine Schule gebildet, die man die Beekische nennt. Der Charakter[1] dieser Schule ist: eigenthümlicher Fingersatz, [...] deutlicher Vortrag, spielender Witz[4] in den Passagen, und sonderlich ein herrlicher Pralltriller. In diesem Style sind auch Beekes Clavierstücke geschrieben..
[57] R. Schumann, Tageb. I (*1828), 97: Schwere Cigarren stimmen mich hoch u. poetisch[2]; je mehr bey mir der Körper abgespannt ist, desto mehr ist der Geist[20] überspannt. | Wenn ich betrunken bin oder mich gebrochen habe, so war am andern Tage die Fantasie schwebender[7] u. erhöhter. Während der Trunkenheit kann ich nichts machen, aber nach ihr..
[58] L. Tieck, an Wackenroder (12. 6. 1792), VL 2, 51: Endlich stieg ich auf die Felsen, die schönste[1] Gegend bei Giebichenstein, wie alles romantisch[3/4/7/13] vor mir lag, mir war, als lebt' ich in der fernsten Vergangenheit, die Ruinen des Ritterschlosses blickten so ernsthaft nach mir hin, die Felsen gegen über, die Felsen über mir, die wankenden Bäume, das Hundebellen, alles war so schauerlich, alles stimmte die Phantasie so rein, so hoch..
[59] L. Tieck, Phant. ü. d. Kunst (1799), 92: Er [sc. Watteau] zog sich ganz in seine eigne Farbenwelt zurück, seine Phantasie ward heiter[5] und fröhlich, so wie er den Pinsel ergriff. Ich habe ihm innerlich schon oft für seine Romanzen, für seine Tanzlieder Dank gesagt, für seine allerliebsten Weingesänge; ich habe oft nach Betrachtung seiner Gemählde die Regung des Lebens um mich lieblicher gefühlt.
[60] L. Tieck, Zerbino (1799), 19: Ich habe hier ein Buch geschrieben [...]. Es soll dazu dienen, die gespannte Phantasie wieder etwas herabzustimmen, den Verstand aufzuklären, indem wir das Unförmliche einsehn, und uns so in der Poesie[11] unvermerkt zum Klassischen[3/5] und Vollendeten zu führen..
[61] L. Tieck, Phantasus I (1812), 3 f. (4): Dieses romantische[3] Gebirge, sagte Ernst, erinnert mich lebhaft an einen der schönsten[1/4] Tage meines Lebens. In der heitersten[2] Sommerszeit hatte ich die Fahrt über den Lago maggiore gemacht und die Borromäischen Inseln besucht; von einem kleinen Flecken am See ritt ich dann mit dem frühsten Morgen nach Belinzona, das mit seinen Zinnen und Thürmen auf Hügeln und im engen Thal ganz alterthümlich sich darstellt, und uns alte[11] Sagen und Geschichten[8] wunderlich vergegenwärtigt, und von dort reisete ich am Nachmittage ab, um am folgenden Tage den Weg über den Sankt Gotthard anzutreten. Am Fuße dieses Berges liegt äußerst anmuthig[2] Giarnito, und einige Stunden vorher führt dich der Weg durch das reizendste Thal, in welchem Weingebirge und Wald auf das mannigfaltigste wechselt, und von allen Bergen große und kleine Wasserfälle klingend und wie musizirend niedertanzen; immer enger rücken die Felsen zusammen, je mehr du dich dem Orte näherst, und endlich ziehn sich Weinlauben über dir hinweg von Berg zu Berg, und verdecken von Zeit[7] zu 〈4〉 Zeit[7] den Anblick des Himmels. Es wurde Abend, eh ich die Herberge erreichte, beim Sternenglanz, den mir die grünen Lauben oft verhüllten, rauschten näher und vertraulicher die Wasserfälle, die sich in mannigfachen Krümmungen Wege durch das frische Thal suchten; die Lichter des Ortes waren bald nahe, bald fern, bald wieder verschwunden, und das Echo, das unsere Reden und den Hufschlag der Pferde wiederholte, das Flüstern der Lauben, das Rauschen der Bäume, das Brausen und Tönen der Wasser, die wie in Freundschaft und Zorn abwechselnd näher und ferner schwazten und zankten, vom Bellen wachsamer Hunde aus verschiedenen Richtungen unterbrochen, machten diesen Abend, indem noch die grünenden Borromäischen Inseln in meiner Phantasie schwammen, zu einem der wundervollsten meines Lebens, dessen Musik sich oft wachend und träumend in mir wiederholt. Und – wie ich sagte – dieses romantische[3] Gebirge hier erinnert mich lebhaft an den Genuß jener schönen[1/4] Tage..
[62] L. Tieck, Phantasus I (1812), 64 f. (65): Es fehlt unsrer Zeit[5], sagte Friedrich, so sehr sie die Natur[19] sucht, eben der Sinn[5] für Natur[19], denn nicht allein diese regelmäßigen Gärten, die dem jetzigen Geschmacke zuwider sind, bekehrt man 〈65〉 zum Romantischen[3/4], sondern auch wahrhaft romantische[3/4] Wildnisse werden verfolgt, und zur Regel und Verfassung der neuen[7] Gartenkunst erzogen. So war ehemals nur die große wundervolle Heidelberger Ruine eine so grüne, frische, poetische[1/3?] und wilde Einsamkeit, die so schön[1] mit den verfallenen Thürmen, den großen Höfen, und der herrlichen Natur[2] umher in Harmonie stand, daß sie auf das Gemüth eben so wie ein vollendetes Gedicht aus dem Mittelalter wirkte, ich war so entzückt über diesen einzigen Fleck unsrer deutschen Erde, daß das grünende Bild seit Jahren meiner Phantasie vorschwebte, aber vor einiger Zeit[6] fand ich auch hier eine Art von Park wieder, der zwar dem Wandelnden manchen schönen[1] Platz und manche schöne[1] Aussicht gönnt, der auf bequemen Pfaden zu Stellen führt, die man vormals nur mit Gefahr erklettern konnte, der selbst erlaubt, Erfrischungen an anmuthigen Räumen ruhig und sicher zu genießen, doch wiegen alle diese Vortheile nicht die großartige und einzige Schönheit[1] auf, die hier aus der besten Absicht ist zerstört worden..
[63] Trahndorff, Baukunst d. Mittelalt. (1828), 30: Wie übrigens die reichen Laubverzierungen mit [...] ächtarchitektonischen harmoniren, und durch welche Grundidee diese Harmonie bedingt sey, wie vielleicht ein tief und ursprünglich in der Volksphantasie liegendes Bild von der Beschaffenheit heiliger und den wichtigsten Angelegenheiten einer Gesammtheit gewidmeter Orte hier ein verborgenes Spiel trieb, dieß kann hier nur andeutungsweise berührt werden. Manche haben sich entschieden dagegen erklärt , daß das Bild eines heiligen Haines dem Kirchenbau des Mittelalters zum Grunde liegen könne, indem sie sich auf die Kluft stützen zwischen der Zeit[3] der heiligen Haine unter den Germanen und zwischen der Blüthenzeit jenes Baustyls. Dennoch aber drängt sich beym Anblick dieser sich massenweise dnrchschneidenden Bogen, dieser an Thür- und Fensteröffnungen oder Nischen hintereinander zusammengedrängten Vervielfältigung der Bogendurchsicht, der starken, aus mehreren zusammengesezt erscheinenden Pfeiler, die, wie Stämme und Stammgruppen ein Laubdach, die Gewölbe stützen, und der schwebenden[3] Dächer, diese Vorstellung so unwillkürlich und bestimmt auf, daß man sich ihrer schwerlich erwehren kann; ja es ist, als, ob selbst die Entstehung des Spitzbogens in den sich kreuzenden Aesten und Zweigen vorgebildet wäre. Ob nun mit dem Lebensprinzip eines Zeitalters sich noch eine ursprüngliche oder durch die Ausbildung ursprünglicher Eigenschaften eines Volkes[1] bestimmte Gestaltungsart der Phantasie als ein Vermittelndes vereinigen könne, ist ein psychologisches Problem, welches nur von der Einseitigkeit unter die Träume gezählt werden wird..
[64] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 142: Die Natur[2] hatte sein Inneres mit einer immer gährenden Phantasie erfüllt, und seinen Geist[19] mit schwe〈143〉ren und düstern Gewitterwolken bezogen, so daß sein Gemüth immer in unruhiger Arbeit war, und unter ausschweifenden Bildern umhertrieb, ohne jemals sich in einfacher und heiterer[4] Schönheit[6] zu spiegeln. ➢ Volltext.
[2] Ritter, Fragm. II (1810), 119, Nr. 504: Bey der Zeugung – Kraft der Phantasie. Nichts als bloßes Gebilde des andern. Magie, wegen Wirkung der Chiffer, der Form, des Buchstabens[8] (des organischen[3]). Denn beyde geben, keines eigentlich empfängt. Die Gestalt des Mannes muß ideell wirken, denn sie ruft dem Weibe die Materie hervor, die Gestalt der Frau[1] materiell, denn sie ruft den Geist[12], die Idee, hervor.
[3] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 377: Die Götterbilder der griechischen[2] Sculptur stehen für alle Zeit als vollendete Typen da. Das erhabne[3] Geschäft, die menschliche Gestalt bis da hinauf zu läutern, hat die Fantasie einmal vorgenommen; sie könnte es, auch bey gleicher Begeisterung, höchstens nur wiederhohlen. Im persönlichen individuellen Bildniß aber ist der moderne[1] Bildhauer Nebenbuhler des antiken2; dieß ist keine rein künstlerische Schöpfung; die Beobachtung muß hier eintreten, und jeder ist, bey aller Wissenschaft, Gründlichkeit und Anmuth 〈378〉 in der Ausführung, an das gebunden, was er eben wirklich vor Augen hat. ➢ Volltext
[4] Ahlefeld, Marie Müller (21814 [11799]), 70: Sie malte sich mit allem Zauber ihrer lebhaften
Fantasie
eine reizende Zukunft an Augusts Seite. In eine einsame, romantische Gegend baute sie im Geist eine Hütte für sich und ihn, mit Epheu bezogen, und mit Gärten umringt, in denen ihre einfache Nahrung wuchs..[5] Bauernfeld, Bürgerl. u. Romant. (1839), AW 1, 332: Die Tugend und Sittsamkeit selbst sind vor bösen Zungen nicht sicher, wenn sie ohne Paß und männliche Begleitung reisen. Minna von Barnhelm und Sophie im Tom Jones, die tugendhaftesten Mädchen, die ich kenne, und die herrlichsten Geschöpfe einer dichterischen Phantasie, würden in der Wirklichkeit eine ziemlich zweideutige Rolle spielen, denn unsere Zeit[5] und unsere Gesellschaft entbehrt leider aller Poesie[20] und aller Romantik[7]..
[6] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 396: Die Verknüpfung zweier Sprachsphären, welche gleichtönen, wobei aber eine bestimmte Betrachtung der Bedeutung beider vorkommt, heißt ein Wortspiel, und dieses ist die Fundamentalfigur aller übrigen musikalisch[3]-poetischen[4] Sprachfiguren. Das Wortspiel ist der Witz[4] der Sprache[1], und an seiner Vortrefflichkeit kann nur der zweifeln, der überhaupt damit unbekannt ist, was der Witz[4] sei und bedeute, und vielleicht den ärmlichen Begriff[1] mit sich herumträgt: daß er nur ein Zeitvertreib, und die untergeordnete, unbedeutendere, heitere[5] Wahrheit sei. Allein weit entfernt diese geringe Gattung des Witzes[4] für sein Wesen zu halten; muß man vielmehr die Sache gradezu umkehren, und das Wesen der Wahrheit darin setzen, daß sie Witz[4] sey. Denn alle Wissenschaft ist Witz[4] des Verstandes, alle Kunst[2], Witz[4] der Phantasie, und jeder einzelne witzige Einfall wird nur dadurch zu einem solchen, daß er an den 〈397〉 Witz[4] der Wahrheit überhaupt erinnert. Damit man aber diese Stelle über den Witz[4], nicht etwa für witzelnd, sondern weil sie Wahrheit enthält, auch für witzig halte: so überlege man folgendes. Die Wissenschaft auf ihrem höchsten Standpunkte lehrt eine absolute Einheit eine unbedingte Identität alles mit allem. An diese ewige Consonanz des Weltalls, an diese heterogene Homogeneität, erinnert jede ernste und heitere[5], jede erhabene und burleske Stimmung, der Witz[4] ist der Blitz, welcher eine einzelne Stelle in dem großen Ganzen erleuchtet, und diese Identität im Einzelnen heraustreten läßt, und daher ist ein jeder Witz[4], indem er an das Höchste erinnert, erhaben. Je kleiner freilich die erleuchtete Stelle ist, je flüchtiger und vorübergehender der Eindruck, und der gesellige Witz[4] ist mehrentheils nur ein Wetterleuchten, welches das Dasein einer Region anzeigt, in welcher ein Blitz möglich wäre. Der ächte und große Witz[4] wohnt in der Wissenschaft, in der Kunst[2] und dem Leben; und da nun die Sprache[1] das Organ[1] von allen diesem ist: so sieht man leicht ein, daß durch das Wortspiel, wie es zum Beispiel Shakespear gebraucht, oder Aristophanes, Andeutungen können hervorgebracht, Effekte erregt, Empfindungen angeschlagen werden, die nur durch dieses Medium möglich sind, welche sich wie die Musik, körperlich durch das Ohr[2] in den Geist[19] ergießen. ➢ Volltext.
[7] G. Forster, Leitfad. Gesch. d. Menschh. (1789), 282: Nur solche Völker[1], die in ihrer früheren Periode der Wollust glücklich entgangen, und in den Armen der Freiheit[6] zu männlicher Stärke herangewachsen sind, können und müssen zulezt den höchsten Gipfel der Bildung[5] ersteigen, wo die ganze Energie unseres Wesens sich in den feineren Werkzeugen der Empfindung und des Verstandes[2] am thätigsten erweiset. Nur dreimal, nur in Europa, und jedesmal in anderer Gestalt erblickte die Welt das Schauspiel dieser lezten Ausbildungsstufe. Einzig und unerreichbar erhob Athen zuerst ihr stolzes Haupt, da blühende Fantasie und reiner Schönheitssinn in ihr die Erstlinge der Kunst[2] und Wissenschaft[1] erzeugten. Rom war nicht mehr frei[6], und die Beute der halben Welt hatte daselbst bereits das zügelloseste Sittenverderbniß angezündet, als es die Trümmer attischer Kultur[4] in seinem Schooß aufnahm, und glänzender durch Ueppigkeit als durch hohen Schwung des Genies[2], für seine künftigen Ueberwinder sie aufbewahrte. Schon war der sanfte Frühlingszauber von Duft und Blüte dahin, und die Periode römischer Aufklärung glich einem schwülen Sommertage, den am Abend ein Donnerwetter beschließt. Uns endlich, der Nachkommenschaft eines glücklichorganisirten Barbarenstammes, bei dem hernach das romantische[2/7] Feuer des Rittergeistes so schön[6] aufloderte, uns bleibt der Herbst mit seinen reifen Früchten noch übrig; wir ernten und keltern und füllen unsere 〈283〉 Scheuren, der Himmel weis, für welchen bevorstehenden Winter!.
[8] G. Forster, Vorr. Sakont. (1791), XXVIII: [N]ur als seltene, vereinzelte Gabe findet sich unter uns die künstlerische Unbefangenheit, womit die reine Phantasie sich alle noch so fremde[4] Formen aneignen und das Schöne[2] in jeder 〈XXIX〉 Beziehung auffassen kann, ohne sich selbst der Herrschaft der edelsten Form zu entziehen..
[9] Grosse, Genius II (1792), 1: Kein Laut konnte sich mehr von ihren zusammengepreßten Lippen loßmachen, aber ich sahe es ihnen an, was für ein Vermächtniß sie mir noch zurücklassen wollte. Immer hielt ich es noch für einen täuschenden, grausamen Traum. So romanhaft[1] hatte ich mir Elmiren wiedererworben; unter so erschütternden Ereignissen hatte ich sie mir gerettet; unmöglich konnte daher auch dies etwas anderes seyn, als ein Spiel der Phantasie..
[10] Grosse, Genius II (1792), 42: Unter diesem etwas beklommenen [...] Selbstgespräch erreichte ich an den Gränzen des Thals [...] einen Wald. Ich war es schon so sehr gewohnt, in jedem dunkeln Gebüsch einen Schauplatz seltsamer Abentheuer und Ereignisse zu finden, daß ich mich ruhig darauf vorbereitete. Meine Phantasie hatte eine so unruhige, romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='923' Anzeige='4' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Spannung erhalten, daß sie immer schrecklichen Erscheinungen mit einem bangen Entzücken entgegensah. Jeder Trümmer der Vorzeit hatte für sie etwas Bedenkliches gewonnen, jeder unschuldige Erdfall war dem Eingange in einer schauervollen Gruft ähnlich, und es war zum wenigsten möglich, daß manche seltsame Gestalt eines Baumes tiefe Räthsel und Geheimnisse verschloß..
[11] Grosse, Genius II (1792), 231 f. (232): Wenn er unter uns war, stockte die Unterhaltung nicht einen Augenblick lang, und immer erinnere ich mich noch mit einer Art 〈232〉 von Entzücken seiner Mährchen, die er uns, wenn wir am Kamine traulich zusammensaßen, aus dem Stegereife erfand, und mit der üppigsten Laune zum Besten gab. Seine Phantasie war durch eine Reise nach dem Morgenlande[2], von der er erst vor einigen Jahren zurückgekommen war, dazu recht eigentlich aufgelegt; aber er hatte dadurch auch einen so herrschenden Hang zum Romantischen[4/7] derselben erhalten, daß er gewöhnlich alles ansteckte, was ihn umgab..
[12] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 59: Wie oft hört man sagen, daß eine europäische Schönheit[3] einem Chinesen oder gar einem Hottentotten mißfallen würde, indem dem Chinesen ein ganz anderer Begriff[1] von Schönheit[1] inwohne als dem Neger, und diesem wieder ein anderer als dem Europäer u. s. f. Ja betrachten wir die Kunstwerke[2] jener außer-europäischen Völker[1], ihre Götterbilder z. B., die als verehrungswürdig und erhaben aus ihrer Phantasie entsprungen sind, so können sie uns als die scheußlichsten Götzenbilder vorkommen, und ihre Musik als die abscheulichste in die Ohren[2] klingen, während sie ihrer Seits unsere Skulpturen, Malereien, Musiken für unbedeutend oder häßlich[1] halten werden. ➢ Volltext.
[13] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 87 f. (88): Insofern nun aber die Ironie[3] ist zur Kunstform gemacht worden, blieb sie nicht dabei stehen, nur das eigene Leben und die besondre Individualität des ironischen[3] Subjekts künstlerisch heraus zu gestalten, sondern außer dem Kunstwerk der eigenen 〈88〉 Handlungen[1] u. s. f. sollte der Künstler auch äußere Kunstwerke als Produkte der Phantasie zu Stande bringen. ➢ Volltext.
[14] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 105: In der freieren[11] Entfaltung [...] der italienischen Malerei haben wir [...] einen anderen Charakter[1] der Kunst[4] aufzusuchen. Außer dem religiösen Inhalt des alten[1] und neuen[3] Testaments und der Lebensgeschichten von Märtyrern und Heiligen entnimmt sie ihre Gegenstände größtentheils nur aus der griechischen[2] Mythologie, selten dagegen aus den Ereignissen der Nationalgeschichte, oder [...] aus der Gegenwart und Wirklichkeit des Lebens; gleich selten, spät und vereinzelt erst, aus der landschaftlichen Natur[2]. Was sie aber für die Auffassung und künstlerische Ausarbeitung des religiösen Kreises vornehmlich hinzubringt, ist die lebendige Wirklichkeit des geistigen und leiblichen Daseyns, zu welcher jetzt alle Gestalten sich versinnlichen und beseelen. Für diese Lebendigkeit bildet von Seiten des Geistes[19] jene natürliche[2] Heiterkeit[4], von Seiten des Körpers jene entsprechende Schönheit[1] der sinnlichen Form das Grundprincip, welche für sich, als schöne[1] Form schon, die Unschuld, Frohheit, Jungfräulichkeit, natürliche[2] Grazie des Gemüths, Adel[5], Phantasie und eine liebevolle Seele ankündigt. ➢ Volltext.
[15] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 44: Alle Kräfte unsrer und der Thierseelen sind nichts als Metaphysische Abstraktionen, Würkungen! sie werden abgetheilt, weil sie von unserm schwachen Geiste[22] nicht auf einmal betrachtet werden konnten: sie stehen in Kapiteln, nicht, weil sie so Kapitelweise in der Natur[2] würkten, sondern ein Lehrling sie sich vielleicht so am besten entwickelt. Daß wir gewisse ihrer Verrichtungen unter gewisse Hauptnamen gebracht haben z. E. Witz[2], Scharfsinn, Phantasie, Vernunft, ist nicht, als wenn je eine einzige Handlung des Geistes[19] möglich wäre, wo der Witz[2] oder die Vernunft allein würkt: sondern nur, weil wir in dieser Handlung am meisten von der Abstraktion entdecken, die wir Witz[2] oder Vernunft nennen, z. E. Vergleichung oder Deutlichmachung der Ideen: überall aber würkt die ganze unabge〈45〉theilte Seele. ➢ Volltext.
[16] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. II (1834), 38 f. (39): Beschreibung nennt man die Aufzählung der Merkmale 〈39〉 eines Gegenstandes, um selbigen von anderen unterscheiden zu können. Die Beschreibung kann entweder den Zweck haben, dem Verstande einen deutlichen Begriff[1] von Etwas zu geben, oder aber der Phantasie ein schönes Bild vorzuführen. Im erstern Falle sind Wahrheit, Vollständigkeit, Genauigkeit Bedingung, weil sonst kein deutlicher Begriff[1] entstehen kann; im letztern kommt es darauf an, den todten Buchstaben[9] Leben und Frische einzuhauchen; sie ist die nahe Verwandte der Poesie[11] und leiht sich von ihr die Farben, mit welchen sie ihre Kinder schmückt..
[17] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. II (1834), 164: Branchu, [...] geborne Chevalier, die erste Sängerin, ja für uns die eigentliche Repräsentantin der französischen großen Oper, betrat 1801 die Bühne. Unerschöpflich an Kraft und Ausdauer, ist ihre Stimme[1] auch in alten[2] Tagen noch von seltener Reinheit, jugendlicher Frische, zuweilen fast so melodisch klingend wie deutsche und italienische Stimmen[1]. Fast vollendet in Allem, was den mechanischen Theil des Vortrags betrifft, ist sie wahrhaft bewundernswürdig durch die Freiheit[13], womit sie alle Schwierigkeiten der Partien einer Armida, Dido, Alceste, Julia etc. beherrscht. Uebrigens bleibt sie stets der Declamationsschule der Franzosen treu, welche fast unbekümmert um die Cantilena den Gesang verstandesgemäß zerstückelt, der Phantasie auf Worten[1] und Sylben ihre Stationen anweist. Als Schauspielerin hat sie keine andern Verdienste, als die, welche lange Uebung und mechanischer Fleiß gewähren. Für die eigentlich moderne[7] Oper hat sie keinen Sinn[5] mehr und keine Bedeutung..
[18] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VIII (1837), 470: Vornehmlich [...] war es Shakespeare, dessen Riesengebilde die Phantasie der jugendlichen franz. Dichter[1] entzündete..
[19] Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 112: Die Gebäude in romantischen[3/2/4] Gegenden oder Gärten heischen die meiste Ueberlegung und Vorsichtigkeit. Ein feines Lusthaus, ein zierlicher Tempel sind für diesen Charakter[4] gar nicht anpassend, so gewöhnlich man sie auch sieht. In Revieren mit Felsen und Klüften sind Höhlen oder Grotten [...] sehr zustimmende Werke. Allein man kann ihnen noch einen Anstrich des Wunderbaren mehr geben, indem man sie Zauberern, Hexen, Riesen, Gespenstern, Feen und andern Geschöpfen der Phantasie widmet, abentheuerliche[3] Begebenheiten von ihnen verbreitet und in Inschriften erzählt. Die Sage des Volks[5] geht hier als Beyspiel voran; sie bewahrt noch in so vielen Ländern die Annalen des Aberglaubens. [...] Die Einbildungskraft[1], die schon durch den Eindruck der Gegend empört ist, schweift gern in schwärmerischen Bildern zügellos umher, entflammt sich aus der Erinnerung von hundert Märchen, die einst die Amme oder der Küster erzählte, verjüngt alte[1] Erscheinungen, wandelt und bildet neue[1] Gestalten, und leihet den Scenen einen Schauer, den die Natur[2] und die Vernunft[3] nicht kennen, und den gleichwohl jene zu veranlassen, und diese nicht zu verwerfen scheint. Außer den Inschriften können die Zauberhöhlen mit phantastischen[1] Bildern ausgeziert werden; das Ausschweifende und Abentheuerliche[3], das an jedem andern Orte verwerflich wäre, kann hier wahres Eigenthum werden. ➢ Volltext.
[20] Hülsen, Nat.-Betr. (1800), 53: Nicht der flüchtigste Eindruck kann vorübergehen an dir, ohne daß die Phantasie bleibendes Leben an ihm wecke. Eine längere Uebung erst hat dich gelehrt, die Farbe vom Tone[11] und die Ruhe von der Bewegung zu unterscheiden; und nur allmählig erst wandelten die Gestalten des Auges im Spiele des Lichts, und bildetest du fort der Töne[11] Melodien und ihren gemessenen Einklang. So erweiterte sich dein Blick im freien[1] Triebe des Lebens, und du riefest durch jede fortgehende Betrachtung deine Welt in eine höhere und freiere[10] Anschauung..
[21] A. v. Humboldt, Gasarten (1799), 112 f. (113): Hier ist es genug daran zu erinnern, daß bey der Muskelbewegung Sauerstoff verzehrt (gebunden) wird, daß die Respirations-Organe, von Sauerstoffarmen Luftgemengen [...] umgeben, dem Arteriellen Blute 〈113〉 weniger Sauerstoff zuführen, daß also der thierische Organismus[3] Mangel an diesem ersten und wohlthätigsten aller Reitzmittel leidet, woraus Hemmung der Lebensprocesse, Gefühl der Schwäche und Beängstigung entstehen muß. In diesem asthenischen Zustande des Muskelsystems wird die Nervenkraft doppelt angestrengt, um den erschlaften Körper zu bewegen. Die Folge dieser Anstrengung ist eine vermehrte thierische Wärme, und eine Wassererzeugung (Schweiß) deren erste Ursache die getäuschte Phantasie in eine erhöhte Temperatur der Luftschichten setzt..
[22] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 806: In Woldemar haben sich nicht die denkenden und empfindenden Kräfte, beide für sich gebildet und gepflegt, erst in ihrer Reife vereinigt; sie sind gleichsam von Kindheit an mit einander aufgewachsen, und eigentlich haben die ersteren die letzteren erzogen. Denn die Einheit erstrebende Vernunft[1] – die sich immer leichter mit der Phantasie, von der sie ihren Ideen Symbole leiht, verbindet – ist stärker in ihm, als der zergliedernde Verstand[1]. Daher sein Ringen nach allem Unvermittelten, Reinen, nach dem absoluten Daseyn. Von 〈807〉 diesem allem aber existirt in der Wirklichkeit nichts. Alles ist da vermittelt, gezeugt, vermischt, nur bedingungsweis existirend. So entsteht in Charakteren[6] dieser Gattung Abneigung gegen die empirische Wirklichkeit, und in Rücksicht auf die Empfindungsweise Abneigung gegen die Sinnlichkeit..
[23] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 93: Unser Dichter hat keinen so großen und glänzenden Schauplatz, keine so reiche Anzahl von Nebenfiguren, durch welche die Hauptfiguren von selbst hervortreten, keine Helden und Heldengeschlechter, welche die Phantasie von selbst, und ohne daß es dazu nur eines Winkes bedarf, in die Vergangenheit zurückführen; unbekannt, und von Unbekannten abstammend, müssen die Personen, die er uns zeigt, allein durch sich selbst gelten. Wie hat er es nun angefangen, um ihnen den Adel[5] und die Größe zu geben, ohne welche keine tiefe dichterische Wirkung möglich ist?.
[24] Jean Paul, Vorsch. Ästh. II (1804), 257: Jeder von uns darf ohne Eitelkeit sagen, er sey verständig, vernünftig, er habe Phantasie, Gefühl, Geschmack; aber keiner darf sagen, er habe Witz[1]; so wie man sich Stärke, Gesundheit, Gelenkigkeit des Körpers zuerkennen kann, aber nicht Schönheit. Beides aus denselben Gründen: nämlich Witz[1] und Schönheit sind für sich Vorzüge, schon ohne den Grad; aber Vernunft, Phantasie, so wie körperliche Stärke etc. zeichnen nur einen 〈258〉 Besitzer ungewöhnlicher Grade aus –; zweitens sind Witz[1] und Schönheit gesellige Kräfte und Triumphe (denn was wäre ein witziger Einsiedler oder eine schöne Einsiedlerin?); und Siege des Gefallens kann man nicht selber als sein eigner Eilbote überbringen, ohne unterwegs geschlagen zu werden..
[25] Klein, Rheinreise (1828), 20: Das Gemälde des Rheingau's, welches sich hier mit seiner ganzen Lebendigkeit und in jugendlicher Frische entfaltet, hat einen eigenthümlichen Reiz; Vergangenheit und Gegenwart beschäftigen zugleich Phantasie und Auge. Während auf einer Seite mannichfaltig[1] gefärbte Wolkenmassen über dem Taunus gleichsam zu alten[10] Römerburgen sich gestaltend, tiefer abwärts mit Epheu umrankte Wartthürme zerfallener Schlösser aus deutscher Ritterzeit auf den Vorsprüngen des Gebirges sich wirklich erheben, scheint links Kaiser Karl der Große mit seinen eisengepanzerten Helden über Ingelheims altem[11] Palaste zu schweben[5], und zahlreiche Kreuzfahrer das Ufer zu bedecken. [...] 〈21〉 [...] Friedliche Dörfer, geschäftiges Treiben größerer Flecken, stolze Landhäuser, stille friedliche Hütten, ehrwürdige Kirchtürme, ferne Einsiedeleien wechseln zwischen weinbekränzten Hügeln, Obstgärten, Getreidefeldern. Grüne Thalgründe, wiesenbedeckte Flächen mischen sich mit schroffen Felsen in buntem[2] Gewühle von verschiedenartiger Beleuchtung. Der seichte Fluß, zum weiten See ausgebreitet, dessen silberhelle Wellen um die vielen blühenden Auen in seiner Mitte spielen, scheint absichtlich zu zögern, um den Schiffenden Zeit zu lassen zur Beschauung des herrlichen Ganzen. Der Freund der Idylle, wie jener der Romantik[2], des frohen wie des ernsten Lebens, fühlt sich mächtig ergriffen, jeder stimmt ein in das Lob des reizenden Landes..
[26] Klingemann, Poesie (1800), 57: Die Dichtkunst[1] ist wohl überall am zartesten, und an sich selbst schon näher mit dem Geistigen verwandt; darum muß auch in ihr das eigentlich Poetische[2] den höchsten Ausdruck erreichen: so ist jene südliche[2] Erscheinung des Romantischen[4], für das auch wir jetzt einen lebhafteren Sinn[5] bekommen haben, ein auffallender Beweis einer höhern poetischen[2] Bildung[5]. Das Romantische[4] ist mehr Ahnung als Sprache[11], und es äußert sich in leichten Spielen, und umgaukelt die Phantasie mit lachenden Bildern; es erscheint in der Kunst[10], wie der Abend in der Wirklichkeit; mehr ein leichter rosenfarbener Traum, als bestimmtes Dasein. Am zartesten entfaltet sich die Blüthe des Romantischen[4] in der Novelle; hier sind die Farben am durchsichtigsten, und es ist das bunte[1] Blumenufer, das im stillen Strome sich abbildet..
[27] Krünitz, Oecon. Encycl. XXXI (1784), 117: Was den Character[1] der Italiäner überhaupt betrifft, so ist die Grundlage desselben: die leichte Entzündbarkeit und große Lebhaftigkeit ihrer Einbildungs-Kraft[1]; eine natürliche[4] Folge ihres milden Klima[1] welches nur in einigen Gegenden einen strengen Winter verstattet, in allen aber den herrlichsten Frühling und einen heißen Sommer gewährt. Mit denselben verbindet sich Lebensart, Erziehung, Religion[1], die Phantasie immer wirksamer zu machen; und wenn diese einmahl erweckt ist, so verbreitet sie wieder einen Rückstrahl in eben die Fächer, von denen sie ausgegangen ist, und gibt jenen Sitten und jener Religion[1] ihre ganz individuelle Bildung[10]. Die katholische Religion[1] z. B. beschäftiget überall die Einbildungskraft[1] mehr, als andere kirchliche Systeme und Verfassungen. Ist nun der Katholicismus in Italien seiner Quelle am nächsten, und wird er daselbst am eifrigsten gehäget, so kann er allerdings für eine mitwirkende Ursache der Reitzbarkeit der italiänischen Phantasie angesehen werden..
[28] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXVI (1819), 700: Am aller schädlichsten, und von der Jugend zu entfernen, sind [...] diejenigen Romane, die der Empfindelei huldigen; denn das Heer von Uebeln, welches sie hervorbringen, ist kaum zu berechnen. Sie erzeugen die romanhafte[2] Denkart, die traurige Schwärmerei, die unsern Körper von seiner physischen Seite verfeinern und verzärteln; denn die durch das Lesen solcher Bücher immer rege erhaltene Phantasie[1/3], die für jeden Eindruck offen, sich am liebsten dem Schwärmerischen und Romantischen[7] hingiebt, verliert zuletzt die Kraft energische Gegenstände, die zum Wohl der Menschheit[2] gereichen, zu behandeln, weil an die Stelle der Kraft, die durch Ueberreiz erzeugte kränkliche Empfindelei tritt, und das Gemüth immer weich, wehmüthig und liebesiech erhält..
[29] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXVI (1819), 714 f.: In der Malerei[3] ist ein romantischer[3/4] Styl die Vorstellung einer Gegend mit Ruinen oder mit andern erhabenen, die Phantasie des Beschauers fesselnden, Gegenständen. Der Landschaftsmaler muß daher sein Augenmerk nur auf die sogenannte wilde Natur[2] richten; denn nur diese hat ihre romantische[3/4] Seite. Die Gegenstände, welche den romantischen[3/4] Charakter[1] im höchsten Grade an sich tragen und die der Land〈715〉schaftsmaler mit dem ihm eigenen Zauber auf der Leinwand etc. dazustellen versuchen muß, sind: graue Felsmassen, die sich in der Ferne aus einer üppigen unbeschornen Vegetation zu des Himmels Azur erheben; ein stürmischer See, der seine Wellen mit Ungestüm empor treibt und über dem gewitterschwangere Wolken sich ihres Feuerstoffs entladen; oder ein See, der sich ruhig zwischen grünen Schilfmassen und prächtigen Wiesen dahin schlänget und über den in der Entfernung Städte und Dörfer aus grüner Umgebung ihre Zinnen und Thürme im vergoldeten Morgen- und Abendglanz emporheben. Hierzu geselle sich nun ein Fischer mit seinem Netze am See, oder ein Schäfer mit seiner Heerde und seinem Hunde auf dem grünen Teppich der Wiese; auch eine alte[11] Ritterburg, einsam auf einer Höhe gelegen, wo durch des Fensters Trümmer, im Gegenscheine der untergehenden Sonne, sich des Vollmondes falbes Licht blicken läßt, und über welcher einige Vögel schwärmen etc. Freilich muß aber der Landschaftsmaler eine glühende Phantasie, ein dichterisches Gefühl besitzen, um den Beschauer, durch eine glückliche und harmonische Zusammenstellung des Ganzen, durch eine richtige Perspective, durch ein heiteres[1], frisches, überhaupt dem Gegenstande angemessenes, Kolorit, durch sanfte Verschmelzung der Tinten in einander, zu fesseln und sein Gemüth zu dem Schönen[1] zu erheben..
[30] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 71: Die Fähigkeit zu allen süßen, allen traurigen Empfindungen ruht in der Kindheit noch unentwickelt in dem kleinen Herzen, und es empfindet da bei der einfachsten Veranlassung noch ungetheilt, alles, was es jemals, vertheilt, bei den mannigfaltigsten Eindrücken zu fühlen vermag. Jedes Bild tritt neu[1] und ungetrübt vor die jugendliche Phantasie, und der lebendige Eindruck ergießt sich mit sanfter Gewalt durch alle Saiten des erwachenden Gefühls. Deshalb umfaßt es die kleine Welt, die es umgibt, mit einer Innigkeit, die sich nicht durch Worte[2] ausdrücken kann. Die liebliche Magie der Unerfahrenheit überwebt Ursprung und Ende jeder schönen[1] Empfin〈72〉dung wie mit einer Wolke, daß sie auf einmal in ihrer ganzen Fülle dasteht, unbegreiflich und mächtig wie das Erscheinen einer Gottheit. Dies alles verschwindet, wenn der reifer gewordne Verstand[2], nun heller um sich schaut, und den leisen Gang der Eindrücke die das Saitenspiel des Herzens bewegen, zu verfolgen vermag. – Aber, Julie, giebt es keine Zeit[3] im Leben, wo diese jugendliche Begeisterung[1] in ihrer ganzen Stärke und Einheit, nur noch inniger, schöner[1], heiliger zurückkehrt? und welche Zeit[3] kann dies anders sein, als die, wo wir lieben?.
[31] Ritter, Fragm. II (1810), 88, Nr. 478: Denken wir an jemand, so denken wir ihn an ihm, wir denken ihn, und er selbst ist da. Die Lebenden geben den Todten die Unsterblichkeit; ein übles Andenken muß ihm ein Leben voll Hölle, wie ein gutes ein Leben voll Himmel, geben. Die Lebenden bilden das Todtengericht. Hier die Macht der Phantasie, des Gedankens. Alles an Etwas Denken, ist Denken dieses Etwas selbst. Wir geben Daseyn, eben aber, weil zum großen Theile es dem Gedachten gehört, läßt es uns nur jenen schwachen Grad der Gegenwart desselben zurück, der das Gedachte uns immer noch vom Wirklichen unterscheidet, genau, wie die zweyte Person, die ich sehe, doch für mich noch bey weitem den Grad der Wirklichkeit nicht hat, die ich mir selbst. – Um und um sind wir Lebensspender und -Verbreiter..
[32] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 398: Was die Bildung[10] des Vulcan betrifft, so zeigt uns diese die große Identität zwischen den Bildungen[16/10] der Phantasie und der organisch[4] schaffenden Natur[2]. Wie die Natur[2] durch die vorzügliche Ausbildung eines Organs[2] oder Triebs in einer Gattung von Geschöpfen sich genöthigt sieht, es dagegen in einem andern zu verkürzen, so hat hier die Phantasie das, was sie den mächtigen Armen des Hephästos gab, seinen Füßen entziehen müssen, welche hinkend sind. Aber allgemein gilt in Ansehung der häßlichen[1] Bildungen[10] der griechischen[2] Götterwelt, daß diese sämmtlichen Bildungen[10] in ihrer Art wieder Ideale, nur die umgekehrten Ideale sind, und daß sie dadurch wieder in den Kreis des Schönen[1] aufgenommen werden. ➢ Volltext.
[33] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 670 f. (671): Im Wunderbaren zeigt sich Poesie[20] und Prosa[3] im Kampf; das Wunderbare ist es nur gegenüber von der Prosa[3] und 〈671〉 in einer getheilten Welt. Im Homer ist, wenn man will, alles, aber eben deßwegen nichts wunderbar. Allein Ariosto hat wirklich vortrefflich verstanden, sein Wunderbares vermittelst seiner Leichtigkeit, seiner Ironie[1] und des oft ganz ungeschmückten Vortrags in ein Natürliches zu verwandeln. Er wird auch am schwersten da zu erreichen seyn, wo er ganz trocken erzählt. Im Uebergang aber von solchen Partieen zu andern, über die er den ganzen Schmuck seiner reichen Phantasie ergossen, malen sich die Contraste und Mischungen des Stoffs, welche im romantischen[12/4] Gedicht nothwendig sind [...]. ➢ Volltext.
[34] Schiller, Kasualged. (1782), NA 22, 191: Der Verfasser, ein vortrefflicher Kopf, hat seine eigene komische Laune, die ihn unstrittig zu etwas besserm als Kasualgedichten berechtigte, wenn er billig genug gegen sich selbst wäre. Schade, daß er sein herrliches Dichtertalent an dem unfruchtbaren Stoff der Hochzeiten und Alltagsleichen verschwendet; wir hätten aus seiner Feder einen guten komischen Roman zu erwarten. Sein Witz[4] ist munter und treffend; seine Verse fließen frei und harmonisch; seine lebhafte Phantasie arbeitet auch aus dem kärglichsten Gegenstand Interesse hervor..
[35] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 41 f. (42): Noch ein andrer Umstand mußte das Wachsthum der neuen[1] Religion[1] in diesen Ländern [sc. Niederlande] begünstigen. Italien, 〈42〉 damals der Sitz der größten Geistesverfeinerung, ein Land, wo sonst immer die heftigsten politischen Faktionen gewüthet haben, wo ein brennendes Klima das Blut zu den wildesten Affekten erhitzt, Italien, könnte man einwenden, blieb unter allen europäischen Ländern beinahe am meisten von dieser Neuerung [sc. Reformation] frei. Aber einem romantischen[6] Volk[1], das durch einen warmen und lieblichen Himmel, durch eine üppige, immer junge und immer lachende Natur[2] und die mannichfaltigsten Zaubereien der Kunst[2] in einem ewigen Sinnengenusse erhalten wird, war eine Religion[1] angemessener, deren prächtiger Pomp die Sinne[4] gefangen nimmt, deren geheimnißvolle Räthsel der Phantasie einen unendlichen Raum eröfnen, deren vornehmste Lehren sich durch mahlerische[4] Formen in die Seele einschmeicheln. Einem Volke[1] im Gegentheil, das, durch die Geschäfte des gemeinen bürgerlichen Lebens zu einer undichterischen Wirklichkeit herabgezogen, in deutlichen Begriffen[1] mehr als in Bildern lebt, und auf Unkosten der Einbildungskraft seine Menschenvernunft ausbildet; einem solchen Volk[1] wird sich ein Glaube empfehlen, der die Prüfung weniger fürchtet, der weniger auf Mystik als auf Sittenlehre dringt, weniger angeschaut als begriffen werden kann. Mit kürzeren Worten[2]: Die katholische Religion[1] wird im Ganzen mehr für ein Künstlervolk, die protestantische mehr für ein Kaufmannsvolk taugen..
[36] Schiller, Ästh. Erzieh. (1795), NA 20, 321: Die Griechen beschämen uns nicht bloß durch eine Simplicität, die unserm Zeitalter fremd[5] ist; sie sind zugleich unsre Nebenbuhler, ja oft unsre Muster in den nehmlichen Vorzügen, mit denen wir uns über die Naturwidrigkeit unsrer Sitten zu trösten pflegen. Zugleich voll Form und voll Fülle, zugleich philosophirend und bildend, zugleich zart und energisch sehen wir sie die Jugend der Phantasie mit der Männlichkeit der Vernunft[1] in einer herrlichen Menschheit[3] vereinigen. | Damals bey jenem schönen[1] Erwachen der Geisteskräfte hatten die Sinne[3] und der Geist[22] noch kein strenge geschiedenes Eigenthum; denn noch hatte kein Zwiespalt sie gereizt, mit einander feindselig abzutheilen, und ihre Markung zu bestimmen. Die Poesie[1] hatte noch nicht mit dem Witze[2] gebuhlt, und die Spekulation sich noch nicht durch Spitzfindigkeit geschändet. .
[37] Schiller, Chor. Trag. (1803), VI: Wem die Natur[2] zwar einen treuen Sinn[9] und eine Innigkeit des Gefühls verliehen, aber die schaffende Einbildungskraft versagte, der wird ein treuer Mahler des Wirklichen seyn, er wird die zufällige Erscheinungen aber nie den Geist[12] der Natur[2] ergreifen. Nur den Stoff der Welt wird er uns wiederbringen, aber es wird eben darum nicht unser Werk, nicht das freie Produkt unsers bildenden Geistes[19] seyn, und kann also auch die wohlthätige Wirkung der Kunst[2], welche in der Freiheit[10] besteht, nicht haben. Ernst zwar, doch unerfreulich ist die Stimmung, mit der uns ein solcher Künstler und Dichter entläßt, und wir sehen uns durch die Kunst[2] selbst, die uns befreien sollte, in die gemeine enge Wirklichkeit peinlich zurück versezt. Wem hingegen zwar eine rege Phantasie aber ohne Gemüth und Charakter[3] zu Theil geworden, der wird sich um keine Wahrheit bekümmern; sondern mit dem Weltstoff nur spielen, nur durch phantastische[2] und bizarre Combinationen zu überraschen suchen, und wie sein ganzes Thun nur Schaum und Schein ist, so wird er zwar für den Augenblick unterhalten, aber im Gemüth nichts 〈VII〉 erbauen und begründen. Sein Spiel ist, so wie der Ernst des andern, kein poetisches[1]. Phantastische[2] Gebilde willkührlich aneinander reihen, heißt nicht ins Ideale gehen, und das Wirkliche nachahmend wieder bringen, heißt nicht die Natur[10] darstellen..
[38] A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 167: Meisners Andenken, an dessen Stelle Lafontaine gleichsam trat, ruft nur noch dann und wann ein grauer Apollo zurück. [⦿] Seine steife Eleganz hatte immer etwas todtes an sich. Er war so prüde und kostbar, als Lafontaine lebendig und ungezwungen, und es ist ihm nie wie diesem gelungen, der Liebenswürdige zu heißen. An Verstand übertraf ihn Meisner leicht, aber es war von der dürren Gattung, die den Geist[19] nicht zu fesseln vermag. Lieblingsschriftsteller ist er dennoch gewesen. Mehr kann Lafontaine auch nicht werden; das ist wenig genug, aber immer zu viel für die im Ganzen so herabziehende Tendenz seiner Produkte, denen es an Poesie[14], an Geist[27], ja sogar an romantischem[4] Schwunge fehlt. | Wer also einiges Bedürfniß für alle diese Dinge hat, wird sich gern von jener materiellen Masse, jener breiten Natürlichkeit, zu luftigeren Bildungen[16] der Fantasie wenden, die bald heitern[5] Scherz hingaukeln, bald die Musik zarter Regungen anklingen lassen. Ihm wird alsdann eine ruhige Darstellung sehr erquickend entgegen kommen, die, wenn sie auch noch nicht bis zur Vollendung gediehen ist, doch in der milden Temperatur eines künstlerischen Sinnes geboren wurde. Die theils dramatisirten, theils erzählten Volksmährchen von Tieck unter dem Namen Peter 〈168〉 Leberecht, sind von dieser Art: doch scheinen sie bis jetzt nicht mit der Aufmerksamkeit bewillkommt worden zu seyn, auf die eine so gefällige Erscheinung wohl rechnen dürfte, wenn es nicht gar wenige gäbe, welche in der Dichtung nur die Dichtung suchen. ➢ Volltext.
[39] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 22: Ein starkes Übergewicht der Vokale deutet auf üppige und zerflossene Sinnlichkeit, so wie hingegen der Mangel daran und die Häufung harter Konsonanten auf Gefühllosigkeit, harten Verstand[1] und häßliche[1] Phantasie. Es muß ein harmonisches Verhältnis der Rezeptivität und Spontaneität im Innern des Menschen stattfinden. [...] Häßliche[1] Phantasie faßt häßliche[1] Gegenstände auf und verschönert nichts. .
[40] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 141: Darstellung heißt, eine innere Vorstellung bis zur Anschaulichkeit vor Andere bringen. Diese Vorstellung braucht sich auf kein äußeres Vorbild zu beziehen, im Begriffe[1] der Darstellung liegt die Unabhängigkeit von einer bestimmten Wirklichkeit, wobei die Phantasie selbsttätig wirkt ohne äußeres Vorbild (das Poetische[2] in den Künsten[2]); hingegen bei der Nachahmung findet Abhängigkeit von bestimmter Wirklichkeit statt; das Dargestellte wird immer durch andere Mittel zur Anschaulichkeit gebracht als wodurch es in der Wirklichkeit erscheint; hingegen das Nachgeahmte bedient sich derselben Mittel. Eine zweite Einteilung bezieht sich auf das Nachahmen selbst; man stellt entweder bessere Menschen als sie wirklich sind, oder ebensolche, oder schlechtere. Die Ausdrücke: bessere und schlechtere beziehen sich nicht auf moralische Eigenschaften, sondern auf die gesamte Erscheinung des Menschen, insofern sie edel oder unedel, schön[1] oder häßlich[1] sind. So unterscheidet man die Tragödie von der Komödie dadurch, daß erstere die Menschen ins Schöne[1] idealisiert, und die Komödie ins Häßliche[1] und Lächerliche. .
[41] A. W. Schlegel, Zeichn. (1799), 243: Bey der sonst feurigen und doch einfachen Komposizion vom Schwur der sieben Helden gegen Thebe, hat einmal ein moderner[1] Gebrauch zu fest in der Fantasie des Künstlers[2] gehaftet, als daß er den Irrthum hätte wahrnehmen sollen. Sie stehen nämlich in ihrer Rüstung und mit den Schilden gegen einander, drey an einer, 〈244〉 vier an der andern Seite des geschlachteten Stiers, und halten alle den Daum und die nächsten zwey Finger in die Höhe [❏], welches gewiß nicht die griechische[2] Weise zu schwören war. ➢ Volltext.
[42] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!
1802–03), KAV 1, 714: Boileau ist einer von den Menschen, die sich durch die bloße Negation geltend gemacht haben. Durch die Armuth an Fantasie gelangte er zum Ruf des Urtheils, durch den gänzlichen Mangel an Gefühl, zu dem des Verstandes; aber welchem Mangel er unter einer, nicht ganz mit Unrecht für witzig gehaltnen Nation[1], den Ruhm des Witzes[1] zu verdanken hat, dieß habe ich noch nicht ausfindig machen können..[43] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 177: Der anerkannt auch nach Einführung der Buchstabenschrift fortgesetzte Gebrauch der Hieroglyphen spricht [...] die große Wahrheit aus: daß der Verstand[1], dessen Beruf die Handhabung irdischer Dinge ist, hiezu die bequemsten Werkzeuge vorzieht: also willkührlich gebildete Begriffe[1], als Fächer und Classen[1] die Dinge hierin zu ordnen, willkührliche Zeichen derselben in der Wortsprache, und endlich willkührliche Zeichen von diesen willkührlichen in der Buchstabenschrift; daß hingegen zur vernünftigen d. i. philosophischen Erkenntniß der Natur[2] und Gottheit eine Anschauung erfodert wird, daß hier die Fantasie immer rege seyn, und also durch bildliche Zeichen aufgefodert werden muß..
[44] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 23 f. (24): Und wenn nun die Seele gleichsam unter den Trauerweiden der Verbannung ruhend, ihr Verlangen nach der fremd[4] gewordnen Heimath ausathmet, was andres kann der Grundton ihrer Lieder 〈24〉 seyn als Schwermuth? So ist es denn auch: die Poesie[11] der Alten[10] war die des Besitzes, die unsrige ist die der Sehnsucht; jene steht fest auf dem Boden der Gegenwart, diese wiegt sich zwischen Erinnerung und Ahndung. Man mißverstehe dieß nicht, als ob alles in einförmige Klage verfließen, und die Melancholie sich immer vorlaut aussprechen müßte. Wie in der heitern[4] Weltansicht der Griechen die herbe Tragödie dennoch möglich war, so kann auch die aus der oben geschilderten entsprungene romantische[12/9] Poesie[11] alle Stimmungen bis zur fröhlichsten durchgehen; aber sie wird immer in einem namenlosen Etwas Spuren ihrer Quelle an sich tragen. Das Gefühl ist im ganzen bey den Neueren[3] inniger, die Fantasie unkörperlicher, der Gedanke beschaulicher geworden. ➢ Volltext.
[45] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 264: In mythologischen Geschichten[10], wobey Bacchus nichts zu schaffen hatte, ließen sich [...] seine beständigen Begleiter zwar nur mit einer gewissen Willkühr, jedoch nicht ohne Schicklichkeit anbringen. Wie die Natur[2] in ihrer ursprünglichen Freyheit[1] überhaupt der griechischen[2] Fantasie als reich an Wundererzeugnissen erschien, so durfte man wohl die wilden Landschaften, wo gewöhnlich der Schauplatz lag, fern vom Anbau gesitteter 〈265〉 Städte, mit jenen sinnlich fröhlichen Waldnaturen bevölkern. ➢ Volltext.
[46] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 72 f. (73): Wo das eigentlich Tragische eintritt, hört freylich alle Ironie[1] auf; allein von dem eingestandnen Scherz der Komödie an bis dahin, wo die Unterwerfung sterblicher Wesen unter ein unvermeidliches Schicksal den strengsten Ernst fodert, giebt es eine Menge menschlicher Verhältnisse, die allerdings, ohne die ewige Gränzscheidung zwischen Gut und Böse zu verwirren, mit Ironie[3] betrachtet werden dürfen. Diesem Zweck dienen die komischen Personen und Auftritte, welche in Shakspeare's meisten Stücken einer edlen und erhöhenden Darstellung romantischer[7] Dichtungen oder historischer Vorfälle eingeflochten sind. Manchmal ist eine bestimmte Parodie des ernsthaften Theils darin nicht 〈73〉 zu verkennen; andremale ist der Zusammenhang loser und willkührlicher, um so mehr, je wunderbarer die Erfindung des Ganzen ist, je mehr es bloß zu einer leichten Gaukeley der Fantasie wird. Ueberall dienen die komischen Unterbrechungen dazu, zu verhüten, daß das Spiel sich nicht in ein Geschäft verwandle, dem Gemüth seine Heiterkeit[4] zu bewahren, und jenen trüben schwunglosen Ernst abzuhalten, der sich so leicht im sentimentalen jedoch nicht tragischen Schauspiele einschleicht. ➢ Volltext.
[47] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 32 ff. (34): Schon in den frühesten Zeitaltern der Europäischen Bildung[5] finden sich unverkennbare Spuren des künstlichen Ursprungs der 〈33〉 modernen[1] Poesie[11]. Die Kraft, der Stoff war zwar durch Natur[13] gegeben: das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2] war aber nicht der Trieb, sondern gewisse dirigirende Begriffe[1] [...]. Selbst der individuelle Charakter[1] dieser Begriffe[1] war durch Umstände veranlaßt, und durch die äußre Lage nothwendig bestimmt. Daß aber der Mensch[1] nach diesen Begriffen[1] sich selbst bestimmte, den gegebnen Stoff ordnete, und die Richtung seiner Kraft determi〈34〉nierte; das war ein freyer[10] Aktus des Gemüths. Dieser Aktus ist aber eben der ursprüngliche Quell, der erste bestimmende Anstoß der künstlichen Bildung[2], welcher also mit vollem Recht der Freyheit[10] zugeschrieben wird. Die Phantasterey der Romantischen[12] Poesie[11], hat nicht etwa wie Orientalischer[1] Bombast eine abweichende Naturanlage zum Grunde. Es sind vielmehr abenteuerliche[3] Begriffe[1], durch welche eine an sich glückliche, dem Schönen[2] nicht ungünstige Phantasie eine verkehrte Richtung genommen hatte. Sie stand also unter der Herrschaft von Begriffen[1]; und so dürftig und dunkel diese auch seyn mochten, so war doch der Verstand[2] das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2]..
[48] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 58 f. (59): Die Vernunft ist nur eine und in allen dieselbe: wie aber jeder Mensch seine eigne Natur hat und seine eigne Liebe, so trägt auch jeder seine eigne Poesie in sich. Die muß ihm bleiben und soll ihm bleiben, so gewiß er der ist, der er ist, so gewiß nur irgend etwas Ursprüngliches in ihm war; und keine Kritik kann und darf ihm sein eigenstes Wesen, seine innerste Kraft rauben, um ihn zu einem allgemeinen Bilde ohne Geist und ohne Sinn zu läutern und zu reinigen, wie die Thoren sich bemühen, die nicht wissen was sie
〈59〉
Fantasie
. ➢ Volltext
.[49] F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 55: [S]päterhin beschränkten sich die Italiäner auf ihre eigne Nationalität, begnügten sich nur mit dem, was ihre ersten Dichter von den Provenzalen genommen hatten, oder wagten Versuche, den Dichtern des römischen Alterthums[3] nachzueifern. | Nicht so in der spanischen Poesie[11]; sie eignete sich von allen Seiten her ausländische Formen und Reize an, die verschiedensten romantischen[2/4/5/6/7/8] Elemente treffen hier zusammen, um endlich die vollkommenste und farbigste Blüthe der Phantasie hervorzubringen und zum höchsten Glanz zu vollenden. ➢ Volltext.
[50] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 461 f. (462): Das Genie[2] des Cervantes abgerechnet, dem wohl einiges frey stand, was einem andern zur Nachfolge nicht zu rathen wäre; so waren auch die Verhältnisse, unter denen er in Prosa[1] darstellte und dichtete, ungleich günstiger, als die seiner Nachfolger. Das 〈462〉 wirkliche Leben in Spanien war damals noch mehr ritterlich[1] und romantisch[3/4], als in sonst irgend einem Lande von Europa. Selbst der Mangel an einer allzustreng vervollkommneten bürgerlichen Ordnung, das freyere[17] und wildere Leben in den Provinzen konnte für die Poesie[15] günstiger seyn. | In allen diesen Versuchen, die prosaische[3] Wirklichkeit durch Witz[4] und Abentheuer, oder durch Geist[27] und Gefühlserregung zu einer Gattung der Dichtkunst zu erheben, sehen wir die Verfasser immer auf irgend eine Weise eine poetische[3] Ferne suchen; sey es nun in dem Künstlerleben des südlichen[3] Italiens, wie oft in den deutschen Romanen[1]; oder in den amerikanischen Wäldern und Wildnissen, was vielfältig bey den Ausländern versucht worden. Ja, wenn auch die Begebenheit ganz im Lande und in der Sphäre des einheimischen bürgerlichen Lebens spielt, immer strebt die Darstellung, so lange sie noch Darstellung bleibt, und nicht bloß in ein Gedankenspiel der Laune, des Witzes[2] und des Gefühls sich auflöst, auf irgend eine Weise aus der beengenden Wirklichkeit sich heraus zu arbeiten, und irgend eine Oeffnung, einen Eingang zu gewinnen in ein Gebiet, wo die Fantasie sich freyer[1] bewegen kann; wären es auch nur Reiseabentheuer, Zweykämpfe, Entführungen, eine Räuberbande oder die Ereignisse und Verhältnisse einer fahrenden Schauspielergesellschaft. | Der Begriff[1] des Romantischen[3/4/1] in diesen Romanen[1], selbst in vielen der bessern und berühmtesten, fällt meistens ganz zusammen mit dem Polizeywidrigen. Ich 〈463〉 erinnere mich hiebey der Aeußerung eines berühmten Denkers, welcher der Meynung war, daß bey einer durchaus vollkommenen Polizey [...] ein Roman[1] schlechtweg unmöglich seyn würde, weil alsdann gar nichts im wirklichen Leben vorkommen könnte, was dazu irgend Veranlassung, oder einen wahrscheinlichen Stoff darbieten würde. ➢ Volltext.
[51] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 468: So wie die spanische Monarchie bis um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts die größte und glänzendste in Europa, der spanische Nationalgeist der entwickeltste war, so stand auch die Bühne zu Madrid, der lebendige Spiegel dieses Nationallebens, am frühesten in reichem Flor. Diesen Reichthum und die Fülle der Empfindung hat das übrige Europa immer anerkannt, weniger die eigenthümliche Form und Bedeutung, den eigentlichen Sinn[2] und Geist[12] dieses spanischen Schauspiels. Hätte es auch nur den Vorzug, daß es durchaus romantisch[2] ist, so würde es schon dadurch sehr merkwürdig, es würde lehrreich seyn, an diesem Beyspiel zu sehen, welche Art von dramatischer Dichtkunst denn aus der Ritterpoesie, überhaupt aus der dem neueren[3] Europa und dem Mittelalter eigenthümlichen Richtung der Fantasie hervorgehen könne. ➢ Volltext.
[52] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 477 f. (478): Da die spanische Dichtkunst überhaupt ohne allen fremdartigen Einfluß und durchaus rein romantisch[7] geblieben ist, da die christliche Ritterpoesie des Mittelalters bey dieser Nation[1] am längsten bis in die Zeiten[3] der neuern[3] Bil〈478〉dung[5] fortgedauert, und die kunstreichste Form erlangt hat, so ist hier wohl der rechte Ort, das Wesen des Romantischen[12/7] überhaupt zu bestimmen. Es beruht allein auf dem mit dem Christenthum und durch dasselbe auch in der Poesie[11] herrschendem [sic] Liebegefühl, in welchem selbst das Leiden nur als Mittel der Verklärung erscheint, der tragische Ernst der alten[10] Götterlehre und heidnischen Vorzeit in ein heiteres[5] Spiel der Fantasie sich auflöst, und dann auch unter den äußern Formen der Darstellung und der Sprache[1] solche gewählt werden, welche jenem innren Liebegefühl und Spiel der Fantasie entsprechen. ➢ Volltext.
[53] Schleiermacher, Ath.-Fragm. (1798), 102, Nr. 350: Keine Poesie[7], keine Wirklichkeit. So wie es trotz aller Sinne[4] ohne Fantasie keine Außenwelt giebt, so 〈103〉 auch mit allem Sinn[5] ohne Gemüth keine Geisterwelt. Wer nur Sinn[5] hat, sieht keinen Menschen[9], sondern bloß Menschliches: dem Zauberstabe des Gemüths allein tut sich alles auf. Es setzt Menschen[9] und ergreift sie; es schaut an wie das Auge ohne sich seiner mathematischen Operazion bewußt zu seyn. ➢ Volltext.
[54] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 75 f. (76): Wissen überhaupt heißt: solche Urtheile in der Gewalt seines Geistes[19] zu willkührlicher Reproduktion haben, welche in irgend etwas außer ihnen ihren zureichenden Erkenntnißgrund haben, d. h. wahr sind. Die abstrakte Erkenntniß allein ist also ein Wissen; dieses ist daher durch die Vernunft[1] bedingt, und von den Thieren[1] können wir 〈76〉 nicht sagen, daß sie irgend etwas wissen, wiewohl sie die anschauliche Erkenntniß, für diese auch Erinnerung und eben deshalb Phantasie haben, welche überdies ihr Träumen beweist. Bewußtsein legen wir ihnen bei, dessen Begriff[1] folglich, obgleich das Wort[1] von Wissen genommen ist, mit dem des Vorstellens überhaupt, von welcher Art es auch sei, zusammenfällt. Daher auch legen wir der Pflanze[1] zwar Leben, aber kein Bewußtseyn bei. ➢ Volltext.
[55] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 402: Der Mensch[1] allein trägt in abstrakten Begriffen[1] die Gewißheit seines Todes mit sich herum: diese kann ihn dennoch, was sehr seltsam ist, nur auf einzelne Augenblicke, wo ein Anlaß sie der Phantasie vergegenwärtigt, ängstigen. Gegen die mächtige Stimme[14] der Natur[13] vermag die Reflexion wenig. Auch in ihm, wie im Thiere[1], das nicht denkt, waltet als dauernder Zustand jene [...] 〈403〉 [...] Sicherheit vor, vermöge welcher keinen Menschen[1] der Gedanke des gewissen und nie fernen Todes merklich beunruhigt, sondern jeder dahinlebt, als müsse er ewig leben [...]. ➢ Volltext.
[56] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 166: Herr von Beeke [...] gehört nicht nur unter die besten Flügelspieler, sondern auch unter die vorzüglichsten und originalsten[1] Componisten. Seine Hand ist klein und brillant; sein Vortrag deutlich und rund; seine Phantasie reich und glänzend, und – was ihn am meisten ehrt, seine ganze Spielart selbst geschaffen. Er hat im Clavier eine Schule gebildet, die man die Beekische nennt. Der Charakter[1] dieser Schule ist: eigenthümlicher Fingersatz, [...] deutlicher Vortrag, spielender Witz[4] in den Passagen, und sonderlich ein herrlicher Pralltriller. In diesem Style sind auch Beekes Clavierstücke geschrieben..
[57] R. Schumann, Tageb. I (*1828), 97: Schwere Cigarren stimmen mich hoch u. poetisch[2]; je mehr bey mir der Körper abgespannt ist, desto mehr ist der Geist[20] überspannt. | Wenn ich betrunken bin oder mich gebrochen habe, so war am andern Tage die Fantasie schwebender[7] u. erhöhter. Während der Trunkenheit kann ich nichts machen, aber nach ihr..
[58] L. Tieck, an Wackenroder (12. 6. 1792), VL 2, 51: Endlich stieg ich auf die Felsen, die schönste[1] Gegend bei Giebichenstein, wie alles romantisch[3/4/7/13] vor mir lag, mir war, als lebt' ich in der fernsten Vergangenheit, die Ruinen des Ritterschlosses blickten so ernsthaft nach mir hin, die Felsen gegen über, die Felsen über mir, die wankenden Bäume, das Hundebellen, alles war so schauerlich, alles stimmte die Phantasie so rein, so hoch..
[59] L. Tieck, Phant. ü. d. Kunst (1799), 92: Er [sc. Watteau] zog sich ganz in seine eigne Farbenwelt zurück, seine Phantasie ward heiter[5] und fröhlich, so wie er den Pinsel ergriff. Ich habe ihm innerlich schon oft für seine Romanzen, für seine Tanzlieder Dank gesagt, für seine allerliebsten Weingesänge; ich habe oft nach Betrachtung seiner Gemählde die Regung des Lebens um mich lieblicher gefühlt.
➢ Volltext
.[60] L. Tieck, Zerbino (1799), 19: Ich habe hier ein Buch geschrieben [...]. Es soll dazu dienen, die gespannte Phantasie wieder etwas herabzustimmen, den Verstand aufzuklären, indem wir das Unförmliche einsehn, und uns so in der Poesie[11] unvermerkt zum Klassischen[3/5] und Vollendeten zu führen..
[61] L. Tieck, Phantasus I (1812), 3 f. (4): Dieses romantische[3] Gebirge, sagte Ernst, erinnert mich lebhaft an einen der schönsten[1/4] Tage meines Lebens. In der heitersten[2] Sommerszeit hatte ich die Fahrt über den Lago maggiore gemacht und die Borromäischen Inseln besucht; von einem kleinen Flecken am See ritt ich dann mit dem frühsten Morgen nach Belinzona, das mit seinen Zinnen und Thürmen auf Hügeln und im engen Thal ganz alterthümlich sich darstellt, und uns alte[11] Sagen und Geschichten[8] wunderlich vergegenwärtigt, und von dort reisete ich am Nachmittage ab, um am folgenden Tage den Weg über den Sankt Gotthard anzutreten. Am Fuße dieses Berges liegt äußerst anmuthig[2] Giarnito, und einige Stunden vorher führt dich der Weg durch das reizendste Thal, in welchem Weingebirge und Wald auf das mannigfaltigste wechselt, und von allen Bergen große und kleine Wasserfälle klingend und wie musizirend niedertanzen; immer enger rücken die Felsen zusammen, je mehr du dich dem Orte näherst, und endlich ziehn sich Weinlauben über dir hinweg von Berg zu Berg, und verdecken von Zeit[7] zu 〈4〉 Zeit[7] den Anblick des Himmels. Es wurde Abend, eh ich die Herberge erreichte, beim Sternenglanz, den mir die grünen Lauben oft verhüllten, rauschten näher und vertraulicher die Wasserfälle, die sich in mannigfachen Krümmungen Wege durch das frische Thal suchten; die Lichter des Ortes waren bald nahe, bald fern, bald wieder verschwunden, und das Echo, das unsere Reden und den Hufschlag der Pferde wiederholte, das Flüstern der Lauben, das Rauschen der Bäume, das Brausen und Tönen der Wasser, die wie in Freundschaft und Zorn abwechselnd näher und ferner schwazten und zankten, vom Bellen wachsamer Hunde aus verschiedenen Richtungen unterbrochen, machten diesen Abend, indem noch die grünenden Borromäischen Inseln in meiner Phantasie schwammen, zu einem der wundervollsten meines Lebens, dessen Musik sich oft wachend und träumend in mir wiederholt. Und – wie ich sagte – dieses romantische[3] Gebirge hier erinnert mich lebhaft an den Genuß jener schönen[1/4] Tage..
[62] L. Tieck, Phantasus I (1812), 64 f. (65): Es fehlt unsrer Zeit[5], sagte Friedrich, so sehr sie die Natur[19] sucht, eben der Sinn[5] für Natur[19], denn nicht allein diese regelmäßigen Gärten, die dem jetzigen Geschmacke zuwider sind, bekehrt man 〈65〉 zum Romantischen[3/4], sondern auch wahrhaft romantische[3/4] Wildnisse werden verfolgt, und zur Regel und Verfassung der neuen[7] Gartenkunst erzogen. So war ehemals nur die große wundervolle Heidelberger Ruine eine so grüne, frische, poetische[1/3?] und wilde Einsamkeit, die so schön[1] mit den verfallenen Thürmen, den großen Höfen, und der herrlichen Natur[2] umher in Harmonie stand, daß sie auf das Gemüth eben so wie ein vollendetes Gedicht aus dem Mittelalter wirkte, ich war so entzückt über diesen einzigen Fleck unsrer deutschen Erde, daß das grünende Bild seit Jahren meiner Phantasie vorschwebte, aber vor einiger Zeit[6] fand ich auch hier eine Art von Park wieder, der zwar dem Wandelnden manchen schönen[1] Platz und manche schöne[1] Aussicht gönnt, der auf bequemen Pfaden zu Stellen führt, die man vormals nur mit Gefahr erklettern konnte, der selbst erlaubt, Erfrischungen an anmuthigen Räumen ruhig und sicher zu genießen, doch wiegen alle diese Vortheile nicht die großartige und einzige Schönheit[1] auf, die hier aus der besten Absicht ist zerstört worden..
[63] Trahndorff, Baukunst d. Mittelalt. (1828), 30: Wie übrigens die reichen Laubverzierungen mit [...] ächtarchitektonischen harmoniren, und durch welche Grundidee diese Harmonie bedingt sey, wie vielleicht ein tief und ursprünglich in der Volksphantasie liegendes Bild von der Beschaffenheit heiliger und den wichtigsten Angelegenheiten einer Gesammtheit gewidmeter Orte hier ein verborgenes Spiel trieb, dieß kann hier nur andeutungsweise berührt werden. Manche haben sich entschieden dagegen erklärt , daß das Bild eines heiligen Haines dem Kirchenbau des Mittelalters zum Grunde liegen könne, indem sie sich auf die Kluft stützen zwischen der Zeit[3] der heiligen Haine unter den Germanen und zwischen der Blüthenzeit jenes Baustyls. Dennoch aber drängt sich beym Anblick dieser sich massenweise dnrchschneidenden Bogen, dieser an Thür- und Fensteröffnungen oder Nischen hintereinander zusammengedrängten Vervielfältigung der Bogendurchsicht, der starken, aus mehreren zusammengesezt erscheinenden Pfeiler, die, wie Stämme und Stammgruppen ein Laubdach, die Gewölbe stützen, und der schwebenden[3] Dächer, diese Vorstellung so unwillkürlich und bestimmt auf, daß man sich ihrer schwerlich erwehren kann; ja es ist, als, ob selbst die Entstehung des Spitzbogens in den sich kreuzenden Aesten und Zweigen vorgebildet wäre. Ob nun mit dem Lebensprinzip eines Zeitalters sich noch eine ursprüngliche oder durch die Ausbildung ursprünglicher Eigenschaften eines Volkes[1] bestimmte Gestaltungsart der Phantasie als ein Vermittelndes vereinigen könne, ist ein psychologisches Problem, welches nur von der Einseitigkeit unter die Träume gezählt werden wird..
[64] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 142: Die Natur[2] hatte sein Inneres mit einer immer gährenden Phantasie erfüllt, und seinen Geist[19] mit schwe〈143〉ren und düstern Gewitterwolken bezogen, so daß sein Gemüth immer in unruhiger Arbeit war, und unter ausschweifenden Bildern umhertrieb, ohne jemals sich in einfacher und heiterer[4] Schönheit[6] zu spiegeln. ➢ Volltext.
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