[1]
S. Bernhardi, an A. W. Schlegel (ca. 30. Aug. 1801), KJ 1, 17
: Und doch kan ich nun nicht so scheiden doch muß ich Dir sagen daß Deine kaltsinnige Briefe[1] mich nicht erkälten können, daß ich so thöricht bin sie so oft zu lesen bis ich den gleichgültigen Worten[2] einen zärtlichen Sinn unterlege daß ich mich bemühe das Bestreben so bald zurik zu kehren ganz allein um meinetwillen zu glauben und es zu vergessen suche was Dich noch alles hieher zieht. Lebe wohl ich will nicht weiter schreiben ich wirde sonst in Tränen ausbrechen und es jedem verrahten wie sehr mich der Gedanke und das Schreiben an Dich bewegt. [⦿]
[2]
Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), 11
: Die Gabe der Deutlichkeit hat Pausanias nicht; sein Ausdruck ist immer so gezwungen, geschraubt und gespannt, daß man oft über den eigentlichen Sinn verlegen ist. ➢ Volltext
[3]
Kant, Religion (1793), XVIII
: So kann man z.B. nicht sagen, daß der Lehrer des Naturrechts, der manche klassische[4] Ausdrücke und Formeln für seine philosophische Rechtslehre aus dem Codex der römischen entlehnt, in diese einen Eingriff
thue, wenn er sich derselben, wie oft geschieht, auch nicht genau in demselben Sinn bedient, in welchem sie, nach den Auslegern des letztern, zu nehmen seyn möchten, wofern er nur nicht will, die eigentlichen Juristen oder gar Gerichtshöfe sollten sie auch so brauchen.
[4]
Kant, Metaph. d. Sitt. I (1797),
EXLIII f. (XLIV)
: Man kann diese Einteilung sehr wohl nach dem Ulpian [sc. Domitius Ulpianus (ca. 170–223), römischer Jurist] machen, wenn man seinen Formeln einen Sinn unterlegt, den er sich dabei zwar nicht deutlich gedacht haben mag, den sie aber doch verstatten daraus zu entwickeln, oder hinein zu legen.
[5]
Schelling/C. Schelling, Sch. Knst. (1806), 275
: Der Vf. bildet sich wahrscheinlich ein, man dürfe nur Unsinn sprechen, so wäre gleich Methode darin, oder wo keine Methode sey, da müßte der Leser um so mehr Sinn vermuthen.
[6]
F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 67
: Eine provenzalische Grammatik ist in dem Katalogus der Nationalbibliothek angegeben, wird aber seit mehreren Jahren nicht mehr gefunden. Die Sprache[3] aber ist denn doch dem Französischen, dem Italiänischen, und auch vorzüglich dem Spanischen so nah verwandt, daß man meistentheils schon durch diese Kenntniß bei Anwendung einiger Mühe im Stande seyn wird, den Sinn herauszukriegen. Wo dies aber nicht aushilft, bleibt das wichtigste Hülfsmittel die Kenntniß des gegenwärtigen provenzalischen und languedocschen Dialects[1]; von welchen beide[n] man Lexica hat.
[7]
Schleiermacher, Hermen. (*1809–10), K, 57
: Grammat[ische] Interpretation [...] ist [...] die Kunst[6] aus der Sprache[3] und mithülfe der Sprache[3] den bestimmten Sinn einer gewissen Rede zu finden.
[8]
A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 12
: In dem Sinne, in welchem wir hier das Wort[1] Sprache genommen haben, bezeichnet es eine individuelle Sprache[3], als solche wird sie freilich mit den allgemeinen und nothwendigen Sprach-Gesetzen übereinstimmen müssen; aber die Erfahrung zeigt, daß dies in den einzelnen Formen durchaus nicht der Fall sei [...]. Diese einzelnen und scheinbar willkührlichen Formen samlet nun nach ihren Aehnlichkeiten die einzelne Sprachlehre historisch unter gewisse Rubriken; und zusammengenommen bilden jene die Sprachanalogie; die Abweichungen von diesen häufigern Formen, werden eben so historisch unter dem Nahmen Anomalien verbunden; und beide zusammen konstituiren den Sprachgebrauch. Da nun dies Geschäft sich ganz eigentlich auf Buchstaben[9] bezieht, so sollte man auch den Nahmen Grammatik dafür sparen. ➢ Volltext.
[9]
Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 253
: Der Champion, (sprich Schampiong) Fr. der Streiter für eine Person oder Sache; ein Wort[1], welches jedoch bei uns mehr in einem ironischen[1] als ernsthaften Sinne gebraucht zu werden pflegt..
[10]
Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 334
: In einem engern Sinne nennt man Kritik[3/2] a) die Wissenschaft, die sich mit der Beurtheilung und Festsetzung der richtigen Lesarten alter Schriftsteller beschäftigt; b) die Wissenschaft der Regeln in den schönen Künsten, und die Beurtheilung der schönen Kunstwerke nach denselben..
[11]
Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 326
: Romantisch[7/4]. Da die meisten Romane[1] die Menschen[1] und Begebenheiten nicht so schildern, wie sie in der Natur[2] und in der wirklichen Welt erscheinen, sondern so, wie sie nach einem ästhetischen oder moralischen Ideale sein sollten, oder wie sie die oft überspannte Phantasie[3] des Dichters sich erträumt; so nennt man romantisch[7/4], im guten und schlimmen Sinne, alles, was entweder durch idealische[1] Vollkommenheit, oder durch abenteuerliche[3] Seltsamkeit und Verschrobenheit von dem Gewöhnlichen abweicht. .
[12]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. IV (1841), 574
: Im weitesten Sinne beginnt die Verdauung, wenigstens für die festen Nahrungsmittel, eigentlich schon im Munde, indem sie hier durch das Kauen zerkleinert und dabei reichlich mit Speichel vermischt, durch Beides aber zur Verarbeitung im Magen vorbereitet werden. Ist das geschehen, so gelangen sie durch Rachen und Speiseröhre in den Magen, der von allen zur Verdauung beitragenden Organen[2] das wichtigste ist. Hier verwandelt dieselben die auflösende Kraft des von den Gefäßen und Drüsen des Magens abgesonderten Magensaftes [...] in eine ziemlich gleichförmige breiartige oder noch dünnflüssigere Masse, den sogenannten Speisebrei, Chymus [...]. Ist die Bildung[3] dieses Speisebreies vollendet [...], so verlassen die solchergestalt veränderten Nahrungsmittel durch die untere, rechterseits gelegene, Pförtner genannte Öffnung den Magen, um in den Zwölffingerdarm zu gelangen.
.
[13]
Bürger, Vorr. Ged. (1789), 16
: In diesem Sinne habe ich es gemeint, was ich schon in der Vorrede zur ersten Ausgabe [...] behauptet, nur aber ein wenig abenteuerlich[3] ausgedrückt habe..
[14]
Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 43
: Die Erfahrung an sich ist ein Kasten voll untereinander geworfener Buchstaben[2]; der menschliche Geist[20] nur ist es, der einen Sinn in dieses Chaos bringt, der hier eine Iliade, und dort ein Schlenkertsches historisches Drama aus ihnen zusammensezt..
[15]
Goethe, an J. H. Meyer (1. 8. 1809), WA IV, 21, 18 f. (19)
: Kaaz hat sich auch hier ganz wohl befunden, ist herumgeführt worden, hat die Aussichten als Aussichten 〈19〉 gelobt, im Landschaftmalerischen Sinne gescholten und hier sowenig gezeichnet wie drüben. Daß es ihm doch auch nur eingefallen wäre einen so unschätzbar classischen[3] Platz, wie Schillers Garten, wo so treffliche Sachen wie seine Wallensteine, seine Almanache und sonst Gott weiß was zu Stande gekommen sind, zu zeichnen oder nur danach zu fragen!.
[16]
Goethe, Dicht. u. Wahrh. II (1812), WA I, 27, 343
: Die Darstellung dieses Charakters[7] [sc. des Vicar of Wakefield] auf seinem Lebensgange durch Freuden und Leiden, das immer wachsende Interesse der Fabel, durch Verbindung des ganz Natürlichen mit dem Sonderbaren und Seltsamen, macht diesen Roman [Oliver Goldsmith: The Vicar of Wakefield. A Tale (1766)] zu einem der besten, die je geschrieben worden; der noch überdieß den großen Vorzug hat, daß er ganz sittlich, ja im reinen Sinne[1] christlich ist, die Belohnung des guten Willens, des Beharrens bei dem Rechten darstellt, das unbedingte Zutrauen auf Gott bestätigt und den endlichen Triumph des Guten über das Böse beglaubigt, und dieß alles ohne eine Spur von Frömmelei oder Pedantismus. Vor beiden hatte den Verfasser der hohe Sinn[9] bewahrt, der sich hier durchgängig als Ironie[3] zeigt, wodurch dieses Werkchen uns eben so weise als liebenswürdig entgegenkommen muß..
[17]
Goethe, an C. Sartorius (18. 5. 1814), WA IV, 24, 275
: [E]s haben [...] diese Worte[2] einen mystischen Sinn, und dürfen nicht nach dem Buchstaben[11] genommen werden..
[18]
Goethe, Vorw. Gilblas (1822), V
: In diesem Sinne kann man solche Bücher [sc. Autobiographien] wahrhaft erbaulich nennen, wie es der Roman[1], moralische Erzählung, Novelle und dergleichen nicht 〈VI〉 seyn sollen: denn von ihnen als sittlichen Kunsterscheinungen verlangt man mit Recht eine innere Consequenz, die, wir mögen durch noch so viel Labyrinthe durchgeführt werden, doch wieder hervortreten und das Ganze in sich selbst abschliessen soll. | Das Leben des Menschen[1] aber, treulich aufgezeichnet, stellt sich nie als ein Ganzes dar; den herrlichsten Anfängen folgen kühne Fortschritte, dann mischt sich der Unfall drein, der Mensch[1] erholt sich, er beginnt, vielleicht auf einer höheren Stufe, sein altes[6] Spiel, das ihm gemäß war, dann verschwindet er, entweder frühzeitig, oder schwindet nach und nach, ohne daß auf jeden geknüpften Knoten eine Auflösung erfolgte..
[19]
Goethe, an W. v. Humboldt (22. 10. 1826), WA IV, 41, 202 f.
: Erinnern Sie sich wohl noch, mein Theuerster, einer dramatischen Helena, die im zweyten Theil von Faust erscheinen sollte? Aus Schillers Briefen[1] vom Anfang des Jahrhunderts sehe ich, daß ich ihm den Anfang vorzeigte, auch, daß er mich zur Fortsetzung treulich ermahnte. Es ist eine meiner ältesten Conceptionen, sie ruht auf der Puppenspiel-Überlieferung, daß Faust den Mephistopheles genöthigt, ihm die Helena zum Beylager heranzuschaffen. Ich habe von Zeit[7] zu Zeit[7] daran fortgearbeitet, aber abgeschlossen konnte das Stück nicht werden, als in der Fülle der Zeiten[6], da es denn jetzt seine volle 3000 Jahre spielt, von Troja's Untergang bis zur Einnahme von Missolunghi. Dieß kann man also auch für eine Zeiteinheit rechnen, im höheren Sinne; die Einheit des Orts und der Handlung[3] sind aber auch im gewöhn〈203〉lichen Sinn auf's genauste beobachtet. Es tritt auf unter dem Titel: | Helena | classisch[7]-romantische[12] | Phantasmagorie. | Zwischenspiel zu Faust. | Das heißt denn freylich wenig gesagt, und doch genug, hoff ich, um Ihre Aufmerksamkeit auf die erste Lieferung lebhafter zu richten, die ich von meinen Arbeiten zu Ostern darzubieten gedenke..
[20]
v. d. Hagen, Vorr. Nibel. (1810), IX
: Zusammenziehung oder Trennung der einzelen Wörter[1]. Hiebei gilt hauptsächlich der Grundsatz: verbunden werden alle, auch deßhalb so genannte untrennbare, für sich keinen vollen Sinn gebende Wörtchen, ferner, aus ähnlichem Grunde, alle Zusammensetzungen mit Vorwörtern, so wie die nicht durch Biegung des einen oder andern Wortes[1] vermittelten, sondern durch den Sinn zu Einem Begriff[1] und Anschauung, folglich auch Wort[1] verschmelzenden, poetischen[4] Zusammensetzungen; hingegen, wo die Zusammensetzung sich in eine Konstrukzion auflösen läßt, und wo das Vorwort mit vollerem Sinne als Nebenwort steht, findet Trennung statt..
[21]
Hegel, Enzykl. III (
31830), W 10, 377
: Wird [...] der für sich seiende Geist[19], in welchem alle Vermittlung sich aufgehoben hat, in nur formellem, inhaltslosem Sinne genommen, so daß der Geist[19] nicht zugleich als an sich seiender und objektiv sich entfaltender gewußt wird, so ist Jene unendliche Subjektivität das nur formelle, sich in sich als absolut wissende Selbstbewußtsein, die Ironie[3], welche allen objektiven Gehalt sich zunichte, zu einem eitlen zu machen weiß, somit selbst die Gehaltlosigkeit und Eitelkeit ist, die sich aus sich und damit einen zufälligen und beliebigen Inhalt zur Bestimmung gibt, Meister darüber bleibt, durch ihn nicht gebunden ist und, mit der Versicherung, auf der höchsten Spitze der Religion[3] und der Philosophie zu stehen, vielmehr in die hohle Willkür zurückfällt. Nur indem die reine unendliche Form, die bei sich seiende Selbstmanifestation, die Einseitigkeit des Subjektiven, worin sie die Eitelkeit 〈378〉 des Denkens ist, ablegt, ist sie das freie Denken, welches seine unendliche Bestimmung zugleich als absoluten, an und für sich seienden Inhalt und ihn als Objekt hat, in welchem es ebenso frei ist..
[22]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 206
: Die bildliche und äußerliche Seite nun, welche dem Ideal ebenso nothwendig ist als der in sich gediegene Inhalt, und die Art der Durchdringung beider führt uns auf das Verhältniß der idealen Darstellung der Kunst[10] zur Natur[20]. [...] In dieser Beziehung ist der alte[1] immerfort sich erneuernde Zwist, ob die Kunst[10] natürlich[6] im Sinne des Vorhandenen Aeußeren darstellen, oder die Naturerscheinungen verherrlichen und verklären solle, noch nicht beigelegt. Recht der Natur[20] und Recht des Schönen[1], Ideal und Naturwahrheit – in solchen zunächst unbestimmten Wörtern[1] kann man ohne Aufhören gegeneinanderreden. Denn das Kunstwerk[2] soll allerdings natürlich[6] seyn, aber es giebt auch eine gemeine, häßliche[1] Natur[20], diese soll nun wiederum nicht nachgebildet werden, andrer Seits aber – und so geht es ohne Ende und festes Resultat fort. ➢ Volltext.
[23]
Hegel [Hotho], Aesth. II (1837), 170
: Die Tugenden der christlichen Frömmigkeit ertödten in ihrer abstrakten Haltung das Weltliche, und machen das Subjekt nur frei, wenn es sich selbst in seiner Menschlichkeit absolut verläugnet. Die subjektive Freiheit[10] des jetzigen Kreises ist zwar nicht mehr durch bloße Duldung und Aufopferung bedingt, sondern in sich, im Weltlichen, affirmativ, aber die Unendlichkeit des Subjekts hat doch, wie wir schon sahen, nur wieder die Innigkeit als solche zu ihrem Inhalt, das subjektive Gemüth, als sich in sich selbst bewegend, als der weltliche Boden seiner in sich. In dieser Beziehung hat die Poesie[11] hier keine vorausgesetzte Objektivität vor sich, keine Mythologie, keine Bildwerke und Gestaltungen, die für ihren Ausdruck bereits fertig da lägen. Sie steht ganz frei, stofflos, rein schöpferisch und producirend, auf; es ist wie der Vogel, der frei aus der Brust sein Lied singt. Wenn nun aber diese Subjektivität auch von edlem Willen und tiefer Seele ist, so tritt doch in ihren Handlungen und deren Verhältnissen und Existenz nur die Willkürlichkeit und Zufälligkeit ein, da die Freiheit[10] und ihre Zwecke von der, in Betreff auf sittlichen Gehalt noch substanzlosen, Reflexion in sich selber ausgehen. Und so finden wir nicht sowohl in den Individuen ein besonderes Pathos im griechischen Sinn, und eine damit auf's engste zusammengeschlossene lebendige Selbstständigkeit der Individualität, als vielmehr nur Grade der Heldenschaft in Rücksicht auf Liebe, Ehre, Tapferkeit, Treue; Grade, in welche die Schlechtigkeit oder 〈171〉 der Adel[5] der Seele hauptsächlich Verschiedenheiten hereinbringt. ➢ Volltext.
[24]
Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 478
: Klopstock [steht] groß im Sinne der Nation[1], der Freiheit[6], Freundschaft, Liebe und protestantischen Festigkeit da, verehrungswerth in seinem Adel[5] der Seele und Poesie[3], in seinem Streben und Vollbringen, und wenn er auch nach manchen Seiten hin in der Beschränktheit seiner Zeit[5] befangen blieb, und viele bloß kritische[3/4?], grammatische und metrische, kalte Oden gedichtet hat, so ist doch seitdem, Schiller ausgenommen, keine in ernster männlicher Gesinnung so unabhängige edle Gestalt wieder aufgetreten. ➢ Volltext.
[25]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VIII (1837), 470
: Romanticismus. Die Bildung[10] dieses Wortes[1] ist ein Fund der neuesten[3] Zeit[5], hervorgerufen durch die poetischen[4] Erzeugnisse der neueren[3] Franzosen, als deren Chorführer Victor Hugo, Balzac, Eugen Sue, Jules Janin etc. zu nennen sind. Schon vor dem Ausbruch der Julirevolution begannen die franz. Dramatiker an den Fesseln den [sic] Klassicität zu rütteln, die seit Racine und Corneille den Gedanken in seinem eigenen Schaffen niedergedrückt hatten. Deutschland und England, die sich längst befreit und die alten[1] Formen zerschlagen hatten, um das Leben der neueren[3] Zeit[5] auch neu[1] bilden zu können in künstlerischer Darstellung, gaben keinen geringen Anstoß. Vornehmlich aber war es Shakespeare, dessen Riesengebilde die Phantasie[1] der jugendlichen franz. Dichter[1] entzündete. Sie wollten ihm nachahmen, raubten ihm aber nur das Bizarre, die äußere Schale, ohne des Kernes habhaft zu werden. Ihre Schöpfungen verloren sich an das Unschöne, worin man das Romantische[4], Kühne, Geniale suchte, und weil die Anhänger der klassischen[8] Schule sich diesem Verfahren widersetzen wollten, gaben sie den jungen Stürmern den Namen der Romantiker[3]. Die Romantik[13] war, wenigstens im Sinn der Deutschen, etwas Fertiges und Abgeschlossenes. Die Schöpfungen der Franzosen ließen sich mit diesen Gebilden des Wundersam-Phantastischen[2] nicht vergleichen, sondern wühlten sich vielmehr ein in alle Abscheulichkeiten der Materie. Statt des Wunderbaren regierte das Laster in frivoler Aufgedecktheit; nicht die Gerechtigkeit des Weltgerichtes siegte, sondern die Laune, der Zufall, der böse, rachsüchtige Gedanke. Was 〈471〉 man daher nicht Romantik[13] nennen konnte, dem gab man den Namen des R[omanticismus]. Der R.[omanticismus] aber ist, obwohl ein Auswuchs der Romantik[13], dennoch ein nothwendiges Ergebniß aus den Verirrungen des Tages und seiner Geschichte[1]. Er schwärmt durch alle Länder, und wird, ist er zur Besonnenheit gekommen, sich verwandeln in das wahrhaft Moderne[8], das der Romantik[13] gegenüber stehen wird, wie diese der Klassik[5], und ein freigeborenes Kind sein einer schönen[2], freien[5/11] Zeit[5]..
[26]
Hoffmann, Elix. d. Teuf. II (1816), PW 2, 240
: Bei dem besten Willen, sich recht vorurteilsfrei zu zeigen, mischt sich in das Betragen des Adligen gegen den Bürger ein gewisses Etwas, das wie Herablassung, Duldung des eigentlich Unziemlichen aussieht; das leidet kein Mann, der im gerechten Stolz wohl fühlt, wie in adliger Gesellschaft oft nur er es ist, der sich herablassen und dulden muß das geistig Gemeine und Abgeschmackte. Sie sind selbst von Adel[1], Herr Leonard, aber wie ich höre, ganz geistlich und wissenschaftlich erzogen. Daher mag es kommen, daß Sie der erste Adlige sind, an dem ich selbst im Zirkel des Hofes unter Adligen auch jetzt nichts Adliges, im schlimmen Sinn genommen, verspürt habe..
[27]
Immermann, Epigon. (1836), W 2, 145
: Des Herzogs Vater, ein Charakter[6], wie er im achtzehnten Jahrhundert unter vornehmen Edelleuten nicht selten vorkam, war im Sinne seiner Periode liberal und modern[6] gewesen. [...] Der Sohn, fast in allem ein Gegensatz seines zu Genuß und Empfindsamkeit aufgelegten Vaters, [...] machte die Contrerevolution, inwieweit es anging..
[28]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 213 f. (214)
: Noch hat kein Journalistikum [...] eine Jury des Spaßes: sondern man richtet und scherzet nach Gefallen. Selten wird ein witziges Buch gelobt, ohne zu sagen, es sey 〈214〉 voll lauter Witz[4], Ironie[1] und Laune oder gar Humor[2]; als ob diese drei Grazien einander immer an den Händen hätten. Die Epigrammatiker haben meist nur Witz[4]. Sterne hat weit mehr Humor[2] als Witz[4] und Ironie[1]; Swift mehr Ironie[1] als Humor[2]; Shakespeare Witz[4] und Humor[2], aber weniger Ironie[1] im engern Sinne. .
[29]
Jung-Stilling, Jüngl.-Jahre (1778), 107 f. (108)
: In dem Hause selbsten war ihm niemand hold, alle sahen ihn für einen einfältigen dummen Knaben an; denn ihre niederträchtige, ironisch[1]-zotigte 〈108〉 und zweydeutige Reden verstund er nicht, er antwortete immer gutherzig, wie ers meynte nach dem Sinn der Worte[2], suchte überhaupt einen jeden mit Liebe zu gewinnen, und dieses war eben der gerade Weg, eines jeden Schuhputzer zu werden..
[30]
Kant, Gemeinspruch (1793), 245 ff. (247)
: Derjenige nun, welcher das Stimmrecht in dieser Gesetzgebung hat, heißt ein Bürger (citoyen, d. i. Staatsbürger, nicht Stadtbürger, bourgeois). Die dazu erforderliche Qualität ist, außer der natürlichen[1] (daß es kein Kind, kein Weib[1] sei), die einzige: daß er [...] irgend ein Eigenthum habe (wozu auch jede Kunst[1], Handwerk, oder schöne[2] Kunst[1], oder Wissenschaft[1] gezählt werden kann), welches ihn ernährt; [...] 〈246〉 [...] folglich daß er niemanden als dem 〈247〉 Gemeinen Wesen im eigentlichen Sinne des Worts[1] Diene..
[31]
Kant, Religion (1793), 154
: Aber nicht blos die Beurkundung, sondern auch die Auslegung der heiligen Schrift bedarf [...] Gelehrsamkeit. Denn wie will der Ungelehrte, der sie nur in Uebersetzungen lesen kann, von dem Sinne derselben gewiß seyn? aber der Ausleger, welcher auch die Grundsprache inne hat, bedarf doch noch ausgebreitete historische Kenntniß und Kritik[3] besitzen muß, um aus dem Zustande, den Sitten und den Meynungen (dem Volksglauben) der damaligen Zeit die Mittel zu nehmen, wodurch dem kirchlichen gemeinen Wesen das Verständniß geöffnet werden kann..
[32]
Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 144 f. (145)
: Etwas Unnennbares hatte ihn an mich gefesselt, hielt ihn ganz an mich gebannt. Die gleichgültigste Kleinigkeit, wie erhielt sie durch seine Gegenwart ein besonderes, 〈145〉 unbeschreibliches Interesse! – in Allem was wir sprachen, lag ein geheimer Sinn, den der Scharfsinn des Andern immer leicht und glücklich zu finden wußte; ein zufriedenes Lächeln war dann die Belohnung. – Ohne Geist[18], welche traurige Liebe! Aber wenn das Auge von Begeisterung[2] glänzt, und ein süßes Staunen über die Vorzüge des Geliebten die Seele erhebt, dann – Himmel! o Entzückung!.
[33]
C. Michaelis, an L. Gotter (6. 2. 1783), C 1, 70
: Daß mir das übrige ihres Tagebuchs ganz gefiele, kan ich nicht sagen. Mich däucht es sind so viel Wiederholungen und Worte[1], mit denen sie [sc. Friederike Münter (später Friederike Brun)] kaum selbst immer einen Sinn verbindet, weil sie nicht selbst gemacht und gedacht, sondern aus Dichtern[4] genommen sind, die ihr so im Gedächtniß zu schweben[5] scheinen, daß sie sich mit ihnen verwechselt. Sie hat sich in den sehr poetischen[1] Schwung geworfen, und nichts ist wohl verzeihlicher, da sie so jung ist, aber dies müste gemildert, ihr Herz fester und ihr Verstand[1] schärfer gemacht werden. Das erste würde dann jene Weichheit, die so leicht in Empfindeley ausartet, und der zweyte seine Sonderbarkeit verlieren. Sie schien mir überhaupt mehr Talente als Verstand[1] zu haben, wenn ich das Verstand[1] nenne, Menschen[1] und Sachen nach ihrem wahren (unpoetischen) Gesichtspunkt zu beurtheilen [...]..
[34]
Riepel, Sylbenmaß I (1776), 25
: Wann der Sinn innerhalb des Verses zu Ende, und etwa männlich geschlossen wird, so hat der Dichter [...] die Freyheit[9], eine lange Sylbe unmittelbar darauf folgen zu lassen [...]..
[35]
Rottmanner, Krit. Jacobi (1808), 35
: Mit der Philosophie des Mittelalters endigt die ideelle Ansicht der Dinge, und unter der zahlreichen Menge der späteren Philosophen ist außer Spinoza und Leibnitz auch kaum Einer, der die Philosophie in ihrer höheren Bedeutung begriffen hätte. [...] Eine gleiche Todtengestalt tritt dir in der Kunst[12] der neueren[9] Geschichte[3] entgegen. Sie hat entweder die Absicht zu nützen oder zu gefallen, und richtet sich wie alles andere nach den Aussprüchen des für sich allein gebietenden Verstandes[1]. Jenen heiligen Sinn[1/9], jene zauberische Gluth der Phantasie[20/21] und Liebe, die Kraft 〈36〉 und kindliche Einfalt der romantischen[13] Poësie[11] suchst du in diesem Zeitraume vergebens..
[36]
Schelling, Meth. Stud. (1803), 305
: Wissenschaft der Kunst[2] kann vorerst die historische Construktion derselben bedeuten. In diesem Sinne fodert sie als äußere Bedingung nothwendig unmittelbare Anschauung der vorhandenen Denkmäler. Da diese in Ansehung der Werke der Dichtkunst allgemein möglich ist, wird auch jene in der angegebenen Beziehung, als Philologie, ausdrücklich unter die Gegenstände des academischen Vortrags gezählt. Demungeachtet wird auf Universitäten nichts seltener gelehrt als Philologie in dem zuvor bestimmten Sinne, welches nicht zu verwundern, da jene ebenso sehr Kunst[2] ist wie die Poesie[1] und der Philologe nicht minder als der Dichter gebohren wird..
[37]
Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 31
: Je nachdem [...] die Poesie[1] entweder einen bestimmten Gegenstand nachahmt, wie die bildenden Künste[2] thun, oder je nachdem sie, wie die Tonkunst, bloß einen bestimmten Zustand des Gemüths hervorbringt, ohne dazu eines bestimmten Gegenstandes nöthig zu haben, kann sie bildend (plastisch[3]) oder musikalisch[7] genannt werden. Der letztere Ausdruck bezieht sich also nicht bloß auf dasjenige, was in der Poesie[11], wirklich und der Materie nach, Musik[5] ist, sondern überhaupt auf alle diejenigen Effekte derselben, die sie hervorzubringen vermag, ohne die Einbildungskraft durch ein bestimmtes Objekt zu beherrschen; und in diesem Sinne nenne ich Klopstock vorzugsweise einen musikalischen[7] Dichter..
[38]
A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 164 f. (165)
: Alsdann tritt Adelaide als das „seltne Geschöpf hervor, die sich von ihnen allen durch ihren Karakter[2] unterscheidet. Ihr Herz war ein lebender Hauch der Liebe, und zugleich stark wie ein Diamant, ihr offnes Auge war heiter[1], aber in diesen Augen spielte nicht der leichte Sinn der Jugend, es leuchtete darin ein Stral des ewigen Lebens, es schien über das Elend hinweg in eine Welt voll Ruhe zu sehn, und die Thräne, die in den langen Augen〈165〉wimpern hing, zeigte das Elend, das zwischen ihr und der Ewigkeit lag. Ihre Stimme[3] war sanft und ernst triumphirend wie der Halleluja Gesang der Engel, ihre Wange stralend von einem sanften Morgenroth u. s. w.“ ⦿ So geht es ganze Blätter hindurch. Welche lockende Worte[2]! Könnte man mit Worten[2] allein dichten, so wäre Lafontaine der Mann. Aber aus dem Ganzen ergiebt sich, wie wenig poetischen[1] Sinn sie im Hinterhalt haben, und daß sie höchstens als eine musikalische[3] Verzierung zu betrachten sind. Jean Paul musizirt zuweilen auch so; doch ist es wirklich seine Phantasie[3] die da spielt, nicht bloß eine mechanische Fertigkeit der Hände. ➢ Volltext.
[39]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 243 f.
: [S]o untrennbar wie in einem ächten Kunstwerke[2] das, was man das poetische[2], und was man das künstliche nennen kann, sind, so untrennbar ist auch der wahre Geschmack vom wahren Genie[2]. Dieses ist eben die innigste Vereinigung der bewußtlosen und der selbstbewußten Thätigkeit im menschlichen Geiste[19], des Instinktes und der Absicht, der Freyheit[10] und der Nothwendigkeit. Deswegen, weil in ihm die ursprüngliche Entzweyung sich aufhebt, worin der Mensch[1] als ein endliches Wesen sich endlos befangen sieht, erscheint es uns auch als etwas übermenschliches, als eine göttliche Kraft, und seine Mittheilungen als wahre Offenbarungen. Darum ist auch zum Genie[2] große Eminenz der auf Erkenntniß[1] gerichteten Geisteskräfte, Einbildungskraft[1] und Verstand[1], die Kant als seine Bestandtheile angiebt, nicht hinreichend, sondern es umfaßt den ganzen innern Menschen[6], und kann in nichts geringerem bestehen, als in der Energie und innigsten Eintracht dessen was sowohl in der Sinnlichkeit 〈244〉 als in der Geistigkeit des Menschen[1] das selbständige und unbeschränkte Vermögen ist, also der Fantasie[2] (die man in diesem Sinne[1] noch von der Einbildungskraft[1] unterscheiden kann) und der Vernunft[1]..
[40]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 243 f. (244)
: [S]o untrennbar wie in einem ächten Kunstwerke[2] das, was man das poetische[2], und was man das künstliche nennen kann, sind, so untrennbar ist auch der wahre Geschmack vom wahren Genie[2]. Dieses ist eben die innigste Vereinigung der bewußtlosen und der selbstbewußten Thätigkeit im menschlichen Geiste[19], des Instinktes und der Absicht, der Freyheit[10] und der Nothwendigkeit. Deswegen, weil in ihm die ursprüngliche Entzweyung sich aufhebt, worin der Mensch[1] als ein endliches Wesen sich endlos befangen sieht, erscheint es uns auch als etwas übermenschliches, als eine göttliche Kraft, und seine Mittheilungen als wahre Offenbarungen. Darum ist auch zum Genie[2] große Eminenz der auf Erkenntniß[1] gerichteten Geisteskräfte, Einbildungskraft[1] und Verstand[1], die Kant als seine Bestandtheile angiebt, nicht hinreichend, sondern es umfaßt den ganzen innern Menschen[6], und kann in nichts geringerem bestehen, als in der Energie und innigsten Eintracht dessen was sowohl in der Sinnlichkeit 〈244〉 als in der Geistigkeit des Menschen[1] das selbständige und unbeschränkte Vermögen ist, also der Fantasie[2] (die man in diesem Sinne noch von der Einbildungskraft[1] unterscheiden kann) und der Vernunft[1]..
[41]
A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 70
: Die Ehre, diese uns wenigstens in Ueberresten angestammte große Idee aus dem Mittelalter, [...] ist gleichsam eine romantisirte[2] Sittlichkeit; hierin liegt es schon, warum die Alten[10] sie in diesem Sinne nicht kannten, was ich auch daraus einzusehen glaube, daß bei den Alten[10] Religion[1] und Moral mehr getrennet war; da nun das Christenthum das gesammte Thun des Menschen in Anspruch nahm, so rettete sich das Gefühl von der Selbstständigkeit des sittlichen Strebens dahin, und erfand neben der religiösen Moral eine noch von ihr unabhängige weltliche. Die ritterlichen Grundsätze der Ehre werden also auch so lange nicht wegfallen können, als das Christenthum einen so bedeutenden Einfluß auf unsre Sittenlehre hat, als es bisher ungeachtet seines Verfalls, noch immer ausgeübt. ➢ Volltext.
[42]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 48
: Ich komme endlich auf die Philologie, im weitesten Sinne das Studium der Äußerungen des menschlichen Geistes[19] durch die Sprache[1], und der Niederlegung seiner Schätze in ihr. Sie ist folglich allgemeines Hülfsmittel bey allen wissenschaftlichen Beschäftigungen, da die Sprache[1] das universelle Organ[1] der Mittheilung ist, und selbst solche Wissenschaften[1], welche sich eigenthümlicher Zeichen bedienen, wie die Geometrie und Arithmetik ihrer nicht entrathen können, da auch jede wissenschaftliche Belehrung einen richtigeren und ausgebildeteren Gebrauch der Sprache[1] erfodert, als der zur nothdürftigen Verständigung im gemeinen Leben hinreicht..
[43]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 275
: Alles würdige, edle und große der menschlichen Natur[1] läßt nur eine ernsthafte Darstellung zu: denn der Darstellende fühlt es gegen sich im Verhältnisse der Ueberlegenheit, es wird also bindend für ihn. Der komische Dichter muß es folglich von der seinigen ausschließen, sich darüber hinwegsetzen, ja es gänzlich läugnen, und die Menschheit[1] im entgegengesetzten Sinne wie der Tragiker, nämlich ins häßliche[1] und schlechte, idealisiren. ➢ Volltext.
[44]
C. Schlegel, an A. W. Schlegel (27. 7. 1801), C 2, 204
: Wenn ich Tieks Brief[1] nicht im rechten Sinn gelesen[5], so hättest Du mir den mit beylegen sollen; ich konte ihn nicht errathen..
[45]
D. Schlegel, Gespr. Rom. Frz. (1803), 97
: Nicht dergleichen meine ich [...], sondern den Geist[12] der Poesie[4], der die Schilderungen der Natur[2], der Charaktere[7] und Begebenheiten, in einem gewissen Sinne beleben und durchwehen muß [...]..
[46]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 87, Nr. 23
: Müßte nicht die romantische[1] Schreibart im obig[en] Sinn in allen Schriften in der progressiven[5] Welt herrsch[en]? – 〈(die romantische[1] Gattung bei den Modernen[1] durchgängig herrschen wie die satirisch[e] bei d[en] Römern?)〉.
[47]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 30, Nr. 116
: Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Dichtart ist die einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist: denn in einem gewissen Sinn ist oder soll alle Poesie[11] romantisch[1/11] seyn. ➢ Volltext.
[48]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 70, Nr. 253
: In dem edleren und ursprünglichen Sinne des Worts[1] Korrekt, da es absichtliche Durchbildung und Nebenausbildung des Innersten und Kleinsten im Werke nach dem Geist[12] des Ganzen, praktische Reflexion des Künstlers, bedeutet, ist wohl kein moderner[1] Dichter korrekter als Shakspeare. So ist er auch systematisch wie kein andrer: bald durch jene Antithesen, die Individuen, Massen, ja Welten in mahlerischen[4] Gruppen kontrastiren lassen; bald durch musikalische[5] Symmetrie desselben großen Maßstabes, durch gigantische Wiederholungen und Refrains; oft durch Parodie des Buchstabens[8] und durch Ironie[1] über den Geist[12] des romantischen[12] Drama und immer durch die höchste und vollständigste Individualität und die vielseitigste alle Stufen der Poesie[11] von der sinnlichsten Nachahmung bis zur geistigsten Charakteristik vereinigende Darstellung derselben. .
[49]
F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 14 f. (15)
: Liebst Du wohl, wenn Du nicht die Welt in dem Geliebten findest? Um sie in ihm finden, und in ihn hin〈15〉ein legen zu können, muß man sie schon besitzen, sie lieben, oder wenigstens Anlagen, Sinn[5] und Liebesfähigkeit für sie haben. Daß diese Kräfte cultivirt werden können, daß der Blick vom Auge unsers Geistes[19] immer weiter, fester und klarer werden soll, und unser inneres Ohr[3] empfänglicher für die Musik[8] aller Sphären der allgemeinen Bildung[5]; daß die Religion[3] in diesem Sinne[1] sich also lehren und lernen, obgleich nie erschöpfen lasse, leuchtet von selbst ein. Aber freilich sind Freundschaft und Liebe die Organe[1] alles sittlichen Unterrichts auch bey diesen Zweigen desselben unentbehrlich. Und gewiß werden zwey Liebende, wenn der Mann die Geliebte über den gewöhnlichen Dienst kleiner Hausgötter ins freye[1] Ganze hinaus zu führen strebt, oder ihr die zwölf großen Götter[4] in Gestalt bekannter Laren zugesellt; und wenn sie gleich einer Priesterin der Vesta über das heilige Feuer auf dem reinen Altare in seiner Brust wacht, beyde zusammen schnellere und weitere Fortschritte spüren, als wenn jeder für sich allein mit heißem Bemühen nach Religion[3] gestrebt hätte. ➢ Volltext.
[50]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 107
: Ich kann die didaktische Poesie[11] nicht für eine eigentliche Gattung gelten lassen, ebensowenig wie die romantische[1]. Jedes Gedicht soll eigentlich romantisch[1/11] und jedes soll didaktisch seyn in jenem weitern Sinne[1] des Wortes[1], wo es die Tendenz nach einem tiefen unendlichen Sinn[2] bezeichnet. ➢ Volltext.
[51]
F. Schlegel, Fragm. Poes. u. Litt. (*1801), KFSA 16, 317, Nr. 754
: Die Metaphern[1] müssen allerdings insofern in Betracht gezogen werden, daß sie d[em] Ganzen entsprechen müssen. – Metaphern[1] aus d[er] fabelhaften Naturgeschichte z. B. schicken sich für Rom[antisches][1/14] im engern Sinn, nicht fürs λυρ [Lyrische] Δρ [Dramatische] επ [Epische], nicht fürs Antike[3]..
[52]
F. Schlegel, Entw. d. Philos. I (
!1804–05), KFSA 12, 387
: Das Wissen, etwas durchaus Innerliches, geht bloß auf den Stoff, das Verstehen ist auch etwas Äußeres, geht auch auf die Form. Der Verstand[8] ist Wissen dem Geiste[30] und dem Buchstaben[8/9] nach; da das wesentlich Unterscheidende des Verstandes[8] in der Mitteilung besteht, gehört eben auch das Wort[1] wesentlich zum Verstande[8]; versteht sich Wort[1] im allgemeinen höhern wissenschaftlichen Sinne als Bild des Geistes[30], entweder als willkürliches oder natürliches Sinnbild; als bloßer Ausdruck eines geistigen Sinnes ist das Wort[1] notwendig ein Bild, weil alle Darstellung bildlich ist; und so besteht dann das Wesen des Verstandes[8] in der Verbindung des Geistes[30] und des Worts[1] durch den Begriff[1]; die Begriffe[1] sind seine Formen..
[53]
F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 477 f. (478)
: Da die spanische Dichtkunst überhaupt ohne allen fremdartigen Einfluß und durchaus rein romantisch[7] geblieben ist, da die christliche Ritterpoesie des Mittelalters bey dieser Nation[1] am längsten bis in die Zeiten[3] der neuern[3] Bil〈478〉dung[5] fortgedauert, und die kunstreichste Form erlangt hat, so ist hier wohl der rechte Ort, das Wesen des Romantischen[12/7] überhaupt zu bestimmen. Es beruht allein auf dem mit dem Christenthum und durch dasselbe auch in der Poesie[11] herrschendem [sic] Liebegefühl, in welchem selbst das Leiden nur als Mittel der Verklärung erscheint, der tragische Ernst der alten[10] Götterlehre und heidnischen Vorzeit in ein heiteres[5] Spiel der Fantasie[1] sich auflöst, und dann auch unter den äußern Formen der Darstellung und der Sprache[1] solche gewählt werden, welche jenem innren Liebegefühl und Spiel der Fantasie[1] entsprechen. In diesem Sinne, da das Romantische[7] bloß die eigenthümlich christliche Schönheit[1] und Poesie[11] bezeichnet, sollte wohl alle Poesie[11] romantisch[7] seyn. ➢ Volltext.
[54]
Schleiermacher, Brf. Lucind. (1800), 1 f. (2)
: Ein tüchtiges Urtheil, wie wir es über die Bücher fällen, die so vorkommen, wirst Du doch nicht erwarten? Du weißt ja, [...] wie ich scheu und bedächtig und ehrerbietig mit Allem umgehe, was sich mir als ein eigen gebildetes Wesen ankündigt, sei es ein Mensch[1] oder ein Gedanke oder ein gebildetes Werk, und wie 〈2〉 lange und unersättlich ich bei der Anschauung verweile, ehe ich mich an etwas wage, was einer Uebersicht oder einem Urtheil ähnlich ist. Und nun gar dieses Werk, welches wie eine Erscheinung aus einer künftigen Gott[1] weiß wie weit noch entfernten Welt da steht! Gewiß, sie könnte eben so lange vollendet sein, als sie nun unvollendet ist, ehe ich es mir erlauben würde, in diesem Sinne etwas über die Composition und die Kunst[13] darin überhaupt zu sagen, das heißt wirklich zu meinen. Verhielte sich auch der zweite Theil zu dem ersten nur wie die Rückseite einer Schaumünze oder das Gegenstück eines Gemäldes; so würde ich mir bis zur Vollendung Schweigen[2] und Ungewißheit gebieten, wieviel Betrachtungen dieser Art sich mir auch aufdrängen, seitdem ich mit dem Geist12 und Charakter[1] des Buchs recht gesättigt bin, und seitdem Friedrich Schlegel seine Ansicht von der romantischen[1] Poesie[1] in so klaren Worten[2] von sich gegeben hat. Doch lieber Freund, dieses Aufschieben eines vollendeten Urtheils geht bei mir nicht nur auf die Composition, sondern auf Alles, und ich müßte zu meinem Unglück weniger hohe Begriffe[1] von dem haben, was die Kritik[2] eigentlich leisten kann und soll, wenn es anders wäre. ➢ Volltext.
[55]
A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 58 f.
: Der Sinn der Rede wird unmittelbar vernommen, genau und bestimmt aufgefaßt, ohne daß in der Regel sich Phantasmen einmengten. Es ist die Vernunft[1], die zur Vernunft[1] spricht, sich in ihrem Gebiete hält, und was sie mittheilt und empfängt, sind abstrakte Begriffe[1], nichtanschauliche Vorstellungen, welche ein für alle Mal gebildet und verhältnißmäßig in geringer Anzahl, doch alle unzähli〈59〉gen Objekte der wirklichen Welt befassen, enthalten und vertreten. Hieraus allein ist es erklärlich, daß nie ein Thier[1] sprechen und vernehmen kann, obgleich es die Werkzeuge der Sprache[11] und auch die anschaulichen Vorstellungen mit uns gemein hat; aber eben weil die Worte[1] jene ganz eigenthümliche Klasse[1] von Vorstellungen bezeichnen, deren subjektives Korrelat die Vernunft[1] ist, sind sie für das Thier[1] ohne Sinn und Bedeutung. So ist die Sprache[11], wie jede andere Erscheinung, die wir der Vernunft[1] zuschreiben, und wie Alles, was den Menschen[1] vom Thiere[1] unterscheidet, durch dieses Eine und Einfache als seine Quelle zu erklären: die Begriffe[1], die abstrakten, nicht anschaulichen, allgemeinen, nicht in Zeit[1] und Raum individuellen Vorstellungen. Nur in einzelnen Fällen gehn wir von den Begriffen[1] zur Anschauung über, bilden uns Phantasmen als anschauliche Repräsentanten der Begriffe[1], denen sie jedoch nie adäquat sind. ➢ Volltext.
[56]
R. Schumann, Taub. Minn. (1835), 15
: Ich weiß nicht, ob die Musik[4] dem vorgesetzten Gedichte vom Anfang bis Ende folgt, ob der Grundton der ganzen Poesie[13] oder nur der Sinn der angeführten Mottos in der Musik[4] nachgebildet ist [...]..
[57]
J. H. Voß, F. Stolberg (1819), 112
: Dieser Friz [sc. F. L. Grf zu Stolberg] [...] warnt vor den hochtönenden Worten[1] Freiheit[6], Recht, Gleichheit (Libertas, Jus, Aequitas), weil mancher sie falsch deute, und empfiehlt uns zum Schuz dagegen die allein wahre Religion[1], die er geradezu Kirche Deutschlands nennt. Der Zeitgeist, sagt er, nimt keine Kunde von Gott (dem Herrgott), und ist also im eigentlichen Sinn gottlos; er will nichts wissen von Urkunde und Ueberlieferung; er verschmäht das Alte[1], und versucht Neuerung. Ja, er will uralte Eichen (nämlich Stammbäume) wie Unkraut ausgäten, indem er des Adels[2] edle Bestrebungen und gegründeten Besiz verkennt. ➢ Volltext.
[58]
Zelter/Goethe, Haydn. Schöpf. (1826), WA I, 41.2, 384
: [H]ierdurch werde ich erinnert, an den Vorwurf zu denken, den man Haydn machen wollen: seine Musik[4] ermangele der Leidenschaft. Hierauf nun erwidere ich Folgendes: Das Leidenschaftliche in der Musik[1] wie in allen Künsten[2] ist leichter als man denkt, schon weil es leichter nachempfunden wird; es ist nicht ursprünglich, die Gelegenheit bringt es hervor, und nach dem Begriffe[1] der Alten[10] verdeckt es die reine Natur[19] und entstellt das Schöne[1]. [...] | Unser Haydn [...] wirkt ohne Hitze, was er wirkt; wer will denn auch erhitzt sein? Temperament, Sinn[6], Geist[20], Humor[3], Fluß, Süße, Kraft und endlich die echten Zeichen des Genies[4]: Naivetät und Ironie[3] müssen ihm durchaus zugestanden werden. Sind nun die hier genannten Elementartheile, welche ohne Wärmestoff nicht denkbar sind, Haydn'sche Eigenheiten, so begrüßen wir seine Kunst[10] als antik[4] im besten Sinne[1], und daß sie modern[4/7] sei, ist unsres Wissens nicht bestritten worden, was auch schwer gelingen möchte, da alle moderne[9] Musik[1] auf ihm ruht..