Wortliste
Adel
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Struktur
Semantik
Belege
[1]
?Hegel/?Hölderlin/?Schelling, Systemprogramm (*°1796), 264: Der Philosoph muß eben so viel ästhetische Kraft besizen, als der Dichter. Die Menschen ohne ästhetischen Siñ sind unsere BuchstabenPhilosophen.
[2] A. W. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 49, Nr. 190: Die einförmigste und flachste Natur[2] erzieht am besten zum Landschaftsmahler. Man denke an den Reichthum der Holländischen Kunst[11] in diesem Fache. Armuth macht haushälterisch: es bildet sich ein genügsamer Sinn, den selbst der leiseste Wink höheres Lebens in der Natur[2] erfreut. Wenn der Künstler dann auf Reisen romantische[3] Szenen kennen lernt, so wirken sie desto mächtiger auf ihn. ➢ Volltext
[3] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 13: Der Gang des römischen Lebens war im allgemeinen ernst und gravitätisch, wiewohl sie im persönlichen Umgange viel Sinn für Witz[4] und Jovialität hatten.
[4] C. Böhmer, an Ph. Michaelis (Herbst 1788), C 1, 174: Meinen Vater dünkt es sehr einsam, seit Ihr uns verließet, ich glaube, er würde es schwer ertragen, mich und die Kinder nicht mehr zu haben – es ist vielleicht seine einzige Aufmunterung für diesen Winter, denn seine Collegia werden vermuthlich gar nicht zu stande kommen. Das ist mir unbeschreiblich traurig – er leidet sehr dabey – es kränkt ihn, und er hat nun nicht die mindeste Abwechslung in seiner Arbeit. Was ist doch das ein elendes Leben, das ein Gelehrter führt – o suche ja bis ans Ende Deiner Tage Sinn für die weite offne Welt zu behalten, das ist unser bestes Glück..
[5] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 327: In der wirklichen Welt, d. h. in der Welt der gemeinen Menschen, die durch Eigennutz, Gewohnheit – Vorurtheil regiert wird, verstößt freilich ein romantischer7 59 mit jedem Schritte. .
[6] G. Forster, Kunst u. Zeitalt. (1791), 101: Doch es ist mehr als Hypothese, [...] daß auf jenen edlen Zeitpunkt, da das Feuer der Begeisterung[1] die Menschheit[2] ergriff, ihr Sinn sich aufschloß dem Schönen[1], sich nährte von den Rhapsodien des Dichters[1] und des plastischen Künstlers[1] – die größte aller Veränderungen in ihr erfolgte. Die Kunst[2] ward die Pflegerin der Wissenschaft[1]. Das schöne[1] Ebenmaas ihrer Bilder erzeugte jene abgezogenen Begriffe[1], mit denen der Mensch[2] das Sinnenall umfaßte und bald auch die unabsehbaren Gefilde der intellektuellen Sittenwelt durchdrang. Wo der Künstler[1] innig gefühlt, kühn geahndet[3] und glücklich dargestellt hatte, dort bestimmte nun der Denker die Regeln des Vollkommenen, der Symmetrie und Übereinstimmung, dort abstrahirte er die ganze Kritik[1] der Kunst[2]. Jetzt also demonstrirte und begriff man die Tugend, das liebenswürdige Sittlichschöne, welches man bis dahin in dem Rhythmus des Sängers, in des Bildhauers oder des Malers Zauberwerken empfand. Allein indem der menschliche Geist[19] sich seiner freyesten[10] Thätigkeit und insbesondere die Vernunft[1] sich ihrer höchsten Entwickelung nahte, gieng unvermerkt die ästheti〈102〉sche Empfänglichkeit verloren. Der geistreichste Schriftsteller unseres Jahrhunderts hat irgendwo so fein als richtig bemerkt, daß auf ein geniereiches Zeitalter nur ein scharfsinniges folgen kann, und modernes[1] Verdienst nur in der Zergliederung des Verdienstes der Alten[10] besteht..
[7] Goethe, Farbenl. Didakt. Thl. (1808), WA II, 1, 303: Metaphysische Formeln haben eine große Breite und Tiefe, jedoch sie würdig auszufüllen, wird ein reicher Gehalt erfordert, sonst bleiben sie hohl. Mathematische Formeln lassen sich in vielen Fällen sehr bequem und glücklich anwenden; aber es bleibt ihnen immer etwas Steifes und Ungelenkes, und wir fühlen bald ihre Unzulänglichkeit, weil wir, selbst in Elementarfällen, sehr früh ein Incommensurables gewahr werden; ferner sind sie auch nur innerhalb eines gewissen Kreises besonders hiezu gebildeter Geister[32] verständlich. Mechanische Formeln sprechen mehr zu dem gemeinen Sinn, aber sie sind auch gemeiner, und behalten immer etwas Rohes. Sie verwandlen das Lebendige in ein Todtes; sie tödten das innre Leben, um von außen ein unzulängliches heranzubringen. Corpuscular-Formeln sind ihnen nahe verwandt; das Bewegliche wird starr durch sie, Vorstellung und Ausdruck ungeschlacht. Dagegen erscheinen die moralischen Formeln, welche freilich zartere Verhältnisse ausdrücken, als bloße Gleichnisse und verlieren sich denn auch wohl zuletzt in Spiele des Witzes[2]..
[8] Hegel, Phil. d. Rechts (1821 [1820]), 149 f. (150): In der That ist mein Ueberzeugtseyn etwas höchst geringfügiges, wenn ich nicht Wahres erkennen kann; so ist es gleichgültig, wie ich denke, und es bleibt mir zum Denken jenes leere Gute, das Abstractum des Verstandes. [...] Die höchste Form endlich, in welcher diese Subjectivität sich vollkommen erfaßt und ausspricht, ist die Gestalt, die man mit einem von Plato erborgten Namen Ironie[3/1] genannt hat; – denn nur der Name ist von Plato genommen, der ihn von einer Weise des Sokrates brauchte, welche dieser in einer persönlichen Unterredung gegen die Einbildung des ungebildeten und des sophistischen Bewußtseyns zum Behuf der Idee der Wahrheit und Gerechtigkeit anwandte, aber nur jenes Bewußtseyn, die Idee selbst nicht, ironisch[1] be〈150〉handelte. Die Ironie[1] betrifft nur ein Verhalten des Gesprächs gegen Personen, – ohne die persönliche Richtung ist die wesentliche Bewegung des Gedankens die Dialektik, und Plato war so weit entfernt, das Dialektische für sich oder gar die Ironie[1] für das Letzte und für die Idee selbst zu nehmen, daß er im Gegentheil das Herüber- und Hinübergehen des Gedankens, vollends einer subjektiven Meinung, in die Substantialität der Idee versenkte und endigte *).
*) Mein verstorbener Kollege, Professor Solger, hat zwar den vom Herrn Fried. v. Schlegel in einer früheren Periode seiner schriftstellerischen Laufbahn aufgebrachten und bis zu jener sich selbst als das Höchste wissenden Subjektivität gesteigerten Ausdruck der Ironie[3/1] aufgenommen, aber sein von solcher Bestimmung entfernter besserer Sinn und seine philosophische Einsicht hat darin nur vornehmlich die Seile des eigentlichen Dialektischen, des bewegenden Pulses der spekulativen Betrachtung ergriffen und festgehalten..
[9] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 89: Wird [...] die Ironie[1] zum Grundton der Darstellung genommen, so ist dadurch das Allerunkünstlerischste für das wahre Princip des Kunstwerks genommen, denn Theils kommen dadurch platte Figuren herein, Theils gehalt- und haltungslose, indem das Substantielle sich in ihnen als das Nichtige erweist Theils treten endlich noch jene Sehnsüchtigkeiten und unaufgelösten Widersprüche des Gemüths hinzu. Solche Darstellungen können kein wahrhaftes Interesse erwecken. Deshalb denn auch von Seiten der Ironie[4] die steten Klagen über Mangel an tiefem Sinn, Kunstansicht und Genie[2] im Publikum, das diese Höhe der Ironie[1] nicht verstehe; d. h. dem Publikum gefalle diese Gemeinheit, und das zum Theil Läppische, zum Theil Charakterlose nicht. Und es ist gut, daß diese gehaltlosen, sehnsüchtigen Naturen[17] nicht gefallen, es ist ein Trost, daß diese Unredlichkeit und Heuchelei nicht zusagt, und den Menschen dagegen ebenso sehr nach vollen und wahrhaften Interessen verlangt, als nach Charakteren[2/7], die ihrem gewichtigen Gehalte treu verbleiben. ➢ Volltext.
[10] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 89 f. (90): Solger war nicht [...] mit oberflächlicher philosophischer Bildung[6] zufrieden, sondern sein ächt spekulatives innerstes Bedürfniß drängte ihn in die Tiefe der philosophischen Idee hinabzusteigen. Hier kam er auf das dialektische Moment der Idee, auf den Punkt, den ich „unendliche absolute Negativität“ nenne, auf die Thätigkeit der Idee, sich als das Unendliche und Allgemeine zu negiren zur Endlichkeit 〈90〉 und Besonderheit, und diese Negation ebenso sehr wieder aufzuheben, und somit das Allgemeine und Unendliche im Endlichen und Besondern wieder herzustellen. An dieser Negativität hielt Solger fest, und allerdings ist sie ein Moment in der spekulativen Idee, doch als diese bloße dialektische Unruhe und Auflösung des Unendlichen wie des Endlichen gefaßt, auch nur ein Moment, nicht aber, wie Solger es will, die ganze Idee. Solger's Leben ist leider zu frühe abgebrochen, als daß er hätte zur konkreten Ausführung der philosophischen Idee kommen können. So ist er bei dieser Seite der Negativität, die mit dem ironischen[3] Auflösen des Bestimmten wie des in sich Substantiellen Verwandtschaft hat, und in welcher er auch das Princip der Kunstthätigkeit erblickte, stehen geblieben. Doch in der Wirklichkeit seines Lebens war er bei der Festigkeit, dem Ernst und der Tüchtigkeit seines Charakters[1], weder selber in der obengeschilderten Weise ein ironischer[3] Künstler, noch sein tiefer Sinn für wahrhafte Kunstwerke[2], den das dauernde Studium der Kunst[10] groß gezogen hatte, in dieser Beziehung von ironischer[3] Natur[1]. Soviel zur Rechtfertigung Solgers, der es in Rücksicht auf Leben, Philosophie und Kunst[17] verdient von den bisher bezeichneten Aposteln der Ironie[3] unterschieden zu werden. ➢ Volltext.
[11] Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 55 f. (56): Wahrscheinlich übertrift das Ohr[3] des Menschen[1] an feiner und mannigfaltiger Aufnehmung und Unterscheidung der Töne[1] auch das Ohr[3] aller andern Thiere[2]. Mich dünkt, schon die Menge der Sprachen[3] allein wäre hinlänglicher Beweis. So wie der vortrefliche Lehrmeister des Gefühls, ist es noch Lehrmeister der Zunge und der Kehle. Ein vollkommen zartes, festes, reines, und noch mehr, ausgebildetes Gehör ist freylich auch eben so selten, wie alle hohe Schönheit[3]; und durch böse Gewohnheiten kann man diesen 〈56〉 göttlichen Sinn sehr verderben. Wer ihn aber nicht einigermaaßen in Vortreflichkeit hat, soll sich nicht mit Gesang und Instrumenten[3] plagen, wo er nothwendig entscheidet..
[12] Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 113: Jeder, der nur einigermaaßen ein gutes Gehör hat, wird im Dunkeln seine Bekannten und Freunde auch am bloßen Ton[5] der Stimme[1] kennen, und von einander unterscheiden. Im Ton[5] der Stimme[1] liegt etwas Charakteristisches[1], was die besondre Art der Nerven anzeigt, woraus ein Mensch[1] besteht. Für einen Blindgebornen ist er die sinnliche Schönheit[1]. Eine quikende, grelle, heisere, schreyende Stimme[1] benimmt einer Helena, einem Paris an Gestalt den Reiz. Ein erfahrnes zartes Ohr[3] ist eben so gut physiognomischer Sinn, als ein erfahrnes scharfes Auge..
[13] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. II (1834), 164: Branchu, [...] geborne Chevalier, die erste Sängerin, ja für uns die eigentliche Repräsentantin der französischen großen Oper, betrat 1801 die Bühne. Unerschöpflich an Kraft und Ausdauer, ist ihre Stimme[1] auch in alten[2] Tagen noch von seltener Reinheit, jugendlicher Frische, zuweilen fast so melodisch klingend wie deutsche und italienische Stimmen[1]. Fast vollendet in Allem, was den mechanischen Theil des Vortrags betrifft, ist sie wahrhaft bewundernswürdig durch die Freiheit[13], womit sie alle Schwierigkeiten der Partien einer Armida, Dido, Alceste, Julia etc. beherrscht. Uebrigens bleibt sie stets der Declamationsschule der Franzosen treu, welche fast unbekümmert um die Cantilena den Gesang verstandesgemäß zerstückelt, der Phantasie[1] auf Worten[1] und Sylben ihre Stationen anweist. Als Schauspielerin hat sie keine andern Verdienste, als die, welche lange Uebung und mechanischer Fleiß gewähren. Für die eigentlich moderne[7] Oper hat sie keinen Sinn mehr und keine Bedeutung..
[14] Hoffmann, Jesuitenk. (1817), PW 2, 499: Dabei war Florentins Sinn[5] keinesweges für das Höhere verschlossen; im Gegenteil drang er mehr als je ein moderner[9] Maler tief ein in den frommen Sinn[10] der Gemälde alter[11] Meister..
[15] W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 268 f. (269): Bei den Griechen zeigt sich aber ein doppeltes, äusserst merkwürdiges, und vielleicht in der Geschichte einziges Phänomen. Als sie noch sehr viele Spuren der Rohheit anfangender Nationen[1] verriethen, besassen sie schon eine überaus grosse Empfänglichkeit für jede Schönheit der Natur[2] und der Kunst[10], einen feingebildeten Takt, und einen richtigen Geschmack, nicht der Kritik[2], aber der Empfindung, und finden sich Instanzen gegen diesen Takt und diesen Geschmak so ist wenigstens jene Reizbarkeit und Empfänglichkeit unläugbar; und wiederum als die Kultur[4] schon auf einen sehr hohen Grad gestiegen war, er〈269〉hielt sich dennoch eine Einfachheit des Sinns und Geschmaks, den man sonst nur in der Jugend der Nationen[1] antrift. Die Entwikklung der Ursachen hievon gehört nicht hieher. Genug das Phänomen ist da..
[16] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 149: Um gewiß zu seyn, daß wir unserem Dichter[1] [sc. J. W. Goethe] nicht etwas Fremdes[5] unterschieben, seine rein antike[3] Dichtung nicht bloß mit modernem[1] Sinne betrachten, wollen wir, zur Bestätigung unsrer Behauptung, noch ein Paar einzelne Stellen aus dem Ganzen herausheben..
[17] W. v. Humboldt, Versch. Sprachb. (*1827–29), GS I, 6.1, 155: Subjective Thätigkeit bildet im Denken ein Object. Denn keine Gattung der Vorstellungen kann als ein reines Beschauen eines schon vorhandenen Gegenstandes betrachtet werden. Die Tätigkeit der Sinne muss sich mit der inneren Handlung des Geistes[19] synthetisch verbinden, und aus dieser Verbindung reisst sich die Vorstellung los, wird, der subjectiven Kraft gegenüber, zum Object, und kehrt, als solches aufs neue wahrgenommen, in jene zurück. Hierzu aber ist die Sprache[1] unentbehrlich. Denn indem in ihr das geistige Streben sich Bahn durch die Lippen bricht, kehrt das Erzeugniss desselben zum eignen Ohre[3] zurück. Die Vorstellung wird also in wirkliche Objectivität hinüberversetzt, ohne darum der Subjectivität entzogen zu werden. Dies vermag nur die Sprache[1], und ohne diese, wo Sprache[1] mitwirkt, auch stillschweigend immer vorgehende Versetzung ist die Bildung des Begriffs, mithin alles wahre Denken unmöglich. Ohne daher irgend auf die Mittheilung zwischen Menschen und Menschen zu sehn, ist das Sprechen eine nothwendige Bedingung des Denkens des Einzelnen in abgeschlossener Einsamkeit..
[18] Immermann, Münchh. (1838–39), W 3, 260: Bin ich denn nicht ein Weib, d. h. ein Wesen ohne allen Sinn für Ironie[1]; tiefem, schlichtem Ernste einzig hingegeben?.
[19] Klingemann, Poesie (1800), 57: Die Dichtkunst[1] ist wohl überall am zartesten, und an sich selbst schon näher mit dem Geistigen verwandt; darum muß auch in ihr das eigentlich Poetische[2] den höchsten Ausdruck erreichen: so ist jene südliche[2] Erscheinung des Romantischen[4], für das auch wir jetzt einen lebhafteren Sinn bekommen haben, ein auffallender Beweis einer höhern poetischen[2] Bildung[5]. Das Romantische[4] ist mehr Ahnung als Sprache[11], und es äußert sich in leichten Spielen, und umgaukelt die Phantasie[1] mit lachenden Bildern; es erscheint in der Kunst[10], wie der Abend in der Wirklichkeit; mehr ein leichter rosenfarbener Traum, als bestimmtes Dasein. Am zartesten entfaltet sich die Blüthe des Romantischen[4] in der Novelle; hier sind die Farben am durchsichtigsten, und es ist das bunte[1] Blumenufer, das im stillen Strome sich abbildet..
[20] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 165: Mit Erstaunen höre ich sie oft, mit ungekünstelter Eigenthümlichkeit und Klarheit, Gedanken aufstellen, die den größten Scharfsinn enthalten. Sie sind nicht das Resultat eines langen, mühsamen Nachdenkens, wie bei den Männern, nein! sie sind vielmehr der leichte, glückliche Fund eines reinen, unfehlbaren Sinns, der die Wahrheit nicht erst durch Dunkel suchen darf, sondern dem sie sich gleich im heitern[1], schimmernden Lichte zeigt..
[21] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 51 f. (52): [W]er singen lernen will, muß ein musikalisches[6] Ohr[3] haben; und wer Musik[1] als Kunst[2] und nicht als bloße Schmeichelei des Ohrs[3] empfinden will, soll sein Ohr[3] für die Musik[1/4] ausgebildet haben wie derjenige seine Stimme[1] oder seine Instrumentalfertigkeit, der sie hervorbringt. Überhaupt glaubt man von allen Künsten[9/1], daß, um sie zu genießen in der Fülle dessen, was sie gewähren, man sie selbst üben müsse. Nur in der Redekunst 〈52〉 soll es hinreichen, daß der empfangende Sinn, das Ohr[3], offen stehe und über sich ergehen lasse. Man setzt vielleicht dunkel voraus, daß ein Sinn, der täglich geübt werde, durch eine Kunst[1] wie die des Redens, die in keiner Lage des Lebens ganz entbehrt werden könne, keiner absichtlichen Nachhülfe bedürfe und daß die Seele, diese Künstlerin aller Kunst[1], schon von selbst kluge und eifrige Thürhüterin des Haupteinganges, der zu ihr führt, seyn werde..
[22] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 52: Zuvörderst [...] übersieht man [...], daß [...] durch diesen Sinn des Ohrs[3] großes empfangen wird und kleines, gewaltiges und schwaches, unermeßliches und geringfügiges [...]; daß also dasjenige Ohr[3], welches nur gewöhnt ist zu empfangen: guten Morgen oder wie geht es? oder was kostet das? – um deswillen [...] nicht grade geeignet ist, eine Rede von Johannes Müller an die Schweizer oder von 〈53〉 Gentz für das europäische Gleichgewicht [...] anzuhören. Nicht etwa weil die Kenntnisse, die wissenschaftlichen Vorbereitungen fehlen, die zum Verständniß dieser Redner gehören, sondern weil das Ohr[3] an großartige Wendungen der Rede nicht gewöhnt ist, weil von den breitgetretenen, zerbröckelten Tönen des gemeinen Lebens, worin kein Gesetz herrscht, als das der Noth, kein Takt, als der der Faulheit, eigentlich kein Übergang stattfindet zu dem harmonischen Ganzen, was ein überlegener Geist[32] mit Freiheit[10] und rhythmisch angeordnet hat..
[23] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 54 f.: Das Auge empfängt alle Bilder, alle Farben, alle Eigenthümlichkeiten der Welt: was gibt es der Welt zurück als seinen zwar ausdrucksvollen, aber stillen Glanz? Der Geschmack, der Geruch, für welche die Natur[2] die zartesten Verhältnisse der Körperwelt zu mischen scheint, was geben sie der Natur[2] zurück? Womit antwortet der Mensch auf alle die Wohlthaten und Schmeicheleien seines Gefühls und aller dieser Sinne[4/5]? – Alle seine Schuld bezahlt er, all dieses unendliche Empfangen vergilt er, auf alle Fragen der Natur[2] antwortet er mit dem Vermögen der Rede: aus allen diesen Bildern, diesem Glanz, diesem Duft, diesem Wohlgeschmack, diesen tausendfältigen Anregungen des Gefühls bereitet sich ein einziger, einfach-unendlicher Stoff: das Wort[2]. Der Sinn[4/5] also, dem die Natur[2] das 〈55〉 Vermögen der Antwort beigegeben, der nicht bloß zum Leiden bestimmt ist wie die übrigen, hat einen höheren Beruf als die übrigen. Auch zeigt sich die Wahrheit dieser Behauptung deutlicher darin, daß unser Ohr[3] das Gesetz der Welt ganz für sich und fast ohne Beihülfe der übrigen empfinden kann: an der Musik ist wahrzunehmen, und die meisten musikalischen[1] Virtuosen bestätigen es, daß dieser Sinn[5] der unabhängigste von allen ist, ja, ich möchte sagen, daß der ganze Mensch sich in das Ohr[3] zurückziehn, mit diesem einen Organe[3] leben, denken und dichten und alle andere Organe[3] im thierischen Zustande hinterlassen kann. Wie Großes haben die Alten[10] gemeint, als sie von einer Harmonie der Sphären redeten, als wenn die Gesetze der wunderbaren Anordnung des Weltbaues doch eigentlich nur das Ohr[3] empfinden könnte!.
[24] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 269 f. (270): [S]chon ein gewisser natürlicher[2] 〈270〉 Sinn für den Adel[5] und die Gediegenheit der Form, schon der bloße Geschmack empört sich gegen diese Barbarei aller Barbareien [...]..
[25] Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 273: Meinethalben mag jetzt der Buchstabe[8/9] an der Zeit[9] seyn. Es ist kein großes Lob für die Zeit[9], daß sie so weit von der Natur[19] entfernt, so sinnlos für Familienleben, so abgeneigt der schönsten[1] poetischen[1] Gesellschaftsform ist. Wie würden unsre Kosmopoliten erstaunen, wenn ihnen die Zeit[3] des ewigen Friedens erschiene und sie die höchste gebildetste Menschheit[3] in monarchischer Form erblickten? Zerstäubt wird dann der papierne Kitt seyn, der jetzt die Menschen[1] zusammenkleistert, und der Geist[12/30] wird die Gespenster, die statt seiner in Buchstaben[8/9] erschienen und von Federn und Pressen zerstückelt ausgingen, verscheuchen, und alle Menschen[1] wie ein paar Liebende zusammen schmelzen..
[26] Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 279: Es würde ein sehr gefährliches Symptom des Neupreußischen Staats sein, wenn man zu stumpf für die wohlthätigen Einflüsse des Königs und der Königin wäre, wenn es in der That an Sinn für dieses klassische[3] Menschenpaar gebräche..
[27] Novalis, Monolog (*1799), 2: Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache[1] wie mit den mathematischen Formeln sey – Sie machen eine Welt für sich aus – Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur[1] aus und eben darum sind sie so ausdrucksvoll – eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnißspiel der Dinge. Nur durch ihre Freyheit[12] sind sie Glieder der Natur[2] u[nd] nur in ihren freyen Bewegungen äußert sich die Weltseele und macht sie zu einem zarten Maaßstab u[nd] Grundriß der Dinge. So ist es auch mit der Sprache[1] – wer ein feines Gefühl ihrer Applicatur, ihres Takts, ihres musicalischen[3] Geistes[12] hat, wer in sich das zarte Wirken ihrer innern Natur[1] vernimmt, und darnach seine Zunge oder seine Hand bewegt, der wird ein Profet sein, dagegen wer es wohl weis, aber nicht Ohr[3] u[nd] Sinn genug für sie hat, Wahrheiten wie diese schreiben, aber von der Sprache[1] selbst zum besten gehalten u[nd] von den Menschen, wie Cassandra von den Trojanern, verspottet werden wird. ➢ Volltext.
[28] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 14: Bey der Hofhaltung des Landgrafen ging es nach der Sitte der damaligen Zeiten[3] einfach und still zu; und die Pracht und Bequemlichkeit des fürstlichen Lebens dürfte sich schwerlich mit den Annehmlichkeiten messen, die in spätern Zeiten[3] ein bemittelter Privatmann sich und den Seinigen ohne Verschwendung verschaffen konnte. Dafür war aber der Sinn für die Geräthschaften und Habseeligkeiten, die der Mensch zum mannichfachen Dienst seines Lebens um sich her versammelt, desto zarter und tiefer. Sie waren den Menschen werther und merkwürdiger. Zog schon das Geheimniß der Natur[2] und die Entstehung ihrer Körper den ahndenden[3] Geist[19] an: so erhöhte die seltnere Kunst[13] ihrer Bearbeitung[,] die romantische[7/8] Ferne, aus der man sie erhielt, und die Heiligkeit ihres Alter〈15〉thums[1], da sie sorgfältiger bewahrt, oft das Besitzthum mehrerer Nachkommenschaften wurden, die Neigung zu diesen stummen Gefährten des Lebens. Oft wurden sie zu dem Rang von geweihten Pfändern eines besondern Segens und Schicksals erhoben, und das Wohl ganzer Reiche und weitverbreiteter Familien hing an ihrer Erhaltung. Eine liebliche Armuth schmückte diese Zeiten[3] mit einer eigenthümlichen ernsten und unschuldigen Einfalt; und die sparsam vertheilten Kleinodien glänzten desto bedeutender in dieser Dämmerung, und erfüllten ein sinniges Gemüth mit wunderbaren Erwartungen. Wenn es wahr ist, daß erst eine geschickte Vertheilung von Licht, Farbe und Schatten die verborgene Herrlichkeit der sichtbaren Welt offenbart, und sich hier ein neues[1] höheres Auge aufzuthun scheint: so war damals überall eine ähnliche Vertheilung und Wirthschaftlichkeit wahrzunehmen; da hingegen die neuere[3] wohlhabendere Zeit[3] das einförmige und unbedeutendere Bild eines allgemeinen Tages darbietet..
[29] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 22: In alten[1] Zeiten[3] muß die ganze Natur[2] lebendiger und sinnvoller gewesen seyn, als heut zu Tage. Wirkungen, die jetzt kaum noch die Thiere[1] zu bemerken scheinen, und die Menschen[1] eigentlich allein noch empfinden und genießen, bewegten damals leblose Körper; und so war es möglich, daß kunstreiche Menschen[1] allein Dinge möglich machten und Erscheinungen hervorbrachten, die uns jetzt völlig unglaublich und fabelhaft dünken. So sollen vor uralten Zeiten[3] in den Ländern des jetzigen Griechischen[3] Kaiserthums, wie uns Reisende berichtet, die diese Sagen noch dort unter dem gemeinen Volke[5] angetroffen haben, Dichter gewesen seyn, die durch den seltsamen Klang wunderbarer Werkzeuge das geheime Leben der Wälder, die in den Stämmen verborgenen Geister[1/12] aufgeweckt, in wüsten, verödeten Gegenden den todten Pflanzensaamen erregt, und blühende Gärten hervorgerufen, grausame Thiere[4] gezähmt und verwilderte Menschen[1] zu Ordnung und Sitte gewöhnt, sanfte Neigungen und Künste[1] des Friedens in ihnen rege gemacht, reißende Flüsse in milde Gewässer verwandelt, und selbst die todtesten Steine in regelmäßige tanzende Bewegungen hingerissen haben..
[30] Schiller, Schaubühne (1785), NA 20, 90: Unsre Natur[1], gleich unfähig, länger im Zustand des Thiers[10] fortzudauren, als die feinern Arbeiten des Verstands[2] fortzusezen, verlangte einen mittleren Zustand, der beide widersprechenden Enden vereinigte, die harte Spannung zu sanfter Harmonie herabstimmte, und den wechselsweisen Uebergang eines Zustands in den andern erleichterte. Diesen Nuzen leistet überhaupt nun der ästhetische Sinn, oder das Gefühl für das Schöne[1]..
[31] Schiller, Nothw. Grenz. (1795 [hier: 21800]), NA 21, 17 f. (18): Dem Geschmack ist [...] bey Mittheilung der Erkenntniß zwar die Form anvertraut, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß er sich nicht an dem Inhalt vergreife. Er soll nie vergessen, daß er einen fremden Auftrag ausrichtet und nicht seine eignen Geschäfte führt. Sein ganzer Antheil soll darauf eingeschränkt seyn, das Gemüth in eine der Erkenntniß günstige Stimmung zu versetzen; aber in allem dem, was die Sache betrift, soll er sich durchaus keiner Autorität anmaßen. | 〈18〉 Wenn er das letztere thut – wenn er sein Gesetz, welches kein anders ist, als der Einbildungskraft gefällig zu seyn, und in der Betrachtung zu vergnügen, zum obersten erhebt – wenn er dieses Gesetz nicht bloß auf die Behandlung, sondern auch auf die Sache anwendet, und nach Maßgabe desselben die Materialien nicht bloß ordnet, sondern wählt, so überschreitet er nicht nur, sondern veruntreut seinen Auftrag, und verfälscht das Objekt, das er uns treu überliefern sollte. Nach dem, was die Dinge sind, wird jetzt nicht mehr gefragt, sondern wie sie sich am besten den Sinnen empfehlen. Die strenge Consequenz der Gedanken, welche bloß hätte verborgen werden sollen, wird als eine lästige Fessel weggeworfen, die Vollkommenheit wird der Annehmlichkeit, die Wahrheit der Theile der Schönheit[6] des Ganzen, das innere Wesen dem äußern Eindruck aufgeopfert. Wo aber der Inhalt sich nach der Form richten muß, da ist gar kein Inhalt; die Darstellung ist leer, und anstatt sein Wissen vermehrt zu haben, hat man bloß ein unterhaltendes Spiel getrieben. | Schriftsteller, welche mehr Witz[2] als Verstand[1] und mehr Geschmack als Wissenschaft besitzen, machen sich dieser Betrügerey nur allzu oft schuldig, und Leser, die mehr zu empfinden als zu denken gewohnt sind, zeigen sich nur zu bereitwillig, sie zu verzeihen..
[32] A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 174 f. (175): Im blonden Ekbert werden [...] Schauer erregt, an denen keine Häßlichkeit der Erscheinungen Theil hat, und die um so überraschender treffen, weil sie nicht mit großen Zurüstungen herbeygeführt werden. Durch die ganze Erzählung geht eine stille Gewalt der Darstellung, die zwar nur von jener Kraft des Geistes[20] herrühren kann, welcher „die Gestalten unbekannter Dinge“ bis zur hellen Anschaulichkeit und Einzelnheit Rede stehn, deren Organ[1] jedoch hier vorzüglich die Schreibart ist: eine nicht sogenannte poetische[6], vielmehr sehr einfach gebaute, aber wahrhaft poetisirte Poesie [sic; gemeint sein dürfte jedoch Prosa1]. Das Geheimniß ihres Maßes und ihrer Freyheit[1], ihres rhythmischen Fortschrittes, und ihres schön[2] entfaltenden Überflusses hat, für unsre Sprache[3] wenigstens, Goethe entdeckt; und die Art wie Tieck seinen Styl, besonders im Wilhelm Meister und in dem goldnen Mährchen, dem Mährchen par 〈175〉 excellence, studirt haben muß, um es ihm so weit abzulernen, würde allein schon seinen Sinn für dichterische Kunst[6] bewähren. ➢ Volltext.
[33] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
[34] A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 280: Cervantes hätte Recht gehabt, sich die meisten bisherigen Uebersetzungen seines Don Quixote zu verbitten, namentlich die neuern Französischen und die daher abgeleiteten (die Engländer besitzen, so viel ich weiß, bis jetzt noch keine andere), welche bloß den prosaischen[3] Bestandtheil der Satire übrig lassen, die dichterische Ausführung aber, die reizende und zuweilen erhabene Zusammenstellung der Parodie auf die veraltete Abentheuerlichkeit der ritterlichen Romanzi mit eingewebten romantischen[7] Dichtungen in einem ausgebildeteren Geiste[12] größtentheils zerstören. Der Sinn für diese Dinge erwacht auch erst allmählig wieder, vor zwanzig Jahren konnte man ja in Deutschland nicht hoffen, daß dies Meisterwerk in seiner ursprünglichen vollständigen Gestalt gefallen würde, und wer weiß wie vielen es noch jetzt ein Aergerniß und eine Thorheit ist. ➢ Volltext.
[35] A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 281 f. (282): Was mich nur verdrießt, ist, daß man bey Anerkennung unserer Fortschritte in diesem Fache [sc. Übersetzung] unsrer vortrefflichen Sprache[3] alles Verdienst davon zueignen will. 〈282〉 Ich habe sonst wohl mit eingestimmt, aber ich bin überzeugt, die Sprache[3] thäte es nicht ohne den Willen, den Eifer und den Sinn[5/10?] derer, die sie gebrauchen. ➢ Volltext.
[36] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 461 f. (462): Weit reiner [findet sich die Scheidung der Dichtarten] in der antiken[2] Poesie[11], weswegen diese vorzugsweise als Kunst[9] 〈462〉 und classisch[5] erscheint. In der romantischen[12/4] Poesie[11] eine unauflösliche Mischung aller poetischen[4] Elemente. Daher daß man sie verkennt. Die eigentlichen Originalwerke der Neueren[3] ganz übersehen, die schlechten Nachahmungen der Alten[10] als das Wichtigste gepriesen. Keinen Sinn für das Chaos. 〈Auch das Universum bleibt der höhern Ansicht immer noch Chaos.〉 Das Streben nach dem Unendlichen ist in der Romantischen[12/4/11] Poesie[11] nicht bloß im einzelnen Kunstwerke[3] ausgedrückt, sondern im ganzen Gange der Kunst[3]. Gränzenlose Progressivität..
[37] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 640: Es war [...] nichts geringes, daß uns durch Goethe, überhaupt den Auferwecker der Poesie[4/20] und nächst Winkelmann des Sinnes für das classische[7] Alterthum[2] 〈in unserm Zeitalter〉, die reine Form des Epos wiedergegeben ist..
[38] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 46 f. (47): Die Philologie ist an sich ein liberales Studium, weil es bloß auf Uebung und Bildung[2] des Geistes[14] im allgemeinen abzweckt, und sich der Gemeinnützigkeit bestimmter Anwendungen entzieht. Man hat sie aber auch in der neueren[5] Epoche diesen unterwürfig machen wollen, 〈47〉 und dadurch auf Abwege geleitet. Die älteren[10] Philologen suchten den Schülern bloß den Buchstaben[11] der alten[10] Autoren zu eröffnen, in der Zuversicht, wenn sie selbigen treufleißig erlernt hätten, würde ihnen der Geist[30] nach dem Maaße ihres Sinnes von selbst aufgehen. Jetzt hat man sie voreilig in diesen einzuweihen gedacht, ohne ihn selbst recht gefaßt zu haben: man hat in Noten viel über die Schönheiten[3] der Dichter gefaselt, man hat die Mythologie nach oberflächlichen Ansichten aus der sogenannten Geschichte[4] der Menschheit[2], d. h. aus Vergleichungen mit andern Nationen[1] auf gleichen Stufen der Cultur[4] [...], zugestutzt, u. s. w. Was ist dabei herausgekommen? Die grammatische Gründlichkeit ist vernachlässigt, und das Höhere nicht erreicht worden. ➢ Volltext.
[39] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 49: Ich möchte ihn [sc. Fleming] unter unsern Dichtern vorzugsweise den südlichen[3] nennen, aber er wurde darum seinem Vaterlande nicht fremd[4]: er hatte ein Deutsches Herz und eine Orientalische[2] Fantasie[2]; und wie sich das äußre Leben oft mit dem innern harmonisch gestaltet, so mußte sich auch für ihn durch die holsteinische Gesandtschaft nach Persien die damals unerhört seltne Gelegenheit darbieten, durch Rußland und die tatarischen Steppen bis in die schönsten[1] Gegenden des Orients[1] hinzugelangen, eine Reise, die er mit romantischem[4] Sinne aufgefaßt und herrlich dargestellt hat..
[40] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 266: Da [...] die lokalen Geschichten des modernen Europa ohne Sinn für die Zeitalter und die darin liegende Beziehung auf das Ganze, den Ausländern gänzlich uninteressant werden, ja nicht einmal allgemein bey den Mitgliedern einer Nation[1], wo es an Nationalität und Patriotismus fehlt, auf rege Theilnahme rechnen dürfen: so bescheiden sie sich von selbst, bloß zu bedingten lokalen Zwecken geschrieben zu seyn, als Handbücher der Geschäftsmänner und Juristen in einem Staat, der vielleicht nur wenige Meilen im Umkreise hat, und außer welchem kein Mensch um diese obscuren Geschichten sich bekümmert. Dieß Bewußtseyn hat dann auf die Form den nachtheiligsten Einfluß gehabt: je brauchbarer für solche Zwecke, desto unlesbarer und barbarischer sind gewöhnlich solche Geschichtbücher. | Bey solchen bloß technisch-praktischen Historien beruht natürlich die ganze Brauchbarkeit auf der Erweislichkeit der Thatsachen. Daher ist es Sitte geworden die Geschichtforschung mit in die Geschichtschreibung hinein zu tragen; und weitläuftig über Dinge für und wider zu discutiren, die ein Alter ganz kurz mit Erwähnung der beyden abweichenden Meynungen unentschieden hätte dahin gestellt seyn lassen. Ohne Sinn für Erweise, zu denen eine lebendige Anschauung der Vergangenheit erfodert wird, hat man alles auf den todten Buchstaben[6/8] zu reduciren gesucht; und da unter schriftlichen Denkmälern keine einen höheren Grad von Glaubwürdigkeit zu haben scheinen, als Diplome, so ist es der größte Lobspruch solcher technischen Specialgeschichten geworden: sie seyen diplomatisch geschrieben. Es könnte sich treffen, daß eine dergleichen zwar nichts unrichtiges, aber auch nicht das rechte wahre enthielte. Selbst das in öffentlichen Akten verhandelte bekömmt durch den Geist[14] der Menschen erst seine lebendige Bedeutung..
[41] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 337: Ich glaube [...], daß Mischung und Verschmelzung mehrerer Idiome ein besonders günstiger Umstand für die Sprachbildung ist. Es erfolgt nämlich, ehe sie sich amalgamiren, ein Zeitraum der Anarchie und Verwirrung, wo der große Haufe, beyder Sprachen[3] nicht recht mächtig, spricht, wie er will und kann. Ist nun Anlage und Sinn für das Schöne[1] da, so kann eben diese Unsicherheit und Unbestimmtheit Anlaß werden, daß das Angenehmere gewählt, Härten weggeschliffen, die Aussprache überhaupt gemildert werde u. s. w.: und so ist eben Barbarey und Idiotismus im Sprechen Quelle einer ganz 〈338〉 neuen[1] Vollkommenheit..
[42] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 348: Sowohl die Italiäner als Spanier besitzen romantische[1] Darstellungen in einer [...] wahrhaft poetisirten Prosa[5]. [...] Boccaz muß wohl als der Stifter der romantischen[1] Prosa[5] angesehen werden, wiewohl er die Französischen Ritterromane und Fabliaux vor Augen haben mochte. – Bey den Spaniern ist sie zuerst in den Ritterromanen aufgeblüht, [...] dann wurde sie besonders in den Schäferromanen und einigen andern sehr anmuthig bearbeitet, und endlich von Cervantes auf den letzten Gipfel erhoben, der nicht weiter hat übertroffen werden können. – Es ist keine Frage, daß die Deutsche Sprache[3] sich hierin sehr gut an diese südlichen Muster anschließen kann; sie hat in frühern Zeiten[3] schon mehr das dazu gehörige besessen, und jetzt ist durch Goethes W. Meister zuerst der Sinn für romantische[1] ruhig darstellende Prosa[5] wieder geweckt worden..
[43] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 370: Die Philosophie hingegen hat das durchaus Unreflectirte zum Gegenstande, und kann nur zur innern Anschauung mittelbar durch anregende Wortzeichen auffodern. [...] Das Esoterische [...] machte gleichsam philosophische Mysterien aus, zu welchen nur diejenigen zugelassen wurden, die ihre Anlage, mit entgegenkommenden Sinn die wahre Deutung des Buchstaben-Symbols zu fassen, schon sonst bewährt hatten..
[44] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 71: Man sehe nur ein vielgelesenes Buch, Laharpe's Cours de littérature: Ueber das französische Theater enthält es manche feine Bemerkung; wer die Griechen daraus kennen zu lernen gedächte, wäre übel berathen; es fehlte dem Verfaßer eben so sehr an gründlicher Bekanntschaft mit ihnen, als am Sinn dafür. Auch Voltaire ist oft ungebührlich absprechend über sie: er erhebt sie oder würdigt sie herab, wie es ihm einfällt und das augenblickliche Bedürfniß, so oder so auf die Meynung des Publicums zu wirken, es mit sich bringt. So erinnere ich mich, von Metastasio eine flüchtige Beurtheilung der griechischen Tragödien gelesen zu haben, worin er ihre Dichter wie Schulknaben meistert. [...] Die Triebfedern jener feindseligen Kritiken[5] sind zu errathen. Die Na〈72〉tional- und Autor-Eitelkeit mischt sich in's Spiel: man will es weit beßer gemacht haben als die Alten, und man wagt sich mit solchen Behauptungen an das Licht, weil die Werke der dramatischen Dichter nur den Gelehrten zugänglich in todter Schrift auf uns gekommen sind, ohne die lebendige Begleitung der Recitation, der Musik, der idealischen und wahrhaft plastischen Mimik, endlich des szenischen Pomps; welches alles in Athen ohne Zweifel die Dichtungen selbst so würdig zu einem harmonischen Eindruck zusammenstimmte, daß, wenn es uns auf einmal vor das Auge und Ohr gestellt werden könnte, jene vorlaute Klügeley tief verstummen müßte.
[45] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 32 f. (33): Der Pastor fido insbesondre ist eine unnachahmliche Hervorbringung: originell und doch classisch[3]; romantisch[7] durch den Geist[12] der dargestellten Liebe: in den Formen mit dem großen einfachen Gepräge des classischen[3/7] Alterthums[2] bezeichnet; neben den süßen Tändeleyen der Poesie[3] voll von hoher keuscher Schönheit[6] des Gefühls. Keinem Dichter 〈33〉 ist es wohl so gelungen, die moderne[1] und antike[2] Eigenthümlichkeit zu verschmelzen. Für das Wesen der alten[10] Tragödie zeigt er einen tiefen Sinn, denn die Idee des Schicksals beseelt die Grundanlage seines Stückes, und die Hauptcharakter kann man idealisch[1] nennen; er hat zwar auch Caricaturen eingemischt, und die Composition deswegen Tragikomödie genannt: allein sie sind es nur durch ihre Gesinnungen, nicht durch den Unadel der äußern Sitten, gerade wie die alte[10] Tragödie selbst den untergeordneten Personen, Sklaven oder Boten, ihren Antheil an der allgemeinen Würde leiht. ➢ Volltext.
[46] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 180: Das allgemeine Entzücken bey Erscheinung dieses Stücks [sc. Corneille, Cid], das ohne Einmischung irgend einer unedlen Triebfeder ganz auf den Widerstreit der reinsten Gefühle, der Ehre, Liebe und kindlichen Pflicht gebaut ist, zeugte von noch nicht ausgestorbnem romantischem[7] Sinn unter den Zuschauern, die sich den natürlichen[2] Eindrücken überließen..
[47] C. Schlegel, an L. Gotter (15. 10. 1796), C 1, 400: Allerdings habe ich die Zeit[6] genuzt um herein zu ziehn, und bin auch schon leidlich etablirt. Im Haus selbst wird nur noch allerley getrieben. Tischler und Mahler[2] sind noch dabey, so daß die Avenuen wenigstens nicht so nett sind, wie meine Stuben. Ich habe eine rechte Freude darüber, daß Schlegel der Unruhe entgangen ist, und ich ihn in die ordentliche Wohnung einführen kan. Er ist keiner von den Gelahrten, die für Ordnung und Eleganz keinen Sinn haben; nun ist zwar die Eleganz noch auf einen frugalen Fuß bey mir, indeß sieht es doch schon anders aus, wie im Gartenhause..
[48] C. Schlegel, an J. D. Gries (9. 6. 1799), C 1, 549: Wie wenig Sinn ich [...] eigentlich für Fichtens System [...] habe, können Sie denken. Das Gute um des Guten willen, das begreife ich in ihm, das erhebt meine Seele, und ausserdem bewundre ich an ihm die Höhe des menschlichen Geistes[14] und interressire mich für den Verfechter der Freyheit[6] im Denken – seine persönliche Bravheit abgerechnet..
[49] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 140, Nr. 36: Wer noch nicht bis zur klaren Einsicht gekommen ist, daß es eine Größe noch ganz ausserhalb seiner eigenen Sphäre geben könne, für die ihm der Sinn durchaus fehle; wer nicht wenigstens dunkle Vermuthungen hat, nach welcher Weltgegend des menschlichen Geistes hin diese Größe ungefähr gelegen seyn möge: der ist in seiner eignen Sphäre entweder ohne Genie, oder noch nicht bis zum Klassischen[3] gebildet. ➢ Volltext.
[50] F. Schlegel, Philolog. I (*1797), KFSA 16, 44, Nr. 109: , wie Wenige..
[51] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 69, Nr. 100: Vom klassischen[7] Sinn ist der antiquarische Geist[14] noch ganz verschieden: das Interesse am Alten[10], weil es alt[10] ist: das Interesse an der Materie des Alterthums[3], an Reliquien, an klassischem[7] Boden. – Die größten Menschen haben diesen Sinn. [...] 〈Interesse am Buchstaben[8] des Alterthums[3].〉.
[52] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 70, Nr. 110: W[inckelmann]'s Abscheu gegen das Moderne ist doch nur aus
[53] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 212: Das unsterbliche Werk des größten historischen Künstlers der Modernen, die Schweizergeschichte von Johannes Müller ist im größten Römischen Styl entworfen und ausgeführt. Im Einzelnen athmet das Werk durch und durch echten Sinn der Alten: im Ganzen aber verfällt es dennoch wieder ins Manierirte, weil neben dem klassischen[7] Geist[12] auch die antike Individualität affektirt ist. ➢ Volltext.
[54] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 8, Nr. 22: Der Sinn für Projekte, die man Fragmente aus der Zukunft nennen könnte, ist von dem Sinn für Fragmente aus der Vergangenheit nur durch die Richtung verschieden, die bey ihm progressiv[4], bey jenem aber regressiv ist. Das Wesentliche ist die Fähigkeit, Gegenstände unmittelbar zugleich zu idealisiren, und zu realisiren, zu ergänzen, und theilweise in sich auszuführen. Da nun transcendental[1/2] eben das ist, was auf die Verbindung oder Trennung des Idealen und des Realen Bezug hat; so könnte man wohl sagen, der Sinn für Fragmente und Projekte sey der transcendentale[2] Bestandtheil des historischen Geistes[20]. ➢ Volltext.
[55] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 124, Nr. 404: Zur Philologie muß man gebohren seyn, wie zur Poesie[11] und zur Philosophie. Es giebt keinen Philologen ohne Philologie in der ursprünglichsten Bedeutung des Worts[1], ohne grammatisches Interesse. Philologie ist ein logischer Affekt, das Seitenstück der Philosophie, Enthusiasmus für chemische Erkenntniß: denn die Grammatik ist doch nur der philosophische Theil der universellen Scheidungs- und Verbindungskunst. Durch die kunstmäßige Ausbildung jenes Sinns entsteht die Kritik[3], deren Stoff nur das Klassische[3] und schlechthin Ewige seyn kann, was nie ganz verstanden werden mag: sonst würden die Philologen, an deren meisten man die gewöhnlichsten und sichersten Merkmahle der unwissenschaftlichen Virtuosität wahrnimmt, ihre Geschicklichkeit eben so gern an jedem andern Stoff zeigen als an den Werken des Alterthums[3], für das sie in der Regel weder Interesse noch Sinn haben. Doch ist diese nothwendige Beschränktheit um so weniger zu tadeln oder zu beklagen, da auch hier die künstlerische Vollendung allein zur Wissenschaft[1] führen, und die bloße formelle Philologie einer materialen Alterthumslehre und einer humanen Geschichte[4] der Menschheit[2] nähern muß. ➢ Volltext.
[56] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 129, Nr. 418: [D]er Sternbald vereinigt den Ernst und den Schwung des Lovell mit der künstlerischen Religiosität des Klosterbruders und mit allem was in den poetischen[4] Arabesken, die er aus alten[1] Mährchen gebildet, im Ganzen genommen das Schönste[1] ist: die fantastische[2] Fülle und Leichtigkeit, der Sinn für Ironie[3], und besonders die absichtliche Verschiedenheit und Einheit des Kolorits. Auch hier ist alles klar und transparent, und der romantische[4/12/1/9] Geist[11/12?] scheint angenehm über sich selbst zu fantasiren. ➢ Volltext.
[57] F. Schlegel, Goethe's Meister (1798), 164 f. (165): Dieses Frische der Farben, dieses kindlich Bunte[2], diese Liebe zum Putz und Schmuck, dieser geistreiche Leichtsinn und flüchtige Muthwillen ha〈165〉ben etwas was man Aether der Fröhlichkeit nennen möchte, und was zu zart und zu fein ist, als daß der Buchstabe[9] seinen Eindruck nachbilden und wiedergeben könnte. Nur dem, der vorlesen kann, und sie vollkommen versteht, muß es überlassen bleiben, die Ironie[3/1], die über dem ganzen Werke [sc. Goethe: Wilh. Meister (1795–96)] schwebt[5], hier aber vorzüglich laut wird, denen die den Sinn dafür haben, ganz fühlbar zu machen. Dieser sich selbst belächelnde Schein von Würde und Bedeutsamkeit in dem periodischen Styl, diese scheinbaren Nachläßigkeiten, und Tautologien, welche die Bedingungen so vollenden, daß sie mit dem Bedingten wieder eins werden [...], dieses höchst Prosaische[3] mitten in der poetischen[1] Stimmung des dargestellten oder komödirten Subjekts, der absichtliche Anhauch von poetischer[1] Pedanterie bey sehr prosaischen[3] Veranlassungen; sie beruhen oft auf einem einzigen Wort, ja auf einem Akzent.
[58] F. Schlegel, Philos. Lehrj. III (*1798), KFSA 18, 128, Nr. 76: Ironie[1] ist gleichsam die επιδειξις d[er] Unendlichkeit, d[er] Universalität, vom Sinn fürs Weltall..
[59] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 7: Eben darum sollten die Frauen mit ganzer Seele und ganzem Gemüthe nach dem Unendlichen und Heiligen streben, nichts so sorgfältig ausbilden, als den Sinn und die Fähigkeit dafür; und mit keiner Liebhaberey sollte es ihnen so Ernst seyn wie mit der Religion[3].
[60] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 14 f. (15): Liebst Du wohl, wenn Du nicht die Welt in dem Geliebten findest? Um sie in ihm finden, und in ihn hin〈15〉ein legen zu können, muß man sie schon besitzen, sie lieben, oder wenigstens Anlagen, Sinn[5] und Liebesfähigkeit für sie haben. Daß diese Kräfte cultivirt werden können, daß der Blick vom Auge unsers Geistes[19] immer weiter, fester und klarer werden soll, und unser inneres Ohr[3] empfänglicher für die Musik[8] aller Sphären der allgemeinen Bildung[5]; daß die Religion[3] in diesem Sinne[1] sich also lehren und lernen, obgleich nie erschöpfen lasse, leuchtet von selbst ein. Aber freilich sind Freundschaft und Liebe die Organe[1] alles sittlichen Unterrichts auch bey diesen Zweigen desselben unentbehrlich. Und gewiß werden zwey Liebende, wenn der Mann die Geliebte über den gewöhnlichen Dienst kleiner Hausgötter ins freye[1] Ganze hinaus zu führen strebt, oder ihr die zwölf großen Götter[4] in Gestalt bekannter Laren zugesellt; und wenn sie gleich einer Priesterin der Vesta über das heilige Feuer auf dem reinen Altare in seiner Brust wacht, beyde zusammen schnellere und weitere Fortschritte spüren, als wenn jeder für sich allein mit heißem Bemühen nach Religion[3] gestrebt hätte. ➢ Volltext.
[61] F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 212: Während nun auf der einen Seite alle Vernünftler und die, welche vorzüglich in der Gegenwart leben und von dem Geist[12] derselben sich lenken und beherrschen lassen, fast ohne Ausnahme dem verderblichen und zerstörenden Grundsatze ergeben sind, alles durchaus neu und von vorn wie aus Nichts erschaffen zu wollen, ist auf der andern Seite wahre Kenntniß des Alterthums[2] und der Sinn für dasselbe fast verschwunden, die Philologie zu einer in der That sehr schaalen und unfruchtbaren Buchstabengelehrsamkeit herabgesunken, und so bei manchen erwünschten Fortschritten im Einzelnen, doch das Ganze zersplittert und weder Kraft noch lebendiger Geist[27] darin sichtbar. ➢ Volltext.
[62] Schleiermacher, Ath.-Fragm. (1798), 102 f. (103), Nr. 350: Keine Poesie[7], keine Wirklichkeit. So wie es trotz aller Sinne[4] ohne Fantasie[1] keine Außenwelt giebt, so 〈103〉 auch mit allem Sinn[5] ohne Gemüth keine Geisterwelt. Wer nur Sinn[5] hat, sieht keinen Menschen[9], sondern bloß Menschliches: dem Zauberstabe des Gemüths allein tut sich alles auf. Es setzt Menschen[9] und ergreift sie; es schaut an wie das Auge ohne sich seiner mathematischen Operazion bewußt zu seyn. ➢ Volltext.
[63] Schleiermacher, Religion (1799), 52 f. (53): Spekulazion und Praxis haben zu wollen ohne Religion[3], ist verwegener Übermuth, es ist freche Feindschaft gegen die Götter[4/6], es ist der unheilige Sinn[10] des Prometheus, der feigherzig stahl, was er in ruhiger Sicherheit hätte fordern und erwarten können. Geraubt nur hat der Mensch[1] das Gefühl seiner Unendlichkeit und Gottähnlichkeit, und es kann ihm als unrechtes Gut nicht gedeihen, wenn er nicht auch seiner Beschränktheit sich bewußt wird, der Zufälligkeit seiner ganzen Form, des geräuschlosen Verschwindens seines ganzen Daseins im Unermeßlichen. Auch haben die Götter[4/6] von je an diesen Frevel gestraft. Pra〈53〉xis ist Kunst[2], Spekulazion ist Wissenschaft[1], Religion[3] ist Sinn[5] und Geschmak fürs Unendliche. Ohne diese, wie kann sich die erste über den gemeinen Kreis abenteuerlicher[3] und hergebrachter Formen erheben? wie kann die andere etwas beßeres werden als ein steifes und mageres Skelet? ➢ Volltext.
[64] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 629: Wer schwach höret, wird weniger von leidenschaftlichen Tönen gerühret, als der, der ein feines Ohr[3] hat, und so ist es auch mit andern Sinnen. Darum liegt etwas von der Anlage zum Künstler, schon in dem Bau der Gliedmassen des Körpers..
[65] L. Tieck, an A. W. Schlegel (23. 12. 1797), L, 26: Es ist schön[6], daß Sie die Prosa[5] des Cervantes so fühlen wie ich, das hat mir auch Muth gemacht, denn es war immer mein Ideal, es Göthisch zu übersetzen, soviel ich kann: darum ist der Bertuch gar kein Don Quixote, er ist ein ganz andres Buch, in dem bloß dieselben Begebenheiten ohngefähr sind, für das eigentliche Romantische[1/7] der Novellen, für die herrlichen Verse, für die süßen Schilderungen der Liebe hat er gar keinen Sinn gehabt, er hat gemeint, seinen Lesern ein großes Geschenk zu machen, wenn er das meiste davon ausläßt..
[66] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XV f. (XVI): Der Reim wird aber nicht bloß auf eine so beschränkte Weise gebraucht, wie es diese Nationen[1] [sc. Italiäner und Spanier] nachher fast zum Gesetz in der Poesie[3] gemacht haben. Ausserdem, daß er die einzelnen Verse beschließt und mit einander verknüpft, ist ihm noch ein ganz verschiedener Sinn beigelegt, welcher den künstlichen Formen ein unendliches Feld eröffnet. Andre Reime werden nehmlich 〈XVI〉 noch oft in die Mitte gestellt, oder zu Anfang, oder gegen das Ende gehäuft, wodurch ein Gedicht in seinem Hauptverhältnisse und seiner Melodie noch viele andere Nebentöne bekommen kann, die im Liede zart und flüchtig, wie in einem leichten Elemente spielen, sich ganz darinne verliehren, und immer wieder von neuem hervortreten. Einem ungeübten Ohre dürfte das schönste dieser Art nur als kindische Spielerei erscheinen, wo der feinere
[67] L. Tieck, Phantasus I (1812), 64: Es fehlt unsrer Zeit[5], sagte Friedrich, so sehr sie die Natur[19] sucht, eben der Sinn für Natur[19], denn nicht allein diese regelmäßigen Gärten, die dem jetzigen Geschmacke zuwider sind, bekehrt man 〈65〉 zum Romantischen[3/4], sondern auch wahrhaft romantische[3/4] Wildnisse werden verfolgt, und zur Regel und Verfassung der neuen[7] Gartenkunst erzogen..
[68] L. Tieck, Phantasus I (1812), 470 f. (471): [D]as ist mir unbegreiflich geblieben, wie die Schöpfung und die Tages〈471〉zeiten unsers Haydn fast allenthalben haben Glück machen können, deren kindische Mahlerey gegen allen höheren Sinn streitet. Seine Symphonien und Instrumental-Compositionen sind meist so vortreflich, daß man ihm diese Verirrung niemals hätte zutrauen sollen..
[69] Wackenroder, an L. Tieck (5. 5. 1792), VL 2, 30 f. (31): Wer noch jetzt die Trümmer der nord[ischen] Mythol[ogie] zu einem Gebäude zusammensetzen, und die Lücken ausfüllen wollte, würde ein schönes[7] Flickwerk zu Stande bringen. Und es ist doch gar nicht zu läugnen, daß bey aller vortrefflichen, großen Simplicität, bey aller der erhabenen[3] und feurigen Phantasie[20], die die alten[11] nord[ischen] Dichtungen zeigen, dennoch so viel Ungeheures was ans Lächerliche u[nd] Ungereimte gränzt, so viel schwerfälliges, so viele entsetzlich harte, unschmackhafte Bilder vorkommen, daß man, wenn man bestän〈31〉dig sein Auge auf die eingepelzten Götter[5] Skandinaviens heften wollte, allen Sinn für ein sanftes Griechisches[6] Profil verlieren würde. Der Unterschied ist wie Nebeldämmerung u[nd] Morgenröthe, wie – – nun Du magst Dir selbst Vergleichungen aussinnen..
[70] Wieland, Agath. (1766–67), W 1, 411: Ein Jonisches Ohr[4] will nicht nur ergötzt, es will bezaubert sein. Die Annehmlichkeit der Stimme[3], die Reinigkeit und das Weiche der Aussprache, die Richtigkeit des Accents, das Muntre, das Ungezwungene, das Musicalische[3] ist nicht hinlänglich; wir fodern eine vollkommne Nachahmung, einen Ausdruck, der jedem Teile des Stücks, jeder Periode, jedem Vers das Leben, den Affect, die Seele gibt, die sie haben sollen; kurz, die Art, wie gelesen wird, soll das Ohr[3] an die Stelle aller Übrigen Sinne setzen..
[71] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 44: Es unterliegt keinem Zweifel, daß es für den tüchtigsten Schulmann eine unendlich schwere Aufgabe ist, den Dichter, den Redner, den Geschichtschreiber, den Philosophen des griechischen und römischen Altertums, bei unseren heutigen gesellschaftlichen Zuständen, bei der Mechanik des Staatslebens, dessen hölzerne Räder auch in der Schulstube klappern, fruchtreich in den Schulen zu erklären; allein eben so gewiß ist es, daß den wenigsten nur einmal die Ahnung aufgegangen ist von der Bedeutung der Alten für das jetzige Leben, daß sie selbst jene großen und leuchtenden Züge in den Pergamenten klassischen Altertums, die Züge der reinen Natur, des tiefen
[2] A. W. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 49, Nr. 190: Die einförmigste und flachste Natur[2] erzieht am besten zum Landschaftsmahler. Man denke an den Reichthum der Holländischen Kunst[11] in diesem Fache. Armuth macht haushälterisch: es bildet sich ein genügsamer Sinn, den selbst der leiseste Wink höheres Lebens in der Natur[2] erfreut. Wenn der Künstler dann auf Reisen romantische[3] Szenen kennen lernt, so wirken sie desto mächtiger auf ihn. ➢ Volltext
[3] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 13: Der Gang des römischen Lebens war im allgemeinen ernst und gravitätisch, wiewohl sie im persönlichen Umgange viel Sinn für Witz[4] und Jovialität hatten.
➢ Volltext
[4] C. Böhmer, an Ph. Michaelis (Herbst 1788), C 1, 174: Meinen Vater dünkt es sehr einsam, seit Ihr uns verließet, ich glaube, er würde es schwer ertragen, mich und die Kinder nicht mehr zu haben – es ist vielleicht seine einzige Aufmunterung für diesen Winter, denn seine Collegia werden vermuthlich gar nicht zu stande kommen. Das ist mir unbeschreiblich traurig – er leidet sehr dabey – es kränkt ihn, und er hat nun nicht die mindeste Abwechslung in seiner Arbeit. Was ist doch das ein elendes Leben, das ein Gelehrter führt – o suche ja bis ans Ende Deiner Tage Sinn für die weite offne Welt zu behalten, das ist unser bestes Glück..
[5] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 327: In der wirklichen Welt, d. h. in der Welt der gemeinen Menschen, die durch Eigennutz, Gewohnheit – Vorurtheil regiert wird, verstößt freilich ein romantischer
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Sinn
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]
[6] G. Forster, Kunst u. Zeitalt. (1791), 101: Doch es ist mehr als Hypothese, [...] daß auf jenen edlen Zeitpunkt, da das Feuer der Begeisterung[1] die Menschheit[2] ergriff, ihr Sinn sich aufschloß dem Schönen[1], sich nährte von den Rhapsodien des Dichters[1] und des plastischen Künstlers[1] – die größte aller Veränderungen in ihr erfolgte. Die Kunst[2] ward die Pflegerin der Wissenschaft[1]. Das schöne[1] Ebenmaas ihrer Bilder erzeugte jene abgezogenen Begriffe[1], mit denen der Mensch[2] das Sinnenall umfaßte und bald auch die unabsehbaren Gefilde der intellektuellen Sittenwelt durchdrang. Wo der Künstler[1] innig gefühlt, kühn geahndet[3] und glücklich dargestellt hatte, dort bestimmte nun der Denker die Regeln des Vollkommenen, der Symmetrie und Übereinstimmung, dort abstrahirte er die ganze Kritik[1] der Kunst[2]. Jetzt also demonstrirte und begriff man die Tugend, das liebenswürdige Sittlichschöne, welches man bis dahin in dem Rhythmus des Sängers, in des Bildhauers oder des Malers Zauberwerken empfand. Allein indem der menschliche Geist[19] sich seiner freyesten[10] Thätigkeit und insbesondere die Vernunft[1] sich ihrer höchsten Entwickelung nahte, gieng unvermerkt die ästheti〈102〉sche Empfänglichkeit verloren. Der geistreichste Schriftsteller unseres Jahrhunderts hat irgendwo so fein als richtig bemerkt, daß auf ein geniereiches Zeitalter nur ein scharfsinniges folgen kann, und modernes[1] Verdienst nur in der Zergliederung des Verdienstes der Alten[10] besteht..
[7] Goethe, Farbenl. Didakt. Thl. (1808), WA II, 1, 303: Metaphysische Formeln haben eine große Breite und Tiefe, jedoch sie würdig auszufüllen, wird ein reicher Gehalt erfordert, sonst bleiben sie hohl. Mathematische Formeln lassen sich in vielen Fällen sehr bequem und glücklich anwenden; aber es bleibt ihnen immer etwas Steifes und Ungelenkes, und wir fühlen bald ihre Unzulänglichkeit, weil wir, selbst in Elementarfällen, sehr früh ein Incommensurables gewahr werden; ferner sind sie auch nur innerhalb eines gewissen Kreises besonders hiezu gebildeter Geister[32] verständlich. Mechanische Formeln sprechen mehr zu dem gemeinen Sinn, aber sie sind auch gemeiner, und behalten immer etwas Rohes. Sie verwandlen das Lebendige in ein Todtes; sie tödten das innre Leben, um von außen ein unzulängliches heranzubringen. Corpuscular-Formeln sind ihnen nahe verwandt; das Bewegliche wird starr durch sie, Vorstellung und Ausdruck ungeschlacht. Dagegen erscheinen die moralischen Formeln, welche freilich zartere Verhältnisse ausdrücken, als bloße Gleichnisse und verlieren sich denn auch wohl zuletzt in Spiele des Witzes[2]..
[8] Hegel, Phil. d. Rechts (1821 [1820]), 149 f. (150): In der That ist mein Ueberzeugtseyn etwas höchst geringfügiges, wenn ich nicht Wahres erkennen kann; so ist es gleichgültig, wie ich denke, und es bleibt mir zum Denken jenes leere Gute, das Abstractum des Verstandes. [...] Die höchste Form endlich, in welcher diese Subjectivität sich vollkommen erfaßt und ausspricht, ist die Gestalt, die man mit einem von Plato erborgten Namen Ironie[3/1] genannt hat; – denn nur der Name ist von Plato genommen, der ihn von einer Weise des Sokrates brauchte, welche dieser in einer persönlichen Unterredung gegen die Einbildung des ungebildeten und des sophistischen Bewußtseyns zum Behuf der Idee der Wahrheit und Gerechtigkeit anwandte, aber nur jenes Bewußtseyn, die Idee selbst nicht, ironisch[1] be〈150〉handelte. Die Ironie[1] betrifft nur ein Verhalten des Gesprächs gegen Personen, – ohne die persönliche Richtung ist die wesentliche Bewegung des Gedankens die Dialektik, und Plato war so weit entfernt, das Dialektische für sich oder gar die Ironie[1] für das Letzte und für die Idee selbst zu nehmen, daß er im Gegentheil das Herüber- und Hinübergehen des Gedankens, vollends einer subjektiven Meinung, in die Substantialität der Idee versenkte und endigte *).
*) Mein verstorbener Kollege, Professor Solger, hat zwar den vom Herrn Fried. v. Schlegel in einer früheren Periode seiner schriftstellerischen Laufbahn aufgebrachten und bis zu jener sich selbst als das Höchste wissenden Subjektivität gesteigerten Ausdruck der Ironie[3/1] aufgenommen, aber sein von solcher Bestimmung entfernter besserer Sinn und seine philosophische Einsicht hat darin nur vornehmlich die Seile des eigentlichen Dialektischen, des bewegenden Pulses der spekulativen Betrachtung ergriffen und festgehalten..
[9] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 89: Wird [...] die Ironie[1] zum Grundton der Darstellung genommen, so ist dadurch das Allerunkünstlerischste für das wahre Princip des Kunstwerks genommen, denn Theils kommen dadurch platte Figuren herein, Theils gehalt- und haltungslose, indem das Substantielle sich in ihnen als das Nichtige erweist Theils treten endlich noch jene Sehnsüchtigkeiten und unaufgelösten Widersprüche des Gemüths hinzu. Solche Darstellungen können kein wahrhaftes Interesse erwecken. Deshalb denn auch von Seiten der Ironie[4] die steten Klagen über Mangel an tiefem Sinn, Kunstansicht und Genie[2] im Publikum, das diese Höhe der Ironie[1] nicht verstehe; d. h. dem Publikum gefalle diese Gemeinheit, und das zum Theil Läppische, zum Theil Charakterlose nicht. Und es ist gut, daß diese gehaltlosen, sehnsüchtigen Naturen[17] nicht gefallen, es ist ein Trost, daß diese Unredlichkeit und Heuchelei nicht zusagt, und den Menschen dagegen ebenso sehr nach vollen und wahrhaften Interessen verlangt, als nach Charakteren[2/7], die ihrem gewichtigen Gehalte treu verbleiben. ➢ Volltext.
[10] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 89 f. (90): Solger war nicht [...] mit oberflächlicher philosophischer Bildung[6] zufrieden, sondern sein ächt spekulatives innerstes Bedürfniß drängte ihn in die Tiefe der philosophischen Idee hinabzusteigen. Hier kam er auf das dialektische Moment der Idee, auf den Punkt, den ich „unendliche absolute Negativität“ nenne, auf die Thätigkeit der Idee, sich als das Unendliche und Allgemeine zu negiren zur Endlichkeit 〈90〉 und Besonderheit, und diese Negation ebenso sehr wieder aufzuheben, und somit das Allgemeine und Unendliche im Endlichen und Besondern wieder herzustellen. An dieser Negativität hielt Solger fest, und allerdings ist sie ein Moment in der spekulativen Idee, doch als diese bloße dialektische Unruhe und Auflösung des Unendlichen wie des Endlichen gefaßt, auch nur ein Moment, nicht aber, wie Solger es will, die ganze Idee. Solger's Leben ist leider zu frühe abgebrochen, als daß er hätte zur konkreten Ausführung der philosophischen Idee kommen können. So ist er bei dieser Seite der Negativität, die mit dem ironischen[3] Auflösen des Bestimmten wie des in sich Substantiellen Verwandtschaft hat, und in welcher er auch das Princip der Kunstthätigkeit erblickte, stehen geblieben. Doch in der Wirklichkeit seines Lebens war er bei der Festigkeit, dem Ernst und der Tüchtigkeit seines Charakters[1], weder selber in der obengeschilderten Weise ein ironischer[3] Künstler, noch sein tiefer Sinn für wahrhafte Kunstwerke[2], den das dauernde Studium der Kunst[10] groß gezogen hatte, in dieser Beziehung von ironischer[3] Natur[1]. Soviel zur Rechtfertigung Solgers, der es in Rücksicht auf Leben, Philosophie und Kunst[17] verdient von den bisher bezeichneten Aposteln der Ironie[3] unterschieden zu werden. ➢ Volltext.
[11] Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 55 f. (56): Wahrscheinlich übertrift das Ohr[3] des Menschen[1] an feiner und mannigfaltiger Aufnehmung und Unterscheidung der Töne[1] auch das Ohr[3] aller andern Thiere[2]. Mich dünkt, schon die Menge der Sprachen[3] allein wäre hinlänglicher Beweis. So wie der vortrefliche Lehrmeister des Gefühls, ist es noch Lehrmeister der Zunge und der Kehle. Ein vollkommen zartes, festes, reines, und noch mehr, ausgebildetes Gehör ist freylich auch eben so selten, wie alle hohe Schönheit[3]; und durch böse Gewohnheiten kann man diesen 〈56〉 göttlichen Sinn sehr verderben. Wer ihn aber nicht einigermaaßen in Vortreflichkeit hat, soll sich nicht mit Gesang und Instrumenten[3] plagen, wo er nothwendig entscheidet..
[12] Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 113: Jeder, der nur einigermaaßen ein gutes Gehör hat, wird im Dunkeln seine Bekannten und Freunde auch am bloßen Ton[5] der Stimme[1] kennen, und von einander unterscheiden. Im Ton[5] der Stimme[1] liegt etwas Charakteristisches[1], was die besondre Art der Nerven anzeigt, woraus ein Mensch[1] besteht. Für einen Blindgebornen ist er die sinnliche Schönheit[1]. Eine quikende, grelle, heisere, schreyende Stimme[1] benimmt einer Helena, einem Paris an Gestalt den Reiz. Ein erfahrnes zartes Ohr[3] ist eben so gut physiognomischer Sinn, als ein erfahrnes scharfes Auge..
[13] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. II (1834), 164: Branchu, [...] geborne Chevalier, die erste Sängerin, ja für uns die eigentliche Repräsentantin der französischen großen Oper, betrat 1801 die Bühne. Unerschöpflich an Kraft und Ausdauer, ist ihre Stimme[1] auch in alten[2] Tagen noch von seltener Reinheit, jugendlicher Frische, zuweilen fast so melodisch klingend wie deutsche und italienische Stimmen[1]. Fast vollendet in Allem, was den mechanischen Theil des Vortrags betrifft, ist sie wahrhaft bewundernswürdig durch die Freiheit[13], womit sie alle Schwierigkeiten der Partien einer Armida, Dido, Alceste, Julia etc. beherrscht. Uebrigens bleibt sie stets der Declamationsschule der Franzosen treu, welche fast unbekümmert um die Cantilena den Gesang verstandesgemäß zerstückelt, der Phantasie[1] auf Worten[1] und Sylben ihre Stationen anweist. Als Schauspielerin hat sie keine andern Verdienste, als die, welche lange Uebung und mechanischer Fleiß gewähren. Für die eigentlich moderne[7] Oper hat sie keinen Sinn mehr und keine Bedeutung..
[14] Hoffmann, Jesuitenk. (1817), PW 2, 499: Dabei war Florentins Sinn[5] keinesweges für das Höhere verschlossen; im Gegenteil drang er mehr als je ein moderner[9] Maler tief ein in den frommen Sinn[10] der Gemälde alter[11] Meister..
[15] W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 268 f. (269): Bei den Griechen zeigt sich aber ein doppeltes, äusserst merkwürdiges, und vielleicht in der Geschichte einziges Phänomen. Als sie noch sehr viele Spuren der Rohheit anfangender Nationen[1] verriethen, besassen sie schon eine überaus grosse Empfänglichkeit für jede Schönheit der Natur[2] und der Kunst[10], einen feingebildeten Takt, und einen richtigen Geschmack, nicht der Kritik[2], aber der Empfindung, und finden sich Instanzen gegen diesen Takt und diesen Geschmak so ist wenigstens jene Reizbarkeit und Empfänglichkeit unläugbar; und wiederum als die Kultur[4] schon auf einen sehr hohen Grad gestiegen war, er〈269〉hielt sich dennoch eine Einfachheit des Sinns und Geschmaks, den man sonst nur in der Jugend der Nationen[1] antrift. Die Entwikklung der Ursachen hievon gehört nicht hieher. Genug das Phänomen ist da..
[16] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 149: Um gewiß zu seyn, daß wir unserem Dichter[1] [sc. J. W. Goethe] nicht etwas Fremdes[5] unterschieben, seine rein antike[3] Dichtung nicht bloß mit modernem[1] Sinne betrachten, wollen wir, zur Bestätigung unsrer Behauptung, noch ein Paar einzelne Stellen aus dem Ganzen herausheben..
[17] W. v. Humboldt, Versch. Sprachb. (*1827–29), GS I, 6.1, 155: Subjective Thätigkeit bildet im Denken ein Object. Denn keine Gattung der Vorstellungen kann als ein reines Beschauen eines schon vorhandenen Gegenstandes betrachtet werden. Die Tätigkeit der Sinne muss sich mit der inneren Handlung des Geistes[19] synthetisch verbinden, und aus dieser Verbindung reisst sich die Vorstellung los, wird, der subjectiven Kraft gegenüber, zum Object, und kehrt, als solches aufs neue wahrgenommen, in jene zurück. Hierzu aber ist die Sprache[1] unentbehrlich. Denn indem in ihr das geistige Streben sich Bahn durch die Lippen bricht, kehrt das Erzeugniss desselben zum eignen Ohre[3] zurück. Die Vorstellung wird also in wirkliche Objectivität hinüberversetzt, ohne darum der Subjectivität entzogen zu werden. Dies vermag nur die Sprache[1], und ohne diese, wo Sprache[1] mitwirkt, auch stillschweigend immer vorgehende Versetzung ist die Bildung des Begriffs, mithin alles wahre Denken unmöglich. Ohne daher irgend auf die Mittheilung zwischen Menschen und Menschen zu sehn, ist das Sprechen eine nothwendige Bedingung des Denkens des Einzelnen in abgeschlossener Einsamkeit..
[18] Immermann, Münchh. (1838–39), W 3, 260: Bin ich denn nicht ein Weib, d. h. ein Wesen ohne allen Sinn für Ironie[1]; tiefem, schlichtem Ernste einzig hingegeben?.
[19] Klingemann, Poesie (1800), 57: Die Dichtkunst[1] ist wohl überall am zartesten, und an sich selbst schon näher mit dem Geistigen verwandt; darum muß auch in ihr das eigentlich Poetische[2] den höchsten Ausdruck erreichen: so ist jene südliche[2] Erscheinung des Romantischen[4], für das auch wir jetzt einen lebhafteren Sinn bekommen haben, ein auffallender Beweis einer höhern poetischen[2] Bildung[5]. Das Romantische[4] ist mehr Ahnung als Sprache[11], und es äußert sich in leichten Spielen, und umgaukelt die Phantasie[1] mit lachenden Bildern; es erscheint in der Kunst[10], wie der Abend in der Wirklichkeit; mehr ein leichter rosenfarbener Traum, als bestimmtes Dasein. Am zartesten entfaltet sich die Blüthe des Romantischen[4] in der Novelle; hier sind die Farben am durchsichtigsten, und es ist das bunte[1] Blumenufer, das im stillen Strome sich abbildet..
[20] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 165: Mit Erstaunen höre ich sie oft, mit ungekünstelter Eigenthümlichkeit und Klarheit, Gedanken aufstellen, die den größten Scharfsinn enthalten. Sie sind nicht das Resultat eines langen, mühsamen Nachdenkens, wie bei den Männern, nein! sie sind vielmehr der leichte, glückliche Fund eines reinen, unfehlbaren Sinns, der die Wahrheit nicht erst durch Dunkel suchen darf, sondern dem sie sich gleich im heitern[1], schimmernden Lichte zeigt..
[21] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 51 f. (52): [W]er singen lernen will, muß ein musikalisches[6] Ohr[3] haben; und wer Musik[1] als Kunst[2] und nicht als bloße Schmeichelei des Ohrs[3] empfinden will, soll sein Ohr[3] für die Musik[1/4] ausgebildet haben wie derjenige seine Stimme[1] oder seine Instrumentalfertigkeit, der sie hervorbringt. Überhaupt glaubt man von allen Künsten[9/1], daß, um sie zu genießen in der Fülle dessen, was sie gewähren, man sie selbst üben müsse. Nur in der Redekunst 〈52〉 soll es hinreichen, daß der empfangende Sinn, das Ohr[3], offen stehe und über sich ergehen lasse. Man setzt vielleicht dunkel voraus, daß ein Sinn, der täglich geübt werde, durch eine Kunst[1] wie die des Redens, die in keiner Lage des Lebens ganz entbehrt werden könne, keiner absichtlichen Nachhülfe bedürfe und daß die Seele, diese Künstlerin aller Kunst[1], schon von selbst kluge und eifrige Thürhüterin des Haupteinganges, der zu ihr führt, seyn werde..
[22] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 52: Zuvörderst [...] übersieht man [...], daß [...] durch diesen Sinn des Ohrs[3] großes empfangen wird und kleines, gewaltiges und schwaches, unermeßliches und geringfügiges [...]; daß also dasjenige Ohr[3], welches nur gewöhnt ist zu empfangen: guten Morgen oder wie geht es? oder was kostet das? – um deswillen [...] nicht grade geeignet ist, eine Rede von Johannes Müller an die Schweizer oder von 〈53〉 Gentz für das europäische Gleichgewicht [...] anzuhören. Nicht etwa weil die Kenntnisse, die wissenschaftlichen Vorbereitungen fehlen, die zum Verständniß dieser Redner gehören, sondern weil das Ohr[3] an großartige Wendungen der Rede nicht gewöhnt ist, weil von den breitgetretenen, zerbröckelten Tönen des gemeinen Lebens, worin kein Gesetz herrscht, als das der Noth, kein Takt, als der der Faulheit, eigentlich kein Übergang stattfindet zu dem harmonischen Ganzen, was ein überlegener Geist[32] mit Freiheit[10] und rhythmisch angeordnet hat..
[23] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 54 f.: Das Auge empfängt alle Bilder, alle Farben, alle Eigenthümlichkeiten der Welt: was gibt es der Welt zurück als seinen zwar ausdrucksvollen, aber stillen Glanz? Der Geschmack, der Geruch, für welche die Natur[2] die zartesten Verhältnisse der Körperwelt zu mischen scheint, was geben sie der Natur[2] zurück? Womit antwortet der Mensch auf alle die Wohlthaten und Schmeicheleien seines Gefühls und aller dieser Sinne[4/5]? – Alle seine Schuld bezahlt er, all dieses unendliche Empfangen vergilt er, auf alle Fragen der Natur[2] antwortet er mit dem Vermögen der Rede: aus allen diesen Bildern, diesem Glanz, diesem Duft, diesem Wohlgeschmack, diesen tausendfältigen Anregungen des Gefühls bereitet sich ein einziger, einfach-unendlicher Stoff: das Wort[2]. Der Sinn[4/5] also, dem die Natur[2] das 〈55〉 Vermögen der Antwort beigegeben, der nicht bloß zum Leiden bestimmt ist wie die übrigen, hat einen höheren Beruf als die übrigen. Auch zeigt sich die Wahrheit dieser Behauptung deutlicher darin, daß unser Ohr[3] das Gesetz der Welt ganz für sich und fast ohne Beihülfe der übrigen empfinden kann: an der Musik ist wahrzunehmen, und die meisten musikalischen[1] Virtuosen bestätigen es, daß dieser Sinn[5] der unabhängigste von allen ist, ja, ich möchte sagen, daß der ganze Mensch sich in das Ohr[3] zurückziehn, mit diesem einen Organe[3] leben, denken und dichten und alle andere Organe[3] im thierischen Zustande hinterlassen kann. Wie Großes haben die Alten[10] gemeint, als sie von einer Harmonie der Sphären redeten, als wenn die Gesetze der wunderbaren Anordnung des Weltbaues doch eigentlich nur das Ohr[3] empfinden könnte!.
[24] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 269 f. (270): [S]chon ein gewisser natürlicher[2] 〈270〉 Sinn für den Adel[5] und die Gediegenheit der Form, schon der bloße Geschmack empört sich gegen diese Barbarei aller Barbareien [...]..
[25] Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 273: Meinethalben mag jetzt der Buchstabe[8/9] an der Zeit[9] seyn. Es ist kein großes Lob für die Zeit[9], daß sie so weit von der Natur[19] entfernt, so sinnlos für Familienleben, so abgeneigt der schönsten[1] poetischen[1] Gesellschaftsform ist. Wie würden unsre Kosmopoliten erstaunen, wenn ihnen die Zeit[3] des ewigen Friedens erschiene und sie die höchste gebildetste Menschheit[3] in monarchischer Form erblickten? Zerstäubt wird dann der papierne Kitt seyn, der jetzt die Menschen[1] zusammenkleistert, und der Geist[12/30] wird die Gespenster, die statt seiner in Buchstaben[8/9] erschienen und von Federn und Pressen zerstückelt ausgingen, verscheuchen, und alle Menschen[1] wie ein paar Liebende zusammen schmelzen..
[26] Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 279: Es würde ein sehr gefährliches Symptom des Neupreußischen Staats sein, wenn man zu stumpf für die wohlthätigen Einflüsse des Königs und der Königin wäre, wenn es in der That an Sinn für dieses klassische[3] Menschenpaar gebräche..
[27] Novalis, Monolog (*1799), 2: Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache[1] wie mit den mathematischen Formeln sey – Sie machen eine Welt für sich aus – Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur[1] aus und eben darum sind sie so ausdrucksvoll – eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnißspiel der Dinge. Nur durch ihre Freyheit[12] sind sie Glieder der Natur[2] u[nd] nur in ihren freyen Bewegungen äußert sich die Weltseele und macht sie zu einem zarten Maaßstab u[nd] Grundriß der Dinge. So ist es auch mit der Sprache[1] – wer ein feines Gefühl ihrer Applicatur, ihres Takts, ihres musicalischen[3] Geistes[12] hat, wer in sich das zarte Wirken ihrer innern Natur[1] vernimmt, und darnach seine Zunge oder seine Hand bewegt, der wird ein Profet sein, dagegen wer es wohl weis, aber nicht Ohr[3] u[nd] Sinn genug für sie hat, Wahrheiten wie diese schreiben, aber von der Sprache[1] selbst zum besten gehalten u[nd] von den Menschen, wie Cassandra von den Trojanern, verspottet werden wird. ➢ Volltext.
[28] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 14: Bey der Hofhaltung des Landgrafen ging es nach der Sitte der damaligen Zeiten[3] einfach und still zu; und die Pracht und Bequemlichkeit des fürstlichen Lebens dürfte sich schwerlich mit den Annehmlichkeiten messen, die in spätern Zeiten[3] ein bemittelter Privatmann sich und den Seinigen ohne Verschwendung verschaffen konnte. Dafür war aber der Sinn für die Geräthschaften und Habseeligkeiten, die der Mensch zum mannichfachen Dienst seines Lebens um sich her versammelt, desto zarter und tiefer. Sie waren den Menschen werther und merkwürdiger. Zog schon das Geheimniß der Natur[2] und die Entstehung ihrer Körper den ahndenden[3] Geist[19] an: so erhöhte die seltnere Kunst[13] ihrer Bearbeitung[,] die romantische[7/8] Ferne, aus der man sie erhielt, und die Heiligkeit ihres Alter〈15〉thums[1], da sie sorgfältiger bewahrt, oft das Besitzthum mehrerer Nachkommenschaften wurden, die Neigung zu diesen stummen Gefährten des Lebens. Oft wurden sie zu dem Rang von geweihten Pfändern eines besondern Segens und Schicksals erhoben, und das Wohl ganzer Reiche und weitverbreiteter Familien hing an ihrer Erhaltung. Eine liebliche Armuth schmückte diese Zeiten[3] mit einer eigenthümlichen ernsten und unschuldigen Einfalt; und die sparsam vertheilten Kleinodien glänzten desto bedeutender in dieser Dämmerung, und erfüllten ein sinniges Gemüth mit wunderbaren Erwartungen. Wenn es wahr ist, daß erst eine geschickte Vertheilung von Licht, Farbe und Schatten die verborgene Herrlichkeit der sichtbaren Welt offenbart, und sich hier ein neues[1] höheres Auge aufzuthun scheint: so war damals überall eine ähnliche Vertheilung und Wirthschaftlichkeit wahrzunehmen; da hingegen die neuere[3] wohlhabendere Zeit[3] das einförmige und unbedeutendere Bild eines allgemeinen Tages darbietet..
[29] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 22: In alten[1] Zeiten[3] muß die ganze Natur[2] lebendiger und sinnvoller gewesen seyn, als heut zu Tage. Wirkungen, die jetzt kaum noch die Thiere[1] zu bemerken scheinen, und die Menschen[1] eigentlich allein noch empfinden und genießen, bewegten damals leblose Körper; und so war es möglich, daß kunstreiche Menschen[1] allein Dinge möglich machten und Erscheinungen hervorbrachten, die uns jetzt völlig unglaublich und fabelhaft dünken. So sollen vor uralten Zeiten[3] in den Ländern des jetzigen Griechischen[3] Kaiserthums, wie uns Reisende berichtet, die diese Sagen noch dort unter dem gemeinen Volke[5] angetroffen haben, Dichter gewesen seyn, die durch den seltsamen Klang wunderbarer Werkzeuge das geheime Leben der Wälder, die in den Stämmen verborgenen Geister[1/12] aufgeweckt, in wüsten, verödeten Gegenden den todten Pflanzensaamen erregt, und blühende Gärten hervorgerufen, grausame Thiere[4] gezähmt und verwilderte Menschen[1] zu Ordnung und Sitte gewöhnt, sanfte Neigungen und Künste[1] des Friedens in ihnen rege gemacht, reißende Flüsse in milde Gewässer verwandelt, und selbst die todtesten Steine in regelmäßige tanzende Bewegungen hingerissen haben..
[30] Schiller, Schaubühne (1785), NA 20, 90: Unsre Natur[1], gleich unfähig, länger im Zustand des Thiers[10] fortzudauren, als die feinern Arbeiten des Verstands[2] fortzusezen, verlangte einen mittleren Zustand, der beide widersprechenden Enden vereinigte, die harte Spannung zu sanfter Harmonie herabstimmte, und den wechselsweisen Uebergang eines Zustands in den andern erleichterte. Diesen Nuzen leistet überhaupt nun der ästhetische Sinn, oder das Gefühl für das Schöne[1]..
[31] Schiller, Nothw. Grenz. (1795 [hier: 21800]), NA 21, 17 f. (18): Dem Geschmack ist [...] bey Mittheilung der Erkenntniß zwar die Form anvertraut, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß er sich nicht an dem Inhalt vergreife. Er soll nie vergessen, daß er einen fremden Auftrag ausrichtet und nicht seine eignen Geschäfte führt. Sein ganzer Antheil soll darauf eingeschränkt seyn, das Gemüth in eine der Erkenntniß günstige Stimmung zu versetzen; aber in allem dem, was die Sache betrift, soll er sich durchaus keiner Autorität anmaßen. | 〈18〉 Wenn er das letztere thut – wenn er sein Gesetz, welches kein anders ist, als der Einbildungskraft gefällig zu seyn, und in der Betrachtung zu vergnügen, zum obersten erhebt – wenn er dieses Gesetz nicht bloß auf die Behandlung, sondern auch auf die Sache anwendet, und nach Maßgabe desselben die Materialien nicht bloß ordnet, sondern wählt, so überschreitet er nicht nur, sondern veruntreut seinen Auftrag, und verfälscht das Objekt, das er uns treu überliefern sollte. Nach dem, was die Dinge sind, wird jetzt nicht mehr gefragt, sondern wie sie sich am besten den Sinnen empfehlen. Die strenge Consequenz der Gedanken, welche bloß hätte verborgen werden sollen, wird als eine lästige Fessel weggeworfen, die Vollkommenheit wird der Annehmlichkeit, die Wahrheit der Theile der Schönheit[6] des Ganzen, das innere Wesen dem äußern Eindruck aufgeopfert. Wo aber der Inhalt sich nach der Form richten muß, da ist gar kein Inhalt; die Darstellung ist leer, und anstatt sein Wissen vermehrt zu haben, hat man bloß ein unterhaltendes Spiel getrieben. | Schriftsteller, welche mehr Witz[2] als Verstand[1] und mehr Geschmack als Wissenschaft besitzen, machen sich dieser Betrügerey nur allzu oft schuldig, und Leser, die mehr zu empfinden als zu denken gewohnt sind, zeigen sich nur zu bereitwillig, sie zu verzeihen..
[32] A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 174 f. (175): Im blonden Ekbert werden [...] Schauer erregt, an denen keine Häßlichkeit der Erscheinungen Theil hat, und die um so überraschender treffen, weil sie nicht mit großen Zurüstungen herbeygeführt werden. Durch die ganze Erzählung geht eine stille Gewalt der Darstellung, die zwar nur von jener Kraft des Geistes[20] herrühren kann, welcher „die Gestalten unbekannter Dinge“ bis zur hellen Anschaulichkeit und Einzelnheit Rede stehn, deren Organ[1] jedoch hier vorzüglich die Schreibart ist: eine nicht sogenannte poetische[6], vielmehr sehr einfach gebaute, aber wahrhaft poetisirte Poesie [sic; gemeint sein dürfte jedoch Prosa1]. Das Geheimniß ihres Maßes und ihrer Freyheit[1], ihres rhythmischen Fortschrittes, und ihres schön[2] entfaltenden Überflusses hat, für unsre Sprache[3] wenigstens, Goethe entdeckt; und die Art wie Tieck seinen Styl, besonders im Wilhelm Meister und in dem goldnen Mährchen, dem Mährchen par 〈175〉 excellence, studirt haben muß, um es ihm so weit abzulernen, würde allein schon seinen Sinn für dichterische Kunst[6] bewähren. ➢ Volltext.
[33] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 131: Das Allgemeine der Kunstlehre, worauf sich die Beurteilung des Einzelnen bezieht, ist noch nicht vorhanden, man muß es selbst auf dem Wege der Selbstprüfung finden durch einen philosophischen Instinkt. Empfänglichkeit, selbsttätige Behandlung derselben und die Beziehung des Einzelnen auf ein zu erfindendes Allgemeines durch eine Art philosophischer Divination nennt man Sinn, Urteil und Erforschungsgeist..[34] A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 280: Cervantes hätte Recht gehabt, sich die meisten bisherigen Uebersetzungen seines Don Quixote zu verbitten, namentlich die neuern Französischen und die daher abgeleiteten (die Engländer besitzen, so viel ich weiß, bis jetzt noch keine andere), welche bloß den prosaischen[3] Bestandtheil der Satire übrig lassen, die dichterische Ausführung aber, die reizende und zuweilen erhabene Zusammenstellung der Parodie auf die veraltete Abentheuerlichkeit der ritterlichen Romanzi mit eingewebten romantischen[7] Dichtungen in einem ausgebildeteren Geiste[12] größtentheils zerstören. Der Sinn für diese Dinge erwacht auch erst allmählig wieder, vor zwanzig Jahren konnte man ja in Deutschland nicht hoffen, daß dies Meisterwerk in seiner ursprünglichen vollständigen Gestalt gefallen würde, und wer weiß wie vielen es noch jetzt ein Aergerniß und eine Thorheit ist. ➢ Volltext.
[35] A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 281 f. (282): Was mich nur verdrießt, ist, daß man bey Anerkennung unserer Fortschritte in diesem Fache [sc. Übersetzung] unsrer vortrefflichen Sprache[3] alles Verdienst davon zueignen will. 〈282〉 Ich habe sonst wohl mit eingestimmt, aber ich bin überzeugt, die Sprache[3] thäte es nicht ohne den Willen, den Eifer und den Sinn[5/10?] derer, die sie gebrauchen. ➢ Volltext.
[36] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 461 f. (462): Weit reiner [findet sich die Scheidung der Dichtarten] in der antiken[2] Poesie[11], weswegen diese vorzugsweise als Kunst[9] 〈462〉 und classisch[5] erscheint. In der romantischen[12/4] Poesie[11] eine unauflösliche Mischung aller poetischen[4] Elemente. Daher daß man sie verkennt. Die eigentlichen Originalwerke der Neueren[3] ganz übersehen, die schlechten Nachahmungen der Alten[10] als das Wichtigste gepriesen. Keinen Sinn für das Chaos. 〈Auch das Universum bleibt der höhern Ansicht immer noch Chaos.〉 Das Streben nach dem Unendlichen ist in der Romantischen[12/4/11] Poesie[11] nicht bloß im einzelnen Kunstwerke[3] ausgedrückt, sondern im ganzen Gange der Kunst[3]. Gränzenlose Progressivität..
[37] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 640: Es war [...] nichts geringes, daß uns durch Goethe, überhaupt den Auferwecker der Poesie[4/20] und nächst Winkelmann des Sinnes für das classische[7] Alterthum[2] 〈in unserm Zeitalter〉, die reine Form des Epos wiedergegeben ist..
[38] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 46 f. (47): Die Philologie ist an sich ein liberales Studium, weil es bloß auf Uebung und Bildung[2] des Geistes[14] im allgemeinen abzweckt, und sich der Gemeinnützigkeit bestimmter Anwendungen entzieht. Man hat sie aber auch in der neueren[5] Epoche diesen unterwürfig machen wollen, 〈47〉 und dadurch auf Abwege geleitet. Die älteren[10] Philologen suchten den Schülern bloß den Buchstaben[11] der alten[10] Autoren zu eröffnen, in der Zuversicht, wenn sie selbigen treufleißig erlernt hätten, würde ihnen der Geist[30] nach dem Maaße ihres Sinnes von selbst aufgehen. Jetzt hat man sie voreilig in diesen einzuweihen gedacht, ohne ihn selbst recht gefaßt zu haben: man hat in Noten viel über die Schönheiten[3] der Dichter gefaselt, man hat die Mythologie nach oberflächlichen Ansichten aus der sogenannten Geschichte[4] der Menschheit[2], d. h. aus Vergleichungen mit andern Nationen[1] auf gleichen Stufen der Cultur[4] [...], zugestutzt, u. s. w. Was ist dabei herausgekommen? Die grammatische Gründlichkeit ist vernachlässigt, und das Höhere nicht erreicht worden. ➢ Volltext.
[39] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 49: Ich möchte ihn [sc. Fleming] unter unsern Dichtern vorzugsweise den südlichen[3] nennen, aber er wurde darum seinem Vaterlande nicht fremd[4]: er hatte ein Deutsches Herz und eine Orientalische[2] Fantasie[2]; und wie sich das äußre Leben oft mit dem innern harmonisch gestaltet, so mußte sich auch für ihn durch die holsteinische Gesandtschaft nach Persien die damals unerhört seltne Gelegenheit darbieten, durch Rußland und die tatarischen Steppen bis in die schönsten[1] Gegenden des Orients[1] hinzugelangen, eine Reise, die er mit romantischem[4] Sinne aufgefaßt und herrlich dargestellt hat..
[40] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 266: Da [...] die lokalen Geschichten des modernen Europa ohne Sinn für die Zeitalter und die darin liegende Beziehung auf das Ganze, den Ausländern gänzlich uninteressant werden, ja nicht einmal allgemein bey den Mitgliedern einer Nation[1], wo es an Nationalität und Patriotismus fehlt, auf rege Theilnahme rechnen dürfen: so bescheiden sie sich von selbst, bloß zu bedingten lokalen Zwecken geschrieben zu seyn, als Handbücher der Geschäftsmänner und Juristen in einem Staat, der vielleicht nur wenige Meilen im Umkreise hat, und außer welchem kein Mensch um diese obscuren Geschichten sich bekümmert. Dieß Bewußtseyn hat dann auf die Form den nachtheiligsten Einfluß gehabt: je brauchbarer für solche Zwecke, desto unlesbarer und barbarischer sind gewöhnlich solche Geschichtbücher. | Bey solchen bloß technisch-praktischen Historien beruht natürlich die ganze Brauchbarkeit auf der Erweislichkeit der Thatsachen. Daher ist es Sitte geworden die Geschichtforschung mit in die Geschichtschreibung hinein zu tragen; und weitläuftig über Dinge für und wider zu discutiren, die ein Alter ganz kurz mit Erwähnung der beyden abweichenden Meynungen unentschieden hätte dahin gestellt seyn lassen. Ohne Sinn für Erweise, zu denen eine lebendige Anschauung der Vergangenheit erfodert wird, hat man alles auf den todten Buchstaben[6/8] zu reduciren gesucht; und da unter schriftlichen Denkmälern keine einen höheren Grad von Glaubwürdigkeit zu haben scheinen, als Diplome, so ist es der größte Lobspruch solcher technischen Specialgeschichten geworden: sie seyen diplomatisch geschrieben. Es könnte sich treffen, daß eine dergleichen zwar nichts unrichtiges, aber auch nicht das rechte wahre enthielte. Selbst das in öffentlichen Akten verhandelte bekömmt durch den Geist[14] der Menschen erst seine lebendige Bedeutung..
[41] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 337: Ich glaube [...], daß Mischung und Verschmelzung mehrerer Idiome ein besonders günstiger Umstand für die Sprachbildung ist. Es erfolgt nämlich, ehe sie sich amalgamiren, ein Zeitraum der Anarchie und Verwirrung, wo der große Haufe, beyder Sprachen[3] nicht recht mächtig, spricht, wie er will und kann. Ist nun Anlage und Sinn für das Schöne[1] da, so kann eben diese Unsicherheit und Unbestimmtheit Anlaß werden, daß das Angenehmere gewählt, Härten weggeschliffen, die Aussprache überhaupt gemildert werde u. s. w.: und so ist eben Barbarey und Idiotismus im Sprechen Quelle einer ganz 〈338〉 neuen[1] Vollkommenheit..
[42] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 348: Sowohl die Italiäner als Spanier besitzen romantische[1] Darstellungen in einer [...] wahrhaft poetisirten Prosa[5]. [...] Boccaz muß wohl als der Stifter der romantischen[1] Prosa[5] angesehen werden, wiewohl er die Französischen Ritterromane und Fabliaux vor Augen haben mochte. – Bey den Spaniern ist sie zuerst in den Ritterromanen aufgeblüht, [...] dann wurde sie besonders in den Schäferromanen und einigen andern sehr anmuthig bearbeitet, und endlich von Cervantes auf den letzten Gipfel erhoben, der nicht weiter hat übertroffen werden können. – Es ist keine Frage, daß die Deutsche Sprache[3] sich hierin sehr gut an diese südlichen Muster anschließen kann; sie hat in frühern Zeiten[3] schon mehr das dazu gehörige besessen, und jetzt ist durch Goethes W. Meister zuerst der Sinn für romantische[1] ruhig darstellende Prosa[5] wieder geweckt worden..
[43] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 370: Die Philosophie hingegen hat das durchaus Unreflectirte zum Gegenstande, und kann nur zur innern Anschauung mittelbar durch anregende Wortzeichen auffodern. [...] Das Esoterische [...] machte gleichsam philosophische Mysterien aus, zu welchen nur diejenigen zugelassen wurden, die ihre Anlage, mit entgegenkommenden Sinn die wahre Deutung des Buchstaben-Symbols zu fassen, schon sonst bewährt hatten..
[44] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 71: Man sehe nur ein vielgelesenes Buch, Laharpe's Cours de littérature: Ueber das französische Theater enthält es manche feine Bemerkung; wer die Griechen daraus kennen zu lernen gedächte, wäre übel berathen; es fehlte dem Verfaßer eben so sehr an gründlicher Bekanntschaft mit ihnen, als am Sinn dafür. Auch Voltaire ist oft ungebührlich absprechend über sie: er erhebt sie oder würdigt sie herab, wie es ihm einfällt und das augenblickliche Bedürfniß, so oder so auf die Meynung des Publicums zu wirken, es mit sich bringt. So erinnere ich mich, von Metastasio eine flüchtige Beurtheilung der griechischen Tragödien gelesen zu haben, worin er ihre Dichter wie Schulknaben meistert. [...] Die Triebfedern jener feindseligen Kritiken[5] sind zu errathen. Die Na〈72〉tional- und Autor-Eitelkeit mischt sich in's Spiel: man will es weit beßer gemacht haben als die Alten, und man wagt sich mit solchen Behauptungen an das Licht, weil die Werke der dramatischen Dichter nur den Gelehrten zugänglich in todter Schrift auf uns gekommen sind, ohne die lebendige Begleitung der Recitation, der Musik, der idealischen und wahrhaft plastischen Mimik, endlich des szenischen Pomps; welches alles in Athen ohne Zweifel die Dichtungen selbst so würdig zu einem harmonischen Eindruck zusammenstimmte, daß, wenn es uns auf einmal vor das Auge und Ohr gestellt werden könnte, jene vorlaute Klügeley tief verstummen müßte.
➢ Volltext
.[45] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 32 f. (33): Der Pastor fido insbesondre ist eine unnachahmliche Hervorbringung: originell und doch classisch[3]; romantisch[7] durch den Geist[12] der dargestellten Liebe: in den Formen mit dem großen einfachen Gepräge des classischen[3/7] Alterthums[2] bezeichnet; neben den süßen Tändeleyen der Poesie[3] voll von hoher keuscher Schönheit[6] des Gefühls. Keinem Dichter 〈33〉 ist es wohl so gelungen, die moderne[1] und antike[2] Eigenthümlichkeit zu verschmelzen. Für das Wesen der alten[10] Tragödie zeigt er einen tiefen Sinn, denn die Idee des Schicksals beseelt die Grundanlage seines Stückes, und die Hauptcharakter kann man idealisch[1] nennen; er hat zwar auch Caricaturen eingemischt, und die Composition deswegen Tragikomödie genannt: allein sie sind es nur durch ihre Gesinnungen, nicht durch den Unadel der äußern Sitten, gerade wie die alte[10] Tragödie selbst den untergeordneten Personen, Sklaven oder Boten, ihren Antheil an der allgemeinen Würde leiht. ➢ Volltext.
[46] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 180: Das allgemeine Entzücken bey Erscheinung dieses Stücks [sc. Corneille, Cid], das ohne Einmischung irgend einer unedlen Triebfeder ganz auf den Widerstreit der reinsten Gefühle, der Ehre, Liebe und kindlichen Pflicht gebaut ist, zeugte von noch nicht ausgestorbnem romantischem[7] Sinn unter den Zuschauern, die sich den natürlichen[2] Eindrücken überließen..
[47] C. Schlegel, an L. Gotter (15. 10. 1796), C 1, 400: Allerdings habe ich die Zeit[6] genuzt um herein zu ziehn, und bin auch schon leidlich etablirt. Im Haus selbst wird nur noch allerley getrieben. Tischler und Mahler[2] sind noch dabey, so daß die Avenuen wenigstens nicht so nett sind, wie meine Stuben. Ich habe eine rechte Freude darüber, daß Schlegel der Unruhe entgangen ist, und ich ihn in die ordentliche Wohnung einführen kan. Er ist keiner von den Gelahrten, die für Ordnung und Eleganz keinen Sinn haben; nun ist zwar die Eleganz noch auf einen frugalen Fuß bey mir, indeß sieht es doch schon anders aus, wie im Gartenhause..
[48] C. Schlegel, an J. D. Gries (9. 6. 1799), C 1, 549: Wie wenig Sinn ich [...] eigentlich für Fichtens System [...] habe, können Sie denken. Das Gute um des Guten willen, das begreife ich in ihm, das erhebt meine Seele, und ausserdem bewundre ich an ihm die Höhe des menschlichen Geistes[14] und interressire mich für den Verfechter der Freyheit[6] im Denken – seine persönliche Bravheit abgerechnet..
[49] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 140, Nr. 36: Wer noch nicht bis zur klaren Einsicht gekommen ist, daß es eine Größe noch ganz ausserhalb seiner eigenen Sphäre geben könne, für die ihm der Sinn durchaus fehle; wer nicht wenigstens dunkle Vermuthungen hat, nach welcher Weltgegend des menschlichen Geistes hin diese Größe ungefähr gelegen seyn möge: der ist in seiner eignen Sphäre entweder ohne Genie, oder noch nicht bis zum Klassischen[3] gebildet. ➢ Volltext.
[50] F. Schlegel, Philolog. I (*1797), KFSA 16, 44, Nr. 109:
Gibbon
auch ein materialer Alterthumskenner; verdient als solcher alles Studium. Er hatteSinn
fürs Klassische[51] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 69, Nr. 100: Vom klassischen[7] Sinn ist der antiquarische Geist[14] noch ganz verschieden: das Interesse am Alten[10], weil es alt[10] ist: das Interesse an der Materie des Alterthums[3], an Reliquien, an klassischem[7] Boden. – Die größten Menschen haben diesen Sinn. [...] 〈Interesse am Buchstaben[8] des Alterthums[3].〉.
[52] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 70, Nr. 110: W[inckelmann]'s Abscheu gegen das Moderne ist doch nur aus
Sinn
fürs Klassische zu erklären [...]. Er klassifizirt alles. Seine Diction..[53] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 212: Das unsterbliche Werk des größten historischen Künstlers der Modernen, die Schweizergeschichte von Johannes Müller ist im größten Römischen Styl entworfen und ausgeführt. Im Einzelnen athmet das Werk durch und durch echten Sinn der Alten: im Ganzen aber verfällt es dennoch wieder ins Manierirte, weil neben dem klassischen[7] Geist[12] auch die antike Individualität affektirt ist. ➢ Volltext.
[54] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 8, Nr. 22: Der Sinn für Projekte, die man Fragmente aus der Zukunft nennen könnte, ist von dem Sinn für Fragmente aus der Vergangenheit nur durch die Richtung verschieden, die bey ihm progressiv[4], bey jenem aber regressiv ist. Das Wesentliche ist die Fähigkeit, Gegenstände unmittelbar zugleich zu idealisiren, und zu realisiren, zu ergänzen, und theilweise in sich auszuführen. Da nun transcendental[1/2] eben das ist, was auf die Verbindung oder Trennung des Idealen und des Realen Bezug hat; so könnte man wohl sagen, der Sinn für Fragmente und Projekte sey der transcendentale[2] Bestandtheil des historischen Geistes[20]. ➢ Volltext.
[55] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 124, Nr. 404: Zur Philologie muß man gebohren seyn, wie zur Poesie[11] und zur Philosophie. Es giebt keinen Philologen ohne Philologie in der ursprünglichsten Bedeutung des Worts[1], ohne grammatisches Interesse. Philologie ist ein logischer Affekt, das Seitenstück der Philosophie, Enthusiasmus für chemische Erkenntniß: denn die Grammatik ist doch nur der philosophische Theil der universellen Scheidungs- und Verbindungskunst. Durch die kunstmäßige Ausbildung jenes Sinns entsteht die Kritik[3], deren Stoff nur das Klassische[3] und schlechthin Ewige seyn kann, was nie ganz verstanden werden mag: sonst würden die Philologen, an deren meisten man die gewöhnlichsten und sichersten Merkmahle der unwissenschaftlichen Virtuosität wahrnimmt, ihre Geschicklichkeit eben so gern an jedem andern Stoff zeigen als an den Werken des Alterthums[3], für das sie in der Regel weder Interesse noch Sinn haben. Doch ist diese nothwendige Beschränktheit um so weniger zu tadeln oder zu beklagen, da auch hier die künstlerische Vollendung allein zur Wissenschaft[1] führen, und die bloße formelle Philologie einer materialen Alterthumslehre und einer humanen Geschichte[4] der Menschheit[2] nähern muß. ➢ Volltext.
[56] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 129, Nr. 418: [D]er Sternbald vereinigt den Ernst und den Schwung des Lovell mit der künstlerischen Religiosität des Klosterbruders und mit allem was in den poetischen[4] Arabesken, die er aus alten[1] Mährchen gebildet, im Ganzen genommen das Schönste[1] ist: die fantastische[2] Fülle und Leichtigkeit, der Sinn für Ironie[3], und besonders die absichtliche Verschiedenheit und Einheit des Kolorits. Auch hier ist alles klar und transparent, und der romantische[4/12/1/9] Geist[11/12?] scheint angenehm über sich selbst zu fantasiren. ➢ Volltext.
[57] F. Schlegel, Goethe's Meister (1798), 164 f. (165): Dieses Frische der Farben, dieses kindlich Bunte[2], diese Liebe zum Putz und Schmuck, dieser geistreiche Leichtsinn und flüchtige Muthwillen ha〈165〉ben etwas was man Aether der Fröhlichkeit nennen möchte, und was zu zart und zu fein ist, als daß der Buchstabe[9] seinen Eindruck nachbilden und wiedergeben könnte. Nur dem, der vorlesen kann, und sie vollkommen versteht, muß es überlassen bleiben, die Ironie[3/1], die über dem ganzen Werke [sc. Goethe: Wilh. Meister (1795–96)] schwebt[5], hier aber vorzüglich laut wird, denen die den Sinn dafür haben, ganz fühlbar zu machen. Dieser sich selbst belächelnde Schein von Würde und Bedeutsamkeit in dem periodischen Styl, diese scheinbaren Nachläßigkeiten, und Tautologien, welche die Bedingungen so vollenden, daß sie mit dem Bedingten wieder eins werden [...], dieses höchst Prosaische[3] mitten in der poetischen[1] Stimmung des dargestellten oder komödirten Subjekts, der absichtliche Anhauch von poetischer[1] Pedanterie bey sehr prosaischen[3] Veranlassungen; sie beruhen oft auf einem einzigen Wort, ja auf einem Akzent.
➢ Volltext
.[58] F. Schlegel, Philos. Lehrj. III (*1798), KFSA 18, 128, Nr. 76: Ironie[1] ist gleichsam die επιδειξις d[er] Unendlichkeit, d[er] Universalität, vom Sinn fürs Weltall..
[59] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 7: Eben darum sollten die Frauen mit ganzer Seele und ganzem Gemüthe nach dem Unendlichen und Heiligen streben, nichts so sorgfältig ausbilden, als den Sinn und die Fähigkeit dafür; und mit keiner Liebhaberey sollte es ihnen so Ernst seyn wie mit der Religion[3].
➢ Volltext
.[60] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 14 f. (15): Liebst Du wohl, wenn Du nicht die Welt in dem Geliebten findest? Um sie in ihm finden, und in ihn hin〈15〉ein legen zu können, muß man sie schon besitzen, sie lieben, oder wenigstens Anlagen, Sinn[5] und Liebesfähigkeit für sie haben. Daß diese Kräfte cultivirt werden können, daß der Blick vom Auge unsers Geistes[19] immer weiter, fester und klarer werden soll, und unser inneres Ohr[3] empfänglicher für die Musik[8] aller Sphären der allgemeinen Bildung[5]; daß die Religion[3] in diesem Sinne[1] sich also lehren und lernen, obgleich nie erschöpfen lasse, leuchtet von selbst ein. Aber freilich sind Freundschaft und Liebe die Organe[1] alles sittlichen Unterrichts auch bey diesen Zweigen desselben unentbehrlich. Und gewiß werden zwey Liebende, wenn der Mann die Geliebte über den gewöhnlichen Dienst kleiner Hausgötter ins freye[1] Ganze hinaus zu führen strebt, oder ihr die zwölf großen Götter[4] in Gestalt bekannter Laren zugesellt; und wenn sie gleich einer Priesterin der Vesta über das heilige Feuer auf dem reinen Altare in seiner Brust wacht, beyde zusammen schnellere und weitere Fortschritte spüren, als wenn jeder für sich allein mit heißem Bemühen nach Religion[3] gestrebt hätte. ➢ Volltext.
[61] F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 212: Während nun auf der einen Seite alle Vernünftler und die, welche vorzüglich in der Gegenwart leben und von dem Geist[12] derselben sich lenken und beherrschen lassen, fast ohne Ausnahme dem verderblichen und zerstörenden Grundsatze ergeben sind, alles durchaus neu und von vorn wie aus Nichts erschaffen zu wollen, ist auf der andern Seite wahre Kenntniß des Alterthums[2] und der Sinn für dasselbe fast verschwunden, die Philologie zu einer in der That sehr schaalen und unfruchtbaren Buchstabengelehrsamkeit herabgesunken, und so bei manchen erwünschten Fortschritten im Einzelnen, doch das Ganze zersplittert und weder Kraft noch lebendiger Geist[27] darin sichtbar. ➢ Volltext.
[62] Schleiermacher, Ath.-Fragm. (1798), 102 f. (103), Nr. 350: Keine Poesie[7], keine Wirklichkeit. So wie es trotz aller Sinne[4] ohne Fantasie[1] keine Außenwelt giebt, so 〈103〉 auch mit allem Sinn[5] ohne Gemüth keine Geisterwelt. Wer nur Sinn[5] hat, sieht keinen Menschen[9], sondern bloß Menschliches: dem Zauberstabe des Gemüths allein tut sich alles auf. Es setzt Menschen[9] und ergreift sie; es schaut an wie das Auge ohne sich seiner mathematischen Operazion bewußt zu seyn. ➢ Volltext.
[63] Schleiermacher, Religion (1799), 52 f. (53): Spekulazion und Praxis haben zu wollen ohne Religion[3], ist verwegener Übermuth, es ist freche Feindschaft gegen die Götter[4/6], es ist der unheilige Sinn[10] des Prometheus, der feigherzig stahl, was er in ruhiger Sicherheit hätte fordern und erwarten können. Geraubt nur hat der Mensch[1] das Gefühl seiner Unendlichkeit und Gottähnlichkeit, und es kann ihm als unrechtes Gut nicht gedeihen, wenn er nicht auch seiner Beschränktheit sich bewußt wird, der Zufälligkeit seiner ganzen Form, des geräuschlosen Verschwindens seines ganzen Daseins im Unermeßlichen. Auch haben die Götter[4/6] von je an diesen Frevel gestraft. Pra〈53〉xis ist Kunst[2], Spekulazion ist Wissenschaft[1], Religion[3] ist Sinn[5] und Geschmak fürs Unendliche. Ohne diese, wie kann sich die erste über den gemeinen Kreis abenteuerlicher[3] und hergebrachter Formen erheben? wie kann die andere etwas beßeres werden als ein steifes und mageres Skelet? ➢ Volltext.
[64] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 629: Wer schwach höret, wird weniger von leidenschaftlichen Tönen gerühret, als der, der ein feines Ohr[3] hat, und so ist es auch mit andern Sinnen. Darum liegt etwas von der Anlage zum Künstler, schon in dem Bau der Gliedmassen des Körpers..
[65] L. Tieck, an A. W. Schlegel (23. 12. 1797), L, 26: Es ist schön[6], daß Sie die Prosa[5] des Cervantes so fühlen wie ich, das hat mir auch Muth gemacht, denn es war immer mein Ideal, es Göthisch zu übersetzen, soviel ich kann: darum ist der Bertuch gar kein Don Quixote, er ist ein ganz andres Buch, in dem bloß dieselben Begebenheiten ohngefähr sind, für das eigentliche Romantische[1/7] der Novellen, für die herrlichen Verse, für die süßen Schilderungen der Liebe hat er gar keinen Sinn gehabt, er hat gemeint, seinen Lesern ein großes Geschenk zu machen, wenn er das meiste davon ausläßt..
[66] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XV f. (XVI): Der Reim wird aber nicht bloß auf eine so beschränkte Weise gebraucht, wie es diese Nationen[1] [sc. Italiäner und Spanier] nachher fast zum Gesetz in der Poesie[3] gemacht haben. Ausserdem, daß er die einzelnen Verse beschließt und mit einander verknüpft, ist ihm noch ein ganz verschiedener Sinn beigelegt, welcher den künstlichen Formen ein unendliches Feld eröffnet. Andre Reime werden nehmlich 〈XVI〉 noch oft in die Mitte gestellt, oder zu Anfang, oder gegen das Ende gehäuft, wodurch ein Gedicht in seinem Hauptverhältnisse und seiner Melodie noch viele andere Nebentöne bekommen kann, die im Liede zart und flüchtig, wie in einem leichten Elemente spielen, sich ganz darinne verliehren, und immer wieder von neuem hervortreten. Einem ungeübten Ohre dürfte das schönste dieser Art nur als kindische Spielerei erscheinen, wo der feinere
Sinn
die zartesten Laute der Sehnsucht vernimmt, die sich in Thränen und Schluchzen auflöst, anderswo wie ein klagendes Echo aus dem Gemüthe, oder das Rieseln eines muntern Baches, dessen Wellen freudig zusammenklingen. ➢ Volltext
.[67] L. Tieck, Phantasus I (1812), 64: Es fehlt unsrer Zeit[5], sagte Friedrich, so sehr sie die Natur[19] sucht, eben der Sinn für Natur[19], denn nicht allein diese regelmäßigen Gärten, die dem jetzigen Geschmacke zuwider sind, bekehrt man 〈65〉 zum Romantischen[3/4], sondern auch wahrhaft romantische[3/4] Wildnisse werden verfolgt, und zur Regel und Verfassung der neuen[7] Gartenkunst erzogen..
[68] L. Tieck, Phantasus I (1812), 470 f. (471): [D]as ist mir unbegreiflich geblieben, wie die Schöpfung und die Tages〈471〉zeiten unsers Haydn fast allenthalben haben Glück machen können, deren kindische Mahlerey gegen allen höheren Sinn streitet. Seine Symphonien und Instrumental-Compositionen sind meist so vortreflich, daß man ihm diese Verirrung niemals hätte zutrauen sollen..
[69] Wackenroder, an L. Tieck (5. 5. 1792), VL 2, 30 f. (31): Wer noch jetzt die Trümmer der nord[ischen] Mythol[ogie] zu einem Gebäude zusammensetzen, und die Lücken ausfüllen wollte, würde ein schönes[7] Flickwerk zu Stande bringen. Und es ist doch gar nicht zu läugnen, daß bey aller vortrefflichen, großen Simplicität, bey aller der erhabenen[3] und feurigen Phantasie[20], die die alten[11] nord[ischen] Dichtungen zeigen, dennoch so viel Ungeheures was ans Lächerliche u[nd] Ungereimte gränzt, so viel schwerfälliges, so viele entsetzlich harte, unschmackhafte Bilder vorkommen, daß man, wenn man bestän〈31〉dig sein Auge auf die eingepelzten Götter[5] Skandinaviens heften wollte, allen Sinn für ein sanftes Griechisches[6] Profil verlieren würde. Der Unterschied ist wie Nebeldämmerung u[nd] Morgenröthe, wie – – nun Du magst Dir selbst Vergleichungen aussinnen..
[70] Wieland, Agath. (1766–67), W 1, 411: Ein Jonisches Ohr[4] will nicht nur ergötzt, es will bezaubert sein. Die Annehmlichkeit der Stimme[3], die Reinigkeit und das Weiche der Aussprache, die Richtigkeit des Accents, das Muntre, das Ungezwungene, das Musicalische[3] ist nicht hinlänglich; wir fodern eine vollkommne Nachahmung, einen Ausdruck, der jedem Teile des Stücks, jeder Periode, jedem Vers das Leben, den Affect, die Seele gibt, die sie haben sollen; kurz, die Art, wie gelesen wird, soll das Ohr[3] an die Stelle aller Übrigen Sinne setzen..
[71] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 44: Es unterliegt keinem Zweifel, daß es für den tüchtigsten Schulmann eine unendlich schwere Aufgabe ist, den Dichter, den Redner, den Geschichtschreiber, den Philosophen des griechischen und römischen Altertums
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Sinnes
für die Mysterien der Welt, für Wahrheit und Schönheit nur selten einmal mit verwandtem Auge selbst angeschaut und sich von ihnen durchdrungen haben..
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