[1]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 14 f. (15)
: [I]n der Musik[1] hat Rousseau den Gegensatz anerkannt, und gezeigt, wie Rhythmus und Melodie das herrschende Prinzip der antiken[2], Harmonie der modernen[1] Musik[1] sey. Er verwirft aber einseitig die letztere, worin wir ganz und gar nicht mit ihm einig seyn können. Ueber die bildenden Künste[2] thut Hemsterhuys den sinnreichen Ausspruch: die alten[10] Mahler seyen vermuthlich zu sehr Bildhauer gewesen, die neueren[3] Bildhauer seyen zu sehr Bildhauer [sc. Mahler]. Dieß trifft den eigentlichen Punkt; denn, wie ich es in der Folge deutlicher entwickeln 〈15〉 werde, der Geist[12] der gesamten antiken[2] Kunst[4] und Poesie[1] ist plastisch[3], so wie der modernen[1] pittoresk. ➢ Volltext
[2]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 53
: Man verkennt [...] ganz und gar die Rechte der Poesie[11] und des romantischen[12/4] Drama's, welches eben weil es pittoresk ist und sein soll, reichere Umgebungen und Contraposte für seine Hauptgruppen erfodert. In aller Kunst[4] und Poesie[11], vornämlich aber in der romantischen[12/4], macht die Fantasie[2] als eine unabhängige Seelenkraft, die sich nach eignen Gesetzen regiert, ihre Ansprüche geltend. ➢ Volltext
[3]
Pückler-Muskau, Andeut. Landsch. (1834), 57
: Ein Wintergarten muss, wie schon der Name anzeigt, nur aus immergrünen Pflanzen[1] bestehen, und ist in unserm kalten Clima[2] nur sehr schwierig mit einiger Abwechselung herzustellen. Orangerie- und Treibhäuser, Statuen und wohl auch architektonische Springbrunnen, die, selbst wenn das Wasser gefriert, nicht ohne pittoreske Wirkung bleiben, müssen ihn beleben. Die regelmässige Anlage nach antikem[3], oder daraus abgeleiteten französischem Geschmack, sagt diesen Gärten am besten zu; und wünscht man den Effect von Rasenstücken, so kann dieser zweckmässig durch immergrüne Kriechpflanzen [...] hervorgebracht werden..
[4]
Pückler-Muskau, Andeut. Landsch. (1834), 112 f. (113)
: Es wird [...] auf beiden Seiten, längs der Strasse [...] ein [...] bald schmalerer bald breiterer, Strich rigolt [›tief umgegraben, aufgelockert‹], und dieser wie eine Waldpflanzung mit jungem Holz ganz voll gepflanzt, dazwischen aber einzelne höhere Gruppen, die eine Art fortlaufender unregelmässiger Allee über dem niedrigen Gebüsch bilden, vertheilt. [...] Das junge Holz wird in der Regel als Unterbusch behandelt, und alle sechs bis zehn Jahre abgetrieben, die grössern Bäume aber ihrem Wachsthum überlassen. Man sieht leicht ein, dass auf diese Weise selbst eine arme Gegend bald von der Strasse aus ein freundlicheres Ansehn gewinnen muss [...] 〈113〉 [...] und [man] endlich das Störende der äussern Landschaft, wo diese reizlos ist, immer beliebig durch einen willkommenen dichten Laubschirm gänzlich verdecken kann. Gehen aber etwa später einige der grösser gepflanzten Bäume ein, oder wollen sie nicht gut fortkommen, so braucht man nur andere der jüngeren, nebenstehenden, emporwachsen zu lassen, und kann in diesem Falle dann auch jede verschiedene Baumart gleich gut gebrauchen, wenn sie nur freudig wächst. Die so verunstaltenden Lücken können bei solcher Behandlung gar nicht entstehen, und eine freie[17] Allee dieser Art belebt die dürrsten Haiden und Kieferwälder und vereinigt sich ungezwungen mit ihnen, während die langen Reihen grenadiermässig aufmarschirter lombardischer Pappeln, welche man anderweit durch die schwarzen Kiefern zieht, bei Jedem der vom Pittoresken nur die entfernteste Ahndung hat, eine wahre Verzweiflung hervorbringen. Ich wenigstens, wenn mich mein Unstern auf solche Strassen führt, vermag jener trostlosen Stimmung nur durch geschlossene Augen und gewaltsam herbeigerufnen Schlaf zu entgehen..
[5]
Pückler-Muskau, Andeut. Landsch. (1834), 132
: Bedarf man eines grössern Seeartigen Wasserspiegels [...], so muss man 〈133〉 ihn theils durch Inseln, theils durch die tiefsten Einbuchten, deren Ende durch Pflanzung grösstentheils verborgen wird, so disponiren, dass man nirgends die ganze Wassermasse überblicken kann, sondern das Wasser immer da und dort hinter dem dichten Gebüsche noch weiter zu fliessen scheint, sonst wird jedes Wasserstück immer klein erscheinen, habe es auch eine Stunde im Umfang. [...] Die vortretenden Landzungen müssen grösstentheils spitz, nicht rund auslaufen, denn ich kann nicht genug darauf aufmerksam machen, dass keine Linie der pittoresken Landschaft ungünstiger ist, als die aus dem Cirkel entnommene, besonders bei irgend einiger Ausdehnung [...]. [...] | S. für das Obige tab. VI. Die Form f ist noch keineswegs die schlechteste, die ich ausgeführt gesehen habe, und g will ich nicht für die beste ausgeben, die auszuführen ist; sie wird aber gewiss einen malerischeren[4] Effect hervorbringen als jene, und auf keinem Standpunkt des Wassers Ende entdecken lassen, welches eine Hauptsache ist. [❏].
[6]
Pückler-Muskau, Andeut. Landsch. (1834), 141
: Ein kleiner Kunstgriff der empfohlen werden kann, ist der, die Steine möglichst in schiefer Richtung wie Geschiebe aufzustellen, und einen, oder einige der grössten einzeln hoch daraus hervorragen zu lassen, was dem Ganzen ein malerischeres[4] und kühneres Ansehn giebt. Als erläuterndes Beispiel theile ich die Zeichnungen von zwei Wehren und einer Unterstützungswand mit, die nach diesen Prinzipien hier gebaut wurden. S. tab: VIII. [❏] IX. [❏] und X [❏]. | Die Wehre sind im Grunde, soweit dieser nicht sichtbar ist, von Backsteinen regelmässig gemauert, und dann mit den Felsenblöcken bedeckt und überworfen, wobei natürlich[4] für den möglichst pittoresken Fall des Wassers, der keineswegs dem Zufall überlassen bleiben darf, so wie auch für die passende Ausschmückung durch Gebüsch und Pflanzen, alle nöthige Rücksicht statt fand..
[7]
Schelling, Philos. d. Kunst (
!1803–04), SW I, 5, 677
: Der Roman[1], da er seiner näheren Verwandtschaft mit dem Drama gemäß mehr auf Gegensätzen beruht als das Epos, muß diese vorzüglich zur Ironie[1/3] und zur pittoresken Darstellung gebrauchen, wie das Tableau im Don Quixote, wo dieser und Cardenio im Walde gegeneinander über sitzend beide vernünftig aneinander theilnehmen, bis der Wahnsinn des einen den des anderen in Aufruhr setzt. Ueberhaupt also darf der Roman[1] nach dem Pittoresken streben, denn so kann man allgemein nennen, was eine Art von dramatischer, nur flüchtigerer, Erscheinung ist. Es versteht sich, daß es stets einen Gehalt, einen Bezug auf das Gemüth, auf Sitten, Völker, Begebenheiten habe. Was kann in dem angegebenen Sinn pittoresker seyn, als im Don Quixote Marcellas Erscheinung auf der Spitze des Felsens, an dessen Fuß der Schäfer begraben wird, den die Liebe für sie getödtet hat? | Wo der Boden der Dichtung es nicht begünstigt, muß der Dichter es erschaffen, wie Goethe im Wilhelm Meister; Mignon, der Harfner, das Haus des Onkels sind einzig sein Werk. Alles, was die Sitten Romantisches[4] darbieten, muß herausgewendet und das Abenteuerliche[3] nicht verschmäht werden, sobald es auch wieder zur Symbolik dienen 〈678〉 kann. Die gemeine Wirklichkeit soll sich nur darstellen, um der Ironie[1/3] und irgend einem Gegensätze dienstbar zu seyn. ➢ Volltext.
[8]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 367
: Nach unsrer allgemeinen Ansicht vom Verhältniß der alten[10] und neueren[3] Kunst[10] werden wir auch in der Musik[4] keine gegen die andre herabzusetzen, sondern die Bedeutung ihres Gegensatzes zu verstehen suchen; und da würde sich vielleicht bey näherer Erörterung finden, daß das vorwaltende in der alten[10] Musik[4] eben das war, was in den übrigen Künsten[10]: das plastische[3], rein classische[5], streng begränzende; in der neueren[3] hingegen das pittoreske, romantische[4/8] oder wie man es nennen will..
[9]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 113 f. (114)
: Warum ist aber dennoch das Verfahren der griechischen[2] und der romantischen[12] Dramatiker in Absicht auf Ort und Zeit[6] so sehr verschieden? [...] 〈114〉 [...] Die Hauptursache des Unterschiedes ist [...] der plastische[3] Geist[12] der antiken[2], und der pittoreske der romantischen[12] Poesie[11]. Die Sculptur richtet unsre Betrachtung ausschließend auf die dargestellte Gruppe, sie entkleidet sie möglichst aller äußern Umgebungen, und wo sie deren nicht ganz entrathen kann, deutet sie solche doch nur leicht an. Die Mahlerey[1] hingegen liebt es, mit den Hauptfiguren zugleich den umgebenden Ort und alle Nebenbestimmungen ausführlich darzustellen, und im Hintergrunde Ausblicke in eine gränzenlose Ferne zu öffnen; Beleuchtung und Perspectiv sind ihr eigentlicher Zauber. Daher vernichtet die dramatische, besonders die tragische Kunst[3] der Alten[10] gewisser〈115〉maßen die Aeußerlichkeiten von Raum und Zeit[6]; das romantische[12] Drama schmückt vielmehr durch deren Wechsel seine mannichfaltigeren Gemählde. Oder noch anders ausgedrückt: das Prinzip der antiken[2] Poesie[11] ist idealistisch, das der romantischen[12] mystisch; jene unterwirft Raum und Zeit[6] der innern Freythätigkeit des Gemüths, diese verehrt diese unbegreiflichen Wesen als übernatürliche Mächte, denen auch etwas göttliches inwohnt. ➢ Volltext.
[10]
F. Schlegel, Fragm. Poes. u. Litt. (*1801), KFSA 16, 322, Nr. 810
: Der Charakter[1] d[er] oriental.[ischen][1] Sprache[n][3] viell.[eicht] das Auseinandertreten der Pole. Daher Diphtonge [sic] und Di[phtong-]Consonanten (Analogie des Deutschen) dahingegen d[as] Griech[ische][5] auf ein Mit〈322〉telmaaß geht. [...] Zwischen dies[em] und d[em] Deutsch[en] oder d[em] Eleg.[ischen] die Prosa[1] in drei Epochen 1) Classisch[5] ohne Farbe 2) auf Vokale und Conson.[anten] berechnet, rom[antisch][1] pict[oresk] und μους [musikalisch7] 3) Synthesis von beiden, groß romantisch[1/10]..
[11]
F. Schlegel, Zur Poesie II (*1802), KFSA 16, 434, Nr. 157
: Romantische[1/4] Prosa[5]. Alliteration (und Assonanz), dann Bilder aus der sichtbar[en] Oberfläche der Natur[2]. In Consonanten und Vokalen folgende Alliterat[ion] / bestimmte Mischung a) Glatte Consonanten und tonlose Vokale b) Harte Consonanten und tonlose Vokale? c) farbige Vokale und harte Consonanten / Diese Prosa[5] ist nun plastisch[3] – musikalisch[7] – oder pittoresk. Der gehörige Wechsel auch wesentlich zum Romantisch[en][1/4] – vielleicht auch Parodie d.[er] gemein[en] Sprache[4] und der φσ [Philosophie]?.
[12]
R. Schumann, Tageb. I (*1828), 64
: Freytags d. 9ten May: Abfarth v. München – [...] der Anblik der Alpen entzückend – der Morgen himmlisch – die Gegend pittoresk[.].