[1]
Goethe, an Zelter (17. 4. 1810), WA IV, 21, 234
: Schreiben Sie mir doch zu allernächst, was eigentlich für Lieder an Ihrer Tafel am öftersten wiederholt werden
, damit ich den Geschmack Ihrer Gäste kennen lerne und erfahre, welche Art Poesie ihnen am meisten
ohret. Wenn man das weiß, so kann man den Freunden allerley Späße machen.
[2]
v. d. Hagen, Vorr. Lit. Grdriß (1812), III
: Der Zweck dieses Werkes ist eine literarische Grundlage zu einer ausgeführten Geschichte[7] der älteren Deutschen Poesie. Nur die Werke und Überbleibsel, welche dieser angehören, d. i. innere und zugleich äußere poetische[5] Form haben, kommen hier in Betracht: beides ist ursprünglich unzertrennlich, und die poetische[6] Prosa[1], so wie prosaische[2] Poesien, sind neue Undinge.
[3]
Heine, Romant. Schule (1836), 37
: Wieland war der damalige große Dichter, mit dem es etwa nur der Herr Odendichter Ramler zu Berlin in der Poesie aufnehmen konnte. ➢ Volltext
[4]
Riepel, Sylbenmaß II (1776), 67
: Ich glaube, es wäre diesem ruhmvollen Dichter sehr leicht, durchaus für deutsche Ohren[4] zu schreiben, wenn er wüßte, daß unsre Poesie wenig oder keine prosodischen Freyheiten[17] vertragen kann.
[5]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!1798–99), KAV 1, 31 f.
: Die größten Bequemlichkeiten für die Überwindung der metrischen Schwierigkeiten abgerechnet, die für die Freiheit[5] in einer Sprache[3] dadurch entspringt, erhebt es die Poesie, wenn sich ihr Ausdruck so viel als möglich von dem des gewöhnlichen Lebens entfernt [...]. In dieser Rücksicht sind die sogenannten poetischen[4] Freiheiten[17] keine Begünstigung, sondern nach Maßgabe der jeder Gattung erforderlichen Stile ein Gesetz. [...] Folgende sind die vorzüglichsten Arten der Vorrechte, die eine Sprache[3] zu einem freien und kühnen poetischen[5] Stile erheben können: 〈32〉 1. die Fähigkeit, das Materielle der Wörter zum Behufe des Wohlklanges und des Silbenmaßes allerhand Veränderung, Zusammenziehung, Verlängerung, Hineinsetzung (epenthesis) usw. unterwerfen zu können, ohne daß sie dadurch dunkel werden. Diese Biegsamkeit können in einem beträchtlichen Grade fast nur solche Sprachen[3] besitzen, deren Ableitung und Flexionen vielsilbig sind, so die griechische, lateinische italienische; 2. eigentümliche, der Poesie ausschließend gewidmete Flexionen, Konstruktionen und Wörter; für diese pflegen die verschiedenen Dialekte[1] (Stammabsprachen) und das Veraltete in den Sprachen eine Hauptquelle zu sein, welche daher dem Dichter auch niemals verschlossen werden darf.
[6]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!1802–03), KAV 1, 658 f. (659)
: Ich habe hier diese Gesetze und Verhältnisse der Verskunst einmal für allemal aus einander gesetzt; denn sie gelten nicht bloß [für] die alte[10] 〈659〉 Poesie, sondern dieselbe Erscheinung kommt in den gereimten Versarten der romantischen[12] Dichter[2] wieder.
[7]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!1802–03), KAV 1, 773
: Prosaische[1] Theile in komischen Partien Romantischer[12] Dramen. Sehr zu billigen. Alte[10] Poesie[11]: Reine Sonderung der Kunst[13] und Natur[19]; verlor sich also in der Prosa[1], ohne den Rückweg zur Poesie finden zu können. Romantische[12/10] Poesie[11]: unauflösliche Verschmelzung von Kunst[13] und Natur[19]. Also Prosa[1] schon als ursprünglicher Bestandtheil aufgenommen.
[8]
F. Schlegel, an A. W. Schlegel (21. 7. 1804), KJ 1, 126
: Zu den orientalischen Studien müssen wir nothwendig einige Monate wenigstens beisammen sein. Ich hoffe daß Du Antheil daran nehmen wirst, besonders das Persische wünscht' ich recht in Deine Hand. Du bist daran ohne es zu wissen; denn vom Calderone zur persischen Dichtkunst ist wirklich nur ein Schritt; die Aehnlichkeit bis auf einzelne Züge und Bilder ist überraschend groß. Du wirst Dich in den persischen Dichtern gleich ganz zu Hause fühlen. – Auch ist dieß ein Studium, was man allein überall fortsetzen kann. Du könntest, wenn Ihr nach England reiset, diese Reise dazu nutzen; denn da 5 bis 6 Bücher, was Poesie betrift eine für immer genügende und vollständige persische Bibliothek ausmachen (von epischen und romantischen[1] Dichtern sind nur vier etwa – Firdusi – Nizami – Jami – Hatify – berühmt und in Europa vorhanden; die lyrischen Dichter aber sind so ähnlich, daß man an einem oder zwei der berühmtesten völlig genug hat) so könntest Du Dir in London für eine mäßige Summe vielleicht alle Manuscripte schaffen die Du je brauchen würdest [...].
[9]
v. d. Hagen, Vorr. Lit. Grdriß (1812), III f.
: Der bei weitem größte und bedeutendste Theil der Deutschen Literatur bis in das sechzehnte Jahrhundert, gehört der Poesie an, und dieser ganze Zeitraum ist vorzugsweise der poetische[5]; denn die eigentliche Bildung[1] der Prosa[1] fällt erst in's funfzehnte und sechzehnte Jahrhundert, zugleich mit der Buchdruckerkunst: auf ähnliche Weise wie in Griechenland mit der Schreibkunst. Die gleichzeitige Reformazion war dabei gewiß auch nicht ohne Einfluß: so wie dagegen der Katholizismus der Poesie so günstig gewesen war. Zwar ist die frühe Einwirkung eben dieser Religion und einer fremden[1] Sprache[3] 〈IV〉 und Schrift wieder störend für die eigenthümliche Entwickelung der Deutschen Nazionalpoesie gewesen, hat dieselbe frühe zu frommen oder bloß gelehrten Zwecken verarbeitet, und besonders durch Übersetzung religiöser und klassischer[7] Schriften, zugleich eine breite Prosa[1] neben ihr erzeugt: durch welches alles auch die die [sic] Deutsche Poesie den Karakter[1] der romantischen[1] an sich trägt, und sich das eigenthümliche Streben dieser zum prosaischen[1] Roman[1] kund giebt. Dennoch ist die Poesie hauptsächlicher Ausdruck dieser ganzen Zeit[3], und zwar, wie es uns scheint, der eigenthümlichste für Deutschland, indem nicht nur die alte Volkspoesie sich trefflich ausbildete, sondern auch die fremden[1] Romane[1] und religiösen Dichtungen kräftig angeeignet wurden, um so eher, da ihr Geist[12] ursprünglich von hier ausging oder doch verwandt war. So ist denn auch in dieser ganzen Periode eine vollständige poetische[5] Entwickelung sichtbar, und die in der älteren Zeit[3] häufigere Prosa[1], verliert sich in der eigentlichen Blüthezeit des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts immer mehr, und selbst die Bibel und Kroniken erscheinen in Reimen. .
[10]
v. d. Hagen, Vorr. Lit. Grdriß (1812), VI
: Die bloß chronologische [Anordnung] giebt nur Annalen, und zeigt keine historische Entwickelung. Die Absonderung nach den Dichtarten ist daher um so nöthiger und schicklicher, weil die Geschichte[1] der Poesie durch sie bedingt ist, und daher z. B. die antike[2] Poetik eine ganz andere ist, als die romantische[13] und moderne[8]. Die dreieinigen Grundformen, die epische, lyrische und dramatische, sind zwar allgemeingültig und überall, wo die Poesie; aber einmal haben sie selber, in der Erscheinung, sich aus und nach einander entwickelt; und dann sind sie nach Ort und Zeit[3] mehr oder minder rein ausgebildet. .
[11]
v. d. Hagen, Vorr. Lit. Grdriß (1812), IX f.
: Aus fast gleichzeitigen Galischen Quellen jedoch mag ein Theil der Dichtungen vom Artus herrühren, welche später bei den Wälschen Völkern, in den Romanen von der Tafelrunde und dem Gral ausgebildet wurden. Diese nahm die Deutsche Poesie, so viel sie mochte, in sich auf; und von nun an besteht der größte Theil der poetischen[5], besonders der epischen Literatur dieser Zeit in dergleichen Übertragungen aus dem Wälschen, oder dem zum Theil gemeinsamen Lateinischen. Freilich sind es solche, wie sie damals nur sein konnten, keine künstliche Nachbildungen, sondern wahrhafte Verdeutschungen in Saft und Kraft. Ebenso wurden die durch eine spätere historische Epoche in deren Heimat veranlaßten Romane von Karl dem Großen und seinen Helden herübergenommen. In beiden Fabelkreisen, wie sie zum Theil nach einander, und der von den Helden Karls erst später recht bearbeitet wurden, zeigen auch die einzelen Dichtungen in 〈X〉 ihrer mythischen Folge, in welcher sie hier aufgeführt sind, zugleich ihre Entstehung nach einander; welches auch mit von dem Heldenbuch und überhaupt von den erzählenden Gedichten gilt: so daß sich in ihnen, zunächst in diesen drei großen epischen Kreisen, nicht nur die Historie, sondern auch ihre eigene Geschichte ausdrückt. Solche allmälige Entwickelung der sämmtlichen drei Kreise ging hervor aus dem Streben aller epischen Poesie[11], sich cyklisch abzuschließen. Dieß zeigt sich mehr oder minder schon in einzelen Romanen, die als Grundlage und Mittelpunkt ihres Kreises anzusehen; noch mehr in späteren, die schon so viel als möglich davon in sich wiederholen; am deutlichsten aber in den wirklich und absichtlich cyklischen Gedichten, wie besonders das über die Tafelrunde und den Gral und die noch umfassendere Weltkronik: es offenbart sich hierin zugleich das ursprüngliche Streben aller romantischen[12/11] Poesie[11] zu einem großen Universalgedicht, welches alle Gegenstände des Himmels und der Erde, alle Formen der Poesie[11] in sich beschließt. .
[12]
Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 478
: Klopstock [steht] groß im Sinne[1] der Nation[1], der Freiheit[6], Freundschaft, Liebe und protestantischen Festigkeit da, verehrungswerth in seinem Adel[5] der Seele und Poesie, in seinem Streben und Vollbringen, und wenn er auch nach manchen Seiten hin in der Beschränktheit seiner Zeit[5] befangen blieb, und viele bloß kritische[3/4?], grammatische und metrische, kalte Oden gedichtet hat, so ist doch seitdem, Schiller ausgenommen, keine in ernster männlicher Gesinnung so unabhängige edle Gestalt wieder aufgetreten. ➢ Volltext.
[13]
Herwegh, Rettg. Plat. (1839), W 2, 29
: Die Freunde Platens waren alle so gewöhnlich, keiner derselben war imstande, den Dichter in seiner Tiefe zu erfassen; das Beste, was sie ihm darbringen zu können glaubten, waren schale Lobhudeleien. Und seine Feinde waren so geistreich! Sie besaßen so viel Witz[1], so viel grausamen, mordenden Witz[1]! Die Schmähungen Heines hatten die unseligsten Folgen. Jeder Pinsel, der nicht wußte, was nur Poesie ist, meinte nun das Recht zu haben, herzufallen über diesen eigentümlichen, in seinem Kerne untadelhaften Geist[32]..
[14]
A. Müller, Beredsamk. (
!1812; 1816), 85 f.
: In dem Maße, als der einzelne Redner nach der Fülle seines Gegenstandes strebt, wird auch seine Rede rythmischer, seine Prosa[1] nähert sich der Poesie[3], nicht etwa indem sie sich poetischer[4] Mittel, Bilder oder gar, wie es mitunter schlechte Prediger auf der Kanzel versucht haben, der Verse und des Reims bedient, sie wird nicht etwa zu dem ekelhaften Zwitter, den man poetische[6] Prosa[1] genannt hat und die mit den weibischen Männern zu vergleichen seyn möchte, sondern wie der recht männliche Mann im Umgang mit Frauen[1] durch das Gesetz der Schönheit[1], durch die Sitte gedämpft und veredelt wird, so wird der wahre Redner durch den Umgang mit der Poesie[3/4], durch das Leben in ihrem Elemente, durch Aufenthalt als Gast in jener göttlichen Region, die sie immerwährend bewohnt, kurz 〈86〉 durch den Einfluß des wahren Geschmacks, der im Gebiete der Poesie[3/4] einheimisch ist, auf gewisse Weise verklärt, beruhigt: seine Rede wird, obwohl auf ganz andre eigenthümliche, männliche Weise, rythmisch und vollendet..
[15]
A. Müller, Beredsamk. (
!1812; 1816), 100
: Nirgends aber haben sich Poesie und Beredsamkeit gleichmäßiger entwickelt als in jenem griechischen[2] Vaterlande der Beredsamkeit, nirgends ist die Grenze beider strenger gezogen worden als dort: nirgends fühlt man wie im Studium der griechischen[2] Literatur, daß sie in einem Geschlechtsverhältniß zueinander stehn, daß sie sich untereinander veredeln und vermenschlichen, nirgends sind die Zwittergattungen der poetischen[6] Prosa[1] und der prosaischen[2] Poesie so unerhört oder doch der Gegenstand eines so entschiedenen Abscheus..
[16]
Reichardt, Com. Op. (1774), 98
: Um auch den Dichtern unsrer comischen Opern wenigstens in Ansehung der Versification etwas zu sagen, hänge ich dieser kleinen Schrift einen freundschaftlichen Brief[3] über die musikalische[1] Poesie an, den ich kürzlich an meinen Freund geschrieben..
[17]
A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 175
: Die schmeichelnden kleinen Lieder habe ich oben bey Gelegenheit der Magelone erwähnt; auch in den andern Stücken sind ihrer einzelne eingeflochten. Es liegt ein eigner Zauber in ihnen, dessen Eindruck man nur in Bildern wiederzugeben versuchen kann. Die Sprache[4] hat sich gleichsam alles Körperlichen begeben, und löst sich in einen geistigen Hauch auf. Die Worte[2] scheinen kaum ausgesprochen zu werden, so daß es fast noch zarter wie Gesang lautet: wenigstens ist es die unmittelbarste und unauflöslichste Verschmelzung von Laut und Seele, und doch ziehn die wunderbaren Melodien nicht unverstanden vorüber. Vielmehr ist diese Lyrik in ihrer heimlichen Beschränkung höchst dramatisch; der Dichter darf nur eben die Situazion andeuten, und dann den süssen Flötenton hervorlocken, um das Thema auszuführen. In diesen klaren Thautropfen der Poesie[3/8] spiegelt sich alle die jugendliche Sehnsucht nach dem Unbekannten und Vergangenen, nach dem was der frische Glanz der Morgensonne enthüllt, und der schwülere Mittag wieder mit Dunst umgiebt; die ganze ahndungsvolle Wonne des Lebens und der fröhliche Schmerz der Liebe. Denn eben dieses Helldunkel schwebt[5] und wechselt darin: ein Gefühl, das nur aus der innersten Seele kommen kann, und doch leicht und lose in der Außenwelt umhergaukelt; Stimmen, von der vollen Brust weggehoben, die dennoch wie aus weiter Ferne 〈176〉 leise herüberhallen. Es ist der romantische[8] Ausdruck der wahrsten Innigkeit, schlicht und fantastisch[4] zugleich. ➢ Volltext.
[18]
A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 277
: In Ihrem Don Quixote erkenne ich die reiche Zierlichkeit, die wohlklingende und gerundete Umständlichkeit der Castilianischen Prosa[1]; in den Liedern und Sonetten glaube ich Laute jener süßen südlichen Poesie zu vernehmen, deren geistiger Geist[12] und sinnreich zarte Gefühle uns noch so fremde[4] sind. ➢ Volltext.
[19]
A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 282
: Zu Ronsards Zeiten konnte man sich im Französischen noch zur Nachbildung eines Dante oder Petrarca erheben; jetzt ist das vorbey. Eben so erscheinen die älteren Römischen Dichter, bis auf den Catull herunter etwa, mit großer Wahrheit Griechische Poesien übertragen zu haben, sie machten sogar die dem Geist[12] der Lateinischen Sprache[3] widersprechenden zusammengesetzten Beywörter nach. Späterhin, sobald sich ein gewisser akademischer Begriff[1] von Korrektheit und Politur festgesetzt hatte, verlor sich diese Fähigkeit. Daß es uns nicht auch einmal so geht, wie es schon öfter nahe daran zu seyn schien! Die Sprache[3] der Römer konnte nur durch unsägliche Mühe und Gewalt für die Poesie urbar gemacht werden, und so hat auch bey uns die Undankbarkeit des Bodens zu einer mühsameren Cultur[1] genöthigt. Unsre Sprache[3] 〈283〉 ist halsstarrig: wir sind desto biegsamer; sie ist hart und rauh: wir thun alles für die Wahl milder gefälliger Töne; wir verstehen uns sogar im Nothfalle zu Wortspielen, einer Sache, wozu die Deutsche Sprache[3] am allerungeschicktesten ist, weil sie immer nur arbeiten, niemals spielen will. Wo sind denn nun die gepriesenen Wundervorzüge, die unsere Sprache[3] an sich, zur einzig berufnen Dollmetscherin aller übrigen machen sollen? Ein Wörterreichthum, der gar nicht so überschwenglich ist, daß er nicht beim Uebersetzen oft Armuth sollte fühlen lassen; die Fähigkeit zusammenzusetzen, und hie und da neu abzuleiten; eine etwas freyere Wortstellung, als in einigen modernen[1] Sprachen[3] gilt, und endlich metrische Bildsamkeit. ➢ Volltext.
[20]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 303
: Es ist für die Poesie unendlich vortheilhaft, wenn in einer Sprache[3] für die [poetische] Licenz ein weites Feld offen gelassen ist, welches besonders durch den Zusammenfluß verschiedner Dialecte[1], verständliche Erhaltung des Alten, und Fähigkeit zu neuen Ableitungen bewerkstelligt wird [...]. Zuerst hat dieß den negativen Vortheil, daß die Poesie dadurch ihre Verschiedenheit von der Prosa[1] und ihren Vorsatz sich in einer freyeren Sphäre zu bewegen, selbst dem Ohre[4] 〈unmittelbar〉 ankündigt; dann aber wird die Sprache[3] durch diese Breite zu einem weit biegsameren Organ[1] für sie. Sie hat sich dabey nur vor der Gefahr zu hüten, daß dieser poetische[5] 〈304〉 Dialekt[1] nicht ins conventionelle ausarte, bloße Phrase werde, so wie dem unvermeidlichen, oft sehr heilsamen Gebrauche der Terminologie das nachbetende Formularwesen nahe liegt..
[21]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 32
: Der Pastor fido insbesondre ist eine unnachahmliche Hervorbringung: originell und doch classisch[3]; romantisch[7] durch den Geist[12] der dargestellten Liebe: in den Formen mit dem großen einfachen Gepräge des classischen[3/7] Alterthums[2] bezeichnet; neben den süßen Tändeleyen der Poesie voll von hoher keuscher Schönheit[6] des Gefühls. Keinem Dichter 〈33〉 ist es wohl so gelungen, die moderne[1] und antike[2] Eigenthümlichkeit zu verschmelzen. Für das Wesen der alten[10] Tragödie zeigt er einen tiefen Sinn[5], denn die Idee des Schicksals beseelt die Grundanlage seines Stückes, und die Hauptcharakter kann man idealisch[1] nennen; er hat zwar auch Caricaturen eingemischt, und die Composition deswegen Tragikomödie genannt: allein sie sind es nur durch ihre Gesinnungen, nicht durch den Unadel der äußern Sitten, gerade wie die alte[10] Tragödie selbst den untergeordneten Personen, Sklaven oder Boten, ihren Antheil an der allgemeinen Würde leiht. ➢ Volltext.
[22]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 145
: Die französische Sprache[3] ist mancher Kühnheiten durchaus unfähig, sie hat wenig dichterische Freyheit[1], und trägt die ganze grammatische Gebundenheit der Prosa[1] in die Poesie über. ➢ Volltext.
[23]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 13 f. (14)
: Die antike[2] Kunst[11] und Poesie[11] geht auf strenge Sonderung des Ungleichartigen, die romantische[12] gefällt sich in 〈14〉 unauflöslichen Mischungen; alle Entgegengesetzten: Natur[19] und Kunst[13], Poesie[3] und Prosa[1], Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahndung[1], Geistigkeit und Sinnlichkeit, das Irdische und Göttliche, Leben und Tod, verschmelzt sie auf das innigste mit einander. [...] [D]ie gesamte alte[10] Poesie[11] und Kunst[11] [ist] gleichsam ein rhythmischer Nomos, eine harmonische Verkündigung der auf immer festgestellten Gesetzgebung einer schön[1] geordneten und die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden Welt. Die romantische[12/4] hingegen ist der Ausdruck des geheimen Zuges zu dem immerfort nach neuen[1] und wundervollen Geburten ringenden Chaos, welches unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schooße sich verbirgt: der beseelende Geist[12/1] der ursprünglichen Liebe schwebt[1] hier von neuem[2] über den Wassern. Jene ist einfacher, klarer, und der Natur[2] in der selbständigen Vollendung ihrer einzelnen Werke ähnlicher; diese, ungeachtet ihres fragmenta〈15〉rischen Ansehens, ist dem Geheimniß des Weltalls näher. Denn der Begriff[5] kann nur jedes für sich umschreiben, was doch der Wahrheit nach niemals für sich ist; das Gefühl wird alles in allem zugleich gewahr. ➢ Volltext.
[24]
A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), XIII
: Unter allen Aufgaben der Kritik[2] ist keine schwieriger, aber auch keine belohnender, als eine treffende Charakteristik der großen Meisterwerke. Wie die schöpferische Wirksamkeit des Genius immer von einem gewissen Unbewußtseyn begleitet ist, so fällt es auch der begeisterten Bewunderung schwer und, je ächter sie ist, um so schwerer, zu besonnnener Klarheit über sich selbst zu gelangen. Am besten wird es damit gelingen, wenn die Betrachtung nicht vereinzelt wird, sondern vielmehr den menschlichen Geist[10] in dem Stufengange seiner Entwickelung bis zu dem Gipfel hinauf begleitet. Mit einem Worte[2], die Kunstkritik muß sich, um ihrem großen Zwecke Genüge zu leisten, mit der Geschichte[4], und, so fern sie sich auf Poesie und Litteratur bezieht, auch mit der Philologie verbünden..
[25]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 136, Nr. 606
: Alle π [Poesie] soll Prosa[1], und alle Prosa[1] soll π [Poesie] sein. Alle Prosa[1] soll romantisch[1] sein. – Alle Geisteswerke sollen romantisiren[1] d[em] Roman[1] s.[ich] möglichst approximiren..
[26]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28, Nr. 116
: Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Poesie[11] ist eine progressive[3/6] Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie[11] wieder zu vereinigen, und die Poesie[11/18] mit der Philosophie, und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie[3] und Prosa[1], Genialität und Kritik[1], Kunstpoesie, und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen [...]. ➢ Volltext.
[27]
F. Schlegel, Goethe's Meister (1798), 157
: [I]n Mignons und des Alten[2] romantischen[7] Gesängen offenbart sich die Poesie[3/4] [...] als die natürliche[4] Sprache[4] und Musik[2] schöner[1] Seelen. ➢ Volltext.
[28]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 174 f. (175)
: Das Charakteristische[1] im Tasso ist der Geist[12] der Reflexion und der Harmonie; nämlich daß alles auf ein Ideal von harmonischem Leben und harmonischer Bildung[2] bezogen und selbst die Disharmonie in har〈175〉monischem Ton[12] gehalten wird. Die tiefe Weichlichkeit einer durchaus musikalischen[7] Natur[17] ist noch nie im Modernen[1] mit dieser sinnreichen Gründlichkeit dargestellt. Alles ist hier Antithese und Musik[7], und das zarteste Lächeln der feinsten Geselligkeit schwebt[5] über dem stillen Gemählde, das sich am Anfange und Ende in seiner eignen Schönheit[1] zu spiegeln scheint. Es mußten und sollten Unarten eines verzärtelten Virtuosen zum Vorschein kommen: aber sie zeigten sich im schönsten[1] Blumenschmuck der Poesie beynah liebenswürdig. Das Ganze schwebt[5] in der Atmosphäre künstlicher Verhältnisse und Misverhältnisse vornehmer Stände, und das Räthselhafte der Auflösung ist nur auf den Standpunkt berechnet, wo Verstand[1] und Willkühr allein herrschen, und das Gefühl beynah schweigt. ➢ Volltext.
[29]
F. Schlegel, an L. Tieck (15. 9. 1803), L, 136
: Das Persische ist dem Deutschen so verwandt daß man beides fast für eine Sprache[3] ansehn kann; nur ist die eine so arabisirt, als die andre latinisirt. So gar der Gang der Poesie und Litteratur bei beiden Nationen[1] ist zum Erstaunen ähnlich; in der ältesten[1] Epoche eine Masse von alten[1] mythischen Nationalgedichten, auch in der Sprache[4] ganz einheimisch; und dann eine romantische[12] Zeit[3], wo das Arabische so durchaus angenommen, aber auch mehr geformt ward, wie in unsrer schwäbischen das Französische..
[30]
A. W. Schlegel/F. Schlegel, Eleg. (1798), 114 f.
: Zwar kann die Zeit[3], wenn Phanokles lebte und blühte, nicht mit Genauigkeit bestimmt werden. Wenn es aber auch gar keine Winke darüber gäbe, so würde ihm doch schon der in dem Bruchstücke vom Orpheus sichtbare Hang, alte Sitten sinnreich durch alte seiner Absicht gemäß ausgebildete und der Gegenwart angeschmiegte Sagen zu erklären, seine Stelle in der Periode der elegischen Kunst anweisen, wo die Dichter zugleich auch Gelehrte, Liebhaber und Kenner des schönen Alterthums[2], waren, und wo die erotische Poe〈115〉sie, nicht zufrieden, die lieblichen Freuden der Gegenwart, die zarte Leidenschaft des Dichters selbst, durch eine gebildete Darstellung zu verewigen, auch die Vergangenheit nach ihrer eigenthümlichen Ansicht verwandelte, und die Gestalten der Vorwelt mit dem Geist[30] der reizendsten Sinnlichkeit neu beseelte. .
[31]
L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XV
: Der Reim wird aber nicht bloß auf eine so beschränkte Weise gebraucht, wie es diese Nationen[1] [sc. Italiäner und Spanier] nachher fast zum Gesetz in der Poesie gemacht haben. Ausserdem, daß er die einzelnen Verse beschließt und mit einander verknüpft, ist ihm noch ein ganz verschiedener Sinn[2] beigelegt, welcher den künstlichen Formen ein unendliches Feld eröffnet. Andre Reime werden nehmlich 〈XVI〉 noch oft in die Mitte gestellt, oder zu Anfang, oder gegen das Ende gehäuft, wodurch ein Gedicht in seinem Hauptverhältnisse und seiner Melodie noch viele andere Nebentöne bekommen kann, die im Liede zart und flüchtig, wie in einem leichten Elemente spielen, sich ganz darinne verliehren, und immer wieder von neuem hervortreten. Einem ungeübten Ohre[3] dürfte das schönste dieser Art nur als kindische Spielerei erscheinen, wo der feinere Sinn[5] die zartesten Laute der Sehnsucht vernimmt, die sich in Thränen und Schluchzen auflöst, anderswo wie ein klagendes Echo aus dem Gemüthe, oder das Rieseln eines muntern Baches, dessen Wellen freudig zusammenklingen. ➢ Volltext.
[32]
L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XXI
: Petrarka macht das Sonett und die Canzone zu einem vollendeten Ganzen [...]. Die Poesie hat hier einen Mittelpunkt gesucht und sich in sich selbst zusammengezogen, sie ist gediegener, wichtiger und bedeutsamer geworden, und um diese Würde zu erringen, hat sie nothwendig einen Theil ihrer Freiheit[9] aufopfern müssen..
[33]
Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 184 f. (185)
: Goethe vergleicht [...] sehr richtig die französische Sprache[3] mit ausgeprägter Scheidemünze, die jeder in der Tasche bei sich trägt und der er sich auf das schnellste im Handel und Wandel bedienen kann, die deutsche aber mit einer Goldbarre, die sich ein jeder erst münzen und prägen muß; woher es auch ein gewöhnlicher Fall, daß der gemeinste Franzose rasch und fließend spricht, da er seine Wörter[1] ungezählt nur so ausgibt, der Deutsche aber, selbst der gebildete, sich nur selten so rund und voll auszudrücken vermag, als er wohl wünscht. Demselben Umstande hat die französische Prosa[1] ihre Vollkommenheit zu verdanken und sie, die Prosa[1], ist es vor allen Dingen, was den Ruhm und auch den Wert der französischen Literatur gegründet hat, obwohl darüber noch 〈185〉 manche im unklaren sind und die französische Poesie, die Trauerspiele eines Corneille, Racine, die gereimten Lustspiele eines Moliere, die Henriade eines Voltaire usw. für die einflußreichsten und am meisten klassischen[3] Produkte der französischen Literatur erachten. Ich weiß nicht, ob die Franzosen ein rein poetisches[4] Produkt zustande gebracht haben, ich wüßte keins, wo nicht der Redner den Poeten überwöge oder wenigstens ihm den Rang abzulaufen versuchte; selbst in der neuesten[3/7] romantischen[14] Schule, an deren Spitze Viktor Hugo steht, und die ohne Zweifel an poetischem[4] Gehalt die altfranzösisch klassische[4/8?] überflügelt, spielt die Rhetorik, die Floskelei, die Tiradensucht die Hauptrolle..