[1]
Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (
2
1798), 311
: Die Mundart, plur. die -en, die besondere Art zu reden, wodurch sich die Einwohner einer Gegend von den Einwohnern anderer Gegenden unterscheiden, die Abweichungen einzelner Gegenden in der gemeinschaftlichen Sprache[3]; wohin also nicht nur die Abweichungen in der Aussprache, sondern auch in der Bildung, der Bedeutung und dem Gebrauche der Wörter gehöret; mit einem Griechischen Kunstworte der Dialekt[1]. Die Oberdeutsche Mundart, so fern sie sich von der Niederdeutschen unterscheidet. Beyde theilen sich wiederum in eine große Menge untergeordneter Mundarten; ja im schärfsten Verstande hat jeder Ort seine eigene Mundart, weil doch jeder Ort etwas besondres in der Sprache[3] hat. Auf der andern Seite kann man auch mehrere dem Anscheine nach verschiedene Sprachen[3] als bloße Mundarten ansehen, je nachdem der Begriff ist, welchen man mit dem Worte Sprache[3] und Hauptsprache verbindet. Freylich ist der Ausdruck Mundart, wie schon Frisch erinnert, nicht so bequem als Sprechart, weil das Wort Mund für Sprache[3] nicht üblich ist; indessen ist es allgemein, und wenn nur der Begriff bestimmt und bekannt ist, welchen man mit einem Worte verbindet, so mag es übrigens mit dem letztern seyn wie es will.
[2]
G. Forster, Reise u. d. Welt I (1778), 415 [423]
: [Über einen Einwohner der Osterinsel]: Anfänglich kostete es uns einige Mühe, seine Sprache[3] zu verstehen; als wir ihn aber fragten, wie er die Hauptglieder des Leibes nenne, fand sich bald, daß es eben die Mundart sey, welche auf den Societäts-Inseln geredet wird, denn die Namen der Gliedmaßen lauteten hier eben so als dort.
[3]
Goethe, Ital. Reise III (1829), WA I, 32, 120 f. (121)
: [E]s ist wohl nichts angenehmer als eine Römerin [...], die sich in natürlichem[2] Gespräch 〈121〉 heiter[5] gehen läßt, und ein lebhaftes, auf die reine Wirklichkeit gerichtetes Aufmerken, eine Theilnahme, mit anmuthigem Bezug auf sich selbst, in der wohlklingenden römischen Sprache[4] schnell, doch deutlich vorträgt; und zwar in einer edlen Mundart, die auch die mittlere Classe[2] über sich selbst erhebt, und dem Allernatürlichsten, ja dem Gemeinen einen gewissen Adel[5] verleiht.
[4]
Hamann, Krzzg. d. Phlg. (1762), N 2, 215, Anm.
: Ohngeachtet meiner kauderwelschen Mundart würde ich sehr willig seyn, des Herrn Klopstocks prosaische[1] Schreibart für ein Muster von klaßischer[3/5] Vollkommenheit zu erkennen.
[5]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 77
: Von den Altvordern der Nation[1] lernte er [sc. Dante] das eigenste und sonderbarste, das heiligste und das süßeste der neuen[3] gemeinen Mundart zu classischer[3] Würde und Kraft zusammenzudrängen, und so die provenzalische Kunst der Reime zu veredeln [...]. ➢ Volltext
[6]
L. Tieck, W. Lovell II (1796), 7
: Ach, wohl dem Manne, dem das Elend eine Wallisische Mundart spricht, und der nicht sitzet, wo die Spötter sitzen, noch wandelt den Weg der Gottlosen, den ich jetzt alle Tage mit meinem Herrn gehn muß. ➢ Volltext
[7]
Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 327
: Alle westliche Europäischen Sprachen[3], die aus einer Vermischung des Lateins mit den Sprachen[3], der von den Römern unterjochten, oder später von Osten her eingewanderten Völker[1] entstanden waren, wurden im Mittelalter Roman[i]sche[1] genannt; insbesondre aber bezeichnete man mit diesem Namen das Provenzalische Idiom – ein verdorbnes und verstümmeltes Latein, in welchem die ersten dichterischen Versuche der neuern[3] Zeit[3] gemacht wurden, so wie noch jetzt ein in gewissen Gegenden Graubündens übliches Afterlatein die Romanische[8] Mundart benannt wird..
[8]
Brockhaus, Conv.-Lex. VII (1809), 290
: Der Dialect[1] (a. d. Griech.) heißt die Mundart, die Aussprache der Wörter[1] nach Verschiedenheit der Nationen[1]..
[9]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. II (1838), 437
: Idiōm (ein dem Griechischen entlehntes Wort) bezeichnet so viel wie Sprachweise oder Mundart, und Idiotismus die einer Sprache[3] oder einem Dialekt[1] derselben eigenthümliche Ausdrucksweise. Ein Wörterbuch, welches die gewissen Dialekten[1] eigenthümlichen Worte und Redewendungen zusammenstellt, ist ein Idiotikon genannt worden..
[10]
Goethe, Dicht. u. Wahrh. II (1812), WA I, 27, 58
: Ich war [...] in dem oberdeutschen Dialekt[1] geboren und erzogen, und obgleich mein Vater sich stets einer gewissen Reinheit der Sprache[4] befliß und uns Kinder auf das, was man wirklich Mängel jenes Idioms nennen kann, von Jugend an aufmerksam gemacht und zu einem besseren Sprechen vorbereitet hatte, so blieben mir doch gar manche tiefer liegende Eigenheiten, die ich, weil sie mir ihrer Naivetät wegen 〈58〉 gefielen, mit Behagen hervorhob, und mir dadurch von meinen neuen Mitbürgern jedesmal einen strengen Verweis zuzog. Der Oberdeutsche nämlich, und vielleicht vorzüglich derjenige, welcher dem Rhein und Main anwohnt, (denn große Flüsse haben, wie das Meeresufer, immer etwas Belebendes) drückt sich viel in Gleichnissen und Anspielungen aus, und bei einer inneren menschenverständigen Tüchtigkeit bedient er sich sprüchwörtlicher Redensarten. In beiden Fällen ist er öfters derb, doch, wenn man auf den Zweck des Ausdruckes sieht, immer gehörig; nur mag freilich manchmal etwas mit unterlaufen, was gegen ein zarteres Ohr[4] sich anstößig erweis't. | Jede Provinz liebt ihren Dialekt[1]: denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Athem schöpft. Mit welchem Eigensinn aber die Meißnische Mundart die übrigen zu beherrschen, ja eine Zeit lang auszuschließen gewußt hat, ist jedermann bekannt. Wir haben viele Jahre unter diesem pedantischen Regimente gelitten, und nur durch vielfachen Widerstreit haben sich die sämmtlichen Provinzen in ihre alten Rechte wieder eingesetzt..
[11]
Goethe, Serb. Lied. (1825), 51
: Die serbische Mundart ist also eine Unterabtheilung des südslavischen Dialekts[1], sie lebt noch in dem Munde von fünf Millionen Menschen und darf unter allen südslavischen für die kräftigste geachtet werden..
[12]
Goethe, Reg. f. Schausp. (*1803; 1832), WA I, 40, 139
: Wenn mitten in einer tragischen Rede sich ein Provincialismus eindrängt, so wird die schönste Dichtung verunstaltet und das Gehör des Zuschauers beleidigt. Daher ist das Erste und Nothwendigste für den sich bildenden Schauspieler, daß er sich von allen Fehlern des Dialekts[1] befreie und eine vollständige reine Aussprache zu erlangen suche. Kein Provincialismus taugt auf die Bühne! Dort herrsche nur die reine deutsche Mundart, wie sie durch Geschmack, Kunst und Wissenschaft ausgebildet und verfeinert worden..
[13]
v. d. Hagen, Vorr. Lit. Grdriß (1812), XIII f. (XIV)
: Sonst dünkte uns für unseren Zweck nur Folgendes erforderlich: der Titel, der Verfasser, die Mundart, die Veranlassung, die Zeit, die Form, der Umfang; die Handschriften und Drucke (seien es auch nur Bruchstücke oder Stellen), ihre Beschaffenheit und Material, Blätter- oder Seitenzahl, ForXIVmat, Zeit und Ort, Schreiber oder Drucker und Verleger, und jetziger Besitzer; darunter auch Nachricht von verlorenen Exemplaren. Im Allgemeinen ist dabei zu bemerken, daß, wo etwas hievon nicht angegeben, es unbekannt ist: nur in Ansehung der Zeit ist alsdann jedoch das zwölfte und dreizehnte Jahrhundert, in Ansehung der Mundart die Oberdeutsche, und in Ansehung der Form der kurze gepaarte Reim zu verstehen. .
[14]
Hase, Cours Villois. (1803), 149
: Sobald man sich historisch das Daseyn einer Sprache[3] erklären will, die, wie das Neugriechische, größtentheils nur durch die Beziehungen und Annäherungen ein Interesse gewinnt, die zwischen ihr und einer untergegangenen, vollendeteren Mundart statt finden, so ist ein Gelehrter, der die Literatur der älteren Sprache[3] und die Geschichte ihrer Umbildung völlig kennt, oft bei Erlernung des neueren Dialekts[1] einem Eingebohrnen vorzuziehen, der zwar diesen als Muttersprache spricht und schreibt, aber vielleicht weder über seine Entstehung Auskunft zu geben, noch die Kenntniß desselben für Sprachstudium überhaupt zu benutzen versteht. .
[15]
Heinzelmann, Grds. d. Wortf. (1798), 143 f. (144)
: Ob es [...] 〈144〉 gleich keine eigentliche Muttersprache[2] in den jetzt noch übrigen Sprachen[3] giebt, so scheint mirs doch, daß unsere teutsche Sprache[3], und besonders die niederteutsche Mundart derselben, vorzüglich als Mutter der lateinischen und griechischen könne betrachtet, und zur Erklärung und Auflösung der Wörter[1] in denselben am geschicktesten sey. Denn sie ist erstlich der ältesten[1] allgemeinen Sprache[3] von Europa, die man nachher die celtische nannte, welche ich für die Urquelle aller übrigen halte, am ähnlichsten geblieben. Zweitens sind ihre Wörter[1] nicht so in einander geschmolzen und verbunden; auch ist der Ton[2] von der Hauptsylbe nicht abgewichen; kurz sie ist natürlicher[4] und ihrer Mutter getreuer geblieben, z. B. [...] fenestra, fr. fenetre von fente Oeffnung oder offen, d. i. auf uf 'fgewendet, 'f'wendet, und von Thür [...]. Hier ist in fenetre zur Milderung der Aussprache, um das Zusammenstoßen zweier Mitlauter zu vermeiden, ein e zwischen geschoben, und der Ton[2] von der Hauptsylbe auf dies e hinüber gezogen..
[16]
Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 188
: So wenig als es zween Menschen[1] ganz von einerlei Gestalt und Gesichtszügen: so wenig kann es zwo Sprachen[3], auch nur der Aussprache nach, im Munde zweener Menschen[1] geben, die doch nur Eine Sprache[3] wären. | Jedes Geschlecht wird in seine Sprache[3] Haus und Familienton bringen: das wird, der Aussprache nach, verschiedne Mundart. | Clima[1], Luft und Wasser, Speise und Trank, werden auf die Sprachwerkzeuge und natürlich[4] auch auf die Sprache[3] einfließen. | Die Sitte der Gesellschaft und die mächtige Göttin der Gewohnheit werden bald nach Geberden und Anstand diese Eigenheiten und jene Verschiedenheiten einführen – ein Dialekt[1]. – – „Ein philosophischer Versuch über die verwandten Spracharten der Morgenländer“ wäre der angenehmste Beweis dieser Sätze. ➢ Volltext.
[17]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 163
: Dialekt[1], Mundart. Die besondere Weise im Ausdrucke, die eine Sprache[3] in verschiedenen Gegenden leidet und wodurch sich die Bewohner derselben scharf charakterisiren..
[18]
A. Müller, Beredsamk. (
!1812; 1816), 152 ff. (154)
: Ich habe mich seit vielen Jahren um die deutsche[2] Aussprache bekümmert, aber noch heut weiß ich keinen Ort in Deutschland anzugeben, wo die Sprache[3] gut gesprochen würde oder nur besser als anderswo. Ich habe wohl Personen angetroffen, von denen in Schwaben, in Franken, in Sachsen, an der Mündung der Elbe wie in Österreich gesagt werden würde: sie sprechen gut. Aber kein Ort hat dieß Privilegium für sich. Die Örter sind, was die Sprache[7] angeht, gleich gut: sie müssen ächt republikanisch alle gelten, sie müssen alle ihre Stimme[6; 8] hergeben, wenn ein guter deutscher[2] Sprecher werden soll, – und so habe ich auch immer gefunden, daß die, welche gut sprachen, an recht verschiedenartigen Stellen von Deutschland gelebt und gesprochen hatten. Sie hatten unter der Rauhigkeit der Gebirgstöne, und 〈153〉 unter den weichen, platten Klängen, die das deutsche[2] Niederland spricht, in Städten und auf dem Lande, an den südwestlichen Grenzen, wo die romanischen[1] Sprachen[3], und an den nordöstlichen, wo die slavischen Sprachen[3] Deutschland berühren – kurz, sie hatten aus den verschiedenartigsten Dialekten[1] sich das eigentlich Deutsche[2] herausgehört, herausgefühlt. | Wenn nun, was sie herausgehört hätten, niedergeschrieben würde, so wäre es freilich für heute und morgen das beste Deutsch[2] [...]. Aber auch für die Folge der Jahre? – Gewiß nicht. Ein Wörterbuch, aus lauter solchen guten und lebendigen Sprechern abgezogen, kann keine gesetzgebende Kraft erlangen in einem Volke[1], das innerlich frei ist. Besser ist es, daß solche gebildete Sprache[3] wieder zurückströmt in die Dialekte[1], sich wieder unaufhörlich erfrischt in dem Bade der Natur[19], daß, was Mühe, Fleiß und Geschick erreicht haben, sich immer wieder anschließe an jene alte Naturstimme der Gebirge und Thäler; daß dieses ächte und lebendige Hochdeutsch sich beständig wieder nicht auf unedle Weise vermische, aber – vermähle mit den Dialekten[1]. Also kein Wörterbuch, auch keine Hauptstadt, die nur den Wahn nähren kann, als gebe es in Sprachangelegenheiten einen privilegirten Ort, keine Akademie, deren ganze Kunst doch nur im 〈154〉 Waschen, Feilen, Absondern der Sprache[3], in der Verordnung einer strengen Diät für dieselbe, im Bewirken einer künstlichen Magerkeit bestehen würde – kann helfen. Es muß gesprochen werden, man muß reisen für die Sprache[3], man muß ihre Dialekte[1] hören lernen, aus der österreichischen, schweizerischen, fränkischen, niedersächsischen Mundart das Deutsche[2] herausfühlen lernen: Die größten Autoren und Sprecher der deutschen[2] Sprache[3], Göthe, Schiller, Herder, Johann Müller, Gentz u. s. w., verdanken einen großen Theil ihrer Sprachkraft dem Umstande, daß sie umhergelebt haben in Deutschland oder aus dem Norden in den Süden, aus dem Westen in den Osten des Landes verpflanzt worden sind. – Wie müßte grade unsre Sprache[3] mit ihrem Reichthum, mit allen tausendfältigen Sitten und Lebensweisen, die sie jetzt einzeln ausdrückt, ergötzen können, wenn sie nur zwanzig Jahre hindurch ordentlich ineinander gesprochen wäre; wenn die naive Roheit der Naturtöne und Dialekte[1] nicht weiter getrennt wäre von der gebildeten Flachheit der hochdeutschen Buchsprache und nun durch jede Reihe von Tönen in dieser so veredelten dritten, mittleren Sprache[3] Deutschland hindurchklänge, während es doch nur immer Paris ist, das unaufhörlich in Eine Hauptstadt zusammenstrebende Frankreich, welches man durch die französische Sprache[3] hindurchhört..
[19]
Mundt, Dt. Prosa (1837), 244
: Ein durchgreifendes und gewaltsames Bemühen, die Einheit des neuhochdeutschen Dialekts[1] durch landschaftliche Mannigfaltigkeit wieder zu unterbrechen, wie Einige den Plan gehabt, muß [...] als widersinnig erscheinen, nachdem durch und seit Luther die neuhochdeutsche Combination der Mundarten die übrigbleibenden Bestandtheile der deutschen Dialekte[1] gewissermaßen von dem mitlebenden Antheil 〈245〉 an der Nationalcultur ausschloß, und sie in das Einzelleben der Gaue nach Willkür zerstieben ließ. .
[20]
Sachse, Dt. Gilblas (1822), 12
: Waren wir fleißig gewesen, so bekamen wir dafür täglich einen Weispfennig, oder neun Pfennige, zum Lohn, welchen wir, bey manchmal sehr spärlicher Kost, uns zu Spielgelde sparten, das wir Sonntags mit den Jungen der Nachbarschaft verthaten, denen unser thüringischer ländlicher Dialekt[1] ebenso komisch als uns ihre platteutsche Mundart klang, welche wir unter ihnen bald verstehen lernten..
[21]
A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 279
: „Wenn ich den Lodovico Ariosto antreffe,“ sagt der Pfarrer, „und er redet nicht seine Landessprache, so werde ich nicht die mindeste Achtung gegen ihn behalten, redet er aber seine eigenthümliche Mundart, so sey ihm alle Hochachtung;“ und hernach: „wir hätten es gern dem Herrn Capitän erlassen, ihn ins Spanische zu übersetzen und zum Castilianer zu machen.“ Wenn Ariost nicht einmal in eine so verwandte Mundart übertragen werden konnte, ohne „seine eigentliche Trefflichkeit einzubüßen“: in welcher Sprache[3] dürfte man denn ein besseres Gelingen hoffen? ➢ Volltext.
[22]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 10
: Übrigens sind in [...] Europa die sämtlichen Sprachen[3] entweder rein Deutsche Mundarten, oder aus der Vermischung des Deutschen mit dem in den Provinzen vorgefundnen 〈11〉 Lateinischen entstanden. Nimmt man nun noch die nahe Verwandtschaft des Deutschen mit dem Lateinischen und Griechischen hinzu, die keinem Sprachforscher zweifelhaft seyn kann: so erscheinen die verschiednen Sprachen[3] Europa's fast nur als Dialecte[1] einer einzigen, welche in zwey Hauptclassen zerfallen, wovon in der einen der größte Theil der Masse Lateinisch, in der andern Deutsch ist; denn auch in den für rein geltenden ist die vornämlich durch die Geistlichen als die ersten Lehrer des Volkes[5] bewirkte Einmischung des Lateinischen weit beträchtlicher, als man meistens geneigt ist, sichs vorzustellen. Überdieß war das Lateinische allgemeines Organ[1] der Mittheilung, und zwar nicht, wie man gewöhnlich annimmt, als gelehrte und todte, sondern als eine lebende und sich fortbildende Sprache[3]..
[23]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 36
: Was die Mundart der Minnesinger betrifft, so sollte man sie wohl nicht so geradehin die Schwäbische nennen, viele lebten zwar in Schwaben und der heutigen Schweiz, andre in Österreich und andern Theilen Deutschlands, wir haben auch noch viele Stücke im Thüringischen Dialekt[1]; es war eben das damalige Oberdeutsch überhaupt, worin sie sangen, was dann nach der Aussprache jeder Provinz umgemodelt ward..
[24]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 338
: Die schriftlichen Denkmäler lehren uns, daß alle diese Sprachen[3] auf dem Übergange vom Latein ein sehr mißfälliger harter formloser Jargon waren, und das sind sie Jahrhunderte lang geblieben. Die ritterliche Galanterie und die damit verknüpfte Poesie[1] des Mittelalters hat unstreitig den größten Antheil an der Verfeinerung der romanischen[1] Dialekte[1]. [...] Haben demnach diese Sprachen[3] gleich vor dem Lateinischen, ihrer Stammsprache, bedeutende Vorzüge: so ist auf der andern Seite nicht zu läugnen, daß ein gewisser Makel der Corruption an ihnen haftet. Sehr spät haben sich daher auch die Gelehrten dieser Länder gewöhnt, sie anders als ein ausgeartetes Latein, als Mundarten des ungelehrten Haufens (lingua volgare) zu betrachten. Unläugbar ist es, daß vieles daher entstanden, daß die Germanischen Eroberer wohl die Lateinischen Wörter[1], aber nicht die gehörige Art sie zu biegen, erlernen konnten. Man kann daher diese Sprachen[3] sämtlich aufs kürzeste so charakterisiren, daß man sagt: die Materie (die Hauptmasse der Wörter[1]) ist lateinisch, die Form Deutsch[5]..
[25]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 13
: Das ganze Spiel lebendiger Bewegung beruht auf Einstimmung und Gegensatz. Warum sollte sich diese Erscheinung nicht auch in der Geschichte[1] der Menschheit[2] im großen wiederhohlen? Vielleicht wäre mit diesem Gedanken der wahre Schlüssel zur alten[10] und neuen[5] Geschichte[1] der Poesie[11] und der schönen[2] Künste[1] gefunden. Die, welche dieß annahmen, haben für den eigenthümlichen Geist[12] der modernen[1] Kunst[2], im Gegensatz mit der antiken[2] oder classischen[7/5], den Namen romantisch[12/4] erfunden. Allerdings nicht unpassend: das Wort[1] kommt her von romance, der Benennung der Volkssprachen, welche sich durch die Vermischung des Lateinischen mit den Mundarten des Altdeutschen gebildet hatten, gerade wie die neuere[5] Bildung[5] aus den fremdartigen Bestandtheilen der nordischen Stammesart und der Bruchstücke des Alterthums[3] zusammengeschmolzen ist, da hingegen die Bildung[5] der Alten[10] weit mehr aus einem Stücke war. ➢ Volltext.
[26]
A. W. Schlegel, Gesch. Dt. Spr. (
!1818–19), 10.6 f. (10.7)
: Ulfil.as bleibt der Grundtext für alle etymo〈10.7〉logischen Untersuchungen über die verschiednen Mundarten des Deutschen[5] nicht nur, sondern auch den Nichtlateinischen Theil der Romanischen[1] Sprachen[3]. ➢ Volltext.
[27]
F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 33
: Nehmen wir vollends die Grammatik der ältern[1] Mundarten hinzu, des Gothischen und Angelsächsischen für den Deutschen[6], des Isländischen für den skandinavischen Zweig unsrer Sprache[5]; so finden wir nicht nur ein Perfectum mit einem Augment, wie im Griechischen[5] und Indischen, einen Dualis, genauere Geschlechts- und Verhältnißbestimmungen der Participien und der Declination, die jetzt verlohren, sondern auch viele andre Flexionen, die jetzt schon etwas abgestumpft und weniger kenntlich sind; die dritte 〈34〉 Person im Singularis und Pluralis der Zeitworte zum Beispiel, zeigen sich wieder vollständig und in vollkommner Uebereinstimmung. Es kann mit einem Worte[2] bei der Betrachtung dieser alten[1] Denkmahle der germanischen Sprache[5] nicht der mindeste Zweifel übrig bleiben, daß sie ehedem eine ganz ähnliche grammatische Structur hatte, wie das Griechische[5] und Römische. ➢ Volltext.
[28]
F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 34
: Noch jetzt sind sehr viele Spuren dieser ältern[1] Sprachform im Deutschen[5], im eigentlichen Deutschen[2] mehr, als im Englischen und in den skandinavischen Mundarten übrig; wenn aber im Ganzen hier das Princip der neuern[3] Grammatik, die Conjugation vorzüglich durch Hülfsverba, die Declination durch Präpositionen zu bilden, herrschend ist, so darf uns dieß um so weniger irre machen, da auch die sämmtlichen aus dem Lateinischen abstammenden romanischen[1] Sprachen[3], wie nicht minder alle hindostanische Mundarten, wie sie jetzt noch gesprochen werden, die sich zum Sanskrit etwa eben so verhalten, wie jene zum Lateinischen, eine ähnliche Veränderung erlitten haben. ➢ Volltext.
[29]
F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 53 f. (54)
: Auf der östlichen Halbinsel Indiens zählt Symes sechs verschiedne Sprachen[3], wovon mehre selbst in den Zahlworten, diesem so wichtigen Grundbestandtheile, ganz verschieden sind; die Burma〈54〉sprache, die wieder in vier Mundarten zerfällt, wovon die hauptsächlichste die von Ava ist, schließt sich durch ihre Einsylbigkeit an das Chinesische an; verwandt mit dieser ist die Sprache[3] Koloun zwischen Bengalen, Arakan und Burma, so wie einige Dialekte[1] in Pegu; die Pegu-Sprache selbst ist aber nach Symes noch ganz verschieden, so wie die im Lande Meckley, südlich von Asam, und die Sprache[3] in Siam, von der die der südlichen Cingalesen abgeleitet seyn soll. ➢ Volltext.
[30]
F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 56
: Der Gang der bloß grammatischen Kunst[13] und Ausbildung ist in den beiden Hauptgattungen grade umgekehrt. Die Sprache[3] durch Affixa ist im Anfang ganz kunstlos, wird aber immer künstlicher[1], je mehr die Affixa mit dem Hauptwort zusammenschmelzen; in den Sprachen[3] durch Flexion hingegen geht die Schönheit[1] und Kunst[13] der Structur, durch den Hang sichs zu erleichtern, allmählig mehr und mehr verlohren, wie wir es sehen, wenn wir manche deutsche[5], romanische[1] und jetzige indische Mundarten mit der ältern[1] Form, aus der sie abstammen, vergleichen. ➢ Volltext.
[31]
F. Schlegel, Gedanken (*1808–09), KFSA 19, 290 f., Nr. 212
: Die Sprache[3] d[er] Burgländischen Deutschen oder Sachsen 〈in der Haromßecker Gespannschaft〉 weicht von d.[er] Mundart der Geisacher Kolonie sowohl als d[er] Leistritzer sehr ab. Die Sprache[3] der Sachsen im 〈291〉 Leistritzer District in d[er] Thorenburger Gespannschaft ist von d[er] Mundart der Andreanischen Nation[1] sehr verschieden, noch mehr aber der Einwohner von Regen, Zöpling, Botsch pp Viele Wörter[1] sind rein Deutsch, die meisten aber einem Hermanstädter ganz unbekannt..
[32]
Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 169
: [I]ch behaupte, so lange bis ich des Gegentheils durch überwiegende Gründe überzeugt werde, a) daß die Hochteutsche Schrift-Sprache oder die Frage, was ist Hochteutsch? sich nicht durch die Mundart irgend einer blühenden Provinz, sondern ganz allein aus den Werken der besten Schriftsteller bestimmen lasse; b) daß hiervon auch die Schriftsteller des 16ten und 17ten Jahrhunderts nicht ausgeschlossen werden dürfen; c) daß die Zeit noch nicht gekommen sey, wo die Anzahl der 〈170〉 Autoren, welche den ganzen Reichthum unsrer Schrift-Sprache enthalten, für beschlossen angenommen werden könnte: und daß d) bis dahin die ältern Dialekte[1] noch immer als gemeines Gut und Eigenthum der ächten teutschen Sprache[3], und als eine Art von Fundgruben anzusehen seyen, aus welchen man den Bedürfnissen der allgemeinen Schriftsprache, in Fällen, wo es vonnöthen ist, zu Hülfe kommen könne. ➢ Volltext.