[1]
Arndt, Erinn. (1840), 272
: Fürsten, Adel[2] und Volk waren durch eine Art trauriges Lehnwesen zerspaltet und konnten keine gemeinsame Kraft bilden.
[2]
Arndt, Erinn. (1840), 299
: Ein armer Adel[2] löscht bei dem Volke 〈300〉 die Idee des ganzen Standes aus. Er hat durch seine Geburt Ansprüche, die er ohne Vermögen schwerlich erfüllen kann. Er muß also dienstbar, glücksuchend, ja oft glückjagend sein wie Menschen[1] aus den untersten Klassen[2] [...].
[3]
Goethe, an E. Th. Langer (27. 10. 1773), WA IV, 2, 115
: Meine Gesundheit nahm, seitdem Sie mich verließen, immer zu, aber weil sie mir doch nicht erlauben wollte, im bürgerlichen Leben meine Rolle zu spielen [...], so habe ich dem Trieb der Wissenschafften und Künste[2] gefolgt, und nicht ehe geruht, biss ich glaubte, mich darstellen zu dürfen. Ich habe [sc. mit dem Götz von Berlichingen] sogleich
an die Herzen des Volks angefragt, ohne erst am Stapel der Kritik[8] anzufahren.
[4]
Goethe, Ged. (*1790; 1795), WA I, 1, 321
: Lange haben die Großen der Franzen Sprache[3] gesprochen, | Halb nur geachtet den Mann, dem sie vom Munde nicht floß. | Nun lallt alles Volk entzückt die Sprache[3] der Franken. | Zürnet, Mächtige, nicht! Was ihr verlangtet, geschieht.
[5]
Goethe, Ital. Reise I (1816), WA I, 30, 49
: Als ich ihm nun die genaueste Auskunft fast über alles gegeben, um was er mich befragt, wechselten Heiterkeit[4] und Ernst in den Zügen des Mannes. Er war froh und gerührt, das Volk erheiterte sich immer mehr und konnte unserm Zwiegespräch zuzuhören nicht satt werden, wovon er freilich einen Theil erst in ihren Dialect[1] übersetzen mußte.
[6]
Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 121
: Die Reformation war in Holland durchgedrungen; die Holländer hatten sich zu Protestanten gemacht, und die spanische Kirchen- und Königs-Despotie überwunden. Und zwar finden wir hier nach Seiten des politischen Verhältnisses weder einen vornehmen Adel[2], der seinen Fürsten und Tyrannen verjagt oder ihm Gesetze vorschreibt, noch ein ackerbauendes Volk[5], gedrückte Bauern, die losschlagen wie die Schweizer, sondern bei weitem der größere Theil, ohnehin der Tapferen zu Land und der kühnsten Seehelden, bestand aus Städtebewohnern, gewerbfleißigen, wohthabenden Bürgern [...]. ➢ Volltext
[7]
Herder, Engl. u. dt. Dichtk. (1777), 429
: Wer sich nun noch ums rohe Volk
bekümmern wollte, um ihre Grundsuppe von Mährchen, Vorurtheilen, Liedern, rauher Sprache: welch ein Barbar wäre er! Er käme, unsre klassische, sylbenzählende Literatur zu beschmizen, wie eine Nachteule unter die schönen, buntgekleideten, singenden Gefieder! – | Und doch bleibts immer und ewig, daß der Theil von Litteratur, der sich aufs Volk
beziehet, volksmäßig seyn muß, oder er ist klassische Luftblase. Doch bleibts immer und ewig, daß wenn wir kein Volk
haben, wir kein Publikum, keine Nazion, keine Sprache und Dichtkunst haben, die unser sey, die in uns lebe und wirke. Da schreiben wir denn nun ewig für Stubengelehrte und ekle Rezensenten, aus deren Munde und Magen wirs denn zurück empfangen, machen Romanzen, Oden, Heldengedichte, Kirchen- und Küchenlieder, wie sie niemand versteht, niemand will, niemand fühlet. Unsre klassische Literatur ist Paradiesvogel, so bunt, so artig, ganz Flug, ganz Höhe und – ohne Fuß auf die deutsche Erde.
[8]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 128
: Wir bemerken ja selbst in Europa, daß das niedrige Volk, während ganzer Jahrhunderte, nur sehr langsame Fortschritte in der Civilisation macht.
[9]
Kant, Crit. rein. Vern. (
21787), XXXIII f. (XXXIV)
: Gleichwol ist [...] für einen 〈XXXIV〉 [...] Anspruch des speculativen Philosophen gesorgt. Er bleibt immer ausschließlich Depositär, einer dem Publicum[1], ohne dessen Wissen, nützlichen Wissenschaft, nemlich der Critik[1] der Vernunft[1]; denn die kann niemals populär werden, hat aber auch nicht nöthig, es zu seyn; weil, so wenig dem Volke die feingesponnenen Argumente für nützliche Wahrheiten in den Kopf wollen, eben so wenig kommen ihm auch die eben so subtilen Einwürfe dagegen jemals in den Sinn[11]; dagegen, weil die Schule, so wie jeder sich zur Speculation erhebende Mensch, unvermeidlich in beide geräth, jene dazu verbunden ist, durch gründliche Untersuchung der Rechte der speculativen Vernunft[1] einmal für allemal dem Scandal vorzubeugen, das über kurz oder lang selbst dem Volke aus den Streitigkeiten aufstoßen muß, in welche sich Metaphysiker [...] ohne Critik[1] unausbleiblich verwickeln, und die selbst nachher ihre Lehren verfälschen.
[10]
Knigge, Umgang (
31790), 267
: Auch mische man sich, wenn es uns ein Ernst ist, unsre Menschen- und Länderkenntnis zu erweitern, unter Personen von allerlei 〈268〉 Ständen. Die Leute von gutem Tone sehen einander in allen europäischen Staaten und Residenzen ähnlich, aber das eigentliche Volk, oder noch mehr der Mittelstand trägt das Gepräge der Sitten des Landes. Nach ihnen muß man den Grad der Kultur[4] und Aufklärung beurteilen.
[11]
S. v. Knorring, Evremont II (1836), 77
: Es waren [...] die Gefängnisse in Frankreich nicht allein mit Verbrechern angefüllt. Im Volke war nach langer Unterdrückung der unbändige Trieb nach Freiheit[6] erwacht, dieser wurde oft mißleitet und die edelsten Opfer bluteten dem neuen Götzen.
[12]
Kolbe, Wortmeng. (1809), 108
: Kränkeln wir, in selbstsüchtigem Dünkel noch immer an dem Wahn, daß wir, eine winzige Anzahl Gebildeter, die Gesamtheit vertreten oder gar einzig das Volk[1] sind? Den Kern der Nation[1], den kräftigsten, besten Teil derselben, bilden vielmehr jene Klassen[2], die wir abschäzig das Volk[5] nennen, sie, die von fremdem[1] Einflus unverdorben, den Urcharakter des Deutschen allein noch festgehalten haben; sie, auf deren Sin[9] und Manheit allein noch die Hofnung einer besseren Zukunft sich gründet.
[13]
L. Tieck, V. Accoromb. (1840), W 4, 683
: Diese Bianca, diese Abenteuerin, beherrscht ihn [sc. den Großherzog] so unbedingt, daß Volk, Adel[2], alles leidet.
[14]
K. A. Varnhagen von Ense, Denkw. II (1837–42), 386
: Woher dieser Sturm [sc. die judenfeindlichen Hep-Hep-Krawalle von 1819] eigentlich gekommen, wie seine plötzliche, Deutschlands äußerste Grenzen schnell erreichende Ausbreitung hat erfolgen können, ist ein unaufgelöstes Rätsel geblieben. Unsere Gelehrten waren zwar gleich zur Hand und leiteten das Wort[1] Hep aus den Zeiten der Kreuzfahrer her, die sich wie mit dem Kreuz auch mit den Buchstaben[1] H. e. p., das heißt: Hierosolyma est perdita, bezeichnet haben sollen. In welchen geheimen Vorratskammern aber diese zum Wort[1] gestalteten Buchstaben[1] aus dem Mittelalter sich frisch erhalten und plötzlich im untersten Volke wieder aufleben konnten, das haben sie unerklärt gelassen.
[15]
Adelung, Gesch. Cultur (1782), 370
: Nach dem Normandischen Hause bestieg das Haus Anjou oder Plantagenet den Thron, welches denselben bis 1485 bekleidete. Unter demselben kamen zwar Irland und Wales an das Reich, aber da sich die Gewalt der königlichen Würde mit der Gewalt der mächtigen Vasallen und des Volks immer durchkreutzte, so ward das Reich, außer den Kriegen mit Frankreich, immer von innern Unruhen zerrüttet, bis der Adel[2] 1215 seinen großen Freyheitsbrief erzwang, und 1265 das Unterhaus zur Behauptung der Gerechtsamen des Volkes förmlich eingerichtet wurde. ➢ Volltext.
[16]
B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 283
: Ich hab zwar gar keine Neigung daß etwas vorgehen soll, aber doch wie lezt in der Blaufärberei am Kanal Feuer ausbrach, machte mir das ein unendliches Vergnügen; damit stimmte das Volk mit seinem Schauspielertalent überein. – Eine Verzweiflungs- und Jammergeschrei-Comödie, gewürzt mit den ausgelassensten Scherzen; das ganze war unwiderstehlich, ich bedauerte daß es nicht schicklich war mitzuspielen, sondern nur zuzuhören. [...] Der Blaufärber hatte die großmüthigste Gleichgültigkeit bei diesem Veraschen seiner Einbläuung, und es kamen die närrischsten Witze[4] vor bei der Judenspritze, bei welcher der Blaufärber selber stand und sie fortwährend dirigirte gegen die zwei uralte Linden in seinem Hof, die sein Ururgroßvater, der auch Blaufärber war, gepflanzt hatte, unter denen der Färber seine Hochzeit gehalten. – Wenn ihr mir die erhaltet, sagte er zu den Juden[1], so schenk ich euch zwanzig Thaler. – Nun wurden die Juden[1] so feurig, lauter arme Lumpen! – Es gab ein Gezänk mit der Polizei, sie wollte auf die unnützen Linden kein Wasser verwendet haben, die Juden[1] schrieen mörderlich, als man ihnen den Schlauch entriß, nach dem Blau〈284〉färber; der kam herbei und mußte ihn wieder erobern. „Was solle die alte Bääm[“], sagt der Herr Bolezei! – Wie, Herr Polizei! – Sie schmähen die alten[1] Linden, das Wahrzeichen von Offenbach? – Ei do könnt ganz Offebach abbrenne und die Wahrzeiche bliebe alleen stehe. Die könnten doch das Maul nicht ufthun und erzähle daß Offebach da gestane hat. ➢ Volltext.
[17]
Aurbacher, Volksbüchl. I (1827), 194
: Und wahrlich [...] in den Schriften jener Männer aus dem 16. und 17. Jahrhundert, zumal auch in den ihrem Lehrvortrage eingestreuten Historien und Fabeln herrscht eine Frische und eine Jugend, die, wie die Lineamente und Farben auf altdeutschen Gemälden, keine Zeit verwischen kann, während so viele neuere Erzählungen der Art beim Volke keine Aufnahme finden, oder doch bald wieder in Vergessenheit kommen. [...] Ueberhaupt standen die Männer, denen die Volksbildung anvertraut war, und von denen auch wol jene tiefsinnigen und doch einfach lautenden Sprüche und Historien erfunden und verbreitet worden sind, dem Volke ungleich näher, als die heutigen Schul- und Kanzelleute; ja sie gehörten selbst zum Volke, und verkündeten in der einfältigen Weise des gemeinen Mannes die hohen Gedanken ihres Witzes[3]..
[18]
C. Böhmer, an Ch. Michaelis (1789), C 1, 193 f. (194)
: Meine Stube 〈194〉 duftet von gewürzreichen Nelken, mit denen mich meine Anbeter aus den niedern Claßen[2] versorgen – keine Grafen und Herren – das Volk muß mir auch dienen, die Tischwirthe, Apotheker und Holzhauer beschenken meine Holdheit. Ich habe einen Lorbeerstrauch, den ich für einen Dichter groß ziehe, sag das Schlegeln – und ein himlisches Reseda Sträuchelchen – eine Errinrung – sag das Tattern – die Nelken sind meine Lieblingsblumen. Hab ich mich nicht ganz in den Ton[3] der Roche geworfen?.
[19]
C. Böhmer, an F. L. W. Meyer (11. 7. 1791), C 1, 225
: Ich wollte, Sie wären in Paris und könten mir sagen, wie es dort seit der verunglückten Flucht des Königs aussieht, welche Häupter das Volk[1/4/5?] leiten, das sich von Freyheit[6] begeistert dünkt, und ob sich die wüthenden Wellen verhaßter Uebertreibungen bald legen werden..
[20]
S. Boisserée, Denkm. Baukunst (1833), 21
: Peelen bedeutet [...] Pfähle, also Pfahlgraben, wovon man sich leicht aus der kölnischen Kronik überzeugen kann, welche [...] berichtet, dass 1465 der Rath den Rhein gegen Deutz zu peelen, das heisst, pfählen liess, um die von Geldern zu hindern, dass sie nicht vorbeifahren konnten. Nach der gegenwärtigen kölnischen Aussprache heisst freilich pfählen, poelen; aber wie veränderlich ein Dialekt[1] ist, der nicht mehr geschrieben wird, und blos im Munde des Volkes lebt, das weiss jeder Sachkundige..
[21]
Börne, Schild. Paris IX (1823), SS 2, 44
: Die Ultras nämlich suchen die romantische[12/14/8] Literatur aufzubringen und befördern hierdurch den Protestantismus der Wissenschaft und Kunst; die Liberalen hingegen suchen den alten[1] blinden Glauben an die klassische[7/8] Literatur in Achtung zu erhalten; denn beide politische Parteien kennen zwar ihr Ziel, aber nicht ihren Weg. Den Ultras gefällt die romantische[12/14/8] Literatur, weil sie glauben, die in romantischen[12/14/8] Dichtungen zuweilen vorkommenden Nebel, Gespenster, Kreuze und Jammer wären das Wesentliche dabei, und das alles sei dienlich, das Volk furchtsam, abergläubisch, verliebt und dumm zu machen. Aus denselben Gründen sind die Liberalen der romantischen[12/14/8] Literatur abgeneigt..
[22]
Börne, Aph. u. Misz. (1829), SS 2, 260
: Gewalttätigkeiten der Fürsten gegen Volk und Adel[2], Verschwörungen des Adels[2] gegen Fürst oder Volk, Volksbewegungen, Meutereien der Soldaten, Aufstände unter Zunftgenossen, Aufruhr der Studenten, waren in der alten Zeit eigentlich häufiger als 〈261〉 jetzt; da aber solche Unruhen immer nur ein Standesinteresse zum Grunde hatten, mochten sie, und da sie die übrigen vereinigten Stände gegen sich hatten, konnten sie sich nie über den ganzen Staat verbreiten..
[23]
Börne, Aph. u. Misz. (1829), SS 2, 329
: Der Adel[2] sieht sich als einen Obelisken an, dessen Spitze der Fürst und dessen Postament das Volk bildet.
.
[24]
Börne, Brf. Paris II (1832), 28 f. (29)
: Den Juden[1] in Frankfurt ist jetzt am wenigsten zu helfen, wenn sie klagen bei den großen Herren[1] der Bundesversamm〈29〉lung, oder bei den kleinen im Senate, weiß ich, was man ihnen sagt – es ist als wäre ich gegenwärtig. Oeffentlich wird man sie barsch abweisen, unter vier Augen aber wird man den Diplomaten, den Pfiffigen unter den Juden[1] sagen: „Lieben Leute, jetzt ist gar nicht die Zeit[8] an diese Sache zu rühren. In Deutschland ist ohnedies alles in Bewegung, das Volk ist aufgeregt, die allgemeine Stimmung gegen euch, so daß, wenn wir euch jetzt Freiheiten[8] bewilligten, dieses üble Folgen hätte, für die allgemeine Ruhe, und für euch selbst.“ Und unser jüdischer Adel[4] wird das sehr gut verstehen, und beifällig mit den Augen blinzeln, und beim Heruntergehen dem jüdischen Pöbel vor der Thüre zurufen: Packt euch zum Teufel, ihr seid dumm und unverschämt!.
[25]
Brentano, Godwi (1801), SWB 16, 449
: Sie [Freundschaft] ist bloße Verstärkung des Daseyns, und Verminderung des Selbstgefühls im allgemeinen Medium des Lebens; aus den Einzelnen macht sie eine Summe, stellt sie dem Mächtigen entgegen, und macht den Begriff Volk[4/5] allein ehrwürdig, im Gegensatze des Begriffes Herrscher, Weiser, Dichter..
[26]
Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 13
: Jeder Stand kann zur Erhaltung des Gleichgewichts zwischen dem andern dienen: es kommt darauf an, zwischen welchen Ständen das Gleichgewicht gestört worden; und die Fürsten haben sich in den mittlern Zeiten[3] hierzu des Volks wider die Anmaßungen des Adels[2] bedient..
[27]
Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 49
: Rings um die Arena herum waren die zur Aufbewahrung der Thiere[4] bestimmten Gewölbe; über diesen war die Gallerie; und von diesen an erhoben sich immer höher und weiter entfernt die Sitze, von denen die nähern vierzehn für die reichern Bürger, die obersten aber für das gemeine Volk bestimmt waren..
[28]
M. Forkel, Maria I (1784), 306
: Es befanden sich ein kleiner Knabe und zwey Mädchen von sechs und acht Jahren im Zimmer. Das älteste[3] Mädchen war schön[1], aber schon ganz eines von den Gesichtern, die stets bemüht zu seyn scheinen, es selbst zu sagen. Das jüngste war von den Pocken verdorben worden, hatte aber doch eine gute offne Miene. Ich bemerkte dieses letzte gegen die Mutter. | 〈307〉 „Ach! sprach sie, was thue ich mit der offnen Miene, da das Mädchen so häßlich[1] ist wie eine Fratze? Sie glauben gar nicht, was ich für Aerger von ihr habe. Keinen Augenblick kann sie auf einer Stelle sitzen. Ruckst du schon wieder auf deinem Stuhl, du garstiges Thier[7]! Du möchtest wohl gern den ganzen Tag auf der Straße liegen, wie die Bauernkinder, und du hättest doch gewiß nicht nöthig, den Leuten dein Fratzengesicht zu zeigen. Ehe ich michs versehe, entwischt das alberne Mensch[3] vor die Straßenthür, und spricht mit den gemeinen Kindern. Habe ich dir es nicht so oft verboten, du solltest dich nicht mit dem schlechten gemeinen Volk abgeben? [...]“.
[29]
Goethe, Aufger. (*1793; 1817), WA I, 18, 27
: Der Fürst ist unterrichtet, wie sehr das Volk bedruckt sei. Er hat sich über die Unbilligkeit des Adels[2], über die Langweiligkeit der Processe, über die Chicane der Gerichtshalter und Advocaten oft genug deutlich und stark erklärt, so daß man voraussetzen kann, er wird nicht zürnen, wenn man sich Recht verschafft, da er es selbst zu thun gehindert ist..
[30]
Goethe, Ital. Reise II (1817), WA I, 31, 263
: Ich kehre wieder zu dem geringen Volke in Neapel zurück. Man bemerkt bei ihnen, wie bei frohen Kindern, denen man etwas aufträgt, daß sie zwar ihr Geschäft verrichten, aber auch zugleich einen Scherz aus dem Geschäft machen. Durchgängig ist diese Classe von Menschen eines sehr lebhaften Geistes[19] und zeigt einen freien richtigen Blick. Ihre Sprache[3] soll figürlich, ihr Witz[4] sehr lebhaft und beißend sein..
[31]
Hegel, Landstände Württ. (1817), W 4, 576
: Es hat sich in den meisten Fällen großer politischer Bewegung gezeigt, daß Fürst und Volk eines Sinnes[10] und Willens gewesen sind, aber daß sich nur zu oft ein Mittelstand, wie in Frankreich der Adel[2] und die Geistlichkeit, so in Württemberg Jener und die bürgerliche Aristokratie der Schreiberei, statt das Band von beiden auszumachen, wie es seine Bestimmung ist, auf Privilegien und Monopole steifte und die Verwirklichung der Grundsätze des vernünftigen Rechts und allgemeinen Wohls hinderte, ja zunichte machte..
[32]
Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 225
: Das Band [...], dadurch alle römisch-katholische Länder unläugbar vereint wurden, die lateinische Mönchssprache, hatte auch manche Knoten. Nicht nur wurden die Muttersprachen der Völker[1], die Europa besassen, und mit ihnen die Völker[1] selbst in Roheit erhalten; sondern es kam unter andern auch hiedurch insonderheit das Volk[5] um seinen letzten Antheil an öffentlichen Verhandlungen, weil es kein Latein konnte. Mit der Landessprache ward jedesmal ein großer Theil des Nationalcharakters aus den Geschäften der Nation[1] verdrängt, wo〈226〉gegen sich mit der lateinischen Mönchssprache auch jener fromme Mönchsgeist einschlich, der zu gelegener Zeit[7] zu schmeicheln, zu erschleichen, wohl auch zu verfälschen wußte. Daß die Acten sämmtlicher Nationen[1] Europa's, ihre Gesetze, Schlüsse, Vermächtnisse, Kauf- und Lehninstrumente, endlich auch die Landesgeschichte so viele Jahrhunderte hindurch latein geschrieben wurden; dies konnte zwar der Geistlichkeit, als dem gelehrten Stande sehr nützlich, den Nationen[1] selbst aber nicht anders als schädlich seyn. Nur durch die Cultur[3] der vaterländischen Sprache[3] kann sich ein Volk[1] aus der Barbarei heben; und Europa blieb auch deshalb so lange barbarisch, weil sich dem natürlichen[3] Organ[1] seiner Bewohner, fast ein Jahrtausend hin, eine fremde[5] Sprache[3] vordrang, ihnen selbst die Reste ihrer Denkmahle nahm und auf so lange Zeit[6] einen vaterländischen Codex der Gesetze, eine eigenthümliche Verfassung und Nationalgeschichte ihnen ganz unmöglich machte..
[33]
Herder, Bef. d. Hum. VII (1796), 15 ff. (17)
: Zuerst giebt ihr Fragment es selbst zu, daß auch vor der sogenannten Erwekkung der Alten[10] in jedem Fach große Männer, Denker und Dichter gelebt haben; und eben so wenig wird bezweifelt werden können, daß seit dieser Entdeckung große Männer gelebt und geschrieben haben, die von den Alten[10] wenig oder nichts wußten. Ich darf von den ersten nur Dante, von 〈16〉 den letzten nur Shakespeare anführen; wie viel andre möchten zu nennen seyn! Die größten Erfindungen sind in den Zeiten[3] gemacht, die wir barbarische, rohe Zeiten[3] nennen; vielleicht haben in ihnen auch die größesten Männer gelebet. Damals standen die Köpfe noch nicht so dicht an einander; jeder hatte zum eignen Denken freien[1] Raum; um sie war Dämmerung; desto munterer aber wirkten sie, und dorften in der Mittagssonne der Alten[10] eben noch nicht erblinden. Wie Ein Roger Baco vor hundert Commentatoren des Aristoteles gilt: so giebt es romantische[1] Gedichte der mittleren, selbst der neueren[9] Zeit[3], bei denen man den Geschmack der Alten[10] gern vergißt und in ihnen wie im Feenreich lustwandelt. Ich erinnere Sie an so manche Romane[1], die uns der Graf Treßan und seine Gehülfen gegeben, ja 〈17〉 seit Wiederauflebung der Wissenschaften an die größesten Lichter aller cultivirten Nationen[1]. Woher nahmen Ariost und die ihm vorgingen, woher Spenser, Shakespeare und zwar in seinen rührendsten Stücken Form und Inhalt? Nicht aus den Alten[10], sondern aus der Denkart des Volks und seinem Geschmack in ihren und den mittleren Zeiten[3]..
[34]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VI (1836), 4
: Der Charakter[4] der höhern Kochkunst trägt in Italien, so wie der der Moden, den Stempel der franz. Abkunft. Allerdings ist das Eigenthümliche nicht verloren gegangen und es haben sich die klassischen[3] Gerichte des Volkes, so wie das vaterländische Obst auf den Tischen der Reichen mit erhalten, aber die Polenta und das Hartbrod ist von Ragouts fins und pane francese verdrängt worden..
[35]
Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 112
: Die Gebäude in romantischen[3/2/4] Gegenden oder Gärten heischen die meiste Ueberlegung und Vorsichtigkeit. Ein feines Lusthaus, ein zierlicher Tempel sind für diesen Charakter[4] gar nicht anpassend, so gewöhnlich man sie auch sieht. In Revieren mit Felsen und Klüften sind Höhlen oder Grotten [...] sehr zustimmende Werke. Allein man kann ihnen noch einen Anstrich des Wunderbaren mehr geben, indem man sie Zauberern, Hexen, Riesen, Gespenstern, Feen und andern Geschöpfen der Phantasie[1] widmet, abentheuerliche[3] Begebenheiten von ihnen verbreitet und in Inschriften erzählt. Die Sage des Volks geht hier als Beyspiel voran; sie bewahrt noch in so vielen Ländern die Annalen des Aberglaubens. [...] Die Einbildungskraft[1], die schon durch den Eindruck der Gegend empört ist, schweift gern in schwärmerischen Bildern zügellos umher, entflammt sich aus der Erinnerung von hundert Märchen, die einst die Amme oder der Küster erzählte, verjüngt alte[1] Erscheinungen, wandelt und bildet neue[1] Gestalten, und leihet den Scenen einen Schauer, den die Natur[2] und die Vernunft[3] nicht kennen, und den gleichwohl jene zu veranlassen, und diese nicht zu verwerfen scheint. ➢ Volltext.
[36]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 128
: Die indianischen Frauen[1] [...] verheiratheten sich lieber mit den Eroberern, als daß sie die Verachtung theilten, welche man gegen die Indianer hatte, und die spanischen Soldaten strebten um so mehr nach dergleichen Verbindungen, da nur sehr wenige Europäerinnen der Armee gefolgt waren. So blieb denn von den Eingebornen blos die dürftigste Raçe[2] übrig, nämlich die Landbauer, die Handwerker [...], die Lastträger [...] und besonders die Hefe des Volks, diese Menge von Bettlern, welche die Unvollkommenheit der gesellschaftlichen Institutionen und den Druck des Feudalwesens bezeugten [...] die Strassen aller großen Städte des mexicanischen Reichs anfüllten..
[37]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 135
: Kein Dogma hat [...] dem Dogma Platz gemacht; blos ein Ceremonial ist dem andern gewichen, und die Indianer kennen nichts von der Religion[2], als die äußern Formen des Cultus. Freunde von allem, was zu einer gewißen Ordnung von vorgeschriebenen Ceremonien gehört, finden sie im christlichen Cultus ganz besondere Genüsse, und die Kirchenfeste, die damit verbundenen Feuerwerke, die Processionen mit Tanz und baroken Verkleidungen sind für das niedrige Volk reiche Quellen von Belustigungen..
[38]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 136
: Da die Ureinwohner fast alle zur Classe[2] der Bauren und des niedrigen Volks[5] gehören, so ist es nicht leicht, über ihre Anlagen für Künste[6] der Lebensverschönerung zu urtheilen. Indessen kenn ich keine Menschenraçe, welche ärmer an Einbildungskraft[1] zu seyn schiene. Gelangt ein Indianer auf einen gewissen Grad von Cultur[4], so zeigt er eine große Leichtigkeit zu lernen, viel richtigen Verstand[4], natürliche[2] Logik, und eine besondre Neigung zu subtilisieren, oder die feinsten Verschiedenheiten zwischen mehreren zu vergleichenden Gegenständen aufzufassen. Dabei räsonnirt er kalt, aber mit Ordnung, ohne jedoch jene Beweglichkeit der Einbildungskraft[1], jenes Colorit der Empfindung, jene Kunst[6] zu schaffen und hervorzubringen zu zeigen, welche die Völker[1] des südlichen Europa's und mehrere africanische Neger-Stämme characterisirt. Ich spreche diese Meinung indeß mit Vorbehalt aus; indem man äußerst vorsichtig im Urtheil über das seyn seyn soll, was man moralische oder intellectuelle Anlagen der Völker[1] zu nennen wagt, von denen wir durch so manche Scheidewand der Verschiedenheit der Sprachen[3], der Gewohnheiten und Sitten getrennt sind..
[39]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 146
: Die Bauart der öffentlichen und der Privatgebäude, die Eleganz im Hausgeräthe, die Equipagen, der Luxus in der Tracht der Frauen[1], der gesellschaftliche Ton[4], alles verräth eine Verfeinerung, gegen welche die Nacktheit, Unwissenheit und Rohheit des gemeinen Volks aufs schreiendste absticht..
[40]
W. v. Humboldt, Versch. Sprachb. (*1827–29), GS I, 6.1, 291 f. (292)
: Die Untersuchung der Lateinischen Töchtersprachen scheint mir [...] die Behauptung zu bestätigen, dass die Mischung der Sprachen[3] zuerst von der Mischung des Wortvorraths ausgeht, 〈292〉 meistentheils dabei stehen bleibt, bisweilen aber sich von da auf Redensarten, Fügungen der Redeweise und grammatische Ansichten erstreckt, nicht leicht aber wirkliche concrete grammatische Formen zusammenbringt [...]. Man darf indess hierbei auch nicht die besondre Natur[1] dieser Romanischen[1] Sprachen[3] vergessen. Ihre sie charakterisirende Eigenthümlichkeit gieng nicht aus der Mischung Germanischer und Römischer Rede und Sprache[3] hervor, sondern aus der durch die siegreiche Einwandrung fremder[1] Stämme bewirkten Zerstörung des politischen Bestandes, der darauf folgenden Zerrüttung des ganzen Culturzustandes, und der diese Katastrophen begleitenden Verderbniss der Sprache[3]. Sie sind nicht sowohl Erscheinungen der Sprachvermischung, als des Sprachverfalls, so glänzend sie sich auch wieder aus diesem neu[2] entwickelt haben. Ausserdem kennt man den Zustand nicht, in dem sich, schon vor aller Einwanderung, die Römische Sprache[3] im Munde des Volks in OberItalien, Gallien und Iberien befinden mochte..
[41]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 65 ff. (66)
: Es ist einerlei, wie man diesen überirdischen Engel des innern Lebens, diesen Todesengel des Weltlichen im Menschen[1] nennt oder seine Zeichen aufzählt: genug, wenn man ihn nur – nicht in seinen Verkleidungen verkennt. Bald zeigt er sich den in Schuld und Leib tief eingehüllten Menschen[1] als ein Wesen, vor 〈66〉 dessen Gegenwart, nicht vor dessen Wirkung wir uns entsetzen [...]; wir nennen das Gefühl Geisterfurcht, und das Volk sagt [...], um das Unendliche auszudrücken, bloß: es. Bald zeigt sich der Geist[1] als den Unendlichen, und der Mensch[1] betet. Wär' er nicht, wir wären mit den Gärten der Erde zufrieden; aber er zeigt uns in tiefen Himmeln die rechten Paradiese. – Er zieht die Abendröthe vom romantischen[8/11] Reiche weg, und wir blicken in die schimmernden Mond-Länder voll Nachtblumen, Nachtigallen, Funken, Feen und Spiele hinein. | Er gab zuerst Religion[3] – Todesfurcht – griechisches[2] Schicksal – Aberglauben – und Prophezeiung [...] – und den Durst der Liebe – 〈67〉 den Glauben an einen Teufel – die Romantik[13], diese verkörperte Geisterwelt, so wie die griechische[2] Mythologie, diese vergötterte Körperwelt..
[42]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. III (1804), 582
: Das Maximum der Form oder Darstellung kann [...] auf zweierlei Weise falsch gesehen werden: man verwechselt die Darstellung entweder mit grammatischer Korrektheit oder mit rhetorischer. Das gemeine (Schreib- und Lese-) Volk, unempfänglich für die poetische Vollkommenheit und Darstellung, will gern die grammatische – durch den Sprung von Werken in todten Sprachen[3], wo jedes Wort entscheidet und befiehlt, auf Werke in lebendigen – zum Ordensterne des Klassischen[3] machen. .
[43]
Jean Paul, Unsichtb. Loge (
2
1822), SW I, 2, 120 f. (121,
4
)
: Der Geschmack am Geist
e der Alten muß sich so gut abstumpfen als der an ihrer Sprach
e. Ich behaupte nicht, daß man in den klassischen Papagaien-Jahrhunderten diesen Geist besser fühlte als jetzo [...]. Allein ich rede vom jetzigen Geschmack des Volks
, nicht des Genies..
[44]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (
21793), 138
: Daß man die Werke der Alten[10] mit Recht zu Mustern anpreiset, und die Verfasser derselben classisch[3] nennt, gleich einem gewissen Adel[4] unter den Schriftstellern, der dem Volke[1/5] durch seinen Vorgang Gesetze giebt: scheint Quellen des Geschmacks a posteriori anzuzeigen, und die Autonomie desselben in jedem Subjecte zu widerlegen..
[45]
Kant, Metaph. d. Sitt. I (1797), 191
: Die Würde betreffend, nicht bloß die, welche ein Amt bei sich führen mag, sondern auch die, welche den Besitzer auch ohne besondere Bedienungen zum Gliede eines höheren Standes macht, ist der Adel[1], der, vom bürgerlichen Stande, in welchem das Volk ist, unterschieden, den männlichen Nachkommen anerbt, durch 〈192〉 diese auch wohl den weiblichen unadliger Geburt, nur so, daß die Adlig-Geborne ihrem unadligen Ehemann nicht umgekehrt diesen Rang mitteilt, sondern selbst in den bloß bürgerlichen (des Volks) zurückfällt..
[46]
Kant, Metaph. d. Sitt. I (1797), 192 f. (193)
: Nun ist ein angeerbter Adel[1] ein Rang, der vor dem Verdienst vorher geht, und dieses auch mit keinem Grunde hoffen läßt, ein Gedankending, ohne alle Realität. Denn, wenn der Vorfahr Verdienst hatte, so konnte er dieses doch nicht auf seine Nachkommen vererben, sondern diese mußten es sich immer selbst erwerben [...]. Weil nun von keinem Menschen[1] angenommen werden kann, er werde seine Freiheit[6] wegwerfen, so ist es unmöglich, daß der allgemeine Volkswille zu 〈193〉 einem solchen grundlosen Prärogativ zusammenstimme, mithin kann der Souverän es auch nicht geltend machen. – – Wenn indessen gleich eine solche Anomalie in das Maschinenwesen einer Regierung von alten[1] Zeiten[3] (des Lehnswesens, das fast gänzlich auf den Krieg angelegt war) eingeschlichen, von Untertanen, die mehr als Staatsbürger, nämlich geborne Beamte (wie etwa ein Erbprofessor) sein wollen, so kann der Staat diesen von ihm begangenen Fehler eines widerrechtlich erteilten erblichen Vorzugs nicht anders, als durch Eingehen und Nichtbesetzung der Stellen allmählich wiederum gut machen, und so hat er provisorisch ein Recht, diese Würde dem Titel nach fortdauern zu lassen, bis selbst in der öffentlichen Meinung die Einteilung in Souverän, Adel[2] und Volk[5] der einzigen natürlichen[4] in Souverän und Volk[4] Platz gemacht haben wird..
[47]
S. v. Knorring, Evremont II (1836), 57
: Die Schrecken der nahen Revolution fingen um diese Zeit an fühlbar zu werden, das Volk fing an seinen Haß gegen den Adel[2] thätlich zu zeigen, schon schien seine Wuth Opfer zu fordern, und jeder, der nicht den Muth hatte, alle in früheren Jahrhunderten erworbene Vorrechte aufzugeben, suchte sein Haupt vor der drohenden Gefahr zu bergen..
[48]
Krünitz, Oecon. Encycl. III (1774;
21782), 327
: Bach-Hase, ist, unter dem gemeinen Volk in Sachsen die Benennung eines sehr geringen und schlecht gekochten Zugemüses, so aus Wasser und Mehl, welches auch nicht das beste ist, zubereitet wird, dergleichen man an einigen Orten auch einen Land-Läufer, insgemein und am gewöhnlichsten aber ein Wasser-Mus, nennet..
[49]
Moritz, Dt. in Engld. (1783), 37 f. (38)
: Ausgemacht ist es, daß die Englischen klassischen[4] Schriftsteller, ohne alle Vergleichung, 〈38〉 häufiger gelesen werden, als die Deutschen, die höchstens, außer den Gelehrten, der Mittelstand, und kaum dieser liest. Die Englischen Nationalschriftsteller ließt das Volk, wie unter andern die unzähligen Auflagen beweisen..
[50]
Moritz, Dt. in Engld. (1783), 38
: [I]ch habe [sc. in England] schon mehrere Leute von geringeren Stande gesprochen, die alle ihre Nationalschriftsteller kannten und theils gelesen hatten. Dies veredelt die niedern Stände und bringt sie den Höhern näher. Es giebt dort beinahe keinen Gegenstand der gewöhnlichen Unterredung im höhern Stande, worüber der niedre nicht auch mitsprechen könnte. In Deutschland ist seit Gellerten noch kein Dichternahme eigentlich wieder im Munde des Volks gewesen. | Aber es wird auch mehr für den Vertrieb der klassischen[4] Schriftsteller, für wohlfeile und bequeme Ausgaben gesorgt. Man hat sie alle 〈39〉 gebunden, in einer Folge in Taschenformat, und in welchem Format sie einer haben will. Ich habe mir für zwey Schillinge einen Milton in Duodez in niedlichem Franzband gekauft, der sich äusserst bequem in der Tasche tragen läßt. Auch scheinet es mir eine gute Einrichtung zu seyn, daß die Bücher, welche am häufigsten gelesen werden, größtentheils schon sehr sauber gebunden sind, wenn man sie kauft..
[51]
Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 22
: In alten[1] Zeiten[3] muß die ganze Natur[2] lebendiger und sinnvoller gewesen seyn, als heut zu Tage. Wirkungen, die jetzt kaum noch die Thiere[1] zu bemerken scheinen, und die Menschen[1] eigentlich allein noch empfinden und genießen, bewegten damals leblose Körper; und so war es möglich, daß kunstreiche Menschen[1] allein Dinge möglich machten und Erscheinungen hervorbrachten, die uns jetzt völlig unglaublich und fabelhaft dünken. So sollen vor uralten Zeiten[3] in den Ländern des jetzigen Griechischen[3] Kaiserthums, wie uns Reisende berichtet, die diese Sagen noch dort unter dem gemeinen Volke angetroffen haben, Dichter gewesen seyn, die durch den seltsamen Klang wunderbarer Werkzeuge das geheime Leben der Wälder, die in den Stämmen verborgenen Geister[1/12] aufgeweckt, in wüsten, verödeten Gegenden den todten Pflanzensaamen erregt, und blühende Gärten hervorgerufen, grausame Thiere[4] gezähmt und verwilderte Menschen[1] zu Ordnung und Sitte gewöhnt, sanfte Neigungen und Künste[1] des Friedens in ihnen rege gemacht, reißende Flüsse in milde Gewässer verwandelt, und selbst die todtesten Steine in regelmäßige tanzende Bewegungen hingerissen haben..
[52]
Schelling, Meth. Stud. (1803), 110
: Die Staatsverfassung ist ein Bild der Verfassung des Ideenreichs. In diesem ist das Absolute als die Macht, vor der alles ausfließt, der Monarch, die Ideen sind – nicht der Adel[2] oder das Volk, weil das Begriffe[1] sind, die nur im Gegensatz gegen einander Realität haben, sondern – die Freyen: die einzelnen wirklichen Dinge sind die Sclaven und Leibeigenen..
[53]
Schiller, Egmont (1788), NA 22, 295
: Die grausamen Prozeduren, welche, den strengen Religionsedikten gemäß, gegen die Ketzer ergiengen, die Insolenz der spanischen Truppen, welche [...], der Konstitution zuwider, in den Gränzstädten in Besatzung lagen, [...] mit den Privatbeschwerden gegen den Minister verbunden – alles dieses wirkte zusammen, die Nation[1] mit Besorgnissen zu erfüllen, und den Adel[2] wie das Volk gegen das Joch des Ministers zu empören. .
[54]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!1798–99), KAV 1, 58
: Vom Volksaberglauben, der sich zum ursprünglichen Mythus ungefähr so verhält, wie die Volkspoesie nach der entstandenen Prosa[1] zur Naturpoesie vor derselben, muß noch unterschieden werden, wenn der poetische[2] Geist[12] der Sitten und Verfassung eines Volkes[1], oder selbst eines einzelnen Standes nach Erlöschung der mythischen Nationalreligion wieder jenen Partialmythus hervorbringt, z. B. die romantische[12/2] Ritterfabel des Mittelalters. Diese neumythischen Dichtungen können füglich, wenn sie vom Volke[5] gedichtet sind, nicht so feinen Geist[12] und reinen Geschmack haben, als wenn fühlende Dichter[1] sie schaffen. Diese müßten also jenen ohne Not verfeinern und ausbilden..
[55]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 11
: Übrigens sind in [...] Europa die sämtlichen Sprachen[3] entweder rein Deutsche Mundarten[1], oder aus der Vermischung des Deutschen mit dem in den Provinzen vorgefundnen 〈11〉 Lateinischen entstanden. Nimmt man nun noch die nahe Verwandtschaft des Deutschen mit dem Lateinischen und Griechischen hinzu, die keinem Sprachforscher zweifelhaft seyn kann: so erscheinen die verschiednen Sprachen[3] Europa's fast nur als Dialecte[1] einer einzigen, welche in zwey Hauptclassen zerfallen, wovon in der einen der größte Theil der Masse Lateinisch, in der andern Deutsch ist; denn auch in den für rein geltenden ist die vornämlich durch die Geistlichen als die ersten Lehrer des Volkes bewirkte Einmischung des Lateinischen weit beträchtlicher, als man meistens geneigt ist, sichs vorzustellen. Überdieß war das Lateinische allgemeines Organ[1] der Mittheilung, und zwar nicht, wie man gewöhnlich annimmt, als gelehrte und todte, sondern als eine lebende und sich fortbildende Sprache[3]..
[56]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 331
: Wir können uns hiebey nicht über alle Sprachen[3] Germanischen Stammes im Einzelnen verbreiten. Was aber die unsrige charakterisirt, gilt entweder von jenen mit, oder es leidet Einschränkungen. Nur dieß will ich hier im allgemeinen bemerken, daß sich der Deutsche Stamm in zwey Hauptzweige theilt: das Ober- und Niederdeutsche. Zu dem letzten gehören das Friesische, Holländische und Englische. Ob man noch einen dritten Hauptstamm anzunehmen habe, den Scandinavischen, zu welchem dann das Schwedische und Dänische gehören würde, dieß lasse ich dahin gestellt seyn. Auf jeden Fall sind die eben genannten Dialekte[1] dem Niederdeutschen verwandter als dem Oberdeutschen. Zwischen diesen beyden Dialekten[1] muß man wie mich dünkt, ohne Frage für das letzte entscheiden. Es hat weit mehr Bestimmtheit, Charakter und grammatische Construction; statt daß die niederdeutschen Dialekte[1] erscheinen wie Sprachen[3], welche dieß alles gehabt, aber aus weichlichem Phlegma weggeschliffen und verschmolzen hätten. Das ist nicht zu leugnen, daß das Oberdeutsche in seiner ungemilderten Gestalt eine gewisse Unbeholfenheit und rauhe Bergaccente an sich hat; in der fließenden Leichtigkeit des Niederdeutschen erkennt man den klimatischen Einfluß der mildernden Seeluft und der an der See gelegnen Ebnen. Dazu kommt, daß sich der Deutsche Volks〈331〉stamm im Norden reiner erhalten hat, vielleicht sind manche Dialekte[1] im Süden von Deutschland dadurch härter geworden, daß die große Masse der Einwohner Slavisch war, und das Deutsche erst als eine fremde Sprache[3] erlernt werden mußte, wie es ja noch jetzt innerhalb der Gränzen Deutschlands keineswegs allgemein verbreitet ist. Allein bey allem dem verräth der so oft widerhohlte Wunsch, das Niederdeutsche möchte doch statt des Hochdeutschen die poetische[4] und Büchersprache geworden seyn, eine große philologische und historische Unkunde. Der Versuch ist ja angestellt mit dem Englischen und Holländischen, und man hat genugsam gesehen, was daraus geworden. Dasjenige wodurch ein solches Provinzial-Patois gefällt, eine gewisse naive Grazie, ein scherzhafter Anstrich, geht bey der Ausbildung durch Schrift unausbleiblich verlohren. Es ist eine beschränkte Individualität, die keine allgemeine Gültigkeit haben kann. Das sogenannte Plattdeutsch schreibt sich zum Theil von flamändischen Colonien her, in neueren Zeiten ist es aber so sehr durch eingemischtes Hochdeutsch verfälscht worden, daß es als eine Bestandsprache keinen höheren Rang verdient, als Dialekt[1] des gemeinen Volks in einer Provinz zu seyn..
[57]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 340
: [Die romanischen Sprachen] waren zuerst corrumpirte Dialekte[1] des gemeinen Volkes. Durch die frisch aufblühende Poesie[11] erhielten sie Form. Dieß erschien nun als ein unschätzbares Gut, welches man zu erhalten suchte; so wurden früher oder später gewisse Autoren als unübertreffliche Muster der Reinigkeit anerkannt, und die nachherigen sollten nun nicht mehr gleiche Rechte der Sprachschöpfung genießen, sondern wurden eingeengt. In Italien wurde hiemit, so wie mit dem ausschließenden Vorzugsrechte des Florentinischen Dialektes[1], schon im 16ten Jahrhundert große Pedanterey getrieben..
[58]
A. W. Schlegel, Nibel. (1812), I, 23
: Karl der Große war freylich ein deutscher Fürst: er war es durch seine Abstammung, durch seine Muttersprache, durch den Hauptsitz seines Reichs, vermuthlich auch durch den Ort seiner Geburt. Es verräth eine lächerliche Unkunde, wenn die französischen Geschichtschreiber, wie sie meistens nicht ermangeln thun, ihn für einen Franzosen ausgeben. Franzosen gab es überhaupt damals noch gar nicht, sondern bloß Franken, die Abkömmlinge der Eroberer und der Adel[2] des Landes; das Volk war die vermischte Nachkommenschaft der Gallier und römischen Provinzialen. ➢ Volltext.
[59]
F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 190
: Die Patricier, die ausschliessend das Recht der Augurien hatten, waren wohl ursprünglich nichts anders als der erbliche Priesterstand; und nur dadurch, daß dieser auch den Krieg übte und die Rechte des Kriegesstandes mit an sich riß, ward der eigentliche Adel[2] (die equites) zurückgedrängt, bis die Alleinherrschaft dieses übermächtigen kriegrischen Priesteradels den Widerstand des Volks aufreizte und jener Kampf begann, der uns noch jetzt in den alten[10] Geschichten[9] so lebhaft anzieht. ➢ Volltext.
[60]
L. Tieck, Phantasus II (1812), 414
: Warum wollen Sie mit wenigen Mitteln, vor Zuschauern, die es durchaus nicht verstehn würden, sich mit vornehmen und schwierigen, ja hier unmöglich auszuführenden Opern quälen? Mit Tragödien, die Ihnen kein Mensch danken würde? Mit Schauspielen, die dem einfältigen Bürgersmann ein Räthsel oder ein Aergerniß wären? Warum sich ihren Stand verleiden und den Zusehern das Vergnügen verderben? Ohne Zweifel haben Sie alte[1] komische Stücke, die das Volk versteht, kürzere Schwänke und Comödien, die Sie großentheils ex tempore spielen, und deren Wirkung Sie gewiß sind; geben Sie diese, und lassen Sie jene vornehmeren Anmaßungen fahren, und Sie werden mich und vielleicht auch einige Freunde zu Zuschauern haben, die wir uns aber gewiß weder um Ihre Zauberflöte, noch Agnes Bernauer im mindesten bekümmern werden..
[61]
J. H. Voß, F. Stolberg (1819), 18 f. (19)
: In jener Zeit[3] über den Adel[2] mit Adlichen zu reden, vermied man gern. Die Meinung ruhig erwägender Männer war: Die geschlossene Zunft des Adels[2] ist sowohl durch Alterthum[1] ehrenhaft, als durch Tugenden, wenn nicht der Stammväter (die kennt man nicht), doch 〈19〉 einzelner Sprößlinge; strebt der Adel[2] nach der Ehre, für unsere Zeit[3] vorzüglich edel zu sein, an Geist[20/14?], Gemeinsinn und Tüchtigkeit, so wird er wohlthätig für Fürsten und Volk, und bleibt mächtig durch alten[1] Ruf und Zusammenhang; trozt er aber auf das Vorrecht angeborener Tauglichkeit, will er dem Staatskörper nicht mehren die Kraft, sondern entziehn, so ist er ein fremdartiges Gewächs, das, wenn es sich nicht vertheilen läßt, den Schnitt fodert. Erbittert durch solche Ansichten, die im Jahr 1792 mein Gesang der Neufranken für Gesez und König aussprach, trug Stolberg mir seine Galle zu, und behauptete: der Adel[2] sei ein edlerer Menschenstamm von eigenem Ehrgefühl, erhaben über die niedrige Denkart der Unadlichen, und dadurch zu Vorzügen berechtigt. Wer, Teufel! rief er, kann uns nehmen, was unser ist? Wer's euch gab, sagte ich: die Meinung. ➢ Volltext.