Wortliste
Adel
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Struktur
Semantik
Belege
[1]
Arndt, Erinn. (1840), 272: Bei den Galliern [...] bestand eine traurige und drückende Lehnknechtschaft, als sie von den Römern bezwungen wurden. Es gab bei ihnen damals nur Fürsten und Adel[2] und Halbfreie und Sklaven; volle Freie[6], ein starker und unbezwinglicher Kern des Volkes waren nicht mehr da.
[2] Börne, Brf. Paris VI (1834), 33: Denn Adel[2] und Geistlichkeit sind die beiden Enden des Balancier-Baumes der Fürsten, da jede Regierung die nicht auf dem Boden des Volkes ruht, jede monarchische Regierung nur Seiltänzerei ist; fort die Stange, Plautz der König!
[3] C. D. Friedrich, an E. M. Arndt (12. 3. 1814), Z, 85 f.: Ich wundere mich keineswegs, daß keine Denkmäler errichtet werden, weder die, so die große Sache des Volkes bezeichnen, noch die hochherzigen Taten einzelner deutscher Männer. | 〈86〉 Solange wir Fürstenknechte bleiben, wird auch nie etwas Großes der Art geschehen. Wo das Volk keine Stimme[7] hat, wird dem Volk auch nicht erlaubt, sich zu fühlen und zu ehren.
[4] Frölich, Virginia I (1820), 77: Der Sieg bei Marengo wurde erfochten, und die Völker Italiens wurden frey[6]. Jedes Gemüth welches sich von dem klassischen[3/7] Boden angezogen fühlte, war leidenschaftlich bewegt; man hoffte die Nachkommen der Griechen und Römer würden aus ihrem langen Schlaf erwachen.
[5] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 62 f.: Man erstaunt über die Menge der Künste[1/2] und Gewerbe, die man in den Nachrichten der Ebräer, schon von den frühesten Zeiten[3] an, mehreren kleinen Nomadenvölkern dieser Gegend [sc. Vorderasien] gemein findet. Den Ackerbau mit mancherlei Geräthen, die Gärtnerei, Fischerei, Jagd, insonderheit die Viehzucht, das Mahlen des Getreides, das Backen des Brots, das Kochen der Speisen, Wein, Oel, zur Kleidung die Bereitung der Wolle und der Thierhäute, das Spinnen, Weben und Nähen, das Färben, Tapetenmachen und Sticken, das Stempeln des Geldes, das Siegelgraben und Steinschneiden, die Bereitung des Glases, die Korallenfischerei, den Bergbau und das Hüttenwesen, mancherlei Kunstarbeiten in Metall, im Modellieren, Zeichnen und Formen, die Bildnerei und Baukunst, Musik[1] und Tanz, die Schreib- und Dichtkunst, Handel mit Maas und Gewicht, an den Küsten Schiffahrt, [...] einige Anfangsgründe der Stern-, Zeiten- und Länderkunde, der Arzneiwissenschaft und Kriegskunst, der Arithmetik, Geometrie und Mechanik, in politischen Einrichtungen Gesetze, Gerichte, Gottesdienst, Contrakte, Strafen und eine Menge sittlicher Gebräuche, alles dies finden wir bei den Völ〈63〉kern des Vorder-Asiens so früh' im Gange, daß wir die ganze Cultur[7/4] dieses Erdstrichs für den Rest einer gebildeten Vorwelt ansehen müßten, wenn uns auch keine Tradition darauf brächte. Nur die Völker, die der Mitte Asiens weit entlegen, in der Irre umherzogen; nur sie sind barbarisch und wilde geworden, daher ihnen auf mancherlei Wegen früher oder später eine zweite Cultur[3] zukommen mußte.
[6] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 116: In beiden America's ist es nur derselbe Typus; allein diejenigen Europäer, welche die großen Flüße, Orinoco und den Amazonenstrom beschifft, oder Gelegenheit gehabt haben, viele verschiedene Stämme unter der mönchischen Hierararchie in den Missionen beisammen zu sehen, haben gewiß die Beobachtung gemacht, daß die americanische Raçe[1] Völker enthält, die in ihren Gesichtszügen eben so wesentlich von einander abweichen, als die vielen Varietäten der kau〈117〉kasischen Raçe[1], der Circassier, Mauren und Perser.
[7] Jahn, Runenbl. (1814), 21: Jedes Volk hat Recht, sich nach einer volksthümlichen Bereinigung mit allen seinen Sprach- und Stammverwandten zu sehnen, in ihnen Reichsgenossen zu ahnen[1].
[8] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 283: Der Schnee [...] in kalten Ländern [...] erleichtert die Gemeinschaft der Menschen (durch Schlitten); der Lappländer findet dort Thiere[1], die diese Gemeinschaft bewirken (Rennthiere), die an einem dürren Moose, welches sie sich selbst unter dem Schnee hervorscharren müssen, hinreichende Nahrung finden, und gleichwohl sich leicht zähmen, und der Freyheit[3], in der sie sich gar wohl erhalten könnten, willig berauben lassen. Für andere Völker in derselben Eiszone enthält das Meer reichen Vorrath an Thieren[1], die, außer der Nahrung und Kleidung, die sie liefern, und dem Holze, welches ihnen das Meer zu Wohnungen gleichsam hinflößet, ihnen noch Brennmaterien zur Erwärmung ihrer Hütten liefern.
[9] Kant, Gemeinspruch (1793), 282: Die menschliche Natur[1] erscheint nirgend weniger liebenswürdig, als im Verhältnisse ganzer Völker gegen einander. Kein Staat ist gegen den andern wegen seiner Selbstständigkeit, oder seines Eigenthums, einen Augenblick gesichert. Der Wille, einander zu unterjochen, oder an dem Seinen zu schmälern, ist jederzeit da; und die Rüstung zur Verteidigung, die den Frieden oft noch drückender und für die innere Wohlfahrt zerstörender macht, als selbst den Krieg, darf nie nachlassen.
[10] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (21793), 242: Der Stammvater eines Geschlechtes[3], eines Volkes, einer Religion[6] oder einer Secte..
[11] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (21793), 1289 f. (1290): Vielleicht wich schon die Römische Bauersprache in dem Laute des C ab, doch das ist nur eine Muthmaßung; das aber ist gewiß, daß die Aussprache dieses Buchstabens[7] sehr verderbt wurde, als Italien von fremden[1] Nationen[1] überschwemmt wurde, oder auch, als die Römische Sprache[3] die Hof- und gelehrte 〈1290〉 Sprache[3] so vieler fremden[1] Völker wurde, die nunmehr anfingen, dem c vor dem ä, e, i, ö, ü, y, ihren Zischlaut unterzuschieben..
[12] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 1063: Heide, [...] eine Person, welche außer der Erkenntniß[4] des wahren Gottes[1] lebet, ein Ungläubiger in weitern Verstande[7]; daher im alten[1] Testamente alle Völker außer den Juden[1], heut zu Tage aber alle außer den Juden[1], Christen und Türken, Heiden genannt werden, ob man gleich in den mittlern Zeiten[3] auch die Türken mit zu den Heiden zu zählen pflegte. In einigen Gegenden sind die Zigeuner unter dem Nahmen der Heiden in engerer Bedeutung bekannt..
[13] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 1443: In weiterer und gewöhnlicherer Bedeutung werden alle Glieder des ehemahligen Israelitischen Volks, und die Bekenner der Religion[1] derselben, Juden[1], und auf eine bestimmtere Art, die ältern[1] Juden[1] genannt, zum Unterschiede von den heutigen und neuern[3] Juden[1], welche ein Überrest der erstern sind, und am häufigsten auch nur Juden[1] schlechthin genannt werden..
[14] A. v. Arnim, Isabella (1812), 6 f. (7): Die Zigeuner[1] waren damals in der Verfolgung, welche die vertriebenen Juden[1] ihnen zuzogen, die sich für Zigeuner[1] ausgaben, um geduldet zu werden, schon sündlich verwildert; oft hatte Herzog Michael darüber geklagt und alle seine Klugheit angewendet, sie aus dieser Zerstreuung nach ihrem Vaterlande zurückzuführen. Ihr Gelübde, so weit zu ziehen, als sie noch Christen fänden, war gelöst [...]. Das Zurückführen nach Ägypten war aber bei der zunehmenden Türkenmacht, bei der Verfolgung überall, bei dem Mangel an Gelde unendlich schwer. Schon hatte der Herzog, was sonst ihre Nationalbelustigung war, Proben von Stärke und Geschicklichkeit, (wie sie schwere Tische auf ihren Zähnen im Gleichgewichte trugen, wie sie sich springend in der Luft überschlugen oder auf den Händen gingen) alles das, was sie mit dem Namen der starken Mannskünste bezeichneten, zu ihrer Erhaltung zu benutzen gesucht, aber von einem Gebiete ins andre zurück gedrängt, erschöpften sich diese Erwerbsquellen und auch die Besseren, wenn selbst das Wahrsagen nicht mehr galt, sahen sich gezwungen ihre ärmliche Nahrung zu stehlen oder mit jachtfreien Thieren[1], wie Maulwürfe und Stachelschweine fürlieb zu nehmen. 〈7〉 Da fühlten sie erst recht innerlich die Strafe, daß sie die heilige Mutter Gottes[2] mit dem Jesuskinde und dem alten[2] Joseph verstoßen, als sie zu ihnen nach Ägypten flüchteten, weil sie nicht die Augen des Herrn[4] ansahen, sondern mit roher Gleichgültigkeit die Heiligen für Juden[1] hielten, die in Ägypten auf ewige Zeit[2] nicht beherbergt werden, weil sie die geliehenen goldnen und silbernen Gefäße auf ihrer Auswanderung nach dem gelobten Lande mitgenommen hatten. Als sie nun später den Heiland aus seinem Tode erkannten, den sie in seinem Leben verschmäht hatten, da wollte die Hälfte des Volks durch eine Wallfahrt, so weit sie Christen finden würden, diese Hartherzigkeit büßen. Sie zogen durch Kleinasien nach Europa und nahmen ihre Schätze mit sich, und solange diese dauerten, waren sie überall willkommen; wehe aber allen Armen in der Fremde..
[15] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 112: Sprachen[3] lernen, ist mit dem Geist[19] der aufregendsten Tanzmusik folgend, sich behagen in harmonischen Beugungen und zierlichen kecken labyrintischen Tänzen, und dies electrisirt den Geist[19] wie die Tanzmusik Deine Sinne[4] electrisirt. In der Sprache[3] aber vermählen sich die Sinne[4] wirklich mit dem Geist[19], und aus dieser Verbin〈112〉dung erzeugt sich denn, was die Völker mit Erstaunen als ihr höchstes Kleinod lieben und erheben, und wodurch sie sich erhaben fühlen über andre Völker, was den Charakter[1] ausspricht ihrer Nationalität, nämlich der Dichter.
[16] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 110: Aus mehreren Stämmen bildet sich, nach Anleitung von einzelnen, äußeren Umständen, ein Staat; die nachbarlichen Stämme mit ihren im Ganzen ähnlichen Sprachen[3] schmelzen zu einem Volke zusammen; es entsteht Volkssprache, welche einen allgemeinen und noch festern Charakter[1] bekommt. Allein diese Stämme vereinigen sich 〈111〉 anfangs nur durch ein sehr lockeres Band, und die einzelnen Stammsprachen bleiben daher noch lange Zeit von einander getrennt, und erhalten blos eine allgemeine Aehnlichkeit. Diese allgemeine Aehnlichkeit ist nun die eigentliche Landessprache, und die übrigen Stammsprachen erscheinen in Hinsicht auf diese als Dialekte[1]. Nun ist aber ein doppelter Fall denkbar; entweder dies Band zwischen den Stämmen bleibt so locker, als es anfangs war, und jeder kultivirt sich für sich, dann wird die jedesmalige Provinz, in welcher die Kultur[4] wohnt, ihren Dialekt[1] zur Hauptsprache erheben, und temporell die Sprachen[4] der andern Stämme als abweichend und weniger gebildet herabsetzen; oder die Stämme nähern sich einander bis zur Vermischung, dann entsteht eine Hauptsprache, welche die andern, durch zufällige Umstände, sich neben der Hauptsprache erhaltenden Dialekte[1], würklich als fehlerhaft und provinziell, wenigstens für die schriftliche Darstellung, verwirft. Griechenland liefert Beispiele zu beiden, in der anfänglichen Trennung in einzelne Stämme und Dialekte[1], und der spätern Reception des attischen Dialekts[1] als klassisch[4]. ➢ Volltext.
[17] C. Böhmer, an F. L. W. Meyer (11. 7. 1791), C 1, 225: Ich wollte, Sie wären in Paris und könten mir sagen, wie es dort seit der verunglückten Flucht des Königs aussieht, welche Häupter das Volk[1/4/5?] leiten, das sich von Freyheit[6] begeistert dünkt, und ob sich die wüthenden Wellen verhaßter Uebertreibungen bald legen werden..
[18] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 10: Herr Büsch [...] nennt Activhandel den Handel eines Volks, das denselben durch sich selbst betreibt, bei den Fremden[1] beides, als Käufer und Verkäufer, erscheint, oder seine Waren andern Nationen[1] selbst zuführt und deren Waren von ihnen hohlt; Passivhandel hingegen ist ihm derjenige, da ein Volk den fremden[1] Käufer und Verkäufer bei sich erwartet..
[19] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 61: Die Antike[2/3] oder Antique, a. d. Lat. im weitern Sinne, alle Denkmähler der Kunst[4/1], die uns von den Völkern, wo sie ehedem blühte, übrig sind [...]..
[20] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 309: Die Cultur[1/3], a. d. Lat 1) die Anbauung, Veredlung im Allgemeinen. 2) Die Veredlung oder Verfeinerung der gesammten Geistes- und Leibeskräfte eines Menschen oder eines Volkes, so daß dieses Wort so wohl die Aufklärung, die Veredlung des Verstandes, als auch die Politur, die Veredlung und Verfeinerung der Sitten, unter sich begreift. .
[21] Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 185: Heinrich der erste [...] legte zur Sicherheit wider die Einbrüche fremder[1] Völker die ersten Städte in Deutschland an [...]..
[22] Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 278: Die Juden[1] gehören, ungeachtet des Hasses, womit sie ehemahls von den Christen verfolgt wurden, und vielleicht noch jetzt an manchen Orten verfolgt werden, zu den merkwürdigsten Völkern der Erde, und werden, theils wegen der Wichtigkeit ihrer Urgeschichte, theils 〈279〉 aber auch wegen ihres National-Charakters, welcher sich in einer langen Reihe von Jahrhunderten und bei den mannigfaltigsten Veränderungen, die dieses Volk in allen Ländern erfuhr, so ziemlich unverfälscht erhalten hat, immer die Augen des Forschers auf sich ziehen, und ihn zu neuen[1] Untersuchungen in dem Labyrinthe ihrer Geschichte[1] ermuntern..
[23] Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 393: Sie [sc. die Letten] waren tapfer und arbeitsam, und zeigten ungeachtet der äußerst niedrigen Stufe der Cultur[4], auf der sie standen, doch die herrlichsten Anlagen zu einem großen und mächtigen Volke..
[24] Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 248: Schon seit dem zweiten Jahrhunderte war Aberglaube und Verehrung der Götter[4] fremder[1] Völker in Rom herrschend [...]..
[25] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 16: Daß das Physische eines Volks, das sein Vaterland gegen eine fremde[1] Zone vertauscht, wirklich abgeändert werden könne, beweisen die Lappen, die aus dem Ungarischen Stamme entsprossen sind [...]..
[26] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 170: Unsterblich sind Moses Verdienste um sein Volk, das wahrlich zu seiner Zeit[3] nicht dazu geeignet war, mitten unter Götzenanbetern den Glauben seiner Väter an einen Gott[1], der ganzen Welt Schöpfer, des Guten und Bösen weisen Regierer, dem einzig Freiheit[1] von Schuld und Verbrechen den Menschen[1] angenehm mache, festzuhalten. Und doch gelang es ihm, sich ihrer Sinnlichkeit für die Sache der Vernunft[3] und der Religion[1] zu bemächtigen, und sie durch Staats- und Tempelgesetze immer auf den Einen zurückzuführen, der ihr eigentlichster Herr sei. Hätten seine Nachfolger den Geist[14/20?] von ihm geerbt, der Jude[1] würde nicht mehr im sclavischen Joche des Ceremoniendienstes den Gott[1] zu verehren glauben, der seine Kinder zur Freiheit[10] erschuf..
[27] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 327: Alle westliche Europäischen Sprachen[3], die aus einer Vermischung des Lateins mit den Sprachen[3], der von den Römern unterjochten, oder später von Osten her eingewanderten Völker entstanden waren, wurden im Mittelalter Roman[i]sche[1] genannt; insbesondre aber bezeichnete man mit diesem Namen das Provenzalische Idiom – ein verdorbnes und verstümmeltes Latein, in welchem die ersten dichterischen Versuche der neuern[3] Zeit[3] gemacht wurden, so wie noch jetzt ein in gewissen Gegenden Graubündens übliches Afterlatein die Romanische[8] Mundart[1] benannt wird..
[28] Brockhaus, Conv.-Lex. VI (1809), 291: Der Vandalismus ist [...] die Wuth, alles, was von Cultur[4] und Verfeinerung zeigt [sic], zu vernichten, und an dessen Stelle die Barbarei und Rohheit ungebildeter Völker einzuführen..
[29] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. II (1838), 148: Gastmähler gehörten von jeher zu den Lieblingsvergnügungen geselliger Menschen und finden sich selbst bei den uncultivirtesten Völkern. Die Art und Weise, wie sie bei den verschiedenen Völkern gehalten werden, gibt einen Beweis ab von der Culturstufe, auf welcher dieselben stehen und von ihrem Charakter[1]..
[30] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. IV (1841), 201: Versuche [...], wie namentlich Klopstock machte, die nordische Mythologie an die Stelle der griech.[2] in die moderne[9] Poesie[1] einzuführen, fanden keinen allgemeinen Beifall, ein Beweis, wie die jetzt lebenden german. Völker vermöge des Ganges ihrer Bildung[4] dem griech.[2] Alterthume[2] geistig beiweitem näher stehen als dem altgermanischen..
[31] Droysen, Alex. (o. J. [1833]), 8: In den Mysterien war bisher verborgen und der Frivolität des Geschwätzes, dem Taumel des öffentlichen Lebens entrückt gewesen, was allem Zweifel und allem Spott unerreichbar sein mußte, wenn der Demokratie noch irgend Charakter[3] und Haltung bleiben sollte; auch von ihnen wich jetzt die alte Ehrfurcht; alles Gemeinsame ging unter, das Volk löste sich auf in die Atomistik der Ochlokratie, die Theilnahme an dem öffentlichen Leben in ein wildes Gewirr persönlicher Leidenschaften und Lächerlichkeiten, der Glaube der Väter in den Atheismus der sophistischen Aufklärung. ➢ Volltext.
[32] Droysen, Alex. (o. J. [1833]), 248: Schon im Alterthume[3] haben Parmenions verständige Reden mehr Beifall gefunden, als die rasche That Alexanders, die sie hindern sollten; man hat hinzugefügt, daß solches Wüthen gegen den todten Stein, gegen Kunstdenkmale, gegen Erobertes zugleich kindisch, barbarisch und beklagenswerth sei; und in der That scheinen diejenigen mit Recht so zu sprechen, welche in dem Charakter[2] eines Helden nichts als ihre eigenen Tugenden, Bestrebungen und Maximen in erhöheter Potenz zu finden hoffen. Indeß haben große Männer das Recht, nach ihrem Maaße gemessen zu werden, und in dem, was man ihre Fehler nennt, liegt ein tieferer Sinn[2] als in der ganzen Moral, gegen die sie zu verstoßen den Muth haben. Träger der Gedanken ihrer Zeit[5] und ihres Volkes, handeln sie mit jener dunklen Leidenschaft, die, eben so weit als ihr Beruf über den Horizont der Alltäglichkeit hinaus, sie in die einsame Region der geschichtlichen Größe trägt, die nur der Blick der Bewunderung zu erreichen vermag. ➢ Volltext.
[33] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), XVIII ff. (XX): „Wenn wir uns der Freiheit[6] auch würdig machten, so werden die Monarchen uns doch nicht frei[6] lassen.“ [...] 〈XX〉 [...] Sagen hilft da nichts, denn wer könnte so laut schreien, daß es ihr Ohr[3] erreichte, und durch ihren Verstand[4] zu ihrem Herzen eindränge? Nur handeln hilft. Seyd gerecht, ihr Völker, und eure Fürsten werden es nicht aushalten können, allein ungerecht zu seyn..
[34] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 188 f. (189): Fast durch alle Länder von Europa verbreitet sich ein mächtiger, feindseelig gesinnter Staat, der mit allen übrigen im beständigen Kriege steht, und der in manchen fürchterlich schwer auf die Bürger drückt; es ist das Judenthum. [...] 〈189〉 [...] Von [...] so einem Volke sollte sich etwas anders erwarten lassen, als [...] daß in einem Staate, wo der unumschränkte König mir meine väterliche Hütte nicht nehmen darf und wo ich gegen den allmächtigen Minister mein Recht erhalte, der erste Jude[1], dem es gefällt, mich ungestraft ausplündert. [...] 〈190〉 [...] Fällt euch denn [...] nicht der begreifliche Gedanke ein, daß die Juden[1], welche ohne euch Bürger eines Staates sind, der fester und gewaltiger ist als die eurigen alle, wenn ihr ihnen auch noch das Bürgerrecht in euren Staaten gebt, eure übrigen Bürger völlig unter die Füße treten werden..
[35] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 194 f.: Weniger gefährlich, seitdem er nicht mehr der ausschließende Besitzer der Reichthümer und der dürftigen Cultur[7] unmündiger Völker ist, aber doch noch immer ein wirklicher 〈195〉 Staat im Staate ist der Adel[2], abgesondert durch seinen Zunftgeist, durch seine Verheirathungen unter einander, und durch das noch immer ausschließende Recht auf gewisse Bedienungen; allenfalls nur da gut, wo das Volk noch einer solchen Vormauer gegen den Despotismus bedarf..
[36] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 260: „Alle alten[9] Völker haben ihren Adel[2] gehabt,“ sagen Staatsmänner, die man zugleich für große Geschichtskundige hält; und lassen uns daraus in aller Stille folgern, daß der Adel[2] so alt[1] sey, als die bürgerliche Gesellschaft, und daß in jedem wohlgeordneten Staate einer seyn müsse. Es ist sonderbar, daß eben diese Männer, bei denen die Nothwendigkeit des Adels[2] in jedem Staate sich von selbst versteht, – wenn sie sich etwa zum Ueberflusse noch darauf einlassen, den Ursprung des heutigen Adels[2] zu erklären, sich in Muthmaßungen verlieren, die sie auf nichts, als auf andere Muthmaßungen, stützen können. | Ich rede nicht vom persönlichen Adel[3] – von der Berühmtheit oder den Vortheilen, die der große Mann durch eigene Thaten sich erwirbt; ich rede, wie man es will, vom Erbadel, von der Berühmtheit oder den etwani〈261〉gen Vortheilen, die er durch das Andenken dieser seiner Thaten auf seine Nachkommen überliefert..
[37] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 306: „Ich bin von Adel[1],“ sagt uns der moderne[1] Edelmann. – Welch etwas ganz anderes war es, wenn ein Römer sich einen Brutus, einen Scipio, einen Appius, oder Cimon sich eines Miltiades Sohn nannte! Bestimmte Thaten bestimmter Männer gingen dann vor der Seele des Volks[7] vorüber, dem er sich nannte, und knüpften sich an den Mann, der durch seinen Namen oder durch den Namen seines Vaters das Andenken derselben bei ihnen erneuerte. – Aber was denken wir uns bei dem unbestimmten weitsichtigen Begriffe[4]: Adel[1]? Etwas klares wenigstens nicht. [...] Wir sind im Allgemeinen in unsrer vaterländischen Geschichte[3] weit weniger einheimisch, als die alten[10] Völker[1], weil man uns so viel als möglich abhält, Antheil an öffentlichen Geschäften zu nehmen: – und was wir allenfalls wissen, erregt unsre Theilnehmung in weit geringerm Grade, weil es derselben meist so wenig würdig ist..
[38] Fichte, Red. Dt. Nat. (1808), 335: Nachdem dieser Punct [sc. goldenes Zeitalter] erreicht ist, kann das Volk nicht mehr, denn entweder seine gelungensten Meisterstücke verändert wiederholen, also, dass sie aussähen, als ob sie etwas Neues[1] seyen, da sie doch nur das wohlbekannte Alte[1] sind; oder, wenn sie durchaus neu[1] seyn wollen, zum Unpassenden und Unschicklichen ihre Zuflucht nehmen, und ebenso in der Dichtkunst das Hässliche[1] mit dem Schönen[1] zusammenmischen, und sich auf die Carricatur und das Humoristische legen, wie sie in der Prosa[2] genöthigt sind, die Begriffe[1] zu verwirren und Laster und Tugend mit einander zu vermengen, wenn sie in neuen[1] Weisen reden wollen..
[39] G. Forster, Reise u. d. Welt I (1778), 230: Es ist würklich im Ernste zu wünschen, daß der Umgang der Europäer mit den Einwohnern der Süd-See-Inseln in Zeiten[6] abgebrochen werden möge, ehe die verderbten Sitten der civilisirtern Völker diese unschuldigen Leute anstecken, welche hier in ihrer Unwissenheit und Einfalt so glücklich leben..
[40] G. Forster, Cook (*1787; 1789), W 2, 213: Mit Erstaunen bemerkt man, daß die Völker Asiens, sie mögen wie die Chineser von Europa unabhängig geblieben, oder wie die in Bengalen, Java, den Molucken und Philippinen von unsern Kaufleuten unterjocht worden seyn, dennoch auf ihrer Stufe der Kultur[4] stille stehen, sich mit den Europäern nicht vermischen, und ihre eignen Sitten, Sprachen[3] und Gebräuche beybehalten. .
[41] G. Forster, Leitfad. Gesch. d. Menschh. (1789), 82: Kaum hatte ich jenes Gedicht wieder gelesen, so reihte sich in meinem Kopf ein ganzes Sistem der sogenannten Geschichte[4] der Menschheit[2] daran. Das Bindungsglied war jener so bekante, als gemißbrauchte Vergleich der verschiedenen Lebensepochen des einzelnen Menschen[1] mit den Stufen der Kultur[4] bei ganzen Familien und Völkern. .
[42] G. Forster, Leitfad. Gesch. d. Menschh. (1789), 282: Nur solche Völker, die in ihrer früheren Periode der Wollust glücklich entgangen, und in den Armen der Freiheit[6] zu männlicher Stärke herangewachsen sind, können und müssen zulezt den höchsten Gipfel der Bildung[5] ersteigen, wo die ganze Energie unseres Wesens sich in den feineren Werkzeugen der Empfindung und des Verstandes[2] am thätigsten erweiset. Nur dreimal, nur in Europa, und jedesmal in anderer Gestalt erblickte die Welt das Schauspiel dieser lezten Ausbildungsstufe. Einzig und unerreichbar erhob Athen zuerst ihr stolzes Haupt, da blühende Fantasie[1] und reiner Schönheitssinn in ihr die Erstlinge der Kunst[2] und Wissenschaft[1] erzeugten. Rom war nicht mehr frei[6], und die Beute der halben Welt hatte daselbst bereits das zügelloseste Sittenverderbniß angezündet, als es die Trümmer attischer Kultur[4] in seinem Schooß aufnahm, und glänzender durch Ueppigkeit als durch hohen Schwung des Genies[2], für seine künftigen Ueberwinder sie aufbewahrte. Schon war der sanfte Frühlingszauber von Duft und Blüte dahin, und die Periode römischer Aufklärung glich einem schwülen Sommertage, den am Abend ein Donnerwetter beschließt. Uns endlich, der Nachkommenschaft eines glücklichorganisirten Barbarenstammes, bei dem hernach das romantische[2/7] Feuer des Rittergeistes so schön[6] aufloderte, uns bleibt der Herbst mit seinen reifen Früchten noch übrig; wir ernten und keltern und füllen unsere 〈283〉 Scheuren, der Himmel weis, für welchen bevorstehenden Winter!.
[43] G. Forster, Ansichten I (1791), W 2, 494: Wir fragen immer, wann doch endlich die Türkei, sowohl in Europa als in Asien, im schönen Lichte der sittlichen Kultur[4] wieder aufblühen, wann gebildete Völker Afrika bewohnen werden? Mich dünkt, die Antwort könnte man sich leicht erträumen: Hunger und Kälte werden dereinst gewaltiger und unaufhaltsamer, als vor Zeiten der Fanatismus und der Ehrgeiz, wirken, um die Völker von Europa in hellen Haufen über jene barbarischen Welttheile hinzuströmen..
[44] G. Forster, Ansichten II (1791), W 2, 673: So würde es ebenfalls die Scheidung des Wesentlichen in der Kunst[10] von dem Zufälligen sehr erleichtern, wenn man erwöge, daß sogar die rohesten Völker, die entweder einen höchst unvollkommnen oder noch gar keinen Trieb zu materiellen Kunstgebilden äußern, bereits wahre Poësien[11] besitzen, welche, verglichen mit den geglätteten und künstlich in einander gefügten dichterischen Produkten der verfeinerten Kultur[5], diesen oft den Preis der Gedankenfülle, der Stärke und Wahrheit des Gefühls, der Zartheit und Schönheit der Bilder abgewinnen. Man begreift, wie diese Eigenschaften das einfache Hirtenlied, die Klagen und das Frohlocken der Liebe, den wilden Schlachtgesang, das Skolion beim Freudenmale und den rauschenden Götterhymnus eines Halbwilden bezeichnen können; denn sie gehen aus der schöpferischen Energie des Menschen unmittelbar hervor und sind unabhängig von dem Vehikel ihrer Mittheilung, der mehr oder minder gebildeten Sprache[3]. .
[45] G. Forster, Ansichten II (1791), W 2, 731: Wäre diese Dirne einem Reisenden in Ost- oder Westindien begegnet, so hätte er ihren barbarischen Kopfputz einer Abbildung werth geachtet und über das Ungeheure und Abentheuerliche[3] im Geschmack der ungebildeten Völker lang und breit disserirt [...]..
[46] G. Forster, Gel. Zunftzwang (1792), W 3, 369: Dagegen ist der Durst nach Erkenntnis und Wahrheit so tief in unsern unwillkührlichsten Trieben gegründet, so innig verwebt mit den wesentlichsten Bedürfnissen unserer Existenz, daß sogar die Völker Asiens, denen wir an Kultur[4] und Energie des Geistes[10] so weit überlegen sind, die Erweiterung des Wissens zu einer Vorschrift ihres Sittengesetzes erheben, daß es in Indien die unerlaßliche Pflicht des gelehrten Brahmen ist, Lehre und Unterricht zu verbreiten, und daß der schwärmerische Prophet Arabiens allen seinen Gläubigen im Koran gebietet, „nach Erkenntnis zu forschen bis an die entferntesten Enden der Erde“..
[47] G. Forster, Ansichten III (1794), W 2, 819: Birmingham kündigt sich nicht sehr vortheilhaft an. Es wimmelte zwar von Menschen auf den Straßen; allein sie sahen alle so ungewaschen und zerlumpt aus, daß wir wohl merkten, wir kämen in eine große Fabrikenstadt. Die Straßen in einigen Quartieren der Stadt sind enge, kothig, und mit elenden Häusern bebauet, die den armen Handwerkern und Tagelöhnern zum Aufenthalte dienen. Mitten in der Stadt sieht man indeß ansehnlichere Häuser und schönere Straßen; unter andern giebt es hier, wie in andern Städten Englands, vortreffliche Wirthshäuser. Ich bemerkte insbesondere die Shakspear-Tavern, ein stattliches Gebäude, wo äußere und innere Eleganz vereinigt sind. Indeß fiel sie mir nicht so wohl wegen dieser Eleganz, als wegen ihrer Benennung auf. Wie schön, und in welchem vortheilhaften Lichte, erscheint nicht die allgemeine Kultur[4] in diesem Lande selbst darin, daß die großen Männer, die es hervorgebracht hat, auf diese Art mit den Helden in eine Klasse gesetzt werden! Wann wird man es sich wohl in Deutschland einfallen lassen, einen Gasthof anzulegen, mit Lessings, Göthens, Schillers, Wielands Kopfe zum Schilde? – Dies ist gewiß keine so gleichgültige Sache, wie man denkt. Der Genius eines Volkes zeigt sich auch in diesen Dingen. .
[48] Goethe, an A. O. Blumenthal (28. 5. 1819), WA IV, 31, 158: Denn wie sich die lateinische Sprache[3] durch zufälliges, dann vorsätzliches Pfaffenverderbniß in die romanische[1] verlor und die südwestlichen Völker mit einer solchen Verkindischung sich begnügen mußten; so war nichts natürlicher[4], als daß begabte, freiere[5] Geister[32] von der ausgearteten absurden Tochter wieder zur hohen Mutter zurückkehrten..
[49] Goethe, Not. u. Abhdlg. (1829), WA I, 7, 27: Die Perser [...] zeigten sich, selbst entferntern Völkern, gefährlich, um so mehr den benachbarten. | Alle waren überwunden, nur die Griechen, uneins unter sich, vereinigten sich gegen den zahlreichen, mehrmals herandringenden Feind [...]. Dadurch ward Frist gewonnen, daß [...] Philipp von Macedonien eine Einheit gründen konnte die übrigen Griechen um sich zu versammeln und ihnen für den Verlust ihrer innern Freiheit[6] den Sieg über äußere Dränger vorzubereiten..
[50] Görres, Tt. Volksb. (1807), 278 f.: [U]nd wie mit dem Verlaufe der Geschichte die Cultur[4/6] sich mehr nach Westen zog, ziehen sich auch die Kreise enger um unsere Zeit[3] zusammen: vorzüglich aber das Mittelalter ist die Periode, wo die Gestalten sich am dichtesten aneinander drängen, wo hauptsächlich die Stiftung gegründet wurde, von der die gegenwärtige Generation noch die Zinsen zieht. Welch eine wunderseltsame Zeit[3] ist nicht dies Mittelalter, wie glühte nicht in ihm die Erde liebeswarm und lebenstrunken auf; wie waren die Völker nicht kräftige junge Stämme noch, nichts Welkes, nichts 〈279〉 Kränkelndes, alles saftig, frisch und voll, alle Pulse rege schlagend, alle Quellen rasch aufsprudelnd, Alles bis in die Extreme hin lebendig!.
[51] Günderrode, Bram. (1805), SW 1, 311: Eine heiße Liebe zu seinem Volk beseelte den Braminen, er trauerte über dessen Fall, als sey es sein eigner, und weidete sich an dessen voriger Größe; und der lebhafte Antheil, den auch ich daran nahm, machte mich ihm immer lieber; er lehrte mich die Geschichte seines Vaterlandes genauer kennen, und mit Erstaunen sah ich, daß Indiens Kultur[4] in ein Alterthum[2] hinauf reicht, wo die Zeitrechnungen anderer Völker noch ungeboren sind. Mögen, sagte er einst zu mir, die stolzen Europäer sich rühmen, der Mittelpunkt der gebildeten und aufgeklärten Welt zu seyn, im Morgenlande[2] ist doch jede Sonne aufgegangen, die die Erde erleuchtet und erwärmet hat; später und bleicher sendet sie ihre 〈312〉 Strahlen dem Abendlande[2]..
[52] v. d. Hagen, Vorr. Nibel. (1810), XIII: Unter diesen Umständen bleibt hier für eine kritische[4] Ausgabe nichts anderes übrig, als die älteste[1] Handschrift, welche die stärkste Vermuthung der Ursprünglichkeit für sich hat, zum Grunde zu legen. Solches ist denn auch bei den Nibelungen geschehen und im Ganzen die Hohen Emser Handschrift für die älteste[1] und ächteste angenommen; die anderen, und für jetzo besonders die Münchener, sind jedoch stark zu Rathe gezogen: einmal, weil sie gewiß nicht viel jünger sind, und dann, weil das Nibelungen Lied, gleich dem edlem Golde, durch sich selber und seine eigene Trefflichkeit, sich viel reiner erhalten hat, als viele andere Werke jener Zeit, und namentlich die meisten der noch übrigen Nazionalgedichte. Der eigene Umstand, daß es, eben so unbegreiflich als unverantwortlich, bald nach seiner herrlichen Erscheinung in der jetzigen Gestalt, bis in die neueste[3] Zeit[3], fast gänzlich verschollen und vergessen war, ist, wiewohl für das Deutsche Volk ein nicht zu berechnender Verlust, doch für das Gedicht selbst als ein Glück zu achten, indem es dadurch der besonders verderblichen Hand der späteren Abschreiber entzogen, und so wahrscheinlich der Untergang der guten alten[1] Handschriften verhindert wurde..
[53] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 59: Wie oft hört man sagen, daß eine europäische Schönheit[3] einem Chinesen oder gar einem Hottentotten mißfallen würde, indem dem Chinesen ein ganz anderer Begriff[1] von Schönheit[1] inwohne als dem Neger, und diesem wieder ein anderer als dem Europäer u. s. f. Ja betrachten wir die Kunstwerke[2] jener außer-europäischen Völker, ihre Götterbilder z. B., die als verehrungswürdig und erhaben aus ihrer Phantasie[1] entsprungen sind, so können sie uns als die scheußlichsten Götzenbilder vorkommen, und ihre Musik als die abscheulichste in die Ohren[2] klingen, während sie ihrer Seits unsere Skulpturen, Malereien, Musiken für unbedeutend oder häßlich[1] halten werden. ➢ Volltext.
[54] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 324: Im Schreiben werden die Sprachlaute auf wenige stets gleiche Zeichen zurückgeführt, und erscheinen in ihrer einfachen Bestimmtheit; beim Sprechen aber verwischt sich nur allzuoft diese Bestimmtheit, so daß nun besonders die Volkssprachen, wie das Süddeutsche, Schwäbische, Schweizerische, Laute haben, die sich in ihrer Vermischung gar nicht schreiben lassen. Dieß ist dann aber nicht etwa ein Mangel der Schriftsprache, sondern kommt nur von der Schwerfälligkeit des Volkes her. ➢ Volltext.
[55] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 312 f. (313): Die Assonanz [...] betrifft nicht den Anfangsbuchstaben, sondern geht schon dem Reim entgegen, insofern sie 〈313〉 eine gleichklingende Wiederholung derselben Buchstaben[7] in der Mitte oder an dem Ende verschiedener Wörter[1] ist. Diese assonirenden Wörter[1] brauchen nun zwar nicht schlechthin den Schluß eines Verses auszumachen, sondern können auch wohl an anderen Stellen vorkommen, hauptsächlich aber treten die Schlußsylben der Zeilen durch die Gleichheit einzelner Buchstaben[7], im Unterschiede der Alliteration, welche den Hauptstab in den Anfang des Verses stellt, in einen assonirenden Bezug aufeinander. Seiner reichhaltigsten Ausbildung nach weist dieses Assoniren nach den romanischen[2] Völkern, den Spaniern vornehmlich, hin, deren volltönende Sprache[3] sich insbesondere für die Wiederkehr derselben Vokale geeignet zeigt. Im Allgemeinen zwar ist die Assonanz auf die Vokale beschränkt; indessen darf sie Theils gleiche Vokale, Theils auch gleiche Konsonanten, Theils auch Konsonanten in Verbindung mit einem Vokale wiederklingen lassen. ➢ Volltext.
[56] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 466 f. (467): Den Grund für die allgemeine Gruppirung der vielfachen nationalen und individuellen lyrischen Produkte haben wir [...] aus den durchgreifenden Formen zu entnehmen, zu denen sich das künstlerische Hervorbringen überhaupt entfaltet, und welche wir als die symbolische, klassische[3] und romantische[9] Kunst[2] haben kennen lernen. Als Haupteintheilung müssen 〈467〉 wir [...] dem Stufengange folgen, der uns von der orientalischen[1] zu der Lyrik der Griechen und Römer, und von dieser zu den slavischen, romanischen[2] und germanischen Völkern herüberführt. ➢ Volltext.
[57] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 473 f. (474): Dieses Herüberneigen [der Epik] zur lyrischen Auffassung findet seinen wesentlichen Grund darin, daß sich das gesammte Leben dieser Nationen[1] aus dem Princip der Subjektivität entwickelt [...] und sich dieser subjektiven Vertiefung in sich mehr und mehr bewußt wird. Am ungetrübtesten und vollständigsten bleibt dieß Princip bei den 〈474〉 germanischen Stämmen wirksam, während sich die slawischen umgekehrt aus der orientalischen[1] Versenkung in das Substantielle und Allgemeine erst herauszuringen haben. In der Mitte stehn die romanischen[2] Völker, welche in den eroberten Provinzen des römischen Reichs nicht nur die Reste römischer Kenntnisse und Bildung[5] überhaupt, sondern nach allen Seiten hin ausgearbeitete Zustände und Verhältnisse vor sich finden, und, indem sie sich damit verschmelzen, einen Theil ihrer ursprünglichen Natur[1] dahingeben müssen. ➢ Volltext.
[58] Heine, Romant. Schule (1836), 22: Bei den Völkern wo die Poesie[22] ebenfalls das Unendliche darstellen wollte, und ungeheure Aus〈23〉geburthen der Phantasie[1] zum Vorschein kamen, z. B. bey den Skandinaviern und Indiern, finden wir Gedichte, die wir ebenfalls für romantisch[8] halten und auch romantisch[8] zu nennen pflegen. ➢ Volltext.
[59] Herder, Krit. Wäld. III (1769), 397: Die vortreflichste Bildersprache war ihr [sc. der griechischen Nation]. Sie, die im Plane des Schicksals der Völker zunächst hinter die Aegypter trafen, und Cultur[4], Kunst[1/2/6?] und Weisheit, ja wenn man will, auch Politische Glückseligkeit aus den Händen dieses Reichs [...] empfangen, sie, die den über Völker und Zeiten fortgehenden Faden der Cultur[3] des Menschlichen Geschlechts da auffassen sollten, wo er zunächst aus Aegyptischen Händen kam: sie erbten von diesen Allegoristen auch die reichste, die bedeutendste Bildersprache, die auf der Welt gewesen. .
[60] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 11: Die ältesten[1] Morgenländischen Sprachen[3] sind voll von Ausrüfen, für die wir spätergebildeten Völker oft nichts als Lücken, oder stumpfen, tauben Misverstand haben. ➢ Volltext.
[61] Herder, Engl. u. dt. Dichtk. (1777), 434: Lessing hat über zwo litthauische Lieder seine Stimme[6] gegeben: Kleist hat ein Lied der Lappen und Kannibalen nachgebildet, und Gerstenberg wie schöne Stücke der alten Dänen übersezt gegeben. Welche schöne Aernte wäre noch dahinten! – Wenn Leibniz den menschlichen Wiz[1] und Scharfsinn nie wirksamer erklärt als in Spielen; wahrlich so ist das menschliche Herz und die volle Einbildungskraft nie wirksamer als in den Naturgesängen solcher Völker. Sie öfnen das Herz, wenn man sie höret, und wie viele Dinge in unsrer künstlichen Welt schließen und mauern es zu! ➢ Volltext.
[62] Herder, Gesch. d. Menschh. I (1784), 40: Von Afrika wissen wir zu wenig, um über das Treiben und Drängen der Völker daselbst zu urtheilen. Die obern Gegenden sind, auch dem Menschenstamm nach, gewiß aus Asien besetzt, und Aegypten hat seine Cultur[3/7] wahrscheinlich nicht vom höhern Erd-Rücken seines vesten Landes, sondern von Asien aus erhalten..
[63] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 183 f. (184): Laßet uns also auf die Tugenden des Weibes[1] kommen, wie sie sich in der Geschichte[2] der Menschheit[2] offenbahren. Auch 〈184〉 unter den wildesten Völkern unterscheidet sich das Weib[1] vom Mann durch eine zärtere Gefälligkeit, durch Liebe zum Schmuck und zur Schönheit[3]; auch da noch sind diese Eigenschaften kennbar, wo die Nation[1] mit dem Klima[1] und dem schnödesten Mangel kämpfet. Ueberall schmückt sich das Weib[1], wie wenigen Putz es auch hie und da sich zu schmücken habe [...]. – – Reinlichkeit ist eine andre Weibertugend, dazu sie ihre Natur[12] zwingt und der Trieb zu gefallen reizet..
[64] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 184: Noch eines größern Ruhmes ist die sanfte Duldung, die unverdrossene Geschäftigkeit werth, in der sich ohne den Mißbrauch der Cultur[4], das zarte Geschlecht[2] überall auf der Erde auszeichnet. Mit Gelaßenheit trägt es das Joch, das ihm die rohe Uebermacht der Männer, ihre Liebe zum Müßiggange und zur Trägheit, endlich auch die Ausschweifungen seiner Vorfahren 〈185〉 selbst als eine geerbte Sitte auflegten und bei den armseligsten Völkern finden sich hierinn oft die größesten Muster..
[65] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 96 ff.: Sammlete Jemand eine Geschichte[7] der Juden[1] aus allen Ländern, in die sie zerstreuet sind; so zeigte sich damit ein Schaustück der Menschheit[1] [...]. Denn kein Volk der Erde hat sich wie dieses verbreitet: kein Volk der Erde hat sich wie dieses in allen Klimaten[2] so känntlich und rüstig erhalten. | Daß man hieraus aber ja keinen abergläubigen Schluß auf eine Revolution fasse, die durch dies Volk dereinst noch für alle Erdvölker bewirkt werden müßte! Die bewirkt werden sollte, ist wahrscheinlich bewirkt, und zu einer andern zeigt sich weder im Volk selbst noch in der Analogie der Geschichte[2] die mindeste Anlage. Die Erhaltung der Juden[1] erklärt sich eben so natürlich als die Erhaltung der Bramanen, Parsen und Zigeuner. | Uebrigens wird niemand einem Volk, das eine so wirksame Triebfeder in den Händen des Schicksals ward, seine großen Anlagen absprechen wollen, die in seiner ganzen Geschichte[3] sich deutlich zeigen. Sinnreich, verschlagen und arbeitsam wußte es sich jederzeit auch unter dem äußersten Druck andrer Völker wie 〈97〉 in einer Wüste Arabiens mehr als vierzig Jahr zu erhalten. [...] Zwar ist in Kunstsachen die Jüdische Nation[1], ob sie gleich zwischen Aegyptern und Phöniciern wohnte, immer unerfahren geblieben [...]. Auch sind sie, ob sie gleich eine Zeitlang die Hafen des rothen Meers besassen und den Küsten der mittelländischen See so nahe wohnten [...], dennoch nie ein Seefahrendes Volk worden. Wie die Aegypter, fürchteten sie das Meer und wohnten von jeher lieber unter andern Nationen[1] [...]. Kurz, es ist ein Volk, das in der Erziehung verdarb, weil es nie zur Reife einer politischen Cultur[4] auf eignem Boden, mithin auch nicht zum wahren Gefühl der Ehre und Freiheit[7] gelangte. In den Wissenschaften[1], die ihre vortreflichsten Köpfe trieben, hat sich jederzeit mehr eine gesetzliche Anhänglichkeit und 〈98〉 Ordnung, als eine fruchtbare Freiheit[1] des Geistes[22] gezeiget und der Tugenden eines Patrioten hat sie ihr Zustand fast von jeher beraubet. Das Volk Gottes[1] [...] ist [...] fast seit seiner Entstehung eine parasitische Pflanze[1] auf den Stämmen andrer Nationen[1], ein Geschlecht[7] schlauer Unterhändler beinah auf der ganzen Erde, das trotz aller Unterdrückung nirgend sich nach eigner Ehre und Wohnung, nirgend nach einem Vaterlande sehnet..
[66] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 144: Im vielgetheilten Lande schützte diesen Stamm sein Thal, jenen seine Küste und Insel, und so erwuchs aus der langen jugendlichen Regsamkeit zerstreuter Stämme und Königreiche die große freie[14] Denkart der Griechischen[2] Muse. Von keinem Allgemeinherrscher war ihnen Cultur[4] aufgezwungen worden; durch den Klang der Leier bei heiligen Gebräuchen, Spielen und Tänzen, [...] durch den vielfachen Umgang untereinander und mit andern Völkern nahmen sie freiwillig, jetzt dieser, jetzt jener Strich, Sittlichkeit und Gesetze an: auch im Gange zur Cultur[4] also ein Griechisches[2] Freivolk..
[67] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 146: Und so ward jenes einzige Gepräge der griechischen[2] Sprache[3], das nicht von stummen Gesetzen erpreßt, das durch Musik[6] und Tanz, durch Gesang und Geschichte[2], endlich durch den plauderhaften freien[13/6] Umgang vieler Stämme und Colonien wie eine lebendige Form der Natur[2] entstanden war. Die nordischen Völker Europens hatten bei ihrer Bildung[3] dies Glück nicht. Da ihnen durch fremde[1/5] Gesetze und durch eine Gesanglose Religion[1] ausländische Sitten gegeben wurden; so verstummete auch ihre Sprache[3]. Die Deutsche z. B. hat unstreitig viel von ihrer innern Biegsamkeit, von ihrer bestimmtem Zeichnung in der Flexion der Worte, ja noch mehr von jenem lebendigen Schall verlohren, den sie unter günstigem Himmelsstrichen ehedem hatte. Einst war sie eine nahe Schwester der griechischen[2] Sprache[3] und jetzt wie fernab von dieser ist sie gebildet! [...] Nur die griechische[2] Sprache[3] ist wie durch Gesang entstanden: denn Gesang und 〈147〉 Dichtkunst und ein früher Gebrauch des freien[6] Lebens hat sie zur Musensprache der Welt gebildet..
[68] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 163 f.: Allerdings [...] gaben die republicanischen Verfassungen, die mit der Zeit[1] überall in Griechenland eingeführet wurden, der Kunst[2] einen weitern Raum. In einem Gemeinwesen waren Gebäude zur Versammlung des Volks, zum öffentlichen Schatz, zu gemeinschaftlichen Uebungen und Vergnügungen nöthig, und so entstanden z. B. in Athen die prächtigen Gymnasien, Theater und Galerien, das Odeum und Prytaneum, der Pnyx u. f. Da in den griechischen[2] Republiken alles im Namen des Volks oder der Stadt getrieben ward: so war auch nichts zu kostbar, was auf die Schutzgötter derselben oder auf die Herrlichkeit ihres Namens verwandt wurde, dagegen einzelne, selbst die vornehmsten Bürger sich mit schlechteren Häusern begnügten. Dieser Gemeingeist, alles wenigstens dem Scheine nach für das Ganze zu thun, war die Seele der griechischen[2] Staaten, den ohne Zweifel auch Winckelmann meinte, wenn er die Freiheit[6] der 〈164〉 griechischen[2] Republiken als das Goldne Zeitalter der Kunst[2] pries. Pracht und Größe [...] flossen in dem zusammen, was den Staat anging. [...] Perikles [...] that mehr für die Künste[2], als zehn atheniensischen Könige würden getan haben. Alles was er bauete, war im großen Geschmack, weil es den Göttern[4] und der ewigen Stadt gehörte; und gewiß würden wenige der griechischen[2] Städte und Inseln solche Gebäude errichtet, solche Kunstwerke[4] befördert haben, wenn sie nicht voneinander getrennte, im Ruhm wetteifernde Freistaaten gewesen wären. Da überdem bei demokratischen Republiken der Führer des Volks dem Volk gefallen mußte, was wählte er lieber als die Gattung des Aufwandes, die nebst dem Wohlgefallen der Schutzgötter auch dem Volk in die Augen fiel und viele Menschen[1] nährte?.
[69] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 230: Auch die Pelasgischen Stämme kamen als halbverwilderte Wanderer an diese oder jene Italienische Küste [...]. Hier drängeten sich mehrere Völker zusammen: so daß auch die Etruskische Sprache[3] ein Gemisch mehrerer Sprachen[3] scheinet; [...] dem vielbewohnten Italien war also die Blüthe der Bildung[3] aus Einem reinen Keime versagt. Schon daß der Apennin voll roher Bergvölker mitten durch Italien streichet, ließ jene Einförmigkeit Eines Reiches oder National-Geschmacks nicht zu, auf welche sich doch allein die veste Dauer einer allgemeinen Landes-Cultur gründet..
[70] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 230 f.: Auch die Etrusker also wurden bald von mehreren Völkern be〈231〉dränget; und da sie mehr ein handelndes als ein kriegerisches Volk waren: so mußte selbst ihre gebildetere Kriegskunst beinahe jedem neuen Anfall wilderer Nationen[1] weichen..
[71] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 294 f. (295): Jedermann weiß, [...] wie theuer z. B. Sicilien des Cicero Rede gegen den Verres, wie theuer Rom und ihm selbst seine Reden gegen Catilina, seine Angriffe auf den Antonius gewesen u. f. Damit eine Perle gerettet würde, 〈295〉 mußte also ein Schiff untergehen, und tausend Lebendige kamen um, blos damit auf ihrer Asche einige Blumen wüchsen, die auch der Wind zerstäubet. Um eine Aeneis des Virgils, um die ruhige Muse eines Horaz und seine urbanen Briefe[3] zu erkaufen, mußten Ströme von Römerblut vorher vergossen, zahllose Völker und Reiche unterdrückt werden; waren diese schönen[6] Früchte eines erpreßten Goldnen Alters solches Aufwandes werth? Mit dem Römischen Rechte ists nicht anders; denn wem ist unbekannt, welche Drangsale die Völker dadurch erlitten, wie manche menschlichere Einrichtung der verschiedensten Länder dadurch zerstört worden? Fremde[1] Völker wurden nach Sitten gerichtet, die sie nicht kannten; sie wurden mit Lastern und ihren Strafen vertraut, von welchen sie nie gehört hatten; ja endlich der ganze Gang dieser Gesetzgebung, der sich nur zur Verfassung Roms schickte, hat er nicht nach tausend Unterdrückungen den Charakter[1] aller überwundenen Nationen[1] so verlöscht: so verderbet, daß, statt des eigenthümlichen Gepräges derselben, zuletzt allenthalben nur der römische Adler erscheint, der nach ausgehackten Augen und verzehrten Eingeweiden traurige Leichname von Provinzen mit schwachen Flügeln deckte. Auch die lateinische Sprache[3] gewann nichts durch die überwundnen Völker, und diese gewannen nichts durch jene. Sie ward verderbt und zuletzt ein Romanisches[1] Gemisch nicht nur in den Provinzen, sondern in Rom selbst..
[72] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 321 f.: Selbst unsre kurze Geschichte[7] beweiset es daher schon klar, daß mit der wachsenden wahren Aufklärung der Völker die menschenfeindlichen, sinnlosen Zerstörungen derselben sich glücklich vermindert haben. Seit Roms Untergange ist in Europa kein cultiviertes Reich mehr entstanden, das seine ganze Einrichtung auf Kriege und Eroberungen gebauet hätte; denn die verheerenden Nationen[1] der mittleren Zeiten[3] waren rohe, wilde Völker. Je mehr aber auch sie Cultur[4] empfingen und ihr Eigenthum liebgewinnen lernten, desto mehr drang sich ihnen unvermerkt, ja oft wider ihren Willen, der schönere[1], ruhige Geist[14] des Kunstfleißes, des Ackerbaues, des Handels und der Wissenschaft[1] auf. Man lernte nutzen ohne zu vernichten, weil das Vernichtete sich 〈322〉 nicht mehr nutzen läßt, und so ward mit der Zeit[1], gleichsam durch die Natur[1] der Sache selbst, ein friedliches Gleichgewicht zwischen den Völkern, weil nach Jahrhunderten wilder Befehdung es endlich alle einsehen lernten, daß der Zweck, den Jeder wünschte, sich nicht anders erreichen ließe, als daß sie gemeinschaftlich dazu beitrügen..
[73] Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 225 f.: Das Band [...], dadurch alle römisch-katholische Länder unläugbar vereint wurden, die lateinische Mönchssprache, hatte auch manche Knoten. Nicht nur wurden die Muttersprachen der Völker[1], die Europa besassen, und mit ihnen die Völker[1] selbst in Roheit erhalten; sondern es kam unter andern auch hiedurch insonderheit das Volk[5] um seinen letzten Antheil an öffentlichen Verhandlungen, weil es kein Latein konnte. Mit der Landessprache ward jedesmal ein großer Theil des Nationalcharakters aus den Geschäften der Nation[1] verdrängt, wo〈226〉gegen sich mit der lateinischen Mönchssprache auch jener fromme Mönchsgeist einschlich, der zu gelegener Zeit[7] zu schmeicheln, zu erschleichen, wohl auch zu verfälschen wußte. Daß die Acten sämmtlicher Nationen[1] Europa's, ihre Gesetze, Schlüsse, Vermächtnisse, Kauf- und Lehninstrumente, endlich auch die Landesgeschichte so viele Jahrhunderte hindurch latein geschrieben wurden; dies konnte zwar der Geistlichkeit, als dem gelehrten Stande sehr nützlich, den Nationen[1] selbst aber nicht anders als schädlich seyn. Nur durch die Cultur[3] der vaterländischen Sprache[3] kann sich ein Volk[1] aus der Barbarei heben; und Europa blieb auch deshalb so lange barbarisch, weil sich dem natürlichen[3] Organ[1] seiner Bewohner, fast ein Jahrtausend hin, eine fremde[5] Sprache[3] vordrang, ihnen selbst die Reste ihrer Denkmahle nahm und auf so lange Zeit[6] einen vaterländischen Codex der Gesetze, eine eigenthümliche Verfassung und Nationalgeschichte ihnen ganz unmöglich machte..
[74] Herder, Bef. d. Hum. VI (1795), 178: [D]ie Erziehung eines jeden Volks fängt elementarisch mit dem Essen an. Wo dieses noch nicht mit Ordnung, Reinlichkeit und Geschmack geschiehet, da ist die Cultur[3] noch nicht beim Anfange. Dieser Tafelgenuß, der in einer Handelstadt, wo man auf innere Güte achtet, zuerst den guten Grad der Vollkommenheit erreicht, hilft bilden..
[75] Herder, Bef. d. Hum. VII (1796), 144: Einen [...] Feind hatte die Bildnerinn der Sitten, die Poesie[1], an den Sitten [...] im mittleren Zeitalter. Kriegerischen Völkern ertönt nur die Tuba; unterjochte, Bäurische Völker sangen rohe Volksgesänge; Kirchen und Klöster Hymnen. Wenn aus dieser Mischung ungleichartiger Dinge nach Jahrhunderten ein Klang hervorging; so wars ein dumpfer Klang, ein vielartiges Sausen. [...] Er heißt Abentheuer, Roman[1]; ein Inbegriff des wunderbarsten, vermischtesten Stoffs, der ursprünglich nur ununterrichteten Ohren[4] gefallen sollte, und sich [...] von der Vorwelt her über Meer und Länder in wilder Riesengestalt erstreckte. Von den Arabern her bestimmten drei Ingre〈145〉dientien den Inhalt dieser Sagen, Liebe, Tapferkeit und Andacht [...]..
[76] Herder, Bef. d. Hum. X (1797), 249: Am wenigsten kann also unsre Europäische Cultur[4] das Maas allgemeiner Menschengüte und Menschenwerthes seyn; sie ist kein oder ein falscher Maasstab. Europäische Cultur[4] ist ein abgezogener Begriff[1], ein Name. Wo existiert sie ganz? bei welchem Volk? in welchen Zeiten[3]? Ueberdem sind mit ihr (wer darf es läugnen?) so viele Mängel und Schwächen, so viele Verzuckungen und Abscheulichkeiten verbunden, daß nur ein ungütiges Wesen diese Veranlassungen höherer Cultur[4] zu einem Gesammt-Zustande unsres ganzen Geschlechts machen könnte. Die Cultur[4] der Menschheit[2] ist eine andre Sache; Ort- und Zeitmäßig sprießt sie allenthalben hervor, hier reicher und üppiger, dort ärmer und kärger. Der Genius der Menschen-Naturgeschichte lebt in und mit jedem Volk, als ob dies das einzige auf Erden wäre. .
[77] Herder, Bef. d. Hum. X (1797), 287: [N]ehmen wir an, was auch die Geschichte lehret, daß fast alle Völker der Erde einmal in einem roheren Zustande gelebet, und nur von wenigen die Cultur[4] auf andre gebracht sei; was folget daraus?.
[78] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 43: Adel[2]. Fast bei allen Völkern der alten[9] und neuen[5] Welt, findet man, sobald sie sich ein Wenig über die Stufe der eigentlichen Wildheit erhoben haben, sobald die Cultur[3] eine günstige Veränderung in ihrem Zustande macht, und sie sich unter ein religiöses und moralisches Gesetz beugen, eine Klasse[2] von Menschen[1], welche gewisse Vorrechte vor den andern genießt, welche die Wissenschaften[2], die Künste[2], so weit sie bei dem Volke ausgebildet sind, besitzt, und 〈44〉 nicht selten auf die Regierung den größten Einfluß hat. So war es in Otaheite, in Indien, in Mexiko, in Afrika, so war und ist es noch jetzt in Europa. Woher diese Rechte der einen Klasse[2] stammen, möchte vielleicht gar nicht zu ergründen sein, wenigstens ist man, so viel auch schon darüber geschrieben wurde, zu keinem Resultat gekommen..
[79] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 326: Von den fünf Hauptgattungen des Menschengeschlechts findet man in Asien vier: die kaukasische, die mogolische, malayische und äthiopische: die kaukasischen Völker (zu welchen Tataren, Türken, Cirkassier, Kurden, Syrier, Juden[1], Armenier, Araber, Parsen, Perser etc. gehören) sind schön[1], haben edle Gesichtsbildung, schlanken Körperbau, kraftvolle Glieder, große, seelenvolle Augen, hohe Stirnen, schöne[1] Braunen, edel gebogene Nasen, mittelmäßige Lippen, stolze Haltung..
[80] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 337: Die Asturier rühmen sich das einzige Volk in Spanien zu sein, welches sich von Vermischung mit Mauren und Juden[1] frei[1] gehalten hat, daher sie über alle Maßen stolz sind..
[81] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 297 f. (298): Eisen. Dieses Metall, das merkwürdigste unter allen, ist aus uralten Zeiten[6] her schon bekannt, und beinahe eine Bedingung der Kultur[4] des menschlichen Geschlechts geworden, indem viele tausend Gegenstände nicht ohne Eisen gemacht werden können. Man bedarf des Eisens, um eine Feder zu schneiden, Eisen enthält die Tinte, mit welcher geschrieben wird, Eisen braucht man, um die Lumpen, aus denen Papier gemacht wird, zu zerschneiden, Eisen, um sie sein zu mahlen, Eisen, um den Draht zu ziehen, der zu den Papierformen verwendet wird, eiserne 〈298〉 Stempel muß man haben, um die Buchstaben[2] für den Buchdrucker zu gießen, und dieser braucht eiserne Pressen um zu drucken etc. Die Völker, welche mit dem Gebrauch und der Verwendung des Eisens am vertrautesten sind, stehen auch auf der höchsten Stufe der Kultur[4]..
[82] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 222: Namentlich an der französischen Gesangmethode, die so nahe an Declamation grenzt, sieht man, wie ungern dieses Volk zu sprechen aufhört, und sich zum Singen entschließt. Durch seinen recitirenden Charakter[1] tritt der französische Gesang am meisten dem italienischen entgegen. Selbst die Sprache[3] mit ihren verschluckten Endsylben und dem tonlosen Flüstern zeigt sich der Musik feindlich..
[83] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 451: Glyptothek, das stolze und klassische[8] Prachtgebäude in München, zur Aufbewahrung der kostbarsten Kunstwerke der Bildhauerarbeit aller Zeiten[3] und Völker..
[84] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VI (1836), 20: Juden[1], die Nachkommen der Patriarchen, daher auch die Kinder Israel und nach Abraham, Hebräer genannt, das Volk, aus welchem der Welterlöser hervorging. Erst [...] um das Jahr 588 vor Chr. erhielt es den Namen der Juden[1], weil [...] aus dem Stamme Juda, der Messias hervorgehen sollte..
[85] Hirt, Baukunst (1809), 3: Durch das Studium der Geschichte[3] wird der Baumeister mit den Denkmälern aller Völker und Zeiten[3] bekannt [...]. Die geschichtliche Forschung zeigt ihm bestimmt, welche Monumente er zum Vorbild wählen, und welche er für immer verwerfen soll. Dadurch wird seine Einsicht sicher, bestimmt, fest. Keine Constructionsart, und keine Verzierung bleibt ihm fremd[4]: er weiß jedes gehörig zu würdigen, und die Ursache anzugeben, warum er wählt, und warum er verwirft. So wie jetzt das Studium der Baukunst steht, ist eine feste Begründung desselben bloß durch die Geschichte[4] möglich..
[86] Hoven, Lebenserinn. (1840), 354: Schon der immer größere Verkehr der Völker[1] mittelst des sich stets verbreitenden Handels, ihr Näherrücken aneinander mittelst der Dampfschiffahrt und der Eisenbahnen, die Verbrüderung derselben mittelst der erkannten Gleichheit ihrer Interessen, alles dieses muß sie notwendig zu der Überzeugung führen, daß sie Freunde sein müssen, und wenn es einmal so weit gekommen ist, daß die Völker[1] sich als Freunde und Brüder ansehen und behandeln, wie wollte es wohl ein Fürst anfangen, sein Volk[1/4] zu einem Kriege mit einem andern zu vermögen? Das Interesse des einen Volkes[1] ist auch das Interesse des andern, alle Völker[1] würden ihr gemeinsames Interesse wahren, und ein Krieg des einen gegen das andere wäre ein unsinniges Beginnen ihrer Fürsten. So realisierte sich die Idee eines ewigen Friedens von selbst, und welche unabsehbare Folgen würden sich nicht an die Realisierung dieser Idee knüpfen, nicht allein in Hinsicht der materiellen Interessen, sondern auch der moralischen?.
[87] A. v. Humboldt, Basalte Rhein (1790), 21: Es ist in der That rührend zu lesen, wie kläglich der Herr Abt den sittlichen Zustand eines Volks in unbasaltischen Gegenden schildert. Die Einwohner des nördlichen Deutschlands und der Schweiz werden zu schlaffen, sinnlichen Menschen[1] herabgewürdigt. Die Harzgegend sinkt in der Cultur[4] tief unter die Rheinischen und Hessischen Gebirge herab; die Basalte erscheinen als ein lange verkanntes Beförderungsmittel [...] zur schnellen Aus〈22〉breitung der Reformation etc..
[88] A. v. Humboldt, Einl. Königr. Neuspanien (1809), CVIII f. (CIX): Es gibt wenige Länder, die ein so mannigfaltiges Interesse einflössen als das Thal von Tenoch〈CIX〉titlan, der Sitz einer alten[1] Cultur[7] mexicanischer Völker..
[89] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 12 f. (13): Hier begnügen wir uns, die Aufgabe einer möglichen Verbindung beider Meere in ihrer ganzen Allgemeinheit zu betrachten. Wir werden neun verschiedene Puncte angeben, [...] welche alle eine größere oder geringere 〈13〉 Möglichkeit zu Canälen oder innern Stromverbindungen darbieten. In einem Zeitpuncte, in dem der neue[3] Continent, Vortheil ziehend aus dem unglücklichen Zwiste europäischer Völker, mit Riesenschritten auf dem Wege der Cultur[3] fortrückt; in dem die Handelsverbindungen mit China und der nordwestlichen Küste von America mit jedem Jahre an Ausdehnung gewinnen; in einem solchen Zeitpuncte ist der Gegenstand, der uns in diesem Kapitel beschäftiget [...] von der äußersten Wichtigkeit..
[90] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 108: Durch die hieroglyphischen Gemälde der Azteken ist uns [...] das Andenken an die Hauptepochen der großen americanischen Völkerwanderung überliefert worden. Sie hat einige Aehnlichkeit mit derjenigen, welche Europa im fünften Jahrhundert in einen Zustand von Barbarei gestürzt, dessen traurige Folgen wir noch in mehrerern unserer gesellschaftlichen Institutionen nachfühlen müssen. Die Völker hingegen, welche Mexico durchzogen, ließen daselbst Spuren von Civilisation und Cultur[4] zurück..
[91] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 111: Auf dem alten[1] Continent sehen wir die Cultur[1] der Cerealien und den Gebrauch der Milch von den ältesten[1] Epochen her, zu denen die Geschichte[4] aufsteigt, eingeführt. Die Bewohner des neuen[3] Continents hingegen bauten keine andere Grasgewächse, als den Mais, [...] und nährten sich von gar keiner Art von Milchwerk, unerachtet ihnen die Lamas, die Alpaka's und zwo ganz eigene, ursprünglich dem Land angehörige, Stiergattungen im Norden von Mexico und Canada Milch im Ueberfluß anboten. – Dieß sind sehr auffallende Contraste zwischen Völkern der mongolischen und americanischen Menschenraçe!.
[92] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 112: Da die Wanderungen der americanischen Völker immer, wenigstens vom sechsten bis zum zwölften Jahrhundert, von Norden nach Süden gegangen sind, so ist es ganz klar, daß die indianische Bevölkerung von Neu-Spanien aus sehr heterogenen Elementen bestehen muß. In dem Maaß, wie die Bevölkerung sich südlich wandte, hielten einige Stämme auf ihren Wanderungen stille, und vermischten sich mit den Völkern, welche ihnen gerade nachfolgten; und wirklich beweist die große Manigfaltigkeit von Sprachen[3], welche noch heutzutag im Königreich von Mexico gesprochen werden, eine eben so große Manigfaltigkeit von Raçen[1] und Abstammungen..
[93] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 113: Weit entfernt, blosse Dialecte[1] einer einzigen Sprache[3] zu seyn, (wie einige Schriftsteller mit Unwahrheit behauptet haben,) sind diese Sprachen[3] vielmehr zum mindesten eben so verschieden von einander, als das griechische von dem deutschen, oder das französische von dem polnischen. [...] Diese Manigfaltigkeit von Idiomen bei den Völkern des neuen[3] Continents, (man darf sie ohne Uebertreibung zu mehrern Hunderten annehmen,) ist, besonders in Vergleichung mit den wenigen Sprachen[3] von Asien und Europa, ein äußerst auffallendes Phänomen..
[94] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 116: Zur Verschiedenheit der Gesichtszüge in einem Volke trägt überhaupt die intellectuelle Cultur[4] am meisten bei, und bei noch barbarischen Völkern giebt es mehr eine Stamm- oder Horden-Physiognomie, als den Individuen eigenthümliche Physiognomien. Vergleicht man die Hausthiere mit denen, welche in Wäldern leben, so glaubt man dieselbe Bemerkung zu machen. Ueberdieß ist der Europäer bei seinem Urtheil über die große Aehnlichkeit der Raçen[1] mit schwarzbrauner Haut einer besondern Täuschung ausgesetzt; indem er sich durch eine, von der unsrigen so verschiedene, Hautfarbe überrascht findet, und die Gleichstimmigkeit des Colorits die Verschiedenheit der individuellen Züge lange Zeit[6] in seinen Augen verschwinden macht..
[95] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 117 f.: Die Eingebornen von Neu-Spanien haben eine noch weit dunkler braune Hautfarbe, als die Bewohner der heissesten Länder des südlichen America's. Diese Erscheinung ist um so merkwürdiger, da in der kaukasischen Raçe[1], welche man auch die europäisch-arabische Raçe[1] nennen könnte, die mittäglicheren Völker eine minder weisse Haut haben, als die nördlichen. Haben daher verschiedene asiatische Nationen[1], welche Europa im sechsten Jahrhundert überschwemmten, auch gleich ein sehr dunkles Colorit; so scheint es doch, daß die Abweichungen der Hautfarbe bei den Völ〈118〉kern der weissen Raçe[1] weniger ihrem Ursprung und ihrer Vermischung, als dem Local-Einfluß des Klima's[1] zuzuschreiben sind. Die Wirkung dieses Einflusses scheint bei den Americanern und Negern indeß gar nicht statt zu finden; indem diese Raçen[1], bei welchen sich der Kohlen-Wasserstoff in reichlicher Menge auf die Malpighi'sche Schleim- oder Nez-Haut absetzt, den Eindrücken der sie umgebenden Luft ganz besonders widerstehen..
[96] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 128: Wenn von der französischen oder deutschen Nation[1] dereinst nichts, als arme Landleute übrig wären, würde man es in ihren Gesichtszügen lesen können, daß sie Völkern angehört haben, die einen Descartes, Clairaut, Keppler und Leibnitz hervorgebracht haben?.
[97] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 133: Die Americaner hängen, wie die Bewohner vom Indostan, und alle andere Völker, die lange unter bürgerlichem und religiösem Despotismus geschmachtet haben, mit außerordentlicher Hartnäckigkeit an ihren Gewohnheiten, Sitten und Meinungen; denn die Einführung des Christenthums hat auf die Eingebornen von Mexico fast keine andre Wirkung gethan, als daß sie an die Stelle der Ceremonien eines blutigen Cultus neue Ceremonien, und Symbole einer sanften, menschlichen Religion[1] setzte..
[98] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 136: Da die Ureinwohner fast alle zur Classe[2] der Bauren und des niedrigen Volks[5] gehören, so ist es nicht leicht, über ihre Anlagen für Künste[6] der Lebensverschönerung zu urtheilen. Indessen kenn ich keine Menschenraçe, welche ärmer an Einbildungskraft[1] zu seyn schiene. Gelangt ein Indianer auf einen gewissen Grad von Cultur[4], so zeigt er eine große Leichtigkeit zu lernen, viel richtigen Verstand[4], natürliche[2] Logik, und eine besondre Neigung zu subtilisieren, oder die feinsten Verschiedenheiten zwischen mehreren zu vergleichenden Gegenständen aufzufassen. Dabei räsonnirt er kalt, aber mit Ordnung, ohne jedoch jene Beweglichkeit der Einbildungskraft[1], jenes Colorit der Empfindung, jene Kunst[6] zu schaffen und hervorzubringen zu zeigen, welche die Völker[1] des südlichen Europa's und mehrere africanische Neger-Stämme characterisirt. Ich spreche diese Meinung indeß mit Vorbehalt aus; indem man äußerst vorsichtig im Urtheil über das seyn seyn soll, was man moralische oder intellectuelle Anlagen der Völker[1] zu nennen wagt, von denen wir durch so manche Scheidewand der Verschiedenheit der Sprachen[3], der Gewohnheiten und Sitten getrennt sind..
[99] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 167 f. (168): Keine von allen Städten des neuen[3] Continents, selbst die der vereinigten Staaten nicht ausgenommen, ist im Besitze so großer und fest gegründeter wissenschaftlicher Anstalten, als die Hauptstadt von Mexico. Ich nenne hier nur [...] die Maler und Bildhauer-Academie. [...] Die Regierung hat hier ein geräumiges Gebäude angewiesen, worin sich eine weit schönere[6] und vollständigere Sammlung von Gyps-Abgüßen befindet, als man sie irgendwo in Deutschland antrifft. Man erstaunt darüber, wie der Apoll von Bel〈168〉vedere, die Gruppe des Laocoon und andre noch colossalere Statuen über Gebirgswege, welche wenigstens so eng sind, als die von St. Gotthard, gebracht werden konnten, und ist nicht minder überrascht, die Meisterwerke des Alterthums[3] unter der heißen Zone [...] vereinigt zu sehn [...]. [...] In dem Academie-Gebäude, oder vielmehr in einem der dazu gehörigen Höfe sollte man die Reste mexicanischer Bildhauerei, die kollossalen Statuen von Basalt und Porphyr, welche mit aztekischen Hieroglyphen bedeckt sind, und manche Aehnlichkeit mit dem Styl der Egyptier und Hindu's haben, gesammelt aufstellen; denn es wäre gewiß merkwürdig, diese Denkmale der ersten Cultur[4] unsrer Gattung, diese Werke eines halbbarbarischen Volkes, das die mexicanischen Anden bewohnte, neben den schönen[1] Formen zu sehen, welche unter Griechenlands und Italiens Himmel gebohren wurden..
[100] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 191: Wahrlich wenn wir in Betrachtung ziehen, daß das, was wir heutzutag Spanier nennen, ein Gemisch von Alanen und andern tartarischen Horden mit den Visigothen und den alten[5] Bewohnern Iberiens ist; erinnern wir uns ferner der auffallenden Aehnlichkeit, welche zwischen den meisten europäischen Sprachen[3], dem Sanskrit und dem Persischen Statt findet, und denken wir über den asiatischen Ursprung der Nomaden-Stämme nach, welche seit dem siebenten Jahrhundert in Mexico eingedrungen sind, so möchte man glauben, daß ein Theil dieser Völker, welche sich nach langen Streifzügen, und nachdem sie, so zu sagen, die Reise um die Welt gemacht hatten, wieder auf dem Rücken der Cordilleren zusammen fanden, von einem Punct, aber auf völlig entgegengesetzten Wegen, ausgegangen sind..
[101] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 203 f. (204): Vergessen wir ja nicht, daß sich die Gesellschaft in den vereinigten Staaten ganz anders, als in Mexico und den übrigen Continental-Gegenden der spanischen Colonien ge〈204〉bildet hat. Als die Europäer in die Alleghany-Gebirge eindrangen, fanden sie nichts, als ungeheure Wälder, in welchen einige Stämme von einem Jägervolk umherirrten, das durch nichts an seinen ungebauten Boden gefesselt war. Bei der Annäherung der neuen[1] Colonisten zogen sich die Urbewohner nach den westlichen Weideplätzen zurück, welche an den Mississipi und den Missury gränzen. So wurden freie[6] Menschen[1] Einer Raçe[1] und Eines Ursprungs die ersten Elemente eines entstehenden Volks..
[102] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 138: Daß man die Werke der Alten[10] mit Recht zu Mustern anpreiset, und die Verfasser derselben classisch[3] nennt, gleich einem gewissen Adel[4] unter den Schriftstellern, der dem Volke[1/5] durch seinen Vorgang Gesetze giebt: scheint Quellen des Geschmacks a posteriori anzuzeigen, und die Autonomie desselben in jedem Subjecte zu widerlegen..
[103] Kant, Gemeinspruch (1793), 245 ff. (247): Derjenige nun, welcher das Stimmrecht in dieser Gesetzgebung hat, heißt ein Bürger (citoyen, d. i. Staatsbürger, nicht Stadtbürger, bourgeois). Die dazu erforderliche Qualität ist, außer der natürlichen[1] (daß es kein Kind, kein Weib[1] sei), die einzige: daß er [...] irgend ein Eigenthum habe (wozu auch jede Kunst[1], Handwerk, oder schöne[2] Kunst[1], oder Wissenschaft[1] gezählt werden kann), welches ihn ernährt; [...] 〈246〉 [...] folglich daß er niemanden als dem 〈247〉 Gemeinen Wesen im eigentlichen Sinne[1] des Worts[1] Diene. Hier sind nun Kunstverwandte und große (oder kleine) Gutseigenthümer alle einander gleich, nehmlich jeder nur zu einer Stimme[8] berechtigt. Denn, was die letztern betrift,[...] so würde es schon wider den [...] Grundsatz der Gleichheit streiten, wenn ein Gesetz sie mit dem Vorrecht des Standes privilegirte, daß ihre Nachkommen entweder immer große Gutseigenthümer (der Lehne) bleiben sollten, ohne daß sie verkauft oder durch Vererbung getheilt und also mehreren im Volk zu Nutze kommen dürften, oder, auch selbst bei diesen Theilungen, niemand als der zu einer gewissen willkürlich dazu angeordneten Menschenklasse Gehörige davon etwas erwerben könnte..
[104] Kant, Gemeinspruch (1793), 249 f.: Allein dieser Vertrag (contractus originarius oder pactum sociale genannt), als Koalizion jedes besondern und Privatwillens in einem Volk zu einem gemeinschaftlichen und öffentlichen Willen [...], ist keinesweges als ein Faktum vorauszusetzen nöthig (ja als ein solches gar nicht möglich); gleichsam als ob allererst aus der Geschichte[3] vorher bewiesen werden müßte, daß ein Volk, in dessen Rechte und Verbindlichkeiten wir als Nachkommen getreten sind, einmal wirklich einen solchen Aktus verrichtet, und eine sichere Nachricht oder ein Instrument[8] davon uns, mündlich oder schriftlich, hinterlassen haben müsse, um sich an eine schon bestehende Bürgerliche Verfassung 〈250〉 für gebunden zu achten. Sondern es ist eine bloße Idee der Vernunft[1], die aber ihre unbezweifelte (praktische) Realität hat: nehmlich jeden Gesetzgeber zu verbinden, daß er seine Gesetze so gebe, als sie aus dem vereinigten Willen eines ganzen Volks haben entspringen können, und jeden Unterthan, so fern er Bürger sein will, so anzusehen, als ob er zu einem solchen Willen mit zusammen gestimmet habe. Denn das ist der Probierstein der Rechtmäßigkeit eines jeden öffentlichen Gesetzes. Ist nehmlich dieses so beschaffen, daß ein ganzes Volk unmöglich dazu seine Einstimmung geben könnte (wie z. B. daß eine gewisse Klasse[2] von Unterthanen erblich den Vorzug des Herrenstandes haben sollten), so ist es nicht gerecht; ist es aber nur möglich, daß ein Volk dazu zusammen stimme, so ist es Pflicht, das Gesetz für gerecht zu halten: gesetzt auch, daß das Volk itzt in einer solchen Lage, oder Stimmung seiner Denkungsart wäre, daß es, wenn es darum befragt würde, wahrscheinlicherweise seine Beistimmung verweigern würde [...]..
[105] Kant, Religion (1793), 273 f. (274): So ist es nun mit allem Geschichts- und Erscheinungsglauben bewandt: daß nämlich die
[106] Kolbe, Wortmeng. (1809), 108: Kränkeln wir, in selbstsüchtigem Dünkel noch immer an dem Wahn, daß wir, eine winzige Anzahl Gebildeter, die Gesamtheit vertreten oder gar einzig das Volk[1] sind? Den Kern der Nation[1], den kräftigsten, besten Teil derselben, bilden vielmehr jene Klassen[2], die wir abschäzig das Volk[5] nennen, sie, die von fremdem[1] Einflus unverdorben, den Urcharakter des Deutschen allein noch festgehalten haben; sie, auf deren Sin[9] und Manheit allein noch die Hofnung einer besseren Zukunft sich gründet..
[107] Kolbe, Wortmeng. (1809), 109: Eben die leichte Beweglichkeit unsrer Rede, jene Geschmeidigkeit, womit sie dem Willen des Schreibenden sich fügt, möchte das nachlässige Treiben so vieler unsrer Federmänner erklären. Die Tugenden der Sprache[3] haben die Untugenden der Schriftsteller erzeugt. Reichtum gebiert Habsucht. Wer viel hat, der verlangt ungenügsam nur immer mehr und mehr. Auch wird dem, der zu finden gewohnt ist, ohne zu suchen, das Suchen endlich lästig; und wer immer nur befehlen darf, verlernt zur rechten Zeit zu gehorchen. Wäre unsre Sprache[3] spröder und eigensinniger; riefe sie unerbitlich den Schreibenden zu beharrlicher Anstrengung auf; ließe sie, was sie zu reichen vermag, nur durch Schweis sich abgewinnen: wahrlich! wir schrieben besser. Man vergleiche die französische Sprache[3] mit der deutschen, und man wird über ihre Armut, über ihre unglaubliche Beschränktheit erstaunen. Wiederum vergleiche man die Schriften der Franzosen mit den Schriften der Deutschen, und man wird über die Hülflosigkeit, über die lahme, schlottrige, gehemte Bewegung der lezteren nicht minder erstaunen. Wir gleichen jenen Völkern, die, im Besiz des herrlichsten Bodens, im Schoos der üppigsten Natur[2], von allen Mitteln zum Wolstand umgeben, aus Trägheit in Wust und Elend vergehn, – verzogene Kinder ihres zu wollüstigen Himmels..
[108] Laube, Jg. Eur. II.2 (1837), 24: Es war dem Valerius, als ginge seine Jugend zu Ende mit der Abreise von Warschau. Alle seine früheren Wünsche, Hoffnungen und Gedanken glaubte er in Irrthümer verwandelt zu sehen, da er ein freiheitslustiges Volk aufgeben müsse. | Tief und schwer seufzte er auf: „[...] O, Jugend, Du Inbegriff alles Reizes warum scheidest Du so früh von mir! Was ist das Leben ohne Hoffnung, und wo giebt's eine Hoffnung ohne Jugend? Nur die Jugend hat Farbe und Begeisterung, was werd' ich anfangen mit den grauen Tagen ohne Roth und Grün, die keine Kraft mehr in mir wecken. Die Jugend allein ist Poesie[20] – wie soll ich mich fortschleppen ohne Dich, Du erhebende Schwärmerei!&ldquo: .
[109] Laube, Jg. Eur. III (1837), 41: Belgien ist der Ursitz der Merowinger, bis heutiges Tags der Mittel-, Grenz- und Sammelpunkt der romanischen[2] und germanischen Völker..
[110] Lichtenberg, Rez. Arch. I (1786), 793 f. (794): Nach Recensentens Urtheil hat der Verfasser [...] den Gesichtspunkt, aus dem der Charakter[1] dieses 〈794〉 edlen Volks [sc. Engländer] betrachtet werden muß, besser gefaßt, als irgend ein Schriftsteller der ihm noch vorgekommen ist. Der Verf. fürchtet am Ende, nachdem er den Charakter[1] der Nation[1] meisterhaft geschildert hat, man möchte ihn für partheyisch halten, und entschuldigt sich deswegen. (Dieses war gewiß nicht nöthig, jeder unbefangne Mann, der dieses Volk und seine vortrefliche Verfassung kennen gelernt hat, der nicht den Charakter[1] einer Nation[1] aus dem Abschaum derselben oder nach der Aufführung unmündiger Fähndriche beurtheilt, wird ihm mit ganzer Seele beypflichten, und was bekümmert sich ein solcher Schriftsteller um die übrigen?.
[111] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 5: Und wenn die Natur[2] Talente für die Beredsamkeit über Deutschland so reichlich ausstreute wie über den Boden irgend eines andern Landes, so sind es ja in Deutschland nur einzelne, die hören; es gibt kein Ganzes, keine Gemeinde, keine Stadt, keine Nation[1], die wie mit Einem Ohre[3] den Redner anhörte. Im Gespräch mit dem Einzelnen sind wir zu ungebunden, zu unbeschränkt; wir lassen uns gehen, wir reden nachlässig, und so verliert sich aus der Sprache[3] des Volks der allgemeine, bindende Geist[12]; sie zerbröckelt sich in unzählige Dialekte[1] und Idiome; jede Sekte und jede Kotterie verunstaltet sie in ihrer eigenen Manier. Nun mögen die Klopstock, die Lessing, die Schiller, die Göthe alle Strahlen dieser zerstreuten Sprache[3] wie in einem Brennspiegel versammeln; das, was allen gemeinschaftlich ist in Wort[5] und Klang, mag von einzelnen wirklich niedergeschrieben, auch ausgesprochen werden: die Nation[1] liest sie, verschluckt sie, aber hört sie nicht, spricht ihnen nicht nach. – Wer überhaupt lernt reden aus dem Papier, aus der todten Schrift? Hören muß und gehört werden, wer sprechen lernen will. – Der Taubgeborne ist nothwendig zugleich stumm..
[112] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 143: Welcher Ohnmächtige wird es wagen, über die Angelegenheiten der Völker zu reden, ohne die Gewalt über das theure Abwesende, Untergegangene, von unkeuscher Größe Verdrängte, von Burke zu lernen, ohne von ihm zu lernen die gewaltige, ihm ganz eigenthümliche Waffe des tragischen Witzes[4]..
[113] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 152 f. (153): Ich habe mich seit vielen Jahren um die deutsche[2] Aussprache bekümmert, aber noch heut weiß ich keinen Ort in Deutschland anzugeben, wo die Sprache[3] gut gesprochen würde oder nur besser als anderswo. Ich habe wohl Personen angetroffen, von denen in Schwaben, in Franken, in Sachsen, an der Mündung der Elbe wie in Österreich gesagt werden würde: sie sprechen gut. Aber kein Ort hat dieß Privilegium für sich. Die Örter sind, was die Sprache[7] angeht, gleich gut: sie müssen ächt republikanisch alle gelten, sie müssen alle ihre Stimme[6; 8] hergeben, wenn ein guter deutscher[2] Sprecher werden soll, – und so habe ich auch immer gefunden, daß die, welche gut sprachen, an recht verschiedenartigen Stellen von Deutschland gelebt und gesprochen hatten. Sie hatten unter der Rauhigkeit der Gebirgstöne, und 〈153〉 unter den weichen, platten Klängen, die das deutsche[2] Niederland spricht, in Städten und auf dem Lande, an den südwestlichen Grenzen, wo die romanischen[1] Sprachen[3], und an den nordöstlichen, wo die slavischen Sprachen[3] Deutschland berühren – kurz, sie hatten aus den verschiedenartigsten Dialekten[1] sich das eigentlich Deutsche[2] herausgehört, herausgefühlt. | Wenn nun, was sie herausgehört hätten, niedergeschrieben würde, so wäre es freilich für heute und morgen das beste Deutsch[2] [...]. Aber auch für die Folge der Jahre? – Gewiß nicht. Ein Wörterbuch, aus lauter solchen guten und lebendigen Sprechern abgezogen, kann keine gesetzgebende Kraft erlangen in einem Volke, das innerlich frei ist. Besser ist es, daß solche gebildete Sprache[3] wieder zurückströmt in die Dialekte[1], sich wieder unaufhörlich erfrischt in dem Bade der Natur[19], daß, was Mühe, Fleiß und Geschick erreicht haben, sich immer wieder anschließe an jene alte Naturstimme der Gebirge und Thäler; daß dieses ächte und lebendige Hochdeutsch sich beständig wieder nicht auf unedle Weise vermische, aber – vermähle mit den Dialekten[1]. Also kein Wörterbuch, auch keine Hauptstadt, die nur den Wahn nähren kann, als gebe es in Sprachangelegenheiten einen privilegirten Ort, keine Akademie, deren ganze Kunst doch nur im 〈154〉 Waschen, Feilen, Absondern der Sprache[3], in der Verordnung einer strengen Diät für dieselbe, im Bewirken einer künstlichen Magerkeit bestehen würde – kann helfen. Es muß gesprochen werden, man muß reisen für die Sprache[3], man muß ihre Dialekte[1] hören lernen, aus der österreichischen, schweizerischen, fränkischen, niedersächsischen Mundart[1] das Deutsche[2] herausfühlen lernen: Die größten Autoren und Sprecher der deutschen[2] Sprache[3], Göthe, Schiller, Herder, Johann Müller, Gentz u. s. w., verdanken einen großen Theil ihrer Sprachkraft dem Umstande, daß sie umhergelebt haben in Deutschland oder aus dem Norden in den Süden, aus dem Westen in den Osten des Landes verpflanzt worden sind. – Wie müßte grade unsre Sprache[3] mit ihrem Reichthum, mit allen tausendfältigen Sitten und Lebensweisen, die sie jetzt einzeln ausdrückt, ergötzen können, wenn sie nur zwanzig Jahre hindurch ordentlich ineinander gesprochen wäre; wenn die naive Roheit der Naturtöne und Dialekte[1] nicht weiter getrennt wäre von der gebildeten Flachheit der hochdeutschen Buchsprache und nun durch jede Reihe von Tönen in dieser so veredelten dritten, mittleren Sprache[3] Deutschland hindurchklänge, während es doch nur immer Paris ist, das unaufhörlich in Eine Hauptstadt zusammenstrebende Frankreich, welches man durch die französische Sprache[3] hindurchhört..
[114] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 164: [W]ie viele Ungerechtigkeit ist begangen worden, da man [...] von dem Ideal einer gewissen gleichförmigen klassischen[5] Schreibart ausgehend, die romantischen[4] Spiele der poetischen[4] Feder nicht für wahre Kunst[2] der Rede und für Stil hat gelten lassen wollen; und andrerseits den Ernst des praktischen Lebens, wie er sich in den schriftlichen Verhandlungen der Bürger und der Völker und der Wissenschaften ausdrückte, neben der poetischen[4] Feder überhaupt für keine Feder anerkennen wollte..
[115] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 275 f. (276): Wie haben wir [sc. die Deutschen] in diesen letzten fünfzig stummen Jahren sprechen gelernt? Wie hat sich diese Sprache[3] gebildet grade in der Zeit[3], wo alle Glieder der höheren Gesellschaft sich von ihr abwendeten? Es lebt in ihr ein Geist[12], der sie bildet und keiner vornehmen Stütze bedarf: wer das recht Empfundene, aus den Tiefen der Seele, aus jenen geheimnißvollen Wohnsitzen des Heiligen Kommende, wo das Gefühl der ritterlichen Ehre und Liebe, des stolzen Gehorsams usw. herrührt – aussprechen will, der kann diese Sprache[3] nicht entbehren; und wer nicht so etwas zu sagen hat, der würde ihr und ihrer Ausbildung nichts helfen können. Von selbst in den Mund legt sie sich nicht! ohne Karakter[2], ohne Selbständigkeit, ohne Ursprünglichkeit 〈276〉 der Geisteskraft ist es unmöglich, diese Sprache[3] gut zu sprechen. Mit Phrasen, die für jeden Mund passen, mit künstlich appretirtem Glanz, mit einem Schein von Geist[20] und Witz[1], den der Geistloseste sich aneignen könnte, kann sie nicht aufwarten: sie hat keine Corneilles, keine Racines, keine Bossuets, keine Akademien, welche ein ganzes folgendes Jahrhundert mit schönen Wendungen der Rede im voraus versehn; kein siècle de Louis XIV., das für lange Zeiten[3] nachher das Vortrefflichste schon vorweggesprochen hätte. Es fehlt ihr, habe ich gesagt, die gesellige Vollendung: das Bestreben der einzelnen deutschen Redner und einige glückliche Wendungen des öffentlichen Lebens der Nation[1] können selbige erreichen, darum muß auch an die mechanischen Vorzüge der benachbarten Sprachen[3] erinnert werden. Ich habe es gethan, mit Anklage meines Vaterlandes gethan. Nichtsdestoweniger aber weil der neue[1/5], christliche Geist[12] aller Worte[1] und Wendungen dieser Sprache[3] sich nicht tödten läßt, so trägt sie das Siegel der Fortdauer an ihrer Stirn wie keine andre Sprache[3]. Um dieses Geistes[12] willen kann man festiglich glauben, daß die Sprache[3] der Besiegten länger leben werde als die der Sieger, und in diesem Sinne dann dreist verkünden, daß, weil die Sprache[3] fortdauern werde, auch das Volk nicht untergehen könne..
[116] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 43: Die Ritter sprachen vom heiligen Lande, von den Wundern des heiligen Grabes, von den Abentheuern ihres Zuges, und ihrer Seefahrt, von den Sarazenen, in deren Gewalt einige gerathen gewesen waren, und dem frölichen und wunderbaren Leben im Felde und im Lager. Sie äußerten mit großer Lebhaftigkeit ihren Unwillen jene himmlische Geburtsstätte der Christenheit noch im frevelhaften Besitz der Ungläubigkeit zu wissen. Sie erhoben die großen Helden, die sich eine ewige Krone durch ihr tapfres, unermüdliches Bezeigen gegen dieses ruchlose Volk erworben hätten..
[117] Passavant, Toscana (1820), 2 f.: In allen Zeiten[3], wo die Kunst[2] bey einem Volke entstand, ist zu bemerken, daß sie ursprünglich nur zur Ausschmückung der zum Gottesdienst geweihten Orte gebraucht wurde. Es liegt wohl in einem feinen religiösen Gefühl des Menschen, daß er dem Hause Gottes[1] gerne ein anderes und herrlicheres Ansehen gibt, als seiner eignen Wohnung; da, wo er seine Andacht verrichtet und seine Gedanken zu etwas Höheren wendet, verlangt er auch, daß die Umgebung ihn dazu erhebe; er will durch die Ansicht ihm heilig gewordener Gegenstände aus der gewöhnlichen Stimmung seiner Seele, sich zu etwas Höhe〈3〉rem angeregt fühlen. So dachten wohl einstens die alten[9] Ägypter, so das Volk Israels, oder die Griechen und Römer in den Zeiten[3] ihrer Blüthe und Freiheit[6]; so das christliche Europa in den Tagen seiner regsten Kraft; so auch unsere Vorfahren in den Zeiten[3], als sie noch, nach außen und innen selbstständig, keine Gesetze und Formen der Fremden[1] sich hatten aufdringen lassen, die nicht gleichartig mit ihrem eigenen Streben waren; wo sie durch die lebendige Fülle der Minnelieder, den Gesang eines Nibelungenliedes, die Ausbildung einer den Deutschen eigenthümlichen Baukunst, die in Europa nur an der griechischen[2] eine Nebenbuhlerin findet, durch so viele Werke der Bildhauerkunst und Malerei[1], wie sie in jenen Zeiten[3] außer Deutschland nur in Italien entstanden, sich an die Seite der ausgezeichnetsten Völker stellen durften..
[118] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 680: Der Roman[1] des Cervantes ruht also auf einem sehr unvollkommenen, ja verrückten Helden, der aber zugleich so edler Natur[1] ist [...], daß ihn keine Schmach, die ihm widerfährt, eigentlich herabwürdiget. An diese Mischung (in Don Quixote) ließ sich eben das wunderbarste und reichste Gewebe knüpfen, das im ersten Moment so anziehend wie im letzten stets den gleichen Genuß gewährt und die Seele zur heitersten[4] Besonnenheit stimmt. Für den Geist[19] ist die nothwendige Begleitung des Helden, Sancho Pansa, gleichsam ein unaufhörlicher Festtag; eine unversiegbare Quelle der Ironie[1] ist geöffnet und ergießt sich in kühnen Spielen. Der Boden, auf dem das Ganze geschieht, versammelte in jener Zeit[3] alle romantischen[3] Principien, die es noch in Europa gab, verbunden mit der Pracht des geselligen Lebens. Hierin war der Spanier tausendfältig vor dem deutschen Dichter begünstigt. Er hatte die Hirten, die auf freiem Felde lebten, einen ritterlichen Adel[2], das Volk der Mauren, die nahe Küste von Afrika, den Hintergrund der Begebenheiten der Zeit[3] und der Feldzüge gegen die Seeräuber, endlich eine Nation[1], unter welcher die Poesie[11] populär ist – selbst malerische[4] Trachten, für den gewöhnlichen Gebrauch die Maulthiertreiber und den Baccalaureus von Salar. ➢ Volltext.
[119] Schelling, Philolog.-hist. Klass. (*1818), SW I, 8, 468: Die Sprache[1] an sich ist ein vollendetes Ganzes und bis in jeden Theil organisch[6] gebildet. Denkt man aber Philologie als Erklärung, Beurtheilung und Auslegung alterthümlicher Denkmäler, es sey der redenden oder bildenden Kunst, so hat sie hier den Vortheil eines schon an sich abgeschlossenen Gegenstandes. Aber auch als Alterthumswissenschaft, es sey, daß sie das öffentliche Leben, oder Staats-Verfassungen, Gesetze, Sitten, oder religiöse Formen der alten[9] und besonders der classisch[3/5] gebildeten Völker untersuche, schließt sich ihr alles in einzelne Kreise ab, in denen sie sich der Vollständigkeit – nicht des Wissens, aber doch des Gebrauchs der vorhandenen Mittel vollkommen versichern kann..
[120] Schiller, Ged. I (1786), NA 1, 173: Dir [...] drohen diese Gallionenheere, | großherzige Britannia. | Weh deinem freigebohrnen Volke! [...] | Hast du nicht selbst von stolzen Königen gezwungen, | der Reichsgeseze weisestes erdacht, | das große Blatt, das deine Könige zu Bürgern, | zu Fürsten deine Bürger macht? [...] 〈174〉 [...] Gott der Allmächtge sah herab, | [...] Soll, sprach er, soll mein Albion vergehen, | [...] der Unterdrükung lezter Felsendamm | zusammenstürzen, die Tirannenwehre | vernichtet sein von dieser Hemisphäre? | Nie, rief er, soll der Freiheit[6] Paradies, | der Menschenwürde starker Schirm verschwinden! | Gott der Allmächtge blies, | und die Armada flog nach allen Winden..
[121] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 36: Das Genie[2] dieser Nation[1], durch den Geist[12] des Handels und den Verkehr mit so vielen Völkern entwickelt, glänzte in nützlichen Erfindungen; im Schooße des Ueberflusses und der Freiheit[6] reiften alle edleren Künste[2]..
[122] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 41 f. (42): Noch ein andrer Umstand mußte das Wachsthum der neuen[1] Religion[1] in diesen Ländern [sc. Niederlande] begünstigen. Italien, 〈42〉 damals der Sitz der größten Geistesverfeinerung, ein Land, wo sonst immer die heftigsten politischen Faktionen gewüthet haben, wo ein brennendes Klima das Blut zu den wildesten Affekten erhitzt, Italien, könnte man einwenden, blieb unter allen europäischen Ländern beinahe am meisten von dieser Neuerung [sc. Reformation] frei. Aber einem romantischen[6] Volk, das durch einen warmen und lieblichen Himmel, durch eine üppige, immer junge und immer lachende Natur[2] und die mannichfaltigsten Zaubereien der Kunst[2] in einem ewigen Sinnengenusse erhalten wird, war eine Religion[1] angemessener, deren prächtiger Pomp die Sinne[4] gefangen nimmt, deren geheimnißvolle Räthsel der Phantasie[1] einen unendlichen Raum eröfnen, deren vornehmste Lehren sich durch mahlerische[4] Formen in die Seele einschmeicheln. Einem Volke im Gegentheil, das, durch die Geschäfte des gemeinen bürgerlichen Lebens zu einer undichterischen Wirklichkeit herabgezogen, in deutlichen Begriffen[1] mehr als in Bildern lebt, und auf Unkosten der Einbildungskraft seine Menschenvernunft ausbildet; einem solchen Volk wird sich ein Glaube empfehlen, der die Prüfung weniger fürchtet, der weniger auf Mystik als auf Sittenlehre dringt, weniger angeschaut als begriffen werden kann. Mit kürzeren Worten[2]: Die katholische Religion[1] wird im Ganzen mehr für ein Künstlervolk, die protestantische mehr für ein Kaufmannsvolk taugen..
[123] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 288: Margaretha besaß Geschicklichkeit und Geist[20], eine gelernte Staatskunst auf einen regelmäßigen Fall mit Feinheit anzuwenden, aber ihr fehlte der schöpferische Sinn[6], für einen neuen[1] und außerordentlichen Fall eine neue[1] Maxime zu erfinden, oder eine alte[1] mit Weisheit zu übertreten. In einem Lande, wo die feinste Staatskunst Redlichkeit war, hatte sie den unglücklichen Einfall, ihre hinterlistige italienische Politik zu üben, und säete dadurch ein verderbliches Mißtrauen in die Gemüther. Die Nachgiebigkeit, die man ihr so freigebig zum Verdienste anrechnet, hatte der herzhafte Widerstand der Nazion[1] ihrer Schwäche und Zaghaftigkeit abgepreßt; nie hat sie sich aus selbstgebohrnem Endschlusse über den Buchstaben[11] der königlichen Befehle erhoben, nie den barbarischen Sinn[2] ihres Auftrags aus eigner schöner[1] Menschlichkeit misverstanden. Selbst die wenigen Bewilligungen, wozu die Noth sie zwang, gab sie mit unsichrer zurückgezogner Hand, als hätte sie gefürchtet, zuviel zu geben, und sie verlor die Frucht ihrer Wohlthaten, weil sie mit filziger Genauigkeit daran stümmelte. Was sie zu wenig war in ihrem ganzen übrigen Leben, war sie zuviel auf dem Throne – eine Frau[1]. Es stand bei ihr, nach Granvella's Vertreibung, die Wohlthäterin des niederländischen Volks zu werden, und sie ist es nicht geworden. Ihr höchstes Gut war das Wohlgefallen ihres Königs, ihr höchstes Unglück seine Misbilligung; bei allen Vorzügen ihres Geistes[22] bleibt sie ein gemeines 〈289〉 Geschöpf, weil ihrem Herzen der Adel[5] fehlte..
[124] Schiller, Brief. Don Karlos (1788), NA 22, 146: Der Geist[12] der Völker wird von ihm studiert, ihre Kräfte, ihre Hülfsmittel abgewogen, ihre Verfassungen geprüft; im Umgange mit verwandten Geistern[32] gewinnen seine Ideen Vielseitigkeit und Form; geprüfte Weltleute, wie ein Wilhelm von Oranien, Coligny u. a. nehmen ihnen das Romantische[7] und stimmen sie allmählich zu pragmatischer Brauchbarkeit herunter [...]..
[125] Schiller, Universalgesch. (1789), NA 17, 364: Die Entdeckungen, welche unsre europäischen Seefahrer in fernen Meeren und auf entlegenen Küsten gemacht haben, geben uns ein eben so lehrreiches als unterhaltendes Schauspiel. Sie zeigen uns Völkerschaften, die auf den mannichfaltigsten[1] Stuffen der Bildung[5] um uns herum gelagert sind, wie Kinder verschiednen Alters um einen Erwachsenen herum stehen, und durch ihr Beyspiel ihm in Erinnerung bringen, was er selbst vormals gewesen, und wovon er ausgegangen ist. Eine weise Hand scheint uns diese rohen Völkerstämme bis auf den Zeitpunkt aufgespart zu haben, wo wir in unsrer eignen Kultur[3] weit genug würden fortgeschritten seyn, um von dieser Entdeckung eine nützliche Anwendung auf uns selbst zu machen, und den verlohrnen Anfang unsers Geschlechts aus diesem Spiegel wieder herzustellen. Wie beschämend und traurig aber ist das Bild, das uns diese Völker von unserer Kindheit geben!.
[126] Schiller, Send. Moses (1790), NA 17, 380: Woher sollte aber nun den Ebräern dieser Retter kommen? Schwerlich aus der Mitte der Egypter selbst, denn wie sollte sich einer von diesen für eine Nation[1] verwenden, die ihm fremd[5] war, deren Sprache[3] er nicht einmal verstand, und sich gewiß nicht die Mühe nahm zu erlernen, die ihm eines bessern Schicksals eben so unfähig als unwürdig scheinen mußte. Aus ihrer eignen Mitte aber noch viel weniger, denn was hat die Unmenschlichkeit der Egypter im Verlauf einiger Jahrhunderte aus dem Volk der Ebräer endlich gemacht? Das roheste, das bößartigste, das verworfenste Volk der Erde, durch eine 300jährige Vernachlässigung verwildert, durch einen so langen knechtischen Druck verzagt gemacht und erbittert, durch eine erblich auf ihm haftende Infamie vor sich selbst erniedrigt, entnervt und gelähmt zu allen heroischen Entschlüßen; durch eine solange anhaltende Dummheit endlich fast bis zum Thier[10] herunter gestoßen. Wie sollte aus einer so verwahrloßten Menschenrasse ein freier Mann, ein erleuchteter 〈381〉 Kopf, ein Held oder ein Staatsmann hervorgehen?.
[127] Schiller, Tell (1804), NA 10, 170, V. 917: Wirf nicht für eiteln Glanz und Flitterschein | Die ächte Perle deines Werthes hin – | Das Haupt zu heißen eines freien[6] Volks, | Das dir aus Liebe nur sich herzlich weiht, | Das treulich zu dir steht in Kampf und Tod – | Das sei dein Stolz, des Adels[3] rühme dich – | Die angebohr'nen Bande knüpfe fest, | An's Vaterland, an's theure, schließ dich an [...]..
[128] A. W. Schlegel, Rez. Schiller [Künstl.] (1790), 162: So erhaben oft die Volksreligionen in ihren Dichtungen über die physische Vollkommenheit des höchsten Wesens waren, so weit blieben sie gewöhnlich in denen über die moralische zurück, selbst dann noch, wenn das Volk schon auf einer hohen Stufe der sittlichen Cultur[4] stand, weil man nicht weichen wollte von der ehrwürdigen Sage der Väter..
[129] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 96: Nicht wahr [...]: jetzt gewinnt die Lehre, welche, mit Ausschliessung der Nachahmung, die Empfindung zur einzigen Bildnerin der Sprache[1] macht, ein ganz andres Ansehen? Wir forschen nach dem Ursprunge der Sprache[1]; wir betrachten ihre jetzigen Bestandtheile; wir finden darunter etwas, was so wenig der künstlichen Verabredung oder dem Witze[1] einzelner Menschen angehört, daß es vielmehr durch alle von diesen herrührende Zusätze und Veränderungen unfehlbar geschwächt und entstellt wird; das sich in seiner größten Reinheit und Stärke gerade unter solchen Völkern findet, deren Zustand sich am wenigsten von dem Ursprünglichen zu entfernen scheint, oder deren reiche und regsame Empfänglichkeit den Wirkungen der feinern Ausbildung das Gegengewicht hält; etwas, worin jedes Kind und jeder Wilde die Beredtsamkeit eines Demosthenes beschämt; wodurch endlich Menschen aus den entferntesten Zonen, und, würden sie wieder ins Leben gerufen, aus den entferntesten Jahrhunderten, einander mittheilen könnten, was in ihrem Innern vorgeht. Dürfen wir also noch anstehen, dieß für die ächte, ewige, allgemein gültige Sprache[1] des Menschengeschlechts anzuerkennen? Und ist sie das: wie liesse sich noch zweifeln, daß sie in allen einzelnen und abgeleiteten Sprachen[3] das Ursprüngliche ausmacht?
[130] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 58: Vom Volksaberglauben, der sich zum ursprünglichen Mythus ungefähr so verhält, wie die Volkspoesie nach der entstandenen Prosa[1] zur Naturpoesie vor derselben, muß noch unterschieden werden, wenn der poetische[2] Geist[12] der Sitten und Verfassung eines Volkes[1], oder selbst eines einzelnen Standes nach Erlöschung der mythischen Nationalreligion wieder jenen Partialmythus hervorbringt, z. B. die romantische[12/2] Ritterfabel des Mittelalters. Diese neumythischen Dichtungen können füglich, wenn sie vom Volke[5] gedichtet sind, nicht so feinen Geist[12] und reinen Geschmack haben, als wenn fühlende Dichter[1] sie schaffen. Diese müßten also jenen ohne Not verfeinern und ausbilden..
[131] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 153: [B]ei den Naturgegenständen ist die Natur[2] zweckmäßig, wo sie unsern Sinnen[4] gerade entgegen ist; so bei den häßlichsten[1] Tieren[1], und viele Völker wußten nichts davon, mit dem Nützlichen das Schöne[1] zu verbinden, z. B. in der Baukunst..
[132] A. W. Schlegel, an S. Tieck-Bernhardi (20. 9. 1805), KJ 1, 234: Zudem habe ich eine Leidenschaft zu Studien über die alte[9] Geschichte[3], den Ursprung der Völker und Sprachen[3] gefaßt, die ihrer Natur[1] nach endlos sind. Ich kann mich Tagelang in Lateinische Etymologieen vertiefen..
[133] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 5 f.: Wir sehen eine Menge Menschen, ja ganze Nationen[1], so sehr befangen in den Gewöhnungen ihrer Erziehung und Lebensweise, daß sie sich auch dann nicht davon losreißen können, wenn vom Genusse schöner[2] Kunst[9] die Rede ist. Nur dasjenige, was in ihrer Sprache[3], ihren Sitten und ihren gesellschaftlichen Verhältnissen einheimisch und hergebracht ist, erscheint ihnen als natürlich[4], schicklich und schön[2]. In dieser ausschließenden Ansicht und Empfindungsweise kann man es durch Bildung[4] zu einer großen Feinheit der Unterscheidung in dem engen Kreise bringen, worauf man sich nun einmal beschränkt hat. Aber ein ächter Kenner kann man nicht seyn ohne Universalität des Geistes[14], d. h. ohne die Biegsamkeit, welche uns in den Stand setzt, mit Verläugnung persönlicher Vorliebe und blinder Gewöhnung, uns in die Eigenheiten anderer Völker 〈6〉 und Zeitalter zu versetzen, sie gleichsam aus ihrem Mittelpunkte heraus zu fühlen, und was die menschliche Natur[1] adelt, alles Schöne[2] und Große unter den äußerlichen Zuthaten, deren es zu seiner Verkörperung bedarf, ja bisweilen unter befremdlich scheinenden Verkleidungen zu erkennen und gehörig zu würdigen. Es giebt kein Monopol der Poesie[19] für gewisse Zeitalter und Völker; folglich ist auch der Despotismus des Geschmacks, womit diese, gewisse vielleicht ganz willkührlich bey ihnen festgestellte Regeln allgemein durchsetzen wollen, immer eine ungültige Anmaßung. Poesie[19], im weitesten Sinne genommen, als die Fähigkeit das Schöne[2] zu ersinnen und es sichtbar oder hörbar darzustellen, ist eine allgemeine Gabe des Himmels, und selbst sogenannte Barbaren und Wilde haben nach ihrem Maaße Antheil daran. ➢ Volltext.
[134] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 137: Corneille war auf dem besten Wege von der Welt, als er den Cid, eine Geschichte[9] aus dem Mittelalter, bey einem verwandten Volke vorgefallen, eine Geschichte[9], worin durchaus ritterliche Liebe und Ehre herrscht, deren 〈138〉 Hauptpersonen nicht einmal von fürstlichem Range sind, auf die Bühne brachte. Eine Menge Vorurtheile über das tragische Ceremoniell wären von selbst weggefallen, wenn man diesem Beyspiele gefolgt wäre; durch größere Wahrheit, durch verständliche, aus der noch geltenden Sinnesart entlehnte Motive, wäre das Trauerspiel dem Herzen befreundeter geworden; die Beschaffenheit der Gegenstände würde von selbst von der steifen Beobachtung misverstandener Regeln der Alten[10] abgelenkt haben, wie sich denn Corneille auch nirgends weiter davon entfernt hat, als gerade in diesem Stück, freylich in Nachfolge seines spanischen Vorbildes; mit Einem Wort[2], das französische Trauerspiel hätte national und wahrhaft romantisch[14/2] werden können..
[135] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 7: Der dichterische Geist[20] bedarf allerdings einer Umgränzung, um sich innerhalb derselben mit schöner[1] Freyheit[1] zu bewegen, wie es alle Völker schon bey der ersten Erfindung des Sylbenmaßes gefühlt haben; er muß nach Gesetzen, die aus seinem eig〈8〉nen Wesen herfließen, wirken, wenn seine Kraft nicht ins Leere hinaus verdunsten soll. ➢ Volltext.
[136] A. W. Schlegel, Rez. Grimm [Altdt. Wäld.] (1815), 727: Allein der Sage selbst geschieht ein schlechter Dienst damit, wenn man alles auf ihre Rechnung schreibt, was irgend eine Chronik Falsches, Unglaubliches, Widersinniges meldet. Nicht alle Irrthümer haben eine Ahnentafel. Es giebt ganz unbegeisterte Einbildungen, ganz prosaische[3] Lügen, deren Ursprung man nicht weiter herzusuchen hat, als in dem müßigen Gehirne, das sie ausgebrütet. Unwissende Ruhmredigkeit auf die Thaten und das Alterthum[1] des eignen Volkes, dann gelehrte Anmaßung, neue[1] und unerhörte Dinge vorzubringen, haben viele trügerische Luftgebäude errichtet, woran die redliche Ueberlieferung durchaus unschuldig ist..
[137] A. W. Schlegel, Gesch. Dt. Spr. (!1818–19), 11.1: Wenn kein gothisches Blut in Deutschland wäre, so würde es unbegreiflich seyn, wie die Sagen von den Thaten u[nd] Helden der Ostgothen sich unter uns im ganzen Mittelalter so lebendig hätten erhalten können. In den Romanischen[1] Ländern erstarben die Heldensagen der Deutschen[5] Völker in dem Maaße wie sie ihre Muttersprache vergaßen. ➢ Volltext.
[138] A. W. Schlegel, Gesch. Dt. Spr. (!1818–19), 11.4: Die Langobarden. Ein Volk das von uralten Zeiten[3], bis es sich unter seinen Romanischen[2] Unterthanen 〈11.5〉 in Italien verliert, denselben Namen behauptet hat. ➢ Volltext.
[139] A. W. Schlegel, Brchtg. Mißdt. (1828), 13 f. (14): Wenn ich den milden und kindlichen Sinn[9] preise, worin Johann von Fiesole die Lebensgeschichte seines Schutzheiligen Dominicus in einer Reihe von Bildern aufgefaßt [...], folgt daraus, daß ich an die Wunder des Ordensstifters glaube, und 〈14〉 alle seine Thaten gut heiße, wie die Geschichte[5] sie urkundlich darlegt? Eben so wenig, als der Bewunderer des Alterthums[3] für einen Anbeter der Olympischen Götter[4] gilt, weil er entzückt anerkennt, daß die Griechischen[2] Künstler aus den dunstigen Regionen des Aberglaubens sich in die ätherische Sphäre sittlicher Urbilder emporgeschwungen, und dadurch die Religion[1] ihres Volkes verklärt haben..
[140] F. Schlegel, Vorr. Grch. u. Röm. (1797), XXIII: Diese Sammlung wird in der Folge auch die politische Bildung[5] der klassischen[7] Völker umfassen. ➢ Volltext.
[141] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 40, Nr. 155: Die rohen kosmopolitischen Versuche der Carthager und andrer Völker des Alterthums[3] erscheinen gegen die politische Universalität der Römer, wie die Naturpoesie ungebildeter Nazionen[1] gegen die klassische[3] Kunst[12] der Griechen. Nur die Römer waren zufrieden mit dem Geist[12] des Despotismus, und verachteten den Buchstaben[8]; nur sie haben naive[2] Tyrannen gehabt. ➢ Volltext.
[142] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 121: Die alte[10] Poesie[11] [...] vermeidet [...] den eigentlich historischen Stoff. Die alte[10] Tragödie sogar ist ein Spiel, und der Dichter, der eine wahre Begebenheit, die das ganze Volk ernstlich anging, darstellte ward bestraft. Die romantische[12] Poesie[11] hingegen ruht ganz auf historischem Grunde [...]. Das erste beste Schauspiel, das Sie sehn, irgend eine Erzählung die Sie lesen; wenn eine geistreiche Intrigue darin ist, können Sie fast mit Gewißheit darauf rechnen, 〈122〉 daß wahre Geschichte[9] zum Grunde liegt, wenn gleich vielfach umgebildet. ➢ Volltext.
[143] F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 205 f. (206): Beim ersten Aufschwunge der noch ungeschwächten Geisteskraft ist die europäische Philosophie überall Idealismus [...]. [...] Freilich hat man noch nicht gefunden, daß eine solche Philo〈206〉sophie bei irgend einem Volke entstanden sei, das wirklich sich selbst überlassen und von den Quellen und Strömen der alten gemeinsamen Ueberlieferung ganz weit entfernt lag; und wenn diese Weisheit wirklich so ganz aus sich selbst geschöpft wäre, als sie es vorgiebt, so würde sie sich wohl auch selbst besser aus den unsäglichen Verirrungen helfen können, in die sie sich auf diesem Wege jederzeit verwickelt hat. Diese häufen sich immer so sehr und so schnell, daß die Philosophie bald skeptisch wird, bis sie endlich, wenn die Verstandeskräfte durch langes Zweifeln hinlänglich geschwächt worden, zu der blos empirischen Denkart herabsinkt, wo der Gedanke der Gottheit, wenn er auch dem Nahmen nach stehen bleibt, doch im Grunde vernichtet wird, überhaupt die Idee ganz verschwindet, und der Mensch[1] unter dem Vorwand einer vernünftigen Beschränkung auf den allein nützlichen Erfahrungskreis, den höheren Geist[14], der ihn doch allein wesentlich vom Thier[1] unterscheidet, als ein falsches Streben aufgiebt. ➢ Volltext.
[144] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 483: So wie aber unter den protestantischen Ländern England in der Verfassung der geistlichen[2] Gewalt und in den äußern Gebräuchen und Einrichtungen noch am meisten von der alten[6] Kirche beybehielt, so blühte auch hier die Poesie[11] zuerst wieder in kunstreicher Gestalt und schöner[1] Bildung[10] empor und zwar ganz sich anschließend an die romantische[7] Weise der südlichen katholischen Völker. Spenser, Shakspeare, Milton bestätigen dieß. Wie sehr Shakspeare das Romantische[7] der alten[6] Ritterzeit und auch die südlicheren Farben der Fantasie[20] in seinen Darstellungen liebte, darf nicht erst erinnert werden; Spenser ist selbst Ritterdichter, und er wie Milton folgten bestimmten romantischen[7], besonders italienischen Vorbildern. Je näher die Litteratur uns tritt, je reicher sie in den neuern[3] Zeiten[3] anwächst, je nothwendiger wird es mir, meine Betrachtung nur auf solche Dichter und Schriftsteller zu beschränken, welche den Gipfel der Sprache[3] und Geistesbildung einer Nation[1] bezeichnen, und welche eben darum auch für das Ganze und für andre Nationen[1] die wichtigsten und lehrreichsten sind. ➢ Volltext.
[145] A. W. Schlegel/F. Schlegel, Vorerinn. (1798), III: In der Einkleidung werden Abhandlungen mit Briefen[3], Gesprächen, rhapsodischen Betrachtungen und aphoristischen Bruchstücken wechseln, wie in dem Inhalte besondre Urtheile mit allgemeinen Untersuchungen, Theorie mit geschichtlicher Darstellung, Ansichten der vielseitigen Strebungen unsers Volks und Zeitalters mit Blicken auf das Ausland und die Vergangenheit, vorzüglich auf das klassische[7] Alterthum[2]. ➢ Volltext.
[146] Schleiermacher, Meth. d. Übers. (1813), SW 3.2, 240: Will [...] die Uebersezung einen Schauspieldichter reden lassen, als hätte er ursprünglich in ihrer Sprache3 gedichtet: so kann sie ihn ja vieles gar nicht vorbringen lassen, weil es in diesem Volk nicht einheimisch ist und also auch in der Sprache3 kein Zeichen hat. Der Uebersezer muß also hier entweder ganz wegschneiden, und so die Kraft und die Form des Ganzen zerstören, oder er muß anderes an die Stelle sezen. Auf diesem Gebiet also führt die Formel [sc. das Prinzip des zielsprachlichen Übersetzens] vollständig befolgt offenbar auf bloße Nachbildung oder auf ein noch widerlicher auffallendes und verwirrendes Gemisch von Uebersezung und Nachbildung, welches den Leser wie einen Ball zwischen seiner und der fremden Welt, zwischen des Verfassers und des Uebersezers Erfindung und Wiz[1], unbarmherzig hin und her wirft, wovon er keinen reinen Genuß haben kann, zulezt aber Schwindel und Ermattung gewiß genug davon trägt. Der Uebersezer nach der andern Methode [sc. nach dem Prinzip des ausgangssprachlichen Übersetzens] hingegen hat gar keine Aufforderung zu solchen eigenmächtigen Veränderungen, weil sein Leser immer gegenwärtig behalten soll, daß der Verfasser in einer andern Welt gelebt und in einer andern Sprache3 geschrieben hat. ➢ Volltext.
[147] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 55: Daß alle diese so mannigfaltigen und so weit reichenden Aeußerungen aus einem gemeinschaftlichen Princip entspringen, aus jener besonderen Geisteskraft, die der Mensch[1] vor dem Thiere[1] voraus hat, und welche man Vernunft[1], το λογιμον, ratio, genannt hat, ist die einstimmige Meinung aller Zeiten[5] und Völker. ➢ Volltext.
[148] Chr. F. D. Schubart, Ged. (1789), G, 193: Wie wenig weiß ein Volk die Freiheit[6] zu gebrauchen! | Es wähnt, wenn nur von Blut die Mörderfäuste rauchen, | Wenn es den Peiniger mit Tigergrimm zerfleischt, | So sei es frei[6]. O Volk! du hast dich selbst getäuscht. | Die Freiheit[4], die du suchst, ist Wuth, ist Mordgetümmel; | Sie wird verflucht von Gott[1], verflucht vom ganzen Himmel. | Ein Volk, bespritzt mit Blut, verdient nicht frei[6] zu sein, | In härtre Sklaverei stürzt es sich selbst hinein..
[149] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 238: Welches Volk hat einen Kirchengesang wie wir? Welches Volk hat uns je in der Instrumental-Musik übertroffen? Welches Volk hat so allgemein gute Stimmen[15] 〈239〉 aufzuweisen wie das unsrige?.
[150] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 261: Es ist eine große Bemerkung, daß die Franzosen von den frühesten Zeiten[3] an die ersten waren, die es wagten, den Mollton zum herrschenden zu machen. Unstreitig ist dadurch mit die Nation[1] zu jener Weichlichkeit herabgestimmt worden, welche alle Völker, so wie die französischen Weisen selbst so lange an dieser großen Nation[1] ahndeten[3]. – Allgemein eingeführter Mollton schmelzt Männermark zu Brey und läßt Toilettenpuppen den Ton[6] angeben..
[151] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 329: Schrecklich und wahr ist der Gedanke, daß Rache den ersten Stoff zur Erfindung der Trommel hergab. Mein Feind ist todt! dachte ungefähr ein Barbar; aber auf seinem Felle will ich mich noch tummeln. Er that es; und seine menschlicheren Nachahmer wählten Eselshäute. Kriegerischer Ton[9] ist der einzige Charakter[5] dieses Instruments[3]; daher gibt es auch wenige Völker in der Welt, welche die Trommel nicht kennen. Forster traf auf seiner Reise um die Welt, sogar unter den Tahitanern, Ottahitanern und Irokesen Trommeln oder Pauken an, die sie theils im Kriege, theils in kleinerer Form, zum Tanze gebrauchen..
[152] R. Schumann, Hummel (1834), 73: Ruhe, Grazie, Idealität, Objectivität, die Träger der antiken[2] Kunstwerke[2], sind die der Mozart'schen Schule. Wie der menschliche Grieche seinen donnernden Jupiter noch mit heiterm[4] Gesicht zeichnete, so hält Mozart seine Blitze. | [...] Sollte diese helle Art zu denken und zu dichten vielleicht einmal durch eine formlosere, mystische verdrängt werden, wie es die Zeit[9] will, die ihre Schatten auch auf die Kunst[2] wirft, so mögen dennoch jene schönen[1] Kunstalter nicht vergessen werden, die Mozart regierte und die zuerst Beethoven schüttelte in den Fugen, daß es bebte, vielleicht nicht ohne Zustimmung seines Vorfürsten Wolfgang Amadeus. Später usurpirte Carl Maria von Weber und einige Ausländer den Königsthron. Als aber auch diese abgetreten, verwirrten sich die Völker mehr und mehr und wenden und strecken sich nun in einem unbequemen classisch[5]-romantischen[8] Halbschlaf..
[153] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 208: Es scheinet, daß der Mensch ein gewisses Maas von Verstandeskräften habe, in die Beschaffenheit sittlicher Gegenstände einzudringen, welches er nicht überschreiten kann, und daß die besten Köpfe jeder Nation, die sich die Cultur[3] des Verstandes ernstlich hat angelegen seyn lassen, den höchsten Grad dieses Maasses erreichen. Daher geschieht es denn, daß die Schriften dieser Männer, in welcher Nation und in welchem Jahrhundert sie gelebt haben mögen, jeder andern Nation, die ohngefehr auch den höchsten Grad der Vernunft erreicht hat, nothwendig gefallen müssen. Diese sind alsdenn die wahren claßischen Schriftsteller für alle
[154] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 289: Wer das Glük hat, von Jugend auf mit Menschen von feinerm Gefühl und einer edlern Lebensart umzugehen, dessen Geschmak wird allmählig zu dem edlern gebildet. Wer aber von dem Glük diese Wolthat nicht erhalten hat, der muß desto aufmerksamer das Genie[5] und den Geschmak der besten Werke der Kunst[2] alter[10] und neuer[5] Völker studiren. Mit Vorbeygehung aller Schriftsteller und Künstler, die nur einen zufälligen Ruhm, aus irgend einem mechanischen Theil derselben, oder nur einen vorübergehenden Beyfall erhalten haben, muß er sich an die ersten und claßischen[3] Männer jeder Art halten; an die, die nicht blos bey ihrer Nation[1], sondern bey allen Völkern, wo der Geschmak aufgekommen ist, für die ersten in ihrer Art gehalten werden. Für junge, noch ungebildete Genie[4], wenn die Natur[2] sie nicht vorzüglich bedacht hat, ist es allemal gefährlich, gutes, mittelmäßiges und schlechtes durch einander zu lesen, oder zu sehen. Es gehört ein ausnehmendes Genie[3] dazu, sich nach schlechten Mustern zu bilden, und gut zu werden..
[155] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 787: Man stelle sich bey den römischen Säcularfesten, das ganze römische Volk, den Herren der halben Welt mit dem Senat und dem Adel[2] an seiner Spize, in feyerlichem Aufzuge vor..
[156] Temme, Volkssag. Pomm. (1840), III: Die Sage lebt in und mit dem Volke; sie gehört zu dem romantischen[7] Theile seines Lebens, den es mit einem eigenthümlichen poetischen[4] Kleide umgeben hat..
[157] L. Tieck, an Wackenroder (28. 12. 1792), VL 2, 106: Carrikaturen gefallen überhaupt vielleicht nur einem kalten nördlichen Volke, dessen Gefühl für den feinen Stachel der stillen Schönheit[1] zu grob ist, oder die schon die Schule der Schönheit[1] durchgegangen sind, und deren übersatten Magen nur noch die gewürztesten Speisen reizen können, die es daher gern sehn, wenn die Schönheit[1] dem Ausdruck aufgeopfert wird, weil sie in der Schönheit[1] keinen lebenden Ausdruck mehr finden..
[158] Trahndorff, Baukunst d. Mittelalt. (1828), 30: Wie übrigens die reichen Laubverzierungen mit [...] ächtarchitektonischen harmoniren, und durch welche Grundidee diese Harmonie bedingt sey, wie vielleicht ein tief und ursprünglich in der Volksphantasie liegendes Bild von der Beschaffenheit heiliger und den wichtigsten Angelegenheiten einer Gesammtheit gewidmeter Orte hier ein verborgenes Spiel trieb, dieß kann hier nur andeutungsweise berührt werden. Manche haben sich entschieden dagegen erklärt , daß das Bild eines heiligen Haines dem Kirchenbau des Mittelalters zum Grunde liegen könne, indem sie sich auf die Kluft stützen zwischen der Zeit[3] der heiligen Haine unter den Germanen und zwischen der Blüthenzeit jenes Baustyls. Dennoch aber drängt sich beym Anblick dieser sich massenweise dnrchschneidenden Bogen, dieser an Thür- und Fensteröffnungen oder Nischen hintereinander zusammengedrängten Vervielfältigung der Bogendurchsicht, der starken, aus mehreren zusammengesezt erscheinenden Pfeiler, die, wie Stämme und Stammgruppen ein Laubdach, die Gewölbe stützen, und der schwebenden[3] Dächer, diese Vorstellung so unwillkürlich und bestimmt auf, daß man sich ihrer schwerlich erwehren kann; ja es ist, als, ob selbst die Entstehung des Spitzbogens in den sich kreuzenden Aesten und Zweigen vorgebildet wäre. Ob nun mit dem Lebensprinzip eines Zeitalters sich noch eine ursprüngliche oder durch die Ausbildung ursprünglicher Eigenschaften eines Volkes bestimmte Gestaltungsart der Phantasie[1] als ein Vermittelndes vereinigen könne, ist ein psychologisches Problem, welches nur von der Einseitigkeit unter die Träume gezählt werden wird..
[159] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 121 f. (122): Als Albrecht [Dürer] den Pinsel führte, da war der Deutsche auf dem Völkerschauplatz unsers Welttheils noch ein eigenthümlicher und ausgezeichneter Charakter[6] von festem Bestand; und seinen Bildern ist nicht nur in Gesichtsbildung und im ganzen Äußeren, 〈122〉 sondern auch im inneren Geiste[12], dieses ernsthafte, grade und kräftige Wesen des deutschen Charakters[2] treu und deutlich eingeprägt. In unsern Zeiten[3] ist dieser festbestimmte deutsche Charakter[2], und eben so die deutsche Kunst[4], verloren gegangen. Der junge Deutsche lernt die Sprachen[3] aller Völker Europa's, und soll prüfend und richtend aus dem Geiste[10] aller Nationen[1] Nahrung ziehen; – und der Schüler der Kunst[4] wird belehrt, wie er den Ausdruck Raphaels, und die Farben der venezianischen Schule, und die Wahrheit der Niederländer, und das Zauberlicht des Correggio, alles zusammen nachahmen, und auf diesem Wege zur alles übertreffenden Vollkommenheit gelangen solle. – O traurige Afterweisheit! O blinder Glaube des Zeitalters, daß man jede Art der Schönheit[1], und jedes Vorzügliche aller großen Künstler der Erde, zusammen〈123〉setzen, und durch das Betrachten aller, und das Erbetteln von ihren mannigfachen großen Gaben, ihrer aller Geist[20] in sich vereinigen, und sie alle besiegen könne! ➢ Volltext.
[160] Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 162 f.: Wem eine so schnelle und große Veränderung zuzuschreiben sey, ist unter den Franzosen selbst keine Frage. Die ganze Nation[1] ist nur Eine Stimme[6], sie [ist] nicht der Pracht des Hofes unter Ludwig XIV. nicht dem Weinbau, Seidenbau, den Manufacturen, und der Handlung, die damals in Frankreich blüheten, nicht dem Zusammenfluß glüklicher Umstände, welche sich zum glänzendsten Wohlstande des Französischen Reichs in der ersten Hälfte der Regierung jenes großen Königs vereinigten – sondern den Arnaud, Pascal, Bourdaloue, Fenelon, Bossuet, La Brüyere, 〈162〉 u. a. unter den Prosaisten, und den Corneille, Racine, Moliere, Boileau und La Fontaine unter den Dichtern, zuzuschreiben, welche sich, nach des Schiksals Schluß, zusammen fanden, und durch ihre Werke die goldne Epoke der französischen Litteratur hervorbrachten. Und wodurch wurden alle diese Männer die Classischen[3/4] Schriftsteller ihres Volkes, und die Muster der besten Schreibart? Etwa dadurch, daß sie sich nach dem Geschmacke der obern Classen[2] in Paris bildeten, und die Sprache[3] schrieben, welche jene redeten? Pascal, dessen Lettres Provinciales bis auf diesen Tag für das vollkommenste Muster der schönsten französischen Sprache[3] und Schreibart gelten, hatte von Jugend auf in einer großen Abgeschiedenheit gelebt, und zu seiner Zeit war die Clelie, der große Cyrus und andre Werke dieser Art noch die Mode-Lecture der obern Classen[2] in Paris. Der große Corneille war nichts weniger als was man einen Weltmann nennt; er lebte in seinem Cabinet und im Schooße seiner Familie; mit den hohen Charaktern[6] und Idealen des alten[10] Roms und Griechenlandes besser bekannt als mit dem Adel[2] und dem vornehmen Bürgerstande zu Paris. Mit welchem Grunde sollte man also von diesen und den übrigen großen Schriftstellern der schönsten Zeit Ludwigs des XIV. sagen können: daß sie den guten Geschmack, der ihnen vor ihren Vorgängern einen so großen Vorzug giebt, von ihren Zeitgenossen erhalten hätten? anstatt daß alle Welt bißher gerade das Gegentheil ge〈163〉glaubt hat. Freylich reden die ersten guten Schriftsteller eines Volks keine unerhörte selbst erfundene Sprache[3]; und ihre vortreflichen Werke setzen voraus, daß die Sprache[3], schon durch eine Menge Stufen nach und nach zu einem großen Reichthum an Worten und Redensarten, und selbst zu einigem Grade von Ausbildung und Politur gekommen sey. Viele gute Schriftsteller mußten vorher an der Französischen Sprache[3] gearbeitet haben, ehe sie von den Besten der Vollkommenheit nahe gebracht werden konnte. Aber wodurch thaten diese leztern es in allen Schrift-Arten ihren Vorgängern so sehr zuvor? Etwa dadurch, daß sie ihren Geschmack nach den obern Classen[2] ihrer Nation[1], oder dadurch, daß sie ihn nach den besten Mustern der Alten bildeten? Man braucht sie nur zu lesen, nur ihr eignes Geständniß zu hören, um von dem leztern überzeugt zu werden. Die Calpreneden, die Boyers, Pradons u. s. w. diese waren die Leute, die sich nach dem Geschmack ihres Publikums richteten, und dadurch die vergängliche Ehre eines augenbliklichen Beyfalls erschlichen: aber die Corneille und Racine schlugen einen ganz andern Weg ein; sie erhoben sich durch ihren mit der reinsten Blüthe Classischer[7] Gelehrsamkeit genährten Genie, durch einen Geschmak, den sie sowohl an den vollkommnen Mustern der Alten als an den fehlerhaften Werken ihrer Vorgänger und Zeitgenossen geschärft hatten, über den Geschmak ihres Publikums; wurden die Gesezgeber 〈164〉 desselben, anstatt seine Sklaven zu seyn. ➢ Volltext.
[161] Wieland, Aristipp. I (1800–01), SW 22, 394: Um diese Allegorie nicht zu lange zu verfolgen, bemerke ich nur, daß das Daseyn der Vernunft und ihr Einfluß auf unsre sinnliche oder thierische Natur[1] sich, wie bei den Kindern schon in der frühen Dämmerung des Lebens, so bei allen, selbst den rohesten Völkern schon in den ersten Anfängen der Cultur[3] vornehmlich darin beweist, daß sie (wofern nicht besondere klimatische oder andere zufällige Ursachen im Wege stehen) sich selbst und ihren Zustand immer zu verschönern und zu verbessern suchen..
[162] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 193: Vielerlei sind der Sprachen[9], Zungen und Charaktere[9] auf der Welt, die einander nicht verstehen; die Poesie[11] aber ist die heilige Flammenzunge, die aus aller Herzen zu aller Herzen spricht und jeden Menschen[1] mit süßem Verständnis bewegt. Die Poesie[11] ist die Natur[19], die ursprüngliche Menschheit[1], die sich mit jeder besonderen Erscheinung der Menschheit[1] auf dem Felde der Geschichte[1] gattet und daher, so allgemein menschlich sie in ihrer Quelle ist, doch jedesmal einer besonderen Menschheit[3], einem gewissen Zeitalter eigentümlich angehört. Man kann daher mit Recht von einer katholischen und griechischen[2] Poesie[11] sprechen, von einer romantischen[13] und klassischen[7], nur wird man sich hüten, den Gegensatz unmittelbar in das Wesen der Poesie[11] selbst zu setzen, die Poesie[11] ist nur die eine bei allen Völkern, Zeiten[5] und Zuständen, aber der Strahl dieser einen Sonne bricht sich tausendfach in der geistigen Atmosphäre und verursacht dadurch ein buntes[2] Farbenspiel von Weltpoesien, deren Verständnis, nach Rückerts Ausdruck, allein zur Weltversöhnung führt..
[163] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 82: Was die Umstände betrifft, in welchen sich die Kunst[4] unter den Hetruriern befunden, so ist gewiß, da die Verfassung und Regierung in allen Ländern einen großen Einfluß in dieselbe gehabt hat, daß in der Freyheit[6], welche dieses Volk unter ihren Königen genoß, die Kunst[4], so wie ihre Künstler, das Haupt erheben, und zu einem großen Wachsthume gelangen können..
[164] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 82 (2): Die Hetrurier waren so eifersüchtig über die Freyheit[6], und so große Feinde der Königlichen Macht, daß diese ihnen auch unter Völkern, die nur mit ihnen in Bündniß standen, verhaßt und unerträglich war. .
[165] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 83: Diese Freyheit[6], die Pflegerinn der Künste[2], und der große Handel der Hetrurier zu Wasser und zu Lande, welcher jene beschäftigte und nährete, muß unter ihnen eine Nacheiferung mit Künstlern anderer Völker erwecket haben, sonderlich da der Künstler in allen freyen[6] Staaten mehr wahre Ehre zu hoffen und zu erlangen hat. .
[166] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 132: Durch die Freyheit[6] erhob sich, wie ein edler Zweig aus einem gesunden Stamme, das Denken des ganzen Volks. Denn wie der Geist[22] eines zum Denken gewöhnten Menschen sich höher zu erheben pflegt im weiten Felde, oder auf einem offenen Gange, auf der Höhe eines Gebäudes, als in einer niedrigen Kammer, und in jedem eingeschränkten Orte, so muß auch die Art zu denken unter den freyen[6] Griechen gegen die Begriffe[1] beherrschter Völker sehr verschieden gewesen seyn..
[167] Winckelmann, Anm. Gesch. Kunst (1767), 22: Die Pelasger [...] scheinen unter den Hetruriern keinen Krieg oder Staats-Veränderungen verursachet zu haben, als welche wie zuvor im Besitze der Freyheit[6] blieben, unter Häuptern die sich das Volk erwählete [...]..
[2] Börne, Brf. Paris VI (1834), 33: Denn Adel[2] und Geistlichkeit sind die beiden Enden des Balancier-Baumes der Fürsten, da jede Regierung die nicht auf dem Boden des Volkes ruht, jede monarchische Regierung nur Seiltänzerei ist; fort die Stange, Plautz der König!
[3] C. D. Friedrich, an E. M. Arndt (12. 3. 1814), Z, 85 f.: Ich wundere mich keineswegs, daß keine Denkmäler errichtet werden, weder die, so die große Sache des Volkes bezeichnen, noch die hochherzigen Taten einzelner deutscher Männer. | 〈86〉 Solange wir Fürstenknechte bleiben, wird auch nie etwas Großes der Art geschehen. Wo das Volk keine Stimme[7] hat, wird dem Volk auch nicht erlaubt, sich zu fühlen und zu ehren.
[4] Frölich, Virginia I (1820), 77: Der Sieg bei Marengo wurde erfochten, und die Völker Italiens wurden frey[6]. Jedes Gemüth welches sich von dem klassischen[3/7] Boden angezogen fühlte, war leidenschaftlich bewegt; man hoffte die Nachkommen der Griechen und Römer würden aus ihrem langen Schlaf erwachen.
[5] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 62 f.: Man erstaunt über die Menge der Künste[1/2] und Gewerbe, die man in den Nachrichten der Ebräer, schon von den frühesten Zeiten[3] an, mehreren kleinen Nomadenvölkern dieser Gegend [sc. Vorderasien] gemein findet. Den Ackerbau mit mancherlei Geräthen, die Gärtnerei, Fischerei, Jagd, insonderheit die Viehzucht, das Mahlen des Getreides, das Backen des Brots, das Kochen der Speisen, Wein, Oel, zur Kleidung die Bereitung der Wolle und der Thierhäute, das Spinnen, Weben und Nähen, das Färben, Tapetenmachen und Sticken, das Stempeln des Geldes, das Siegelgraben und Steinschneiden, die Bereitung des Glases, die Korallenfischerei, den Bergbau und das Hüttenwesen, mancherlei Kunstarbeiten in Metall, im Modellieren, Zeichnen und Formen, die Bildnerei und Baukunst, Musik[1] und Tanz, die Schreib- und Dichtkunst, Handel mit Maas und Gewicht, an den Küsten Schiffahrt, [...] einige Anfangsgründe der Stern-, Zeiten- und Länderkunde, der Arzneiwissenschaft und Kriegskunst, der Arithmetik, Geometrie und Mechanik, in politischen Einrichtungen Gesetze, Gerichte, Gottesdienst, Contrakte, Strafen und eine Menge sittlicher Gebräuche, alles dies finden wir bei den Völ〈63〉kern des Vorder-Asiens so früh' im Gange, daß wir die ganze Cultur[7/4] dieses Erdstrichs für den Rest einer gebildeten Vorwelt ansehen müßten, wenn uns auch keine Tradition darauf brächte. Nur die Völker, die der Mitte Asiens weit entlegen, in der Irre umherzogen; nur sie sind barbarisch und wilde geworden, daher ihnen auf mancherlei Wegen früher oder später eine zweite Cultur[3] zukommen mußte.
[6] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 116: In beiden America's ist es nur derselbe Typus; allein diejenigen Europäer, welche die großen Flüße, Orinoco und den Amazonenstrom beschifft, oder Gelegenheit gehabt haben, viele verschiedene Stämme unter der mönchischen Hierararchie in den Missionen beisammen zu sehen, haben gewiß die Beobachtung gemacht, daß die americanische Raçe[1] Völker enthält, die in ihren Gesichtszügen eben so wesentlich von einander abweichen, als die vielen Varietäten der kau〈117〉kasischen Raçe[1], der Circassier, Mauren und Perser.
[7] Jahn, Runenbl. (1814), 21: Jedes Volk hat Recht, sich nach einer volksthümlichen Bereinigung mit allen seinen Sprach- und Stammverwandten zu sehnen, in ihnen Reichsgenossen zu ahnen[1].
[8] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 283: Der Schnee [...] in kalten Ländern [...] erleichtert die Gemeinschaft der Menschen (durch Schlitten); der Lappländer findet dort Thiere[1], die diese Gemeinschaft bewirken (Rennthiere), die an einem dürren Moose, welches sie sich selbst unter dem Schnee hervorscharren müssen, hinreichende Nahrung finden, und gleichwohl sich leicht zähmen, und der Freyheit[3], in der sie sich gar wohl erhalten könnten, willig berauben lassen. Für andere Völker in derselben Eiszone enthält das Meer reichen Vorrath an Thieren[1], die, außer der Nahrung und Kleidung, die sie liefern, und dem Holze, welches ihnen das Meer zu Wohnungen gleichsam hinflößet, ihnen noch Brennmaterien zur Erwärmung ihrer Hütten liefern.
[9] Kant, Gemeinspruch (1793), 282: Die menschliche Natur[1] erscheint nirgend weniger liebenswürdig, als im Verhältnisse ganzer Völker gegen einander. Kein Staat ist gegen den andern wegen seiner Selbstständigkeit, oder seines Eigenthums, einen Augenblick gesichert. Der Wille, einander zu unterjochen, oder an dem Seinen zu schmälern, ist jederzeit da; und die Rüstung zur Verteidigung, die den Frieden oft noch drückender und für die innere Wohlfahrt zerstörender macht, als selbst den Krieg, darf nie nachlassen.
[10] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (21793), 242: Der Stammvater eines Geschlechtes[3], eines Volkes, einer Religion[6] oder einer Secte..
[11] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (21793), 1289 f. (1290): Vielleicht wich schon die Römische Bauersprache in dem Laute des C ab, doch das ist nur eine Muthmaßung; das aber ist gewiß, daß die Aussprache dieses Buchstabens[7] sehr verderbt wurde, als Italien von fremden[1] Nationen[1] überschwemmt wurde, oder auch, als die Römische Sprache[3] die Hof- und gelehrte 〈1290〉 Sprache[3] so vieler fremden[1] Völker wurde, die nunmehr anfingen, dem c vor dem ä, e, i, ö, ü, y, ihren Zischlaut unterzuschieben..
[12] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 1063: Heide, [...] eine Person, welche außer der Erkenntniß[4] des wahren Gottes[1] lebet, ein Ungläubiger in weitern Verstande[7]; daher im alten[1] Testamente alle Völker außer den Juden[1], heut zu Tage aber alle außer den Juden[1], Christen und Türken, Heiden genannt werden, ob man gleich in den mittlern Zeiten[3] auch die Türken mit zu den Heiden zu zählen pflegte. In einigen Gegenden sind die Zigeuner unter dem Nahmen der Heiden in engerer Bedeutung bekannt..
[13] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 1443: In weiterer und gewöhnlicherer Bedeutung werden alle Glieder des ehemahligen Israelitischen Volks, und die Bekenner der Religion[1] derselben, Juden[1], und auf eine bestimmtere Art, die ältern[1] Juden[1] genannt, zum Unterschiede von den heutigen und neuern[3] Juden[1], welche ein Überrest der erstern sind, und am häufigsten auch nur Juden[1] schlechthin genannt werden..
[14] A. v. Arnim, Isabella (1812), 6 f. (7): Die Zigeuner[1] waren damals in der Verfolgung, welche die vertriebenen Juden[1] ihnen zuzogen, die sich für Zigeuner[1] ausgaben, um geduldet zu werden, schon sündlich verwildert; oft hatte Herzog Michael darüber geklagt und alle seine Klugheit angewendet, sie aus dieser Zerstreuung nach ihrem Vaterlande zurückzuführen. Ihr Gelübde, so weit zu ziehen, als sie noch Christen fänden, war gelöst [...]. Das Zurückführen nach Ägypten war aber bei der zunehmenden Türkenmacht, bei der Verfolgung überall, bei dem Mangel an Gelde unendlich schwer. Schon hatte der Herzog, was sonst ihre Nationalbelustigung war, Proben von Stärke und Geschicklichkeit, (wie sie schwere Tische auf ihren Zähnen im Gleichgewichte trugen, wie sie sich springend in der Luft überschlugen oder auf den Händen gingen) alles das, was sie mit dem Namen der starken Mannskünste bezeichneten, zu ihrer Erhaltung zu benutzen gesucht, aber von einem Gebiete ins andre zurück gedrängt, erschöpften sich diese Erwerbsquellen und auch die Besseren, wenn selbst das Wahrsagen nicht mehr galt, sahen sich gezwungen ihre ärmliche Nahrung zu stehlen oder mit jachtfreien Thieren[1], wie Maulwürfe und Stachelschweine fürlieb zu nehmen. 〈7〉 Da fühlten sie erst recht innerlich die Strafe, daß sie die heilige Mutter Gottes[2] mit dem Jesuskinde und dem alten[2] Joseph verstoßen, als sie zu ihnen nach Ägypten flüchteten, weil sie nicht die Augen des Herrn[4] ansahen, sondern mit roher Gleichgültigkeit die Heiligen für Juden[1] hielten, die in Ägypten auf ewige Zeit[2] nicht beherbergt werden, weil sie die geliehenen goldnen und silbernen Gefäße auf ihrer Auswanderung nach dem gelobten Lande mitgenommen hatten. Als sie nun später den Heiland aus seinem Tode erkannten, den sie in seinem Leben verschmäht hatten, da wollte die Hälfte des Volks durch eine Wallfahrt, so weit sie Christen finden würden, diese Hartherzigkeit büßen. Sie zogen durch Kleinasien nach Europa und nahmen ihre Schätze mit sich, und solange diese dauerten, waren sie überall willkommen; wehe aber allen Armen in der Fremde..
[15] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 112: Sprachen[3] lernen, ist mit dem Geist[19] der aufregendsten Tanzmusik folgend, sich behagen in harmonischen Beugungen und zierlichen kecken labyrintischen Tänzen, und dies electrisirt den Geist[19] wie die Tanzmusik Deine Sinne[4] electrisirt. In der Sprache[3] aber vermählen sich die Sinne[4] wirklich mit dem Geist[19], und aus dieser Verbin〈112〉dung erzeugt sich denn, was die Völker mit Erstaunen als ihr höchstes Kleinod lieben und erheben, und wodurch sie sich erhaben fühlen über andre Völker, was den Charakter[1] ausspricht ihrer Nationalität, nämlich der Dichter.
➢ Volltext
.[16] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 110: Aus mehreren Stämmen bildet sich, nach Anleitung von einzelnen, äußeren Umständen, ein Staat; die nachbarlichen Stämme mit ihren im Ganzen ähnlichen Sprachen[3] schmelzen zu einem Volke zusammen; es entsteht Volkssprache, welche einen allgemeinen und noch festern Charakter[1] bekommt. Allein diese Stämme vereinigen sich 〈111〉 anfangs nur durch ein sehr lockeres Band, und die einzelnen Stammsprachen bleiben daher noch lange Zeit von einander getrennt, und erhalten blos eine allgemeine Aehnlichkeit. Diese allgemeine Aehnlichkeit ist nun die eigentliche Landessprache, und die übrigen Stammsprachen erscheinen in Hinsicht auf diese als Dialekte[1]. Nun ist aber ein doppelter Fall denkbar; entweder dies Band zwischen den Stämmen bleibt so locker, als es anfangs war, und jeder kultivirt sich für sich, dann wird die jedesmalige Provinz, in welcher die Kultur[4] wohnt, ihren Dialekt[1] zur Hauptsprache erheben, und temporell die Sprachen[4] der andern Stämme als abweichend und weniger gebildet herabsetzen; oder die Stämme nähern sich einander bis zur Vermischung, dann entsteht eine Hauptsprache, welche die andern, durch zufällige Umstände, sich neben der Hauptsprache erhaltenden Dialekte[1], würklich als fehlerhaft und provinziell, wenigstens für die schriftliche Darstellung, verwirft. Griechenland liefert Beispiele zu beiden, in der anfänglichen Trennung in einzelne Stämme und Dialekte[1], und der spätern Reception des attischen Dialekts[1] als klassisch[4]. ➢ Volltext.
[17] C. Böhmer, an F. L. W. Meyer (11. 7. 1791), C 1, 225: Ich wollte, Sie wären in Paris und könten mir sagen, wie es dort seit der verunglückten Flucht des Königs aussieht, welche Häupter das Volk[1/4/5?] leiten, das sich von Freyheit[6] begeistert dünkt, und ob sich die wüthenden Wellen verhaßter Uebertreibungen bald legen werden..
[18] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 10: Herr Büsch [...] nennt Activhandel den Handel eines Volks, das denselben durch sich selbst betreibt, bei den Fremden[1] beides, als Käufer und Verkäufer, erscheint, oder seine Waren andern Nationen[1] selbst zuführt und deren Waren von ihnen hohlt; Passivhandel hingegen ist ihm derjenige, da ein Volk den fremden[1] Käufer und Verkäufer bei sich erwartet..
[19] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 61: Die Antike[2/3] oder Antique, a. d. Lat. im weitern Sinne, alle Denkmähler der Kunst[4/1], die uns von den Völkern, wo sie ehedem blühte, übrig sind [...]..
[20] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 309: Die Cultur[1/3], a. d. Lat 1) die Anbauung, Veredlung im Allgemeinen. 2) Die Veredlung oder Verfeinerung der gesammten Geistes- und Leibeskräfte eines Menschen oder eines Volkes, so daß dieses Wort so wohl die Aufklärung, die Veredlung des Verstandes, als auch die Politur, die Veredlung und Verfeinerung der Sitten, unter sich begreift. .
[21] Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 185: Heinrich der erste [...] legte zur Sicherheit wider die Einbrüche fremder[1] Völker die ersten Städte in Deutschland an [...]..
[22] Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 278: Die Juden[1] gehören, ungeachtet des Hasses, womit sie ehemahls von den Christen verfolgt wurden, und vielleicht noch jetzt an manchen Orten verfolgt werden, zu den merkwürdigsten Völkern der Erde, und werden, theils wegen der Wichtigkeit ihrer Urgeschichte, theils 〈279〉 aber auch wegen ihres National-Charakters, welcher sich in einer langen Reihe von Jahrhunderten und bei den mannigfaltigsten Veränderungen, die dieses Volk in allen Ländern erfuhr, so ziemlich unverfälscht erhalten hat, immer die Augen des Forschers auf sich ziehen, und ihn zu neuen[1] Untersuchungen in dem Labyrinthe ihrer Geschichte[1] ermuntern..
[23] Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 393: Sie [sc. die Letten] waren tapfer und arbeitsam, und zeigten ungeachtet der äußerst niedrigen Stufe der Cultur[4], auf der sie standen, doch die herrlichsten Anlagen zu einem großen und mächtigen Volke..
[24] Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 248: Schon seit dem zweiten Jahrhunderte war Aberglaube und Verehrung der Götter[4] fremder[1] Völker in Rom herrschend [...]..
[25] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 16: Daß das Physische eines Volks, das sein Vaterland gegen eine fremde[1] Zone vertauscht, wirklich abgeändert werden könne, beweisen die Lappen, die aus dem Ungarischen Stamme entsprossen sind [...]..
[26] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 170: Unsterblich sind Moses Verdienste um sein Volk, das wahrlich zu seiner Zeit[3] nicht dazu geeignet war, mitten unter Götzenanbetern den Glauben seiner Väter an einen Gott[1], der ganzen Welt Schöpfer, des Guten und Bösen weisen Regierer, dem einzig Freiheit[1] von Schuld und Verbrechen den Menschen[1] angenehm mache, festzuhalten. Und doch gelang es ihm, sich ihrer Sinnlichkeit für die Sache der Vernunft[3] und der Religion[1] zu bemächtigen, und sie durch Staats- und Tempelgesetze immer auf den Einen zurückzuführen, der ihr eigentlichster Herr sei. Hätten seine Nachfolger den Geist[14/20?] von ihm geerbt, der Jude[1] würde nicht mehr im sclavischen Joche des Ceremoniendienstes den Gott[1] zu verehren glauben, der seine Kinder zur Freiheit[10] erschuf..
[27] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 327: Alle westliche Europäischen Sprachen[3], die aus einer Vermischung des Lateins mit den Sprachen[3], der von den Römern unterjochten, oder später von Osten her eingewanderten Völker entstanden waren, wurden im Mittelalter Roman[i]sche[1] genannt; insbesondre aber bezeichnete man mit diesem Namen das Provenzalische Idiom – ein verdorbnes und verstümmeltes Latein, in welchem die ersten dichterischen Versuche der neuern[3] Zeit[3] gemacht wurden, so wie noch jetzt ein in gewissen Gegenden Graubündens übliches Afterlatein die Romanische[8] Mundart[1] benannt wird..
[28] Brockhaus, Conv.-Lex. VI (1809), 291: Der Vandalismus ist [...] die Wuth, alles, was von Cultur[4] und Verfeinerung zeigt [sic], zu vernichten, und an dessen Stelle die Barbarei und Rohheit ungebildeter Völker einzuführen..
[29] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. II (1838), 148: Gastmähler gehörten von jeher zu den Lieblingsvergnügungen geselliger Menschen und finden sich selbst bei den uncultivirtesten Völkern. Die Art und Weise, wie sie bei den verschiedenen Völkern gehalten werden, gibt einen Beweis ab von der Culturstufe, auf welcher dieselben stehen und von ihrem Charakter[1]..
[30] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. IV (1841), 201: Versuche [...], wie namentlich Klopstock machte, die nordische Mythologie an die Stelle der griech.[2] in die moderne[9] Poesie[1] einzuführen, fanden keinen allgemeinen Beifall, ein Beweis, wie die jetzt lebenden german. Völker vermöge des Ganges ihrer Bildung[4] dem griech.[2] Alterthume[2] geistig beiweitem näher stehen als dem altgermanischen..
[31] Droysen, Alex. (o. J. [1833]), 8: In den Mysterien war bisher verborgen und der Frivolität des Geschwätzes, dem Taumel des öffentlichen Lebens entrückt gewesen, was allem Zweifel und allem Spott unerreichbar sein mußte, wenn der Demokratie noch irgend Charakter[3] und Haltung bleiben sollte; auch von ihnen wich jetzt die alte Ehrfurcht; alles Gemeinsame ging unter, das Volk löste sich auf in die Atomistik der Ochlokratie, die Theilnahme an dem öffentlichen Leben in ein wildes Gewirr persönlicher Leidenschaften und Lächerlichkeiten, der Glaube der Väter in den Atheismus der sophistischen Aufklärung. ➢ Volltext.
[32] Droysen, Alex. (o. J. [1833]), 248: Schon im Alterthume[3] haben Parmenions verständige Reden mehr Beifall gefunden, als die rasche That Alexanders, die sie hindern sollten; man hat hinzugefügt, daß solches Wüthen gegen den todten Stein, gegen Kunstdenkmale, gegen Erobertes zugleich kindisch, barbarisch und beklagenswerth sei; und in der That scheinen diejenigen mit Recht so zu sprechen, welche in dem Charakter[2] eines Helden nichts als ihre eigenen Tugenden, Bestrebungen und Maximen in erhöheter Potenz zu finden hoffen. Indeß haben große Männer das Recht, nach ihrem Maaße gemessen zu werden, und in dem, was man ihre Fehler nennt, liegt ein tieferer Sinn[2] als in der ganzen Moral, gegen die sie zu verstoßen den Muth haben. Träger der Gedanken ihrer Zeit[5] und ihres Volkes, handeln sie mit jener dunklen Leidenschaft, die, eben so weit als ihr Beruf über den Horizont der Alltäglichkeit hinaus, sie in die einsame Region der geschichtlichen Größe trägt, die nur der Blick der Bewunderung zu erreichen vermag. ➢ Volltext.
[33] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), XVIII ff. (XX): „Wenn wir uns der Freiheit[6] auch würdig machten, so werden die Monarchen uns doch nicht frei[6] lassen.“ [...] 〈XX〉 [...] Sagen hilft da nichts, denn wer könnte so laut schreien, daß es ihr Ohr[3] erreichte, und durch ihren Verstand[4] zu ihrem Herzen eindränge? Nur handeln hilft. Seyd gerecht, ihr Völker, und eure Fürsten werden es nicht aushalten können, allein ungerecht zu seyn..
[34] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 188 f. (189): Fast durch alle Länder von Europa verbreitet sich ein mächtiger, feindseelig gesinnter Staat, der mit allen übrigen im beständigen Kriege steht, und der in manchen fürchterlich schwer auf die Bürger drückt; es ist das Judenthum. [...] 〈189〉 [...] Von [...] so einem Volke sollte sich etwas anders erwarten lassen, als [...] daß in einem Staate, wo der unumschränkte König mir meine väterliche Hütte nicht nehmen darf und wo ich gegen den allmächtigen Minister mein Recht erhalte, der erste Jude[1], dem es gefällt, mich ungestraft ausplündert. [...] 〈190〉 [...] Fällt euch denn [...] nicht der begreifliche Gedanke ein, daß die Juden[1], welche ohne euch Bürger eines Staates sind, der fester und gewaltiger ist als die eurigen alle, wenn ihr ihnen auch noch das Bürgerrecht in euren Staaten gebt, eure übrigen Bürger völlig unter die Füße treten werden..
[35] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 194 f.: Weniger gefährlich, seitdem er nicht mehr der ausschließende Besitzer der Reichthümer und der dürftigen Cultur[7] unmündiger Völker ist, aber doch noch immer ein wirklicher 〈195〉 Staat im Staate ist der Adel[2], abgesondert durch seinen Zunftgeist, durch seine Verheirathungen unter einander, und durch das noch immer ausschließende Recht auf gewisse Bedienungen; allenfalls nur da gut, wo das Volk noch einer solchen Vormauer gegen den Despotismus bedarf..
[36] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 260: „Alle alten[9] Völker haben ihren Adel[2] gehabt,“ sagen Staatsmänner, die man zugleich für große Geschichtskundige hält; und lassen uns daraus in aller Stille folgern, daß der Adel[2] so alt[1] sey, als die bürgerliche Gesellschaft, und daß in jedem wohlgeordneten Staate einer seyn müsse. Es ist sonderbar, daß eben diese Männer, bei denen die Nothwendigkeit des Adels[2] in jedem Staate sich von selbst versteht, – wenn sie sich etwa zum Ueberflusse noch darauf einlassen, den Ursprung des heutigen Adels[2] zu erklären, sich in Muthmaßungen verlieren, die sie auf nichts, als auf andere Muthmaßungen, stützen können. | Ich rede nicht vom persönlichen Adel[3] – von der Berühmtheit oder den Vortheilen, die der große Mann durch eigene Thaten sich erwirbt; ich rede, wie man es will, vom Erbadel, von der Berühmtheit oder den etwani〈261〉gen Vortheilen, die er durch das Andenken dieser seiner Thaten auf seine Nachkommen überliefert..
[37] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 306: „Ich bin von Adel[1],“ sagt uns der moderne[1] Edelmann. – Welch etwas ganz anderes war es, wenn ein Römer sich einen Brutus, einen Scipio, einen Appius, oder Cimon sich eines Miltiades Sohn nannte! Bestimmte Thaten bestimmter Männer gingen dann vor der Seele des Volks[7] vorüber, dem er sich nannte, und knüpften sich an den Mann, der durch seinen Namen oder durch den Namen seines Vaters das Andenken derselben bei ihnen erneuerte. – Aber was denken wir uns bei dem unbestimmten weitsichtigen Begriffe[4]: Adel[1]? Etwas klares wenigstens nicht. [...] Wir sind im Allgemeinen in unsrer vaterländischen Geschichte[3] weit weniger einheimisch, als die alten[10] Völker[1], weil man uns so viel als möglich abhält, Antheil an öffentlichen Geschäften zu nehmen: – und was wir allenfalls wissen, erregt unsre Theilnehmung in weit geringerm Grade, weil es derselben meist so wenig würdig ist..
[38] Fichte, Red. Dt. Nat. (1808), 335: Nachdem dieser Punct [sc. goldenes Zeitalter] erreicht ist, kann das Volk nicht mehr, denn entweder seine gelungensten Meisterstücke verändert wiederholen, also, dass sie aussähen, als ob sie etwas Neues[1] seyen, da sie doch nur das wohlbekannte Alte[1] sind; oder, wenn sie durchaus neu[1] seyn wollen, zum Unpassenden und Unschicklichen ihre Zuflucht nehmen, und ebenso in der Dichtkunst das Hässliche[1] mit dem Schönen[1] zusammenmischen, und sich auf die Carricatur und das Humoristische legen, wie sie in der Prosa[2] genöthigt sind, die Begriffe[1] zu verwirren und Laster und Tugend mit einander zu vermengen, wenn sie in neuen[1] Weisen reden wollen..
[39] G. Forster, Reise u. d. Welt I (1778), 230: Es ist würklich im Ernste zu wünschen, daß der Umgang der Europäer mit den Einwohnern der Süd-See-Inseln in Zeiten[6] abgebrochen werden möge, ehe die verderbten Sitten der civilisirtern Völker diese unschuldigen Leute anstecken, welche hier in ihrer Unwissenheit und Einfalt so glücklich leben..
[40] G. Forster, Cook (*1787; 1789), W 2, 213: Mit Erstaunen bemerkt man, daß die Völker Asiens, sie mögen wie die Chineser von Europa unabhängig geblieben, oder wie die in Bengalen, Java, den Molucken und Philippinen von unsern Kaufleuten unterjocht worden seyn, dennoch auf ihrer Stufe der Kultur[4] stille stehen, sich mit den Europäern nicht vermischen, und ihre eignen Sitten, Sprachen[3] und Gebräuche beybehalten. .
[41] G. Forster, Leitfad. Gesch. d. Menschh. (1789), 82: Kaum hatte ich jenes Gedicht wieder gelesen, so reihte sich in meinem Kopf ein ganzes Sistem der sogenannten Geschichte[4] der Menschheit[2] daran. Das Bindungsglied war jener so bekante, als gemißbrauchte Vergleich der verschiedenen Lebensepochen des einzelnen Menschen[1] mit den Stufen der Kultur[4] bei ganzen Familien und Völkern. .
[42] G. Forster, Leitfad. Gesch. d. Menschh. (1789), 282: Nur solche Völker, die in ihrer früheren Periode der Wollust glücklich entgangen, und in den Armen der Freiheit[6] zu männlicher Stärke herangewachsen sind, können und müssen zulezt den höchsten Gipfel der Bildung[5] ersteigen, wo die ganze Energie unseres Wesens sich in den feineren Werkzeugen der Empfindung und des Verstandes[2] am thätigsten erweiset. Nur dreimal, nur in Europa, und jedesmal in anderer Gestalt erblickte die Welt das Schauspiel dieser lezten Ausbildungsstufe. Einzig und unerreichbar erhob Athen zuerst ihr stolzes Haupt, da blühende Fantasie[1] und reiner Schönheitssinn in ihr die Erstlinge der Kunst[2] und Wissenschaft[1] erzeugten. Rom war nicht mehr frei[6], und die Beute der halben Welt hatte daselbst bereits das zügelloseste Sittenverderbniß angezündet, als es die Trümmer attischer Kultur[4] in seinem Schooß aufnahm, und glänzender durch Ueppigkeit als durch hohen Schwung des Genies[2], für seine künftigen Ueberwinder sie aufbewahrte. Schon war der sanfte Frühlingszauber von Duft und Blüte dahin, und die Periode römischer Aufklärung glich einem schwülen Sommertage, den am Abend ein Donnerwetter beschließt. Uns endlich, der Nachkommenschaft eines glücklichorganisirten Barbarenstammes, bei dem hernach das romantische[2/7] Feuer des Rittergeistes so schön[6] aufloderte, uns bleibt der Herbst mit seinen reifen Früchten noch übrig; wir ernten und keltern und füllen unsere 〈283〉 Scheuren, der Himmel weis, für welchen bevorstehenden Winter!.
[43] G. Forster, Ansichten I (1791), W 2, 494: Wir fragen immer, wann doch endlich die Türkei, sowohl in Europa als in Asien, im schönen Lichte der sittlichen Kultur[4] wieder aufblühen, wann gebildete Völker Afrika bewohnen werden? Mich dünkt, die Antwort könnte man sich leicht erträumen: Hunger und Kälte werden dereinst gewaltiger und unaufhaltsamer, als vor Zeiten der Fanatismus und der Ehrgeiz, wirken, um die Völker von Europa in hellen Haufen über jene barbarischen Welttheile hinzuströmen..
[44] G. Forster, Ansichten II (1791), W 2, 673: So würde es ebenfalls die Scheidung des Wesentlichen in der Kunst[10] von dem Zufälligen sehr erleichtern, wenn man erwöge, daß sogar die rohesten Völker, die entweder einen höchst unvollkommnen oder noch gar keinen Trieb zu materiellen Kunstgebilden äußern, bereits wahre Poësien[11] besitzen, welche, verglichen mit den geglätteten und künstlich in einander gefügten dichterischen Produkten der verfeinerten Kultur[5], diesen oft den Preis der Gedankenfülle, der Stärke und Wahrheit des Gefühls, der Zartheit und Schönheit der Bilder abgewinnen. Man begreift, wie diese Eigenschaften das einfache Hirtenlied, die Klagen und das Frohlocken der Liebe, den wilden Schlachtgesang, das Skolion beim Freudenmale und den rauschenden Götterhymnus eines Halbwilden bezeichnen können; denn sie gehen aus der schöpferischen Energie des Menschen unmittelbar hervor und sind unabhängig von dem Vehikel ihrer Mittheilung, der mehr oder minder gebildeten Sprache[3]. .
[45] G. Forster, Ansichten II (1791), W 2, 731: Wäre diese Dirne einem Reisenden in Ost- oder Westindien begegnet, so hätte er ihren barbarischen Kopfputz einer Abbildung werth geachtet und über das Ungeheure und Abentheuerliche[3] im Geschmack der ungebildeten Völker lang und breit disserirt [...]..
[46] G. Forster, Gel. Zunftzwang (1792), W 3, 369: Dagegen ist der Durst nach Erkenntnis und Wahrheit so tief in unsern unwillkührlichsten Trieben gegründet, so innig verwebt mit den wesentlichsten Bedürfnissen unserer Existenz, daß sogar die Völker Asiens, denen wir an Kultur[4] und Energie des Geistes[10] so weit überlegen sind, die Erweiterung des Wissens zu einer Vorschrift ihres Sittengesetzes erheben, daß es in Indien die unerlaßliche Pflicht des gelehrten Brahmen ist, Lehre und Unterricht zu verbreiten, und daß der schwärmerische Prophet Arabiens allen seinen Gläubigen im Koran gebietet, „nach Erkenntnis zu forschen bis an die entferntesten Enden der Erde“..
[47] G. Forster, Ansichten III (1794), W 2, 819: Birmingham kündigt sich nicht sehr vortheilhaft an. Es wimmelte zwar von Menschen auf den Straßen; allein sie sahen alle so ungewaschen und zerlumpt aus, daß wir wohl merkten, wir kämen in eine große Fabrikenstadt. Die Straßen in einigen Quartieren der Stadt sind enge, kothig, und mit elenden Häusern bebauet, die den armen Handwerkern und Tagelöhnern zum Aufenthalte dienen. Mitten in der Stadt sieht man indeß ansehnlichere Häuser und schönere Straßen; unter andern giebt es hier, wie in andern Städten Englands, vortreffliche Wirthshäuser. Ich bemerkte insbesondere die Shakspear-Tavern, ein stattliches Gebäude, wo äußere und innere Eleganz vereinigt sind. Indeß fiel sie mir nicht so wohl wegen dieser Eleganz, als wegen ihrer Benennung auf. Wie schön, und in welchem vortheilhaften Lichte, erscheint nicht die allgemeine Kultur[4] in diesem Lande selbst darin, daß die großen Männer, die es hervorgebracht hat, auf diese Art mit den Helden in eine Klasse gesetzt werden! Wann wird man es sich wohl in Deutschland einfallen lassen, einen Gasthof anzulegen, mit Lessings, Göthens, Schillers, Wielands Kopfe zum Schilde? – Dies ist gewiß keine so gleichgültige Sache, wie man denkt. Der Genius eines Volkes zeigt sich auch in diesen Dingen. .
[48] Goethe, an A. O. Blumenthal (28. 5. 1819), WA IV, 31, 158: Denn wie sich die lateinische Sprache[3] durch zufälliges, dann vorsätzliches Pfaffenverderbniß in die romanische[1] verlor und die südwestlichen Völker mit einer solchen Verkindischung sich begnügen mußten; so war nichts natürlicher[4], als daß begabte, freiere[5] Geister[32] von der ausgearteten absurden Tochter wieder zur hohen Mutter zurückkehrten..
[49] Goethe, Not. u. Abhdlg. (1829), WA I, 7, 27: Die Perser [...] zeigten sich, selbst entferntern Völkern, gefährlich, um so mehr den benachbarten. | Alle waren überwunden, nur die Griechen, uneins unter sich, vereinigten sich gegen den zahlreichen, mehrmals herandringenden Feind [...]. Dadurch ward Frist gewonnen, daß [...] Philipp von Macedonien eine Einheit gründen konnte die übrigen Griechen um sich zu versammeln und ihnen für den Verlust ihrer innern Freiheit[6] den Sieg über äußere Dränger vorzubereiten..
[50] Görres, Tt. Volksb. (1807), 278 f.: [U]nd wie mit dem Verlaufe der Geschichte die Cultur[4/6] sich mehr nach Westen zog, ziehen sich auch die Kreise enger um unsere Zeit[3] zusammen: vorzüglich aber das Mittelalter ist die Periode, wo die Gestalten sich am dichtesten aneinander drängen, wo hauptsächlich die Stiftung gegründet wurde, von der die gegenwärtige Generation noch die Zinsen zieht. Welch eine wunderseltsame Zeit[3] ist nicht dies Mittelalter, wie glühte nicht in ihm die Erde liebeswarm und lebenstrunken auf; wie waren die Völker nicht kräftige junge Stämme noch, nichts Welkes, nichts 〈279〉 Kränkelndes, alles saftig, frisch und voll, alle Pulse rege schlagend, alle Quellen rasch aufsprudelnd, Alles bis in die Extreme hin lebendig!.
[51] Günderrode, Bram. (1805), SW 1, 311: Eine heiße Liebe zu seinem Volk beseelte den Braminen, er trauerte über dessen Fall, als sey es sein eigner, und weidete sich an dessen voriger Größe; und der lebhafte Antheil, den auch ich daran nahm, machte mich ihm immer lieber; er lehrte mich die Geschichte seines Vaterlandes genauer kennen, und mit Erstaunen sah ich, daß Indiens Kultur[4] in ein Alterthum[2] hinauf reicht, wo die Zeitrechnungen anderer Völker noch ungeboren sind. Mögen, sagte er einst zu mir, die stolzen Europäer sich rühmen, der Mittelpunkt der gebildeten und aufgeklärten Welt zu seyn, im Morgenlande[2] ist doch jede Sonne aufgegangen, die die Erde erleuchtet und erwärmet hat; später und bleicher sendet sie ihre 〈312〉 Strahlen dem Abendlande[2]..
[52] v. d. Hagen, Vorr. Nibel. (1810), XIII: Unter diesen Umständen bleibt hier für eine kritische[4] Ausgabe nichts anderes übrig, als die älteste[1] Handschrift, welche die stärkste Vermuthung der Ursprünglichkeit für sich hat, zum Grunde zu legen. Solches ist denn auch bei den Nibelungen geschehen und im Ganzen die Hohen Emser Handschrift für die älteste[1] und ächteste angenommen; die anderen, und für jetzo besonders die Münchener, sind jedoch stark zu Rathe gezogen: einmal, weil sie gewiß nicht viel jünger sind, und dann, weil das Nibelungen Lied, gleich dem edlem Golde, durch sich selber und seine eigene Trefflichkeit, sich viel reiner erhalten hat, als viele andere Werke jener Zeit, und namentlich die meisten der noch übrigen Nazionalgedichte. Der eigene Umstand, daß es, eben so unbegreiflich als unverantwortlich, bald nach seiner herrlichen Erscheinung in der jetzigen Gestalt, bis in die neueste[3] Zeit[3], fast gänzlich verschollen und vergessen war, ist, wiewohl für das Deutsche Volk ein nicht zu berechnender Verlust, doch für das Gedicht selbst als ein Glück zu achten, indem es dadurch der besonders verderblichen Hand der späteren Abschreiber entzogen, und so wahrscheinlich der Untergang der guten alten[1] Handschriften verhindert wurde..
[53] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 59: Wie oft hört man sagen, daß eine europäische Schönheit[3] einem Chinesen oder gar einem Hottentotten mißfallen würde, indem dem Chinesen ein ganz anderer Begriff[1] von Schönheit[1] inwohne als dem Neger, und diesem wieder ein anderer als dem Europäer u. s. f. Ja betrachten wir die Kunstwerke[2] jener außer-europäischen Völker, ihre Götterbilder z. B., die als verehrungswürdig und erhaben aus ihrer Phantasie[1] entsprungen sind, so können sie uns als die scheußlichsten Götzenbilder vorkommen, und ihre Musik als die abscheulichste in die Ohren[2] klingen, während sie ihrer Seits unsere Skulpturen, Malereien, Musiken für unbedeutend oder häßlich[1] halten werden. ➢ Volltext.
[54] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 324: Im Schreiben werden die Sprachlaute auf wenige stets gleiche Zeichen zurückgeführt, und erscheinen in ihrer einfachen Bestimmtheit; beim Sprechen aber verwischt sich nur allzuoft diese Bestimmtheit, so daß nun besonders die Volkssprachen, wie das Süddeutsche, Schwäbische, Schweizerische, Laute haben, die sich in ihrer Vermischung gar nicht schreiben lassen. Dieß ist dann aber nicht etwa ein Mangel der Schriftsprache, sondern kommt nur von der Schwerfälligkeit des Volkes her. ➢ Volltext.
[55] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 312 f. (313): Die Assonanz [...] betrifft nicht den Anfangsbuchstaben, sondern geht schon dem Reim entgegen, insofern sie 〈313〉 eine gleichklingende Wiederholung derselben Buchstaben[7] in der Mitte oder an dem Ende verschiedener Wörter[1] ist. Diese assonirenden Wörter[1] brauchen nun zwar nicht schlechthin den Schluß eines Verses auszumachen, sondern können auch wohl an anderen Stellen vorkommen, hauptsächlich aber treten die Schlußsylben der Zeilen durch die Gleichheit einzelner Buchstaben[7], im Unterschiede der Alliteration, welche den Hauptstab in den Anfang des Verses stellt, in einen assonirenden Bezug aufeinander. Seiner reichhaltigsten Ausbildung nach weist dieses Assoniren nach den romanischen[2] Völkern, den Spaniern vornehmlich, hin, deren volltönende Sprache[3] sich insbesondere für die Wiederkehr derselben Vokale geeignet zeigt. Im Allgemeinen zwar ist die Assonanz auf die Vokale beschränkt; indessen darf sie Theils gleiche Vokale, Theils auch gleiche Konsonanten, Theils auch Konsonanten in Verbindung mit einem Vokale wiederklingen lassen. ➢ Volltext.
[56] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 466 f. (467): Den Grund für die allgemeine Gruppirung der vielfachen nationalen und individuellen lyrischen Produkte haben wir [...] aus den durchgreifenden Formen zu entnehmen, zu denen sich das künstlerische Hervorbringen überhaupt entfaltet, und welche wir als die symbolische, klassische[3] und romantische[9] Kunst[2] haben kennen lernen. Als Haupteintheilung müssen 〈467〉 wir [...] dem Stufengange folgen, der uns von der orientalischen[1] zu der Lyrik der Griechen und Römer, und von dieser zu den slavischen, romanischen[2] und germanischen Völkern herüberführt. ➢ Volltext.
[57] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 473 f. (474): Dieses Herüberneigen [der Epik] zur lyrischen Auffassung findet seinen wesentlichen Grund darin, daß sich das gesammte Leben dieser Nationen[1] aus dem Princip der Subjektivität entwickelt [...] und sich dieser subjektiven Vertiefung in sich mehr und mehr bewußt wird. Am ungetrübtesten und vollständigsten bleibt dieß Princip bei den 〈474〉 germanischen Stämmen wirksam, während sich die slawischen umgekehrt aus der orientalischen[1] Versenkung in das Substantielle und Allgemeine erst herauszuringen haben. In der Mitte stehn die romanischen[2] Völker, welche in den eroberten Provinzen des römischen Reichs nicht nur die Reste römischer Kenntnisse und Bildung[5] überhaupt, sondern nach allen Seiten hin ausgearbeitete Zustände und Verhältnisse vor sich finden, und, indem sie sich damit verschmelzen, einen Theil ihrer ursprünglichen Natur[1] dahingeben müssen. ➢ Volltext.
[58] Heine, Romant. Schule (1836), 22: Bei den Völkern wo die Poesie[22] ebenfalls das Unendliche darstellen wollte, und ungeheure Aus〈23〉geburthen der Phantasie[1] zum Vorschein kamen, z. B. bey den Skandinaviern und Indiern, finden wir Gedichte, die wir ebenfalls für romantisch[8] halten und auch romantisch[8] zu nennen pflegen. ➢ Volltext.
[59] Herder, Krit. Wäld. III (1769), 397: Die vortreflichste Bildersprache war ihr [sc. der griechischen Nation]. Sie, die im Plane des Schicksals der Völker zunächst hinter die Aegypter trafen, und Cultur[4], Kunst[1/2/6?] und Weisheit, ja wenn man will, auch Politische Glückseligkeit aus den Händen dieses Reichs [...] empfangen, sie, die den über Völker und Zeiten fortgehenden Faden der Cultur[3] des Menschlichen Geschlechts da auffassen sollten, wo er zunächst aus Aegyptischen Händen kam: sie erbten von diesen Allegoristen auch die reichste, die bedeutendste Bildersprache, die auf der Welt gewesen. .
[60] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 11: Die ältesten[1] Morgenländischen Sprachen[3] sind voll von Ausrüfen, für die wir spätergebildeten Völker oft nichts als Lücken, oder stumpfen, tauben Misverstand haben. ➢ Volltext.
[61] Herder, Engl. u. dt. Dichtk. (1777), 434: Lessing hat über zwo litthauische Lieder seine Stimme[6] gegeben: Kleist hat ein Lied der Lappen und Kannibalen nachgebildet, und Gerstenberg wie schöne Stücke der alten Dänen übersezt gegeben. Welche schöne Aernte wäre noch dahinten! – Wenn Leibniz den menschlichen Wiz[1] und Scharfsinn nie wirksamer erklärt als in Spielen; wahrlich so ist das menschliche Herz und die volle Einbildungskraft nie wirksamer als in den Naturgesängen solcher Völker. Sie öfnen das Herz, wenn man sie höret, und wie viele Dinge in unsrer künstlichen Welt schließen und mauern es zu! ➢ Volltext.
[62] Herder, Gesch. d. Menschh. I (1784), 40: Von Afrika wissen wir zu wenig, um über das Treiben und Drängen der Völker daselbst zu urtheilen. Die obern Gegenden sind, auch dem Menschenstamm nach, gewiß aus Asien besetzt, und Aegypten hat seine Cultur[3/7] wahrscheinlich nicht vom höhern Erd-Rücken seines vesten Landes, sondern von Asien aus erhalten..
[63] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 183 f. (184): Laßet uns also auf die Tugenden des Weibes[1] kommen, wie sie sich in der Geschichte[2] der Menschheit[2] offenbahren. Auch 〈184〉 unter den wildesten Völkern unterscheidet sich das Weib[1] vom Mann durch eine zärtere Gefälligkeit, durch Liebe zum Schmuck und zur Schönheit[3]; auch da noch sind diese Eigenschaften kennbar, wo die Nation[1] mit dem Klima[1] und dem schnödesten Mangel kämpfet. Ueberall schmückt sich das Weib[1], wie wenigen Putz es auch hie und da sich zu schmücken habe [...]. – – Reinlichkeit ist eine andre Weibertugend, dazu sie ihre Natur[12] zwingt und der Trieb zu gefallen reizet..
[64] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 184: Noch eines größern Ruhmes ist die sanfte Duldung, die unverdrossene Geschäftigkeit werth, in der sich ohne den Mißbrauch der Cultur[4], das zarte Geschlecht[2] überall auf der Erde auszeichnet. Mit Gelaßenheit trägt es das Joch, das ihm die rohe Uebermacht der Männer, ihre Liebe zum Müßiggange und zur Trägheit, endlich auch die Ausschweifungen seiner Vorfahren 〈185〉 selbst als eine geerbte Sitte auflegten und bei den armseligsten Völkern finden sich hierinn oft die größesten Muster..
[65] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 96 ff.: Sammlete Jemand eine Geschichte[7] der Juden[1] aus allen Ländern, in die sie zerstreuet sind; so zeigte sich damit ein Schaustück der Menschheit[1] [...]. Denn kein Volk der Erde hat sich wie dieses verbreitet: kein Volk der Erde hat sich wie dieses in allen Klimaten[2] so känntlich und rüstig erhalten. | Daß man hieraus aber ja keinen abergläubigen Schluß auf eine Revolution fasse, die durch dies Volk dereinst noch für alle Erdvölker bewirkt werden müßte! Die bewirkt werden sollte, ist wahrscheinlich bewirkt, und zu einer andern zeigt sich weder im Volk selbst noch in der Analogie der Geschichte[2] die mindeste Anlage. Die Erhaltung der Juden[1] erklärt sich eben so natürlich als die Erhaltung der Bramanen, Parsen und Zigeuner. | Uebrigens wird niemand einem Volk, das eine so wirksame Triebfeder in den Händen des Schicksals ward, seine großen Anlagen absprechen wollen, die in seiner ganzen Geschichte[3] sich deutlich zeigen. Sinnreich, verschlagen und arbeitsam wußte es sich jederzeit auch unter dem äußersten Druck andrer Völker wie 〈97〉 in einer Wüste Arabiens mehr als vierzig Jahr zu erhalten. [...] Zwar ist in Kunstsachen die Jüdische Nation[1], ob sie gleich zwischen Aegyptern und Phöniciern wohnte, immer unerfahren geblieben [...]. Auch sind sie, ob sie gleich eine Zeitlang die Hafen des rothen Meers besassen und den Küsten der mittelländischen See so nahe wohnten [...], dennoch nie ein Seefahrendes Volk worden. Wie die Aegypter, fürchteten sie das Meer und wohnten von jeher lieber unter andern Nationen[1] [...]. Kurz, es ist ein Volk, das in der Erziehung verdarb, weil es nie zur Reife einer politischen Cultur[4] auf eignem Boden, mithin auch nicht zum wahren Gefühl der Ehre und Freiheit[7] gelangte. In den Wissenschaften[1], die ihre vortreflichsten Köpfe trieben, hat sich jederzeit mehr eine gesetzliche Anhänglichkeit und 〈98〉 Ordnung, als eine fruchtbare Freiheit[1] des Geistes[22] gezeiget und der Tugenden eines Patrioten hat sie ihr Zustand fast von jeher beraubet. Das Volk Gottes[1] [...] ist [...] fast seit seiner Entstehung eine parasitische Pflanze[1] auf den Stämmen andrer Nationen[1], ein Geschlecht[7] schlauer Unterhändler beinah auf der ganzen Erde, das trotz aller Unterdrückung nirgend sich nach eigner Ehre und Wohnung, nirgend nach einem Vaterlande sehnet..
[66] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 144: Im vielgetheilten Lande schützte diesen Stamm sein Thal, jenen seine Küste und Insel, und so erwuchs aus der langen jugendlichen Regsamkeit zerstreuter Stämme und Königreiche die große freie[14] Denkart der Griechischen[2] Muse. Von keinem Allgemeinherrscher war ihnen Cultur[4] aufgezwungen worden; durch den Klang der Leier bei heiligen Gebräuchen, Spielen und Tänzen, [...] durch den vielfachen Umgang untereinander und mit andern Völkern nahmen sie freiwillig, jetzt dieser, jetzt jener Strich, Sittlichkeit und Gesetze an: auch im Gange zur Cultur[4] also ein Griechisches[2] Freivolk..
[67] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 146: Und so ward jenes einzige Gepräge der griechischen[2] Sprache[3], das nicht von stummen Gesetzen erpreßt, das durch Musik[6] und Tanz, durch Gesang und Geschichte[2], endlich durch den plauderhaften freien[13/6] Umgang vieler Stämme und Colonien wie eine lebendige Form der Natur[2] entstanden war. Die nordischen Völker Europens hatten bei ihrer Bildung[3] dies Glück nicht. Da ihnen durch fremde[1/5] Gesetze und durch eine Gesanglose Religion[1] ausländische Sitten gegeben wurden; so verstummete auch ihre Sprache[3]. Die Deutsche z. B. hat unstreitig viel von ihrer innern Biegsamkeit, von ihrer bestimmtem Zeichnung in der Flexion der Worte, ja noch mehr von jenem lebendigen Schall verlohren, den sie unter günstigem Himmelsstrichen ehedem hatte. Einst war sie eine nahe Schwester der griechischen[2] Sprache[3] und jetzt wie fernab von dieser ist sie gebildet! [...] Nur die griechische[2] Sprache[3] ist wie durch Gesang entstanden: denn Gesang und 〈147〉 Dichtkunst und ein früher Gebrauch des freien[6] Lebens hat sie zur Musensprache der Welt gebildet..
[68] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 163 f.: Allerdings [...] gaben die republicanischen Verfassungen, die mit der Zeit[1] überall in Griechenland eingeführet wurden, der Kunst[2] einen weitern Raum. In einem Gemeinwesen waren Gebäude zur Versammlung des Volks, zum öffentlichen Schatz, zu gemeinschaftlichen Uebungen und Vergnügungen nöthig, und so entstanden z. B. in Athen die prächtigen Gymnasien, Theater und Galerien, das Odeum und Prytaneum, der Pnyx u. f. Da in den griechischen[2] Republiken alles im Namen des Volks oder der Stadt getrieben ward: so war auch nichts zu kostbar, was auf die Schutzgötter derselben oder auf die Herrlichkeit ihres Namens verwandt wurde, dagegen einzelne, selbst die vornehmsten Bürger sich mit schlechteren Häusern begnügten. Dieser Gemeingeist, alles wenigstens dem Scheine nach für das Ganze zu thun, war die Seele der griechischen[2] Staaten, den ohne Zweifel auch Winckelmann meinte, wenn er die Freiheit[6] der 〈164〉 griechischen[2] Republiken als das Goldne Zeitalter der Kunst[2] pries. Pracht und Größe [...] flossen in dem zusammen, was den Staat anging. [...] Perikles [...] that mehr für die Künste[2], als zehn atheniensischen Könige würden getan haben. Alles was er bauete, war im großen Geschmack, weil es den Göttern[4] und der ewigen Stadt gehörte; und gewiß würden wenige der griechischen[2] Städte und Inseln solche Gebäude errichtet, solche Kunstwerke[4] befördert haben, wenn sie nicht voneinander getrennte, im Ruhm wetteifernde Freistaaten gewesen wären. Da überdem bei demokratischen Republiken der Führer des Volks dem Volk gefallen mußte, was wählte er lieber als die Gattung des Aufwandes, die nebst dem Wohlgefallen der Schutzgötter auch dem Volk in die Augen fiel und viele Menschen[1] nährte?.
[69] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 230: Auch die Pelasgischen Stämme kamen als halbverwilderte Wanderer an diese oder jene Italienische Küste [...]. Hier drängeten sich mehrere Völker zusammen: so daß auch die Etruskische Sprache[3] ein Gemisch mehrerer Sprachen[3] scheinet; [...] dem vielbewohnten Italien war also die Blüthe der Bildung[3] aus Einem reinen Keime versagt. Schon daß der Apennin voll roher Bergvölker mitten durch Italien streichet, ließ jene Einförmigkeit Eines Reiches oder National-Geschmacks nicht zu, auf welche sich doch allein die veste Dauer einer allgemeinen Landes-Cultur gründet..
[70] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 230 f.: Auch die Etrusker also wurden bald von mehreren Völkern be〈231〉dränget; und da sie mehr ein handelndes als ein kriegerisches Volk waren: so mußte selbst ihre gebildetere Kriegskunst beinahe jedem neuen Anfall wilderer Nationen[1] weichen..
[71] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 294 f. (295): Jedermann weiß, [...] wie theuer z. B. Sicilien des Cicero Rede gegen den Verres, wie theuer Rom und ihm selbst seine Reden gegen Catilina, seine Angriffe auf den Antonius gewesen u. f. Damit eine Perle gerettet würde, 〈295〉 mußte also ein Schiff untergehen, und tausend Lebendige kamen um, blos damit auf ihrer Asche einige Blumen wüchsen, die auch der Wind zerstäubet. Um eine Aeneis des Virgils, um die ruhige Muse eines Horaz und seine urbanen Briefe[3] zu erkaufen, mußten Ströme von Römerblut vorher vergossen, zahllose Völker und Reiche unterdrückt werden; waren diese schönen[6] Früchte eines erpreßten Goldnen Alters solches Aufwandes werth? Mit dem Römischen Rechte ists nicht anders; denn wem ist unbekannt, welche Drangsale die Völker dadurch erlitten, wie manche menschlichere Einrichtung der verschiedensten Länder dadurch zerstört worden? Fremde[1] Völker wurden nach Sitten gerichtet, die sie nicht kannten; sie wurden mit Lastern und ihren Strafen vertraut, von welchen sie nie gehört hatten; ja endlich der ganze Gang dieser Gesetzgebung, der sich nur zur Verfassung Roms schickte, hat er nicht nach tausend Unterdrückungen den Charakter[1] aller überwundenen Nationen[1] so verlöscht: so verderbet, daß, statt des eigenthümlichen Gepräges derselben, zuletzt allenthalben nur der römische Adler erscheint, der nach ausgehackten Augen und verzehrten Eingeweiden traurige Leichname von Provinzen mit schwachen Flügeln deckte. Auch die lateinische Sprache[3] gewann nichts durch die überwundnen Völker, und diese gewannen nichts durch jene. Sie ward verderbt und zuletzt ein Romanisches[1] Gemisch nicht nur in den Provinzen, sondern in Rom selbst..
[72] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 321 f.: Selbst unsre kurze Geschichte[7] beweiset es daher schon klar, daß mit der wachsenden wahren Aufklärung der Völker die menschenfeindlichen, sinnlosen Zerstörungen derselben sich glücklich vermindert haben. Seit Roms Untergange ist in Europa kein cultiviertes Reich mehr entstanden, das seine ganze Einrichtung auf Kriege und Eroberungen gebauet hätte; denn die verheerenden Nationen[1] der mittleren Zeiten[3] waren rohe, wilde Völker. Je mehr aber auch sie Cultur[4] empfingen und ihr Eigenthum liebgewinnen lernten, desto mehr drang sich ihnen unvermerkt, ja oft wider ihren Willen, der schönere[1], ruhige Geist[14] des Kunstfleißes, des Ackerbaues, des Handels und der Wissenschaft[1] auf. Man lernte nutzen ohne zu vernichten, weil das Vernichtete sich 〈322〉 nicht mehr nutzen läßt, und so ward mit der Zeit[1], gleichsam durch die Natur[1] der Sache selbst, ein friedliches Gleichgewicht zwischen den Völkern, weil nach Jahrhunderten wilder Befehdung es endlich alle einsehen lernten, daß der Zweck, den Jeder wünschte, sich nicht anders erreichen ließe, als daß sie gemeinschaftlich dazu beitrügen..
[73] Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 225 f.: Das Band [...], dadurch alle römisch-katholische Länder unläugbar vereint wurden, die lateinische Mönchssprache, hatte auch manche Knoten. Nicht nur wurden die Muttersprachen der Völker[1], die Europa besassen, und mit ihnen die Völker[1] selbst in Roheit erhalten; sondern es kam unter andern auch hiedurch insonderheit das Volk[5] um seinen letzten Antheil an öffentlichen Verhandlungen, weil es kein Latein konnte. Mit der Landessprache ward jedesmal ein großer Theil des Nationalcharakters aus den Geschäften der Nation[1] verdrängt, wo〈226〉gegen sich mit der lateinischen Mönchssprache auch jener fromme Mönchsgeist einschlich, der zu gelegener Zeit[7] zu schmeicheln, zu erschleichen, wohl auch zu verfälschen wußte. Daß die Acten sämmtlicher Nationen[1] Europa's, ihre Gesetze, Schlüsse, Vermächtnisse, Kauf- und Lehninstrumente, endlich auch die Landesgeschichte so viele Jahrhunderte hindurch latein geschrieben wurden; dies konnte zwar der Geistlichkeit, als dem gelehrten Stande sehr nützlich, den Nationen[1] selbst aber nicht anders als schädlich seyn. Nur durch die Cultur[3] der vaterländischen Sprache[3] kann sich ein Volk[1] aus der Barbarei heben; und Europa blieb auch deshalb so lange barbarisch, weil sich dem natürlichen[3] Organ[1] seiner Bewohner, fast ein Jahrtausend hin, eine fremde[5] Sprache[3] vordrang, ihnen selbst die Reste ihrer Denkmahle nahm und auf so lange Zeit[6] einen vaterländischen Codex der Gesetze, eine eigenthümliche Verfassung und Nationalgeschichte ihnen ganz unmöglich machte..
[74] Herder, Bef. d. Hum. VI (1795), 178: [D]ie Erziehung eines jeden Volks fängt elementarisch mit dem Essen an. Wo dieses noch nicht mit Ordnung, Reinlichkeit und Geschmack geschiehet, da ist die Cultur[3] noch nicht beim Anfange. Dieser Tafelgenuß, der in einer Handelstadt, wo man auf innere Güte achtet, zuerst den guten Grad der Vollkommenheit erreicht, hilft bilden..
[75] Herder, Bef. d. Hum. VII (1796), 144: Einen [...] Feind hatte die Bildnerinn der Sitten, die Poesie[1], an den Sitten [...] im mittleren Zeitalter. Kriegerischen Völkern ertönt nur die Tuba; unterjochte, Bäurische Völker sangen rohe Volksgesänge; Kirchen und Klöster Hymnen. Wenn aus dieser Mischung ungleichartiger Dinge nach Jahrhunderten ein Klang hervorging; so wars ein dumpfer Klang, ein vielartiges Sausen. [...] Er heißt Abentheuer, Roman[1]; ein Inbegriff des wunderbarsten, vermischtesten Stoffs, der ursprünglich nur ununterrichteten Ohren[4] gefallen sollte, und sich [...] von der Vorwelt her über Meer und Länder in wilder Riesengestalt erstreckte. Von den Arabern her bestimmten drei Ingre〈145〉dientien den Inhalt dieser Sagen, Liebe, Tapferkeit und Andacht [...]..
[76] Herder, Bef. d. Hum. X (1797), 249: Am wenigsten kann also unsre Europäische Cultur[4] das Maas allgemeiner Menschengüte und Menschenwerthes seyn; sie ist kein oder ein falscher Maasstab. Europäische Cultur[4] ist ein abgezogener Begriff[1], ein Name. Wo existiert sie ganz? bei welchem Volk? in welchen Zeiten[3]? Ueberdem sind mit ihr (wer darf es läugnen?) so viele Mängel und Schwächen, so viele Verzuckungen und Abscheulichkeiten verbunden, daß nur ein ungütiges Wesen diese Veranlassungen höherer Cultur[4] zu einem Gesammt-Zustande unsres ganzen Geschlechts machen könnte. Die Cultur[4] der Menschheit[2] ist eine andre Sache; Ort- und Zeitmäßig sprießt sie allenthalben hervor, hier reicher und üppiger, dort ärmer und kärger. Der Genius der Menschen-Naturgeschichte lebt in und mit jedem Volk, als ob dies das einzige auf Erden wäre. .
[77] Herder, Bef. d. Hum. X (1797), 287: [N]ehmen wir an, was auch die Geschichte lehret, daß fast alle Völker der Erde einmal in einem roheren Zustande gelebet, und nur von wenigen die Cultur[4] auf andre gebracht sei; was folget daraus?.
[78] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 43: Adel[2]. Fast bei allen Völkern der alten[9] und neuen[5] Welt, findet man, sobald sie sich ein Wenig über die Stufe der eigentlichen Wildheit erhoben haben, sobald die Cultur[3] eine günstige Veränderung in ihrem Zustande macht, und sie sich unter ein religiöses und moralisches Gesetz beugen, eine Klasse[2] von Menschen[1], welche gewisse Vorrechte vor den andern genießt, welche die Wissenschaften[2], die Künste[2], so weit sie bei dem Volke ausgebildet sind, besitzt, und 〈44〉 nicht selten auf die Regierung den größten Einfluß hat. So war es in Otaheite, in Indien, in Mexiko, in Afrika, so war und ist es noch jetzt in Europa. Woher diese Rechte der einen Klasse[2] stammen, möchte vielleicht gar nicht zu ergründen sein, wenigstens ist man, so viel auch schon darüber geschrieben wurde, zu keinem Resultat gekommen..
[79] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 326: Von den fünf Hauptgattungen des Menschengeschlechts findet man in Asien vier: die kaukasische, die mogolische, malayische und äthiopische: die kaukasischen Völker (zu welchen Tataren, Türken, Cirkassier, Kurden, Syrier, Juden[1], Armenier, Araber, Parsen, Perser etc. gehören) sind schön[1], haben edle Gesichtsbildung, schlanken Körperbau, kraftvolle Glieder, große, seelenvolle Augen, hohe Stirnen, schöne[1] Braunen, edel gebogene Nasen, mittelmäßige Lippen, stolze Haltung..
[80] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 337: Die Asturier rühmen sich das einzige Volk in Spanien zu sein, welches sich von Vermischung mit Mauren und Juden[1] frei[1] gehalten hat, daher sie über alle Maßen stolz sind..
[81] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 297 f. (298): Eisen. Dieses Metall, das merkwürdigste unter allen, ist aus uralten Zeiten[6] her schon bekannt, und beinahe eine Bedingung der Kultur[4] des menschlichen Geschlechts geworden, indem viele tausend Gegenstände nicht ohne Eisen gemacht werden können. Man bedarf des Eisens, um eine Feder zu schneiden, Eisen enthält die Tinte, mit welcher geschrieben wird, Eisen braucht man, um die Lumpen, aus denen Papier gemacht wird, zu zerschneiden, Eisen, um sie sein zu mahlen, Eisen, um den Draht zu ziehen, der zu den Papierformen verwendet wird, eiserne 〈298〉 Stempel muß man haben, um die Buchstaben[2] für den Buchdrucker zu gießen, und dieser braucht eiserne Pressen um zu drucken etc. Die Völker, welche mit dem Gebrauch und der Verwendung des Eisens am vertrautesten sind, stehen auch auf der höchsten Stufe der Kultur[4]..
[82] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 222: Namentlich an der französischen Gesangmethode, die so nahe an Declamation grenzt, sieht man, wie ungern dieses Volk zu sprechen aufhört, und sich zum Singen entschließt. Durch seinen recitirenden Charakter[1] tritt der französische Gesang am meisten dem italienischen entgegen. Selbst die Sprache[3] mit ihren verschluckten Endsylben und dem tonlosen Flüstern zeigt sich der Musik feindlich..
[83] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 451: Glyptothek, das stolze und klassische[8] Prachtgebäude in München, zur Aufbewahrung der kostbarsten Kunstwerke der Bildhauerarbeit aller Zeiten[3] und Völker..
[84] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VI (1836), 20: Juden[1], die Nachkommen der Patriarchen, daher auch die Kinder Israel und nach Abraham, Hebräer genannt, das Volk, aus welchem der Welterlöser hervorging. Erst [...] um das Jahr 588 vor Chr. erhielt es den Namen der Juden[1], weil [...] aus dem Stamme Juda, der Messias hervorgehen sollte..
[85] Hirt, Baukunst (1809), 3: Durch das Studium der Geschichte[3] wird der Baumeister mit den Denkmälern aller Völker und Zeiten[3] bekannt [...]. Die geschichtliche Forschung zeigt ihm bestimmt, welche Monumente er zum Vorbild wählen, und welche er für immer verwerfen soll. Dadurch wird seine Einsicht sicher, bestimmt, fest. Keine Constructionsart, und keine Verzierung bleibt ihm fremd[4]: er weiß jedes gehörig zu würdigen, und die Ursache anzugeben, warum er wählt, und warum er verwirft. So wie jetzt das Studium der Baukunst steht, ist eine feste Begründung desselben bloß durch die Geschichte[4] möglich..
[86] Hoven, Lebenserinn. (1840), 354: Schon der immer größere Verkehr der Völker[1] mittelst des sich stets verbreitenden Handels, ihr Näherrücken aneinander mittelst der Dampfschiffahrt und der Eisenbahnen, die Verbrüderung derselben mittelst der erkannten Gleichheit ihrer Interessen, alles dieses muß sie notwendig zu der Überzeugung führen, daß sie Freunde sein müssen, und wenn es einmal so weit gekommen ist, daß die Völker[1] sich als Freunde und Brüder ansehen und behandeln, wie wollte es wohl ein Fürst anfangen, sein Volk[1/4] zu einem Kriege mit einem andern zu vermögen? Das Interesse des einen Volkes[1] ist auch das Interesse des andern, alle Völker[1] würden ihr gemeinsames Interesse wahren, und ein Krieg des einen gegen das andere wäre ein unsinniges Beginnen ihrer Fürsten. So realisierte sich die Idee eines ewigen Friedens von selbst, und welche unabsehbare Folgen würden sich nicht an die Realisierung dieser Idee knüpfen, nicht allein in Hinsicht der materiellen Interessen, sondern auch der moralischen?.
[87] A. v. Humboldt, Basalte Rhein (1790), 21: Es ist in der That rührend zu lesen, wie kläglich der Herr Abt den sittlichen Zustand eines Volks in unbasaltischen Gegenden schildert. Die Einwohner des nördlichen Deutschlands und der Schweiz werden zu schlaffen, sinnlichen Menschen[1] herabgewürdigt. Die Harzgegend sinkt in der Cultur[4] tief unter die Rheinischen und Hessischen Gebirge herab; die Basalte erscheinen als ein lange verkanntes Beförderungsmittel [...] zur schnellen Aus〈22〉breitung der Reformation etc..
[88] A. v. Humboldt, Einl. Königr. Neuspanien (1809), CVIII f. (CIX): Es gibt wenige Länder, die ein so mannigfaltiges Interesse einflössen als das Thal von Tenoch〈CIX〉titlan, der Sitz einer alten[1] Cultur[7] mexicanischer Völker..
[89] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 12 f. (13): Hier begnügen wir uns, die Aufgabe einer möglichen Verbindung beider Meere in ihrer ganzen Allgemeinheit zu betrachten. Wir werden neun verschiedene Puncte angeben, [...] welche alle eine größere oder geringere 〈13〉 Möglichkeit zu Canälen oder innern Stromverbindungen darbieten. In einem Zeitpuncte, in dem der neue[3] Continent, Vortheil ziehend aus dem unglücklichen Zwiste europäischer Völker, mit Riesenschritten auf dem Wege der Cultur[3] fortrückt; in dem die Handelsverbindungen mit China und der nordwestlichen Küste von America mit jedem Jahre an Ausdehnung gewinnen; in einem solchen Zeitpuncte ist der Gegenstand, der uns in diesem Kapitel beschäftiget [...] von der äußersten Wichtigkeit..
[90] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 108: Durch die hieroglyphischen Gemälde der Azteken ist uns [...] das Andenken an die Hauptepochen der großen americanischen Völkerwanderung überliefert worden. Sie hat einige Aehnlichkeit mit derjenigen, welche Europa im fünften Jahrhundert in einen Zustand von Barbarei gestürzt, dessen traurige Folgen wir noch in mehrerern unserer gesellschaftlichen Institutionen nachfühlen müssen. Die Völker hingegen, welche Mexico durchzogen, ließen daselbst Spuren von Civilisation und Cultur[4] zurück..
[91] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 111: Auf dem alten[1] Continent sehen wir die Cultur[1] der Cerealien und den Gebrauch der Milch von den ältesten[1] Epochen her, zu denen die Geschichte[4] aufsteigt, eingeführt. Die Bewohner des neuen[3] Continents hingegen bauten keine andere Grasgewächse, als den Mais, [...] und nährten sich von gar keiner Art von Milchwerk, unerachtet ihnen die Lamas, die Alpaka's und zwo ganz eigene, ursprünglich dem Land angehörige, Stiergattungen im Norden von Mexico und Canada Milch im Ueberfluß anboten. – Dieß sind sehr auffallende Contraste zwischen Völkern der mongolischen und americanischen Menschenraçe!.
[92] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 112: Da die Wanderungen der americanischen Völker immer, wenigstens vom sechsten bis zum zwölften Jahrhundert, von Norden nach Süden gegangen sind, so ist es ganz klar, daß die indianische Bevölkerung von Neu-Spanien aus sehr heterogenen Elementen bestehen muß. In dem Maaß, wie die Bevölkerung sich südlich wandte, hielten einige Stämme auf ihren Wanderungen stille, und vermischten sich mit den Völkern, welche ihnen gerade nachfolgten; und wirklich beweist die große Manigfaltigkeit von Sprachen[3], welche noch heutzutag im Königreich von Mexico gesprochen werden, eine eben so große Manigfaltigkeit von Raçen[1] und Abstammungen..
[93] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 113: Weit entfernt, blosse Dialecte[1] einer einzigen Sprache[3] zu seyn, (wie einige Schriftsteller mit Unwahrheit behauptet haben,) sind diese Sprachen[3] vielmehr zum mindesten eben so verschieden von einander, als das griechische von dem deutschen, oder das französische von dem polnischen. [...] Diese Manigfaltigkeit von Idiomen bei den Völkern des neuen[3] Continents, (man darf sie ohne Uebertreibung zu mehrern Hunderten annehmen,) ist, besonders in Vergleichung mit den wenigen Sprachen[3] von Asien und Europa, ein äußerst auffallendes Phänomen..
[94] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 116: Zur Verschiedenheit der Gesichtszüge in einem Volke trägt überhaupt die intellectuelle Cultur[4] am meisten bei, und bei noch barbarischen Völkern giebt es mehr eine Stamm- oder Horden-Physiognomie, als den Individuen eigenthümliche Physiognomien. Vergleicht man die Hausthiere mit denen, welche in Wäldern leben, so glaubt man dieselbe Bemerkung zu machen. Ueberdieß ist der Europäer bei seinem Urtheil über die große Aehnlichkeit der Raçen[1] mit schwarzbrauner Haut einer besondern Täuschung ausgesetzt; indem er sich durch eine, von der unsrigen so verschiedene, Hautfarbe überrascht findet, und die Gleichstimmigkeit des Colorits die Verschiedenheit der individuellen Züge lange Zeit[6] in seinen Augen verschwinden macht..
[95] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 117 f.: Die Eingebornen von Neu-Spanien haben eine noch weit dunkler braune Hautfarbe, als die Bewohner der heissesten Länder des südlichen America's. Diese Erscheinung ist um so merkwürdiger, da in der kaukasischen Raçe[1], welche man auch die europäisch-arabische Raçe[1] nennen könnte, die mittäglicheren Völker eine minder weisse Haut haben, als die nördlichen. Haben daher verschiedene asiatische Nationen[1], welche Europa im sechsten Jahrhundert überschwemmten, auch gleich ein sehr dunkles Colorit; so scheint es doch, daß die Abweichungen der Hautfarbe bei den Völ〈118〉kern der weissen Raçe[1] weniger ihrem Ursprung und ihrer Vermischung, als dem Local-Einfluß des Klima's[1] zuzuschreiben sind. Die Wirkung dieses Einflusses scheint bei den Americanern und Negern indeß gar nicht statt zu finden; indem diese Raçen[1], bei welchen sich der Kohlen-Wasserstoff in reichlicher Menge auf die Malpighi'sche Schleim- oder Nez-Haut absetzt, den Eindrücken der sie umgebenden Luft ganz besonders widerstehen..
[96] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 128: Wenn von der französischen oder deutschen Nation[1] dereinst nichts, als arme Landleute übrig wären, würde man es in ihren Gesichtszügen lesen können, daß sie Völkern angehört haben, die einen Descartes, Clairaut, Keppler und Leibnitz hervorgebracht haben?.
[97] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 133: Die Americaner hängen, wie die Bewohner vom Indostan, und alle andere Völker, die lange unter bürgerlichem und religiösem Despotismus geschmachtet haben, mit außerordentlicher Hartnäckigkeit an ihren Gewohnheiten, Sitten und Meinungen; denn die Einführung des Christenthums hat auf die Eingebornen von Mexico fast keine andre Wirkung gethan, als daß sie an die Stelle der Ceremonien eines blutigen Cultus neue Ceremonien, und Symbole einer sanften, menschlichen Religion[1] setzte..
[98] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 136: Da die Ureinwohner fast alle zur Classe[2] der Bauren und des niedrigen Volks[5] gehören, so ist es nicht leicht, über ihre Anlagen für Künste[6] der Lebensverschönerung zu urtheilen. Indessen kenn ich keine Menschenraçe, welche ärmer an Einbildungskraft[1] zu seyn schiene. Gelangt ein Indianer auf einen gewissen Grad von Cultur[4], so zeigt er eine große Leichtigkeit zu lernen, viel richtigen Verstand[4], natürliche[2] Logik, und eine besondre Neigung zu subtilisieren, oder die feinsten Verschiedenheiten zwischen mehreren zu vergleichenden Gegenständen aufzufassen. Dabei räsonnirt er kalt, aber mit Ordnung, ohne jedoch jene Beweglichkeit der Einbildungskraft[1], jenes Colorit der Empfindung, jene Kunst[6] zu schaffen und hervorzubringen zu zeigen, welche die Völker[1] des südlichen Europa's und mehrere africanische Neger-Stämme characterisirt. Ich spreche diese Meinung indeß mit Vorbehalt aus; indem man äußerst vorsichtig im Urtheil über das seyn seyn soll, was man moralische oder intellectuelle Anlagen der Völker[1] zu nennen wagt, von denen wir durch so manche Scheidewand der Verschiedenheit der Sprachen[3], der Gewohnheiten und Sitten getrennt sind..
[99] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 167 f. (168): Keine von allen Städten des neuen[3] Continents, selbst die der vereinigten Staaten nicht ausgenommen, ist im Besitze so großer und fest gegründeter wissenschaftlicher Anstalten, als die Hauptstadt von Mexico. Ich nenne hier nur [...] die Maler und Bildhauer-Academie. [...] Die Regierung hat hier ein geräumiges Gebäude angewiesen, worin sich eine weit schönere[6] und vollständigere Sammlung von Gyps-Abgüßen befindet, als man sie irgendwo in Deutschland antrifft. Man erstaunt darüber, wie der Apoll von Bel〈168〉vedere, die Gruppe des Laocoon und andre noch colossalere Statuen über Gebirgswege, welche wenigstens so eng sind, als die von St. Gotthard, gebracht werden konnten, und ist nicht minder überrascht, die Meisterwerke des Alterthums[3] unter der heißen Zone [...] vereinigt zu sehn [...]. [...] In dem Academie-Gebäude, oder vielmehr in einem der dazu gehörigen Höfe sollte man die Reste mexicanischer Bildhauerei, die kollossalen Statuen von Basalt und Porphyr, welche mit aztekischen Hieroglyphen bedeckt sind, und manche Aehnlichkeit mit dem Styl der Egyptier und Hindu's haben, gesammelt aufstellen; denn es wäre gewiß merkwürdig, diese Denkmale der ersten Cultur[4] unsrer Gattung, diese Werke eines halbbarbarischen Volkes, das die mexicanischen Anden bewohnte, neben den schönen[1] Formen zu sehen, welche unter Griechenlands und Italiens Himmel gebohren wurden..
[100] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 191: Wahrlich wenn wir in Betrachtung ziehen, daß das, was wir heutzutag Spanier nennen, ein Gemisch von Alanen und andern tartarischen Horden mit den Visigothen und den alten[5] Bewohnern Iberiens ist; erinnern wir uns ferner der auffallenden Aehnlichkeit, welche zwischen den meisten europäischen Sprachen[3], dem Sanskrit und dem Persischen Statt findet, und denken wir über den asiatischen Ursprung der Nomaden-Stämme nach, welche seit dem siebenten Jahrhundert in Mexico eingedrungen sind, so möchte man glauben, daß ein Theil dieser Völker, welche sich nach langen Streifzügen, und nachdem sie, so zu sagen, die Reise um die Welt gemacht hatten, wieder auf dem Rücken der Cordilleren zusammen fanden, von einem Punct, aber auf völlig entgegengesetzten Wegen, ausgegangen sind..
[101] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 203 f. (204): Vergessen wir ja nicht, daß sich die Gesellschaft in den vereinigten Staaten ganz anders, als in Mexico und den übrigen Continental-Gegenden der spanischen Colonien ge〈204〉bildet hat. Als die Europäer in die Alleghany-Gebirge eindrangen, fanden sie nichts, als ungeheure Wälder, in welchen einige Stämme von einem Jägervolk umherirrten, das durch nichts an seinen ungebauten Boden gefesselt war. Bei der Annäherung der neuen[1] Colonisten zogen sich die Urbewohner nach den westlichen Weideplätzen zurück, welche an den Mississipi und den Missury gränzen. So wurden freie[6] Menschen[1] Einer Raçe[1] und Eines Ursprungs die ersten Elemente eines entstehenden Volks..
[102] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 138: Daß man die Werke der Alten[10] mit Recht zu Mustern anpreiset, und die Verfasser derselben classisch[3] nennt, gleich einem gewissen Adel[4] unter den Schriftstellern, der dem Volke[1/5] durch seinen Vorgang Gesetze giebt: scheint Quellen des Geschmacks a posteriori anzuzeigen, und die Autonomie desselben in jedem Subjecte zu widerlegen..
[103] Kant, Gemeinspruch (1793), 245 ff. (247): Derjenige nun, welcher das Stimmrecht in dieser Gesetzgebung hat, heißt ein Bürger (citoyen, d. i. Staatsbürger, nicht Stadtbürger, bourgeois). Die dazu erforderliche Qualität ist, außer der natürlichen[1] (daß es kein Kind, kein Weib[1] sei), die einzige: daß er [...] irgend ein Eigenthum habe (wozu auch jede Kunst[1], Handwerk, oder schöne[2] Kunst[1], oder Wissenschaft[1] gezählt werden kann), welches ihn ernährt; [...] 〈246〉 [...] folglich daß er niemanden als dem 〈247〉 Gemeinen Wesen im eigentlichen Sinne[1] des Worts[1] Diene. Hier sind nun Kunstverwandte und große (oder kleine) Gutseigenthümer alle einander gleich, nehmlich jeder nur zu einer Stimme[8] berechtigt. Denn, was die letztern betrift,[...] so würde es schon wider den [...] Grundsatz der Gleichheit streiten, wenn ein Gesetz sie mit dem Vorrecht des Standes privilegirte, daß ihre Nachkommen entweder immer große Gutseigenthümer (der Lehne) bleiben sollten, ohne daß sie verkauft oder durch Vererbung getheilt und also mehreren im Volk zu Nutze kommen dürften, oder, auch selbst bei diesen Theilungen, niemand als der zu einer gewissen willkürlich dazu angeordneten Menschenklasse Gehörige davon etwas erwerben könnte..
[104] Kant, Gemeinspruch (1793), 249 f.: Allein dieser Vertrag (contractus originarius oder pactum sociale genannt), als Koalizion jedes besondern und Privatwillens in einem Volk zu einem gemeinschaftlichen und öffentlichen Willen [...], ist keinesweges als ein Faktum vorauszusetzen nöthig (ja als ein solches gar nicht möglich); gleichsam als ob allererst aus der Geschichte[3] vorher bewiesen werden müßte, daß ein Volk, in dessen Rechte und Verbindlichkeiten wir als Nachkommen getreten sind, einmal wirklich einen solchen Aktus verrichtet, und eine sichere Nachricht oder ein Instrument[8] davon uns, mündlich oder schriftlich, hinterlassen haben müsse, um sich an eine schon bestehende Bürgerliche Verfassung 〈250〉 für gebunden zu achten. Sondern es ist eine bloße Idee der Vernunft[1], die aber ihre unbezweifelte (praktische) Realität hat: nehmlich jeden Gesetzgeber zu verbinden, daß er seine Gesetze so gebe, als sie aus dem vereinigten Willen eines ganzen Volks haben entspringen können, und jeden Unterthan, so fern er Bürger sein will, so anzusehen, als ob er zu einem solchen Willen mit zusammen gestimmet habe. Denn das ist der Probierstein der Rechtmäßigkeit eines jeden öffentlichen Gesetzes. Ist nehmlich dieses so beschaffen, daß ein ganzes Volk unmöglich dazu seine Einstimmung geben könnte (wie z. B. daß eine gewisse Klasse[2] von Unterthanen erblich den Vorzug des Herrenstandes haben sollten), so ist es nicht gerecht; ist es aber nur möglich, daß ein Volk dazu zusammen stimme, so ist es Pflicht, das Gesetz für gerecht zu halten: gesetzt auch, daß das Volk itzt in einer solchen Lage, oder Stimmung seiner Denkungsart wäre, daß es, wenn es darum befragt würde, wahrscheinlicherweise seine Beistimmung verweigern würde [...]..
[105] Kant, Religion (1793), 273 f. (274): So ist es nun mit allem Geschichts- und Erscheinungsglauben bewandt: daß nämlich die
Möglichkeit
immer übrig bleibt, es sey darin ein Irrthum anzutreffen, folglich ist es gewissenlos, ihm bey der Möglichkeit, daß vielleicht dasjenige, was er fordert, erlaubt, oder unrecht sey, d. i. auf die Gefahr der Verletzung einer an sich gewissen Menschenpflicht, Folge zu leisten. | [...] Da die Ueberzeugung keine andere als historische Beweis〈274〉gründe für sich hat, in dem Urtheile dieses Volks
aber [...] immer
die absolute Möglichkeit eines vielleicht damit, oder
bey ihrer klassischen[4] Auslegung vorgegangenen Irrthums übrig bleibt, so würde der Geistliche das Volk
nöthigen, etwas [...] zu bekennen, was es, als ein solches, doch nicht gewiß weiß [...]..[106] Kolbe, Wortmeng. (1809), 108: Kränkeln wir, in selbstsüchtigem Dünkel noch immer an dem Wahn, daß wir, eine winzige Anzahl Gebildeter, die Gesamtheit vertreten oder gar einzig das Volk[1] sind? Den Kern der Nation[1], den kräftigsten, besten Teil derselben, bilden vielmehr jene Klassen[2], die wir abschäzig das Volk[5] nennen, sie, die von fremdem[1] Einflus unverdorben, den Urcharakter des Deutschen allein noch festgehalten haben; sie, auf deren Sin[9] und Manheit allein noch die Hofnung einer besseren Zukunft sich gründet..
[107] Kolbe, Wortmeng. (1809), 109: Eben die leichte Beweglichkeit unsrer Rede, jene Geschmeidigkeit, womit sie dem Willen des Schreibenden sich fügt, möchte das nachlässige Treiben so vieler unsrer Federmänner erklären. Die Tugenden der Sprache[3] haben die Untugenden der Schriftsteller erzeugt. Reichtum gebiert Habsucht. Wer viel hat, der verlangt ungenügsam nur immer mehr und mehr. Auch wird dem, der zu finden gewohnt ist, ohne zu suchen, das Suchen endlich lästig; und wer immer nur befehlen darf, verlernt zur rechten Zeit zu gehorchen. Wäre unsre Sprache[3] spröder und eigensinniger; riefe sie unerbitlich den Schreibenden zu beharrlicher Anstrengung auf; ließe sie, was sie zu reichen vermag, nur durch Schweis sich abgewinnen: wahrlich! wir schrieben besser. Man vergleiche die französische Sprache[3] mit der deutschen, und man wird über ihre Armut, über ihre unglaubliche Beschränktheit erstaunen. Wiederum vergleiche man die Schriften der Franzosen mit den Schriften der Deutschen, und man wird über die Hülflosigkeit, über die lahme, schlottrige, gehemte Bewegung der lezteren nicht minder erstaunen. Wir gleichen jenen Völkern, die, im Besiz des herrlichsten Bodens, im Schoos der üppigsten Natur[2], von allen Mitteln zum Wolstand umgeben, aus Trägheit in Wust und Elend vergehn, – verzogene Kinder ihres zu wollüstigen Himmels..
[108] Laube, Jg. Eur. II.2 (1837), 24: Es war dem Valerius, als ginge seine Jugend zu Ende mit der Abreise von Warschau. Alle seine früheren Wünsche, Hoffnungen und Gedanken glaubte er in Irrthümer verwandelt zu sehen, da er ein freiheitslustiges Volk aufgeben müsse. | Tief und schwer seufzte er auf: „[...] O, Jugend, Du Inbegriff alles Reizes warum scheidest Du so früh von mir! Was ist das Leben ohne Hoffnung, und wo giebt's eine Hoffnung ohne Jugend? Nur die Jugend hat Farbe und Begeisterung, was werd' ich anfangen mit den grauen Tagen ohne Roth und Grün, die keine Kraft mehr in mir wecken. Die Jugend allein ist Poesie[20] – wie soll ich mich fortschleppen ohne Dich, Du erhebende Schwärmerei!&ldquo: .
[109] Laube, Jg. Eur. III (1837), 41: Belgien ist der Ursitz der Merowinger, bis heutiges Tags der Mittel-, Grenz- und Sammelpunkt der romanischen[2] und germanischen Völker..
[110] Lichtenberg, Rez. Arch. I (1786), 793 f. (794): Nach Recensentens Urtheil hat der Verfasser [...] den Gesichtspunkt, aus dem der Charakter[1] dieses 〈794〉 edlen Volks [sc. Engländer] betrachtet werden muß, besser gefaßt, als irgend ein Schriftsteller der ihm noch vorgekommen ist. Der Verf. fürchtet am Ende, nachdem er den Charakter[1] der Nation[1] meisterhaft geschildert hat, man möchte ihn für partheyisch halten, und entschuldigt sich deswegen. (Dieses war gewiß nicht nöthig, jeder unbefangne Mann, der dieses Volk und seine vortrefliche Verfassung kennen gelernt hat, der nicht den Charakter[1] einer Nation[1] aus dem Abschaum derselben oder nach der Aufführung unmündiger Fähndriche beurtheilt, wird ihm mit ganzer Seele beypflichten, und was bekümmert sich ein solcher Schriftsteller um die übrigen?.
[111] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 5: Und wenn die Natur[2] Talente für die Beredsamkeit über Deutschland so reichlich ausstreute wie über den Boden irgend eines andern Landes, so sind es ja in Deutschland nur einzelne, die hören; es gibt kein Ganzes, keine Gemeinde, keine Stadt, keine Nation[1], die wie mit Einem Ohre[3] den Redner anhörte. Im Gespräch mit dem Einzelnen sind wir zu ungebunden, zu unbeschränkt; wir lassen uns gehen, wir reden nachlässig, und so verliert sich aus der Sprache[3] des Volks der allgemeine, bindende Geist[12]; sie zerbröckelt sich in unzählige Dialekte[1] und Idiome; jede Sekte und jede Kotterie verunstaltet sie in ihrer eigenen Manier. Nun mögen die Klopstock, die Lessing, die Schiller, die Göthe alle Strahlen dieser zerstreuten Sprache[3] wie in einem Brennspiegel versammeln; das, was allen gemeinschaftlich ist in Wort[5] und Klang, mag von einzelnen wirklich niedergeschrieben, auch ausgesprochen werden: die Nation[1] liest sie, verschluckt sie, aber hört sie nicht, spricht ihnen nicht nach. – Wer überhaupt lernt reden aus dem Papier, aus der todten Schrift? Hören muß und gehört werden, wer sprechen lernen will. – Der Taubgeborne ist nothwendig zugleich stumm..
[112] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 143: Welcher Ohnmächtige wird es wagen, über die Angelegenheiten der Völker zu reden, ohne die Gewalt über das theure Abwesende, Untergegangene, von unkeuscher Größe Verdrängte, von Burke zu lernen, ohne von ihm zu lernen die gewaltige, ihm ganz eigenthümliche Waffe des tragischen Witzes[4]..
[113] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 152 f. (153): Ich habe mich seit vielen Jahren um die deutsche[2] Aussprache bekümmert, aber noch heut weiß ich keinen Ort in Deutschland anzugeben, wo die Sprache[3] gut gesprochen würde oder nur besser als anderswo. Ich habe wohl Personen angetroffen, von denen in Schwaben, in Franken, in Sachsen, an der Mündung der Elbe wie in Österreich gesagt werden würde: sie sprechen gut. Aber kein Ort hat dieß Privilegium für sich. Die Örter sind, was die Sprache[7] angeht, gleich gut: sie müssen ächt republikanisch alle gelten, sie müssen alle ihre Stimme[6; 8] hergeben, wenn ein guter deutscher[2] Sprecher werden soll, – und so habe ich auch immer gefunden, daß die, welche gut sprachen, an recht verschiedenartigen Stellen von Deutschland gelebt und gesprochen hatten. Sie hatten unter der Rauhigkeit der Gebirgstöne, und 〈153〉 unter den weichen, platten Klängen, die das deutsche[2] Niederland spricht, in Städten und auf dem Lande, an den südwestlichen Grenzen, wo die romanischen[1] Sprachen[3], und an den nordöstlichen, wo die slavischen Sprachen[3] Deutschland berühren – kurz, sie hatten aus den verschiedenartigsten Dialekten[1] sich das eigentlich Deutsche[2] herausgehört, herausgefühlt. | Wenn nun, was sie herausgehört hätten, niedergeschrieben würde, so wäre es freilich für heute und morgen das beste Deutsch[2] [...]. Aber auch für die Folge der Jahre? – Gewiß nicht. Ein Wörterbuch, aus lauter solchen guten und lebendigen Sprechern abgezogen, kann keine gesetzgebende Kraft erlangen in einem Volke, das innerlich frei ist. Besser ist es, daß solche gebildete Sprache[3] wieder zurückströmt in die Dialekte[1], sich wieder unaufhörlich erfrischt in dem Bade der Natur[19], daß, was Mühe, Fleiß und Geschick erreicht haben, sich immer wieder anschließe an jene alte Naturstimme der Gebirge und Thäler; daß dieses ächte und lebendige Hochdeutsch sich beständig wieder nicht auf unedle Weise vermische, aber – vermähle mit den Dialekten[1]. Also kein Wörterbuch, auch keine Hauptstadt, die nur den Wahn nähren kann, als gebe es in Sprachangelegenheiten einen privilegirten Ort, keine Akademie, deren ganze Kunst doch nur im 〈154〉 Waschen, Feilen, Absondern der Sprache[3], in der Verordnung einer strengen Diät für dieselbe, im Bewirken einer künstlichen Magerkeit bestehen würde – kann helfen. Es muß gesprochen werden, man muß reisen für die Sprache[3], man muß ihre Dialekte[1] hören lernen, aus der österreichischen, schweizerischen, fränkischen, niedersächsischen Mundart[1] das Deutsche[2] herausfühlen lernen: Die größten Autoren und Sprecher der deutschen[2] Sprache[3], Göthe, Schiller, Herder, Johann Müller, Gentz u. s. w., verdanken einen großen Theil ihrer Sprachkraft dem Umstande, daß sie umhergelebt haben in Deutschland oder aus dem Norden in den Süden, aus dem Westen in den Osten des Landes verpflanzt worden sind. – Wie müßte grade unsre Sprache[3] mit ihrem Reichthum, mit allen tausendfältigen Sitten und Lebensweisen, die sie jetzt einzeln ausdrückt, ergötzen können, wenn sie nur zwanzig Jahre hindurch ordentlich ineinander gesprochen wäre; wenn die naive Roheit der Naturtöne und Dialekte[1] nicht weiter getrennt wäre von der gebildeten Flachheit der hochdeutschen Buchsprache und nun durch jede Reihe von Tönen in dieser so veredelten dritten, mittleren Sprache[3] Deutschland hindurchklänge, während es doch nur immer Paris ist, das unaufhörlich in Eine Hauptstadt zusammenstrebende Frankreich, welches man durch die französische Sprache[3] hindurchhört..
[114] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 164: [W]ie viele Ungerechtigkeit ist begangen worden, da man [...] von dem Ideal einer gewissen gleichförmigen klassischen[5] Schreibart ausgehend, die romantischen[4] Spiele der poetischen[4] Feder nicht für wahre Kunst[2] der Rede und für Stil hat gelten lassen wollen; und andrerseits den Ernst des praktischen Lebens, wie er sich in den schriftlichen Verhandlungen der Bürger und der Völker und der Wissenschaften ausdrückte, neben der poetischen[4] Feder überhaupt für keine Feder anerkennen wollte..
[115] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 275 f. (276): Wie haben wir [sc. die Deutschen] in diesen letzten fünfzig stummen Jahren sprechen gelernt? Wie hat sich diese Sprache[3] gebildet grade in der Zeit[3], wo alle Glieder der höheren Gesellschaft sich von ihr abwendeten? Es lebt in ihr ein Geist[12], der sie bildet und keiner vornehmen Stütze bedarf: wer das recht Empfundene, aus den Tiefen der Seele, aus jenen geheimnißvollen Wohnsitzen des Heiligen Kommende, wo das Gefühl der ritterlichen Ehre und Liebe, des stolzen Gehorsams usw. herrührt – aussprechen will, der kann diese Sprache[3] nicht entbehren; und wer nicht so etwas zu sagen hat, der würde ihr und ihrer Ausbildung nichts helfen können. Von selbst in den Mund legt sie sich nicht! ohne Karakter[2], ohne Selbständigkeit, ohne Ursprünglichkeit 〈276〉 der Geisteskraft ist es unmöglich, diese Sprache[3] gut zu sprechen. Mit Phrasen, die für jeden Mund passen, mit künstlich appretirtem Glanz, mit einem Schein von Geist[20] und Witz[1], den der Geistloseste sich aneignen könnte, kann sie nicht aufwarten: sie hat keine Corneilles, keine Racines, keine Bossuets, keine Akademien, welche ein ganzes folgendes Jahrhundert mit schönen Wendungen der Rede im voraus versehn; kein siècle de Louis XIV., das für lange Zeiten[3] nachher das Vortrefflichste schon vorweggesprochen hätte. Es fehlt ihr, habe ich gesagt, die gesellige Vollendung: das Bestreben der einzelnen deutschen Redner und einige glückliche Wendungen des öffentlichen Lebens der Nation[1] können selbige erreichen, darum muß auch an die mechanischen Vorzüge der benachbarten Sprachen[3] erinnert werden. Ich habe es gethan, mit Anklage meines Vaterlandes gethan. Nichtsdestoweniger aber weil der neue[1/5], christliche Geist[12] aller Worte[1] und Wendungen dieser Sprache[3] sich nicht tödten läßt, so trägt sie das Siegel der Fortdauer an ihrer Stirn wie keine andre Sprache[3]. Um dieses Geistes[12] willen kann man festiglich glauben, daß die Sprache[3] der Besiegten länger leben werde als die der Sieger, und in diesem Sinne dann dreist verkünden, daß, weil die Sprache[3] fortdauern werde, auch das Volk nicht untergehen könne..
[116] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 43: Die Ritter sprachen vom heiligen Lande, von den Wundern des heiligen Grabes, von den Abentheuern ihres Zuges, und ihrer Seefahrt, von den Sarazenen, in deren Gewalt einige gerathen gewesen waren, und dem frölichen und wunderbaren Leben im Felde und im Lager. Sie äußerten mit großer Lebhaftigkeit ihren Unwillen jene himmlische Geburtsstätte der Christenheit noch im frevelhaften Besitz der Ungläubigkeit zu wissen. Sie erhoben die großen Helden, die sich eine ewige Krone durch ihr tapfres, unermüdliches Bezeigen gegen dieses ruchlose Volk erworben hätten..
[117] Passavant, Toscana (1820), 2 f.: In allen Zeiten[3], wo die Kunst[2] bey einem Volke entstand, ist zu bemerken, daß sie ursprünglich nur zur Ausschmückung der zum Gottesdienst geweihten Orte gebraucht wurde. Es liegt wohl in einem feinen religiösen Gefühl des Menschen, daß er dem Hause Gottes[1] gerne ein anderes und herrlicheres Ansehen gibt, als seiner eignen Wohnung; da, wo er seine Andacht verrichtet und seine Gedanken zu etwas Höheren wendet, verlangt er auch, daß die Umgebung ihn dazu erhebe; er will durch die Ansicht ihm heilig gewordener Gegenstände aus der gewöhnlichen Stimmung seiner Seele, sich zu etwas Höhe〈3〉rem angeregt fühlen. So dachten wohl einstens die alten[9] Ägypter, so das Volk Israels, oder die Griechen und Römer in den Zeiten[3] ihrer Blüthe und Freiheit[6]; so das christliche Europa in den Tagen seiner regsten Kraft; so auch unsere Vorfahren in den Zeiten[3], als sie noch, nach außen und innen selbstständig, keine Gesetze und Formen der Fremden[1] sich hatten aufdringen lassen, die nicht gleichartig mit ihrem eigenen Streben waren; wo sie durch die lebendige Fülle der Minnelieder, den Gesang eines Nibelungenliedes, die Ausbildung einer den Deutschen eigenthümlichen Baukunst, die in Europa nur an der griechischen[2] eine Nebenbuhlerin findet, durch so viele Werke der Bildhauerkunst und Malerei[1], wie sie in jenen Zeiten[3] außer Deutschland nur in Italien entstanden, sich an die Seite der ausgezeichnetsten Völker stellen durften..
[118] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 680: Der Roman[1] des Cervantes ruht also auf einem sehr unvollkommenen, ja verrückten Helden, der aber zugleich so edler Natur[1] ist [...], daß ihn keine Schmach, die ihm widerfährt, eigentlich herabwürdiget. An diese Mischung (in Don Quixote) ließ sich eben das wunderbarste und reichste Gewebe knüpfen, das im ersten Moment so anziehend wie im letzten stets den gleichen Genuß gewährt und die Seele zur heitersten[4] Besonnenheit stimmt. Für den Geist[19] ist die nothwendige Begleitung des Helden, Sancho Pansa, gleichsam ein unaufhörlicher Festtag; eine unversiegbare Quelle der Ironie[1] ist geöffnet und ergießt sich in kühnen Spielen. Der Boden, auf dem das Ganze geschieht, versammelte in jener Zeit[3] alle romantischen[3] Principien, die es noch in Europa gab, verbunden mit der Pracht des geselligen Lebens. Hierin war der Spanier tausendfältig vor dem deutschen Dichter begünstigt. Er hatte die Hirten, die auf freiem Felde lebten, einen ritterlichen Adel[2], das Volk der Mauren, die nahe Küste von Afrika, den Hintergrund der Begebenheiten der Zeit[3] und der Feldzüge gegen die Seeräuber, endlich eine Nation[1], unter welcher die Poesie[11] populär ist – selbst malerische[4] Trachten, für den gewöhnlichen Gebrauch die Maulthiertreiber und den Baccalaureus von Salar. ➢ Volltext.
[119] Schelling, Philolog.-hist. Klass. (*1818), SW I, 8, 468: Die Sprache[1] an sich ist ein vollendetes Ganzes und bis in jeden Theil organisch[6] gebildet. Denkt man aber Philologie als Erklärung, Beurtheilung und Auslegung alterthümlicher Denkmäler, es sey der redenden oder bildenden Kunst, so hat sie hier den Vortheil eines schon an sich abgeschlossenen Gegenstandes. Aber auch als Alterthumswissenschaft, es sey, daß sie das öffentliche Leben, oder Staats-Verfassungen, Gesetze, Sitten, oder religiöse Formen der alten[9] und besonders der classisch[3/5] gebildeten Völker untersuche, schließt sich ihr alles in einzelne Kreise ab, in denen sie sich der Vollständigkeit – nicht des Wissens, aber doch des Gebrauchs der vorhandenen Mittel vollkommen versichern kann..
[120] Schiller, Ged. I (1786), NA 1, 173: Dir [...] drohen diese Gallionenheere, | großherzige Britannia. | Weh deinem freigebohrnen Volke! [...] | Hast du nicht selbst von stolzen Königen gezwungen, | der Reichsgeseze weisestes erdacht, | das große Blatt, das deine Könige zu Bürgern, | zu Fürsten deine Bürger macht? [...] 〈174〉 [...] Gott der Allmächtge sah herab, | [...] Soll, sprach er, soll mein Albion vergehen, | [...] der Unterdrükung lezter Felsendamm | zusammenstürzen, die Tirannenwehre | vernichtet sein von dieser Hemisphäre? | Nie, rief er, soll der Freiheit[6] Paradies, | der Menschenwürde starker Schirm verschwinden! | Gott der Allmächtge blies, | und die Armada flog nach allen Winden..
[121] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 36: Das Genie[2] dieser Nation[1], durch den Geist[12] des Handels und den Verkehr mit so vielen Völkern entwickelt, glänzte in nützlichen Erfindungen; im Schooße des Ueberflusses und der Freiheit[6] reiften alle edleren Künste[2]..
[122] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 41 f. (42): Noch ein andrer Umstand mußte das Wachsthum der neuen[1] Religion[1] in diesen Ländern [sc. Niederlande] begünstigen. Italien, 〈42〉 damals der Sitz der größten Geistesverfeinerung, ein Land, wo sonst immer die heftigsten politischen Faktionen gewüthet haben, wo ein brennendes Klima das Blut zu den wildesten Affekten erhitzt, Italien, könnte man einwenden, blieb unter allen europäischen Ländern beinahe am meisten von dieser Neuerung [sc. Reformation] frei. Aber einem romantischen[6] Volk, das durch einen warmen und lieblichen Himmel, durch eine üppige, immer junge und immer lachende Natur[2] und die mannichfaltigsten Zaubereien der Kunst[2] in einem ewigen Sinnengenusse erhalten wird, war eine Religion[1] angemessener, deren prächtiger Pomp die Sinne[4] gefangen nimmt, deren geheimnißvolle Räthsel der Phantasie[1] einen unendlichen Raum eröfnen, deren vornehmste Lehren sich durch mahlerische[4] Formen in die Seele einschmeicheln. Einem Volke im Gegentheil, das, durch die Geschäfte des gemeinen bürgerlichen Lebens zu einer undichterischen Wirklichkeit herabgezogen, in deutlichen Begriffen[1] mehr als in Bildern lebt, und auf Unkosten der Einbildungskraft seine Menschenvernunft ausbildet; einem solchen Volk wird sich ein Glaube empfehlen, der die Prüfung weniger fürchtet, der weniger auf Mystik als auf Sittenlehre dringt, weniger angeschaut als begriffen werden kann. Mit kürzeren Worten[2]: Die katholische Religion[1] wird im Ganzen mehr für ein Künstlervolk, die protestantische mehr für ein Kaufmannsvolk taugen..
[123] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 288: Margaretha besaß Geschicklichkeit und Geist[20], eine gelernte Staatskunst auf einen regelmäßigen Fall mit Feinheit anzuwenden, aber ihr fehlte der schöpferische Sinn[6], für einen neuen[1] und außerordentlichen Fall eine neue[1] Maxime zu erfinden, oder eine alte[1] mit Weisheit zu übertreten. In einem Lande, wo die feinste Staatskunst Redlichkeit war, hatte sie den unglücklichen Einfall, ihre hinterlistige italienische Politik zu üben, und säete dadurch ein verderbliches Mißtrauen in die Gemüther. Die Nachgiebigkeit, die man ihr so freigebig zum Verdienste anrechnet, hatte der herzhafte Widerstand der Nazion[1] ihrer Schwäche und Zaghaftigkeit abgepreßt; nie hat sie sich aus selbstgebohrnem Endschlusse über den Buchstaben[11] der königlichen Befehle erhoben, nie den barbarischen Sinn[2] ihres Auftrags aus eigner schöner[1] Menschlichkeit misverstanden. Selbst die wenigen Bewilligungen, wozu die Noth sie zwang, gab sie mit unsichrer zurückgezogner Hand, als hätte sie gefürchtet, zuviel zu geben, und sie verlor die Frucht ihrer Wohlthaten, weil sie mit filziger Genauigkeit daran stümmelte. Was sie zu wenig war in ihrem ganzen übrigen Leben, war sie zuviel auf dem Throne – eine Frau[1]. Es stand bei ihr, nach Granvella's Vertreibung, die Wohlthäterin des niederländischen Volks zu werden, und sie ist es nicht geworden. Ihr höchstes Gut war das Wohlgefallen ihres Königs, ihr höchstes Unglück seine Misbilligung; bei allen Vorzügen ihres Geistes[22] bleibt sie ein gemeines 〈289〉 Geschöpf, weil ihrem Herzen der Adel[5] fehlte..
[124] Schiller, Brief. Don Karlos (1788), NA 22, 146: Der Geist[12] der Völker wird von ihm studiert, ihre Kräfte, ihre Hülfsmittel abgewogen, ihre Verfassungen geprüft; im Umgange mit verwandten Geistern[32] gewinnen seine Ideen Vielseitigkeit und Form; geprüfte Weltleute, wie ein Wilhelm von Oranien, Coligny u. a. nehmen ihnen das Romantische[7] und stimmen sie allmählich zu pragmatischer Brauchbarkeit herunter [...]..
[125] Schiller, Universalgesch. (1789), NA 17, 364: Die Entdeckungen, welche unsre europäischen Seefahrer in fernen Meeren und auf entlegenen Küsten gemacht haben, geben uns ein eben so lehrreiches als unterhaltendes Schauspiel. Sie zeigen uns Völkerschaften, die auf den mannichfaltigsten[1] Stuffen der Bildung[5] um uns herum gelagert sind, wie Kinder verschiednen Alters um einen Erwachsenen herum stehen, und durch ihr Beyspiel ihm in Erinnerung bringen, was er selbst vormals gewesen, und wovon er ausgegangen ist. Eine weise Hand scheint uns diese rohen Völkerstämme bis auf den Zeitpunkt aufgespart zu haben, wo wir in unsrer eignen Kultur[3] weit genug würden fortgeschritten seyn, um von dieser Entdeckung eine nützliche Anwendung auf uns selbst zu machen, und den verlohrnen Anfang unsers Geschlechts aus diesem Spiegel wieder herzustellen. Wie beschämend und traurig aber ist das Bild, das uns diese Völker von unserer Kindheit geben!.
[126] Schiller, Send. Moses (1790), NA 17, 380: Woher sollte aber nun den Ebräern dieser Retter kommen? Schwerlich aus der Mitte der Egypter selbst, denn wie sollte sich einer von diesen für eine Nation[1] verwenden, die ihm fremd[5] war, deren Sprache[3] er nicht einmal verstand, und sich gewiß nicht die Mühe nahm zu erlernen, die ihm eines bessern Schicksals eben so unfähig als unwürdig scheinen mußte. Aus ihrer eignen Mitte aber noch viel weniger, denn was hat die Unmenschlichkeit der Egypter im Verlauf einiger Jahrhunderte aus dem Volk der Ebräer endlich gemacht? Das roheste, das bößartigste, das verworfenste Volk der Erde, durch eine 300jährige Vernachlässigung verwildert, durch einen so langen knechtischen Druck verzagt gemacht und erbittert, durch eine erblich auf ihm haftende Infamie vor sich selbst erniedrigt, entnervt und gelähmt zu allen heroischen Entschlüßen; durch eine solange anhaltende Dummheit endlich fast bis zum Thier[10] herunter gestoßen. Wie sollte aus einer so verwahrloßten Menschenrasse ein freier Mann, ein erleuchteter 〈381〉 Kopf, ein Held oder ein Staatsmann hervorgehen?.
[127] Schiller, Tell (1804), NA 10, 170, V. 917: Wirf nicht für eiteln Glanz und Flitterschein | Die ächte Perle deines Werthes hin – | Das Haupt zu heißen eines freien[6] Volks, | Das dir aus Liebe nur sich herzlich weiht, | Das treulich zu dir steht in Kampf und Tod – | Das sei dein Stolz, des Adels[3] rühme dich – | Die angebohr'nen Bande knüpfe fest, | An's Vaterland, an's theure, schließ dich an [...]..
[128] A. W. Schlegel, Rez. Schiller [Künstl.] (1790), 162: So erhaben oft die Volksreligionen in ihren Dichtungen über die physische Vollkommenheit des höchsten Wesens waren, so weit blieben sie gewöhnlich in denen über die moralische zurück, selbst dann noch, wenn das Volk schon auf einer hohen Stufe der sittlichen Cultur[4] stand, weil man nicht weichen wollte von der ehrwürdigen Sage der Väter..
[129] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 96: Nicht wahr [...]: jetzt gewinnt die Lehre, welche, mit Ausschliessung der Nachahmung, die Empfindung zur einzigen Bildnerin der Sprache[1] macht, ein ganz andres Ansehen? Wir forschen nach dem Ursprunge der Sprache[1]; wir betrachten ihre jetzigen Bestandtheile; wir finden darunter etwas, was so wenig der künstlichen Verabredung oder dem Witze[1] einzelner Menschen angehört, daß es vielmehr durch alle von diesen herrührende Zusätze und Veränderungen unfehlbar geschwächt und entstellt wird; das sich in seiner größten Reinheit und Stärke gerade unter solchen Völkern findet, deren Zustand sich am wenigsten von dem Ursprünglichen zu entfernen scheint, oder deren reiche und regsame Empfänglichkeit den Wirkungen der feinern Ausbildung das Gegengewicht hält; etwas, worin jedes Kind und jeder Wilde die Beredtsamkeit eines Demosthenes beschämt; wodurch endlich Menschen aus den entferntesten Zonen, und, würden sie wieder ins Leben gerufen, aus den entferntesten Jahrhunderten, einander mittheilen könnten, was in ihrem Innern vorgeht. Dürfen wir also noch anstehen, dieß für die ächte, ewige, allgemein gültige Sprache[1] des Menschengeschlechts anzuerkennen? Und ist sie das: wie liesse sich noch zweifeln, daß sie in allen einzelnen und abgeleiteten Sprachen[3] das Ursprüngliche ausmacht?
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.[130] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 58: Vom Volksaberglauben, der sich zum ursprünglichen Mythus ungefähr so verhält, wie die Volkspoesie nach der entstandenen Prosa[1] zur Naturpoesie vor derselben, muß noch unterschieden werden, wenn der poetische[2] Geist[12] der Sitten und Verfassung eines Volkes[1], oder selbst eines einzelnen Standes nach Erlöschung der mythischen Nationalreligion wieder jenen Partialmythus hervorbringt, z. B. die romantische[12/2] Ritterfabel des Mittelalters. Diese neumythischen Dichtungen können füglich, wenn sie vom Volke[5] gedichtet sind, nicht so feinen Geist[12] und reinen Geschmack haben, als wenn fühlende Dichter[1] sie schaffen. Diese müßten also jenen ohne Not verfeinern und ausbilden..
[131] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 153: [B]ei den Naturgegenständen ist die Natur[2] zweckmäßig, wo sie unsern Sinnen[4] gerade entgegen ist; so bei den häßlichsten[1] Tieren[1], und viele Völker wußten nichts davon, mit dem Nützlichen das Schöne[1] zu verbinden, z. B. in der Baukunst..
[132] A. W. Schlegel, an S. Tieck-Bernhardi (20. 9. 1805), KJ 1, 234: Zudem habe ich eine Leidenschaft zu Studien über die alte[9] Geschichte[3], den Ursprung der Völker und Sprachen[3] gefaßt, die ihrer Natur[1] nach endlos sind. Ich kann mich Tagelang in Lateinische Etymologieen vertiefen..
[133] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 5 f.: Wir sehen eine Menge Menschen, ja ganze Nationen[1], so sehr befangen in den Gewöhnungen ihrer Erziehung und Lebensweise, daß sie sich auch dann nicht davon losreißen können, wenn vom Genusse schöner[2] Kunst[9] die Rede ist. Nur dasjenige, was in ihrer Sprache[3], ihren Sitten und ihren gesellschaftlichen Verhältnissen einheimisch und hergebracht ist, erscheint ihnen als natürlich[4], schicklich und schön[2]. In dieser ausschließenden Ansicht und Empfindungsweise kann man es durch Bildung[4] zu einer großen Feinheit der Unterscheidung in dem engen Kreise bringen, worauf man sich nun einmal beschränkt hat. Aber ein ächter Kenner kann man nicht seyn ohne Universalität des Geistes[14], d. h. ohne die Biegsamkeit, welche uns in den Stand setzt, mit Verläugnung persönlicher Vorliebe und blinder Gewöhnung, uns in die Eigenheiten anderer Völker 〈6〉 und Zeitalter zu versetzen, sie gleichsam aus ihrem Mittelpunkte heraus zu fühlen, und was die menschliche Natur[1] adelt, alles Schöne[2] und Große unter den äußerlichen Zuthaten, deren es zu seiner Verkörperung bedarf, ja bisweilen unter befremdlich scheinenden Verkleidungen zu erkennen und gehörig zu würdigen. Es giebt kein Monopol der Poesie[19] für gewisse Zeitalter und Völker; folglich ist auch der Despotismus des Geschmacks, womit diese, gewisse vielleicht ganz willkührlich bey ihnen festgestellte Regeln allgemein durchsetzen wollen, immer eine ungültige Anmaßung. Poesie[19], im weitesten Sinne genommen, als die Fähigkeit das Schöne[2] zu ersinnen und es sichtbar oder hörbar darzustellen, ist eine allgemeine Gabe des Himmels, und selbst sogenannte Barbaren und Wilde haben nach ihrem Maaße Antheil daran. ➢ Volltext.
[134] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 137: Corneille war auf dem besten Wege von der Welt, als er den Cid, eine Geschichte[9] aus dem Mittelalter, bey einem verwandten Volke vorgefallen, eine Geschichte[9], worin durchaus ritterliche Liebe und Ehre herrscht, deren 〈138〉 Hauptpersonen nicht einmal von fürstlichem Range sind, auf die Bühne brachte. Eine Menge Vorurtheile über das tragische Ceremoniell wären von selbst weggefallen, wenn man diesem Beyspiele gefolgt wäre; durch größere Wahrheit, durch verständliche, aus der noch geltenden Sinnesart entlehnte Motive, wäre das Trauerspiel dem Herzen befreundeter geworden; die Beschaffenheit der Gegenstände würde von selbst von der steifen Beobachtung misverstandener Regeln der Alten[10] abgelenkt haben, wie sich denn Corneille auch nirgends weiter davon entfernt hat, als gerade in diesem Stück, freylich in Nachfolge seines spanischen Vorbildes; mit Einem Wort[2], das französische Trauerspiel hätte national und wahrhaft romantisch[14/2] werden können..
[135] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 7: Der dichterische Geist[20] bedarf allerdings einer Umgränzung, um sich innerhalb derselben mit schöner[1] Freyheit[1] zu bewegen, wie es alle Völker schon bey der ersten Erfindung des Sylbenmaßes gefühlt haben; er muß nach Gesetzen, die aus seinem eig〈8〉nen Wesen herfließen, wirken, wenn seine Kraft nicht ins Leere hinaus verdunsten soll. ➢ Volltext.
[136] A. W. Schlegel, Rez. Grimm [Altdt. Wäld.] (1815), 727: Allein der Sage selbst geschieht ein schlechter Dienst damit, wenn man alles auf ihre Rechnung schreibt, was irgend eine Chronik Falsches, Unglaubliches, Widersinniges meldet. Nicht alle Irrthümer haben eine Ahnentafel. Es giebt ganz unbegeisterte Einbildungen, ganz prosaische[3] Lügen, deren Ursprung man nicht weiter herzusuchen hat, als in dem müßigen Gehirne, das sie ausgebrütet. Unwissende Ruhmredigkeit auf die Thaten und das Alterthum[1] des eignen Volkes, dann gelehrte Anmaßung, neue[1] und unerhörte Dinge vorzubringen, haben viele trügerische Luftgebäude errichtet, woran die redliche Ueberlieferung durchaus unschuldig ist..
[137] A. W. Schlegel, Gesch. Dt. Spr. (!1818–19), 11.1: Wenn kein gothisches Blut in Deutschland wäre, so würde es unbegreiflich seyn, wie die Sagen von den Thaten u[nd] Helden der Ostgothen sich unter uns im ganzen Mittelalter so lebendig hätten erhalten können. In den Romanischen[1] Ländern erstarben die Heldensagen der Deutschen[5] Völker in dem Maaße wie sie ihre Muttersprache vergaßen. ➢ Volltext.
[138] A. W. Schlegel, Gesch. Dt. Spr. (!1818–19), 11.4: Die Langobarden. Ein Volk das von uralten Zeiten[3], bis es sich unter seinen Romanischen[2] Unterthanen 〈11.5〉 in Italien verliert, denselben Namen behauptet hat. ➢ Volltext.
[139] A. W. Schlegel, Brchtg. Mißdt. (1828), 13 f. (14): Wenn ich den milden und kindlichen Sinn[9] preise, worin Johann von Fiesole die Lebensgeschichte seines Schutzheiligen Dominicus in einer Reihe von Bildern aufgefaßt [...], folgt daraus, daß ich an die Wunder des Ordensstifters glaube, und 〈14〉 alle seine Thaten gut heiße, wie die Geschichte[5] sie urkundlich darlegt? Eben so wenig, als der Bewunderer des Alterthums[3] für einen Anbeter der Olympischen Götter[4] gilt, weil er entzückt anerkennt, daß die Griechischen[2] Künstler aus den dunstigen Regionen des Aberglaubens sich in die ätherische Sphäre sittlicher Urbilder emporgeschwungen, und dadurch die Religion[1] ihres Volkes verklärt haben..
[140] F. Schlegel, Vorr. Grch. u. Röm. (1797), XXIII: Diese Sammlung wird in der Folge auch die politische Bildung[5] der klassischen[7] Völker umfassen. ➢ Volltext.
[141] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 40, Nr. 155: Die rohen kosmopolitischen Versuche der Carthager und andrer Völker des Alterthums[3] erscheinen gegen die politische Universalität der Römer, wie die Naturpoesie ungebildeter Nazionen[1] gegen die klassische[3] Kunst[12] der Griechen. Nur die Römer waren zufrieden mit dem Geist[12] des Despotismus, und verachteten den Buchstaben[8]; nur sie haben naive[2] Tyrannen gehabt. ➢ Volltext.
[142] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 121: Die alte[10] Poesie[11] [...] vermeidet [...] den eigentlich historischen Stoff. Die alte[10] Tragödie sogar ist ein Spiel, und der Dichter, der eine wahre Begebenheit, die das ganze Volk ernstlich anging, darstellte ward bestraft. Die romantische[12] Poesie[11] hingegen ruht ganz auf historischem Grunde [...]. Das erste beste Schauspiel, das Sie sehn, irgend eine Erzählung die Sie lesen; wenn eine geistreiche Intrigue darin ist, können Sie fast mit Gewißheit darauf rechnen, 〈122〉 daß wahre Geschichte[9] zum Grunde liegt, wenn gleich vielfach umgebildet. ➢ Volltext.
[143] F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 205 f. (206): Beim ersten Aufschwunge der noch ungeschwächten Geisteskraft ist die europäische Philosophie überall Idealismus [...]. [...] Freilich hat man noch nicht gefunden, daß eine solche Philo〈206〉sophie bei irgend einem Volke entstanden sei, das wirklich sich selbst überlassen und von den Quellen und Strömen der alten gemeinsamen Ueberlieferung ganz weit entfernt lag; und wenn diese Weisheit wirklich so ganz aus sich selbst geschöpft wäre, als sie es vorgiebt, so würde sie sich wohl auch selbst besser aus den unsäglichen Verirrungen helfen können, in die sie sich auf diesem Wege jederzeit verwickelt hat. Diese häufen sich immer so sehr und so schnell, daß die Philosophie bald skeptisch wird, bis sie endlich, wenn die Verstandeskräfte durch langes Zweifeln hinlänglich geschwächt worden, zu der blos empirischen Denkart herabsinkt, wo der Gedanke der Gottheit, wenn er auch dem Nahmen nach stehen bleibt, doch im Grunde vernichtet wird, überhaupt die Idee ganz verschwindet, und der Mensch[1] unter dem Vorwand einer vernünftigen Beschränkung auf den allein nützlichen Erfahrungskreis, den höheren Geist[14], der ihn doch allein wesentlich vom Thier[1] unterscheidet, als ein falsches Streben aufgiebt. ➢ Volltext.
[144] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 483: So wie aber unter den protestantischen Ländern England in der Verfassung der geistlichen[2] Gewalt und in den äußern Gebräuchen und Einrichtungen noch am meisten von der alten[6] Kirche beybehielt, so blühte auch hier die Poesie[11] zuerst wieder in kunstreicher Gestalt und schöner[1] Bildung[10] empor und zwar ganz sich anschließend an die romantische[7] Weise der südlichen katholischen Völker. Spenser, Shakspeare, Milton bestätigen dieß. Wie sehr Shakspeare das Romantische[7] der alten[6] Ritterzeit und auch die südlicheren Farben der Fantasie[20] in seinen Darstellungen liebte, darf nicht erst erinnert werden; Spenser ist selbst Ritterdichter, und er wie Milton folgten bestimmten romantischen[7], besonders italienischen Vorbildern. Je näher die Litteratur uns tritt, je reicher sie in den neuern[3] Zeiten[3] anwächst, je nothwendiger wird es mir, meine Betrachtung nur auf solche Dichter und Schriftsteller zu beschränken, welche den Gipfel der Sprache[3] und Geistesbildung einer Nation[1] bezeichnen, und welche eben darum auch für das Ganze und für andre Nationen[1] die wichtigsten und lehrreichsten sind. ➢ Volltext.
[145] A. W. Schlegel/F. Schlegel, Vorerinn. (1798), III: In der Einkleidung werden Abhandlungen mit Briefen[3], Gesprächen, rhapsodischen Betrachtungen und aphoristischen Bruchstücken wechseln, wie in dem Inhalte besondre Urtheile mit allgemeinen Untersuchungen, Theorie mit geschichtlicher Darstellung, Ansichten der vielseitigen Strebungen unsers Volks und Zeitalters mit Blicken auf das Ausland und die Vergangenheit, vorzüglich auf das klassische[7] Alterthum[2]. ➢ Volltext.
[146] Schleiermacher, Meth. d. Übers. (1813), SW 3.2, 240: Will [...] die Uebersezung einen Schauspieldichter reden lassen, als hätte er ursprünglich in ihrer Sprache3 gedichtet: so kann sie ihn ja vieles gar nicht vorbringen lassen, weil es in diesem Volk nicht einheimisch ist und also auch in der Sprache3 kein Zeichen hat. Der Uebersezer muß also hier entweder ganz wegschneiden, und so die Kraft und die Form des Ganzen zerstören, oder er muß anderes an die Stelle sezen. Auf diesem Gebiet also führt die Formel [sc. das Prinzip des zielsprachlichen Übersetzens] vollständig befolgt offenbar auf bloße Nachbildung oder auf ein noch widerlicher auffallendes und verwirrendes Gemisch von Uebersezung und Nachbildung, welches den Leser wie einen Ball zwischen seiner und der fremden Welt, zwischen des Verfassers und des Uebersezers Erfindung und Wiz[1], unbarmherzig hin und her wirft, wovon er keinen reinen Genuß haben kann, zulezt aber Schwindel und Ermattung gewiß genug davon trägt. Der Uebersezer nach der andern Methode [sc. nach dem Prinzip des ausgangssprachlichen Übersetzens] hingegen hat gar keine Aufforderung zu solchen eigenmächtigen Veränderungen, weil sein Leser immer gegenwärtig behalten soll, daß der Verfasser in einer andern Welt gelebt und in einer andern Sprache3 geschrieben hat. ➢ Volltext.
[147] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 55: Daß alle diese so mannigfaltigen und so weit reichenden Aeußerungen aus einem gemeinschaftlichen Princip entspringen, aus jener besonderen Geisteskraft, die der Mensch[1] vor dem Thiere[1] voraus hat, und welche man Vernunft[1], το λογιμον, ratio, genannt hat, ist die einstimmige Meinung aller Zeiten[5] und Völker. ➢ Volltext.
[148] Chr. F. D. Schubart, Ged. (1789), G, 193: Wie wenig weiß ein Volk die Freiheit[6] zu gebrauchen! | Es wähnt, wenn nur von Blut die Mörderfäuste rauchen, | Wenn es den Peiniger mit Tigergrimm zerfleischt, | So sei es frei[6]. O Volk! du hast dich selbst getäuscht. | Die Freiheit[4], die du suchst, ist Wuth, ist Mordgetümmel; | Sie wird verflucht von Gott[1], verflucht vom ganzen Himmel. | Ein Volk, bespritzt mit Blut, verdient nicht frei[6] zu sein, | In härtre Sklaverei stürzt es sich selbst hinein..
[149] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 238: Welches Volk hat einen Kirchengesang wie wir? Welches Volk hat uns je in der Instrumental-Musik übertroffen? Welches Volk hat so allgemein gute Stimmen[15] 〈239〉 aufzuweisen wie das unsrige?.
[150] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 261: Es ist eine große Bemerkung, daß die Franzosen von den frühesten Zeiten[3] an die ersten waren, die es wagten, den Mollton zum herrschenden zu machen. Unstreitig ist dadurch mit die Nation[1] zu jener Weichlichkeit herabgestimmt worden, welche alle Völker, so wie die französischen Weisen selbst so lange an dieser großen Nation[1] ahndeten[3]. – Allgemein eingeführter Mollton schmelzt Männermark zu Brey und läßt Toilettenpuppen den Ton[6] angeben..
[151] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 329: Schrecklich und wahr ist der Gedanke, daß Rache den ersten Stoff zur Erfindung der Trommel hergab. Mein Feind ist todt! dachte ungefähr ein Barbar; aber auf seinem Felle will ich mich noch tummeln. Er that es; und seine menschlicheren Nachahmer wählten Eselshäute. Kriegerischer Ton[9] ist der einzige Charakter[5] dieses Instruments[3]; daher gibt es auch wenige Völker in der Welt, welche die Trommel nicht kennen. Forster traf auf seiner Reise um die Welt, sogar unter den Tahitanern, Ottahitanern und Irokesen Trommeln oder Pauken an, die sie theils im Kriege, theils in kleinerer Form, zum Tanze gebrauchen..
[152] R. Schumann, Hummel (1834), 73: Ruhe, Grazie, Idealität, Objectivität, die Träger der antiken[2] Kunstwerke[2], sind die der Mozart'schen Schule. Wie der menschliche Grieche seinen donnernden Jupiter noch mit heiterm[4] Gesicht zeichnete, so hält Mozart seine Blitze. | [...] Sollte diese helle Art zu denken und zu dichten vielleicht einmal durch eine formlosere, mystische verdrängt werden, wie es die Zeit[9] will, die ihre Schatten auch auf die Kunst[2] wirft, so mögen dennoch jene schönen[1] Kunstalter nicht vergessen werden, die Mozart regierte und die zuerst Beethoven schüttelte in den Fugen, daß es bebte, vielleicht nicht ohne Zustimmung seines Vorfürsten Wolfgang Amadeus. Später usurpirte Carl Maria von Weber und einige Ausländer den Königsthron. Als aber auch diese abgetreten, verwirrten sich die Völker mehr und mehr und wenden und strecken sich nun in einem unbequemen classisch[5]-romantischen[8] Halbschlaf..
[153] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 208: Es scheinet, daß der Mensch ein gewisses Maas von Verstandeskräften habe, in die Beschaffenheit sittlicher Gegenstände einzudringen, welches er nicht überschreiten kann, und daß die besten Köpfe jeder Nation, die sich die Cultur[3] des Verstandes ernstlich hat angelegen seyn lassen, den höchsten Grad dieses Maasses erreichen. Daher geschieht es denn, daß die Schriften dieser Männer, in welcher Nation und in welchem Jahrhundert sie gelebt haben mögen, jeder andern Nation, die ohngefehr auch den höchsten Grad der Vernunft erreicht hat, nothwendig gefallen müssen. Diese sind alsdenn die wahren claßischen Schriftsteller für alle
Völker
. | Der beste Schriftsteller einer Nation aber, die jenen hohen Grad der Cultur[4] noch nicht erreicht hat, kann seiner Nation sehr gefallen, kann einen allgemeinen Ruhm bey seinen Zeitverwandten haben, ohne in die Zahl der claßischen Schriftsteller zu gehören. Nicht die besten jeder Nation sind claßische Schriftsteller, sondern die besten der Nation, welche die Cultur[3/4] der Vernunft auf das höchste gebracht hat..[154] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 289: Wer das Glük hat, von Jugend auf mit Menschen von feinerm Gefühl und einer edlern Lebensart umzugehen, dessen Geschmak wird allmählig zu dem edlern gebildet. Wer aber von dem Glük diese Wolthat nicht erhalten hat, der muß desto aufmerksamer das Genie[5] und den Geschmak der besten Werke der Kunst[2] alter[10] und neuer[5] Völker studiren. Mit Vorbeygehung aller Schriftsteller und Künstler, die nur einen zufälligen Ruhm, aus irgend einem mechanischen Theil derselben, oder nur einen vorübergehenden Beyfall erhalten haben, muß er sich an die ersten und claßischen[3] Männer jeder Art halten; an die, die nicht blos bey ihrer Nation[1], sondern bey allen Völkern, wo der Geschmak aufgekommen ist, für die ersten in ihrer Art gehalten werden. Für junge, noch ungebildete Genie[4], wenn die Natur[2] sie nicht vorzüglich bedacht hat, ist es allemal gefährlich, gutes, mittelmäßiges und schlechtes durch einander zu lesen, oder zu sehen. Es gehört ein ausnehmendes Genie[3] dazu, sich nach schlechten Mustern zu bilden, und gut zu werden..
[155] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 787: Man stelle sich bey den römischen Säcularfesten, das ganze römische Volk, den Herren der halben Welt mit dem Senat und dem Adel[2] an seiner Spize, in feyerlichem Aufzuge vor..
[156] Temme, Volkssag. Pomm. (1840), III: Die Sage lebt in und mit dem Volke; sie gehört zu dem romantischen[7] Theile seines Lebens, den es mit einem eigenthümlichen poetischen[4] Kleide umgeben hat..
[157] L. Tieck, an Wackenroder (28. 12. 1792), VL 2, 106: Carrikaturen gefallen überhaupt vielleicht nur einem kalten nördlichen Volke, dessen Gefühl für den feinen Stachel der stillen Schönheit[1] zu grob ist, oder die schon die Schule der Schönheit[1] durchgegangen sind, und deren übersatten Magen nur noch die gewürztesten Speisen reizen können, die es daher gern sehn, wenn die Schönheit[1] dem Ausdruck aufgeopfert wird, weil sie in der Schönheit[1] keinen lebenden Ausdruck mehr finden..
[158] Trahndorff, Baukunst d. Mittelalt. (1828), 30: Wie übrigens die reichen Laubverzierungen mit [...] ächtarchitektonischen harmoniren, und durch welche Grundidee diese Harmonie bedingt sey, wie vielleicht ein tief und ursprünglich in der Volksphantasie liegendes Bild von der Beschaffenheit heiliger und den wichtigsten Angelegenheiten einer Gesammtheit gewidmeter Orte hier ein verborgenes Spiel trieb, dieß kann hier nur andeutungsweise berührt werden. Manche haben sich entschieden dagegen erklärt , daß das Bild eines heiligen Haines dem Kirchenbau des Mittelalters zum Grunde liegen könne, indem sie sich auf die Kluft stützen zwischen der Zeit[3] der heiligen Haine unter den Germanen und zwischen der Blüthenzeit jenes Baustyls. Dennoch aber drängt sich beym Anblick dieser sich massenweise dnrchschneidenden Bogen, dieser an Thür- und Fensteröffnungen oder Nischen hintereinander zusammengedrängten Vervielfältigung der Bogendurchsicht, der starken, aus mehreren zusammengesezt erscheinenden Pfeiler, die, wie Stämme und Stammgruppen ein Laubdach, die Gewölbe stützen, und der schwebenden[3] Dächer, diese Vorstellung so unwillkürlich und bestimmt auf, daß man sich ihrer schwerlich erwehren kann; ja es ist, als, ob selbst die Entstehung des Spitzbogens in den sich kreuzenden Aesten und Zweigen vorgebildet wäre. Ob nun mit dem Lebensprinzip eines Zeitalters sich noch eine ursprüngliche oder durch die Ausbildung ursprünglicher Eigenschaften eines Volkes bestimmte Gestaltungsart der Phantasie[1] als ein Vermittelndes vereinigen könne, ist ein psychologisches Problem, welches nur von der Einseitigkeit unter die Träume gezählt werden wird..
[159] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 121 f. (122): Als Albrecht [Dürer] den Pinsel führte, da war der Deutsche auf dem Völkerschauplatz unsers Welttheils noch ein eigenthümlicher und ausgezeichneter Charakter[6] von festem Bestand; und seinen Bildern ist nicht nur in Gesichtsbildung und im ganzen Äußeren, 〈122〉 sondern auch im inneren Geiste[12], dieses ernsthafte, grade und kräftige Wesen des deutschen Charakters[2] treu und deutlich eingeprägt. In unsern Zeiten[3] ist dieser festbestimmte deutsche Charakter[2], und eben so die deutsche Kunst[4], verloren gegangen. Der junge Deutsche lernt die Sprachen[3] aller Völker Europa's, und soll prüfend und richtend aus dem Geiste[10] aller Nationen[1] Nahrung ziehen; – und der Schüler der Kunst[4] wird belehrt, wie er den Ausdruck Raphaels, und die Farben der venezianischen Schule, und die Wahrheit der Niederländer, und das Zauberlicht des Correggio, alles zusammen nachahmen, und auf diesem Wege zur alles übertreffenden Vollkommenheit gelangen solle. – O traurige Afterweisheit! O blinder Glaube des Zeitalters, daß man jede Art der Schönheit[1], und jedes Vorzügliche aller großen Künstler der Erde, zusammen〈123〉setzen, und durch das Betrachten aller, und das Erbetteln von ihren mannigfachen großen Gaben, ihrer aller Geist[20] in sich vereinigen, und sie alle besiegen könne! ➢ Volltext.
[160] Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 162 f.: Wem eine so schnelle und große Veränderung zuzuschreiben sey, ist unter den Franzosen selbst keine Frage. Die ganze Nation[1] ist nur Eine Stimme[6], sie [ist] nicht der Pracht des Hofes unter Ludwig XIV. nicht dem Weinbau, Seidenbau, den Manufacturen, und der Handlung, die damals in Frankreich blüheten, nicht dem Zusammenfluß glüklicher Umstände, welche sich zum glänzendsten Wohlstande des Französischen Reichs in der ersten Hälfte der Regierung jenes großen Königs vereinigten – sondern den Arnaud, Pascal, Bourdaloue, Fenelon, Bossuet, La Brüyere, 〈162〉 u. a. unter den Prosaisten, und den Corneille, Racine, Moliere, Boileau und La Fontaine unter den Dichtern, zuzuschreiben, welche sich, nach des Schiksals Schluß, zusammen fanden, und durch ihre Werke die goldne Epoke der französischen Litteratur hervorbrachten. Und wodurch wurden alle diese Männer die Classischen[3/4] Schriftsteller ihres Volkes, und die Muster der besten Schreibart? Etwa dadurch, daß sie sich nach dem Geschmacke der obern Classen[2] in Paris bildeten, und die Sprache[3] schrieben, welche jene redeten? Pascal, dessen Lettres Provinciales bis auf diesen Tag für das vollkommenste Muster der schönsten französischen Sprache[3] und Schreibart gelten, hatte von Jugend auf in einer großen Abgeschiedenheit gelebt, und zu seiner Zeit war die Clelie, der große Cyrus und andre Werke dieser Art noch die Mode-Lecture der obern Classen[2] in Paris. Der große Corneille war nichts weniger als was man einen Weltmann nennt; er lebte in seinem Cabinet und im Schooße seiner Familie; mit den hohen Charaktern[6] und Idealen des alten[10] Roms und Griechenlandes besser bekannt als mit dem Adel[2] und dem vornehmen Bürgerstande zu Paris. Mit welchem Grunde sollte man also von diesen und den übrigen großen Schriftstellern der schönsten Zeit Ludwigs des XIV. sagen können: daß sie den guten Geschmack, der ihnen vor ihren Vorgängern einen so großen Vorzug giebt, von ihren Zeitgenossen erhalten hätten? anstatt daß alle Welt bißher gerade das Gegentheil ge〈163〉glaubt hat. Freylich reden die ersten guten Schriftsteller eines Volks keine unerhörte selbst erfundene Sprache[3]; und ihre vortreflichen Werke setzen voraus, daß die Sprache[3], schon durch eine Menge Stufen nach und nach zu einem großen Reichthum an Worten und Redensarten, und selbst zu einigem Grade von Ausbildung und Politur gekommen sey. Viele gute Schriftsteller mußten vorher an der Französischen Sprache[3] gearbeitet haben, ehe sie von den Besten der Vollkommenheit nahe gebracht werden konnte. Aber wodurch thaten diese leztern es in allen Schrift-Arten ihren Vorgängern so sehr zuvor? Etwa dadurch, daß sie ihren Geschmack nach den obern Classen[2] ihrer Nation[1], oder dadurch, daß sie ihn nach den besten Mustern der Alten bildeten? Man braucht sie nur zu lesen, nur ihr eignes Geständniß zu hören, um von dem leztern überzeugt zu werden. Die Calpreneden, die Boyers, Pradons u. s. w. diese waren die Leute, die sich nach dem Geschmack ihres Publikums richteten, und dadurch die vergängliche Ehre eines augenbliklichen Beyfalls erschlichen: aber die Corneille und Racine schlugen einen ganz andern Weg ein; sie erhoben sich durch ihren mit der reinsten Blüthe Classischer[7] Gelehrsamkeit genährten Genie, durch einen Geschmak, den sie sowohl an den vollkommnen Mustern der Alten als an den fehlerhaften Werken ihrer Vorgänger und Zeitgenossen geschärft hatten, über den Geschmak ihres Publikums; wurden die Gesezgeber 〈164〉 desselben, anstatt seine Sklaven zu seyn. ➢ Volltext.
[161] Wieland, Aristipp. I (1800–01), SW 22, 394: Um diese Allegorie nicht zu lange zu verfolgen, bemerke ich nur, daß das Daseyn der Vernunft und ihr Einfluß auf unsre sinnliche oder thierische Natur[1] sich, wie bei den Kindern schon in der frühen Dämmerung des Lebens, so bei allen, selbst den rohesten Völkern schon in den ersten Anfängen der Cultur[3] vornehmlich darin beweist, daß sie (wofern nicht besondere klimatische oder andere zufällige Ursachen im Wege stehen) sich selbst und ihren Zustand immer zu verschönern und zu verbessern suchen..
[162] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 193: Vielerlei sind der Sprachen[9], Zungen und Charaktere[9] auf der Welt, die einander nicht verstehen; die Poesie[11] aber ist die heilige Flammenzunge, die aus aller Herzen zu aller Herzen spricht und jeden Menschen[1] mit süßem Verständnis bewegt. Die Poesie[11] ist die Natur[19], die ursprüngliche Menschheit[1], die sich mit jeder besonderen Erscheinung der Menschheit[1] auf dem Felde der Geschichte[1] gattet und daher, so allgemein menschlich sie in ihrer Quelle ist, doch jedesmal einer besonderen Menschheit[3], einem gewissen Zeitalter eigentümlich angehört. Man kann daher mit Recht von einer katholischen und griechischen[2] Poesie[11] sprechen, von einer romantischen[13] und klassischen[7], nur wird man sich hüten, den Gegensatz unmittelbar in das Wesen der Poesie[11] selbst zu setzen, die Poesie[11] ist nur die eine bei allen Völkern, Zeiten[5] und Zuständen, aber der Strahl dieser einen Sonne bricht sich tausendfach in der geistigen Atmosphäre und verursacht dadurch ein buntes[2] Farbenspiel von Weltpoesien, deren Verständnis, nach Rückerts Ausdruck, allein zur Weltversöhnung führt..
[163] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 82: Was die Umstände betrifft, in welchen sich die Kunst[4] unter den Hetruriern befunden, so ist gewiß, da die Verfassung und Regierung in allen Ländern einen großen Einfluß in dieselbe gehabt hat, daß in der Freyheit[6], welche dieses Volk unter ihren Königen genoß, die Kunst[4], so wie ihre Künstler, das Haupt erheben, und zu einem großen Wachsthume gelangen können..
[164] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 82 (2): Die Hetrurier waren so eifersüchtig über die Freyheit[6], und so große Feinde der Königlichen Macht, daß diese ihnen auch unter Völkern, die nur mit ihnen in Bündniß standen, verhaßt und unerträglich war. .
[165] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 83: Diese Freyheit[6], die Pflegerinn der Künste[2], und der große Handel der Hetrurier zu Wasser und zu Lande, welcher jene beschäftigte und nährete, muß unter ihnen eine Nacheiferung mit Künstlern anderer Völker erwecket haben, sonderlich da der Künstler in allen freyen[6] Staaten mehr wahre Ehre zu hoffen und zu erlangen hat. .
[166] Winckelmann, Gesch. d. Kunst I (1764), 132: Durch die Freyheit[6] erhob sich, wie ein edler Zweig aus einem gesunden Stamme, das Denken des ganzen Volks. Denn wie der Geist[22] eines zum Denken gewöhnten Menschen sich höher zu erheben pflegt im weiten Felde, oder auf einem offenen Gange, auf der Höhe eines Gebäudes, als in einer niedrigen Kammer, und in jedem eingeschränkten Orte, so muß auch die Art zu denken unter den freyen[6] Griechen gegen die Begriffe[1] beherrschter Völker sehr verschieden gewesen seyn..
[167] Winckelmann, Anm. Gesch. Kunst (1767), 22: Die Pelasger [...] scheinen unter den Hetruriern keinen Krieg oder Staats-Veränderungen verursachet zu haben, als welche wie zuvor im Besitze der Freyheit[6] blieben, unter Häuptern die sich das Volk erwählete [...]..
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