Wortliste
Adel
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Struktur
Semantik
Belege
[1]
Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 113: Ich komme eben aus dem Garten. Ein heitres[1], schimmerndes Morgenlicht ergoß sich über die Gegend; die Stauden und Blumen hauchten ihren Geist[12] in den süssesten Gerüchen aus. Alle Lauben dufteten, alle Vögel sangen – Himmel und Erde umfaßten mich mit freundlicher Liebe. Ich fühlte mich an Körper und Geist[19] unaussprechlich wohl, und empfänglich für jeden Eindruck.
[2] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 164: Nichts ist verschiedener als der französische und der spanische Nationalcharakter, folglich auch als der Geist ihrer Sprache[3] und Poesie[11].
[3] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 23, Nr. 55: In Shak[espeares] Trag[ödien] ist die Form dram.[atisch] der Geist und Zweck romantisch[1].
[4] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 82: Noch eines Gemähldes des Leonardo muß ich, eines merkwürdigen Umstandes halber, gedenken. Ich meyne das Bildniß der Lisa del Giocondo, (der Gemahlinn des Francesco,) an welchem er vier Jahre arbeitete, ohne durch die sorgfältigste und feinste Ausarbeitung jedes Härchens, den Geist und das Leben des Ganzen zu ersticken. So oft nun die edle Frau[4] ihm zum Mahlen saß, rief er allemal einige Personen herzu, die sie durch eine angenehme und muntre Musik[6] auf Instrumenten[3], mit der menschlichen Stimme[3] begleitet, aufheitern mußten. Ein sehr sinnreicher Einfall, wegen dessen ich den 〈83〉 Leonardo immer bewundert habe. Er wußte nur zu wohl, daß bey Personen, welche zum Mahlen sitzen, sich gewöhnlich eine trockene und leere Ernsthaftigkeit auf ihrem Gesichte einzufinden pflegt, und daß eine solche Miene, wenn sie im Gemählde in bleibenden Zügen festgehalten wird, ein ungefälliges oder wohl gar finsteres Ansehen gewinnt. Dagegen kannte er die Wirkung einer fröhlichen Musik[6], wie sie sich in den Mienen des Gesichts abspiegelt, wie sie alle Züge auflöst, und in ein liebliches, reges Spiel setzt. So trug er die sprechenden Reize des Antlitzes lebendig auf die Tafel über, und wußte bey Ausübung der einen Kunst[2] sich der andern so glücklich als Gehülfinn zu bedienen, daß diese auf jene ihren Wiederschein warf.
[5] B. v. Arnim, Günder. I (1840), 290: Nicht wahr das soll auch ein Hauptprinzip der schwebenden[7] Religion[1] sein daß wir keine Bildung[5] gestatten, – Das heißt kein angebildet Wesen, jeder soll neugierig sein auf sich selber, und soll sich zu Tage fördern wie aus der Tiefe ein Stück Erz oder ein Quell, die ganze Bildung[2] soll darauf ausgehen daß wir den Geist[12/19] ans Licht hervorlassen. Mir deucht mit den fünf Sinnen[4] die uns Gott gegeben hat könnten wir alles erreichen ohne dem Witz[2/3] durch Bildung[2] zu nahe zu kommen. Gebildete Menschen sind die witzloseste Erscheinung unter der Sonne. Echte Bildung[5] geht hervor aus Übung der Kräfte die in uns liegen, nicht wahr?.
[6] B. v. Arnim, Günder. II (1840), 275: Es giebt gar viele Menschen[1], die große Weihgeschenke der Götter[4] mitbekommen haben, und keines derselben anzuwenden vermögen, denen es genügt über dem Boden der Gemeinheit sich erhaben zu glauben, blos weil der Buchstabe[8; 11] eines höheren Gesetzes in sie geprägt ist, aber der Geist[12; 30] ist nicht in ihnen aufgegangen und sie wissen nicht wie weit sie 〈276〉 entfernt sind jenen Seelenadel in sich verwirklicht zu haben auf den sie sich so mächtig zu gut thun..
[7] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 327: Es sind dieses [sc. Romanzen] erzählende Lieder aus der frühesten Epoche der sich entwickelnden, und kaum der Barbarei entwachsnen Cultur[4]: daher ist [es] Einfalt, Natur[19], gutmüthiger Aberglauben ohne Fanatismus, Unbekanntschaft mit gelehrten Begriffen, Reinheit, aber Rohigkeit der Sitten, treuherziger Biedersinn der Geist, welcher darin athmen muß. Die Romanze kann daher scherzhaft und rührend, aber satyrisch und ironisch[1] darf sie nicht sein, wenn sie nicht ihren Geist verläugnen will. .
[8] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. III (1839), 732: Von Bildungsanstalten bestehen in R.[om] eine Universität [...]; die zahlreichen Vereine und Gesellschaften für die Naturwissenschaften, für Poesie, Alterthumsforschung und Kunst führen meist den Namen von Akademien. Bei dem weit hinter dem Standpunkte der Bildung in den aufgeklärtern europ. Ländern zurückgebliebenen
[9] Ditters v. Dittersdorf [Spazier], Lebensbeschr. (1801), 9 f. (10): [Z]wei Tage, nachdem er das Werk beendigt, starb er, und, wie es unter jenen Umständen hatte werden können, 〈10〉 übersandte es nun die hinterlassene Witwe nach dem Willen des Verstorbenen der Breitkopf-Härtelschen Handlung, die sogleich darauf bedacht war, den Wunsch des [...] Künstlers zu ehren und das Werk in einer etwas veränderten Gestalt zum Besten der Familie erscheinen zu lassen. Man gab dem Herausgeber diesen Auftrag und hatte das Vertrauen zu ihm, daß er diesen Zweck erfüllen würde, ohne dem Geiste des Werkes zu schaden und das Eigentümliche desselben zu verwischen. .
[10] G. Forster, Menschenraßen (1786), W 2, 100: Weisser! der du so stolz und selbstzufrieden wahrnimmst, daß wohin du immer drangst, Geist der Ordnung und Gesetzgebung den bürgerlichen Vertrag begründeten, Wissenschaft und Kunst[2] den Bau der Kultur[4] vollführen halfen; der du fühlst, daß überall im weiten volkreichen Afrika die Vernunft[1] des Schwarzen nur die erste Kindheitsstufe ersteigt, und unter deiner Weisheit erliegt – Weisser! du schämst dich nicht am Schwachen deine Kraft zu misbrauchen, ihn tief hinab zu deinen Thieren[1] zu verstossen, bis auf die Spur der Denkkraft in ihm vertilgen zu wollen? Unglücklicher! von allen Pfändern, welche die Natur[2] deiner Pflege anbefohlen hat, ist er das edelste..
[11] G. Forster, Cook (*1787; 1789), W 2, 115: Auf derjenigen Stufe der Kultur[4], die der Europäer insbesondere nun einmal erstiegen hat, ist die Kenntniß der eigenthümlichen Beschaffenheit aller Gegenden der Erde so in sein Bedürfniß verwebt, daß eine nähere Untersuchung nothwendig wird, um seiner Betriebsamkeit Luft zu machen. Je dringender unsere wahren und erkünstelten Bedürfnisse das Verkehr mit entfernten Welttheilen fordern, je emsiger der kaufmännische Geist von der Unersättlichkeit des Zeitalters seinen Vortheil zieht, indem er ihr Nahrung verschafft; desto stärker wächst das politische Interesse der Staaten, an der Erweiterung geographischer und anderer Erfahrungskenntnisse, und desto mehr sucht es alle jene Triebfedern im Gange zu erhalten..
[12] C. de la Motte Fouqué, Dt. Geselligk. (1814), 30 f. (31): Wir sollen nicht länger zwischen eigenthümlicher und fremder[5] Bildung[5] schwanken, es steht uns wohl an Deutsch[1] zu seyn. Ist die französische Sprache[3] dem gesellig verkehrenden Europa unentbehrlich geworden, so gelte sie wie eine Scheide- und Ausglei〈31〉chungsmünze, so lange sie in Cours bleiben kann, Jedweder lerne sie als solche kennen, sie bleibe ihm Mittel, nichts weiter. Was hülfe es auch, sie zum Zweck machen zu wollen? Ihre klassischen[4] Sprichwörter und Phrasen liegen doch nur wie veralteter bestäubter Modeprunk auf der lebendigen Nationalbildung, der deutsche[1] Geist ist aus dem alten[6] Kleide herausgewachsen, beide passen nicht zu einander..
[13] v. d. Hagen, Vorr. Lit. Grdriß (1812), III f. (IV): Der bei weitem größte und bedeutendste Theil der Deutschen Literatur bis in das sechzehnte Jahrhundert, gehört der Poesie[3] an, und dieser ganze Zeitraum ist vorzugsweise der poetische[5]; denn die eigentliche Bildung[1] der Prosa[1] fällt erst in's funfzehnte und sechzehnte Jahrhundert, zugleich mit der Buchdruckerkunst: auf ähnliche Weise wie in Griechenland mit der Schreibkunst. Die gleichzeitige Reformazion war dabei gewiß auch nicht ohne Einfluß: so wie dagegen der Katholizismus der Poesie[3] so günstig gewesen war. Zwar ist die frühe Einwirkung eben dieser Religion und einer fremden[1] Sprache[3] 〈IV〉 und Schrift wieder störend für die eigenthümliche Entwickelung der Deutschen Nazionalpoesie gewesen, hat dieselbe frühe zu frommen oder bloß gelehrten Zwecken verarbeitet, und besonders durch Übersetzung religiöser und klassischer[7] Schriften, zugleich eine breite Prosa[1] neben ihr erzeugt: durch welches alles auch die die [sic] Deutsche Poesie[3] den Karakter[1] der romantischen[1] an sich trägt, und sich das eigenthümliche Streben dieser zum prosaischen[1] Roman[1] kund giebt. Dennoch ist die Poesie[3] hauptsächlicher Ausdruck dieser ganzen Zeit[3], und zwar, wie es uns scheint, der eigenthümlichste für Deutschland, indem nicht nur die alte Volkspoesie sich trefflich ausbildete, sondern auch die fremden[1] Romane[1] und religiösen Dichtungen kräftig angeeignet wurden, um so eher, da ihr Geist ursprünglich von hier ausging oder doch verwandt war. So ist denn auch in dieser ganzen Periode eine vollständige poetische[5] Entwickelung sichtbar, und die in der älteren Zeit[3] häufigere Prosa[1], verliert sich in der eigentlichen Blüthezeit des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts immer mehr, und selbst die Bibel und Kroniken erscheinen in Reimen.
[14] Hamann, Krzzg. d. Phlg. (1762), N 2, 125: An Beobachtungen fehlt es uns nicht, wodurch das Verhältnis der Sprache zu ihren wechselsweisen Gebrauch ziemlich genau bestimmt werden kann. Die Einsicht in dies Verhältnis und die Kunst selbiges anzuwenden, gehört mit zu dem
[15] Hegel, Hamann (1828), W 11, 283: Der junge Adel[2] und viele Bürgerskinder sollten eher die Lehrbücher des Ackerbaus als das Leben Alexanders usf. zu Lehrbüchern der römischen Sprache[3] haben und dergleichen, – Ansichten, von welchen die Basedowschen, Campeschen u. a. Deklamationen und Aufschneidereien wie ihre pomphaften Unternehmungen ausgegangen und welche auf die Organisation[8] und den Geist des öffentlichen Unterrichts so nachteilige, noch jetzt, sosehr man davon zurückgekommen, in ihren Folgen nicht ganz beseitigte Einwirkungen gehabt haben..
[16] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 405: So konnte denn ein neuer[1] Hauch und Geist in die epische Poesie[1] nur durch die Weltanschauung und den religiösen Glauben, die Thaten und Schicksale neuer[1] Völkerschaften hereinkommen. Dieß ist bei den Germanen sowohl in ihrer heidnischen Ursprünglichkeit als auch nach ihrer Umwandlung durch das Christenthum, sowie bei den romanischen[2] Nationen[1] in um so reicherer Weise der Fall, je weiter die Verzweigung dieser Völkergruppen wird, und in je mannigfaltigeren[1] Stufenfolgen sich das Prinzip der christlichen Weltanschauung und Wirklichkeit entfaltet. ➢ Volltext; vgl. [17].
[17] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 473: Wie in die epische Poesie[1] kommt [...] auch in die Lyrik ein ursprünglicher Gehalt und Geist erst durch das Auftreten neuer[1] Nationen[1] hinein. Dieß ist bei den germanischen, romanischen[2] und slawischen Völkerschaften der Fall, welche bereits in ihrer heidnischen Vorzeit, hauptsächlich aber nach ihrer Bekehrung zum Christenthume, sowohl im Mittelalter als auch in den letzten Jahrhunderten, eine dritte Hauptrichtung der Lyrik im allgemeinen Charakter[4] der romantischen[9] Kunstform immer mannigfacher und reichhaltiger ausbilden. ➢ Volltext; vgl. [16].
[18] Heine, Relig. u. Philos. in Dtld. (1835), DHA 8.1, 43: [W]ie einige Dichter des Mittelalters die griechische Geschichte und Mythologie ganz romantisch[8] behandelt haben, so kann man auch die mittelalterlichen Sitten und Legenden in klassischer[6] Form darstellen. Die Ausdrücke „klassisch[6]“ und „romantisch[8]“ beziehen sich also nur auf den Geist der Behandlung. Die Behandlung ist klassisch[6], wenn die Form des Dargestellten ganz identisch ist mit der Idee des Darzustellenden, wie dieses der Fall ist bey den Kunstwerken der Griechen, wo daher in dieser Identität auch die größte Harmonie zwischen Form und Idee zu finden. Die Behandlung ist romantisch[8], wenn die Form nicht durch Identität die Idee offenbart, sondern parabolisch diese Idee errathen läßt. ➢ Volltext.
[19] Heine, Relig. u. Philos. in Dtld. (1835), DHA 8.1, 45: Der Geist der Behandlung ist nicht mehr romantisch[4], sondern klassisch[5]. Durch das Wiederaufleben der alten[10] Literatur verbreitete sich über ganz Europa eine freudige Begeisterung für die griechischen[2] und römischen Schriftsteller, und die Gelehrten, die Einzigen welche damals schrieben, suchten den Geist des klassischen[7] Alterthums[2] sich anzueignen, oder wenigstens in ihren Schriften die klassischen[7] Kunstformen nachzubilden. Konnten sie nicht, gleich den Griechen, eine Harmonie der Form und der Idee erreichen, so hielten sie sich doch desto strenger an das Aeußere der griechischen[2] Behandlung, sie schieden, nach griechischer[2] Vorschrift, die Gattungen, enthielten sich jeder romantischen[4/12] Extravaganz, und in dieser Beziehung nennen wir sie klassisch[5/8]. ➢ Volltext.
[20] Herder, Journ. m. Reise (*1769–70), SW 4, 424: Derselbe Geist der Monarchischen Sitten, den Montesquieu 〈425〉 an seiner Person so augenscheinlich malt, herrscht auch in ihrer Sprache[3]. Tugend, innere Stärke, hat diese wenig, wie die Nation[1]; man macht mit dem Kleinsten das Größeste was man kann, wie eine Maschine durch ein Triebrad regiert wird. Nationalstärke, Eigenheit, die an ihrem Boden klebt, Originalität hat sie nicht so viel; aber das was Ehre auch hier heißt, das Vorurtheil jeder Person und jedes Buchs und jedes Worts[2] ist Hauptsache. Ein gewißer Adel[5] in Gedanken, eine gewisse Freiheit[15] im Ausdruck, eine Politeße in der Manier der Worte[1] und in der Wendung: das ist das Gepräge der Französischen Sprache[3], wie ihrer Sitten. .
[21] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 295: Für sinnige Leserinnen sei hier noch bemerkt, daß unter so vielen Schriften, die mit mehr oder weniger Glück arkadisches Leben, arkadische Sitten schildern, das Werk eines fürstlichen Dichters, des verewigten Herzogs August von Sachsen-Gotha: „Ein Jahr in Arkadien,“ den ersten Rang mit einnimmt, und einen wahrhaft klassischen[7] Geist athmet, während eine Unzahl den Griechen Theokrit nachahmender Idyllendichter den Schauplatz ihrer einschläfernden Poesien[11] nach Arkadien, in das glückselige Schäferland verlegte, und die frischgrüne Trift der Dichtkunst damit unter Wasser setzte..
[22] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 133: Fioravanti zeichnet sich in der komischen Oper durch Naivetät, Grazie, Leichtigkeit, Lebendigkeit und natürliche Anmuth der 〈133〉 Melodien aus; sein klassischer[2] Stil spiegelt den eigenthümlichen Geist der alten ital. kom. Oper noch in jugendlicher Frische..
[23] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 201: Die Gesetze der Einheit von Zeit[13], Ort und Handlung[3] wurden nicht nur als die festeste Norm befolgt, sondern sie dienten auch bei der Beurtheilung jedes tragischen Dichtwerks als Maßstab. Eine Verschmelzung dieser Nachahmung der antiken[2] Muster mit dem Geiste der Nation[1] finden wir bei den Heroen der französischen Tragödie Corneille [...] und Racine [...]. Diese beiden und Molière [...] rissen die Bühne aus ihrer ersten Rohheit. Doch blieb immer eine Steifheit, ein geziertes, hochtrabendes Wesen zurück, das selbst Voltaire [...] 〈202〉 [...] nicht verdrängen konnte. [...] Gegen jene klassischen[4/8] Vorbilder erhob sich in neuester[3] Zeit[3] die Schule der Romantiker[3], an deren Spitze Victor Hugo [...] steht. Sie hat zwar die altfranzösische Tragödie nicht verdrängen können, behauptet aber doch siegreich ihren Platz neben ihr, und wie aus allen Kämpfen der Art, so wird auch hier ein vermittelndes Princip aus den Eigenthümlichkeiten beider Schulen ein gutes, erfreuliches Resultat schaffen..
[24] Hirschfeld, Gartenkunst V (1785), 351: Man befindet sich hier oben mitten in einem kleinen Garten, und wird getäuscht, als ob man in Italien sey. Ueberhaupt herrscht durch die ganze Anlage ein Geist der Ueberraschung in den Gebäuden, der nicht lebhafter wirken kann. Aus öden Ruinen tritt man auf einmal in einen runden Saal mit corinthischen Säulen und vergoldeten Kapitälern, mit Deckengemälden nach herculanischen Mustern, mit Basreliefs von Marmor ganz im antiken[3] Geschmack..
[25] Hirt, Baukunst (1809), 25 f. (26): Jeder Bau [...] erhält seine eigenthümliche Physiognomie; denn so wie es nicht zwey Menschen[1] giebt, die vollkommen dieselbe Bildung[10] haben, so kann es auch nicht zwey Gebäude, die gerade sich in allem gleich sind, geben. Ein anderes Lokal, eine kleine Veränderung in der Bestimmung, eine andere Himmelsgegend, eine geringe Veränderung in den Maaßver〈26〉hältnissen, ein anderer Geist der Verzierung wechselt die Ansichten, erfordert neue Berechnung, giebt neue Resultate..
[26] Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 67] (1810), 632: Haydn und Mozart, die Schöpfer der neuern[3] Instrumental-Musik, zeigten uns zuerst die Kunst[8] in ihrer vollen Glorie; wer sie da mit voller Liebe anschaute und eindrang in ihr innigstes Wesen, ist – Beethoven. Die Instrumental-Compositionen aller drey Meister athmen einen gleichen romantischen[8] Geist, welches eben in dem gleichen innigen Ergreifen des eigenthümlichen Wesens der Kunst[8] liegt; der Charakter[1] ihrer Compositionen unterscheidet sich jedoch merklich. ➢ Volltext.
[27] Hoffmann, Murr II (1822), PW 5, 444: Da begann aber auf Kreislers Antlitz jenes seltsame Muskelspiel, das den Geist[1/12] der Ironie[1] zu verkünden pflegte, der seiner mächtig worden..
[28] W. v. Humboldt, Schiller (1830), GS I, 6.2, 511: Aus dem dürftigen Zustande, in welchem Kant die Philosophie, eklektisch herumirrend, vor sich fand, vermochte er keinen anregenden Funken zu ziehen. Auch möchte es schwer seyn zu sagen, ob er mehr den alten, oder den späteren Philosophen verdankte. Er selbst, mit dieser Schärfe der Kritik[1], die seine hervorstechendste Seite ausmachte, war sichtbar dem Geiste[12/14] der neueren Zeit[3] näher verwandt..
[29] Jean Paul, Vorsch. Ästh. II (21813), 543 f.: Jeder Roman[1] muß einen allgemeinen Geist beherbergen, der das historische Ganze ohne Abbruch der freien[5] Bewegung, wie ein Gott[4] die freie[5] Menschheit[2], heimlich zu Einem Ziele verknüpfe und ziehe [...]; ein bloß geschichtlicher Roman[1] ist nur eine Erzählung. [...] 〈544〉 Derselbe romantische[1] Geist findet nun drei sehr verschiedene Körperschaften zu beseelen vor; daher eine dreifache Eintheilung der Romane[1], nach ihrer Materie nöthig ist..
[30] Kant, Daseyn Gottes (1763), 147: Am mehresten enthält die Methode über die vollkommene Anstalten der Natur[2] zu urtheilen den Geist wahrer Weltweisheit, wenn sie jederzeit bereit, auch übernatürliche Begebenheiten zuzulassen, imgleichen die wahrhaftig künstliche[1] Anordnungen der Natur[2] nicht zu verkennen, hauptsächlich die Abzielung auf Vortheile und alle Wohlgereimtheit sich nicht hindern läßt, die Grün〈148〉de davon in nothwendigen algemeinen Gesetzen aufzusuchen, mit grosser Achtsamkeit auf die Erhaltung der Einheit und mit einer vernünftigen Abneigung, die Zahl der Naturursachen um derentwillen zu vervielfältigen..
[31] Klein, Rheinreise (1828), 56: Bingen bis St. Goar. | Erwartungsvoll zögert der Wanderer vor dem schauerlichen Eingange des Felsenthals, in welches wildrauschend der eingeengte Strom mit stürmischem Gebrause sich stürzt. Das Idyllische hört auf und das Romantisch[3/2/4/13]-Epische beginnt. Er betritt das eigentliche Gebiet der Vorzeit, wo der unruhige, aber kräftige Ritter mit seinen Knappen haußte. Schon sieht er die alten[11] Wartthürme emporsteigen, er glaubt das Horn des Lugeners zu vernehmen; der ernste Geist vergangener Jahrhunderte, über Heldengräbern wehend, haucht ihn an. [...] 〈57〉 [...] Jetzt treten gewaltige Steinwände zu beiden Seiten vor..
[32] Klingemann, Poesie (1800), 55: Die Poesie[19] geht durch die ganze Kunst[2]; sie ist das Innerliche in ihr, und der geheime wunderliche Geist, der später erst durch sie zur Erscheinung kommt. Die Kunst[2] selbst ist nur Organ[1] der Poesie[19], sie aber ist die Seele des Ganzen, und das heilige Feuer, das unsichtbar sich entzündet. So ist die Dichtkunst allein nicht ihre einzige Heimath; sondern sie herrscht unumschränkt auch in der Skulptur und Mahlerei[2], und redet zart und geistig aus der Musik[4] uns an. Sie ist es eben, wodurch die Kunst[2] sich ausbreitet, und allgemein wird; denn Poesie[19] ist die Grundanlage der Menschheit[1] überhaupt, und sie zeichnet sich nur, dem Grade nach, stärker oder schwächer in den Einzelnen aus. | Die Poesie[19] ist das eigentlich Absichtslose, oder die Natur[19] in der Kunst[2]; Niemand vermag sie zu erringen, oder durch Kunst[2] sich anzueignen; sie ist vielmehr eine freie[5] Gunst der Götter[4], und wird dem Menschen[1] schon bei seiner Geburt zu Theile..
[33] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXVI (1819), 720 f.: Wir finden in jeder Poesie[11] romantische[2] Partien. So fehlt es dem griechischen[2], als auch dem nordischen Fabelkreise nicht an reizenden romantischen[2] Einzelnheiten; nur der [sic] eigentliche vorherrschende Charakter[5], der [sic] wahre Geist des Romantischen[2] findet man in den provenzalischen 〈721〉 Dichtern[3], und in dem Mythenkreise der eigentlichen alten[11] Ritterromane, der dem Süden von Europa angehört, und sich von da erst weiter ausgebreitet hat. Diesen romantischen[2] Geist finden wir zuerste in Spanien und Frankreich. In Spanien verschaffte der Kampf der Christen mit den Mohren, das allmählige Aufkommen christlicher Königreiche, der romantischen[2] Poesie[1], Zunder und Nahrung; denn die ritterlichen Spiele und Thaten; die großen Feste, die unter verschiedenen Gestalten, bald in den geräumigen hochgewölbten Sälen der Palläste, bald im grünen Walde, unter dem schützenden Laubdache majestätischer Bäume abgehalten wurden, und woran Könige und Herzöge Theil nahmen, und sich mit den Rittern, Damen und Dichtern[1] unter Spiel und Gesang belustigten, trugen einen eigenen Zauber. [...] Hierzu kamen nun noch die Kreuzzüge, die gerade in jenen Ländern die meiste Theilnahme fanden, und das romantischste[2] Gemälde in der ganzen Geschichte[3] abgeben, woraus sich dann in Frankreich die schönen[1] Dichtungen von Carl dem Großen, seinen Pärs, seinen Kämpfen mit den Mauren etc. entfalteten. Von Frankreich und Spanien gelangte die Romantik[3] auch nach England und Deutschland. Im ersteren Reiche finden wir das echt Romantische[2] in dem Mythus vom fabelhaften König Uterpendragon, dem Erneurer des heiligen Graals, von Arthus etc. ausgebildet, und in Deutschland, im Süden desselben, geschah die Ausbildung des Romantischen[2], jedoch 〈722〉 nicht in dem Umfange, wie in Spanien, Frankreich und England, durch die Minnesänger..
[34] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 20 f. (21): Welches Leben, welche Wirksamkeit in der ganzen Natur[2]! [...] Stete Umschaffung, Verarbeitung, Veränderung, und eine Kraft, die immer bleibt; 〈21〉 denn nur das Bleibende kann sich verändern. Aber was sie ist, diese Kraft, welche die Räder des Ganzen zusammen hält, daß kein Theil sich aus seinen Fugen herausreißen darf, die den Geist mit Formen bekleidet, und das Aufgelösete, nach Ruhe strebende, zu neuem Leben, neuer Thätigkeit zwingt? – Forsche nicht darnach; nur das, was sich verändert, können wir wahrnehmen, und das Bleibende erkennen wir, wie unser eignes Wesen, aus seinen Wirkungen..
[35] Mereau, Amd. u. Ed. II (1803), 20: Ja! alle beßre Seelen, haben Momente des höhern Lebens, der Begeisterung[1]. Diese Momente verschwinden, und sie steigen zur Nüchternheit des Gewöhnlichen wieder herab; aber wenn zwei Seelen sich in solchen Momenten finden, wenn sie sich da begegnen, dann ist der Himmel zwischen den beiden. – O! da auch dies enden mußte, wie Alles, was hält denn den flüchtigen Geist noch hier? 〈21〉 Wo erwartet denn nun noch das Herz, Befriedigung seiner unendlichen Sehnsucht? – Weh mir, daß ich unsterbliche Gefühle in mir nähren, und nur sterbliche erwecken konnte, daß mein Leben in dem Herzen des Geliebten aufhörte, und doch die Liebe unsterblich in mir lebt!.
[36] Mereau, Amd. u. Ed. II (1803), 140 f. (141): Was geschehen ist, fragst Du erstaunt? – Nichts! – Nichts und doch Alles; denn fühl' ich nicht, wie Alles um 〈141〉 mich her verändert ist, wie die Bäume und die Blumen wieder, wie ehedem vor meinem Blick in freudigen Tänzen sich bewegen, wie ich in dem Leben der Menschen, Geschichte[1] und Zusammenhang sehe, und überall mir wieder Licht und Ordnung erscheint! – | Ach! diese schöne[1] Begeisterung[1] war so fern, so fern von mir versunken, und es schien mir ganz unmöglich, jemahls wieder diese Höhe des Gefühls zu erreichen! So vieles Irrdische, Todte, hielt mich lange, dicht umfangen; ich war oft ganz darinnen vergraben, und sahe nun überall keinen Ausweg, keinen Zweck, keinen Geist! – Schon hatte ich alles aufgegeben, und nun! – steh' ich nicht mit einemmal wieder auf jenen heitern[4] Höhen der Begeisterung[1], und betrachte von da die Welt, die mir nun 〈142〉 lauter liebliche oder rührende Bilder zeigt, und woraus alles Harte, Verworrene, Gemeine verschwunden ist? Fühl' ich mich nicht empor gehoben wie eh'mals, über die Menge, die sich da unten um taube Nüsse zerquält; und haßt, und liebt nicht mein frömmer gewordnes Herz die Menschen inniger, je mehr ich sie übersehe? – Und wenn ich Dir alles erzähle, so wirst Du vielleicht lächeln, und wohl viele würden es. Auch kann ich mich recht gut in Deine Ansicht versetzen, aber dann bitte ich Dich, das einzige zu bedenken, was Dir alles ehrwürdig machen wird, nehmlich, daß alles, was ich empfinde, unwillkührliche, tief aus dem Herzen hervorquellende Wahrheit ist..
[37] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 5: Und wenn die Natur[2] Talente für die Beredsamkeit über Deutschland so reichlich ausstreute wie über den Boden irgend eines andern Landes, so sind es ja in Deutschland nur einzelne, die hören; es gibt kein Ganzes, keine Gemeinde, keine Stadt, keine Nation[1], die wie mit Einem Ohre[3] den Redner anhörte. Im Gespräch mit dem Einzelnen sind wir zu ungebunden, zu unbeschränkt; wir lassen uns gehen, wir reden nachlässig, und so verliert sich aus der Sprache[3] des Volks[1] der allgemeine, bindende Geist; sie zerbröckelt sich in unzählige Dialekte[1] und Idiome; jede Sekte und jede Kotterie verunstaltet sie in ihrer eigenen Manier. Nun mögen die Klopstock, die Lessing, die Schiller, die Göthe alle Strahlen dieser zerstreuten Sprache[3] wie in einem Brennspiegel versammeln; das, was allen gemeinschaftlich ist in Wort[5] und Klang, mag von einzelnen wirklich niedergeschrieben, auch ausgesprochen werden: die Nation[1] liest sie, verschluckt sie, aber hört sie nicht, spricht ihnen nicht nach. – Wer überhaupt lernt reden aus dem Papier, aus der todten Schrift? Hören muß und gehört werden, wer sprechen lernen will. – Der Taubgeborne ist nothwendig zugleich stumm..
[38] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 275 f.: Wie haben wir [sc. die Deutschen] in diesen letzten fünfzig stummen Jahren sprechen gelernt? Wie hat sich diese Sprache[3] gebildet grade in der Zeit[3], wo alle Glieder der höheren Gesellschaft sich von ihr abwendeten? Es lebt in ihr ein Geist[12], der sie bildet und keiner vornehmen Stütze bedarf: wer das recht Empfundene, aus den Tiefen der Seele, aus jenen geheimnißvollen Wohnsitzen des Heiligen Kommende, wo das Gefühl der ritterlichen Ehre und Liebe, des stolzen Gehorsams usw. herrührt – aussprechen will, der kann diese Sprache[3] nicht entbehren; und wer nicht so etwas zu sagen hat, der würde ihr und ihrer Ausbildung nichts helfen können. Von selbst in den Mund legt sie sich nicht! ohne Karakter[2], ohne Selbständigkeit, ohne Ursprünglichkeit 〈276〉 der Geisteskraft ist es unmöglich, diese Sprache[3] gut zu sprechen. Mit Phrasen, die für jeden Mund passen, mit künstlich appretirtem Glanz, mit einem Schein von Geist[20] und Witz[1], den der Geistloseste sich aneignen könnte, kann sie nicht aufwarten: sie hat keine Corneilles, keine Racines, keine Bossuets, keine Akademien, welche ein ganzes folgendes Jahrhundert mit schönen Wendungen der Rede im voraus versehn; kein siècle de Louis XIV., das für lange Zeiten[3] nachher das Vortrefflichste schon vorweggesprochen hätte. Es fehlt ihr, habe ich gesagt, die gesellige Vollendung: das Bestreben der einzelnen deutschen Redner und einige glückliche Wendungen des öffentlichen Lebens der Nation[1] können selbige erreichen, darum muß auch an die mechanischen Vorzüge der benachbarten Sprachen[3] erinnert werden. Ich habe es gethan, mit Anklage meines Vaterlandes gethan. Nichtsdestoweniger aber weil der neue[1/5], christliche Geist[12] aller Worte[1] und Wendungen dieser Sprache[3] sich nicht tödten läßt, so trägt sie das Siegel der Fortdauer an ihrer Stirn wie keine andre Sprache[3]. Um dieses Geistes[12] willen kann man festiglich glauben, daß die Sprache[3] der Besiegten länger leben werde als die der Sieger, und in diesem Sinne dann dreist verkünden, daß, weil die Sprache[3] fortdauern werde, auch das Volk[1] nicht untergehen könne..
[39] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 280, Nr. 234: Romant[ik][1] etc. Märchen. Nessir und Zulima. Romantisirung der Aline. Novellen. Tausend und Eine Nacht. Dschinnistan. La Belle et la Bète. Musaeus Volksmärchen. Romantischer[2/8/10] Geist der neuern[3] Romane[1]. Meister. Werther. Griechische[2?] Volksmährchen. Indische Märchen. Neue[1] originelle Märchen. In einem ächten Märchen muß alles wunderbar – geheimnißvoll und unzusammenhängend seyn – alles belebt. Jedes auf eine andre Art. Die ganze Natur[2] muß auf eine wunderliche Art mit der ganzen Geisterwelt vermischt seyn..
[40] Novalis, an A. W. Schlegel (12. 1. 1798), NS 4, 245: Man verfehlt die Natur[1] der Liebe[1] ganz, wenn man geradezu sich Liebe[1] zur einzigen Beschäftigung wählt – aber wie, wenn alle directe Zwecke gleichsam Mittel für diesen indirecten Zweck werden, der sie alle in Einen Punct vereinigt? der die höhere Einheit aller dieser niedern Einheiten ist? Wenn man die Summe aller directen Zwecke Bildung[5] nennt, so könnte man sagen, der Geist dieser Gesammtheit, der Schlüssel der Bildung[5] – der Sinn[2] dieses großen Gegenstands ist Liebe[1]. | Ohne Gegenstand kein Geist[12] – ohne Bildung[5] keine Liebe[1]. Bildung[5] ist gleichsam der feste Punct, durch welchen diese geistige Anziehungskraft sich offenbart – das nothwendige Organ[1] derselben..
[41] Novalis, an C. Just (5. 2. 1798), NS 4, 249: Was hilfts, daß ich mich bis zur höchsten Ermüdung bey Buchstaben[8] aufhalte – verliere ich darüber nicht die lehrreichste Schrift, die Menschengestalt, aus den Augen? Ich kehre am Ende immer zu Einem zurück – und dieses Eine ist der Geist[12/19] des Menschen – von dem am Ende doch alles Ausfluß und Offenbarung ist – und warum dieses Eine gerade in dem todten Zeichen, und nicht in lebendiger Anschauung suchen..
[42] Novalis, Blüthenstaub (1798), 86, Nr. 58: [Nr. 57] Witz[2], als Prinzip der Verwandtschaften ist zugleich das menstruum universale [⦿]. Witzige Vermischungen sind z. B. Jude[1] und Kosmopolit, Kindheit und Weisheit, Räuberey und Edelmuth, Tugend und Hetärie, Überfluß und Mangel an Urtheilskraft in der Naivetät und so fort ins Unendliche. | [Nr. 58] Der Mensch[1] erscheint am würdigsten, wenn sein erster Eindruck der Eindruck eines absolut witzigen Einfalls ist: nämlich Geist und bestimmtes Individuum zugleich zu seyn. Einen jeden vorzüglichen Menschen[1] muß gleichsam ein Geist zu durchschweben scheinen, der die sichtbare Erscheinung idealisch parodirt. Bey manchen Menschen[1] ist es als ob dieser Geist der sichtbaren Erscheinung ein Gesicht schnitte. ➢ Volltext.
[43] Novalis, Blüthenstaub (1798), 88, Nr. 68: Eine Übersetzung ist entweder grammatisch, oder verändernd, oder mythisch. Mythische Übersetzungen sind Übersetzungen im höchsten Styl. Sie stellen den reinen, vollendeten Karakter[1] des individuellen Kunstwerks dar. Sie geben uns nicht das wirkliche Kunstwerk, sondern das Ideal desselben. Noch existirt wie ich glaube, kein ganzes Muster derselben. Im Geist mancher Kritiken[5] und Beschreibungen von Kunstwerken trifft man aber helle Spuren davon.
[44] Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 273: Meinethalben mag jetzt der Buchstabe[8/9] an der Zeit[9] seyn. Es ist kein großes Lob für die Zeit[9], daß sie so weit von der Natur[19] entfernt, so sinnlos für Familienleben, so abgeneigt der schönsten[1] poetischen[1] Gesellschaftsform ist. Wie würden unsre Kosmopoliten erstaunen, wenn ihnen die Zeit[3] des ewigen Friedens erschiene und sie die höchste gebildetste Menschheit[3] in monarchischer Form erblickten? Zerstäubt wird dann der papierne Kitt seyn, der jetzt die Menschen[1] zusammenkleistert, und der Geist[12/30] wird die Gespenster, die statt seiner in Buchstaben[8/9] erschienen und von Federn und Pressen zerstückelt ausgingen, verscheuchen, und alle Menschen[1] wie ein paar Liebende zusammen schmelzen..
[45] Novalis, Polit. Aphor. (*1798), NS 2, 502, Nr. 67: Es liegt am Tage, daß sich aus todten Stoffen kein lebendiger Körper – aus ungerechten, eigennützigen und einseitigen Menschen kein gerechter, uneigennütziger und liberaler Mensch zusammensetzen läßt. Freilich ist das eben ein Irrthum einer einseitigen Majorität, und es wird noch lange Zeit[6] vergehn, eh man sich von dieser simpeln Wahrheit allgemein überzeugen wird. Eine so beschaffene Majorität wird nicht die Vortrefflichsten, sondern im Durchschnitt nur die Bornirtesten und die Weltklügsten wählen. Unter den Bornirtesten versteh ich solche, bei denen Mittelmäßigkeit zur fertigen Natur[1] geworden ist, die klassischen[3] Muster des großen Haufens. Unter den Weltklügsten – die geschicktesten Courmacher des großen Haufens. Hier wird sich kein Geist entzünden – am wenigsten ein reiner – Ein großer Mechanismus wird sich bilden – ein Schlendrian – den nur die Intrigue zuweilen durchbricht. Die Zügel der Regierung werden zwischen den Buchstaben[8] und mannichfaltigen Partheimachern hin und her schwanken..
[46] Novalis, Europa (*1799), NS 3, 512: Indeß liegt dem Protestantismus bei weitem nicht bloß jener reine Begriff[2] zum Grunde, sondern Luther behandelte das Christenthum überhaupt willkührlich, verkannte seinen Geist, und führte einen andern Buchstaben[8] und eine andere Religion[1] ein, nemlich die heilige Allgemeingültigkeit der Bibel, und damit wurde leider eine andere höchst fremde irdische Wissenschaft in die Religionsangelegenheit gemischt – die Philologie – deren auszehrender Einfluß von da an unverkennbar wird. Er wurde selbst aus dunkelm Gefühl dieses Fehlgriffs bei einem großen Theil der Protestanten zum Rang eines Evangelisten erhoben und seine Uebersetzung canonisirt. | Dem religiösen Sinn war diese Wahl höchst verderblich, da nichts seine Irritabilität so vernichtet, wie der Buchstabe[8]..
[47] Novalis, Europa (*1799), NS 3, 518: Frankreich verficht einen weltlichen Protestantismus. Sollten auch weltliche Jesuiten nun entstehn, und die Geschichte[1] der letzten Jahrhunderte erneuert werden? Soll die Revolution die französische bleiben, wie die Reformation die Lutherische war? Soll der Protestantismus abermals widernatürlicherweise, als revolutionaire Regierung fixirt werden? Sollen Buchstaben[8] Buchstaben[8] Platz machen? Sucht ihr den Keim des Verderbens auch in der alten[6] Einrichtung, dem alten[6] Geiste[12]? [⦿] und glaubt euch auf eine bessere Einrichtung, einen bessern Geist[12] zu verstehn? O! daß der Geist[1] der Geister[1] euch erfüllte, und ihr abließet von diesem thörichten Bestreben die Geschichte[1] und die Menschheit[2] zu modeln, und eure Richtung ihr zu geben. Ist sie nicht selbständig, nicht eigenmächtig, so gut wie unendlich liebenswerth und weissagend? Sie zu studiren, ihr nachzugehn, von ihr zu lernen, mit ihr gleichen Schritt zu halten, gläubig ihren Verheißungen und Winken zu folgen – daran denkt keiner..
[48] Novalis, Monolog (*1799), 2: Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache[1] wie mit den mathematischen Formeln sey – Sie machen eine Welt für sich aus – Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur[1] aus und eben darum sind sie so ausdrucksvoll – eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnißspiel der Dinge. Nur durch ihre Freyheit[12] sind sie Glieder der Natur[2] u[nd] nur in ihren freyen Bewegungen äußert sich die Weltseele und macht sie zu einem zarten Maaßstab u[nd] Grundriß der Dinge. So ist es auch mit der Sprache[1] – wer ein feines Gefühl ihrer Applicatur, ihres Takts, ihres musicalischen[3] Geistes hat, wer in sich das zarte Wirken ihrer innern Natur[1] [⦿] vernimmt, und darnach seine Zunge oder seine Hand bewegt, der wird ein Profet sein, dagegen wer es wohl weis, aber nicht Ohr[3] u[nd] Sinn[5] genug für sie hat, Wahrheiten wie diese schreiben, aber von der Sprache[1] selbst zum besten gehalten u[nd] von den Menschen, wie Cassandra von den Trojanern, verspottet werden wird. ➢ Volltext.
[49] Novalis, Fragm. u. Stud. (*1800), NS 3, 689, Nr. 686: Das Nüzliche kann nur so dem Angenehmen entgegengesezt werden, als der Buchstabe[8] dem Geiste, oder das Mittel dem Zwecke. Unmittelbarer Besitz und Erwerb des Gemüthlichen ist freylich unser ursprünglicher Wunsch, aber in der gegenwärtigen Welt ist alles durchaus bedingt, und alles kann nur unter gewissen fremdartigen Voraussetzungen erlangt werden..
[50] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 22: In alten[1] Zeiten[3] muß die ganze Natur[2] lebendiger und sinnvoller gewesen seyn, als heut zu Tage. Wirkungen, die jetzt kaum noch die Thiere[1] zu bemerken scheinen, und die Menschen[1] eigentlich allein noch empfinden und genießen, bewegten damals leblose Körper; und so war es möglich, daß kunstreiche Menschen[1] allein Dinge möglich machten und Erscheinungen hervorbrachten, die uns jetzt völlig unglaublich und fabelhaft dünken. So sollen vor uralten Zeiten[3] in den Ländern des jetzigen Griechischen[3] Kaiserthums, wie uns Reisende berichtet, die diese Sagen noch dort unter dem gemeinen Volke[5] angetroffen haben, Dichter gewesen seyn, die durch den seltsamen Klang wunderbarer Werkzeuge das geheime Leben der Wälder, die in den Stämmen verborgenen Geister[1/12] aufgeweckt, in wüsten, verödeten Gegenden den todten Pflanzensaamen erregt, und blühende Gärten hervorgerufen, grausame Thiere[4] gezähmt und verwilderte Menschen[1] zu Ordnung und Sitte gewöhnt, sanfte Neigungen und Künste[1] des Friedens in ihnen rege gemacht, reißende Flüsse in milde Gewässer verwandelt, und selbst die todtesten Steine in regelmäßige tanzende Bewegungen hingerissen haben..
[51] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 101: Der Krieg überhaupt, sagte Heinrich, scheint mir eine poetische[1] Wirkung. Die Leute glauben sich für irgend einen armseligen Besitz schlagen zu müssen, und merken nicht, daß sie der romantische[7] Geist aufregt, um die unnützen Schlechtigkeiten durch sich selbst zu vernichten. Sie führen die Waffen für die Sache der Poesie[20], und beyde Heere folgen Einer unsichtbaren Fahne..
[52] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 102: Für den Dichter ist die Poesie[11/2] an beschränkte Werkzeuge gebunden, und eben dadurch wird sie zur Kunst[2]. Die Sprache[1] überhaupt hat ihren bestimmten Kreis. Noch enger ist der Umfang einer besondern Volkssprache. Durch Übung und Nachdenken lernt der Dichter seine Sprache[3] kennen. Er weiß, was er mit ihr leisten kann, genau, und wird keinen thörichten Versuch machen, sie über ihre Kräfte anzuspannen. Nur selten wird er alle ihre Kräfte in Einen Punkt zusammen drängen, denn sonst wird er ermüdend, und vernichtet selbst die kostbare Wirkung einer gutangebrachten Kraftäußerung. Auf seltsame Sprünge richtet sie nur ein Gaukler, kein Dichter ab. Überhaupt können die Dichter nicht genug von den Musikern und Mahlern lernen. In diesen Künsten[2] wird es recht auffallend, wie nöthig es ist, wirthschaftlich mit den Hülfsmitteln der Kunst[2] umzugehn, und wie viel auf geschickte Verhältnisse ankommt. Dagegen könnten freylich jene Künstler auch von uns die poetische[2] Unabhängigkeit und den innern Geist jeder Dichtung und Erfindung, jedes ächten Kunstwerks überhaupt, dankbar annehmen. Sie sollten poetischer[2] und wir musikalischer[4] und mahlerischer[3] seyn – beydes nach der Art und Weise unserer Kunst[2]..
[53] Novalis, Aftdg II (*1799–1800), 183 f. (184): Das Weltall zerfällt in unendliche, immer von größern Welten wieder befaßte Welten. Alle Sinne[4] sind am Ende Ein Sinn[4]. Ein Sinn[4] führt wie Eine Welt allmälich zu allen Welten. Aber alles hat seine Zeit[8], und 〈184〉 seine Weise. Nur die Person des Weltalls vermag das Verhältniß unsrer Welt einzusehn. Es ist schwer zu sagen, ob wir innerhalb der sinnlichen Schranken unsers Körpers wircklich unsre Welt mit neuen[1] Welten, unsre Sinne[4] mit neuen[1] Sinnen[4] ver vermehren können, oder ob jeder Zuwachs unsrer Erkenntniß, jede neu[1] erworbene Fähigkeit nur A zur Ausbildung unsers gegenwärtigen Weltsinns zu rechnen ist. | Vielleicht ist beydes Eins, sagte Heinrich. Ich weiß nur so viel, daß für mich die Poës Fabel ins W Gesamtwerckzeug meiner gegenwärtigen Welt ist. Selbst das Gewissen, dieser S Sinn[2] und Weltenerzeugende Macht, dieser Keim aller Persönlichkeit, erscheint mir, wie der Geist eines des Weltgedichts, wie der Zufall der ewigen romantischen[4/6] Zusammenkunft, des unendlich veränderlichen Gesamtlebens..
[54] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. II (1830), 280: Der Architekt, welcher diesen prächtigen Dom [sc. Bath Abbey] baute, hat in Zierrathen und Verhältnissen sich ganz vom Gewöhnlichen entfernt. So steigen z. B., von außen, neben dem Portal, zwei Jakobsleitern mit hinanklimmenden Engeln, bis an das Dach empor, wo sich die Kleinen hinter den Giebeln verlieren. Gar lieblich sind die emsigen Himmelsstürmer anzusehen, und wie mich dünkt, ganz im Geiste jener phantasiereichen Architektur erfunden, die das Kindlichste mit dem Erhabensten, den ausgeführtesten Schmuck mit dem grandiosesten Effekt der Massen zu verbinden wußte, und so zu sagen die ganze irdische Natur[[[[BedeutungsVerweis ID='40' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] mit Wald-Colossen und Blumen, mit Felsen und Edelsteinen (die bunten Fenster) mit Menschen und Thieren[[[[BedeutungsVerweis ID='474' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] abbilden wollte, hierdurch aber am sichersten die heilige Stimmung nach jenseits hervorrief. – Mir ist sie immer als die ächt romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]], i. e. ächt deutsche, Bauart vorgekommen, aus unserm eigensten Gemüth entsprossen. Doch glaube ich, sind wir ihr jetzt entfremdet, da eine mehr schwärmerische Zeit[[[[BedeutungsVerweis ID='499' Anzeige='5' Formatierung='1']]]] dazu gehört. Wir können sie wohl noch einzeln bewundern und lieben, aber nichts mehr der Art schaffen, was nicht den nüchternsten Stempel der Nachahmung trüge. Dampfmaschinen und Constitutionen gerathen dagegen jetzt besser, als überhaupt alle Kunst[[[[BedeutungsVerweis ID='261' Anzeige='10' Formatierung='1']]]]. Jedem Zeitalter das Seine..
[55] Ritter, Fragm. II (1810), 119, Nr. 504: Bey der Zeugung – Kraft der Phantasie[1]. Nichts als bloßes Gebilde des andern. Magie, wegen Wirkung der Chiffer, der Form, des Buchstabens[8] (des organischen[3]). Denn beyde geben, keines eigentlich empfängt. Die Gestalt des Mannes muß ideell wirken, denn sie ruft dem Weibe die Materie hervor, die Gestalt der Frau[1] materiell, denn sie ruft den Geist, die Idee, hervor..
[56] Rottmanner, Krit. Jacobi (1808), 21: Es haben Andere vor uns den formellen Unterschied der antiken[2] und romantischen[13] Bildung[5] auf unwidersprechliche Art gezeigt [...], wie in der alterthümlichen Welt der ewig-Eine Geist der Menschheit[1] real, im äußern Organismus[8] des Lebens hervortrat, während er im Mittelalter ideal, in dem Stre〈22〉ben des öffentlichen Lebens nach dem Geistigen, als der Wesenheit des Christenthums, sich aussprach [...], [...] das Leben der damaligen Staaten von Europa beseelte, und sie alle in einem einzigen, höheren vereinigte, der als ein Wundergebilde in der modernen[1] Geschichte[1] dasteht, welchem die ganze nachfolgende Zeit[3] bis auf unsere Tage nichts Aehnliches an die Seite stellen kann..
[57] Rottmanner, Krit. Jacobi (1808), 29 f. (30): Wir haben oben das sogenannte Mittelalter als die Periode der christlichen Bildung[5], so wie den Feudalismus und die Hierarchie als ihre äußere Gestaltung [...] bezeichnet, welche Form denn durch ihre Ausartung, indem sie sich zur Wesenheit constituirt und von 〈30〉 dem Geiste, dessen Offenbarung sie seyn sollte, losgetrennt hatte, allmählig das Ende des romantischen[13], ideal-religiösen Zeitalters herbeyführte..
[58] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 440: Der Protestantismus entstand und war historisch nothwendig. Preis den Heroen, welche zu jener Zeit, für einige Theile der Welt wenigstens, die Freiheit[1] des Denkens und der Erfindung auf ewig befestigten! Das Princip, das sie weckten, war in der That neu beseelend, und konnte, verbunden mit dem Geist[12/14?] des klassischen[7] Alterthums[2], unendliche Wirkungen hervorbringen, da es in der That seiner Natur[1] nach unendlich war [...]. ➢ Volltext.
[59] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 645: Der Geist der modernen[1] Zeit[3], der im Allgemeinen schon früher dargestellt worden ist, bringt die Beschränkung der modernen[1] Lyrik in Ansehung der Gegenstände mit sich. Bild und Begleitung eines öffentlichen und allgemeinen Lebens – eines Lebens in einem organischen[6] Ganzen – konnte die Lyrik in den modernen[1] Staaten nicht mehr werden. Es blieben für sie keine andern Gegenstände als entweder die ganz subjektiven, einzelne momentane Empfindungen, worein sich die lyrische Poesie[11] auch in den schönsten Ergüssen der spätern Welt verloren hat, und aus denen nur sehr mittelbar ein ganzes Leben hervorleuchtet, oder dauernde auf Gegenstände sich beziehende Gefühle, wie in den Gedichten des Petrarca, wo das Ganze wieder eine Art von romantischer[1] oder dramatischer Einheit wird. ➢ Volltext.
[60] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 683: Wir haben den Kreis der epischen Formen, wiefern sie im Geist der modernen[1/8?] und romantischen[1/13?] Poesie[11] möglich sind, durchlaufen. ➢ Volltext.
[61] Schelling, Bild. Künste (1807), 15: Den Gestirnen ist die erhabenste Zahl und Meßkunst lebendig eingebohren, die sie, ohne einen Begriff[1] derselben, in ihren Bewegungen ausüben. Deutlicher obwohl ihnen selbst umfaßlich erscheint die lebendige Erkenntniß in den Thieren[1], welche wir darum, sind sie gleich besinnungslos, unzählige Wirkungen vollbringen sehen, die viel herrlicher sind als sie selbst: den Vogel, der von Musik[6] berauscht in seelenvollen Tönen[11] sich selbst übertrifft, das kleine Kunstbegabte Geschöpf, das ohne Uebung und Unterricht leichte Werke der Architektur vollbringt, alle aber geleitet von einem übermächtigen Geist, der schon in einzelnen Blicken von Erkenntniß leuchtet, aber noch nirgends als die volle Sonne, wie im Menschen[1], hervortritt..
[62] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 36: Das Genie[2] dieser Nation[1], durch den Geist des Handels und den Verkehr mit so vielen Völkern[1] entwickelt, glänzte in nützlichen Erfindungen; im Schooße des Ueberflusses und der Freiheit[6] reiften alle edleren Künste[2]..
[63] Schiller, Brief. Don Karlos (1788), NA 22, 146: Der Geist[12] der Völker[1] wird von ihm studiert, ihre Kräfte, ihre Hülfsmittel abgewogen, ihre Verfassungen geprüft; im Umgange mit verwandten Geistern[32] gewinnen seine Ideen Vielseitigkeit und Form; geprüfte Weltleute, wie ein Wilhelm von Oranien, Coligny u. a. nehmen ihnen das Romantische[7] und stimmen sie allmählich zu pragmatischer Brauchbarkeit herunter [...]..
[64] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 436: Auch jetzt ist die Natur[19] noch die einzige Flamme, an der sich der Dichtergeist nähret, aus ihr allein schöpft er seine ganze Macht, zu ihr allein spricht er auch in dem künstlichen, in der Kultur[4] begriffenen Menschen. Jede andere Art zu wirken, ist dem poetischen[4] Geiste fremd[5]; daher, beiläufig zu sagen, alle sogenannten Werke des Witzes[2] ganz mit Unrecht poetisch[4] heißen, ob wir sie gleich lange Zeit[6], durch das Ansehen der französischen Litteratur verleitet, damit vermenget haben. Die Natur[19], sage ich, ist es auch noch jetzt, in dem künstlichen Zustande der Kultur[4], wodurch der Dichtergeist mächtig ist, nur steht er jetzt in einem ganz andern Verhältniß zu derselben..
[65] Schiller, Chor. Trag. (1803), VI: Wem die Natur[2] zwar einen treuen Sinn[9] und eine Innigkeit des Gefühls verliehen, aber die schaffende Einbildungskraft versagte, der wird ein treuer Mahler des Wirklichen seyn, er wird die zufällige Erscheinungen aber nie den Geist[12] der Natur[2] ergreifen. Nur den Stoff der Welt wird er uns wiederbringen, aber es wird eben darum nicht unser Werk, nicht das freie Produkt unsers bildenden Geistes[19] seyn, und kann also auch die wohlthätige Wirkung der Kunst[2], welche in der Freiheit[10] besteht, nicht haben. Ernst zwar, doch unerfreulich ist die Stimmung, mit der uns ein solcher Künstler und Dichter entläßt, und wir sehen uns durch die Kunst[2] selbst, die uns befreien sollte, in die gemeine enge Wirklichkeit peinlich zurück versezt. Wem hingegen zwar eine rege Phantasie[1] aber ohne Gemüth und Charakter[3] zu Theil geworden, der wird sich um keine Wahrheit bekümmern; sondern mit dem Weltstoff nur spielen, nur durch phantastische[2] und bizarre Combinationen zu überraschen suchen, und wie sein ganzes Thun nur Schaum und Schein ist, so wird er zwar für den Augenblick unterhalten, aber im Gemüth nichts 〈VII〉 erbauen und begründen. Sein Spiel ist, so wie der Ernst des andern, kein poetisches[1]. Phantastische[2] Gebilde willkührlich aneinander reihen, heißt nicht ins Ideale gehen, und das Wirkliche nachahmend wieder bringen, heißt nicht die Natur[10] darstellen..
[66] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 58: Vom Volksaberglauben, der sich zum ursprünglichen Mythus ungefähr so verhält, wie die Volkspoesie nach der entstandenen Prosa[1] zur Naturpoesie vor derselben, muß noch unterschieden werden, wenn der poetische[2] Geist der Sitten und Verfassung eines Volkes[1], oder selbst eines einzelnen Standes nach Erlöschung der mythischen Nationalreligion wieder jenen Partialmythus hervorbringt, z. B. die romantische[12/2] Ritterfabel des Mittelalters. Diese neumythischen Dichtungen können füglich, wenn sie vom Volke[5] gedichtet sind, nicht so feinen Geist und reinen Geschmack haben, als wenn fühlende Dichter[1] sie schaffen. Diese müßten also jenen ohne Not verfeinern und ausbilden..
[67] A. W. Schlegel, an Goethe (4. 2. 1799), KW, 83 f. (84): Voß besitzt bey der Vertrautheit mit dem Buchstaben[8] der alten[10] Poesie[11] 〈84〉 doch gar zu wenig von ihrem Geiste..
[68] A. W. Schlegel, Gemählde (1799), 51 f. (52): Waller. Einige [...] [Kunstwörter] sagen nichts mehr als die Ausdrücke des gemeinen Lebens; andre gehen dar〈52〉auf aus, den Geist der Kunst[1] [...] auf mechanische Griffe herunter zu setzen. | Reinhold. Jedem Handwerke wird ja seine besondre Sprache[3] vergönnt. Es sind doch nützliche Abbreviaturen, womit man sich am geschwindesten verständigen kann. | Waller. Nur werden sie gar zu oft gemißbraucht, um damit den Kenner zu spielen, da sie nichts weiter beweisen, als daß einer den Buchstaben[10] des Buchstabens[8] inne hat.
[69] A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 277: In Ihrem Don Quixote erkenne ich die reiche Zierlichkeit, die wohlklingende und gerundete Umständlichkeit der Castilianischen Prosa[1]; in den Liedern und Sonetten glaube ich Laute jener süßen südlichen Poesie[3] zu vernehmen, deren geistiger Geist und sinnreich zarte Gefühle uns noch so fremde[4] sind. ➢ Volltext.
[70] A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 280: Cervantes hätte Recht gehabt, sich die meisten bisherigen Uebersetzungen seines Don Quixote zu verbitten, namentlich die neuern Französischen und die daher abgeleiteten (die Engländer besitzen, so viel ich weiß, bis jetzt noch keine andere), welche bloß den prosaischen[3] Bestandtheil der Satire übrig lassen, die dichterische Ausführung aber, die reizende und zuweilen erhabene Zusammenstellung der Parodie auf die veraltete Abentheuerlichkeit der ritterlichen Romanzi mit eingewebten romantischen[7] Dichtungen in einem ausgebildeteren Geiste größtentheils zerstören. Der Sinn[5] für diese Dinge erwacht auch erst allmählig wieder, vor zwanzig Jahren konnte man ja in Deutschland nicht hoffen, daß dies Meisterwerk in seiner ursprünglichen vollständigen Gestalt gefallen würde, und wer weiß wie vielen es noch jetzt ein Aergerniß und eine Thorheit ist. ➢ Volltext.
[71] A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 282: Zu Ronsards Zeiten konnte man sich im Französischen noch zur Nachbildung eines Dante oder Petrarca erheben; jetzt ist das vorbey. Eben so erscheinen die älteren Römischen Dichter, bis auf den Catull herunter etwa, mit großer Wahrheit Griechische Poesien[3] übertragen zu haben, sie machten sogar die dem Geist der Lateinischen Sprache[3] widersprechenden zusammengesetzten Beywörter nach. ➢ Volltext.
[72] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 545: Die Neueren[3] haben sich die Kunstausdrücke der Alten[10] von den Gattungen angeeignet, oft aber etwas ganz anderes damit gemeynt. Zuweilen haben sie aber auch die Poesie[1] auf gelehrte Weise getrieben, und sind von der Nachahmung der Alten[10] ausgegangen. Die so entstandnen Werke werde ich, da man sie wegen ihres oft großen Ansehens bey geringem eigenthümlichen Werth und Geist, nicht ganz übergehen kann, bey Abhandlung der Griechischen[2] Vorbilder ebenfalls anfügen, um 〈546〉 bey der neueren[3] Poesie[11] die Entwicklung des Romantischen[4] so wenig als möglich zu unterbrechen. Ich nehme den Fall aus, wo ein Werk zwar mit der Intention entworfen worden, classisch[5] zu seyn, wo aber doch romantische[4] Elemente sich ihm eingemischt haben, und vielleicht das beste darin sind, wie es z. B. mit Tasso's befreytem Jerusalem der Fall ist. 〈Tasso hatte nächst dem Virgil wohl den sehr romantischen[4] Camoens vor Augen, und wirkte wieder auf den gar nicht romantischen[4] Milton.〉.
[73] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 709: Die neueren[3] Theoristen haben sich vielfältig mit dem Lehrgedicht herumgeschlagen: einige haben es viel zu wichtig genommen, andre [...] haben es mit Unrecht ganz verworfen und aus dem Gebiet der Poesie[11] verwiesen. Das versteht sich von selbst, daß, wenn man das höchste in ihr sucht, von technischen Lehrgedichten gar nicht die Rede seyn kann; auch leuchtet es sogleich ein, daß das Ganze solcher Werke nicht poetisch[1] ist, sondern nur logisch zusammengehalten wird; dieß verhindert aber nicht die Ächtheit der einzelnen poetischen[4] Elemente, die daran sehr schätzbar seyn können. Die Poesie[11] hat, wie jede andre Kunst[2], ihren Geist und ihren Buchstaben[8]: sollte es nicht erlaubt und vortheilhaft seyn zuweilen auch den Buchstaben[8] isolirt, ohne den Geist, zu bearbeiten und auszubilden. Freylich muß es alsdann mit tüchtiger Gründlichkeit und Meisterschaft geschehen [...]..
[74] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 712: Boileau hat es am meisten auf einen methodischen, vollständigen Unterricht abgesehen: allein da er so gar nichts von dem höheren Geiste der Poesie[18] besitzt, noch darüber zu sagen weiß, so könnte man billig eine ganz andre Meisterschaft und Gründlichkeit über den Buchstaben[8] derselben von ihm fodern. Seine Lehren darüber sind aber höchst trivial, oberflächlich..
[75] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
[76] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 52: Allgemein betrachtet, ist ein gewisses Gesetz der Form [...] Bedingung freyer Individualität in der Kunst[2] wie in der Natur[2], denn was zu keiner Gattung von Organisationen[1/7] gehört, ist monstros. Noch mehr als gegen die Dichterlinge möchte ich den Terrorismus der Formen gegen die zugleich unwissenden und gefühllosen Kritiker wenden. Sie sollten sich nicht erfrechen, über den Geist umfassender Werke abzusprechen, ohne den Buchstaben[8] der Poesie[18] erlernt zu haben, und dabey ganz von unten auf dienen. So giebt es einen oder den anderen Kunstrichter, dem ich rathen würde einmal alle hochfliegende Gedanken fahren zu lassen, und einige Jahre im stillen darüber zu ruminiren, was wohl ein Triolet sey. Wenn er darüber Rechenschaft geben könnte, so machte man ihn zum kritischen[3] Baccalaureus oder Licentiaten, und so könnte er allmählich zur Doctorwürde befördert werden..
[77] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 130: Unter den Quellen der romantischen[12] Poesie[11] und ihren früheren Naturproducten haben wir bis jetzt von allem demjenigen geredet, was zusammen die romantische[12] Mythologie ausmacht, und als Stoff einer höheren Ausbildung in andern Formen empfänglich war, wo also besonders Erfindung der Begebenheiten und Geist der Composition im Ganzen in Betracht kam. Hierher gehörten die Rittergedichte, welche nachher zum Teil in Prosa[1] aufgelöst im Druck erschienen [...]. [...] Endlich die eigentliche Volkspoesie der vorigen Jahrhunderte, worunter besonders die Romanze, als reichhaltigen poetischen[4] Stoff in der einfachsten Gestalt darbietend, hervorsticht [...]. Mit dieser kamen wir bis auf ziemlich moderne[8] Zeiten[3] herunter, die [...] schon ziemlich weit über die Epoche der romantischen[12] Kunstpoesie hinübergreifen. Wir müssen jetzt in der Zeit[1] beträchtlich wieder zurückgehn, um auf eine Classe[1] von Dichtern zu kommen, deren Hervorbringungen weniger durch den Inhalt, [...] als durch die Formen Vorbilder für die romantische[12] Kunst[3] geworden sind: ich meyne die Provenzalischen Troubadours..
[78] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
[79] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 5: Und hier zuvor noch einige Worte über den Geist meiner Kritik[2], eines Studiums, dem ich einen großen Theil meines Lebens gewidmet habe.
[80] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 13: Das ganze Spiel lebendiger Bewegung beruht auf Einstimmung und Gegensatz. Warum sollte sich diese Erscheinung nicht auch in der Geschichte[1] der Menschheit[2] im großen wiederhohlen? Vielleicht wäre mit diesem Gedanken der wahre Schlüssel zur alten[10] und neuen[5] Geschichte[1] der Poesie[11] und der schönen[2] Künste[1] gefunden. Die, welche dieß annahmen, haben für den eigenthümlichen Geist der modernen[1] Kunst[2], im Gegensatz mit der antiken[2] oder classischen[7/5], den Namen romantisch[12/4] erfunden. Allerdings nicht unpassend: das Wort[1] kommt her von romance, der Benennung der Volkssprachen, welche sich durch die Vermischung des Lateinischen mit den Mundarten[1] des Altdeutschen gebildet hatten, gerade wie die neuere[5] Bildung[5] aus den fremdartigen Bestandtheilen der nordischen Stammesart und der Bruchstücke des Alterthums[3] zusammengeschmolzen ist, da hingegen die Bildung[5] der Alten[10] weit mehr aus einem Stücke war. ➢ Volltext.
[81] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 14 f. (15): [I]n der Musik[1] hat Rousseau den Gegensatz anerkannt, und gezeigt, wie Rhythmus und Melodie das herrschende Prinzip der antiken[2], Harmonie der modernen[1] Musik[1] sey. Er verwirft aber einseitig die letztere, worin wir ganz und gar nicht mit ihm einig seyn können. Ueber die bildenden Künste[2] thut Hemsterhuys den sinnreichen Ausspruch: die alten[10] Mahler seyen vermuthlich zu sehr Bildhauer gewesen, die neueren[3] Bildhauer seyen zu sehr Bildhauer [sc. Mahler]. Dieß trifft den eigentlichen Punkt; denn, wie ich es in der Folge deutlicher entwickeln 〈15〉 werde, der Geist der gesamten antiken[2] Kunst[4] und Poesie[1] ist plastisch[3], so wie der modernen[1] pittoresk[2]. ➢ Volltext.
[82] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 32: Der Pastor fido insbesondre ist eine unnachahmliche Hervorbringung: originell und doch classisch[3]; romantisch[7] durch den Geist der dargestellten Liebe: in den Formen mit dem großen einfachen Gepräge des classischen[3/7] Alterthums[2] bezeichnet; neben den süßen Tändeleyen der Poesie[3] voll von hoher keuscher Schönheit[6] des Gefühls. Keinem Dichter 〈33〉 ist es wohl so gelungen, die moderne[1] und antike[2] Eigenthümlichkeit zu verschmelzen. Für das Wesen der alten[10] Tragödie zeigt er einen tiefen Sinn[5], denn die Idee des Schicksals beseelt die Grundanlage seines Stückes, und die Hauptcharakter kann man idealisch[1] nennen; er hat zwar auch Caricaturen eingemischt, und die Composition deswegen Tragikomödie genannt: allein sie sind es nur durch ihre Gesinnungen, nicht durch den Unadel der äußern Sitten, gerade wie die alte[10] Tragödie selbst den untergeordneten Personen, Sklaven oder Boten, ihren Antheil an der allgemeinen Würde leiht. ➢ Volltext.
[83] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 113 f. (114): Warum ist aber dennoch das Verfahren der griechischen[2] und der romantischen[12] Dramatiker in Absicht auf Ort und Zeit[6] so sehr verschieden? [...] 〈114〉 [...] Die Hauptursache des Unterschiedes ist [...] der plastische[3] Geist der antiken[2], und der pittoreske[2] der romantischen[12] Poesie[11]. Die Sculptur richtet unsre Betrachtung ausschließend auf die dargestellte Gruppe, sie entkleidet sie möglichst aller äußern Umgebungen, und wo sie deren nicht ganz entrathen kann, deutet sie solche doch nur leicht an. Die Mahlerey[1] hingegen liebt es, mit den Hauptfiguren zugleich den umgebenden Ort und alle Nebenbestimmungen ausführlich darzustellen, und im Hintergrunde Ausblicke in eine gränzenlose Ferne zu öffnen; Beleuchtung und Perspectiv sind ihr eigentlicher Zauber. Daher vernichtet die dramatische, besonders die tragische Kunst[3] der Alten[10] gewisser〈115〉maßen die Aeußerlichkeiten von Raum und Zeit[6]; das romantische[12] Drama schmückt vielmehr durch deren Wechsel seine mannichfaltigeren Gemählde. Oder noch anders ausgedrückt: das Prinzip der antiken[2] Poesie[11] ist idealistisch, das der romantischen[12] mystisch; jene unterwirft Raum und Zeit[6] der innern Freythätigkeit des Gemüths, diese verehrt diese unbegreiflichen Wesen als übernatürliche Mächte, denen auch etwas göttliches inwohnt. ➢ Volltext.
[84] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 13 f. (14): Die antike[2] Kunst[11] und Poesie[11] geht auf strenge Sonderung des Ungleichartigen, die romantische[12] gefällt sich in 〈14〉 unauflöslichen Mischungen; alle Entgegengesetzten: Natur[19] und Kunst[13], Poesie[3] und Prosa[1], Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahndung[1], Geistigkeit und Sinnlichkeit, das Irdische und Göttliche, Leben und Tod, verschmelzt sie auf das innigste mit einander. [...] [D]ie gesamte alte[10] Poesie[11] und Kunst[11] [ist] gleichsam ein rhythmischer Nomos, eine harmonische Verkündigung der auf immer festgestellten Gesetzgebung einer schön[1] geordneten und die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden Welt. Die romantische[12/4] hingegen ist der Ausdruck des geheimen Zuges zu dem immerfort nach neuen[1] und wundervollen Geburten ringenden Chaos, welches unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schooße sich verbirgt: der beseelende Geist[12/1] der ursprünglichen Liebe schwebt[1] hier von neuem[2] über den Wassern. Jene ist einfacher, klarer, und der Natur[2] in der selbständigen Vollendung ihrer einzelnen Werke ähnlicher; diese, ungeachtet ihres fragmenta〈15〉rischen Ansehens, ist dem Geheimniß des Weltalls näher. Denn der Begriff[5] kann nur jedes für sich umschreiben, was doch der Wahrheit nach niemals für sich ist; das Gefühl wird alles in allem zugleich gewahr. ➢ Volltext.
[85] D. Schlegel, Gespr. Rom. Frz. (1803), 97: [W]ie muß denn ein Roman[1] seyn? – Er muß romantisch[7] seyn. – Wie? fragte Adelheid, ist Delphine nicht voll der zartesten Schwärmerei, voll von romantischen[7] Situationen? – [...] Nicht dergleichen meine ich [...], sondern den Geist der Poesie[14], der die Schilderungen der Natur[2], der Charaktere[7] und Begebenheiten, in einem gewissen Sinne[1] beleben und durchwehen muß, um sie zu einem romantischen[7/1] Gedicht, oder Roman[1] zu bilden; an Poesie[14] fehlt es der Delphine, deßhalb steht alles hart und einzeln da. – Aber [...] wenn nun einmal die Poesie[14] nicht die Absicht dieses Werks war, sondern vielmehr die Charakteristik gewisser Menschen, die Grundsätze ihrer Moralität und ihres Lebens, und ihre mannichfache Stimmungen auszumahlen? – Jede Absicht des Lebens [...] kann in einem Roman[1] entwik〈98〉kelt werden, nur muß ein poetisches[1] Gemüth dieselben auffassen und darstellen, und nur dann kann diese Ansicht auch des gewöhnlichsten Lebens harmonisch werden [...]. [...] [E]in Roman[1] muß ein Kunstwerk[2], muß Poesie[14] seyn; und hier ist von keiner andern als von der höhern Moralität die Rede, die auch die einzig wahre ist. Das andre ist conventionelle nothwendig gewordene Lebensregel, und findet nicht Statt in einem Kunstwerke[2]; die Poesie[14] ist an sich Moral, denn alle Gesetze der ewigen Güte sind Inspiration, Poesie[14]..
[86] F. Schlegel, Philos. Lehrj. I (*1796), KFSA 18, 5, Nr. 16: Den φ [philosophischen] Geist[12/21?] hat außer d[em] Kritiker nur der Sk[eptiker] und My[stiker]; der Emp[iriker] redet nur Buchstaben[9] ohne Geist[30], Worte[2], spielt mit Formeln..
[87] F. Schlegel, an A. W. Schlegel (26. 8. 1797), KFSA 24, 8: Hermann und Dorothea [...] ist das herzlichste, biederbste, edelste, naivste[2] und sittlichste unter G[oethe]'s Gedichten. [...] Das Gedicht ist offenbar mit der Absicht gedichtet, so sehr altes[10] Griechisches[2] επος zu seyn, als bey dem romantischen[12] Geist, der im Ganzen lebt, möglich wäre. Bey sehr großer Aehnlichkeit im Einzelnen ist also absolute Verschiedenheit im Ganzen. Durch diesen romantischen[12] Geist ist es weit über Homer, dem es aber an ηθος und Fülle wieder weit nachsteht. Man könnte es ein romantisirtes[6] επος nennen. Aber freylich in ganz anderm Sinne, als das Romanzo der Italiäner. – Auch 〈9〉 wo es am antiksten[2] und naivsten[1], und am homerischsten scheint, läßt s.[ich] doch ein Bewußtseyn, eine Selbstbeschränkung wahrnehmen, die höchst unhomerisch oder vielmehr überhomerisch sind..
[88] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 93, Nr. 101: Pedanterie mit d[em] Buchstaben[8] d[es] Alterthums[3] ist recht gut, wenn man auch d[en] Geist hat..
[89] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 93, Nr. 105: Kl.[opstock] hat d[en] Buchstaben[8] des Alterthums[2] mehr als Goethe, d[en] Geist mehr als Voß. Vorbild einer künftig[en] Vereinigung..
[90] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 94, Nr. 106: Sollte es nicht ein Dichtungswerk geben können das
[91] F. Schlegel, G. Forster (1797), 42: Viele deutsche Schriften handeln von der Sittlichkeit: wenige sind sittlich. Wenige vielleicht in höherm Maaß, wie Forsters; in ihrer Gattung wenigstens, keine. Zwar strengere Begriffe[1] zu haben, ist wohlfeil, wenn es bloß Begriffe[1] sind. Was er wußte, meinte und glaubte, war in Saft und Blut verwandelt. Wie in allen Stücken, so auch in diesem wird man Buchstaben[8] und Namen ohne den Geist, in Forsters Schriften vergeblich suchen. Überall zeigt sich in ihnen eine edle und zarte Natur[16], reges Mitgefühl, sanfte und billige Schonung, warme Begeisterung[3] für das Wohl der Menschheit[2], eine reine Gesinnung, lebhafter Abscheu alles Unrechts. ➢ Volltext.
[92] F. Schlegel, G. Forster (1797), 59: Es ist das allgemeine und unvermeidliche Schicksal geschriebner Gespräche, daß ihnen die Zunftgelehrten übel mitspielen. Wie breit und schwerfällig haben sie zum Beispiel von jeher die Sokratische Ironie[3] misdeutet und mishandelt, auf die man anwenden könnte, was Plato vom Dichter sagt: Es ist ein zartes, geflügeltes und heiliges Ding. Auch Forster kennt die feinste Ironie[3], und von groben Händen wird sich der flüchtige Geist seiner geschriebnen Gespräche nie greifen lassen. Denn das sind alle seine Schriften, fast ohne Ausnahme; ohnerachtet der Ausdruck noch lange nicht so abgerissen, hingeworfen und keck ist, wie in ähnlichen Geisteswerken der lebhafteren Franzosen: sondern periodischer, wie es einem Deutschen ziemt. ➢ Volltext.
[93] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 156, Nr. 93: In den Alten[10] sieht man den vollendeten Buchstaben[8] der ganzen Poesie[11]: in den Neuern[3] ahnet[3] man den werdenden Geist. ➢ Volltext.
[94] F. Schlegel, Philolog. I (*1797), KFSA 16, 35, Nr. 8: Weit mehr muß insistirt werden auf den Historismus, der zur Philol.[ogie] nothwendig. Auf Geist, gegen den Buchstaben[8]. Das gehört mit zum Historismus, so wie auch Gesetze, Arten, Stufen, Gränzen, Verhältnisse pp Ganzheit pp 〈Lage, Classizität〉. [...] Der Philolog selbst muß Philosoph seyn..
[95] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 212: Das unsterbliche Werk des größten historischen Künstlers der Modernen, die Schweizergeschichte von Johannes Müller ist im größten Römischen Styl entworfen und ausgeführt. Im Einzelnen athmet das Werk durch und durch echten Sinn[5] der Alten: im Ganzen aber verfällt es dennoch wieder ins Manierirte, weil neben dem klassischen[7] Geist auch die antike Individualität affektirt ist. ➢ Volltext.
[96] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 40, Nr. 155: Die rohen kosmopolitischen Versuche der Carthager und andrer Völker[1] des Alterthums[3] erscheinen gegen die politische Universalität der Römer, wie die Naturpoesie ungebildeter Nazionen[1] gegen die klassische[3] Kunst[12] der Griechen. Nur die Römer waren zufrieden mit dem Geist des Despotismus, und verachteten den Buchstaben[8]; nur sie haben naive[2] Tyrannen gehabt. ➢ Volltext.
[97] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 58, Nr. 220: Ist aller Witz[2/3/4] Prinzip und Organ[1] der Universalphilosophie, und alle Philosophie nichts andres als der Geist der Universalität, die Wissenschaft aller sich ewig mischenden und wieder trennenden Wissenschaften, eine logische Chemie: so ist der Werth und die Würde jenes absoluten, enthusiastischen, durch und durch materialen Witzes[4], worin Baco und Leibniz, die Häupter der scholastischen Prosa[1], jener einer der ersten, dieser einer der größten Virtuosen war, unendlich. ➢ Volltext.
[98] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 69, Nr. 252: Eine eigentliche Kunstlehre der Poesie würde mit der absoluten Verschiedenheit der ewig unauflöslichen Trennung der Kunst und der rohen Schönheit anfangen. Sie selbst würde den Kampf beyder darstellen, und mit der vollkommnen Harmonie der Kunstpoesie und Naturpoesie endigen. Diese findet sich nur in den Alten, und sie selbst würde nichts anders seyn, als eine höhere Geschichte vom
[99] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 70, Nr. 253: In dem edleren und ursprünglichen Sinne[1] des Worts[1] Korrekt, da es absichtliche Durchbildung und Nebenausbildung des Innersten und Kleinsten im Werke nach dem Geist des Ganzen, praktische Reflexion des Künstlers, bedeutet, ist wohl kein moderner[1] Dichter korrekter als Shakspeare. So ist er auch systematisch wie kein andrer: bald durch jene Antithesen, die Individuen, Massen, ja Welten in mahlerischen[4] Gruppen kontrastiren lassen; bald durch musikalische[5] Symmetrie desselben großen Maßstabes, durch gigantische Wiederholungen und Refrains; oft durch Parodie des Buchstabens[8] und durch Ironie[1] über den Geist des romantischen[12] Drama und immer durch die höchste und vollständigste Individualität und die vielseitigste alle Stufen der Poesie[11] von der sinnlichsten Nachahmung bis zur geistigsten Charakteristik vereinigende Darstellung derselben.
[100] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 129, Nr. 418: [D]er Sternbald vereinigt den Ernst und den Schwung des Lovell mit der künstlerischen Religiosität des Klosterbruders und mit allem was in den poetischen[4] Arabesken, die er aus alten[1] Mährchen gebildet, im Ganzen genommen das Schönste[1] ist: die fantastische[2] Fülle und Leichtigkeit, der Sinn[5] für Ironie[3], und besonders die absichtliche Verschiedenheit und Einheit des Kolorits. Auch hier ist alles klar und transparent, und der romantische[4/12/1/9] Geist[11/12?] scheint angenehm über sich selbst zu fantasiren. ➢ Volltext.
[101] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 13: Ich lebe wenigstens als Autor in der Welt, und so könnte ich wohl mit dem strengsten Ernste darüber nachdenken, was auch in dieser Rücksicht für das Volk[4] das heilsamste sey, und was von den Priestern und den Regenten zu wünschen wäre. Vor allen Dingen aber kann es mich reizen, den Geist der Zeitalter und der Nazionen[1], auch in der Religion[3] zu erspähen und zu errathen.
[102] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 58: Die Vernunft ist nur eine und in allen dieselbe: wie aber jeder Mensch seine eigne Natur hat und seine eigne Liebe, so trägt auch jeder seine eigne Poesie in sich. Die muß ihm bleiben und soll ihm bleiben, so gewiß er der ist, der er ist, so gewiß nur irgend etwas Ursprüngliches in ihm war; und keine Kritik kann und darf ihm sein eigenstes Wesen, seine innerste Kraft rauben, um ihn zu einem allgemeinen Bilde ohne wollen. Aber lehren soll ihn die hohe Wissenschaft ächter Kritik, wie er sich selbst bilden muß in sich selbst, und vor allem soll sie ihn lehren, auch jede andre selbständige Gestalt der Poesie in ihrer classischen Kraft und Fülle zu fassen, daß die Blüthe und der Kern fremder Geister Nahrung und Saame werde für seine eigne Fantasie[1].
[103] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 79: Auf einem andern ganz neuen[1], aber nur einmal anwendbaren Wege gelang es dem Guarini, im Pastorfido, dem größten ja einzigen Kunstwerke[3] der Italiäner nach jenen Großen, den romantischen[12] Geist und die classische[7] Bildung[10] zur schönsten[1] Harmonie zu verschmelzen [...]. ➢ Volltext.
[104] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 83: Liebe, Freundschaft und edle Gesellschaft wirkten [...] eine schöne[2] Revoluzion in seinem [Shakspeare's] Geiste[19]; die Bekanntschaft mit den zärtlichen Gedichten des bey den Vornehmen beliebten Spenser gab seinem neuen[1] romantischen[2/4] Schwunge Nahrung, und dieser mochte ihn zur Lektüre der Novellen führen, die er [...] fantastisch[2] reizend dramatisirte. Diese Ausbildung floß nun auch auf die historischen Stücke zurück, gab ihnen mehr Fülle, Anmuth und Witz[1] und hauchte allen seinen Dramen den romantischen[2/4] Geist[12] ein, der sie in Verbindung mit der tiefen Gründlichkeit am eigensten charakterisirt, und sie zu einer romantischen[2/4] Grundlage des modernen[1] Drama constituirt, die dauerhaft genug ist für ewige Zeiten[2].
[105] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 174: Das Charakteristische[1] im Tasso ist der Geist der Reflexion und der Harmonie; nämlich daß alles auf ein Ideal von harmonischem Leben und harmonischer Bildung[2] bezogen und selbst die Disharmonie in har〈175〉monischem Ton[12] gehalten wird. Die tiefe Weichlichkeit einer durchaus musikalischen[7] Natur[17] ist noch nie im Modernen[1] mit dieser sinnreichen Gründlichkeit dargestellt. Alles ist hier Antithese und Musik[7], und das zarteste Lächeln der feinsten Geselligkeit schwebt[5] über dem stillen Gemählde, das sich am Anfange und Ende in seiner eignen Schönheit[1] zu spiegeln scheint. Es mußten und sollten Unarten eines verzärtelten Virtuosen zum Vorschein kommen: aber sie zeigten sich im schönsten[1] Blumenschmuck der Poesie[3] beynah liebenswürdig. Das Ganze schwebt[5] in der Atmosphäre künstlicher Verhältnisse und Misverhältnisse vornehmer Stände, und das Räthselhafte der Auflösung ist nur auf den Standpunkt berechnet, wo Verstand[1] und Willkühr allein herrschen, und das Gefühl beynah schweigt. ➢ Volltext.
[106] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 181 f.: Ludoviko. [...] Der Geist der Poesie[11] ist nur einer und überall derselbe. | Lothario. Allerdings der Geist! Ich möchte hier die Eintheilung in Geist und Buchstaben[8] anwenden. Was Sie [...] dargestellt oder doch angedeutet haben, ist, wenn Sie 〈182〉 wollen, der Geist der Poesie[11]. Und Sie werden gewiß nichts dagegen haben können, wenn ich Metrum und dergleichen ja sogar Charaktere[7], Handlung[3], und was dem anhängt, nur für den Buchstaben[8] halte. Im Geist mag Ihre unbedingte Verbindung des Antiken[2] und Modernen[1] Statt finden [...]. Nicht so im Buchstaben[8] der Poesie[11]. Der alte[10] Rhythmus z. B. und die gereimten Sylbenmaaße bleiben ewig entgegengesetzt. ➢ Volltext.
[107] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 183: [I]ch sehe nicht ein, warum wir uns nur an das Wort[4], nur an den Buchstaben[8/9] des Buchstabens[8] halten, und ihm zu Gefallen nicht anerkennen sollten, daß die Sprache[1] dem Geist der Poesie[2] näher steht, als andre Mittel derselben.
[108] F. Schlegel, Ideen (1800), 15, Nr. 61: Man redet schon lange von einer Allmacht des Buchstabens[8], ohne recht zu wissen was man sagt. Es ist Zeit[8] daß es Ernst damit werde, daß der Geist erwache und den verlohrnen Zauberstab wieder ergreife. ➢ Volltext.
[109] F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. I (1804), 332 f. (333): Es hatte nämlich 〈333〉 [...] der Engländer Harris, auf den Unterschied der in sukzessiven und der in coexistenten Medien wirkenden oder bildenden Künste[2] [...] aufmerksam gemacht [...]. Dieser Unterschied nun wurde nebst der Winkelmannischen Schönheit[6] gleichsam Lessings Princip der Kunstforschung. Er nahm ihn ganz an, wandte ihn überall weiter an, suchte ihn ganz ins Reine zu bringen, und ist fast überall damit beschäftigt. Und allerdings verdiente dieser Unterschied wohl die größte Aufmerksamkeit, da er gerade das einzige sehr nahe berührt, was die eigentliche Speculation über die Kunst[2], ihr Wesen und ihre Art festsetzen wollen kann. Wenn man nämlich nicht bloß auf die äußerlichen Bedingungen bei diesem Unterschiede sähe, sondern auf den Geist der Künste[2] selbst, ob diese mehr progressiv[2] oder mehr substantiell, ob das Werdende, Bewegliche in einer Kunst[2] herrschend sey, oder das Seyende, Ruhende; so würde dieser Unterschied zusammenfallen, mit der 〈334〉 großen Scheidung alles höhern menschlichen Thuns und Denkens in Dualismus und in Realismus, je nachdem die Freiheit[1], das unendliche Leben, oder die unbedingte Einheit überwiegend ist..
[110] F. Schlegel, Entw. d. Philos. II (!1804–05), KFSA 13, 92: Zu einer regelmäßigen, gesetzmäßigen Tätigkeit soll der Mensch gebildet, das Gefühl der Ehre in ihm entwickelt und sollen alle seine Fähigkeiten methodisch gelenkt und geleitet werden. | Allein von dem eigentlich Sittlichen der innern Gesinnung kann bei dieser methodisch praktischen Bildung[2] nicht die Rede sein. Diese ist kein Gegenstand der Erziehung; nur das Untergeordnete, was sich auf Anwendung und Ausübung bezieht, der Buchstaben[8] gleichsam der Sittlichkeit, nicht aber ihr Geist kann gelehrt werden. .
[111] F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 212: Während nun auf der einen Seite alle Vernünftler und die, welche vorzüglich in der Gegenwart leben und von dem Geist derselben sich lenken und beherrschen lassen, fast ohne Ausnahme dem verderblichen und zerstörenden Grundsatze ergeben sind, alles durchaus neu und von vorn wie aus Nichts erschaffen zu wollen, ist auf der andern Seite wahre Kenntniß des Alterthums[2] und der Sinn[5] für dasselbe fast verschwunden, die Philologie zu einer in der That sehr schaalen und unfruchtbaren Buchstabengelehrsamkeit herabgesunken, und so bei manchen erwünschten Fortschritten im Einzelnen, doch das Ganze zersplittert und weder Kraft noch lebendiger Geist[27] darin sichtbar. ➢ Volltext.
[112] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 468: So wie die spanische Monarchie bis um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts die größte und glänzendste in Europa, der spanische Nationalgeist der entwickeltste war, so stand auch die Bühne zu Madrid, der lebendige Spiegel dieses Nationallebens, am frühesten in reichem Flor. Diesen Reichthum und die Fülle der Empfindung hat das übrige Europa immer anerkannt, weniger die eigenthümliche Form und Bedeutung, den eigentlichen Sinn[2] und Geist dieses spanischen Schauspiels. Hätte es auch nur den Vorzug, daß es durchaus romantisch[2] ist, so würde es schon dadurch sehr merkwürdig, es würde lehrreich seyn, an diesem Beyspiel zu sehen, welche Art von dramatischer Dichtkunst denn aus der Ritterpoesie, überhaupt aus der dem neueren[3] Europa und dem Mittelalter eigenthümlichen Richtung der Fantasie[1] hervorgehen könne. ➢ Volltext.
[113] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 477: Auch da, wo der Stoff keine Veranlassung darbot, aus Tod und Leiden ein neues[8] Leben vollständig sich entwickeln zu lassen, ist doch alles im Geiste dieser christlichen Liebe und Verklärung gedacht, alles in ihrem Lichte gesehen, in ihren himmlisch glänzenden Farben gemahlt. Calderon ist unter allen Verhältnissen und Umständen, und unter allen andern dramatischen Dichtern vorzugsweise der christliche, und eben darum auch der am meisten romantische[7]. ➢ Volltext.
[114] Schleiermacher, Religion (1799), 129: In der Religion[1] wird das Universum angeschaut, es wird gesezt als ursprünglich handelnd auf den Menschen. Hängt nun Eure Fantasie[2] an dem Bewußtsein Eurer Freiheit[10] so daß sie es nicht überwinden kann dasjenige was sie als ursprünglich wirkend denken soll anders als in der Form eines freien[10] Wesens zu denken; wohl, so wird sie den Geist des Universums personifiziren und Ihr werdet einen Gott[1] haben; hängt sie am Verstande[1], so daß es Euch immer klar vor Augen steht, Freiheit[10] habe nur Sinn[2] im Einzelnen und fürs Einzelne; wohl, so werdet Ihr eine Welt haben und keinen Gott[1]. ➢ Volltext.
[115] Schleiermacher, Brf. Lucind. (1800), 1 f. (2): Ein tüchtiges Urtheil, wie wir es über die Bücher fällen, die so vorkommen, wirst Du doch nicht erwarten? Du weißt ja, [...] wie ich scheu und bedächtig und ehrerbietig mit Allem umgehe, was sich mir als ein eigen gebildetes Wesen ankündigt, sei es ein Mensch[1] oder ein Gedanke oder ein gebildetes Werk, und wie 〈2〉 lange und unersättlich ich bei der Anschauung verweile, ehe ich mich an etwas wage, was einer Uebersicht oder einem Urtheil ähnlich ist. Und nun gar dieses Werk, welches wie eine Erscheinung aus einer künftigen Gott[1] weiß wie weit noch entfernten Welt da steht! Gewiß, sie könnte eben so lange vollendet sein, als sie nun unvollendet ist, ehe ich es mir erlauben würde, in diesem Sinne[1] etwas über die Composition und die Kunst[13] darin überhaupt zu sagen, das heißt wirklich zu meinen. Verhielte sich auch der zweite Theil zu dem ersten nur wie die Rückseite einer Schaumünze oder das Gegenstück eines Gemäldes; so würde ich mir bis zur Vollendung Schweigen[2] und Ungewißheit gebieten, wieviel Betrachtungen dieser Art sich mir auch aufdrängen, seitdem ich mit dem Geist und Charakter[1] des Buchs recht gesättigt bin, und seitdem Friedrich Schlegel seine Ansicht von der romantischen[1] Poesie[1] in so klaren Worten[2] von sich gegeben hat. Doch lieber Freund, dieses Aufschieben eines vollendeten Urtheils geht bei mir nicht nur auf die Composition, sondern auf Alles, und ich müßte zu meinem Unglück weniger hohe Begriffe[1] von dem haben, was die Kritik[2] eigentlich leisten kann und soll, wenn es anders wäre. ➢ Volltext.
[116] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 262 f. (263): Wer [...] den Willen von der Idee, und diese von ihrer Erscheinung zu unterscheiden weiß, dem werden die Weltbegebenheiten nur noch sofern sie die Buchstaben[8] sind, aus denen die Idee des Menschen sich lesen läßt, Bedeutung haben, nicht aber an und für sich. Er wird nicht mit den Leuten glauben, daß die Zeit[1] etwas wirklich Neues und Bedeutsames hervorbringe, daß durch sie oder in ihr etwas schlechthin Reales zum Daseyn 〈263〉 gelange, oder gar sie selbst als ein Ganzes Anfang und Ende, Plan und Entwickelung habe, und etwa zum letzten Ziel die höchste Vervollkommnung (nach ihren Begriffen[1]) des letzten, dreißig Jahre lebenden Geschlechts. [...] In den mannigfaltigen Gestalten des Menschenlebens und dem unaufhörlichen Wechsel der Begebenheiten wird er als das Bleibende und Wesentliche nur die Idee betrachten, in welcher der Wille zum Leben seine vollkommenste Objektität hat, und welche ihre verschiedenen Seiten zeigt in den Eigenschaften, Leidenschaften, Irrthümern und Vorzügen des Menschengeschlechts, in Eigennutz, Haß, Liebe, Furcht, Kühnheit, Leichtsinn, Stumpfheit, Schlauheit, Witz[1], Genie[2] u. s. w. welche alle, zu tausendfältigen Gestalten (Individuen) zusammenlaufend und gerinnend, fortwährend die große und die kleine Weltgeschichte aufführen, wobei es an sich gleichviel ist, ob, was sie in Bewegung setzt, Nüsse oder Kronen sind. Er wird endlich finden, daß es in der Welt ist, wie in den Dramen des Gozzi, in welchen allen immer die selben Personen auftreten, mit gleicher Absicht und gleichem Schicksal: die Motive und Begebenheiten freilich sind in jedem Stücke andere; aber der Geist der Begebenheiten ist der selbe: die Personen des einen Stücks wissen auch nichts von den Vorgängen im andern, in welchem doch sie selbst agirten: daher ist, nach allen Erfahrungen der früheren Stücke, doch Pantalone nicht behender oder freigebiger, Tartaglia 〈264〉 nicht gewissenhafter, Brighella nicht beherzter und Kolombine nicht sittsamer geworden. ➢ Volltext.
[117] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 39: Raphael wußte in dieser einzelnen Figur hohe Gedanken, ein so erhabenes Nachdenken über eine Schaale voll Wasser auszudrüken, daß man in dem Jüngling Johannes den Täufer erkennt, der in der Wüste seinen göttlichen Beruf überdenkt, und itzt glaubt man, seine erhabene Gedanken über die Taufe selbst zu empfinden. Dieses gränzet nun schon an die hohe Allegorie. Wer nur Körper mahlen kann, muß sich daran nicht wagen. Wenn er auch für jeden einzeln Begriff[1] ein noch so richtiges Bild hätte, so würde der doch nur eine leserliche Hieroglyphe, aber keine Allegorie darstellen. Diese muß uns nicht den Buchstaben[8] der Geschichte[9], sondern ihren Geist geben..
[118] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 257: Erst gegen die Mitte des itzigen Jahrhunderts drang das Genie[2] einiger wahrhaftig schönen und starken Geister[32] durch die Dike der Finsternis hindurch, und zeigte Deutschland in vortrefflichen Proben, so wol das helle Licht der Critik[2], als den wahren Geist der Dichtkunst. Bodmer, Haller, Hagedorn sind die ersten gewesen, die den Schimpf der Barbarey in Absicht auf die Dichtkunst, von Deutschland weggenommen..
[119] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XII: Diese grosse Allgemeinheit und Freiheit[1] ist vielleicht der Character[1] der Deutschen Sprache[3], [...] sie geht immer wieder in ihre alte[5] Wurzel zurück und erinnert sich ihres ehemaligen Geistes..
[120] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), 493 f. (494): Unter den Dichtern aber erreichte Racine in Sprach- und Verskunst eine harmonische Vol〈494〉lendung, wie sie nach meinem Gefühl weder Milton im Englischen, noch auch Virgil im Römischen haben, und die nachher in der französischen Sprache[3] nie wieder erreicht worden ist. Für das Ganze der Poesie[1] hätte man wohl wünschen mögen, daß für die Dichtersprache besonders, neben dieser kunstreichen Vollendung, auch etwas mehr Freyheit[9] übrig gelassen wäre; daß man die altfranzösische Poesie[11] der Ritterzeit, die doch so vieles Schöne[1] und Liebliche, in Erfindung und Sprache[3] hervorgebracht, nicht so ganz unbedingt und ohne Ausnahme verworfen, verachtet und vergessen hätte. Man hätte immer, wie ja auch von den Italienern und andern Nationen[1] geschehen war, einen kunstreichern und ernstern Styl mit dem dichterischen Geist der Ritterzeit verbinden können. Die französische Poesie[1] und die Sprache[3] würde dann etwas mehr von jenem romantischen[2/7] Schwunge und jener alten[6] Dichter-Freyheit[9] erhalten haben, die ihr Voltaire so oft zurück wünscht, und die er ihr auch obwohl zu spät und nur mit halbem Gelingen zum Theil wieder zu geben suchte. ➢ Volltext.
[121] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 11 f. (12): Die Begeisterungen der Dichter und Künstler sind von jeher der Welt ein großer Anstoß und Gegenstand des Streites gewesen. Die gewöhnlichen Menschen können nicht begreifen, was es damit für eine Bewandniß habe, und machen sich darüber durchaus sehr falsche und verkehrte Vorstellungen. Daher sind über die inneren Offenbarungen der Kunstgenies eben so viele Unvernünftigkeiten, in und außer Systemen, methodisch und unmethodisch abgehandelt und geschwatzt worden, als über die Mysterien unsrer heiligen Religion[1]. Die sogenannten Theoristen und Systematiker beschreiben uns die Begeiste〈12〉rung des Künstlers von Hörensagen, und sind vollkommen mit sich selbst zufrieden, wenn sie mit ihrer eiteln und profanen Philosophasterey umschreibende Worte[2] zusammengesucht haben, für etwas, wovon sie den Geist, der sich in Worte[2] nicht fassen läßt, und die Bedeutung nicht kennen. Sie reden von der Künstlerbegeisterung, als von einem Dinge, das sie vor Augen hätten; sie erklären es, und erzählen viel davon; und sie sollten billig das heilige Wort[1] auszusprechen erröthen, denn sie wissen nicht, was sie damit aussprechen.
[122] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 121 f. (122): Als Albrecht [Dürer] den Pinsel führte, da war der Deutsche auf dem Völkerschauplatz unsers Welttheils noch ein eigenthümlicher und ausgezeichneter Charakter[6] von festem Bestand; und seinen Bildern ist nicht nur in Gesichtsbildung und im ganzen Äußeren, 〈122〉 sondern auch im inneren Geiste[12], dieses ernsthafte, grade und kräftige Wesen des deutschen Charakters[2] treu und deutlich eingeprägt. In unsern Zeiten[3] ist dieser festbestimmte deutsche Charakter[2], und eben so die deutsche Kunst[4], verloren gegangen. Der junge Deutsche lernt die Sprachen[3] aller Völker[1] Europa's, und soll prüfend und richtend aus dem Geiste[10] aller Nationen[1] Nahrung ziehen; – und der Schüler der Kunst[4] wird belehrt, wie er den Ausdruck Raphaels, und die Farben der venezianischen Schule, und die Wahrheit der Niederländer, und das Zauberlicht des Correggio, alles zusammen nachahmen, und auf diesem Wege zur alles übertreffenden Vollkommenheit gelangen solle. – O traurige Afterweisheit! O blinder Glaube des Zeitalters, daß man jede Art der Schönheit[1], und jedes Vorzügliche aller großen Künstler der Erde, zusammen〈123〉setzen, und durch das Betrachten aller, und das Erbetteln von ihren mannigfachen großen Gaben, ihrer aller Geist[20] in sich vereinigen, und sie alle besiegen könne! ➢ Volltext.
[2] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 164: Nichts ist verschiedener als der französische und der spanische Nationalcharakter, folglich auch als der Geist ihrer Sprache[3] und Poesie[11].
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[3] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 23, Nr. 55: In Shak[espeares] Trag[ödien] ist die Form dram.[atisch] der Geist und Zweck romantisch[1].
[4] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 82: Noch eines Gemähldes des Leonardo muß ich, eines merkwürdigen Umstandes halber, gedenken. Ich meyne das Bildniß der Lisa del Giocondo, (der Gemahlinn des Francesco,) an welchem er vier Jahre arbeitete, ohne durch die sorgfältigste und feinste Ausarbeitung jedes Härchens, den Geist und das Leben des Ganzen zu ersticken. So oft nun die edle Frau[4] ihm zum Mahlen saß, rief er allemal einige Personen herzu, die sie durch eine angenehme und muntre Musik[6] auf Instrumenten[3], mit der menschlichen Stimme[3] begleitet, aufheitern mußten. Ein sehr sinnreicher Einfall, wegen dessen ich den 〈83〉 Leonardo immer bewundert habe. Er wußte nur zu wohl, daß bey Personen, welche zum Mahlen sitzen, sich gewöhnlich eine trockene und leere Ernsthaftigkeit auf ihrem Gesichte einzufinden pflegt, und daß eine solche Miene, wenn sie im Gemählde in bleibenden Zügen festgehalten wird, ein ungefälliges oder wohl gar finsteres Ansehen gewinnt. Dagegen kannte er die Wirkung einer fröhlichen Musik[6], wie sie sich in den Mienen des Gesichts abspiegelt, wie sie alle Züge auflöst, und in ein liebliches, reges Spiel setzt. So trug er die sprechenden Reize des Antlitzes lebendig auf die Tafel über, und wußte bey Ausübung der einen Kunst[2] sich der andern so glücklich als Gehülfinn zu bedienen, daß diese auf jene ihren Wiederschein warf.
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[5] B. v. Arnim, Günder. I (1840), 290: Nicht wahr das soll auch ein Hauptprinzip der schwebenden[7] Religion[1] sein daß wir keine Bildung[5] gestatten, – Das heißt kein angebildet Wesen, jeder soll neugierig sein auf sich selber, und soll sich zu Tage fördern wie aus der Tiefe ein Stück Erz oder ein Quell, die ganze Bildung[2] soll darauf ausgehen daß wir den Geist[12/19] ans Licht hervorlassen. Mir deucht mit den fünf Sinnen[4] die uns Gott gegeben hat könnten wir alles erreichen ohne dem Witz[2/3] durch Bildung[2] zu nahe zu kommen. Gebildete Menschen sind die witzloseste Erscheinung unter der Sonne. Echte Bildung[5] geht hervor aus Übung der Kräfte die in uns liegen, nicht wahr?.
[6] B. v. Arnim, Günder. II (1840), 275: Es giebt gar viele Menschen[1], die große Weihgeschenke der Götter[4] mitbekommen haben, und keines derselben anzuwenden vermögen, denen es genügt über dem Boden der Gemeinheit sich erhaben zu glauben, blos weil der Buchstabe[8; 11] eines höheren Gesetzes in sie geprägt ist, aber der Geist[12; 30] ist nicht in ihnen aufgegangen und sie wissen nicht wie weit sie 〈276〉 entfernt sind jenen Seelenadel in sich verwirklicht zu haben auf den sie sich so mächtig zu gut thun..
[7] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 327: Es sind dieses [sc. Romanzen] erzählende Lieder aus der frühesten Epoche der sich entwickelnden, und kaum der Barbarei entwachsnen Cultur[4]: daher ist [es] Einfalt, Natur[19], gutmüthiger Aberglauben ohne Fanatismus, Unbekanntschaft mit gelehrten Begriffen, Reinheit, aber Rohigkeit der Sitten, treuherziger Biedersinn der Geist, welcher darin athmen muß. Die Romanze kann daher scherzhaft und rührend, aber satyrisch und ironisch[1] darf sie nicht sein, wenn sie nicht ihren Geist verläugnen will. .
[8] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. III (1839), 732: Von Bildungsanstalten bestehen in R.[om] eine Universität [...]; die zahlreichen Vereine und Gesellschaften für die Naturwissenschaften, für Poesie, Alterthumsforschung und Kunst führen meist den Namen von Akademien. Bei dem weit hinter dem Standpunkte der Bildung in den aufgeklärtern europ. Ländern zurückgebliebenen
Geiste
der päpstl. Regierung ist jedoch die Wirksamkeit jener Anstalten ihrer Zahl und Ausstattung keineswegs entsprechend. Dagegen bieten die öffentlichen und Privatsammlungen von Alterthümern und Kunstgegenständen, die Bibliotheken und der classische Boden mit seinen Überresten aus der Zeit röm. Größe einen unerschöpflichen Stoff [...]..[9] Ditters v. Dittersdorf [Spazier], Lebensbeschr. (1801), 9 f. (10): [Z]wei Tage, nachdem er das Werk beendigt, starb er, und, wie es unter jenen Umständen hatte werden können, 〈10〉 übersandte es nun die hinterlassene Witwe nach dem Willen des Verstorbenen der Breitkopf-Härtelschen Handlung, die sogleich darauf bedacht war, den Wunsch des [...] Künstlers zu ehren und das Werk in einer etwas veränderten Gestalt zum Besten der Familie erscheinen zu lassen. Man gab dem Herausgeber diesen Auftrag und hatte das Vertrauen zu ihm, daß er diesen Zweck erfüllen würde, ohne dem Geiste des Werkes zu schaden und das Eigentümliche desselben zu verwischen. .
[10] G. Forster, Menschenraßen (1786), W 2, 100: Weisser! der du so stolz und selbstzufrieden wahrnimmst, daß wohin du immer drangst, Geist der Ordnung und Gesetzgebung den bürgerlichen Vertrag begründeten, Wissenschaft und Kunst[2] den Bau der Kultur[4] vollführen halfen; der du fühlst, daß überall im weiten volkreichen Afrika die Vernunft[1] des Schwarzen nur die erste Kindheitsstufe ersteigt, und unter deiner Weisheit erliegt – Weisser! du schämst dich nicht am Schwachen deine Kraft zu misbrauchen, ihn tief hinab zu deinen Thieren[1] zu verstossen, bis auf die Spur der Denkkraft in ihm vertilgen zu wollen? Unglücklicher! von allen Pfändern, welche die Natur[2] deiner Pflege anbefohlen hat, ist er das edelste..
[11] G. Forster, Cook (*1787; 1789), W 2, 115: Auf derjenigen Stufe der Kultur[4], die der Europäer insbesondere nun einmal erstiegen hat, ist die Kenntniß der eigenthümlichen Beschaffenheit aller Gegenden der Erde so in sein Bedürfniß verwebt, daß eine nähere Untersuchung nothwendig wird, um seiner Betriebsamkeit Luft zu machen. Je dringender unsere wahren und erkünstelten Bedürfnisse das Verkehr mit entfernten Welttheilen fordern, je emsiger der kaufmännische Geist von der Unersättlichkeit des Zeitalters seinen Vortheil zieht, indem er ihr Nahrung verschafft; desto stärker wächst das politische Interesse der Staaten, an der Erweiterung geographischer und anderer Erfahrungskenntnisse, und desto mehr sucht es alle jene Triebfedern im Gange zu erhalten..
[12] C. de la Motte Fouqué, Dt. Geselligk. (1814), 30 f. (31): Wir sollen nicht länger zwischen eigenthümlicher und fremder[5] Bildung[5] schwanken, es steht uns wohl an Deutsch[1] zu seyn. Ist die französische Sprache[3] dem gesellig verkehrenden Europa unentbehrlich geworden, so gelte sie wie eine Scheide- und Ausglei〈31〉chungsmünze, so lange sie in Cours bleiben kann, Jedweder lerne sie als solche kennen, sie bleibe ihm Mittel, nichts weiter. Was hülfe es auch, sie zum Zweck machen zu wollen? Ihre klassischen[4] Sprichwörter und Phrasen liegen doch nur wie veralteter bestäubter Modeprunk auf der lebendigen Nationalbildung, der deutsche[1] Geist ist aus dem alten[6] Kleide herausgewachsen, beide passen nicht zu einander..
[13] v. d. Hagen, Vorr. Lit. Grdriß (1812), III f. (IV): Der bei weitem größte und bedeutendste Theil der Deutschen Literatur bis in das sechzehnte Jahrhundert, gehört der Poesie[3] an, und dieser ganze Zeitraum ist vorzugsweise der poetische[5]; denn die eigentliche Bildung[1] der Prosa[1] fällt erst in's funfzehnte und sechzehnte Jahrhundert, zugleich mit der Buchdruckerkunst: auf ähnliche Weise wie in Griechenland mit der Schreibkunst. Die gleichzeitige Reformazion war dabei gewiß auch nicht ohne Einfluß: so wie dagegen der Katholizismus der Poesie[3] so günstig gewesen war. Zwar ist die frühe Einwirkung eben dieser Religion und einer fremden[1] Sprache[3] 〈IV〉 und Schrift wieder störend für die eigenthümliche Entwickelung der Deutschen Nazionalpoesie gewesen, hat dieselbe frühe zu frommen oder bloß gelehrten Zwecken verarbeitet, und besonders durch Übersetzung religiöser und klassischer[7] Schriften, zugleich eine breite Prosa[1] neben ihr erzeugt: durch welches alles auch die die [sic] Deutsche Poesie[3] den Karakter[1] der romantischen[1] an sich trägt, und sich das eigenthümliche Streben dieser zum prosaischen[1] Roman[1] kund giebt. Dennoch ist die Poesie[3] hauptsächlicher Ausdruck dieser ganzen Zeit[3], und zwar, wie es uns scheint, der eigenthümlichste für Deutschland, indem nicht nur die alte Volkspoesie sich trefflich ausbildete, sondern auch die fremden[1] Romane[1] und religiösen Dichtungen kräftig angeeignet wurden, um so eher, da ihr Geist ursprünglich von hier ausging oder doch verwandt war. So ist denn auch in dieser ganzen Periode eine vollständige poetische[5] Entwickelung sichtbar, und die in der älteren Zeit[3] häufigere Prosa[1], verliert sich in der eigentlichen Blüthezeit des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts immer mehr, und selbst die Bibel und Kroniken erscheinen in Reimen.
➢ Volltext
.[14] Hamann, Krzzg. d. Phlg. (1762), N 2, 125: An Beobachtungen fehlt es uns nicht, wodurch das Verhältnis der Sprache zu ihren wechselsweisen Gebrauch ziemlich genau bestimmt werden kann. Die Einsicht in dies Verhältnis und die Kunst selbiges anzuwenden, gehört mit zu dem
Geist
der Gesetze und zu den Geheimnissen der Regierung [...]. Eben dies Verhältnis macht klassische Schriftsteller..[15] Hegel, Hamann (1828), W 11, 283: Der junge Adel[2] und viele Bürgerskinder sollten eher die Lehrbücher des Ackerbaus als das Leben Alexanders usf. zu Lehrbüchern der römischen Sprache[3] haben und dergleichen, – Ansichten, von welchen die Basedowschen, Campeschen u. a. Deklamationen und Aufschneidereien wie ihre pomphaften Unternehmungen ausgegangen und welche auf die Organisation[8] und den Geist des öffentlichen Unterrichts so nachteilige, noch jetzt, sosehr man davon zurückgekommen, in ihren Folgen nicht ganz beseitigte Einwirkungen gehabt haben..
[16] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 405: So konnte denn ein neuer[1] Hauch und Geist in die epische Poesie[1] nur durch die Weltanschauung und den religiösen Glauben, die Thaten und Schicksale neuer[1] Völkerschaften hereinkommen. Dieß ist bei den Germanen sowohl in ihrer heidnischen Ursprünglichkeit als auch nach ihrer Umwandlung durch das Christenthum, sowie bei den romanischen[2] Nationen[1] in um so reicherer Weise der Fall, je weiter die Verzweigung dieser Völkergruppen wird, und in je mannigfaltigeren[1] Stufenfolgen sich das Prinzip der christlichen Weltanschauung und Wirklichkeit entfaltet. ➢ Volltext; vgl. [17].
[17] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 473: Wie in die epische Poesie[1] kommt [...] auch in die Lyrik ein ursprünglicher Gehalt und Geist erst durch das Auftreten neuer[1] Nationen[1] hinein. Dieß ist bei den germanischen, romanischen[2] und slawischen Völkerschaften der Fall, welche bereits in ihrer heidnischen Vorzeit, hauptsächlich aber nach ihrer Bekehrung zum Christenthume, sowohl im Mittelalter als auch in den letzten Jahrhunderten, eine dritte Hauptrichtung der Lyrik im allgemeinen Charakter[4] der romantischen[9] Kunstform immer mannigfacher und reichhaltiger ausbilden. ➢ Volltext; vgl. [16].
[18] Heine, Relig. u. Philos. in Dtld. (1835), DHA 8.1, 43: [W]ie einige Dichter des Mittelalters die griechische Geschichte und Mythologie ganz romantisch[8] behandelt haben, so kann man auch die mittelalterlichen Sitten und Legenden in klassischer[6] Form darstellen. Die Ausdrücke „klassisch[6]“ und „romantisch[8]“ beziehen sich also nur auf den Geist der Behandlung. Die Behandlung ist klassisch[6], wenn die Form des Dargestellten ganz identisch ist mit der Idee des Darzustellenden, wie dieses der Fall ist bey den Kunstwerken der Griechen, wo daher in dieser Identität auch die größte Harmonie zwischen Form und Idee zu finden. Die Behandlung ist romantisch[8], wenn die Form nicht durch Identität die Idee offenbart, sondern parabolisch diese Idee errathen läßt. ➢ Volltext.
[19] Heine, Relig. u. Philos. in Dtld. (1835), DHA 8.1, 45: Der Geist der Behandlung ist nicht mehr romantisch[4], sondern klassisch[5]. Durch das Wiederaufleben der alten[10] Literatur verbreitete sich über ganz Europa eine freudige Begeisterung für die griechischen[2] und römischen Schriftsteller, und die Gelehrten, die Einzigen welche damals schrieben, suchten den Geist des klassischen[7] Alterthums[2] sich anzueignen, oder wenigstens in ihren Schriften die klassischen[7] Kunstformen nachzubilden. Konnten sie nicht, gleich den Griechen, eine Harmonie der Form und der Idee erreichen, so hielten sie sich doch desto strenger an das Aeußere der griechischen[2] Behandlung, sie schieden, nach griechischer[2] Vorschrift, die Gattungen, enthielten sich jeder romantischen[4/12] Extravaganz, und in dieser Beziehung nennen wir sie klassisch[5/8]. ➢ Volltext.
[20] Herder, Journ. m. Reise (*1769–70), SW 4, 424: Derselbe Geist der Monarchischen Sitten, den Montesquieu 〈425〉 an seiner Person so augenscheinlich malt, herrscht auch in ihrer Sprache[3]. Tugend, innere Stärke, hat diese wenig, wie die Nation[1]; man macht mit dem Kleinsten das Größeste was man kann, wie eine Maschine durch ein Triebrad regiert wird. Nationalstärke, Eigenheit, die an ihrem Boden klebt, Originalität hat sie nicht so viel; aber das was Ehre auch hier heißt, das Vorurtheil jeder Person und jedes Buchs und jedes Worts[2] ist Hauptsache. Ein gewißer Adel[5] in Gedanken, eine gewisse Freiheit[15] im Ausdruck, eine Politeße in der Manier der Worte[1] und in der Wendung: das ist das Gepräge der Französischen Sprache[3], wie ihrer Sitten. .
[21] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 295: Für sinnige Leserinnen sei hier noch bemerkt, daß unter so vielen Schriften, die mit mehr oder weniger Glück arkadisches Leben, arkadische Sitten schildern, das Werk eines fürstlichen Dichters, des verewigten Herzogs August von Sachsen-Gotha: „Ein Jahr in Arkadien,“ den ersten Rang mit einnimmt, und einen wahrhaft klassischen[7] Geist athmet, während eine Unzahl den Griechen Theokrit nachahmender Idyllendichter den Schauplatz ihrer einschläfernden Poesien[11] nach Arkadien, in das glückselige Schäferland verlegte, und die frischgrüne Trift der Dichtkunst damit unter Wasser setzte..
[22] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 133: Fioravanti zeichnet sich in der komischen Oper durch Naivetät, Grazie, Leichtigkeit, Lebendigkeit und natürliche Anmuth der 〈133〉 Melodien aus; sein klassischer[2] Stil spiegelt den eigenthümlichen Geist der alten ital. kom. Oper noch in jugendlicher Frische..
[23] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 201: Die Gesetze der Einheit von Zeit[13], Ort und Handlung[3] wurden nicht nur als die festeste Norm befolgt, sondern sie dienten auch bei der Beurtheilung jedes tragischen Dichtwerks als Maßstab. Eine Verschmelzung dieser Nachahmung der antiken[2] Muster mit dem Geiste der Nation[1] finden wir bei den Heroen der französischen Tragödie Corneille [...] und Racine [...]. Diese beiden und Molière [...] rissen die Bühne aus ihrer ersten Rohheit. Doch blieb immer eine Steifheit, ein geziertes, hochtrabendes Wesen zurück, das selbst Voltaire [...] 〈202〉 [...] nicht verdrängen konnte. [...] Gegen jene klassischen[4/8] Vorbilder erhob sich in neuester[3] Zeit[3] die Schule der Romantiker[3], an deren Spitze Victor Hugo [...] steht. Sie hat zwar die altfranzösische Tragödie nicht verdrängen können, behauptet aber doch siegreich ihren Platz neben ihr, und wie aus allen Kämpfen der Art, so wird auch hier ein vermittelndes Princip aus den Eigenthümlichkeiten beider Schulen ein gutes, erfreuliches Resultat schaffen..
[24] Hirschfeld, Gartenkunst V (1785), 351: Man befindet sich hier oben mitten in einem kleinen Garten, und wird getäuscht, als ob man in Italien sey. Ueberhaupt herrscht durch die ganze Anlage ein Geist der Ueberraschung in den Gebäuden, der nicht lebhafter wirken kann. Aus öden Ruinen tritt man auf einmal in einen runden Saal mit corinthischen Säulen und vergoldeten Kapitälern, mit Deckengemälden nach herculanischen Mustern, mit Basreliefs von Marmor ganz im antiken[3] Geschmack..
[25] Hirt, Baukunst (1809), 25 f. (26): Jeder Bau [...] erhält seine eigenthümliche Physiognomie; denn so wie es nicht zwey Menschen[1] giebt, die vollkommen dieselbe Bildung[10] haben, so kann es auch nicht zwey Gebäude, die gerade sich in allem gleich sind, geben. Ein anderes Lokal, eine kleine Veränderung in der Bestimmung, eine andere Himmelsgegend, eine geringe Veränderung in den Maaßver〈26〉hältnissen, ein anderer Geist der Verzierung wechselt die Ansichten, erfordert neue Berechnung, giebt neue Resultate..
[26] Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 67] (1810), 632: Haydn und Mozart, die Schöpfer der neuern[3] Instrumental-Musik, zeigten uns zuerst die Kunst[8] in ihrer vollen Glorie; wer sie da mit voller Liebe anschaute und eindrang in ihr innigstes Wesen, ist – Beethoven. Die Instrumental-Compositionen aller drey Meister athmen einen gleichen romantischen[8] Geist, welches eben in dem gleichen innigen Ergreifen des eigenthümlichen Wesens der Kunst[8] liegt; der Charakter[1] ihrer Compositionen unterscheidet sich jedoch merklich. ➢ Volltext.
[27] Hoffmann, Murr II (1822), PW 5, 444: Da begann aber auf Kreislers Antlitz jenes seltsame Muskelspiel, das den Geist[1/12] der Ironie[1] zu verkünden pflegte, der seiner mächtig worden..
[28] W. v. Humboldt, Schiller (1830), GS I, 6.2, 511: Aus dem dürftigen Zustande, in welchem Kant die Philosophie, eklektisch herumirrend, vor sich fand, vermochte er keinen anregenden Funken zu ziehen. Auch möchte es schwer seyn zu sagen, ob er mehr den alten, oder den späteren Philosophen verdankte. Er selbst, mit dieser Schärfe der Kritik[1], die seine hervorstechendste Seite ausmachte, war sichtbar dem Geiste[12/14] der neueren Zeit[3] näher verwandt..
[29] Jean Paul, Vorsch. Ästh. II (21813), 543 f.: Jeder Roman[1] muß einen allgemeinen Geist beherbergen, der das historische Ganze ohne Abbruch der freien[5] Bewegung, wie ein Gott[4] die freie[5] Menschheit[2], heimlich zu Einem Ziele verknüpfe und ziehe [...]; ein bloß geschichtlicher Roman[1] ist nur eine Erzählung. [...] 〈544〉 Derselbe romantische[1] Geist findet nun drei sehr verschiedene Körperschaften zu beseelen vor; daher eine dreifache Eintheilung der Romane[1], nach ihrer Materie nöthig ist..
[30] Kant, Daseyn Gottes (1763), 147: Am mehresten enthält die Methode über die vollkommene Anstalten der Natur[2] zu urtheilen den Geist wahrer Weltweisheit, wenn sie jederzeit bereit, auch übernatürliche Begebenheiten zuzulassen, imgleichen die wahrhaftig künstliche[1] Anordnungen der Natur[2] nicht zu verkennen, hauptsächlich die Abzielung auf Vortheile und alle Wohlgereimtheit sich nicht hindern läßt, die Grün〈148〉de davon in nothwendigen algemeinen Gesetzen aufzusuchen, mit grosser Achtsamkeit auf die Erhaltung der Einheit und mit einer vernünftigen Abneigung, die Zahl der Naturursachen um derentwillen zu vervielfältigen..
[31] Klein, Rheinreise (1828), 56: Bingen bis St. Goar. | Erwartungsvoll zögert der Wanderer vor dem schauerlichen Eingange des Felsenthals, in welches wildrauschend der eingeengte Strom mit stürmischem Gebrause sich stürzt. Das Idyllische hört auf und das Romantisch[3/2/4/13]-Epische beginnt. Er betritt das eigentliche Gebiet der Vorzeit, wo der unruhige, aber kräftige Ritter mit seinen Knappen haußte. Schon sieht er die alten[11] Wartthürme emporsteigen, er glaubt das Horn des Lugeners zu vernehmen; der ernste Geist vergangener Jahrhunderte, über Heldengräbern wehend, haucht ihn an. [...] 〈57〉 [...] Jetzt treten gewaltige Steinwände zu beiden Seiten vor..
[32] Klingemann, Poesie (1800), 55: Die Poesie[19] geht durch die ganze Kunst[2]; sie ist das Innerliche in ihr, und der geheime wunderliche Geist, der später erst durch sie zur Erscheinung kommt. Die Kunst[2] selbst ist nur Organ[1] der Poesie[19], sie aber ist die Seele des Ganzen, und das heilige Feuer, das unsichtbar sich entzündet. So ist die Dichtkunst allein nicht ihre einzige Heimath; sondern sie herrscht unumschränkt auch in der Skulptur und Mahlerei[2], und redet zart und geistig aus der Musik[4] uns an. Sie ist es eben, wodurch die Kunst[2] sich ausbreitet, und allgemein wird; denn Poesie[19] ist die Grundanlage der Menschheit[1] überhaupt, und sie zeichnet sich nur, dem Grade nach, stärker oder schwächer in den Einzelnen aus. | Die Poesie[19] ist das eigentlich Absichtslose, oder die Natur[19] in der Kunst[2]; Niemand vermag sie zu erringen, oder durch Kunst[2] sich anzueignen; sie ist vielmehr eine freie[5] Gunst der Götter[4], und wird dem Menschen[1] schon bei seiner Geburt zu Theile..
[33] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXVI (1819), 720 f.: Wir finden in jeder Poesie[11] romantische[2] Partien. So fehlt es dem griechischen[2], als auch dem nordischen Fabelkreise nicht an reizenden romantischen[2] Einzelnheiten; nur der [sic] eigentliche vorherrschende Charakter[5], der [sic] wahre Geist des Romantischen[2] findet man in den provenzalischen 〈721〉 Dichtern[3], und in dem Mythenkreise der eigentlichen alten[11] Ritterromane, der dem Süden von Europa angehört, und sich von da erst weiter ausgebreitet hat. Diesen romantischen[2] Geist finden wir zuerste in Spanien und Frankreich. In Spanien verschaffte der Kampf der Christen mit den Mohren, das allmählige Aufkommen christlicher Königreiche, der romantischen[2] Poesie[1], Zunder und Nahrung; denn die ritterlichen Spiele und Thaten; die großen Feste, die unter verschiedenen Gestalten, bald in den geräumigen hochgewölbten Sälen der Palläste, bald im grünen Walde, unter dem schützenden Laubdache majestätischer Bäume abgehalten wurden, und woran Könige und Herzöge Theil nahmen, und sich mit den Rittern, Damen und Dichtern[1] unter Spiel und Gesang belustigten, trugen einen eigenen Zauber. [...] Hierzu kamen nun noch die Kreuzzüge, die gerade in jenen Ländern die meiste Theilnahme fanden, und das romantischste[2] Gemälde in der ganzen Geschichte[3] abgeben, woraus sich dann in Frankreich die schönen[1] Dichtungen von Carl dem Großen, seinen Pärs, seinen Kämpfen mit den Mauren etc. entfalteten. Von Frankreich und Spanien gelangte die Romantik[3] auch nach England und Deutschland. Im ersteren Reiche finden wir das echt Romantische[2] in dem Mythus vom fabelhaften König Uterpendragon, dem Erneurer des heiligen Graals, von Arthus etc. ausgebildet, und in Deutschland, im Süden desselben, geschah die Ausbildung des Romantischen[2], jedoch 〈722〉 nicht in dem Umfange, wie in Spanien, Frankreich und England, durch die Minnesänger..
[34] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 20 f. (21): Welches Leben, welche Wirksamkeit in der ganzen Natur[2]! [...] Stete Umschaffung, Verarbeitung, Veränderung, und eine Kraft, die immer bleibt; 〈21〉 denn nur das Bleibende kann sich verändern. Aber was sie ist, diese Kraft, welche die Räder des Ganzen zusammen hält, daß kein Theil sich aus seinen Fugen herausreißen darf, die den Geist mit Formen bekleidet, und das Aufgelösete, nach Ruhe strebende, zu neuem Leben, neuer Thätigkeit zwingt? – Forsche nicht darnach; nur das, was sich verändert, können wir wahrnehmen, und das Bleibende erkennen wir, wie unser eignes Wesen, aus seinen Wirkungen..
[35] Mereau, Amd. u. Ed. II (1803), 20: Ja! alle beßre Seelen, haben Momente des höhern Lebens, der Begeisterung[1]. Diese Momente verschwinden, und sie steigen zur Nüchternheit des Gewöhnlichen wieder herab; aber wenn zwei Seelen sich in solchen Momenten finden, wenn sie sich da begegnen, dann ist der Himmel zwischen den beiden. – O! da auch dies enden mußte, wie Alles, was hält denn den flüchtigen Geist noch hier? 〈21〉 Wo erwartet denn nun noch das Herz, Befriedigung seiner unendlichen Sehnsucht? – Weh mir, daß ich unsterbliche Gefühle in mir nähren, und nur sterbliche erwecken konnte, daß mein Leben in dem Herzen des Geliebten aufhörte, und doch die Liebe unsterblich in mir lebt!.
[36] Mereau, Amd. u. Ed. II (1803), 140 f. (141): Was geschehen ist, fragst Du erstaunt? – Nichts! – Nichts und doch Alles; denn fühl' ich nicht, wie Alles um 〈141〉 mich her verändert ist, wie die Bäume und die Blumen wieder, wie ehedem vor meinem Blick in freudigen Tänzen sich bewegen, wie ich in dem Leben der Menschen, Geschichte[1] und Zusammenhang sehe, und überall mir wieder Licht und Ordnung erscheint! – | Ach! diese schöne[1] Begeisterung[1] war so fern, so fern von mir versunken, und es schien mir ganz unmöglich, jemahls wieder diese Höhe des Gefühls zu erreichen! So vieles Irrdische, Todte, hielt mich lange, dicht umfangen; ich war oft ganz darinnen vergraben, und sahe nun überall keinen Ausweg, keinen Zweck, keinen Geist! – Schon hatte ich alles aufgegeben, und nun! – steh' ich nicht mit einemmal wieder auf jenen heitern[4] Höhen der Begeisterung[1], und betrachte von da die Welt, die mir nun 〈142〉 lauter liebliche oder rührende Bilder zeigt, und woraus alles Harte, Verworrene, Gemeine verschwunden ist? Fühl' ich mich nicht empor gehoben wie eh'mals, über die Menge, die sich da unten um taube Nüsse zerquält; und haßt, und liebt nicht mein frömmer gewordnes Herz die Menschen inniger, je mehr ich sie übersehe? – Und wenn ich Dir alles erzähle, so wirst Du vielleicht lächeln, und wohl viele würden es. Auch kann ich mich recht gut in Deine Ansicht versetzen, aber dann bitte ich Dich, das einzige zu bedenken, was Dir alles ehrwürdig machen wird, nehmlich, daß alles, was ich empfinde, unwillkührliche, tief aus dem Herzen hervorquellende Wahrheit ist..
[37] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 5: Und wenn die Natur[2] Talente für die Beredsamkeit über Deutschland so reichlich ausstreute wie über den Boden irgend eines andern Landes, so sind es ja in Deutschland nur einzelne, die hören; es gibt kein Ganzes, keine Gemeinde, keine Stadt, keine Nation[1], die wie mit Einem Ohre[3] den Redner anhörte. Im Gespräch mit dem Einzelnen sind wir zu ungebunden, zu unbeschränkt; wir lassen uns gehen, wir reden nachlässig, und so verliert sich aus der Sprache[3] des Volks[1] der allgemeine, bindende Geist; sie zerbröckelt sich in unzählige Dialekte[1] und Idiome; jede Sekte und jede Kotterie verunstaltet sie in ihrer eigenen Manier. Nun mögen die Klopstock, die Lessing, die Schiller, die Göthe alle Strahlen dieser zerstreuten Sprache[3] wie in einem Brennspiegel versammeln; das, was allen gemeinschaftlich ist in Wort[5] und Klang, mag von einzelnen wirklich niedergeschrieben, auch ausgesprochen werden: die Nation[1] liest sie, verschluckt sie, aber hört sie nicht, spricht ihnen nicht nach. – Wer überhaupt lernt reden aus dem Papier, aus der todten Schrift? Hören muß und gehört werden, wer sprechen lernen will. – Der Taubgeborne ist nothwendig zugleich stumm..
[38] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 275 f.: Wie haben wir [sc. die Deutschen] in diesen letzten fünfzig stummen Jahren sprechen gelernt? Wie hat sich diese Sprache[3] gebildet grade in der Zeit[3], wo alle Glieder der höheren Gesellschaft sich von ihr abwendeten? Es lebt in ihr ein Geist[12], der sie bildet und keiner vornehmen Stütze bedarf: wer das recht Empfundene, aus den Tiefen der Seele, aus jenen geheimnißvollen Wohnsitzen des Heiligen Kommende, wo das Gefühl der ritterlichen Ehre und Liebe, des stolzen Gehorsams usw. herrührt – aussprechen will, der kann diese Sprache[3] nicht entbehren; und wer nicht so etwas zu sagen hat, der würde ihr und ihrer Ausbildung nichts helfen können. Von selbst in den Mund legt sie sich nicht! ohne Karakter[2], ohne Selbständigkeit, ohne Ursprünglichkeit 〈276〉 der Geisteskraft ist es unmöglich, diese Sprache[3] gut zu sprechen. Mit Phrasen, die für jeden Mund passen, mit künstlich appretirtem Glanz, mit einem Schein von Geist[20] und Witz[1], den der Geistloseste sich aneignen könnte, kann sie nicht aufwarten: sie hat keine Corneilles, keine Racines, keine Bossuets, keine Akademien, welche ein ganzes folgendes Jahrhundert mit schönen Wendungen der Rede im voraus versehn; kein siècle de Louis XIV., das für lange Zeiten[3] nachher das Vortrefflichste schon vorweggesprochen hätte. Es fehlt ihr, habe ich gesagt, die gesellige Vollendung: das Bestreben der einzelnen deutschen Redner und einige glückliche Wendungen des öffentlichen Lebens der Nation[1] können selbige erreichen, darum muß auch an die mechanischen Vorzüge der benachbarten Sprachen[3] erinnert werden. Ich habe es gethan, mit Anklage meines Vaterlandes gethan. Nichtsdestoweniger aber weil der neue[1/5], christliche Geist[12] aller Worte[1] und Wendungen dieser Sprache[3] sich nicht tödten läßt, so trägt sie das Siegel der Fortdauer an ihrer Stirn wie keine andre Sprache[3]. Um dieses Geistes[12] willen kann man festiglich glauben, daß die Sprache[3] der Besiegten länger leben werde als die der Sieger, und in diesem Sinne dann dreist verkünden, daß, weil die Sprache[3] fortdauern werde, auch das Volk[1] nicht untergehen könne..
[39] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 280, Nr. 234: Romant[ik][1] etc. Märchen. Nessir und Zulima. Romantisirung der Aline. Novellen. Tausend und Eine Nacht. Dschinnistan. La Belle et la Bète. Musaeus Volksmärchen. Romantischer[2/8/10] Geist der neuern[3] Romane[1]. Meister. Werther. Griechische[2?] Volksmährchen. Indische Märchen. Neue[1] originelle Märchen. In einem ächten Märchen muß alles wunderbar – geheimnißvoll und unzusammenhängend seyn – alles belebt. Jedes auf eine andre Art. Die ganze Natur[2] muß auf eine wunderliche Art mit der ganzen Geisterwelt vermischt seyn..
[40] Novalis, an A. W. Schlegel (12. 1. 1798), NS 4, 245: Man verfehlt die Natur[1] der Liebe[1] ganz, wenn man geradezu sich Liebe[1] zur einzigen Beschäftigung wählt – aber wie, wenn alle directe Zwecke gleichsam Mittel für diesen indirecten Zweck werden, der sie alle in Einen Punct vereinigt? der die höhere Einheit aller dieser niedern Einheiten ist? Wenn man die Summe aller directen Zwecke Bildung[5] nennt, so könnte man sagen, der Geist dieser Gesammtheit, der Schlüssel der Bildung[5] – der Sinn[2] dieses großen Gegenstands ist Liebe[1]. | Ohne Gegenstand kein Geist[12] – ohne Bildung[5] keine Liebe[1]. Bildung[5] ist gleichsam der feste Punct, durch welchen diese geistige Anziehungskraft sich offenbart – das nothwendige Organ[1] derselben..
[41] Novalis, an C. Just (5. 2. 1798), NS 4, 249: Was hilfts, daß ich mich bis zur höchsten Ermüdung bey Buchstaben[8] aufhalte – verliere ich darüber nicht die lehrreichste Schrift, die Menschengestalt, aus den Augen? Ich kehre am Ende immer zu Einem zurück – und dieses Eine ist der Geist[12/19] des Menschen – von dem am Ende doch alles Ausfluß und Offenbarung ist – und warum dieses Eine gerade in dem todten Zeichen, und nicht in lebendiger Anschauung suchen..
[42] Novalis, Blüthenstaub (1798), 86, Nr. 58: [Nr. 57] Witz[2], als Prinzip der Verwandtschaften ist zugleich das menstruum universale [⦿]. Witzige Vermischungen sind z. B. Jude[1] und Kosmopolit, Kindheit und Weisheit, Räuberey und Edelmuth, Tugend und Hetärie, Überfluß und Mangel an Urtheilskraft in der Naivetät und so fort ins Unendliche. | [Nr. 58] Der Mensch[1] erscheint am würdigsten, wenn sein erster Eindruck der Eindruck eines absolut witzigen Einfalls ist: nämlich Geist und bestimmtes Individuum zugleich zu seyn. Einen jeden vorzüglichen Menschen[1] muß gleichsam ein Geist zu durchschweben scheinen, der die sichtbare Erscheinung idealisch parodirt. Bey manchen Menschen[1] ist es als ob dieser Geist der sichtbaren Erscheinung ein Gesicht schnitte. ➢ Volltext.
[43] Novalis, Blüthenstaub (1798), 88, Nr. 68: Eine Übersetzung ist entweder grammatisch, oder verändernd, oder mythisch. Mythische Übersetzungen sind Übersetzungen im höchsten Styl. Sie stellen den reinen, vollendeten Karakter[1] des individuellen Kunstwerks dar. Sie geben uns nicht das wirkliche Kunstwerk, sondern das Ideal desselben. Noch existirt wie ich glaube, kein ganzes Muster derselben. Im Geist mancher Kritiken[5] und Beschreibungen von Kunstwerken trifft man aber helle Spuren davon.
➢ Volltext
.[44] Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 273: Meinethalben mag jetzt der Buchstabe[8/9] an der Zeit[9] seyn. Es ist kein großes Lob für die Zeit[9], daß sie so weit von der Natur[19] entfernt, so sinnlos für Familienleben, so abgeneigt der schönsten[1] poetischen[1] Gesellschaftsform ist. Wie würden unsre Kosmopoliten erstaunen, wenn ihnen die Zeit[3] des ewigen Friedens erschiene und sie die höchste gebildetste Menschheit[3] in monarchischer Form erblickten? Zerstäubt wird dann der papierne Kitt seyn, der jetzt die Menschen[1] zusammenkleistert, und der Geist[12/30] wird die Gespenster, die statt seiner in Buchstaben[8/9] erschienen und von Federn und Pressen zerstückelt ausgingen, verscheuchen, und alle Menschen[1] wie ein paar Liebende zusammen schmelzen..
[45] Novalis, Polit. Aphor. (*1798), NS 2, 502, Nr. 67: Es liegt am Tage, daß sich aus todten Stoffen kein lebendiger Körper – aus ungerechten, eigennützigen und einseitigen Menschen kein gerechter, uneigennütziger und liberaler Mensch zusammensetzen läßt. Freilich ist das eben ein Irrthum einer einseitigen Majorität, und es wird noch lange Zeit[6] vergehn, eh man sich von dieser simpeln Wahrheit allgemein überzeugen wird. Eine so beschaffene Majorität wird nicht die Vortrefflichsten, sondern im Durchschnitt nur die Bornirtesten und die Weltklügsten wählen. Unter den Bornirtesten versteh ich solche, bei denen Mittelmäßigkeit zur fertigen Natur[1] geworden ist, die klassischen[3] Muster des großen Haufens. Unter den Weltklügsten – die geschicktesten Courmacher des großen Haufens. Hier wird sich kein Geist entzünden – am wenigsten ein reiner – Ein großer Mechanismus wird sich bilden – ein Schlendrian – den nur die Intrigue zuweilen durchbricht. Die Zügel der Regierung werden zwischen den Buchstaben[8] und mannichfaltigen Partheimachern hin und her schwanken..
[46] Novalis, Europa (*1799), NS 3, 512: Indeß liegt dem Protestantismus bei weitem nicht bloß jener reine Begriff[2] zum Grunde, sondern Luther behandelte das Christenthum überhaupt willkührlich, verkannte seinen Geist, und führte einen andern Buchstaben[8] und eine andere Religion[1] ein, nemlich die heilige Allgemeingültigkeit der Bibel, und damit wurde leider eine andere höchst fremde irdische Wissenschaft in die Religionsangelegenheit gemischt – die Philologie – deren auszehrender Einfluß von da an unverkennbar wird. Er wurde selbst aus dunkelm Gefühl dieses Fehlgriffs bei einem großen Theil der Protestanten zum Rang eines Evangelisten erhoben und seine Uebersetzung canonisirt. | Dem religiösen Sinn war diese Wahl höchst verderblich, da nichts seine Irritabilität so vernichtet, wie der Buchstabe[8]..
[47] Novalis, Europa (*1799), NS 3, 518: Frankreich verficht einen weltlichen Protestantismus. Sollten auch weltliche Jesuiten nun entstehn, und die Geschichte[1] der letzten Jahrhunderte erneuert werden? Soll die Revolution die französische bleiben, wie die Reformation die Lutherische war? Soll der Protestantismus abermals widernatürlicherweise, als revolutionaire Regierung fixirt werden? Sollen Buchstaben[8] Buchstaben[8] Platz machen? Sucht ihr den Keim des Verderbens auch in der alten[6] Einrichtung, dem alten[6] Geiste[12]? [⦿] und glaubt euch auf eine bessere Einrichtung, einen bessern Geist[12] zu verstehn? O! daß der Geist[1] der Geister[1] euch erfüllte, und ihr abließet von diesem thörichten Bestreben die Geschichte[1] und die Menschheit[2] zu modeln, und eure Richtung ihr zu geben. Ist sie nicht selbständig, nicht eigenmächtig, so gut wie unendlich liebenswerth und weissagend? Sie zu studiren, ihr nachzugehn, von ihr zu lernen, mit ihr gleichen Schritt zu halten, gläubig ihren Verheißungen und Winken zu folgen – daran denkt keiner..
[48] Novalis, Monolog (*1799), 2: Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache[1] wie mit den mathematischen Formeln sey – Sie machen eine Welt für sich aus – Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur[1] aus und eben darum sind sie so ausdrucksvoll – eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnißspiel der Dinge. Nur durch ihre Freyheit[12] sind sie Glieder der Natur[2] u[nd] nur in ihren freyen Bewegungen äußert sich die Weltseele und macht sie zu einem zarten Maaßstab u[nd] Grundriß der Dinge. So ist es auch mit der Sprache[1] – wer ein feines Gefühl ihrer Applicatur, ihres Takts, ihres musicalischen[3] Geistes hat, wer in sich das zarte Wirken ihrer innern Natur[1] [⦿] vernimmt, und darnach seine Zunge oder seine Hand bewegt, der wird ein Profet sein, dagegen wer es wohl weis, aber nicht Ohr[3] u[nd] Sinn[5] genug für sie hat, Wahrheiten wie diese schreiben, aber von der Sprache[1] selbst zum besten gehalten u[nd] von den Menschen, wie Cassandra von den Trojanern, verspottet werden wird. ➢ Volltext.
[49] Novalis, Fragm. u. Stud. (*1800), NS 3, 689, Nr. 686: Das Nüzliche kann nur so dem Angenehmen entgegengesezt werden, als der Buchstabe[8] dem Geiste, oder das Mittel dem Zwecke. Unmittelbarer Besitz und Erwerb des Gemüthlichen ist freylich unser ursprünglicher Wunsch, aber in der gegenwärtigen Welt ist alles durchaus bedingt, und alles kann nur unter gewissen fremdartigen Voraussetzungen erlangt werden..
[50] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 22: In alten[1] Zeiten[3] muß die ganze Natur[2] lebendiger und sinnvoller gewesen seyn, als heut zu Tage. Wirkungen, die jetzt kaum noch die Thiere[1] zu bemerken scheinen, und die Menschen[1] eigentlich allein noch empfinden und genießen, bewegten damals leblose Körper; und so war es möglich, daß kunstreiche Menschen[1] allein Dinge möglich machten und Erscheinungen hervorbrachten, die uns jetzt völlig unglaublich und fabelhaft dünken. So sollen vor uralten Zeiten[3] in den Ländern des jetzigen Griechischen[3] Kaiserthums, wie uns Reisende berichtet, die diese Sagen noch dort unter dem gemeinen Volke[5] angetroffen haben, Dichter gewesen seyn, die durch den seltsamen Klang wunderbarer Werkzeuge das geheime Leben der Wälder, die in den Stämmen verborgenen Geister[1/12] aufgeweckt, in wüsten, verödeten Gegenden den todten Pflanzensaamen erregt, und blühende Gärten hervorgerufen, grausame Thiere[4] gezähmt und verwilderte Menschen[1] zu Ordnung und Sitte gewöhnt, sanfte Neigungen und Künste[1] des Friedens in ihnen rege gemacht, reißende Flüsse in milde Gewässer verwandelt, und selbst die todtesten Steine in regelmäßige tanzende Bewegungen hingerissen haben..
[51] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 101: Der Krieg überhaupt, sagte Heinrich, scheint mir eine poetische[1] Wirkung. Die Leute glauben sich für irgend einen armseligen Besitz schlagen zu müssen, und merken nicht, daß sie der romantische[7] Geist aufregt, um die unnützen Schlechtigkeiten durch sich selbst zu vernichten. Sie führen die Waffen für die Sache der Poesie[20], und beyde Heere folgen Einer unsichtbaren Fahne..
[52] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 102: Für den Dichter ist die Poesie[11/2] an beschränkte Werkzeuge gebunden, und eben dadurch wird sie zur Kunst[2]. Die Sprache[1] überhaupt hat ihren bestimmten Kreis. Noch enger ist der Umfang einer besondern Volkssprache. Durch Übung und Nachdenken lernt der Dichter seine Sprache[3] kennen. Er weiß, was er mit ihr leisten kann, genau, und wird keinen thörichten Versuch machen, sie über ihre Kräfte anzuspannen. Nur selten wird er alle ihre Kräfte in Einen Punkt zusammen drängen, denn sonst wird er ermüdend, und vernichtet selbst die kostbare Wirkung einer gutangebrachten Kraftäußerung. Auf seltsame Sprünge richtet sie nur ein Gaukler, kein Dichter ab. Überhaupt können die Dichter nicht genug von den Musikern und Mahlern lernen. In diesen Künsten[2] wird es recht auffallend, wie nöthig es ist, wirthschaftlich mit den Hülfsmitteln der Kunst[2] umzugehn, und wie viel auf geschickte Verhältnisse ankommt. Dagegen könnten freylich jene Künstler auch von uns die poetische[2] Unabhängigkeit und den innern Geist jeder Dichtung und Erfindung, jedes ächten Kunstwerks überhaupt, dankbar annehmen. Sie sollten poetischer[2] und wir musikalischer[4] und mahlerischer[3] seyn – beydes nach der Art und Weise unserer Kunst[2]..
[53] Novalis, Aftdg II (*1799–1800), 183 f. (184): Das Weltall zerfällt in unendliche, immer von größern Welten wieder befaßte Welten. Alle Sinne[4] sind am Ende Ein Sinn[4]. Ein Sinn[4] führt wie Eine Welt allmälich zu allen Welten. Aber alles hat seine Zeit[8], und 〈184〉 seine Weise. Nur die Person des Weltalls vermag das Verhältniß unsrer Welt einzusehn. Es ist schwer zu sagen, ob wir innerhalb der sinnlichen Schranken unsers Körpers wircklich unsre Welt mit neuen[1] Welten, unsre Sinne[4] mit neuen[1] Sinnen[4] ver vermehren können, oder ob jeder Zuwachs unsrer Erkenntniß, jede neu[1] erworbene Fähigkeit nur A zur Ausbildung unsers gegenwärtigen Weltsinns zu rechnen ist. | Vielleicht ist beydes Eins, sagte Heinrich. Ich weiß nur so viel, daß für mich die Poës Fabel ins W Gesamtwerckzeug meiner gegenwärtigen Welt ist. Selbst das Gewissen, dieser S Sinn[2] und Weltenerzeugende Macht, dieser Keim aller Persönlichkeit, erscheint mir, wie der Geist eines des Weltgedichts, wie der Zufall der ewigen romantischen[4/6] Zusammenkunft, des unendlich veränderlichen Gesamtlebens..
[54] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. II (1830), 280: Der Architekt, welcher diesen prächtigen Dom [sc. Bath Abbey] baute, hat in Zierrathen und Verhältnissen sich ganz vom Gewöhnlichen entfernt. So steigen z. B., von außen, neben dem Portal, zwei Jakobsleitern mit hinanklimmenden Engeln, bis an das Dach empor, wo sich die Kleinen hinter den Giebeln verlieren. Gar lieblich sind die emsigen Himmelsstürmer anzusehen, und wie mich dünkt, ganz im Geiste jener phantasiereichen Architektur erfunden, die das Kindlichste mit dem Erhabensten, den ausgeführtesten Schmuck mit dem grandiosesten Effekt der Massen zu verbinden wußte, und so zu sagen die ganze irdische Natur[[[[BedeutungsVerweis ID='40' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] mit Wald-Colossen und Blumen, mit Felsen und Edelsteinen (die bunten Fenster) mit Menschen und Thieren[[[[BedeutungsVerweis ID='474' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] abbilden wollte, hierdurch aber am sichersten die heilige Stimmung nach jenseits hervorrief. – Mir ist sie immer als die ächt romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]], i. e. ächt deutsche, Bauart vorgekommen, aus unserm eigensten Gemüth entsprossen. Doch glaube ich, sind wir ihr jetzt entfremdet, da eine mehr schwärmerische Zeit[[[[BedeutungsVerweis ID='499' Anzeige='5' Formatierung='1']]]] dazu gehört. Wir können sie wohl noch einzeln bewundern und lieben, aber nichts mehr der Art schaffen, was nicht den nüchternsten Stempel der Nachahmung trüge. Dampfmaschinen und Constitutionen gerathen dagegen jetzt besser, als überhaupt alle Kunst[[[[BedeutungsVerweis ID='261' Anzeige='10' Formatierung='1']]]]. Jedem Zeitalter das Seine..
[55] Ritter, Fragm. II (1810), 119, Nr. 504: Bey der Zeugung – Kraft der Phantasie[1]. Nichts als bloßes Gebilde des andern. Magie, wegen Wirkung der Chiffer, der Form, des Buchstabens[8] (des organischen[3]). Denn beyde geben, keines eigentlich empfängt. Die Gestalt des Mannes muß ideell wirken, denn sie ruft dem Weibe die Materie hervor, die Gestalt der Frau[1] materiell, denn sie ruft den Geist, die Idee, hervor..
[56] Rottmanner, Krit. Jacobi (1808), 21: Es haben Andere vor uns den formellen Unterschied der antiken[2] und romantischen[13] Bildung[5] auf unwidersprechliche Art gezeigt [...], wie in der alterthümlichen Welt der ewig-Eine Geist der Menschheit[1] real, im äußern Organismus[8] des Lebens hervortrat, während er im Mittelalter ideal, in dem Stre〈22〉ben des öffentlichen Lebens nach dem Geistigen, als der Wesenheit des Christenthums, sich aussprach [...], [...] das Leben der damaligen Staaten von Europa beseelte, und sie alle in einem einzigen, höheren vereinigte, der als ein Wundergebilde in der modernen[1] Geschichte[1] dasteht, welchem die ganze nachfolgende Zeit[3] bis auf unsere Tage nichts Aehnliches an die Seite stellen kann..
[57] Rottmanner, Krit. Jacobi (1808), 29 f. (30): Wir haben oben das sogenannte Mittelalter als die Periode der christlichen Bildung[5], so wie den Feudalismus und die Hierarchie als ihre äußere Gestaltung [...] bezeichnet, welche Form denn durch ihre Ausartung, indem sie sich zur Wesenheit constituirt und von 〈30〉 dem Geiste, dessen Offenbarung sie seyn sollte, losgetrennt hatte, allmählig das Ende des romantischen[13], ideal-religiösen Zeitalters herbeyführte..
[58] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 440: Der Protestantismus entstand und war historisch nothwendig. Preis den Heroen, welche zu jener Zeit, für einige Theile der Welt wenigstens, die Freiheit[1] des Denkens und der Erfindung auf ewig befestigten! Das Princip, das sie weckten, war in der That neu beseelend, und konnte, verbunden mit dem Geist[12/14?] des klassischen[7] Alterthums[2], unendliche Wirkungen hervorbringen, da es in der That seiner Natur[1] nach unendlich war [...]. ➢ Volltext.
[59] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 645: Der Geist der modernen[1] Zeit[3], der im Allgemeinen schon früher dargestellt worden ist, bringt die Beschränkung der modernen[1] Lyrik in Ansehung der Gegenstände mit sich. Bild und Begleitung eines öffentlichen und allgemeinen Lebens – eines Lebens in einem organischen[6] Ganzen – konnte die Lyrik in den modernen[1] Staaten nicht mehr werden. Es blieben für sie keine andern Gegenstände als entweder die ganz subjektiven, einzelne momentane Empfindungen, worein sich die lyrische Poesie[11] auch in den schönsten Ergüssen der spätern Welt verloren hat, und aus denen nur sehr mittelbar ein ganzes Leben hervorleuchtet, oder dauernde auf Gegenstände sich beziehende Gefühle, wie in den Gedichten des Petrarca, wo das Ganze wieder eine Art von romantischer[1] oder dramatischer Einheit wird. ➢ Volltext.
[60] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 683: Wir haben den Kreis der epischen Formen, wiefern sie im Geist der modernen[1/8?] und romantischen[1/13?] Poesie[11] möglich sind, durchlaufen. ➢ Volltext.
[61] Schelling, Bild. Künste (1807), 15: Den Gestirnen ist die erhabenste Zahl und Meßkunst lebendig eingebohren, die sie, ohne einen Begriff[1] derselben, in ihren Bewegungen ausüben. Deutlicher obwohl ihnen selbst umfaßlich erscheint die lebendige Erkenntniß in den Thieren[1], welche wir darum, sind sie gleich besinnungslos, unzählige Wirkungen vollbringen sehen, die viel herrlicher sind als sie selbst: den Vogel, der von Musik[6] berauscht in seelenvollen Tönen[11] sich selbst übertrifft, das kleine Kunstbegabte Geschöpf, das ohne Uebung und Unterricht leichte Werke der Architektur vollbringt, alle aber geleitet von einem übermächtigen Geist, der schon in einzelnen Blicken von Erkenntniß leuchtet, aber noch nirgends als die volle Sonne, wie im Menschen[1], hervortritt..
[62] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 36: Das Genie[2] dieser Nation[1], durch den Geist des Handels und den Verkehr mit so vielen Völkern[1] entwickelt, glänzte in nützlichen Erfindungen; im Schooße des Ueberflusses und der Freiheit[6] reiften alle edleren Künste[2]..
[63] Schiller, Brief. Don Karlos (1788), NA 22, 146: Der Geist[12] der Völker[1] wird von ihm studiert, ihre Kräfte, ihre Hülfsmittel abgewogen, ihre Verfassungen geprüft; im Umgange mit verwandten Geistern[32] gewinnen seine Ideen Vielseitigkeit und Form; geprüfte Weltleute, wie ein Wilhelm von Oranien, Coligny u. a. nehmen ihnen das Romantische[7] und stimmen sie allmählich zu pragmatischer Brauchbarkeit herunter [...]..
[64] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 436: Auch jetzt ist die Natur[19] noch die einzige Flamme, an der sich der Dichtergeist nähret, aus ihr allein schöpft er seine ganze Macht, zu ihr allein spricht er auch in dem künstlichen, in der Kultur[4] begriffenen Menschen. Jede andere Art zu wirken, ist dem poetischen[4] Geiste fremd[5]; daher, beiläufig zu sagen, alle sogenannten Werke des Witzes[2] ganz mit Unrecht poetisch[4] heißen, ob wir sie gleich lange Zeit[6], durch das Ansehen der französischen Litteratur verleitet, damit vermenget haben. Die Natur[19], sage ich, ist es auch noch jetzt, in dem künstlichen Zustande der Kultur[4], wodurch der Dichtergeist mächtig ist, nur steht er jetzt in einem ganz andern Verhältniß zu derselben..
[65] Schiller, Chor. Trag. (1803), VI: Wem die Natur[2] zwar einen treuen Sinn[9] und eine Innigkeit des Gefühls verliehen, aber die schaffende Einbildungskraft versagte, der wird ein treuer Mahler des Wirklichen seyn, er wird die zufällige Erscheinungen aber nie den Geist[12] der Natur[2] ergreifen. Nur den Stoff der Welt wird er uns wiederbringen, aber es wird eben darum nicht unser Werk, nicht das freie Produkt unsers bildenden Geistes[19] seyn, und kann also auch die wohlthätige Wirkung der Kunst[2], welche in der Freiheit[10] besteht, nicht haben. Ernst zwar, doch unerfreulich ist die Stimmung, mit der uns ein solcher Künstler und Dichter entläßt, und wir sehen uns durch die Kunst[2] selbst, die uns befreien sollte, in die gemeine enge Wirklichkeit peinlich zurück versezt. Wem hingegen zwar eine rege Phantasie[1] aber ohne Gemüth und Charakter[3] zu Theil geworden, der wird sich um keine Wahrheit bekümmern; sondern mit dem Weltstoff nur spielen, nur durch phantastische[2] und bizarre Combinationen zu überraschen suchen, und wie sein ganzes Thun nur Schaum und Schein ist, so wird er zwar für den Augenblick unterhalten, aber im Gemüth nichts 〈VII〉 erbauen und begründen. Sein Spiel ist, so wie der Ernst des andern, kein poetisches[1]. Phantastische[2] Gebilde willkührlich aneinander reihen, heißt nicht ins Ideale gehen, und das Wirkliche nachahmend wieder bringen, heißt nicht die Natur[10] darstellen..
[66] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 58: Vom Volksaberglauben, der sich zum ursprünglichen Mythus ungefähr so verhält, wie die Volkspoesie nach der entstandenen Prosa[1] zur Naturpoesie vor derselben, muß noch unterschieden werden, wenn der poetische[2] Geist der Sitten und Verfassung eines Volkes[1], oder selbst eines einzelnen Standes nach Erlöschung der mythischen Nationalreligion wieder jenen Partialmythus hervorbringt, z. B. die romantische[12/2] Ritterfabel des Mittelalters. Diese neumythischen Dichtungen können füglich, wenn sie vom Volke[5] gedichtet sind, nicht so feinen Geist und reinen Geschmack haben, als wenn fühlende Dichter[1] sie schaffen. Diese müßten also jenen ohne Not verfeinern und ausbilden..
[67] A. W. Schlegel, an Goethe (4. 2. 1799), KW, 83 f. (84): Voß besitzt bey der Vertrautheit mit dem Buchstaben[8] der alten[10] Poesie[11] 〈84〉 doch gar zu wenig von ihrem Geiste..
[68] A. W. Schlegel, Gemählde (1799), 51 f. (52): Waller. Einige [...] [Kunstwörter] sagen nichts mehr als die Ausdrücke des gemeinen Lebens; andre gehen dar〈52〉auf aus, den Geist der Kunst[1] [...] auf mechanische Griffe herunter zu setzen. | Reinhold. Jedem Handwerke wird ja seine besondre Sprache[3] vergönnt. Es sind doch nützliche Abbreviaturen, womit man sich am geschwindesten verständigen kann. | Waller. Nur werden sie gar zu oft gemißbraucht, um damit den Kenner zu spielen, da sie nichts weiter beweisen, als daß einer den Buchstaben[10] des Buchstabens[8] inne hat.
➢ Volltext
.[69] A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 277: In Ihrem Don Quixote erkenne ich die reiche Zierlichkeit, die wohlklingende und gerundete Umständlichkeit der Castilianischen Prosa[1]; in den Liedern und Sonetten glaube ich Laute jener süßen südlichen Poesie[3] zu vernehmen, deren geistiger Geist und sinnreich zarte Gefühle uns noch so fremde[4] sind. ➢ Volltext.
[70] A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 280: Cervantes hätte Recht gehabt, sich die meisten bisherigen Uebersetzungen seines Don Quixote zu verbitten, namentlich die neuern Französischen und die daher abgeleiteten (die Engländer besitzen, so viel ich weiß, bis jetzt noch keine andere), welche bloß den prosaischen[3] Bestandtheil der Satire übrig lassen, die dichterische Ausführung aber, die reizende und zuweilen erhabene Zusammenstellung der Parodie auf die veraltete Abentheuerlichkeit der ritterlichen Romanzi mit eingewebten romantischen[7] Dichtungen in einem ausgebildeteren Geiste größtentheils zerstören. Der Sinn[5] für diese Dinge erwacht auch erst allmählig wieder, vor zwanzig Jahren konnte man ja in Deutschland nicht hoffen, daß dies Meisterwerk in seiner ursprünglichen vollständigen Gestalt gefallen würde, und wer weiß wie vielen es noch jetzt ein Aergerniß und eine Thorheit ist. ➢ Volltext.
[71] A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 282: Zu Ronsards Zeiten konnte man sich im Französischen noch zur Nachbildung eines Dante oder Petrarca erheben; jetzt ist das vorbey. Eben so erscheinen die älteren Römischen Dichter, bis auf den Catull herunter etwa, mit großer Wahrheit Griechische Poesien[3] übertragen zu haben, sie machten sogar die dem Geist der Lateinischen Sprache[3] widersprechenden zusammengesetzten Beywörter nach. ➢ Volltext.
[72] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 545: Die Neueren[3] haben sich die Kunstausdrücke der Alten[10] von den Gattungen angeeignet, oft aber etwas ganz anderes damit gemeynt. Zuweilen haben sie aber auch die Poesie[1] auf gelehrte Weise getrieben, und sind von der Nachahmung der Alten[10] ausgegangen. Die so entstandnen Werke werde ich, da man sie wegen ihres oft großen Ansehens bey geringem eigenthümlichen Werth und Geist, nicht ganz übergehen kann, bey Abhandlung der Griechischen[2] Vorbilder ebenfalls anfügen, um 〈546〉 bey der neueren[3] Poesie[11] die Entwicklung des Romantischen[4] so wenig als möglich zu unterbrechen. Ich nehme den Fall aus, wo ein Werk zwar mit der Intention entworfen worden, classisch[5] zu seyn, wo aber doch romantische[4] Elemente sich ihm eingemischt haben, und vielleicht das beste darin sind, wie es z. B. mit Tasso's befreytem Jerusalem der Fall ist. 〈Tasso hatte nächst dem Virgil wohl den sehr romantischen[4] Camoens vor Augen, und wirkte wieder auf den gar nicht romantischen[4] Milton.〉.
[73] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 709: Die neueren[3] Theoristen haben sich vielfältig mit dem Lehrgedicht herumgeschlagen: einige haben es viel zu wichtig genommen, andre [...] haben es mit Unrecht ganz verworfen und aus dem Gebiet der Poesie[11] verwiesen. Das versteht sich von selbst, daß, wenn man das höchste in ihr sucht, von technischen Lehrgedichten gar nicht die Rede seyn kann; auch leuchtet es sogleich ein, daß das Ganze solcher Werke nicht poetisch[1] ist, sondern nur logisch zusammengehalten wird; dieß verhindert aber nicht die Ächtheit der einzelnen poetischen[4] Elemente, die daran sehr schätzbar seyn können. Die Poesie[11] hat, wie jede andre Kunst[2], ihren Geist und ihren Buchstaben[8]: sollte es nicht erlaubt und vortheilhaft seyn zuweilen auch den Buchstaben[8] isolirt, ohne den Geist, zu bearbeiten und auszubilden. Freylich muß es alsdann mit tüchtiger Gründlichkeit und Meisterschaft geschehen [...]..
[74] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 712: Boileau hat es am meisten auf einen methodischen, vollständigen Unterricht abgesehen: allein da er so gar nichts von dem höheren Geiste der Poesie[18] besitzt, noch darüber zu sagen weiß, so könnte man billig eine ganz andre Meisterschaft und Gründlichkeit über den Buchstaben[8] derselben von ihm fodern. Seine Lehren darüber sind aber höchst trivial, oberflächlich..
[75] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 7: Meine damalige Einleitung über den Geist[13/15] unsers Zeitalters und seine Verhältnisse zur Vorzeit wünsche ich bey meinen Zuhörern (sie ist seitdem in Druck erschienen) voraussetzen [...] zu dürfen..[76] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 52: Allgemein betrachtet, ist ein gewisses Gesetz der Form [...] Bedingung freyer Individualität in der Kunst[2] wie in der Natur[2], denn was zu keiner Gattung von Organisationen[1/7] gehört, ist monstros. Noch mehr als gegen die Dichterlinge möchte ich den Terrorismus der Formen gegen die zugleich unwissenden und gefühllosen Kritiker wenden. Sie sollten sich nicht erfrechen, über den Geist umfassender Werke abzusprechen, ohne den Buchstaben[8] der Poesie[18] erlernt zu haben, und dabey ganz von unten auf dienen. So giebt es einen oder den anderen Kunstrichter, dem ich rathen würde einmal alle hochfliegende Gedanken fahren zu lassen, und einige Jahre im stillen darüber zu ruminiren, was wohl ein Triolet sey. Wenn er darüber Rechenschaft geben könnte, so machte man ihn zum kritischen[3] Baccalaureus oder Licentiaten, und so könnte er allmählich zur Doctorwürde befördert werden..
[77] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 130: Unter den Quellen der romantischen[12] Poesie[11] und ihren früheren Naturproducten haben wir bis jetzt von allem demjenigen geredet, was zusammen die romantische[12] Mythologie ausmacht, und als Stoff einer höheren Ausbildung in andern Formen empfänglich war, wo also besonders Erfindung der Begebenheiten und Geist der Composition im Ganzen in Betracht kam. Hierher gehörten die Rittergedichte, welche nachher zum Teil in Prosa[1] aufgelöst im Druck erschienen [...]. [...] Endlich die eigentliche Volkspoesie der vorigen Jahrhunderte, worunter besonders die Romanze, als reichhaltigen poetischen[4] Stoff in der einfachsten Gestalt darbietend, hervorsticht [...]. Mit dieser kamen wir bis auf ziemlich moderne[8] Zeiten[3] herunter, die [...] schon ziemlich weit über die Epoche der romantischen[12] Kunstpoesie hinübergreifen. Wir müssen jetzt in der Zeit[1] beträchtlich wieder zurückgehn, um auf eine Classe[1] von Dichtern zu kommen, deren Hervorbringungen weniger durch den Inhalt, [...] als durch die Formen Vorbilder für die romantische[12] Kunst[3] geworden sind: ich meyne die Provenzalischen Troubadours..
[78] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 318: [Das] Wortspiel [...], welches ganz unbilliger Weise, vielleicht durch den damit getriebnen Misbrauch, noch mehr aber durch die Unfähigkeit dergleichen zu erfinden, im Gebiet des Geschmacks so übel verrufen ist, bezweckt eine witzige Vergleichung oder Entgegensetzung, welche durch Einerleyheit, Ähnlichkeit oder Verschiedenheiten der Wörter im Klange mehr ins Licht gesetzt wird, und so gleichsam eine sinnliche Überzeugung mit sich führt. Es wird an die Sprache[1] die Foderung gemacht, daß das Äußere und Innere mit einander in Übereinstimmung stehen, daß also auch Verwandtes und Ähnliches durch ähnliche Laute bezeichnet seyn soll. Bey einer ausgebildeten Sprache[1] welche den Charakter[1] der willkührlichen Bezeichnung gewonnen hat, ist dieß nun nicht durchgehends möglich; es wird also bey dem Wortspiel ein zufälliger Vortheil, welchen die Sprache[1] darbietet, benutzt, um sie zu dieser Bestimmung, die Gegenstände zu mahlen, zurückzuführen: und es ist eben dem Geiste des fröhlichen Scherzes sehr angemessen, die wahre Etymologie und Grammatik mit selbstbewußter Willkühr bey Seite zu schieben, und der Sprache[1] einigen Zwang anzuthun. Dieß darf freylich da nicht geschehen, wo das Wortspiel einen ernsten Eindruck machen soll, wie es denn majestätische, erhabne, und wiederum äußerst zarte Wortspiele geben kann, welche gleichsam die Mysterien der Fantasie[2] enthüllen..[79] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 5: Und hier zuvor noch einige Worte über den Geist meiner Kritik[2], eines Studiums, dem ich einen großen Theil meines Lebens gewidmet habe.
➢ Volltext
.[80] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 13: Das ganze Spiel lebendiger Bewegung beruht auf Einstimmung und Gegensatz. Warum sollte sich diese Erscheinung nicht auch in der Geschichte[1] der Menschheit[2] im großen wiederhohlen? Vielleicht wäre mit diesem Gedanken der wahre Schlüssel zur alten[10] und neuen[5] Geschichte[1] der Poesie[11] und der schönen[2] Künste[1] gefunden. Die, welche dieß annahmen, haben für den eigenthümlichen Geist der modernen[1] Kunst[2], im Gegensatz mit der antiken[2] oder classischen[7/5], den Namen romantisch[12/4] erfunden. Allerdings nicht unpassend: das Wort[1] kommt her von romance, der Benennung der Volkssprachen, welche sich durch die Vermischung des Lateinischen mit den Mundarten[1] des Altdeutschen gebildet hatten, gerade wie die neuere[5] Bildung[5] aus den fremdartigen Bestandtheilen der nordischen Stammesart und der Bruchstücke des Alterthums[3] zusammengeschmolzen ist, da hingegen die Bildung[5] der Alten[10] weit mehr aus einem Stücke war. ➢ Volltext.
[81] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 14 f. (15): [I]n der Musik[1] hat Rousseau den Gegensatz anerkannt, und gezeigt, wie Rhythmus und Melodie das herrschende Prinzip der antiken[2], Harmonie der modernen[1] Musik[1] sey. Er verwirft aber einseitig die letztere, worin wir ganz und gar nicht mit ihm einig seyn können. Ueber die bildenden Künste[2] thut Hemsterhuys den sinnreichen Ausspruch: die alten[10] Mahler seyen vermuthlich zu sehr Bildhauer gewesen, die neueren[3] Bildhauer seyen zu sehr Bildhauer [sc. Mahler]. Dieß trifft den eigentlichen Punkt; denn, wie ich es in der Folge deutlicher entwickeln 〈15〉 werde, der Geist der gesamten antiken[2] Kunst[4] und Poesie[1] ist plastisch[3], so wie der modernen[1] pittoresk[2]. ➢ Volltext.
[82] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 32: Der Pastor fido insbesondre ist eine unnachahmliche Hervorbringung: originell und doch classisch[3]; romantisch[7] durch den Geist der dargestellten Liebe: in den Formen mit dem großen einfachen Gepräge des classischen[3/7] Alterthums[2] bezeichnet; neben den süßen Tändeleyen der Poesie[3] voll von hoher keuscher Schönheit[6] des Gefühls. Keinem Dichter 〈33〉 ist es wohl so gelungen, die moderne[1] und antike[2] Eigenthümlichkeit zu verschmelzen. Für das Wesen der alten[10] Tragödie zeigt er einen tiefen Sinn[5], denn die Idee des Schicksals beseelt die Grundanlage seines Stückes, und die Hauptcharakter kann man idealisch[1] nennen; er hat zwar auch Caricaturen eingemischt, und die Composition deswegen Tragikomödie genannt: allein sie sind es nur durch ihre Gesinnungen, nicht durch den Unadel der äußern Sitten, gerade wie die alte[10] Tragödie selbst den untergeordneten Personen, Sklaven oder Boten, ihren Antheil an der allgemeinen Würde leiht. ➢ Volltext.
[83] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 113 f. (114): Warum ist aber dennoch das Verfahren der griechischen[2] und der romantischen[12] Dramatiker in Absicht auf Ort und Zeit[6] so sehr verschieden? [...] 〈114〉 [...] Die Hauptursache des Unterschiedes ist [...] der plastische[3] Geist der antiken[2], und der pittoreske[2] der romantischen[12] Poesie[11]. Die Sculptur richtet unsre Betrachtung ausschließend auf die dargestellte Gruppe, sie entkleidet sie möglichst aller äußern Umgebungen, und wo sie deren nicht ganz entrathen kann, deutet sie solche doch nur leicht an. Die Mahlerey[1] hingegen liebt es, mit den Hauptfiguren zugleich den umgebenden Ort und alle Nebenbestimmungen ausführlich darzustellen, und im Hintergrunde Ausblicke in eine gränzenlose Ferne zu öffnen; Beleuchtung und Perspectiv sind ihr eigentlicher Zauber. Daher vernichtet die dramatische, besonders die tragische Kunst[3] der Alten[10] gewisser〈115〉maßen die Aeußerlichkeiten von Raum und Zeit[6]; das romantische[12] Drama schmückt vielmehr durch deren Wechsel seine mannichfaltigeren Gemählde. Oder noch anders ausgedrückt: das Prinzip der antiken[2] Poesie[11] ist idealistisch, das der romantischen[12] mystisch; jene unterwirft Raum und Zeit[6] der innern Freythätigkeit des Gemüths, diese verehrt diese unbegreiflichen Wesen als übernatürliche Mächte, denen auch etwas göttliches inwohnt. ➢ Volltext.
[84] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 13 f. (14): Die antike[2] Kunst[11] und Poesie[11] geht auf strenge Sonderung des Ungleichartigen, die romantische[12] gefällt sich in 〈14〉 unauflöslichen Mischungen; alle Entgegengesetzten: Natur[19] und Kunst[13], Poesie[3] und Prosa[1], Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahndung[1], Geistigkeit und Sinnlichkeit, das Irdische und Göttliche, Leben und Tod, verschmelzt sie auf das innigste mit einander. [...] [D]ie gesamte alte[10] Poesie[11] und Kunst[11] [ist] gleichsam ein rhythmischer Nomos, eine harmonische Verkündigung der auf immer festgestellten Gesetzgebung einer schön[1] geordneten und die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden Welt. Die romantische[12/4] hingegen ist der Ausdruck des geheimen Zuges zu dem immerfort nach neuen[1] und wundervollen Geburten ringenden Chaos, welches unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schooße sich verbirgt: der beseelende Geist[12/1] der ursprünglichen Liebe schwebt[1] hier von neuem[2] über den Wassern. Jene ist einfacher, klarer, und der Natur[2] in der selbständigen Vollendung ihrer einzelnen Werke ähnlicher; diese, ungeachtet ihres fragmenta〈15〉rischen Ansehens, ist dem Geheimniß des Weltalls näher. Denn der Begriff[5] kann nur jedes für sich umschreiben, was doch der Wahrheit nach niemals für sich ist; das Gefühl wird alles in allem zugleich gewahr. ➢ Volltext.
[85] D. Schlegel, Gespr. Rom. Frz. (1803), 97: [W]ie muß denn ein Roman[1] seyn? – Er muß romantisch[7] seyn. – Wie? fragte Adelheid, ist Delphine nicht voll der zartesten Schwärmerei, voll von romantischen[7] Situationen? – [...] Nicht dergleichen meine ich [...], sondern den Geist der Poesie[14], der die Schilderungen der Natur[2], der Charaktere[7] und Begebenheiten, in einem gewissen Sinne[1] beleben und durchwehen muß, um sie zu einem romantischen[7/1] Gedicht, oder Roman[1] zu bilden; an Poesie[14] fehlt es der Delphine, deßhalb steht alles hart und einzeln da. – Aber [...] wenn nun einmal die Poesie[14] nicht die Absicht dieses Werks war, sondern vielmehr die Charakteristik gewisser Menschen, die Grundsätze ihrer Moralität und ihres Lebens, und ihre mannichfache Stimmungen auszumahlen? – Jede Absicht des Lebens [...] kann in einem Roman[1] entwik〈98〉kelt werden, nur muß ein poetisches[1] Gemüth dieselben auffassen und darstellen, und nur dann kann diese Ansicht auch des gewöhnlichsten Lebens harmonisch werden [...]. [...] [E]in Roman[1] muß ein Kunstwerk[2], muß Poesie[14] seyn; und hier ist von keiner andern als von der höhern Moralität die Rede, die auch die einzig wahre ist. Das andre ist conventionelle nothwendig gewordene Lebensregel, und findet nicht Statt in einem Kunstwerke[2]; die Poesie[14] ist an sich Moral, denn alle Gesetze der ewigen Güte sind Inspiration, Poesie[14]..
[86] F. Schlegel, Philos. Lehrj. I (*1796), KFSA 18, 5, Nr. 16: Den φ [philosophischen] Geist[12/21?] hat außer d[em] Kritiker nur der Sk[eptiker] und My[stiker]; der Emp[iriker] redet nur Buchstaben[9] ohne Geist[30], Worte[2], spielt mit Formeln..
[87] F. Schlegel, an A. W. Schlegel (26. 8. 1797), KFSA 24, 8: Hermann und Dorothea [...] ist das herzlichste, biederbste, edelste, naivste[2] und sittlichste unter G[oethe]'s Gedichten. [...] Das Gedicht ist offenbar mit der Absicht gedichtet, so sehr altes[10] Griechisches[2] επος zu seyn, als bey dem romantischen[12] Geist, der im Ganzen lebt, möglich wäre. Bey sehr großer Aehnlichkeit im Einzelnen ist also absolute Verschiedenheit im Ganzen. Durch diesen romantischen[12] Geist ist es weit über Homer, dem es aber an ηθος und Fülle wieder weit nachsteht. Man könnte es ein romantisirtes[6] επος nennen. Aber freylich in ganz anderm Sinne, als das Romanzo der Italiäner. – Auch 〈9〉 wo es am antiksten[2] und naivsten[1], und am homerischsten scheint, läßt s.[ich] doch ein Bewußtseyn, eine Selbstbeschränkung wahrnehmen, die höchst unhomerisch oder vielmehr überhomerisch sind..
[88] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 93, Nr. 101: Pedanterie mit d[em] Buchstaben[8] d[es] Alterthums[3] ist recht gut, wenn man auch d[en] Geist hat..
[89] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 93, Nr. 105: Kl.[opstock] hat d[en] Buchstaben[8] des Alterthums[2] mehr als Goethe, d[en] Geist mehr als Voß. Vorbild einer künftig[en] Vereinigung..
[90] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 94, Nr. 106: Sollte es nicht ein Dichtungswerk geben können das
zugleich Roman
und classisch[e]
Komödie
wäre, [...] in Geist
und Buchstabe classisch und doch universell und progressiv?.[91] F. Schlegel, G. Forster (1797), 42: Viele deutsche Schriften handeln von der Sittlichkeit: wenige sind sittlich. Wenige vielleicht in höherm Maaß, wie Forsters; in ihrer Gattung wenigstens, keine. Zwar strengere Begriffe[1] zu haben, ist wohlfeil, wenn es bloß Begriffe[1] sind. Was er wußte, meinte und glaubte, war in Saft und Blut verwandelt. Wie in allen Stücken, so auch in diesem wird man Buchstaben[8] und Namen ohne den Geist, in Forsters Schriften vergeblich suchen. Überall zeigt sich in ihnen eine edle und zarte Natur[16], reges Mitgefühl, sanfte und billige Schonung, warme Begeisterung[3] für das Wohl der Menschheit[2], eine reine Gesinnung, lebhafter Abscheu alles Unrechts. ➢ Volltext.
[92] F. Schlegel, G. Forster (1797), 59: Es ist das allgemeine und unvermeidliche Schicksal geschriebner Gespräche, daß ihnen die Zunftgelehrten übel mitspielen. Wie breit und schwerfällig haben sie zum Beispiel von jeher die Sokratische Ironie[3] misdeutet und mishandelt, auf die man anwenden könnte, was Plato vom Dichter sagt: Es ist ein zartes, geflügeltes und heiliges Ding. Auch Forster kennt die feinste Ironie[3], und von groben Händen wird sich der flüchtige Geist seiner geschriebnen Gespräche nie greifen lassen. Denn das sind alle seine Schriften, fast ohne Ausnahme; ohnerachtet der Ausdruck noch lange nicht so abgerissen, hingeworfen und keck ist, wie in ähnlichen Geisteswerken der lebhafteren Franzosen: sondern periodischer, wie es einem Deutschen ziemt. ➢ Volltext.
[93] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 156, Nr. 93: In den Alten[10] sieht man den vollendeten Buchstaben[8] der ganzen Poesie[11]: in den Neuern[3] ahnet[3] man den werdenden Geist. ➢ Volltext.
[94] F. Schlegel, Philolog. I (*1797), KFSA 16, 35, Nr. 8: Weit mehr muß insistirt werden auf den Historismus, der zur Philol.[ogie] nothwendig. Auf Geist, gegen den Buchstaben[8]. Das gehört mit zum Historismus, so wie auch Gesetze, Arten, Stufen, Gränzen, Verhältnisse pp Ganzheit pp 〈Lage, Classizität〉. [...] Der Philolog selbst muß Philosoph seyn..
[95] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 212: Das unsterbliche Werk des größten historischen Künstlers der Modernen, die Schweizergeschichte von Johannes Müller ist im größten Römischen Styl entworfen und ausgeführt. Im Einzelnen athmet das Werk durch und durch echten Sinn[5] der Alten: im Ganzen aber verfällt es dennoch wieder ins Manierirte, weil neben dem klassischen[7] Geist auch die antike Individualität affektirt ist. ➢ Volltext.
[96] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 40, Nr. 155: Die rohen kosmopolitischen Versuche der Carthager und andrer Völker[1] des Alterthums[3] erscheinen gegen die politische Universalität der Römer, wie die Naturpoesie ungebildeter Nazionen[1] gegen die klassische[3] Kunst[12] der Griechen. Nur die Römer waren zufrieden mit dem Geist des Despotismus, und verachteten den Buchstaben[8]; nur sie haben naive[2] Tyrannen gehabt. ➢ Volltext.
[97] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 58, Nr. 220: Ist aller Witz[2/3/4] Prinzip und Organ[1] der Universalphilosophie, und alle Philosophie nichts andres als der Geist der Universalität, die Wissenschaft aller sich ewig mischenden und wieder trennenden Wissenschaften, eine logische Chemie: so ist der Werth und die Würde jenes absoluten, enthusiastischen, durch und durch materialen Witzes[4], worin Baco und Leibniz, die Häupter der scholastischen Prosa[1], jener einer der ersten, dieser einer der größten Virtuosen war, unendlich. ➢ Volltext.
[98] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 69, Nr. 252: Eine eigentliche Kunstlehre der Poesie würde mit der absoluten Verschiedenheit der ewig unauflöslichen Trennung der Kunst und der rohen Schönheit anfangen. Sie selbst würde den Kampf beyder darstellen, und mit der vollkommnen Harmonie der Kunstpoesie und Naturpoesie endigen. Diese findet sich nur in den Alten, und sie selbst würde nichts anders seyn, als eine höhere Geschichte vom
Geist
der klassischen Poesie. ➢ Volltext
.[99] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 70, Nr. 253: In dem edleren und ursprünglichen Sinne[1] des Worts[1] Korrekt, da es absichtliche Durchbildung und Nebenausbildung des Innersten und Kleinsten im Werke nach dem Geist des Ganzen, praktische Reflexion des Künstlers, bedeutet, ist wohl kein moderner[1] Dichter korrekter als Shakspeare. So ist er auch systematisch wie kein andrer: bald durch jene Antithesen, die Individuen, Massen, ja Welten in mahlerischen[4] Gruppen kontrastiren lassen; bald durch musikalische[5] Symmetrie desselben großen Maßstabes, durch gigantische Wiederholungen und Refrains; oft durch Parodie des Buchstabens[8] und durch Ironie[1] über den Geist des romantischen[12] Drama und immer durch die höchste und vollständigste Individualität und die vielseitigste alle Stufen der Poesie[11] von der sinnlichsten Nachahmung bis zur geistigsten Charakteristik vereinigende Darstellung derselben.
➢ Volltext
.[100] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 129, Nr. 418: [D]er Sternbald vereinigt den Ernst und den Schwung des Lovell mit der künstlerischen Religiosität des Klosterbruders und mit allem was in den poetischen[4] Arabesken, die er aus alten[1] Mährchen gebildet, im Ganzen genommen das Schönste[1] ist: die fantastische[2] Fülle und Leichtigkeit, der Sinn[5] für Ironie[3], und besonders die absichtliche Verschiedenheit und Einheit des Kolorits. Auch hier ist alles klar und transparent, und der romantische[4/12/1/9] Geist[11/12?] scheint angenehm über sich selbst zu fantasiren. ➢ Volltext.
[101] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 13: Ich lebe wenigstens als Autor in der Welt, und so könnte ich wohl mit dem strengsten Ernste darüber nachdenken, was auch in dieser Rücksicht für das Volk[4] das heilsamste sey, und was von den Priestern und den Regenten zu wünschen wäre. Vor allen Dingen aber kann es mich reizen, den Geist der Zeitalter und der Nazionen[1], auch in der Religion[3] zu erspähen und zu errathen.
➢ Volltext
.[102] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 58: Die Vernunft ist nur eine und in allen dieselbe: wie aber jeder Mensch seine eigne Natur hat und seine eigne Liebe, so trägt auch jeder seine eigne Poesie in sich. Die muß ihm bleiben und soll ihm bleiben, so gewiß er der ist, der er ist, so gewiß nur irgend etwas Ursprüngliches in ihm war; und keine Kritik kann und darf ihm sein eigenstes Wesen, seine innerste Kraft rauben, um ihn zu einem allgemeinen Bilde ohne
Geist
und ohne Sinn zu läutern und zu reinigen, wie die Thoren sich bemühen, die nicht wissen was sie 〈59〉
➢ Volltext
.[103] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 79: Auf einem andern ganz neuen[1], aber nur einmal anwendbaren Wege gelang es dem Guarini, im Pastorfido, dem größten ja einzigen Kunstwerke[3] der Italiäner nach jenen Großen, den romantischen[12] Geist und die classische[7] Bildung[10] zur schönsten[1] Harmonie zu verschmelzen [...]. ➢ Volltext.
[104] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 83: Liebe, Freundschaft und edle Gesellschaft wirkten [...] eine schöne[2] Revoluzion in seinem [Shakspeare's] Geiste[19]; die Bekanntschaft mit den zärtlichen Gedichten des bey den Vornehmen beliebten Spenser gab seinem neuen[1] romantischen[2/4] Schwunge Nahrung, und dieser mochte ihn zur Lektüre der Novellen führen, die er [...] fantastisch[2] reizend dramatisirte. Diese Ausbildung floß nun auch auf die historischen Stücke zurück, gab ihnen mehr Fülle, Anmuth und Witz[1] und hauchte allen seinen Dramen den romantischen[2/4] Geist[12] ein, der sie in Verbindung mit der tiefen Gründlichkeit am eigensten charakterisirt, und sie zu einer romantischen[2/4] Grundlage des modernen[1] Drama constituirt, die dauerhaft genug ist für ewige Zeiten[2].
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.[105] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 174: Das Charakteristische[1] im Tasso ist der Geist der Reflexion und der Harmonie; nämlich daß alles auf ein Ideal von harmonischem Leben und harmonischer Bildung[2] bezogen und selbst die Disharmonie in har〈175〉monischem Ton[12] gehalten wird. Die tiefe Weichlichkeit einer durchaus musikalischen[7] Natur[17] ist noch nie im Modernen[1] mit dieser sinnreichen Gründlichkeit dargestellt. Alles ist hier Antithese und Musik[7], und das zarteste Lächeln der feinsten Geselligkeit schwebt[5] über dem stillen Gemählde, das sich am Anfange und Ende in seiner eignen Schönheit[1] zu spiegeln scheint. Es mußten und sollten Unarten eines verzärtelten Virtuosen zum Vorschein kommen: aber sie zeigten sich im schönsten[1] Blumenschmuck der Poesie[3] beynah liebenswürdig. Das Ganze schwebt[5] in der Atmosphäre künstlicher Verhältnisse und Misverhältnisse vornehmer Stände, und das Räthselhafte der Auflösung ist nur auf den Standpunkt berechnet, wo Verstand[1] und Willkühr allein herrschen, und das Gefühl beynah schweigt. ➢ Volltext.
[106] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 181 f.: Ludoviko. [...] Der Geist der Poesie[11] ist nur einer und überall derselbe. | Lothario. Allerdings der Geist! Ich möchte hier die Eintheilung in Geist und Buchstaben[8] anwenden. Was Sie [...] dargestellt oder doch angedeutet haben, ist, wenn Sie 〈182〉 wollen, der Geist der Poesie[11]. Und Sie werden gewiß nichts dagegen haben können, wenn ich Metrum und dergleichen ja sogar Charaktere[7], Handlung[3], und was dem anhängt, nur für den Buchstaben[8] halte. Im Geist mag Ihre unbedingte Verbindung des Antiken[2] und Modernen[1] Statt finden [...]. Nicht so im Buchstaben[8] der Poesie[11]. Der alte[10] Rhythmus z. B. und die gereimten Sylbenmaaße bleiben ewig entgegengesetzt. ➢ Volltext.
[107] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 183: [I]ch sehe nicht ein, warum wir uns nur an das Wort[4], nur an den Buchstaben[8/9] des Buchstabens[8] halten, und ihm zu Gefallen nicht anerkennen sollten, daß die Sprache[1] dem Geist der Poesie[2] näher steht, als andre Mittel derselben.
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.[108] F. Schlegel, Ideen (1800), 15, Nr. 61: Man redet schon lange von einer Allmacht des Buchstabens[8], ohne recht zu wissen was man sagt. Es ist Zeit[8] daß es Ernst damit werde, daß der Geist erwache und den verlohrnen Zauberstab wieder ergreife. ➢ Volltext.
[109] F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. I (1804), 332 f. (333): Es hatte nämlich 〈333〉 [...] der Engländer Harris, auf den Unterschied der in sukzessiven und der in coexistenten Medien wirkenden oder bildenden Künste[2] [...] aufmerksam gemacht [...]. Dieser Unterschied nun wurde nebst der Winkelmannischen Schönheit[6] gleichsam Lessings Princip der Kunstforschung. Er nahm ihn ganz an, wandte ihn überall weiter an, suchte ihn ganz ins Reine zu bringen, und ist fast überall damit beschäftigt. Und allerdings verdiente dieser Unterschied wohl die größte Aufmerksamkeit, da er gerade das einzige sehr nahe berührt, was die eigentliche Speculation über die Kunst[2], ihr Wesen und ihre Art festsetzen wollen kann. Wenn man nämlich nicht bloß auf die äußerlichen Bedingungen bei diesem Unterschiede sähe, sondern auf den Geist der Künste[2] selbst, ob diese mehr progressiv[2] oder mehr substantiell, ob das Werdende, Bewegliche in einer Kunst[2] herrschend sey, oder das Seyende, Ruhende; so würde dieser Unterschied zusammenfallen, mit der 〈334〉 großen Scheidung alles höhern menschlichen Thuns und Denkens in Dualismus und in Realismus, je nachdem die Freiheit[1], das unendliche Leben, oder die unbedingte Einheit überwiegend ist..
[110] F. Schlegel, Entw. d. Philos. II (!1804–05), KFSA 13, 92: Zu einer regelmäßigen, gesetzmäßigen Tätigkeit soll der Mensch gebildet, das Gefühl der Ehre in ihm entwickelt und sollen alle seine Fähigkeiten methodisch gelenkt und geleitet werden. | Allein von dem eigentlich Sittlichen der innern Gesinnung kann bei dieser methodisch praktischen Bildung[2] nicht die Rede sein. Diese ist kein Gegenstand der Erziehung; nur das Untergeordnete, was sich auf Anwendung und Ausübung bezieht, der Buchstaben[8] gleichsam der Sittlichkeit, nicht aber ihr Geist kann gelehrt werden. .
[111] F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 212: Während nun auf der einen Seite alle Vernünftler und die, welche vorzüglich in der Gegenwart leben und von dem Geist derselben sich lenken und beherrschen lassen, fast ohne Ausnahme dem verderblichen und zerstörenden Grundsatze ergeben sind, alles durchaus neu und von vorn wie aus Nichts erschaffen zu wollen, ist auf der andern Seite wahre Kenntniß des Alterthums[2] und der Sinn[5] für dasselbe fast verschwunden, die Philologie zu einer in der That sehr schaalen und unfruchtbaren Buchstabengelehrsamkeit herabgesunken, und so bei manchen erwünschten Fortschritten im Einzelnen, doch das Ganze zersplittert und weder Kraft noch lebendiger Geist[27] darin sichtbar. ➢ Volltext.
[112] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 468: So wie die spanische Monarchie bis um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts die größte und glänzendste in Europa, der spanische Nationalgeist der entwickeltste war, so stand auch die Bühne zu Madrid, der lebendige Spiegel dieses Nationallebens, am frühesten in reichem Flor. Diesen Reichthum und die Fülle der Empfindung hat das übrige Europa immer anerkannt, weniger die eigenthümliche Form und Bedeutung, den eigentlichen Sinn[2] und Geist dieses spanischen Schauspiels. Hätte es auch nur den Vorzug, daß es durchaus romantisch[2] ist, so würde es schon dadurch sehr merkwürdig, es würde lehrreich seyn, an diesem Beyspiel zu sehen, welche Art von dramatischer Dichtkunst denn aus der Ritterpoesie, überhaupt aus der dem neueren[3] Europa und dem Mittelalter eigenthümlichen Richtung der Fantasie[1] hervorgehen könne. ➢ Volltext.
[113] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 477: Auch da, wo der Stoff keine Veranlassung darbot, aus Tod und Leiden ein neues[8] Leben vollständig sich entwickeln zu lassen, ist doch alles im Geiste dieser christlichen Liebe und Verklärung gedacht, alles in ihrem Lichte gesehen, in ihren himmlisch glänzenden Farben gemahlt. Calderon ist unter allen Verhältnissen und Umständen, und unter allen andern dramatischen Dichtern vorzugsweise der christliche, und eben darum auch der am meisten romantische[7]. ➢ Volltext.
[114] Schleiermacher, Religion (1799), 129: In der Religion[1] wird das Universum angeschaut, es wird gesezt als ursprünglich handelnd auf den Menschen. Hängt nun Eure Fantasie[2] an dem Bewußtsein Eurer Freiheit[10] so daß sie es nicht überwinden kann dasjenige was sie als ursprünglich wirkend denken soll anders als in der Form eines freien[10] Wesens zu denken; wohl, so wird sie den Geist des Universums personifiziren und Ihr werdet einen Gott[1] haben; hängt sie am Verstande[1], so daß es Euch immer klar vor Augen steht, Freiheit[10] habe nur Sinn[2] im Einzelnen und fürs Einzelne; wohl, so werdet Ihr eine Welt haben und keinen Gott[1]. ➢ Volltext.
[115] Schleiermacher, Brf. Lucind. (1800), 1 f. (2): Ein tüchtiges Urtheil, wie wir es über die Bücher fällen, die so vorkommen, wirst Du doch nicht erwarten? Du weißt ja, [...] wie ich scheu und bedächtig und ehrerbietig mit Allem umgehe, was sich mir als ein eigen gebildetes Wesen ankündigt, sei es ein Mensch[1] oder ein Gedanke oder ein gebildetes Werk, und wie 〈2〉 lange und unersättlich ich bei der Anschauung verweile, ehe ich mich an etwas wage, was einer Uebersicht oder einem Urtheil ähnlich ist. Und nun gar dieses Werk, welches wie eine Erscheinung aus einer künftigen Gott[1] weiß wie weit noch entfernten Welt da steht! Gewiß, sie könnte eben so lange vollendet sein, als sie nun unvollendet ist, ehe ich es mir erlauben würde, in diesem Sinne[1] etwas über die Composition und die Kunst[13] darin überhaupt zu sagen, das heißt wirklich zu meinen. Verhielte sich auch der zweite Theil zu dem ersten nur wie die Rückseite einer Schaumünze oder das Gegenstück eines Gemäldes; so würde ich mir bis zur Vollendung Schweigen[2] und Ungewißheit gebieten, wieviel Betrachtungen dieser Art sich mir auch aufdrängen, seitdem ich mit dem Geist und Charakter[1] des Buchs recht gesättigt bin, und seitdem Friedrich Schlegel seine Ansicht von der romantischen[1] Poesie[1] in so klaren Worten[2] von sich gegeben hat. Doch lieber Freund, dieses Aufschieben eines vollendeten Urtheils geht bei mir nicht nur auf die Composition, sondern auf Alles, und ich müßte zu meinem Unglück weniger hohe Begriffe[1] von dem haben, was die Kritik[2] eigentlich leisten kann und soll, wenn es anders wäre. ➢ Volltext.
[116] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 262 f. (263): Wer [...] den Willen von der Idee, und diese von ihrer Erscheinung zu unterscheiden weiß, dem werden die Weltbegebenheiten nur noch sofern sie die Buchstaben[8] sind, aus denen die Idee des Menschen sich lesen läßt, Bedeutung haben, nicht aber an und für sich. Er wird nicht mit den Leuten glauben, daß die Zeit[1] etwas wirklich Neues und Bedeutsames hervorbringe, daß durch sie oder in ihr etwas schlechthin Reales zum Daseyn 〈263〉 gelange, oder gar sie selbst als ein Ganzes Anfang und Ende, Plan und Entwickelung habe, und etwa zum letzten Ziel die höchste Vervollkommnung (nach ihren Begriffen[1]) des letzten, dreißig Jahre lebenden Geschlechts. [...] In den mannigfaltigen Gestalten des Menschenlebens und dem unaufhörlichen Wechsel der Begebenheiten wird er als das Bleibende und Wesentliche nur die Idee betrachten, in welcher der Wille zum Leben seine vollkommenste Objektität hat, und welche ihre verschiedenen Seiten zeigt in den Eigenschaften, Leidenschaften, Irrthümern und Vorzügen des Menschengeschlechts, in Eigennutz, Haß, Liebe, Furcht, Kühnheit, Leichtsinn, Stumpfheit, Schlauheit, Witz[1], Genie[2] u. s. w. welche alle, zu tausendfältigen Gestalten (Individuen) zusammenlaufend und gerinnend, fortwährend die große und die kleine Weltgeschichte aufführen, wobei es an sich gleichviel ist, ob, was sie in Bewegung setzt, Nüsse oder Kronen sind. Er wird endlich finden, daß es in der Welt ist, wie in den Dramen des Gozzi, in welchen allen immer die selben Personen auftreten, mit gleicher Absicht und gleichem Schicksal: die Motive und Begebenheiten freilich sind in jedem Stücke andere; aber der Geist der Begebenheiten ist der selbe: die Personen des einen Stücks wissen auch nichts von den Vorgängen im andern, in welchem doch sie selbst agirten: daher ist, nach allen Erfahrungen der früheren Stücke, doch Pantalone nicht behender oder freigebiger, Tartaglia 〈264〉 nicht gewissenhafter, Brighella nicht beherzter und Kolombine nicht sittsamer geworden. ➢ Volltext.
[117] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 39: Raphael wußte in dieser einzelnen Figur hohe Gedanken, ein so erhabenes Nachdenken über eine Schaale voll Wasser auszudrüken, daß man in dem Jüngling Johannes den Täufer erkennt, der in der Wüste seinen göttlichen Beruf überdenkt, und itzt glaubt man, seine erhabene Gedanken über die Taufe selbst zu empfinden. Dieses gränzet nun schon an die hohe Allegorie. Wer nur Körper mahlen kann, muß sich daran nicht wagen. Wenn er auch für jeden einzeln Begriff[1] ein noch so richtiges Bild hätte, so würde der doch nur eine leserliche Hieroglyphe, aber keine Allegorie darstellen. Diese muß uns nicht den Buchstaben[8] der Geschichte[9], sondern ihren Geist geben..
[118] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 257: Erst gegen die Mitte des itzigen Jahrhunderts drang das Genie[2] einiger wahrhaftig schönen und starken Geister[32] durch die Dike der Finsternis hindurch, und zeigte Deutschland in vortrefflichen Proben, so wol das helle Licht der Critik[2], als den wahren Geist der Dichtkunst. Bodmer, Haller, Hagedorn sind die ersten gewesen, die den Schimpf der Barbarey in Absicht auf die Dichtkunst, von Deutschland weggenommen..
[119] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XII: Diese grosse Allgemeinheit und Freiheit[1] ist vielleicht der Character[1] der Deutschen Sprache[3], [...] sie geht immer wieder in ihre alte[5] Wurzel zurück und erinnert sich ihres ehemaligen Geistes..
[120] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), 493 f. (494): Unter den Dichtern aber erreichte Racine in Sprach- und Verskunst eine harmonische Vol〈494〉lendung, wie sie nach meinem Gefühl weder Milton im Englischen, noch auch Virgil im Römischen haben, und die nachher in der französischen Sprache[3] nie wieder erreicht worden ist. Für das Ganze der Poesie[1] hätte man wohl wünschen mögen, daß für die Dichtersprache besonders, neben dieser kunstreichen Vollendung, auch etwas mehr Freyheit[9] übrig gelassen wäre; daß man die altfranzösische Poesie[11] der Ritterzeit, die doch so vieles Schöne[1] und Liebliche, in Erfindung und Sprache[3] hervorgebracht, nicht so ganz unbedingt und ohne Ausnahme verworfen, verachtet und vergessen hätte. Man hätte immer, wie ja auch von den Italienern und andern Nationen[1] geschehen war, einen kunstreichern und ernstern Styl mit dem dichterischen Geist der Ritterzeit verbinden können. Die französische Poesie[1] und die Sprache[3] würde dann etwas mehr von jenem romantischen[2/7] Schwunge und jener alten[6] Dichter-Freyheit[9] erhalten haben, die ihr Voltaire so oft zurück wünscht, und die er ihr auch obwohl zu spät und nur mit halbem Gelingen zum Theil wieder zu geben suchte. ➢ Volltext.
[121] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 11 f. (12): Die Begeisterungen der Dichter und Künstler sind von jeher der Welt ein großer Anstoß und Gegenstand des Streites gewesen. Die gewöhnlichen Menschen können nicht begreifen, was es damit für eine Bewandniß habe, und machen sich darüber durchaus sehr falsche und verkehrte Vorstellungen. Daher sind über die inneren Offenbarungen der Kunstgenies eben so viele Unvernünftigkeiten, in und außer Systemen, methodisch und unmethodisch abgehandelt und geschwatzt worden, als über die Mysterien unsrer heiligen Religion[1]. Die sogenannten Theoristen und Systematiker beschreiben uns die Begeiste〈12〉rung des Künstlers von Hörensagen, und sind vollkommen mit sich selbst zufrieden, wenn sie mit ihrer eiteln und profanen Philosophasterey umschreibende Worte[2] zusammengesucht haben, für etwas, wovon sie den Geist, der sich in Worte[2] nicht fassen läßt, und die Bedeutung nicht kennen. Sie reden von der Künstlerbegeisterung, als von einem Dinge, das sie vor Augen hätten; sie erklären es, und erzählen viel davon; und sie sollten billig das heilige Wort[1] auszusprechen erröthen, denn sie wissen nicht, was sie damit aussprechen.
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.[122] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 121 f. (122): Als Albrecht [Dürer] den Pinsel führte, da war der Deutsche auf dem Völkerschauplatz unsers Welttheils noch ein eigenthümlicher und ausgezeichneter Charakter[6] von festem Bestand; und seinen Bildern ist nicht nur in Gesichtsbildung und im ganzen Äußeren, 〈122〉 sondern auch im inneren Geiste[12], dieses ernsthafte, grade und kräftige Wesen des deutschen Charakters[2] treu und deutlich eingeprägt. In unsern Zeiten[3] ist dieser festbestimmte deutsche Charakter[2], und eben so die deutsche Kunst[4], verloren gegangen. Der junge Deutsche lernt die Sprachen[3] aller Völker[1] Europa's, und soll prüfend und richtend aus dem Geiste[10] aller Nationen[1] Nahrung ziehen; – und der Schüler der Kunst[4] wird belehrt, wie er den Ausdruck Raphaels, und die Farben der venezianischen Schule, und die Wahrheit der Niederländer, und das Zauberlicht des Correggio, alles zusammen nachahmen, und auf diesem Wege zur alles übertreffenden Vollkommenheit gelangen solle. – O traurige Afterweisheit! O blinder Glaube des Zeitalters, daß man jede Art der Schönheit[1], und jedes Vorzügliche aller großen Künstler der Erde, zusammen〈123〉setzen, und durch das Betrachten aller, und das Erbetteln von ihren mannigfachen großen Gaben, ihrer aller Geist[20] in sich vereinigen, und sie alle besiegen könne! ➢ Volltext.
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