[1]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 358
: Überhaupt scheint die Dürftigkeit der Deutschen Gelehrten gegen die Wohlhabenheit der Holländischen, welche einen Theil ihres Vermögens auf literarische Hülfsmittel wenden konnten, und die Nothwendigkeit, ihre meiste Zeit[6] mit dem Unterricht zu verderben, ihren Unternehmungen hinderlich gewesen zu seyn. Indessen hat es in Deutschland von jeher viele gründliche Philologen gegeben. Nur in den neuesten Zeiten[3] sind Versuche gemacht worden, das Studium auf die falsche Bahn zu lenken. Es war Heyne besonders, welcher auf eine Reformation drang, wozu auch die bisherige nicht seltne Anhäufung eines pedantischen Wustes Vorwände genug darbot. Er verlangte, man solle bey Lesung der Classiker gleich auf dasjenige gehen, was zur Bildung[2] des Geistes[14] und Veredlung des Gemüths bey tragen könne. Dieß hatten die älteren Philologen unstreitig auch beabsichtet, allein sie hatten mit gutem Grunde gemeynt, es sey hinreichend den Schülern gründlich den Buchstaben[11] der alten Autoren zu eröffnen, so würde ihnen der Geist schon von selbst aufgehen. Aus der Heyneschen Schule hingegen gingen nun Commentare hervor, worin die Leser unaufhörlich wie mit der Nase auf die poetischen[4] Schönheiten hingestoßen werden, voll von Paraphrasen der Diction in Prosa[1], um zu zeigen durch welche Stufen der Dichter zu einem so gelehrten und künstlichen Schmucke gelangt sey, gleichsam als wenn ein Gedicht wie ein phraseologisches Exercitium nach einem prosaischen[1] Schema ausgearbeitet würde. ➢ vgl. [14]
[2]
B. v. Arnim, Günder. II (1840), 275
: Es giebt gar viele Menschen[1], die große Weihgeschenke der Götter[4] mitbekommen haben, und keines derselben anzuwenden vermögen, denen es genügt über dem Boden der Gemeinheit sich erhaben zu glauben, blos weil der Buchstabe[8; 11] eines höheren Gesetzes in sie geprägt ist, aber der Geist[12; 30] ist nicht in ihnen aufgegangen und sie wissen nicht wie weit sie 〈276〉 entfernt sind jenen Seelenadel in sich verwirklicht zu haben auf den sie sich so mächtig zu gut thun..
[3]
Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 47
: Indeß ihr noch an den Worten[4] des Berichts herumklaubt, [...] in aller Unschuld und Unbefangenheit seinen Grundsätzen zu folgen glaubt, indem ihr die hässlichsten[2] Verstoße dagegen macht, nähren sich vielleicht in der Stille am Geiste desselben junge kraftvolle Männer [...]..
[4]
Goethe, Farbenl. Hist. Thl. I (1810), WA II, 3, 287
: Wenn [Athanasius] Kircher auch wenig Probleme auflös't, so bringt er sie doch zur Sprache[11] und betastet sie auf seine Weise. Er hat eine leichte Fassungskraft, Bequemlichkeit und Heiterkeit[4] in der Mittheilung, und wenn er sich aus gewissen technischen Späßen, Perspectiv- und Sonnenuhr-Zeichnungen gar nicht loswinden kann, so steht die Bemerkung hier am Platze, daß, wie jenes im vorigen Jahrhundert bemerkliche höhere Streben nachläßt, wie man mit den Eigenschaften der Natur[2] bekannter wird, wie die Technik zunimmt, man nun das Ende von Spielereien und Künsteleien gar nicht finden, sich durch Wiederholung und mannichfaltige Anwendung eben derselben Erscheinung, eben desselben Gesetzes, niemals ersättigen kann; wodurch zwar die Kenntniß verbreitet, die Ausübung erleichtert, Wissen und Thun aber zuletzt geistlos wird. Witz[1] und Klugheit arbeiten indessen jenen Forderungen des Wunderbaren entgegen und machen die Taschenspielerei vollkommner..
[5]
Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 115
: Der Grund der kühnen Wortmetaphern lag in der ersten Empfindung; aber wie? wenn spät nachher, wenn schon alles Bedürfniß weggefallen ist, aus bloßer Nachahmungssucht, oder Liebe zum Alterthum[2] dergleichen Wort- und Bildergattungen bleiben? Und gar noch ausgedehnt und erhöhet werden? Denn, o denn wird der erhabne Unsinn, das aufgedunsne Wortspiel daraus, was es im Anfang eigentlich nicht war. Dort wars kühner, männlicher Witz[2], der denn vielleicht am wenigsten spielen wollte, wenn er am meisten zu spielen schien! es war rohe Erhabenheit der Phantasie[2], die solch Gefühl in solchem Worte[1] herausarbeitete; aber nun im Gebrauche schaaler Nachahmer, ohne solches Gefühl, ohne solche Gelegenheit – Ach! Ampullen von Worten[1] ohne Geist! und das ist „das Schicksal aller derer Sprachen[3] in spätern Zeiten[3] gewesen, deren erste Formen so kühn waren.“ ➢ Volltext.
[6]
W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 280
: Uebersezungen. Diese können in Absicht des übersezten Schriftstellers einen dreifachen Nuzen haben. 1., ihn diejenigen kennen zu lehren, die sein Original nicht selbst zu lesen im Stande sind. 2., für denjenigen, der das Original selbst liest, zum Verständniss desselben zu dienen. 3., denjenigen, der das Original zu lesen im Begriff[6] ist, vorläufig mit ihm bekannt zu machen, ihn in seine Manier, seinen Geist einzuweihen. [...] Die Haupterfordernisse einer Uebersezung wechslen nun nach diesem dreifachen Zwekke. Zu dem 1sten wird Anpassung des übersezten alten[10] Schriftstellers auf den modernen[1] Leser, also oft absichtliche Abweichung von der Treue erfordert; zu dem 2ten Treue der Worte[4] und des Buchstabens[11]; zu dem 3ten Treue des Geistes, wenn ich so sagen darf, und des Gewandes, worin er gekleidet ist, wobei also vorzüglich viel auf die Nachahmung der Diktion bei Prosaikern und des Rhythmus und des Versbaues bei Dichtern ankommt..
[7]
Kant, Metaph. d. Sitt. I (1797), 211 f. (212)
: Die Staatsformen sind nur der Buchstabe[8] (littera) der ursprünglichen Gesetzgebung im bürgerlichen Zustande, und sie mögen also bleiben, so lange sie, 〈212〉 als zum Maschinenwesen der Staatsverfassung gehörend, durch alte[1] und lange Gewohnheit (also nur subjectiv) für nothwendig gehalten werden. Aber der Geist jenes ursprünglichen Vertrages (anima pacti originarii) enthält die Verbindlichkeit der constituirenden Gewalt, die Regierungsart jener Idee angemessen zu machen, und so sie, wenn es nicht auf einmal geschehen kann, allmälich und continuirlich dahin zu verändern, daß sie mit der einzig rechtmäßigen Verfassung, nämlich der einer reinen Republik, ihrer Wirkung nach zusammenstimme, und jene alte[1] empirische (statutarische) Formen, welche bloß die Unterthänigkeit des Volks[4] zu bewirken dienten, sich in die ursprüngliche (rationale) auflösen, welche allein die Freyheit[6] zum Princip, ja zur Bedingung alles Zwanges macht, der zu einer rechtlichen Verfassung, im eigentlichen Sinne des Staats, erforderlich ist, und dahin auch dem Buchstaben[8] nach endlich führen wird. – Dies ist die einzige bleibende Staatsverfassung, wo das Gesetz selbstherrschend ist, und an keiner besonderen Person hängt; der letzte Zweck alles öffentlichen Rechts [...]..
[8]
Klein, Rheinreise (1828), 301
: [U]nnöthig wäre es, über die bisherigen Leistungen der [Bonner] Universität etwas beizufügen. Wohlthätig hat sie gewirkt, ganz im Geiste der Königlichen Stiftungsurkunde. Diese [...] enthält die der Geschichte[12] angehörenden Worte[2] des Erlauchten Stifters: | „Auch fernerhin bin ich gesonnen, das Wohl und Gedeihen des Preußischen Staats hauptsächlich auf die sorgfältig geleitete Entwicklung aller seiner geistigen Kräfte zu gründen.“ | Nach Jahrhunderten noch werden diese Ausdrücke Friedrich Wilhelm's im Vaterlande nachtönen!.
[9]
Novalis, Blüthenstaub (1798), 88, Nr. 68
: Eine Übersetzung ist entweder grammatisch, oder verändernd, oder mythisch. Mythische Übersetzungen sind Übersetzungen im höchsten Styl. Sie stellen den reinen, vollendeten Karakter[1] des individuellen Kunstwerks dar. Sie geben uns nicht das wirkliche Kunstwerk, sondern das Ideal desselben. Noch existirt wie ich glaube, kein ganzes Muster derselben. Im Geist mancher Kritiken[2] und Beschreibungen von Kunstwerken trifft man aber helle Spuren davon. .
[10]
Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 272
: Ein wahrhaftes Königspaar ist für den ganzen Menschen[1], was eine Constitution für den bloßen Verstand[9] ist. Man kann sich für eine Constitution nur, wie für einen Buchstaben[9] interessiren. Ist das Zeichen nicht ein schönes[2] Bild, oder ein Gesang, so ist Anhänglichkeit an Zeichen, die verkehrteste aller Neigungen. – Was ist ein Gesetz, wenn es nicht Ausdruck des Willens einer geliebten, achtungswehrten Person ist? Bedarf der mystische Souverain nicht, wie jede Idee, eines Symbols, und welches Symbol ist würdiger und passender, als ein liebenswürdiger treflicher Mensch[1]? Die Kürze des Ausdrucks ist doch wohl etwas werth, und ist nicht ein Mensch[1] ein kürzerer, schönerer[1] Ausdruck eines Geistes als ein Collegium?.
[11]
Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 273
: Meinethalben mag jetzt der Buchstabe[8/9] an der Zeit[9] seyn. Es ist kein großes Lob für die Zeit[9], daß sie so weit von der Natur[19] entfernt, so sinnlos für Familienleben, so abgeneigt der schönsten[1] poetischen[1] Gesellschaftsform ist. Wie würden unsre Kosmopoliten erstaunen, wenn ihnen die Zeit[3] des ewigen Friedens erschiene und sie die höchste gebildetste Menschheit[3] in monarchischer Form erblickten? Zerstäubt wird dann der papierne Kitt seyn, der jetzt die Menschen[1] zusammenkleistert, und der Geist[12/30] wird die Gespenster, die statt seiner in Buchstaben[8/9] erschienen und von Federn und Pressen zerstückelt ausgingen, verscheuchen, und alle Menschen[1] wie ein paar Liebende zusammen schmelzen..
[12]
A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 149
: Beym Rezensiren ist ein mehr oder weniger isolirendes Verfahren nothwendig und hergebracht: alle vergleichenden Seitenblicke gelten da für Lizenzen. Und doch lassen sich nur die Buchstaben[1] eines Buches in
die Scheidewände des Bandes einschließen: in so fern es lebt, einen Geist und einen Gehalt hat, steht es als Wirkung und wiederum wirkend in mannichfaltigen Beziehungen. Das Verhältniß des Schriftstellers zu seinen Vorgängern und Nebenbuhlern, die Laufbahn, die er schon durchmessen hat oder zu betreten anfängt, die Aufnahme, die er bey seinen Zeitgenossen findet, sind eben so viel aufklärende Gesichtspunkte. ➢ Volltext.
[13]
A. W. Schlegel, Gemählde (1799), 49
: Machen Sie es nicht wie ein berühmter Philosoph, der sich die Auslegung seiner Schriften nach dem Geiste gradezu verbittet, und nach dem Buchstaben[11] verstanden seyn will. Für manche Künstler wäre die Vorkehrung freylich unnütz, denn sie haben bloß den Buchstaben[8] der Kunst[8]. ➢ Volltext.
[14]
A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 46 f. (47)
: Die Philologie ist an sich ein liberales Studium, weil es bloß auf Uebung und Bildung[2] des Geistes[14] im allgemeinen abzweckt, und sich der Gemeinnützigkeit bestimmter Anwendungen entzieht. Man hat sie aber auch in der neueren[5] Epoche diesen unterwürfig machen wollen, 〈47〉 und dadurch auf Abwege geleitet. Die älteren[10] Philologen suchten den Schülern bloß den Buchstaben[11] der alten[10] Autoren zu eröffnen, in der Zuversicht, wenn sie selbigen treufleißig erlernt hätten, würde ihnen der Geist nach dem Maaße ihres Sinnes[5] von selbst aufgehen. Jetzt hat man sie voreilig in diesen einzuweihen gedacht, ohne ihn selbst recht gefaßt zu haben: man hat in Noten viel über die Schönheiten[3] der Dichter gefaselt, man hat die Mythologie nach oberflächlichen Ansichten aus der sogenannten Geschichte[4] der Menschheit[2], d. h. aus Vergleichungen mit andern Nationen[1] auf gleichen Stufen der Cultur[4] [...], zugestutzt, u. s. w. Was ist dabei herausgekommen? Die grammatische Gründlichkeit ist vernachlässigt, und das Höhere nicht erreicht worden. ➢ Volltext; vgl. [1].
[15]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. I (*1796), KFSA 18, 5, Nr. 16
: Den φ [philosophischen] Geist[12/21?] hat außer d[em] Kritiker nur der Sk[eptiker] und My[stiker]; der Emp[iriker] redet nur Buchstaben[9] ohne Geist[30], Worte[2], spielt mit Formeln..
[16]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 168, Nr. 992
: κ [Kritik][2] ist eigentl[ich] nichts als Vergleichung des Geistes und des Buchstabens[8] eines Werks [...]..
[17]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 24, Nr. 92 f.
: Ehe nicht die Philosophen Grammatiker, oder die Grammatiker Philosophen werden, wird die Grammatik nicht, was sie bey den Alten[10] war, eine pragmatische Wissenschaft und ein Theil der Logik, noch überhaupt eine Wissenschaft werden. | Die Lehre vom Geist und Buchstaben[9] ist unter andern auch darum so interessant[1], weil sie die Philosophie mit der Philologie in Berührung setzen kann. ➢ Volltext.
[18]
F. Schlegel, Entw. d. Philos. I (
!1804–05), KFSA 12, 387
: Das Wissen, etwas durchaus Innerliches, geht bloß auf den Stoff, das Verstehen ist auch etwas Äußeres, geht auch auf die Form. Der Verstand[8] ist Wissen dem Geiste und dem Buchstaben[8/9] nach; da das wesentlich Unterscheidende des Verstandes[8] in der Mitteilung besteht, gehört eben auch das Wort[1] wesentlich zum Verstande[8]; versteht sich Wort[1] im allgemeinen höhern wissenschaftlichen Sinne[1] als Bild des Geistes, entweder als willkürliches oder natürliches Sinnbild; als bloßer Ausdruck eines geistigen Sinnes[1] ist das Wort[1] notwendig ein Bild, weil alle Darstellung bildlich ist; und so besteht dann das Wesen des Verstandes[8] in der Verbindung des Geistes und des Worts[1] durch den Begriff[1]; die Begriffe[1] sind seine Formen..
[19]
A. W. Schlegel/F. Schlegel, Eleg. (1798), 114 f. (115)
: Zwar kann die Zeit[3], wenn Phanokles lebte und blühte, nicht mit Genauigkeit bestimmt werden. Wenn es aber auch gar keine Winke darüber gäbe, so würde ihm doch schon der in dem Bruchstücke vom Orpheus sichtbare Hang, alte Sitten sinnreich durch alte seiner Absicht gemäß ausgebildete und der Gegenwart angeschmiegte Sagen zu erklären, seine Stelle in der Periode der elegischen Kunst anweisen, wo die Dichter zugleich auch Gelehrte, Liebhaber und Kenner des schönen Alterthums[2], waren, und wo die erotische Poe〈115〉sie[3], nicht zufrieden, die lieblichen Freuden der Gegenwart, die zarte Leidenschaft des Dichters selbst, durch eine gebildete Darstellung zu verewigen, auch die Vergangenheit nach ihrer eigenthümlichen Ansicht verwandelte, und die Gestalten der Vorwelt mit dem Geist der reizendsten Sinnlichkeit neu beseelte. .