[1]
Beethoven, an Fa. Breitkopf & Härtel (Anf. Febr. 1810), B 2, 108
: [M]an hat mir neulich ein Gedicht „die Höllenfahrt des Erlösers“ [...] zugeschickt, [...] es ist mit Geist geschrieben.
[2]
Goethe, Theatr. Send. I (*1777\85), WA I, 51, 216
: Es fehlte Madame Melina nicht an einer Art von Verstand[1], nur war ihr Geist und Witz[1] nicht ausgebildet. Sie fand manchmal das Gute, doch oft fiel sie aus dem Übertriebenen in das Gemeine.
[3]
Goethe, Not. u. Abhdlg. (1829), WA I, 7, 76
: Der höchste Charakter[4] orientalischer Dichtkunst ist, was wir Deutsche Geist nennen, das Vorwaltende des oberen Leitenden; hier sind alle übrigen Eigenschaften vereinigt, ohne daß irgend eine, das eigenthümliche Recht behauptend, hervorträte. Der Geist gehört vorzüglich dem Alter, oder einer alternden Weltepoche. Übersicht des Weltwesens, Ironie[3], freien Gebrauch der Talente finden wir in allen Dichtern des Orients. Resultat und Prämisse wird uns zugleich geboten, deßhalb sehen wir auch, wie großer Werth auf ein Wort[2] aus dem Stegreife gelegt wird. Jene Dichter haben alle Gegenstände gegenwärtig und beziehen die entferntesten Dinge leicht auf einander, daher nähern sie sich auch dem was wir Witz[2] nennen; doch steht der Witz[2] nicht so hoch, denn dieser ist selbstsüchtig, selbstgefällig, wovon der Geist ganz frei bleibt, deßhalb er auch überall genialisch genannt werden kann und muß.
[4]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (
21793), 192
: Man sagt von gewissen Producten, von welchen man erwartet, daß sie sich, zum Theil wenigstens, als schöne[2] Kunst[9] zeigen sollten: sie sind ohne Geist; ob man gleich an ihnen, was den Geschmack betrift, nichts zu tadeln findet. Ein Gedicht kann recht nett und elegant seyn, aber es ist ohne Geist. Eine Geschichte[8] ist genau und ordentlich, aber ohne Geist. Eine feyerliche Rede ist gründlich und zugleich zierlich, aber ohne
Geist. Manche Conversation ist nicht ohne Unterhaltung, aber doch ohne
Geist; selbst von einem Frauenzimmer sagt man wohl, sie ist hübsch, gesprächig und artig, aber ohne
Geist. [...] |
Geist in ästhetischer Bedeutung, heißt das belebende Princip im Gemüthe. [...] | Nun behaupte ich, dieses Princip sey nichts anders, als das Vermögen der Darstellung
ästhetischer Ideen; unter einer ästhetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der Einbildungskraft, die viel zu
〈193〉 denken veranlaßt, ohne daß ihr doch irgend ein bestimmter Gedanke, d. i.
Begrif[1] adäquat seyn kann, die folglich keine Sprache
[11] völlig erreicht und verständlich machen kann. – Man sieht leicht, daß sie das Gegenstück (Pendant) von einer
Vernunftidee sey, welche umgekehrt ein Begrif
[1] ist, dem keine
Anschauung (Vorstellung der Einbildungskraft) adäquat seyn kann.
[5]
Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 127
: Als wir ankamen war es bereits Nacht. Nanette, von der Hitze des Tages und ihrer eigenen Lebhaftigkeit ermüdet, sehnte sich nach Ruhe, und da Amanda, die, unveränderlich wie eine Göttin, noch wie am Morgen voll Geist und Leben war, sich gleichwol nicht von ihrer Freundin trennen wollte, so ließen wir übrigen sie allein und gingen in der heitersten[5] Laune und mit der angenehmen Aussicht auf ein paar glückliche Tage in die uns angewiesene Zimmer.
[6]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 80, Nr. 295
: Hülsen ist seines Gedankens und seines Ausdrucks völlig Meister, er geht sicher und leise; und diese ruhige hohe Besonnenheit bey dem weltumfassenden Blick und der reinen Humanität, ist es eben was ein historischer Philosoph in seinem antiquarischen und aus der Mode gekommenen Dialekt[1] das Sokratische nennen würde; eine Terminiologie die sich jedoch ein Künstler, der so viel philologischen Geist hat, gefallen lassen muß.
[7]
Arndt, Erinn. (1840), 162
: Frau von Stael [...] war dem Leibe nach nicht schön gebildet, für ein Weib fast zu stark und männlich gebaut. Aber welch ein Kopf thronte auf diesem Leibe! Stirn, Augen, Nase herrlich und vom Licht und Glanz des Genius funkelnd, Mund und Kinn weniger schön. Bei so vielem Witz[1] und Geist, als aus ihren Augen blitzte und von ihren Lippen sprudelte, ein bezaubernder Ausdruck von Verstand und Güte..
[8]
Arndt, Erinn. (1840), 184
: Auch sah ich oft den Geheimen Kriegsrat Scheffner, einen schönen liebenswürdigen Greis, Zögling des siebenjährigen Krieges und seines Nachwuchses, weiland Freund und Genoß von Hamann, Kant und Hippel, berühmt durch seinen Geist und Witz[1], womit er auch damals noch funkelte..
[9]
Arndt, Erinn. (1840), 220
: Man mochte sagen, sie war ganz das Ebenbild ihres Bruders des Ministers, dasselbe Gesicht, dieselben Züge, nur alles feiner und kürzer, alles besonnener und milder, wie das Weib neben dem Manne sein soll; dieselbe Kürze und Gewandtheit in der Rede, derselbe unbewußte Witz[1], fast noch mehr Geist..
[10]
B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 109 f. (110)
: Was Du thust, erhalte Deine Seele in reiner jugendlicher Liebe zum Großen und Schönen[1]. Auch die Sinne[4] wollen die Befriedigung in der Schönheit[1], sie suchen es in sich und in dem was Einfluß auf sie übt. Du 〈110〉 fühlst Dein Ohr[3] beleidigt, durch eine klanglose raue Stimme[3] die keinen Geist wiederhallt, so Dein Auge lenkt ab von dem was seinem Schönheitsreiz wiederspricht. Oder es forscht nach der tieferen Schönheit[1] des Geistesadel und der Güte, wenn es mit häßlichen[1] Zügen sich bekannt macht. ➢ Volltext.
[11]
B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 276
: [D]ann fühlte ich daß nichts mich so beglücken kann als die spielende Heiterkeit[4] in Dir, die doch aus innigster warmer Lebensquelle strömt, lieb Kind! – Tanz ist doch edel! – ja gewiß mit die reinste, die erhabenste der Künste[2]! – Denn jede Kunst[2] hat im Geist ihre Apotheose, und Deine heitere[5] Lebensansicht, Deine Gefühle sind tanzende Wendungen nach der lieblichsten Melodie. – Diesmal im Brief[1] spielen Deine Gefühle auf der Schalmei und begleitet der Witz[1] mit dem Triangel dazu. .
[12]
Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 170
: Unsterblich sind Moses Verdienste um sein Volk[1], das wahrlich zu seiner Zeit[3] nicht dazu geeignet war, mitten unter Götzenanbetern den Glauben seiner Väter an einen Gott[1], der ganzen Welt Schöpfer, des Guten und Bösen weisen Regierer, dem einzig Freiheit[1] von Schuld und Verbrechen den Menschen[1] angenehm mache, festzuhalten. Und doch gelang es ihm, sich ihrer Sinnlichkeit für die Sache der Vernunft[3] und der Religion[1] zu bemächtigen, und sie durch Staats- und Tempelgesetze immer auf den Einen zurückzuführen, der ihr eigentlichster Herr sei. Hätten seine Nachfolger den Geist[14/20?] von ihm geerbt, der Jude[1] würde nicht mehr im sclavischen Joche des Ceremoniendienstes den Gott[1] zu verehren glauben, der seine Kinder zur Freiheit[10] erschuf..
[13]
Carus, Brf. Landsch. (1831), 99
: Man fühlt bestimmt und klar, daß eben weil diese Bilder so und nicht anders in voller Deutlichkeit vor der Seele standen, so mußten sie auf die Leinwand kommen, die Hand mochte an und für sich noch so unbeholfen sich anstellen. Ja, es scheint hierbei [...] der Geist sich erst unmittelbar das Organ[1] für seine Gestaltung erschaffen zu haben. Indeß, gerade daß hier die Hand so gar nichts ist, der Geist aber Alles bewältigt und trotz der Unbeholfenheit der Werkzeuge das Herrliche hervorgerufen hat, spricht als geistige Unmittelbarkeit zu unserm Innersten. Dies bedacht, so ergibt sich alsbald, wie leer und hohl jede Nachahmung des vor〈100〉nehmen sogenannten Claude'schen Styls, d. i. eben der todten Form des Buchstabens[8], erscheinen müsse [...]..
[14]
Devrient, Gunst d. Augenbl. (1836), 181
: [W]as hätte die Residenz, die große Welt nicht für Reize Ihnen zu bieten, da Sie Geist, Witz[1] und alle Gaben besitzen, um in ihr zu glänzen. Wahrhaftig, es ist ein Frevel, daß solche Eigenschaften sich auf dem Lande vergraben..
[15]
Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 43
: Die Erfahrung an sich ist ein Kasten voll untereinander geworfener Buchstaben[2]; der menschliche Geist nur ist es, der einen Sinn[1] in dieses Chaos bringt, der hier eine Iliade, und dort ein Schlenkertsches historisches Drama aus ihnen zusammensezt..
[16]
Goethe, Andenk. Wieland (1813), WA I, 36, 323
: [N]ur das, was man mit Heiterkeit[4] ansehe, werde man recht sehen, war seine Meinung. Wer mit Heiterkeit[4] in seinen eigenen Busen schauen könne, müsse ein guter Mann sein. Darauf komme alles an, und alles übrige Gute entspringe daher. Geist, Witz[1], Humor[3] seien die echten Organe[1], womit ein solches Gemüth die Welt anfasse. Alle Gegenstände, selbst die ernstesten, müßten eine solche Klarheit und Freiheit[13] vertragen, wenn sie nicht mit einer nur anmaßlichen Würde prunkten, sondern einen echten, die Probe nicht scheuenden Werth in sich selbst enthielten..
[17]
Goethe, Andenk. Wieland (1813), WA I, 36, 324
: Haben wir jedoch, in sofern von Ansicht, Gesinnung, Übersicht die Rede sein kann, Shaftesbury und Wieland vollkommen ähnlich gefunden, so war doch dieser jenem an Talent weit überlegen; denn was der Engländer verständig lehrt und wünscht, das weiß der Deutsche, in Versen und Prosa[1], dichterisch und rednerisch auszuführen. | Zu dieser Ausführung aber mußte ihm die französische Behandlungsweise am meisten zusagen. Heiterkeit[4], Witz[1], Geist, Eleganz ist in Frankreich schon vorhanden; seine blühende Einbildungskraft, welche sich jetzt nur mit leichten und frohen Gegenständen beschäftigen 〈325〉 will, wendet sich nach den Feen- und Rittermährchen, welche ihm die größte Freiheit[5] gewähren. Auch hier reicht ihm Frankreich in der Tausend und Einen Nacht, in der Romanenbibliothek schon halb verarbeitete zugerichtete Stoffe, indessen die alten[11] Schätze dieses Fachs, welche Deutschland besitzt, noch roh und ungenießbar dalagen..
[18]
W. Grimm, Selbstschild. (1831), 181
: Mich trieb hessische Anhänglichkeit, der Kurprinzessin persönlich meine Verehrung zu bezeigen, und diese erhabene Frau, durch Geist und reiche Bildung[6] ebenso ausgezeichnet, als durch Adel[5] der Gesinnung hat sich hernach [...] gegen mich und die Meinigen allzeit gnädig erwiesen..
[19]
Hegel, Solger (1828), W 11, 214 f. (215)
: Eine Menge literarischer Erscheinungen und Urteile, welche 〈215〉 dem Geiste[14] dieser Zeit[5] angehören, gehen in diesem Briefwechsel an unseren Augen vorbei; doch fällt die keckste und blühendste Periode der Ironie[4], Lucinde, Athenäum usf. schon jenseits desselben. [...] Solgers gründlicheres Urteil blieb immer weit hinter dem Standpunkte des Athenäums, ohnehin einer Lucinde zurück, noch weniger konnte er in reiferen Jahren an der höchsten Fratzenhaftigkeit teilnehmen, zu welcher der Humor in den Hoffmannschen Produktionen sich steigerte. – Um einige Beispiele von jener Richtung zu geben, so findet Solger in seiner Jugendzeit in dem angefangenen Roman von Novalis, dem Heinrich von Ofterdingen [...] einen neuen[1][1] und äußerst kühnen Versuch, die Poesie[14] durch das Leben darzustellen, die Idee einer mystischen Geschichte[4], einer Zerreißung des Schleiers, welchen das Endliche auf dieser Erde um das Unendliche hält, einer Erscheinung der Gottheit auf Erden, eines wahren Mythos, der sich aber hier in dem Geiste[20] eines einzelnen Mannes bilde..
[20]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 208 f. (209)
: In dieser Weise hat z. B. die holländische Malerei die vorhandenen flüchtigen Scheine der Natur[2] als vom Menschen neuerzeugte zu tausend und aber tausend Effekten umzuschaffen gewußt. Sammet, Metallglanz, Licht, Pferde, Knechte, alte[2] Weiber, Bauern aus Pfeifenstummeln den Rauch heraus blasend, das Blinken des Weins im durchsichtigen Glase, Kerle in schmutzigen Jacken mit alten[1] Karten spielend, solche und hunderterlei andere Gegenstände, um welche wir uns im alltäglichen Leben kaum bekümmern, da uns selbst, wenn auch wir Karten spielen, trinken und von die〈209〉sem und Jenem schwatzen, noch ganz andre Intressen ausfüllen, werden uns in diesen Gemälden vors Auge gebracht. Was uns nun aber bei dergleichen Inhalt, insofern ihn die Kunst[11] uns darbietet, sogleich in Anspruch nimmt, ist eben dieß Scheinen und Erscheinen der Gegenstände als durch den Geist producirt, welcher das Aeußere und Sinnliche der ganzen Materiatur im Innersten verwandelt. Denn statt existirender Wolle, Seide, statt des wirklichen Haares, Glases, Fleisches und Metalls sehen wir bloße Farben, statt der totalen Dimensionen, deren das Natürliche[5] zu seiner Erscheinung bedarf, eine bloße Fläche, und dennoch haben wir denselben Anblick, den das Wirkliche giebt. | [...] Gegen die vorhandene prosaische[3] Realität ist daher dieser durch den Geist producirte Schein das Wunder der Idealität, ein Spott, wenn man will, und eine Ironie[1] über das äußerliche natürliche[4] Daseyn. ➢ Volltext.
[21]
W. v. Humboldt, Schiller (1830), GS I, 6.2, 520
: Jede grosse poetische[4] Arbeit fordert eine Stimmung und Sammlung des Gemüths, die Schiller, als er nach Jena zurückkehrte, seit Jahren vermisste. Zum Theil lag die Schuld davon wohl in dem Plane zum Wallenstein, den er lange bei sich trug, ehe er wirklich Hand an die Arbeit legte. Dieser Stoff war in seinem Umfange zu gewaltig, und, seiner Beschaffenheit nach, zu spröde, um nicht der grössesten Zurüstungen vor seiner Ausführung zu bedürfen. Wer dies Gedicht richtig zu würdigen versteht, wird erkennen, dass es eine wahre poetische[4] Riesenarbeit ist; selbst Schiller's formender Geist vermochte diesen weit ausgreifenden Stoff doch nur in drei zusammenhängenden Studien zu bezwingen. Allein auch die Forderungen, welche Schiller an seine theatralischen Werke machte, hatten sich gesteigert, da das schöpferische Genie[2] augenblicklich feierte, trat desto geschäftiger die richtende Kritik[2], und nicht ohne Besorgnisse, an ihre Stelle..
[22]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. II (1804), 263
: Der Witz[1/2] [...] erfindet, und zwar unvermittelt; daher nennt ihn Schlegel mit Recht fragmentarische Genialität; daher kommt das Wort[1] Witz[1/2], als die Kraft zu wissen, daher „witzigen,“ daher bedeutete er sonst das ganze Genie[2]; daher kommen in mehren Sprachen[3] dessen Ichs-Synonyme Geist, esprit, spirit, ingenuosus. Allein eben so sehr als der Witz[2] – nur mit höherer Anspannung – vergleicht der Scharfsinn, um die Unähnlichkeit zu finden, und der Tiefsinn, um Gleichheit zu setzen [...]. 〈264〉 [...] | Hingegen in Rücksicht der Objekte tritt ein dreifacher Unterschied ein. Der Witz[2], aber nur im engern Sinn, findet das Verhältniß der Aehnlichkeit, d. h. parzielle Gleichheit, unter größere Ungleichheit versteckt; der Scharfsinn findet das Verhältniß der Unähnlichkeit, d. h. parzielle Ungleichheit, und größere Gleichheit verborgen; der Tiefsinn findet trotz allem Scheine gänzliche Gleichheit..
[23]
Kleist [Brentano], Friedr. Seelandsch. (1810), 48
: Gleichwohl hat der Mahler Zweifels ohne eine ganz neue Bahn im Felde seiner Kunst[8] gebrochen; und ich bin über〈48〉zeugt, daß sich, mit seinem Geiste, eine Quadratmeile märkischen Sandes darstellen ließe, mit einem Berberitzenstrauch, worauf sich eine Krähe einsam plustert, und daß dies Bild eine wahrhaft Ossiansche oder Kosegartensche Wirkung thun müßte. .
[24]
La Roche, Brf. Rosal. I (
21797), 265
: Ein Gesicht voll Geist und Seele, welches den Adel[5] seiner Gesinnungen bezeichnete, so wie sein Name den Adel[1] seiner Geburt..
[25]
Ch. Michaelis, an C. Böhmer (Nov. 1785), C 1, 134
: Gestern den ganzen Morgen von 9 Uhr bis 12 Uhr bin ich mit Louisen bey der Paradis gewesen, die uns beiden sehr lieb hat und ein liebes Mädchen ist mit viel Geist bey ihrer Blindheit, sie Singt nicht schön[1], aber mit ausdruck, den nur die haben können, denen sonst ein Sin[4] fehlt, Pfeffel hatte sie der Leßen empfohlen – die Leßen ist ganz bezaubert – Bürger ist außer sich gekommen, wie er das Tralirum larum leyer von ihr gehört hat, und hat gesagt, das wäre einen Kieselstein in Gold gefast..
[26]
Moritz, Dt. in Engld. (1783), 183
: Wir besahen Schakespears Haus, das unter allen Häusern in Stratford, eines der schlechtesten, niedrigsten und unansehnlichsten ist [...]. [...] | Schakespears Stuhl, worauf er vor der Thür gesessen, war schon so zerschnitten, daß er fast keinem Stuhle mehr ähnlich sah; denn jeder Durchreisende schneidet sich zum Andenken einen Span davon ab, welchen er als ein Heiligthum aufbewahrt. Ich schnitt mir auch einen ab, weil er aber zu klein war, habe ich ihn verloren, und Sie werden ihn also bei meiner Wiederkunft nicht zu sehen bekommen. | Als wir weiter fuhren, betrachtete ich jeden Fleck mit Aufmerksamkeit, wo wir vorbeikamen, wenn ich dachte: das ist nun die Gegend, wo ein solcher Geist, wie Schakespears, seine erste Bildung[3] durch die ihn umgebende Natur[2] erhielt! Denn die ersten Eindrücke der Kindheit bleiben doch immer äusserst wichtig, und sind ge〈184〉wissermaßen die Grundlage aller folgenden. Obgleich die Gegend hier zwar nicht vorzüglich schön[1] ist, so hat sie doch ganz etwas Eignes, Romantisches[3]..
[27]
A. Müller, Beredsamk. (
!1812; 1816), 53
: Ferner übersieht man, indem man dem Ohr[3] an und für sich schon die gehörige Bildung[5] zutraut, die Eitelkeit der Menschen; sich unthätig verhalten, über sich ergehen lassen ist keine Kunst[6], aber zu leiden, mit Verstand und Würde zu empfangen, ist überall eine ebenso große Kunst[6], als zu handeln oder mit Geist[20], mit Geschmack und mit Kraft zu geben. Aber weil die Kunst[6] des Handelns und so auch des Sprechens sichtbar ist, weil die Wirkung von ihr auszugehen scheint, weil sie ganzen Massen von Menschen und Kräften angenehme Gewalt anzutun scheint; dagegen die Kunst[6] des Leidens und des Hörens weniger in die Augen springt – so ergiebt es sich, daß zuletzt in jeder gegebenen Gesellschaft viel mehr Personen reden als hören 〈54〉 wollen, während die Natur[2] das ganz Entgegengesetzte zu wollen scheint, indem sie angeordnet hat, daß zwar viele hören können, was einer spricht, unmöglich aber einer hören kann, was viele zu gleicher Zeit reden. Die Eitelkeit der Menschen macht, daß das Sprachorgan viel mehr geübt wird als das Ohr[3], daß man von der Seele, die, wenn irgendwo, so in der Mitte zwischen diesen beiden erhabenen Organen[3] liegt, sich mehr und mehr entfernt und auf mechanischem Wege die höchste Wirkung hervorbringen will, die dem Geist[32] über den Geist[32] je gelingen kann..
[28]
A. Müller, Beredsamk. (
!1812; 1816), 275 f. (276)
: Wie haben wir [sc. die Deutschen] in diesen letzten fünfzig stummen Jahren sprechen gelernt? Wie hat sich diese Sprache[3] gebildet grade in der Zeit[3], wo alle Glieder der höheren Gesellschaft sich von ihr abwendeten? Es lebt in ihr ein Geist[12], der sie bildet und keiner vornehmen Stütze bedarf: wer das recht Empfundene, aus den Tiefen der Seele, aus jenen geheimnißvollen Wohnsitzen des Heiligen Kommende, wo das Gefühl der ritterlichen Ehre und Liebe, des stolzen Gehorsams usw. herrührt – aussprechen will, der kann diese Sprache[3] nicht entbehren; und wer nicht so etwas zu sagen hat, der würde ihr und ihrer Ausbildung nichts helfen können. Von selbst in den Mund legt sie sich nicht! ohne Karakter[2], ohne Selbständigkeit, ohne Ursprünglichkeit 〈276〉 der Geisteskraft ist es unmöglich, diese Sprache[3] gut zu sprechen. Mit Phrasen, die für jeden Mund passen, mit künstlich appretirtem Glanz, mit einem Schein von Geist[20] und Witz[1], den der Geistloseste sich aneignen könnte, kann sie nicht aufwarten: sie hat keine Corneilles, keine Racines, keine Bossuets, keine Akademien, welche ein ganzes folgendes Jahrhundert mit schönen Wendungen der Rede im voraus versehn; kein siècle de Louis XIV., das für lange Zeiten[3] nachher das Vortrefflichste schon vorweggesprochen hätte. Es fehlt ihr, habe ich gesagt, die gesellige Vollendung: das Bestreben der einzelnen deutschen Redner und einige glückliche Wendungen des öffentlichen Lebens der Nation[1] können selbige erreichen, darum muß auch an die mechanischen Vorzüge der benachbarten Sprachen[3] erinnert werden. Ich habe es gethan, mit Anklage meines Vaterlandes gethan. Nichtsdestoweniger aber weil der neue[1/5], christliche Geist[12] aller Worte[1] und Wendungen dieser Sprache[3] sich nicht tödten läßt, so trägt sie das Siegel der Fortdauer an ihrer Stirn wie keine andre Sprache[3]. Um dieses Geistes[12] willen kann man festiglich glauben, daß die Sprache[3] der Besiegten länger leben werde als die der Sieger, und in diesem Sinne dann dreist verkünden, daß, weil die Sprache[3] fortdauern werde, auch das Volk[1] nicht untergehen könne..
[29]
C. Schelling, an L. Wiedemann (˹
?Febr.˺ 1809), C 2, 541
: Es scheint sich jetzt mancherley Volk[8] auf die Art nach München ziehn zu wollen wie ehemals nach Jena. Wir besitzen alleweil die ganze AngeBrentanorei; Savigny, ein Jurist, der eine von den Brentanos geheirathet, ist an Hufelands Stelle nach Landshut gerufen und bringt mit: den Clemens (Demens) Brentano sammt dessen Frau[3], eine Bethmannische Enkelin, die ihn sich entführt hat und eine abgeschmackte Kreatur seyn soll, auch lebt er ganz abscheulich mit ihr; dann Bettine Brentano, die aussieht wie eine kleine Berlinerjüdin und sich auf den Kopf stellt um witzig zu seyn, nicht ohne Geist, tout au con〈542〉traire, aber es ist ein Jammer, daß sie sich so verkehrt und verreckt und gespannt damit hat; alle die Brentanos sind höchst unnatürliche Naturen[17]..
[30]
Schiller, Räuber (1781), NA 3, 40
: Franz. Wirklich, Herrmann? wünschest du wirklich, ich wäre Herr? – aber mein Vater hat das Mark eines Löwen, und ich bin der jüngere Sohn. | Hermann. Ich wollt', ihr wärt der ältere[3] Sohn, und euer Vater hätte das Mark eines schwindsüchtigen Mädgens. | Franz. Ha! wie dich der ältere[3] Sohn dann belohnen wollte! wie er dich aus diesem unedlen Staub, der sich so wenig mit deinem Geist und Adel[1] verträgt, ans Licht emporheben wollte! – Dann solltest du, ganz wie du da bist, mit Gold überzogen werden, und mit vier Pferden durch die Strasen dahinrasseln [...]! [⦿].
[31]
Schiller, an Körner ( 28.–31. 7. 1787), NA 24, 115
: Gotter ist ein zerrissener Karakter[6], dem ich mich nie hingeben könnte. Er hat viele, aber französische, Bildung[5], viel Geist und Witz[1], aber dabei eine Nüchternheit, die mich abschröckt..
[32]
Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 288
: Margaretha besaß Geschicklichkeit und Geist[20], eine gelernte Staatskunst auf einen regelmäßigen Fall mit Feinheit anzuwenden, aber ihr fehlte der schöpferische Sinn[6], für einen neuen[1] und außerordentlichen Fall eine neue[1] Maxime zu erfinden, oder eine alte[1] mit Weisheit zu übertreten. In einem Lande, wo die feinste Staatskunst Redlichkeit war, hatte sie den unglücklichen Einfall, ihre hinterlistige italienische Politik zu üben, und säete dadurch ein verderbliches Mißtrauen in die Gemüther. Die Nachgiebigkeit, die man ihr so freigebig zum Verdienste anrechnet, hatte der herzhafte Widerstand der Nazion[1] ihrer Schwäche und Zaghaftigkeit abgepreßt; nie hat sie sich aus selbstgebohrnem Endschlusse über den Buchstaben[11] der königlichen Befehle erhoben, nie den barbarischen Sinn[2] ihres Auftrags aus eigner schöner[1] Menschlichkeit misverstanden. Selbst die wenigen Bewilligungen, wozu die Noth sie zwang, gab sie mit unsichrer zurückgezogner Hand, als hätte sie gefürchtet, zuviel zu geben, und sie verlor die Frucht ihrer Wohlthaten, weil sie mit filziger Genauigkeit daran stümmelte. Was sie zu wenig war in ihrem ganzen übrigen Leben, war sie zuviel auf dem Throne – eine Frau[1]. Es stand bei ihr, nach Granvella's Vertreibung, die Wohlthäterin des niederländischen Volks[1] zu werden, und sie ist es nicht geworden. Ihr höchstes Gut war das Wohlgefallen ihres Königs, ihr höchstes Unglück seine Misbilligung; bei allen Vorzügen ihres Geistes[22] bleibt sie ein gemeines 〈289〉 Geschöpf, weil ihrem Herzen der Adel[5] fehlte..
[33]
Schiller, an Körner (17. 3. 1802), NA 31, 118
: [A]uch dem Franzosen müssen wir seinen Geist und seine Art des Geistreichen zugestehen, wenn wir unter Geist überhaupt dasjenige verstehen, was bei einem Geschäft über das Geschäft hinaus geht, was das freie Vermögen reizt und beschäftigt, was gleichsam einen subjectiven Gehalt und Ueberfluß zu dem streng objectiven giebt. Wir gebildeten und besonders ästhetisch gebildeten Deutschen wollen immer aus dem Beschränkten ins Unendliche gehen und werden also den Geist ernsthafter nehmen, und in das Tiefe und Ideale setzen; der Franzose hingegen wird sich seines absoluten Vermögens mehr durch das freie Spiel der Gedanken bewußt und wird also schon mit dem Witz[2] zufrieden seyn. | Aber auch der Witz[2] nähert sich, sobald er constitutiv wird, dem Genialen, ja ich glaube daß manche luminose und tiefe Wahrheiten dem Witz[5] sich früher dargestellt haben, nur, daß er nicht das Herz hatte, Ernst daraus zu machen, bis das Genie[4] kam, und wie eine edle Art von Wahnwitzigen sich über alle Rücksichten wegsezte..
[34]
Schiller, an Mme. de Staël (26. 4. 1804), NA 32, 129
: Leider hat uns die Sprache[17] getrennt – die Gesinnung, ich darf es hoffen, würde uns immer fester vereinigt haben. Doch tröstet mich bei diesem Missgeschick, dass, wenn auch ich mich Ihnen nicht mittheilen konnte, wie ich es wünschte, doch die Mittheilung Ihres Geistes bei mir nicht verloren war. Ich werde ihn ewig bewundern, aber noch mehr das schoene Herz und den Adel[5] der Gesinnung, den hohen Wahrheitssinn und den Ernst der Empfindung der Ihnen eigen ist..
[35]
A. W. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 26, Nr. 106
: Die moralische Würdigung ist der ästhetischen völlig entgegengesetzt. Dort gilt der gute Wille alles, hier gar nichts. Der gute Wille witzig zu seyn, zum Beyspiel, ist die Tugend eines Pagliaß [›Bajazzo, Clown‹]. Das Wollen beym Witze[1] darf nur darin bestehen, daß man die konvenzionellen Schranken aufhebt, und den Geist frey läßt. Am witzigsten aber müßte der seyn, der es nicht nur ohne es zu wollen, sondern wider seinen Willen wäre, so wie der bienfaisant bourru [sc. Le bourru bienfaissant, dt. Der gutherzige Murrkopf, Komödie von Carlo Goldoni] eigentlich der allergutmüthigste Charakter ist. .
[36]
A. W. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 54, Nr. 205
: Sie pflegen sich selbst die Kritik[8] zu nennen. Sie schreiben kalt, flach, vornehmthuend und über alle Maßen wäßericht. Natur[19], Gefühl, Adel[5] und Größe des Geistes sind für sie gar nicht vorhanden, und doch thun sie, als könnten sie diese Dinge vor ihr Richterstühlchen laden. Nachahmungen der ehemaligen Französischen Schönenweltsversemacherey, sind das äußerste Ziel ihrer lauwarmen Bewunderung. Korrektheit gilt ihnen für Tugend. Geschmack ist ihr Idol; ein Götze dem man nur ohne Freude dienen darf.
➢ Volltext.
[37]
A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 174
: Im blonden Ekbert werden [...] Schauer erregt, an denen keine Häßlichkeit der Erscheinungen Theil hat, und die um so überraschender treffen, weil sie nicht mit großen Zurüstungen herbeygeführt werden. Durch die ganze Erzählung geht eine stille Gewalt der Darstellung, die zwar nur von jener Kraft des Geistes herrühren kann, welcher „die Gestalten unbekannter Dinge“ bis zur hellen Anschaulichkeit und Einzelnheit Rede stehn, deren Organ[1] jedoch hier vorzüglich die Schreibart ist: eine nicht sogenannte poetische[6], vielmehr sehr einfach gebaute, aber wahrhaft poetisirte Poesie [sic; gemeint sein dürfte jedoch Prosa1]. Das Geheimniß ihres Maßes und ihrer Freyheit[1], ihres rhythmischen Fortschrittes, und ihres schön[2] entfaltenden Überflusses hat, für unsre Sprache[3] wenigstens, Goethe entdeckt; und die Art wie Tieck seinen Styl, besonders im Wilhelm Meister und in dem goldnen Mährchen, dem Mährchen par 〈175〉 excellence, studirt haben muß, um es ihm so weit abzulernen, würde allein schon seinen Sinn[5] für dichterische Kunst[6] bewähren. ➢ Volltext.
[38]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 93 f. (94)
: Witz[4] und Spott kann auf eine scherzhafte Art gebraucht werden. Beides verträgt sich aber auch mit dem strengsten Ernste. – Ernst ist eine Richtung der Gemütskräfte nach einem Ziele und eine Beschränkung der Tätigkeit; Überströmen der Geisteskräfte nach allen Richtungen. Der Scherz hat gar keinen Zweck, keine Konsequenz; es kann auch Witz[4] dabei vorkom〈94〉men; er ist eine heftige Explosion des Geistes. Der Spott kann auch ernsthaft sein und witzig. Scherz ist eine Übergießung der Freude über die Lebensfülle, die sich hier poetisch[1] zeigt. Witz[4] ist beißend, aber nicht fröhlich. Der Scherz ist der reinen Freude am nächsten verwandt; er muß geistvoll und witzig sein, wenn er etwas bedeuten soll..
[39]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 99
: Die Comoedia del arte, die improvisiert wurde, mit stehenden, immer wiederkommenden Masken, die in verschiedenen Dialekten[1] sprachen, ist originell bei den Italienern, die großes mimisches Talent, Gegenwart des Geistes und Schnelligkeit des Witzes[1/4?] besitzen. Bloß die Handlung wird angegeben, aber die Ausführung wird den Mimen selbst überlassen..
[40]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 100
: Zu seiner Zeit stand Diderot auf und lieferte eigene Versuche in einer besonderen Gattung; er suchte das Konventionelle durch seinen Geist und Witz[1] umzustürzen und drang darauf, man solle wahre Natur[19] darstellen [...]..
[41]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!
1801–02), KAV 1, 411
: Die Nüchternheit [...], welche die Kunstrichter als Correctheit anpreisen, ist meistens nur Fantasielosigkeit und Armuth des Geistes. Als Schwulst und Bombast pflegen eben diese alles zu verwerfen, was irgend über den Horizont des Herkommens und der Gewöhnung hinausgeht. Sie wenden dabey den schon ein andermal gerügten grundlosen Begriff vom Natürlichen[4] und Unnatürlichen an, indem sie mit ihrer Natur[2] nicht die große, unendliche, sondern die oft kläglich beschränkte Ansicht einer Nation[1], eines Zeitalters meynen. Nur auf eine solche Verschwendung von Bildern, welcher kein wahrer Schwung der Fantasie[2] zum Grunde liegt [...], paßt die Benennung des Schwulstes, oder des Bombastes, wenn die Fantasie[2] sich aus den heitern[4] Regionen schöner Anschaulichkeit in das Verworrne und Sinnlose verliert. Sonst aber kann eigentlich eine Metapher[1] niemals zu kühn seyn. Alle Dinge stehn in Beziehungen auf einander, alles bedeutet daher alles, jeder Theil des Universums spiegelt daher das Ganze: dieses sind eben so wohl philosophische als poetische Wahrheiten. Nach der einen großen Metapher[5], welche schon in der ursprünglichen Bildung[3] der Sprache[1] liegt, da nämlich das Sinnliche das zu bezeichnende Geistige vertreten muß, wodurch die Gleichheit dieser beyden entgegengesetzten Welten erklärt wird, kann eigentlich der Dichter nichts kühneres mehr wagen..
[42]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 144
: Der Provenzalischen Poesie[11] ist es ergangen, wie es jeder ganz subjectiven Poesie[11] ergehen muß, die bloß unmittelbar vom Leben lebt, und ihre Nahrungsquellen nicht weiter zurück liegen hat, als in der allgemein ansprechenden Sitte und den persönlichen Leidenschaften der Sänger. Wenn der Kreis der Gefühle durchlaufen, die Mannichfaltigkeit von Individualitäten, welche in diesem Styl der Bildung[1] Statt findet, ausgesprochen ist, so wiederhohlt sie sich oder artet aus. Wie eine durch eigne Fruchtbarkeit erschöpfte Mutter konnte die Provenzalische Poesie[11] nur in Kindern fortblühen, die in andern Ländern ihr Glück suchten. Sollte etwas neues und größeres zu Stande kommen, so mußten noch unbekannte Anschauungen die Geister befruchten, und dieß war in Italien der Fall. Die drey Häupter und Stifter Aller modernen Kunstpoesie, Dante, Petrarca und Boccaccio legten sich sämtlich mit großem Eifer auf das Studium der classischen[7] Autoren und trieben es so weit, als in ihrer Zeit[3] möglich war..
[43]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 51
: Philosophische Kritik[1], im wahren Sinne, findet nur da Statt, wo das Allgemeine auf etwas individuelles bezogen werden muß, zB. bey der Beurtheilung der Darstellungsweise, deren sich Philosophen aus verschiednen Zeitaltern und Nationen[1] für ihre Systeme bedient haben, wobey denn auch die zweyte philologische Fertigkeit, Auslegungskunst, unentbehrlich ist. Häufig fehlte es den Philosophen in Beurtheilung ihrer Vorgänger eben an philologischem Geist, und sie glaubten gegen die Sache zu argumentiren, wenn sie bloß mit einem aus den Mängeln der Darstellung entsprungnen Misverstande kämpften. Das Geschäft zB. die Kritik[4] der reinen Vernunft[1] zu kritisiren würde demnach nicht darin bestehen, die Wahrheit und den Zusammenhang der darin vorgetragnen allgemeinen Sätze zu prüfen, sondern die darin eingefloßnen Subjectivitäten aus dem Charakter[2] des Urhebers, aus dem Gange seiner Forschung und der Stellung gegen das Zeitalter zu zeigen und auszuscheiden, wodurch es allein möglich wird jene von den Buchstaben[11] zu entfesseln, und ihren wahren Gehalt an〈52〉ders als durch Nachbetung der Worte[2] Kants zusammenzufassen, wogegen dieser leider zum neuen Beweise der persönlichen Einflüsse protestirt hat. .
[44]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 7
: Der dichterische Geist bedarf allerdings einer Umgränzung, um sich innerhalb derselben mit schöner[1] Freyheit[1] zu bewegen, wie es alle Völker[1] schon bey der ersten Erfindung des Sylbenmaßes gefühlt haben; er muß nach Gesetzen, die aus seinem eig〈8〉nen Wesen herfließen, wirken, wenn seine Kraft nicht ins Leere hinaus verdunsten soll. ➢ Volltext.
[45]
C. Schlegel, an L. Gotter (18. 7. 1796), C 1, 391
: So viel ich durch den Adel[1] hindurch sehn konte, scheint sie [sc. Ch. v. Kalb] wirklich Geist zu haben..
[46]
F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 135, Nr. 9
: Witz[1/2] ist unbedingt geselliger Geist, oder fragmentarische Genialität. ➢ Volltext.
[47]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 8, Nr. 22
: Der Sinn[5] für Projekte, die man Fragmente aus der Zukunft nennen könnte, ist von dem Sinn[5] für Fragmente aus der Vergangenheit nur durch die Richtung verschieden, die bey ihm progressiv[4], bey jenem aber regressiv ist. Das Wesentliche ist die Fähigkeit, Gegenstände unmittelbar zugleich zu idealisiren, und zu realisiren, zu ergänzen, und theilweise in sich auszuführen. Da nun transcendental[1/2] eben das ist, was auf die Verbindung oder Trennung des Idealen und des Realen Bezug hat; so könnte man wohl sagen, der Sinn[5] für Fragmente und Projekte sey der transcendentale[2] Bestandtheil des historischen Geistes. ➢ Volltext.
[48]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 59, Nr. 220
: Kant der Kopernikus der Philosophie hat von Natur[1] vielleicht noch mehr synkretistischen Geist und kritischen[1] Witz[2/3?] als Leibniz: aber seine Situazion und seine Bildung[5] ist nicht so witzig; auch geht es seinen Einfällen wie beliebten Melodieen: die Kantianer haben sie todt gesungen; daher kann man ihm leicht Unrecht thun, und ihn für weniger witzig halten, als er ist. ➢ Volltext.
[49]
F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. II (1804), 16
: Mit der Fülle und Gediegenheit des Gedachten muß [...] die Freyheit[1] und Lebendigkeit des Denkens im Verhältniß stehen; [...] der Ideenreichthum eines umfassenden Schriftstellers wird dann erst sich wirksam zeigen, wenn darin zugleich eine große Kraft des eignen Denkens, ein eigenthümliches Gepräge, ein kühn combinirender Geist sichtbar ist. Dieses Combinatorische ist es, was ich [...] als wissenschaftlichen Witz[2] bezeichnete..
[50]
Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 61
: Kalte Pädagogen werfen ihm [sc. Antonio Lolli] zwar vor, daß er den Tact nicht immer beobachte: aber lächerlich ist es, dem ungestümen Leben und Weben des Genies[4] Schranken zu setzen. [...] Was seine Compositionen betrifft, so enthalten sie zwar reiche Geniezüge; aber von Seite der Kunst[13] sind sie sehr tadelhaft, denn Colli's [sic] Geist hasst alle Schranken..
[51]
Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 161
: Der Führer dieses Orchesters ist [Jakob Friedrich] Kleinknecht, eigentlich nur ein Flötraversist, aber ein so gründlicher Setzer, als wir einen in Deutschland haben. Zwar übte er sich blos im Kammerstyl, aber seine Kammerstücke sind Muster in dieser Art. Seine melodischen Gänge sind meist gut gewählt, und die Bässe so herrlich gesetzt, daß sie der Componist studieren muß, um den Baßsatz daraus zu lernen. Kleinknechts Geist ist nicht feuervoll, hält aber festen und regelmäßigen Tritt. Er hat verschiedene Trio's, Solo's, auch Symphonien und andere Stücke geschrieben, die reife Kenntniß der Harmonie verrathen..
[52]
Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 368 f. (369)
: Alle große musikalische[1] Genies[4], sind [...] Selbstgelehrte (αὔτοδιδακτοι); denn das Feuer, das sie beseelt, reißt sie unaufhaltbar hin, eine eigene Flugbahn zu suchen. Die Bache, ein Galuppi, Jomelli, Gluk und Mozart, zeichne〈369〉ten sich schon in der Kindheit durch die herrlichsten Producte ihres Geistes aus. Der musikalische[1] Wohlklang lag in ihrer Seele, und den Krückenstab der Kunst[8] warfen sie bald hinweg..
[53]
R. Schumann, Tageb. I (*1828), 97
: Schwere Cigarren stimmen mich hoch u. poetisch[2]; je mehr bey mir der Körper abgespannt ist, desto mehr ist der Geist überspannt. | Wenn ich betrunken bin oder mich gebrochen habe, so war am andern Tage die Fantasie[1] schwebender[7] u. erhöhter. Während der Trunkenheit kann ich nichts machen, aber nach ihr..
[54]
Solger, Erwin II (1815), 277
: Geht [...] die Idee durch den künstlerischen Verstand[9] in die Besonderheit über, so drückt sie sich nicht allein darin ab, erscheint auch nicht bloß als zeitlich und vergänglich, sondern sie wird das gegenwärtige Wirkliche, und, da außer ihr nichts ist, die Nichtigkeit und das Vergehen selbst, und unermeßliche Trauer muß uns ergreifen, wenn wir das Herrlichste, durch sein nothwendiges irdisches Dasein in das Nichts zerstieben sehn. Und doch können wir die Schuld davon auf nichts anderes wälzen, als auf das Vollkommene selbst in seiner Offenbarung für das zeitliche Erkennen; denn das bloß Irdische, wenn wir es allein wahrnehmen, hält sich zusammen durch Eingreifen in einander, und nie abreißendes Werden und Vergehen. Dieser Augenblick des Uebergangs nun, in welchem die Idee selbst nothwendig zunichte wird, muß der wahre Sitz der Kunst[2], und darin Witz[1] und Betrachtung, wovon jedes zugleich mit entgegengesetztem Bestreben schafft und vernichtet, Eins und dasselbe sein. Hier also muß der Geist des Künstlers[1] alle Richtungen in Einen alles überschauenden Blick zusammenfassen, und diesen über allem schwebenden[5], alles vernichtenden Blick nennen wir Ironie[3]. | Ich erstaune, sprach Anselm hier, über deine Kühnheit, das ganze Wesen der Kunst[2] in die Ironie[3] aufzulösen, welches viele für Ruchlosigkeit halten möchten. | 〈278〉 Greif mich nur nicht mehr an, versetzt' ich, mit jener matten und falschen Religiosität, welche die Dichter[1] des Tages durch ihre selbstersonnenen Ideale unterstützen, und womit sie rüstig helfen, die schon so verbreitete empfindelnde und heuchelnde Selbsttäuschung über Religion[3], Vaterland, Kunst[2] bis zum leersten Unsinn zu bringen. Ich sage dir, wer nicht den Muth hat, die Ideen selbst in ihrer ganzen Vergänglichkeit und Nichtigkeit aufzufassen, der ist wenigstens für die Kunst[2] verloren. .
[55]
Spindler, Jude I (1827), 264
: Der Vater Karl, in dem nicht Geist, nicht Muth, nicht Adel[5] wohnte, sondern hölzerne Förmlichkeit allein, hat in seinen Söhnen nichts Treffliches hinterlassen..
[56]
L. Tieck, an Wackenroder (28. 12. 1792), VL 2, 107
: Vertiefe Dich übrigens ja nicht zu sehr in die Poesie[11] des Mittelalters, es ist so ein erstaunliches Feld von Schönheit[3] vor uns, ganz Europa und Asien und vorzüglich das alte[10] Griechenland und das neue[5] England, daß ich fast verzweifle, mich je an diese Nachklänge der Provencalen zu wagen. Vergiß ja über das angenehme das wahre schöne[1] nicht. Soviel ich die Minnesänger kenne, herrscht auch eine erstaunliche Einförmigkeit in allen ihren Ideen, es ist überhaupt schon gar keine Empfehlung für den poetischen[4] Geist dieses Zeitalters, daß es nur diese eine Art von Gedichten gab, nur diesen Zirkel von Empfindungen, in denen sich jeder wieder mit mehr oder weniger Glück herumdrehte..
[57]
K. A. Varnhagen von Ense, Denkw. I (1837–42), 405
: Er [sc. Frhr. v. Stein] stand mit den vornehmen Familien in hergebrachtem Verkehr, hielt sich aber im ganzen sehr zurückgezogen und hatte nur wenig Umgang, der auch selten seinen Ansprüchen genügen konnte. Denn er machte unausgesetzt die größten Forderungen. Ehrenfest und deutsch wollte er die Menschen, aber auch fein und wohlgesittet, von wissenschaftlicher Bildung[6], aber auch entschlossen und tatkräftig, womöglich noch unterhaltend durch Geist und Witz[1]..
[58]
J. H. Voß, F. Stolberg (1819), 18 f. (19)
: In jener Zeit[3] über den Adel[2] mit Adlichen zu reden, vermied man gern. Die Meinung ruhig erwägender Männer war: Die geschlossene Zunft des Adels[2] ist sowohl durch Alterthum[1] ehrenhaft, als durch Tugenden, wenn nicht der Stammväter (die kennt man nicht), doch 〈19〉 einzelner Sprößlinge; strebt der Adel[2] nach der Ehre, für unsere Zeit[3] vorzüglich edel zu sein, an Geist[20/14?], Gemeinsinn und Tüchtigkeit, so wird er wohlthätig für Fürsten und Volk[5], und bleibt mächtig durch alten[1] Ruf und Zusammenhang; trozt er aber auf das Vorrecht angeborener Tauglichkeit, will er dem Staatskörper nicht mehren die Kraft, sondern entziehn, so ist er ein fremdartiges Gewächs, das, wenn es sich nicht vertheilen läßt, den Schnitt fodert. Erbittert durch solche Ansichten, die im Jahr 1792 mein Gesang der Neufranken für Gesez und König aussprach, trug Stolberg mir seine Galle zu, und behauptete: der Adel[2] sei ein edlerer Menschenstamm von eigenem Ehrgefühl, erhaben über die niedrige Denkart der Unadlichen, und dadurch zu Vorzügen berechtigt. Wer, Teufel! rief er, kann uns nehmen, was unser ist? Wer's euch gab, sagte ich: die Meinung. ➢ Volltext.
[59]
Wackenroder, an L. Tieck (11. 12. 1792), VL 2, 96 f. (97)
: Du hast vielleicht schon aus meiner neulichen Anführung aus einem altdeutschen Gedichte, ersehen, womit ich mich jetzt beschäftige. Ich höre beym Prediger Koch, der in der That ein äußerst gelehrter, kenntniß〈97〉reicher u[nd] eifrigthätiger Mann ist, ein Kolleg[ium] über die allg[e]m[eine] Litteratur-Geschichte, vornehml[ich] über die schönen[1] Wiss[enschaften] unter den Deutschen. Da hab' ich denn manche sehr interressante[1] Bekanntschaft mit altdeutschen Dichtern gemacht, u[nd] gesehn, daß dies Studium, mit einigem Geist[20] betrieben, sehr viel anziehendes hat. Ich habe mir auch einige Stücke abgeschrieben; u[nd] schmeichle mir jetzt öfters mit der (wenn auch kindischen, doch ergötzenden) Hoffnung, einmal in dem Winkel mancher Bibliothek, Entdeckungen in diesem Fach zu machen, oder wenigstens es durch kleine Aufklärungen zu erweitern. Schon Sprache[3], Etymologie, u[nd] Wortverwandtschaften, (besonders auch das Wohlklingende der alten[11] Ostfränk[ischen] Sprache[3]) machen das Lesen jener alten[11] Ueberbleibsel interressant[1]. Aber auch davon abstrahirt, findet man viel Genie[5] u[nd] poet[ischen][4] Geist[27] darin. .
[60]
Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 121 ff. (123)
: Als Albrecht [Dürer] den Pinsel führte, da war der Deutsche auf dem Völkerschauplatz unsers Welttheils noch ein eigenthümlicher und ausgezeichneter Charakter[6] von festem Bestand; und seinen Bildern ist nicht nur in Gesichtsbildung und im ganzen Äußeren, 〈122〉 sondern auch im inneren Geiste[12], dieses ernsthafte, grade und kräftige Wesen des deutschen Charakters[2] treu und deutlich eingeprägt. In unsern Zeiten[3] ist dieser festbestimmte deutsche Charakter[2], und eben so die deutsche Kunst[4], verloren gegangen. Der junge Deutsche lernt die Sprachen[3] aller Völker[1] Europa's, und soll prüfend und richtend aus dem Geiste[10] aller Nationen[1] Nahrung ziehen; – und der Schüler der Kunst[4] wird belehrt, wie er den Ausdruck Raphaels, und die Farben der venezianischen Schule, und die Wahrheit der Niederländer, und das Zauberlicht des Correggio, alles zusammen nachahmen, und auf diesem Wege zur alles übertreffenden Vollkommenheit gelangen solle. – O traurige Afterweisheit! O blinder Glaube des Zeitalters, daß man jede Art der Schönheit[1], und jedes Vorzügliche aller großen Künstler der Erde, zusammen〈123〉setzen, und durch das Betrachten aller, und das Erbetteln von ihren mannigfachen großen Gaben, ihrer aller Geist[20] in sich vereinigen, und sie alle besiegen könne! ➢ Volltext.
[61]
Winckelmann, Anm. Gesch. Kunst (1767), 39
: Viele Künstler sind gelehrt in der Proportion, aber wenige haben Schönheiten[3] hervorgebracht, weil hier der Geist und das Gefühl mehr als der Kopf arbeitet. Da nun das Idealische der Schönheit[1] von den alten[10] Künstlern als das höhere Theil derselben betrachtet worden, so haben sie dieser die bestimmten Verhältnisse unterworfen und diese jener zugewäget. In der Proportion haben sie sich zuweilen einige Freyheit[9] genommen, und es ist dieselbe zu entschuldigen, wenn es mit Grunde geschehen..
[62]
Zelter/Goethe, Haydn. Schöpf. (1826), WA I, 41.2, 384
: [H]ierdurch werde ich erinnert, an den Vorwurf zu denken, den man Haydn machen wollen: seine Musik[4] ermangele der Leidenschaft. Hierauf nun erwidere ich Folgendes: Das Leidenschaftliche in der Musik[1] wie in allen Künsten[2] ist leichter als man denkt, schon weil es leichter nachempfunden wird; es ist nicht ursprünglich, die Gelegenheit bringt es hervor, und nach dem Begriffe[1] der Alten[10] verdeckt es die reine Natur[19] und entstellt das Schöne[1]. [...] | Unser Haydn [...] wirkt ohne Hitze, was er wirkt; wer will denn auch erhitzt sein? Temperament, Sinn[6], Geist, Humor[3], Fluß, Süße, Kraft und endlich die echten Zeichen des Genies[4]: Naivetät und Ironie[3] müssen ihm durchaus zugestanden werden. Sind nun die hier genannten Elementartheile, welche ohne Wärmestoff nicht denkbar sind, Haydn'sche Eigenheiten, so begrüßen wir seine Kunst[10] als antik[4] im besten Sinne[1], und daß sie modern[4/7] sei, ist unsres Wissens nicht bestritten worden, was auch schwer gelingen möchte, da alle moderne[9] Musik[1] auf ihm ruht..