[1]
v. d. Hagen, Vorr. Nibel. (1810), XVI
: Hauptsächlich noch behalte ich mir dies alles vor zu dem mündlichen Vortrage über dieß Gedicht [sc. das Nibelungenlied], welchen ich noch in diesem Jahre an der hier [sc. in Berlin] aufblühenden Universität, wo der liberale Geist des Ganzen auch die öffentliche Anerkennung der Deutschen Alterthums-Wissenschaft, als einer solchen, hoffen läßt, zu halten gedenke.
[2]
Hegel, Solger (1828), W 11, 214 f. (215)
: Eine Menge literarischer Erscheinungen und Urteile, welche 〈215〉 dem Geiste dieser Zeit[5] angehören, gehen in diesem Briefwechsel an unseren Augen vorbei; doch fällt die keckste und blühendste Periode der Ironie[4], Lucinde, Athenäum usf. schon jenseits desselben.
[3]
Kant, Crit. rein. Vern. (
2
1787), XXXVI
: In der Ausführung [...] des Plans, den die Critik[1] vorschreibt, d. i. im künftigen System der Metaphysik, müssen wir dereinst der strengen Methode des berühmten Wolf, des größten unter allen dogmatischen Philosophen, folgen, der zuerst das Beyspiel gab (und durch dies Beyspiel der Urheber des bisher noch nicht erloschenen Geistes der Gründlichkeit in Deutschland wurde,) wie durch gesetzmäßige Feststellung der Principien, deutliche Bestimmung der Begriffe[1], versuchte Strenge der
Beweise, Verhütung kühner Sprünge in Folgerungen der sichere Gang einer Wissenschaft zu nehmen sey [...].
[4]
Krünitz [Flörke], Oecon. Encycl. LXXXIX (1802), 4
: Wahr ist es [...], daß viele alten[9] Schriftsteller die Welt mit Erzählungen [...] beschenkt haben, [...] sie mochten wahr oder falsch seyn [...]. In der Folge, da der Geist der Untersuchung allgemeiner wurde, fand man, daß viele dieser angeblichen Berichte falsch waren [...].
[5]
Moritz, Dt. in Engld. (1783), 82 f. (83)
: Die Eltern, auch von ge〈83〉ringem Stande, scheinen hier [sc. in England] gegen ihre Kinder sehr gütig und nachsichtsvoll zu seyn, und nicht so sehr, wie bei uns der Pöbel, mit Schlägen und Scheltworten ihren Geist zu unterdrücken. Die Kinder müssen schon früh sich selber schätzen lernen, statt daß bei uns die Eltern vom Pöbelstande ihre Kinder wieder zu eben der Sklaverei erziehen, worunter sie selber seufzen.
[6]
Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 397, Nr. 685
: Kleidung = Symbol des Geistes d[er] Zeiten[5].
[7]
H. Sander, Beschr. Reis. I (1783), 346
: Von diesem Werke [...] ging ich [...] zu einem schimpflichen Beweise von dem elenden grausamspielerischen Geist der Franzosen, nämlich zum | Combat des Betes sauvages.
[8]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 261
: Der in jener Periode hervorgerufne und ausgebildete heroische Geist erhielt sich neben dem Gefühl der Unabhängigkeit in dem Adel[2] und den Städten noch einige Jahrhunderte hindurch
[9]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 266
: Da [...] die lokalen Geschichten des modernen Europa ohne Sinn[5] für die Zeitalter und die darin liegende Beziehung auf das Ganze, den Ausländern gänzlich uninteressant werden, ja nicht einmal allgemein bey den Mitgliedern einer Nation[1], wo es an Nationalität und Patriotismus fehlt, auf rege Theilnahme rechnen dürfen: so bescheiden sie sich von selbst, bloß zu bedingten lokalen Zwecken geschrieben zu seyn, als Handbücher der Geschäftsmänner und Juristen in einem Staat, der vielleicht nur wenige Meilen im Umkreise hat, und außer welchem kein Mensch um diese obscuren Geschichten sich bekümmert. Dieß Bewußtseyn hat dann auf die Form den nachtheiligsten Einfluß gehabt: je brauchbarer für solche Zwecke, desto unlesbarer und barbarischer sind gewöhnlich solche Geschichtbücher. | Bey solchen bloß technisch-praktischen Historien beruht natürlich die ganze Brauchbarkeit auf der Erweislichkeit der Thatsachen. Daher ist es Sitte geworden die Geschichtforschung mit in die Geschichtschreibung hinein zu tragen; und weitläuftig über Dinge für und wider zu discutiren, die ein Alter ganz kurz mit Erwähnung der beyden abweichenden Meynungen unentschieden hätte dahin gestellt seyn lassen. Ohne Sinn[5] für Erweise, zu denen eine lebendige Anschauung der Vergangenheit erfodert wird, hat man alles auf den todten Buchstaben[6/8] zu reduciren gesucht; und da unter schriftlichen Denkmälern keine einen höheren Grad von Glaubwürdigkeit zu haben scheinen, als Diplome, so ist es der größte Lobspruch solcher technischen Specialgeschichten geworden: sie seyen diplomatisch geschrieben. Es könnte sich treffen, daß eine dergleichen zwar nichts unrichtiges, aber auch nicht das rechte wahre enthielte. Selbst das in öffentlichen Akten verhandelte bekömmt durch den Geist der Menschen erst seine lebendige Bedeutung.
[10]
F. Schlegel, Lucinde (1799), 59
: Wie die weibliche Kleidung vor der männlichen, so hat auch der weibliche Geist vor dem männlichen den Vorzug, daß man sich da durch eine einzige kühne Combination über alle Vorurtheile der Cultur[4] und bürgerlichen Conventionen wegsetzen und mit einemmale mitten im Stande der Unschuld und im Schooß der Natur[19] befinden kann.
[11]
F. Schlegel, Entw. d. Philos. I (
!1804–05), KFSA 12, 263
: Man könnte wohl sagen, der Geist der Prüfung war in der vierten Periode so allgemein als die Neigung zum Mystizismus [...].
[12]
Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 191
: Wenn der Fürst klein ist, so schrumpft alles um ihn her in den gleichen Geist der Kleinheit zusammen.
[13]
Wackenroder, an seine Eltern (23. 7. 1793), VL 2, 203
: Der geübteste Schauspieler kann ein feuriges Gebet nicht treuer u vollkommner darstellen, als es diesen Leuten zur Gewohnheit geworden ist, u[nd] als ich besonders an einem kleinen Mädchen bemerkte. Man wird hier ganz in den kathol[ischen] Geist eingeweiht, u[nd] fast gereizt alle Cäremonien mitzumachen.
[14]
B. v. Arnim, Buch König (1843), 286
: Der Pfarrer empfiehlt sich ganz verdattert über der Frau Rath ihren pindarischen Schwung, den er gar nicht hinter ihr gesucht hatte. Ja, so gehts, die ledernen Philister meinen man könnte zu hohen Lebensansichten kommen ohne vom Geist der Poesie[4] durchdrungen zu sein..
[15]
C. Böhmer, an Ch. Michaelis (Dez. 1787), C 1, 167
: Du siehst Madam Böhmer wohl nicht? Ich fürchte, es wird nicht lange mehr mit ihr dauren, nach den Beschreibungen, die sie selbst, mit dem heitersten[4] Muth und Hofnungen, von ihren Zustande giebt. Geholfen kan ihr gar nicht werden, sagt Böhmer; ihre Curen helfen ihr nur die Zeit[6] hinbringen. Mich däucht, von der Familie ahnden[3] wenige ihre Gefahr. Pine, der ungefällige Pümpel, besorgt sie auch wohl nicht im Geist der Zärtlichkeit des letzen Diensts?.
[16]
Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 92
: Kenntniß der Materien, Uebersicht des Ganzen, Geschmack, richtige Wahl und Würdigung der Mitarbeiter, ein scharfes Urtheil in der Stellung der Sachen, stete Verfolgung des Plans, Unpartheilichkeit, Freiheit[1] von einseitigen Ansichten und von Systemgeist, daher Beobachtung eines gewissen Maßes, welches durch den Zweck des Werkes bestimmt wird, ein treues Gedächtniß, endlich die nöthige Vollmacht, in fremden[3] Beiträgen solche Veränderungen und Verbesserungen zu machen, welche die Vollkommenheit 〈93〉 des Werks erheischt, das sind wesentliche Erfordernisse eines guten Redacteurs [...]..
[17]
Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 156
: Es [sc. das Versepos Reineke Fuchs] wurde häufig in der Ursprache herausgegeben, ins Hochdeutsche und in fremde[1] Sprachen[3] übersetzt, auch umgebildet und dem Geiste der spätern Zeiten[5] angepaßt..
[18]
Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 170
: Unsterblich sind Moses Verdienste um sein Volk[1], das wahrlich zu seiner Zeit[3] nicht dazu geeignet war, mitten unter Götzenanbetern den Glauben seiner Väter an einen Gott[1], der ganzen Welt Schöpfer, des Guten und Bösen weisen Regierer, dem einzig Freiheit[1] von Schuld und Verbrechen den Menschen[1] angenehm mache, festzuhalten. Und doch gelang es ihm, sich ihrer Sinnlichkeit für die Sache der Vernunft[3] und der Religion[1] zu bemächtigen, und sie durch Staats- und Tempelgesetze immer auf den Einen zurückzuführen, der ihr eigentlichster Herr sei. Hätten seine Nachfolger den Geist[14/20?] von ihm geerbt, der Jude[1] würde nicht mehr im sclavischen Joche des Ceremoniendienstes den Gott[1] zu verehren glauben, der seine Kinder zur Freiheit[10] erschuf..
[19]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. III (1839), 732
: Von Bildungsanstalten bestehen in R.[om] eine Universität [...]; die zahlreichen Vereine und Gesellschaften für die Naturwissenschaften, für Poesie, Alterthumsforschung und Kunst führen meist den Namen von Akademien. Bei dem weit hinter dem Standpunkte der Bildung in den aufgeklärtern europ. Ländern zurückgebliebenen Geiste
der päpstl. Regierung ist jedoch die Wirksamkeit jener Anstalten ihrer Zahl und Ausstattung keineswegs entsprechend. Dagegen bieten die öffentlichen und Privatsammlungen von Alterthümern und Kunstgegenständen, die Bibliotheken und der classische Boden mit seinen Überresten aus der Zeit röm. Größe einen unerschöpflichen Stoff [...]..
[20]
Fichte, Krit. all. Offenb. (1792), SW 5, 29, Anm.
: Nil admirari – omnia humana infra se posita cernere
– ist es nicht das unsichtbare Wehen dieses Geistes
, das uns hier weniger, da mehr an die klassischen Schriften der Alten anzieht?.
[21]
C. de la Motte Fouqué, Span. u. Frw. (1814), 45
: Ich sehe gar nicht ein, weshalb sie [sc. die französische Sprache als Gesellschaftssprache]
nicht zu entbehren sei. Es kommt nur darauf an, daß nothwendiger Ausgleichungen im Leben wegen, das klassisch, poetische Italiänisch Hofsprache werde. Welch ganz anderer Geist
würde in die Gesellschaft übergehen..
[22]
F. de la Motte Fouqué, Lebensgesch. (1840), 265
: Um selbige Zeit erschienen zwei Schauspiele von Pellegrin in Druck, ebenfalls in jenen ihm so lieben Spanischen Maaßen, eines: »der Falke« betitelt, eines: »Das Reh.« Hinter den phantastischen Frauen- und Ritter-Gestalten lauschte eine Naturbezeichnung auf Luft und Erde, wie es denn in jenen Zeiten der romantischen Schule gern geschehen war, aber es lebte und webte auch noch weit Bessres darin: ein Herz, in liebevoller Sehnsucht glühend, und ein kriegrischer Geist
, nicht ohne Kriegs-Erfahrung und Kriegs-Verstand. Letzteres offenbart sich vornehmlich durch die Schilderung eines Treffens im Schauspiel: »der Falke.« – Die metrische Behandlung war nun bereits vollständig sicher und wohllautend. Eigentlich sollten die Elementarbilder noch späterhin vervollständigt werden durch zwei andre Schauspiele: »Der Goldfisch« und: »der Salamander«, und vielleicht noch ein fünftes dazu kommen: »der Eremit«, hindeutend auf das Ur- und Grundelement, in – ich will es nur frisch herausbekennen – Jakob Böhmeschen Prinzipien. Wer noch jetzt etwa sich darüber und dawider klassisch ereifern mögte, wolle gefälligst seinen Unmuth damit beschwichtigen, daß weder der Goldfisch, noch der Salamander, noch der Eremit anderweitig vorhanden sind, als in meiner Phantasie..
[23]
Gerstenberg, Merkw. Litt. I (1766), 40
: Kömmt es Ihnen nicht wunderbar vor, den wegen der Wildheit seines Genies[2] so verschrieenen Ariost itzt plötzlich mit dem classischen5] Geiste eines 〈41〉 Virgil sein Sujet vortragen zu hören?.
[24]
Goethe, Pfingstmont. II (1820), WA I, 41.1, 242 f. (243)
: Überhaupt bewahrt sich in Straßburg und im ganzen Elsaß ein eigenthümlicher Geist; die Vortheile der Nationaleinheit, in die man gehört, werden anerkannt 〈243〉 und niemand gelüstet nach der germanischen Zerstücklung. Aber wenn man im politischen Sinn sich gern als Franzose betrachtet, so sind doch in jeder anderen Richtung deutsche Cultur[4] und deutsche Sitten überwiegend, und keine der französischen Superstitionen wird jemals dort tiefe Wurzeln schlagen..
[25]
Goethe, Camp. Frankr. (1822), WA I, 33, 208
: Werther bei seinem Erscheinen in Deutschland hatte keineswegs, wie man ihm vorwarf, eine Krankheit, ein Fieber erregt, sondern nur das Übel aufgedeckt, das in jungen Gemüthern verborgen lag. Während eines langen und glücklichen Friedens hatte sich eine literarisch-ästhetische Ausbildung auf deutschem Grund und Boden, innerhalb der Nationalsprache, auf das schönste entwickelt; doch gesellte sich bald, weil der Bezug nur auf's Innere ging, eine gewisse Sentimentalität hinzu, bei deren Ursprung und Fortgang man den Einfluß von Yorik-Sterne nicht verkennen darf. Wenn auch sein Geist nicht über den Deutschen schwebte[5], so theilte sich sein Gefühl um desto lebhafter mit. Es entstand eine Art zärtlich leidenschaftlicher Ascetik, welche, da uns die humoristische Ironie[3] des Briten nicht gegeben war, in eine leidige Selbstquälerei gewöhnlich ausarten mußte..
[26]
Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 502
: So sind z. B. Tieck und die Herrn Schlegel's, die, in ihrer ironischen[3] Absichtlichkeit, des Gemüthes und Geistes ihrer Nation[1] und Zeit[5] nicht mächtig werden konnten, hauptsächlich gegen Schiller losgezogen, und haben ihn schlecht gemacht, weil er für uns Deutsche den rechten Ton getroffen hatte, und am populärsten geworden war. ➢ Volltext.
[27]
Heine, an F. Steinmann (4. 2. 1821), HSA, 20
: Denke Dir, in meiner Tragödie sind alle drei Einheiten höchst gewissenhaft beachtet, fast nur vier Personen hört man immer sprechen, und der Dialog ist fast so preziös, geglättet und geründet wie in der Phèdre oder in der Zaire. Du wunderst Dich? Das Räthsel ist leicht gelöst: ich habe versucht auch im Drama romantischen[4] Geist mit streng plastischer[3] Form zu verbinden..
[28]
Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 78 f. (79)
: Und ohne mich hier auf die 〈79〉 verschiednen Perioden des Geists[26] der mittlern Zeiten[3] einlassen zu können; wir wollens gothischen Geist[26], nordisches Ritterthum im weitsten Verstande[7] nennen [...]. | [...] Väterliche Neigungen, und heilige Verehrung des weiblichen[1] Geschlechts[2]: unauslöschliche Freyheitliebe und Despotismus: Religion[4] und kriegerischer Geist[14]: pünktliche Ordnung und Feyerlichkeit und sonderbarer Hang zur Aventure – das floß zusammen! [...] Der Geist[26] des Jahrhunderts durchwebte und band – die verschiedensten Eigenschaften – Tapferkeit, und Möncherey, 〈80〉 Abentheur und Galanterie, Tyranney und Edelmuth; bands zu dem Ganzen, das uns jetzt – zwischen Römern und uns – als Gespenst als romantisches[2] Abentheuer dasteht, einst wars Natur[21], war – Wahrheit.
.
[29]
Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 321
: Selbst unsre kurze Geschichte[7] beweiset es daher schon klar, daß mit der wachsenden wahren Aufklärung der Völker[1] die menschenfeindlichen, sinnlosen Zerstörungen derselben sich glücklich vermindert haben. Seit Roms Untergange ist in Europa kein cultiviertes Reich mehr entstanden, das seine ganze Einrichtung auf Kriege und Eroberungen gebauet hätte; denn die verheerenden Nationen[1] der mittleren Zeiten[3] waren rohe, wilde Völker[1]. Je mehr aber auch sie Cultur[4] empfingen und ihr Eigenthum liebgewinnen lernten, desto mehr drang sich ihnen unvermerkt, ja oft wider ihren Willen, der schönere[1], ruhige Geist des Kunstfleißes, des Ackerbaues, des Handels und der Wissenschaft[1] auf. Man lernte nutzen ohne zu vernichten, weil das Vernichtete sich 〈322〉 nicht mehr nutzen läßt, und so ward mit der Zeit[1], gleichsam durch die Natur[1] der Sache selbst, ein friedliches Gleichgewicht zwischen den Völkern[1], weil nach Jahrhunderten wilder Befehdung es endlich alle einsehen lernten, daß der Zweck, den Jeder wünschte, sich nicht anders erreichen ließe, als daß sie gemeinschaftlich dazu beitrügen..
[30]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 260
: Arabien. (Geschichte.) Wie dieses Wunderland von gefahrdrohenden Korallenküsten, einem fast unzugänglichen Meere, ungeheuern Sandwüsten und Felsenbergen rings eingeschlossen ist, und ein noch bis jetzt wenig erforschtes Ganzes bildet, so ist auch seine Geschichte nicht eher zugänglich, als bis die Kinder dieses seltsamen Landes, von einem Geiste beseelt und von seiner Feuertaufe zur welthistorischen Wichtigkeit geweiht, hervorbrechen, sich in Asien, Afrika und Europa, der ganzen damals bekannten Welt, als Sieger ausbreiten, und einen nie mehr zu verwischenden Einfluß auf die fortschreitende Kultur[3] des Abendlandes[2] ausüben..
[31]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 207
: Nach der Wiedereinsetzung der alten[1] Bourbon’schen Dynastie regte sich ein neuer[1] Geist. Junge, kühne Männer sprachen entschieden dem strengen Formenwesen der sogenannten klassischen[8] Poesie[1] des Jahrhunderts Ludwig’s XIV. Hohn, und streiften gewaltsam ihre Fesseln ab. – Sie nannten sich im Gegensatze zu den Bekennern jener Schule, Romantiker[3]. An ihrer Spitze steht Victor Hugo. Ihm gesellen sich in diesen Bestrebungen zu: de Lamartine, Alfred de Vigny, Alexander Dumas, Jules Janin, Sainte Beure [sic], Barbier, Barthélemy und Mery, Balzac, E. Sue u. s. w. – Nur der Phantasie[2] gehorchend, sind sie in ihrer Opposition sehr oft zu weit gegangen und haben entweder zu Grausenhaftes und Unnatürliches dargestellt, oder gerade in entgegengesetzter Richtung noch mehr gekünstelt, als ihre Gegner, so daß sie von Verirrungen in der Mehrzahl keineswegs frei zu sprechen sind; doch ist auf der andern Seite vollkommen anzuerkennen, daß sie der Poesie[1] einen neuen[1], dauernden Schwung verliehen, und daß, wenn erst größere Ruhe und Klarheit in ihre Bestrebungen tritt, wenn der Tag nicht mehr den Tag verschlingt, gerade durch diese anscheinend gewaltsame Erweiterung des Gebietes der Dichtkunst Ausgezeichnetes und Großes werde herbeigeführt werden..
[32]
Herwegh, Lit. Industr. (1840), W 2, 139
: Dagegen, welche Gesunkenheit des Buchhandels im Augenblicke in einem großen Teile Süddeutschlands, welche Gesunkenheit desselben namentlich in der Stadt, aus welcher in der Person des Herrn Wolfgang Menzel
in den letzten Jahren aller literarischer Jammer hervorging, in Stuttgart,
wo vorzugsweise die Schillerfabrik ist. Hier ist der Sitz der Übersetzungsindustrie, der Sitz der Industrieritter, der Übersetzer. Der Buchhandel geht mit der Kritik Hand in Hand; beide sind reaktionär.
Der Geist
einer vielleicht unbewußten Reaktion hat neben dem Wuchergeiste
diese Übersetzungen großer Toten, die eine klassische Phalanx gegen die jungen Autoren bilden sollen, hervorgerufen..
[33]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 160
: Der Bruder des Joseph Gabriel Condorcanqui, welcher unter dem Namen Diego Christobal Tupac-Amaru bekannt ist, ward erst lange nach der Beendigung dieses Revolutionsversuchs der peruanischen Indianer hingerichtet. Nachdem der Anführer in die Hände der Spanier gefallen war, hatte sich Diego freiwillig ergeben, weil man ihm im Namen des Königs Pardon versprochen hatte. Es ward eine förmliche Uebereinkunft zwischen ihm und dem spanischen General, am 26sten Jänner 1782, im indianischen Dorfe Siquari, in der Provinz Tinta, unterzeichnet. Auch lebte er ruhig in seiner Familie, bis er, vom Geist einer hinterlistigen und mißtrauischen Politik, unter dem Vorwand einer neuen[2] Verschwörung gefangen genommen wurde..
[34]
W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 182
: [W]enn er, mit dem classischen[3] Geiste der Alten[10] vertraut, und von dem besten der Neueren[3] durchdrungen, zugleich so individuell gebildet ist, daß er nur unter seiner Nation{1] und in seiner Zeit[3] emporkommen konnte, daß alles Fremde[1], was er sich aneignet, danach sich umgestaltet und er sich nur in seiner vaterländischen Sprache[3] darzustellen vermag, in jeder andern aber und zwar gerade für seine Eigenthümlichkeit schlechterdings unübersetzbar bleibt; wenn es ihm nun so gelingt, die Resultate seiner Erfahrungen über Menschenleben und Menschenglück in eine dichterische Idee zusammenzufassen, und diese Idee vollkommen auszuführen – dann mußte, und nur so konnte ein Gedicht, wie das gegenwärtige ist, entstehen..
[35]
W. v. Humboldt, Schiller (1830), GS I, 6.2, 511
: Aus dem dürftigen Zustande, in welchem Kant die Philosophie, eklektisch herumirrend, vor sich fand, vermochte er keinen anregenden Funken zu ziehen. Auch möchte es schwer seyn zu sagen, ob er mehr den alten, oder den späteren Philosophen verdankte. Er selbst, mit dieser Schärfe der Kritik[1], die seine hervorstechendste Seite ausmachte, war sichtbar dem Geiste[12/14] der neueren Zeit[3] näher verwandt..
[36]
Jean Paul, Unsichtb. Loge (
2
1822), SW I, 2, 120 f.
: Der Geschmack am der Alten muß sich so gut abstumpfen als der an ihrer Sprach
e. Ich behaupte nicht, daß man in den klassischen Papagaien-Jahrhunderten diesen Geist
besser fühlte als jetzo [...]. Allein ich rede vom jetzigen Geschmack des Volks, nicht des Genies..
[37]
Kant, Crit. rein. Vern. (
21787), XLII
: Ich habe [...] mit dankbarem Vergnügen wahrgenommen, daß der Geist der Gründlichkeit in Deutschland nicht erstorben, sondern nur durch den Modeton einer geniemäßigen Frey〈XLIII〉heit[15] im Denken auf kurze Zeit[6] überschrien worden, und daß die dornichten Pfade der Critik[1], die zu einer schulgerechten, aber als solche allein dauerhaften und daher höchstnothwendigen Wissenschaft der reinen Vernunft führen, muthige und helle Köpfe nicht gehindert haben, sich derselben zu bemeistern..
[38]
Kant, Gemeinspruch (1793), 267
: Es muß in jedem Gemeinen Wesen ein Gehorsam [...], aber zugleich ein Geist der Freiheit[6] sein [...]. Der erstere, ohne den letzteren, ist die veranlassende Ursache aller Geheimen Gesellschaften. Denn es ist ein Naturberuf der Menschheit[2], sich, vornehmlich in dem, was den Menschen[2] überhaupt angeht, einander mitzutheilen; jene Gesellschaften also würden wegfallen, wenn diese Freiheit[6] begünstigt 〈268〉 wird. – Und wodurch anders können auch der Regierung die Kenntnisse kommen, die ihre eigene wesentliche Absicht befördern, als daß sie den in seinem Ursprung und in seinen Wirkungen so achtungswürdigen Geist der Freiheit[6] sich äußern läßt?.
[39]
Klein, Rheinreise (1828), 183
: Mannichfaltige[2] Krümmungen, seichte Stellen und Sandbänke, Unterbrechung des Leinpfades am schroffen Ufer machten die Moselbeschiffung schwierig. Selbst der Geist der Regierung war dem Handel nicht förderlich. Er hob sich erst, als Clemens Wenzeslaus, ohne Rücksicht der Konfession, fremden[1] Kaufleuten das Bürgerrecht gab und mehrere [...] hierher zogen..
[40]
Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXV (1818), 153
: Es war noch ein Ueberbleisel des Geistes der Galanterie und der ritterlichen Tapferkeit, der in diesem Zeitpunkte ganz Europa und besonders Spanien, unter der Herrschaft der Araber, belebte. Der Ritter Quinnones war von diesem romantischen[2] Geiste beseelt und vertheidigte unterstützt von neuen Helden, gleich ihm, im Jahre 1434 den Paß bei Obriga..
[41]
Novalis, Blüthenstaub (1798), 88, Nr. 68
: Eine Übersetzung ist entweder grammatisch, oder verändernd, oder mythisch. Mythische Übersetzungen sind Übersetzungen im höchsten Styl. Sie stellen den reinen, vollendeten Karakter[1] des individuellen Kunstwerks dar. Sie geben uns nicht das wirkliche Kunstwerk, sondern das Ideal desselben. Noch existirt wie ich glaube, kein ganzes Muster derselben. Im Geist[12] mancher Kritiken[5] und Beschreibungen von Kunstwerken trifft man aber helle Spuren davon. Es gehört ein Kopf dazu, in dem sich poetischer[4] Geist[14] und philosophischer Geist[14] in ihrer ganzen Fülle durchdrungen ha〈89〉ben. Die griechische[2] Mythologie ist zum Theil eine solche Übersetzung einer Nazionalreligion. Auch die moderne[1] Madonna ist ein solcher Mythus. ➢ Volltext.
[42]
Novalis, Versch. Fragm. (*1798), NS 2, 594, Nr. 316
: Die Zeit[3] ist nicht mehr, wo der Geist[1/14] Gottes[1] verständlich war. Der Sinn[2] der Welt ist verloren gegangen. Wir sind beym Buchstaben[8] stehn geblieben. Wir haben das Erscheinende über der Erscheinung verlohren..
[43]
Schelling, Philos. d. Kunst (
!1803–04), SW I, 5, 440
: Der Protestantismus entstand und war historisch nothwendig. Preis den Heroen, welche zu jener Zeit, für einige Theile der Welt wenigstens, die Freiheit[1] des Denkens und der Erfindung auf ewig befestigten! Das Princip, das sie weckten, war in der That neu beseelend, und konnte, verbunden mit dem Geist[12/14?] des klassischen[7] Alterthums[2], unendliche Wirkungen hervorbringen, da es in der That seiner Natur[1] nach unendlich war [...]. ➢ Volltext.
[44]
Schiller, an Chr. G. Körner (10. 3. 1789), NA 25, 225
: Auch über die Epoche aus seinem Leben die ich wählen würde habe ich nachgedacht. Ich hätte gerne eine unglückliche Situation, welche seinen Geist unendlich poetischer[1] entwickeln läßt, die Schlacht bey Kollin und der vorhergehende Sieg bei Prag z. B. oder die traurige Constellation vor dem Tode der Kaiserin Elisabeth, die sich dann so glücklich und so romantisch[4] durch ihren Tod lös't..
[45]
Schiller, Tell (1804), NA 10, 252
: Ich will ihn brechen diesen starren Sinn[9], | Den kecken Geist der Freiheit[7] will ich beugen..
[46]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!1798–99), KAV 1, 110
: Die nordischen Ankömmlinge waren grausame Barbaren, aber es lebte in ihnen doch ein starker männlicher Geist. [...] Sie hatten ein sittliches Gefühl für das weibliche Geschlecht[2], es zu ehren und ihm vorzüglich zu huldigen hielten sie für Pflicht. In der Liebe verbarg sich das Sinnliche ganz; sie hatte einen heiligen Anstrich, war metaphysisch und ähnlich der Liebe zu Gott[1]. Dies brachte bei ihnen Spiele, Gesang hervor. Hierzu kam der Geist der Tapferkeit, der phantastisch[2] und exzentrisch war [...]; es entstand [...] ein ritterlicher Mythus, welcher, wie der Geist der Ritter, abenteuerlich[3] und phantastisch[2] war. [...] [D]ie ersten Erscheinungen mußten so wunderbar und phantastisch[2] hervortreten..
[47]
A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 46
: Die Philologie ist an sich ein liberales Studium, weil es bloß auf Uebung und Bildung[2] des Geistes im allgemeinen abzweckt, und sich der Gemeinnützigkeit bestimmter Anwendungen entzieht. Man hat sie aber auch in der neueren[5] Epoche diesen unterwürfig machen wollen, 〈47〉 und dadurch auf Abwege geleitet. Die älteren[10] Philologen suchten den Schülern bloß den Buchstaben[11] der alten[10] Autoren zu eröffnen, in der Zuversicht, wenn sie selbigen treufleißig erlernt hätten, würde ihnen der Geist[30] nach dem Maaße ihres Sinnes[5] von selbst aufgehen. Jetzt hat man sie voreilig in diesen einzuweihen gedacht, ohne ihn selbst recht gefaßt zu haben: man hat in Noten viel über die Schönheiten[3] der Dichter gefaselt, man hat die Mythologie nach oberflächlichen Ansichten aus der sogenannten Geschichte[4] der Menschheit[2], d. h. aus Vergleichungen mit andern Nationen[1] auf gleichen Stufen der Cultur[4] [...], zugestutzt, u. s. w. Was ist dabei herausgekommen? Die grammatische Gründlichkeit ist vernachlässigt, und das Höhere nicht erreicht worden. ➢ Volltext; vgl. [52].
[48]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 7
: Meine damalige Einleitung über den Geist[13/15] unsers Zeitalters und seine Verhältnisse zur Vorzeit wünsche ich bey meinen Zuhörern (sie ist seitdem in Druck erschienen) voraussetzen [...] zu dürfen..
[49]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!1803–04), KAV 2.1, 8
: Übrigens liegt unserm Geist und Gemüth unstreitig die romantische[13] Poesie[11] näher als die classische[7] [...]..
[50]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 159
: Endlich verbreitete sich eben von dem ehemaligen Mittelpunkte aus, von dem nun in anderer Gestalt weltbeherrschenden Rom, [...] eine gemeinschaftliche Religion, das Christenthum. Aus der Synthesis der kernigten und redlichen Tapferkeit des Nordens mit diesem religiösen orientalischen Idealismus ging der ritterliche
Geist
hervor, eine glänzende und bisher in der Geschichte beyspiellose Erscheinung, die sich in der [...] romantischen127810 Poesie auf das schönste abspiegelte..
[51]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 160
: Will man von einem Mittelalter sprechen, so werde die Epoche von der Zerstörung des occidentalischen Reichs bis etwa auf Carl den Großen darunter verstanden, während welcher die gewaltigen gährenden Kräfte allerdings noch zu keiner rechten Consistenz kommen konnten. Die folgenden Jahrhunderte aber, während welcher das Ritterthum seine höchste Blüthe hatte, und die Europäische Bildung[5] etwas selbstständiges und vollendetes in ihrer Art ward, welches einen durchgängigen Gegensatz mit dem classischen[7] Alterthum[2] darbietet, können keinesweges so genannt werden. [...] Dieß muß den Gesichtspunkt gänzlich verrücken: und so wird das wahrhaft Große in der modernen[1] Geschichte[1], oder der romantischen[12], wenn ich sie so nennen darf, verkannt und mit vornehmer Bemitleidung der damaligen Barbarey geschildert, hingegen dasjenige hervorgehoben, was den Verfall bezeichnet, der schon vom Schlusse des 13ten Jahrhunderts an sich zu äußern anfing, doch nur allmählich zunahm, so daß der ritterliche Geist, in manchen Ländern wenigstens, erst im 17ten Jahrhundert letztlich verlosch..
[52]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 358
: Überhaupt scheint die Dürftigkeit der Deutschen Gelehrten gegen die Wohlhabenheit der Holländischen, welche einen Theil ihres Vermögens auf literarische Hülfsmittel wenden konnten, und die Nothwendigkeit, ihre meiste Zeit[6] mit dem Unterricht zu verderben, ihren Unternehmungen hinderlich gewesen zu seyn. Indessen hat es in Deutschland von jeher viele gründliche Philologen gegeben. Nur in den neuesten Zeiten[3] sind Versuche gemacht worden, das Studium auf die falsche Bahn zu lenken. Es war Heyne besonders, welcher auf eine Reformation drang, wozu auch die bisherige nicht seltne Anhäufung eines pedantischen Wustes Vorwände genug darbot. Er verlangte, man solle bey Lesung der Classiker gleich auf dasjenige gehen, was zur Bildung[2] des Geistes und Veredlung des Gemüths bey tragen könne. Dieß hatten die älteren Philologen unstreitig auch beabsichtet, allein sie hatten mit gutem Grunde gemeynt, es sey hinreichend den Schülern gründlich den Buchstaben[11] der alten Autoren zu eröffnen, so würde ihnen der Geist[30] schon von selbst aufgehen. Aus der Heyneschen Schule hingegen gingen nun Commentare hervor, worin die Leser unaufhörlich wie mit der Nase auf die poetischen[4] Schönheiten hingestoßen werden, voll von Paraphrasen der Diction in Prosa[1], um zu zeigen durch welche Stufen der Dichter zu einem so gelehrten und künstlichen Schmucke gelangt sey, gleichsam als wenn ein Gedicht wie ein phraseologisches Exercitium nach einem prosaischen[1] Schema ausgearbeitet würde. ➢ vgl. [47].
[53]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 67
: Welches ist nun das beste Hülfsmittel, um ohne Kenntniß der Sprache[3] in den Geist der Griechen einzudringen? Ich sage es ohne Bedenken: das Studium der Antike[4], welches, wo nicht an den Originalen, doch in den überall verbreiteten Abgüssen für jedermann in gewissem Grade zugänglich ist. Die Urbilder der menschlichen Gestalt bedürfen keiner Dollmetschung; ihre erhabne Bedeutung ist unvergänglich, und muß bei allem Wechsel der Zeiten[3], unter jedem Himmelstriche wieder erkannt werden [...]. .
[54]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 5
: Wir sehen eine Menge Menschen, ja ganze Nationen[1], so sehr befangen in den Gewöhnungen ihrer Erziehung und Lebensweise, daß sie sich auch dann nicht davon losreißen können, wenn vom Genusse schöner[2] Kunst[9] die Rede ist. Nur dasjenige, was in ihrer Sprache[3], ihren Sitten und ihren gesellschaftlichen Verhältnissen einheimisch und hergebracht ist, erscheint ihnen als natürlich[4], schicklich und schön[2]. In dieser ausschließenden Ansicht und Empfindungsweise kann man es durch Bildung[4] zu einer großen Feinheit der Unterscheidung in dem engen Kreise bringen, worauf man sich nun einmal beschränkt hat. Aber ein ächter Kenner kann man nicht seyn ohne Universalität des Geistes, d. h. ohne die Biegsamkeit, welche uns in den Stand setzt, mit Verläugnung persönlicher Vorliebe und blinder Gewöhnung, uns in die Eigenheiten anderer Völker[1] 〈6〉 und Zeitalter zu versetzen, sie gleichsam aus ihrem Mittelpunkte heraus zu fühlen, und was die menschliche Natur[1] adelt, alles Schöne[2] und Große unter den äußerlichen Zuthaten, deren es zu seiner Verkörperung bedarf, ja bisweilen unter befremdlich scheinenden Verkleidungen zu erkennen und gehörig zu würdigen. ➢ Volltext.
[55]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 69
: Es fehlt noch an einem Werke, welches die gesamte poetische[4], künstlerische, wissenschaftliche und gesellige Bildung[5] der Griechen, als ein großes harmonisches Ganzes, als ein wahres Kunstwerk[2] der Natur[2], worin ein wunderwürdiges Ebenmaaß der Theile herrscht, in demselben Geiste[14] schilderte, und ihre zusammenhängende Entwickelung verfolgte, wie Winckelmann es an Einer Seite davon geleistet 〈70〉 hat. Ein Versuch ist zwar gemacht worden in einem populären Buche, das in Aller Händen ist, ich meine die Reise des jungen Anacharsis [sc. Jean-Jacques Barthélémy, Voyage du Jeune Anacharsis en Grèce (Paris 1788).]. Dieß Buch ist von Seiten der Gelehrsamkeit schätzbar und kann sehr nützlich seyn, um Kenntniß der Alterthümer[5] zu verbreiten; aber, ohne noch das Verfehlte der Einkleidung zu rügen, es beweiset mehr guten Willen, den Griechen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, als Fähigkeit in ihren Geist[26] tief einzudringen. In dieser Hinsicht ist vieles nur von der Oberfläche geschöpft, ja nach modernen[1] Ansichten umgekleidet. Es ist nicht die Reise eines jungen Scythen, sondern eines alten[2] Parisers. ➢ Volltext.
[56]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 30
: Um Verwirrung zu verhüten, scheint es doch rathsamer, die verschiednen Litteraturen von einander zu sondern; die fremden[1] Einwirkungen lassen sich dennoch anmerken. Um so mehr, da bey einigen der neueren[3] Nationen[1] ganz entschieden der Grundsatz der Nachahmung der Alten[10], bey andern der romantische[12] Geist oder wenigstens eine um die classischen[7] Muster unbekümmerte Originalität vorgewaltet hat: jenes nämlich bey den Italiänern und Franzosen, dieses bey den Engländern und Spaniern. ➢ Volltext.
[57]
C. Schlegel, an A. W. Schlegel (
?1797), C 1, 428
: In die Oper [sc. Julie und Romeo von F. W. Gotter und F. Benda] selbst ist nichts vom Geist des Originals übertragen. Die Liebenden kommen mir immer wie Julie und St. Preux darinn vor – die sich [...] ein wenig nach Grundsäzen liebten. Sh[akspeares] Julie ist so jung, so aufrichtig glühend. Dort haben wir eine moralische, hier eine romantische[5/7] Leidenschaft..
[58]
C. Schlegel, an J. D. Gries (9. 6. 1799), C 1, 549
: Wie wenig Sinn[5] ich [...] eigentlich für Fichtens System [...] habe, können Sie denken. Das Gute um des Guten willen, das begreife ich in ihm, das erhebt meine Seele, und ausserdem bewundre ich an ihm die Höhe des menschlichen Geistes und interressire mich für den Verfechter der Freyheit[6] im Denken – seine persönliche Bravheit abgerechnet..
[59]
F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 161 f. (162), Nr. 108
: Die Sokratische Ironie[3] ist die einzige durchaus unwillkührliche, und doch durchaus besonnene Verstellung. Es ist gleich unmöglich sie zu erkünsteln, und sie zu verrathen. Wer sie nicht hat, dem bleibt sie auch nach dem offensten Geständniß ein Räthsel. Sie soll Niemanden täuschen, als die, welche sie für Täuschung halten, und entweder ihre Freude haben an der herrlichen Schalkheit, alle Welt zum Besten zu haben, oder böse werden, wenn sie ahnden[3], sie wären wohl auch mit gemeynt. In ihr soll alles Scherz und alles Ernst seyn, alles treuherzig offen, und alles tief verstellt. Sie entspringt aus der Vereinigung von Lebenskunst〈162〉sinn und wissenschaftlichem Geist, aus dem Zusammentreffen vollendeter Naturphilosophie und vollendeter Kunstphilosophie. Sie enthält und erregt ein Gefühl von dem unauflöslichen Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten, der Unmöglichkeit und Nothwendigkeit einer vollständigen Mittheilung. Sie ist die freyeste aller Licenzen, denn durch sie setzt man sich über sich selbst weg; und doch auch die gesetzlichste, denn sie ist unbedingt nothwendig. Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn die harmonisch Platten gar nicht wissen, wie sie diese stete Selbstparodie zu nehmen haben, immer wieder von Neuem glauben und misglauben, bis sie schwindlicht werden, den Scherz grade für Ernst, und den Ernst für Scherz halten. Lessings Ironie[3] ist Instinkt; bey Hemsterhuys ists klassisches[7] Studium; Hülsens Ironie[3] entspringt aus Philosophie der Philosophie, und kann die jener noch weit übertreffen. ➢ Volltext.
[60]
F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 69, Nr. 100
: Vom klassischen[7] Sinn[5] ist der antiquarische Geist noch ganz verschieden: das Interesse am Alten[10], weil es alt[10] ist: das Interesse an der Materie des Alterthums[3], an Reliquien, an klassischem[7] Boden. – Die größten Menschen haben diesen Sinn[5]. [...] 〈Interesse am Buchstaben[8] des Alterthums[3].〉.
[61]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 179 ff. (180)
: [Der Goethe'sche Wilhelm Meister] eröffnet eine ganz neue[1] endlose Aussicht auf das, was die höchste Aufgabe aller Dichtkunst zu seyn scheint, die Harmonie des Classischen[3/5/6?] und Romantischen[4/6/8/9?]. [...] 〈180〉 [...] Cervantes und Shakspeare [...] sind [...] die einzigen, mit denen Goethe's Universalität eine Vergleichung zuläßt. [...] Nur ist Goethe's Kunst[2] durchaus progressiv[6/3] [...]. | Goethe hat sich [...] zu einer Höhe der Kunst[2] heraufgearbeitet, welche zum erstenmal die ganze Poesie[17] der Alten[10] und der Modernen[1] umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens enthält. | Der Geist, der jetzt rege ist, muß auch diese Richtung nehmen, und so wird es, dürfen wir hoffen, nicht an Naturen[17] fehlen, die fähig seyn werden zu dichten, nach Ideen zu dichten. Wenn sie nach Goethe's Vorbilde in Versuchen und Werken jeder Art unermüdet 〈181〉 nach dem Bessern trachten; wenn sie sich die universelle Tendenz, die progressiven[6/3] Maximen dieses Künstlers zu eigen machen, die noch der mannichfaltigsten[1] Anwendung fähig sind; wenn sie wie er das Sichre des Verstandes[2] dem Schimmer des Geistreichen vorziehn: so wird jener Keim nicht verloren gehn, so wird Goethe nicht das Schicksal des Cervantes und des Shakspeare haben können; sondern der Stifter und das Haupt einer neuen[1] Poesie[11] seyn [...]. ➢ Volltext.
[62]
F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 205 f. (206)
: Beim ersten Aufschwunge der noch ungeschwächten Geisteskraft ist die europäische Philosophie überall Idealismus [...]. [...] Freilich hat man noch nicht gefunden, daß eine solche Philo〈206〉sophie bei irgend einem Volke[1] entstanden sei, das wirklich sich selbst überlassen und von den Quellen und Strömen der alten gemeinsamen Ueberlieferung ganz weit entfernt lag; und wenn diese Weisheit wirklich so ganz aus sich selbst geschöpft wäre, als sie es vorgiebt, so würde sie sich wohl auch selbst besser aus den unsäglichen Verirrungen helfen können, in die sie sich auf diesem Wege jederzeit verwickelt hat. Diese häufen sich immer so sehr und so schnell, daß die Philosophie bald skeptisch wird, bis sie endlich, wenn die Verstandeskräfte durch langes Zweifeln hinlänglich geschwächt worden, zu der blos empirischen Denkart herabsinkt, wo der Gedanke der Gottheit, wenn er auch dem Nahmen nach stehen bleibt, doch im Grunde vernichtet wird, überhaupt die Idee ganz verschwindet, und der Mensch[1] unter dem Vorwand einer vernünftigen Beschränkung auf den allein nützlichen Erfahrungskreis, den höheren Geist, der ihn doch allein wesentlich vom Thier[1] unterscheidet, als ein falsches Streben aufgiebt. ➢ Volltext.
[63]
F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 484
: Spensers Rittergedicht, die Königin der Feen, schildert uns ganz den romantischen[7] Geist, wie er noch damals in England unter Elisabeth herrschend war [...]. Spenser ist mahlerisch[3] reich, in seinen lyrischen Gedichten idyllisch sanft und liebevoll, er athmet überhaupt ganz den Geist des alten[11] Minnegesangs. ➢ Volltext.
[64]
Chr. F. D. Schubart, Leb. u. Gesinng. II (1793), 233
: Wenn ich oft lange mit der Liebe zu meiner Gattin rang; so erfreute mich plözlich ein zärtlicher Brief[1] von ihr, der die herzlichste Theilnehmung an meinem Schiksal athmete. In der ersten Schwärmerei wollt' ich mir oft eine Ader aufschlizen, und ihr statt der Dinte einen Brief[1] mit meinem Blute schreiben; aber der Geist der Religion[4] strafte diese romantische[7] Thorheit in mir, und lenkte die Liebe zu meiner Gattin ins ruhige Geleis des Christentums..
[65]
Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 253
: Holland. | In diesem Freystaate blühte die Musik[1] weit mehr als in der Schweiz. Zwar hat der Geist der Handlung[4] verursacht, daß sich der Holländer selbst nie sonderlich als Tonkünstler auszeichnete; aber doch unterstützt er große Tonkünstler..
[66]
Unger, J. Grünthal I (
31798), 30 f. (31)
: Die unbehülfliche gnädige Frau [...] sprach von großen Gesellschaften, in welchen sie zu Berlin hatte seyn 〈31〉 müssen, die so unverantwortlich gemischt gewesen wären, daß sie den plattitudes der krassen Bürgerlichen beständig ausgesetzt gewesen sey, es wär' entsetzlich, wie sich dort der Adel[2] im bürgerlichen Umgange herabsetze; daher denn diese rohe Race sich anfange einzubilden, sie könne es endlich durch die Erziehung dem Adel[2] wohl gleich thun! Man könne wohl populär seyn, aber sich doch mit dem Bürger nicht gemein machen. Meiner Frau Zupfen und Fußtreten unterm Tisch, und ihr bittendes Gesicht, bändigte einigermaßen den Geist, der aus mir reden wollte; doch entfuhren mir einige Kernsprüche, die ich der albernen adlichen Frau scharf ans Herz legte..
[67]
J. H. Voß, F. Stolberg (1819), 18 f. (19)
: In jener Zeit[3] über den Adel[2] mit Adlichen zu reden, vermied man gern. Die Meinung ruhig erwägender Männer war: Die geschlossene Zunft des Adels[2] ist sowohl durch Alterthum[1] ehrenhaft, als durch Tugenden, wenn nicht der Stammväter (die kennt man nicht), doch 〈19〉 einzelner Sprößlinge; strebt der Adel[2] nach der Ehre, für unsere Zeit[3] vorzüglich edel zu sein, an Geist[20/14?], Gemeinsinn und Tüchtigkeit, so wird er wohlthätig für Fürsten und Volk[5], und bleibt mächtig durch alten[1] Ruf und Zusammenhang; trozt er aber auf das Vorrecht angeborener Tauglichkeit, will er dem Staatskörper nicht mehren die Kraft, sondern entziehn, so ist er ein fremdartiges Gewächs, das, wenn es sich nicht vertheilen läßt, den Schnitt fodert. Erbittert durch solche Ansichten, die im Jahr 1792 mein Gesang der Neufranken für Gesez und König aussprach, trug Stolberg mir seine Galle zu, und behauptete: der Adel[2] sei ein edlerer Menschenstamm von eigenem Ehrgefühl, erhaben über die niedrige Denkart der Unadlichen, und dadurch zu Vorzügen berechtigt. Wer, Teufel! rief er, kann uns nehmen, was unser ist? Wer's euch gab, sagte ich: die Meinung. ➢ Volltext.
[68]
Winckelmann, Gesch. d. Kunst II (1764), 354
: Die Athenienser, bey welchen der Geist der Freyheit[7] nach Alexanders Tode aufwachte, thaten den letzten Versuch, sich von den Macedoniern unabhängig zu machen [...], aber sie wurden [...] geschlagen, und gezwungen, einen harten Frieden einzugehen [...]..