Wortliste
Semantik 
11. ›wörtlicher, etymologisch korrekter, strenger Sinn, strenge (keinen Interpretationsspielraum lassende) Bedeutung eines Wortes oder einer Aussage‹, auch ›(kanonischer, autoritativer) Wortlaut‹, insbesondere eines Lehrsatzes, eines Gesetzestextes oder der Bibel [4, 6, 14, 12, 17, 18, 27], sowie ›originale Graphie‹ [2]; auch in metaphorischer Verwendung [12, 17] (dann offen zu 8). Den wahren Gehalt der Worte2 eines Autors von den Buchstaben11 zu entfesseln ist Aufgabe der Kritik1 [24]; dies kann und soll ggf. auch gegen den erklärten Willen des Autors erfolgen [7, 24].
Belege 
[1] Goethe, an Chr. G. Voigt (7. 12. 1808), WA IV, 20, 241: Nach dem Buchstaben des Textes hätte die Comission nicht einmal die Initiative, nicht einmal das Recht auszusprechen, wen sie beybehalten, verbessert, angenommen und abgedankt wünschte.

[2] v. d. Hagen, Vorr. Nibel. (1810), XIV: Wo [...] gegen den Buchstaben der Urkunden entschieden werden mußte, war [...] bei den, nach epischer Weise, nicht selten wenig oder gar unverändert wiederkehrenden halben und ganzen Versen.

[3] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), : Das System der Casualität, welches dem Epicur oder Democritus beygelegt wird, ist, nach dem Buchstaben genommen, so offenbar ungereimt, daß es uns nicht aufhalten darf [...].

[4] Novalis, an A. C. Just (26. 12. 1798), NS 4, 272: Wenn ich weniger auf urkundliche Gewißheit, weniger auf den Buchstaben, weniger auf die Wahrheit und Umständlichkeit der Geschichte[3] fuße; wenn ich geneigter bin, in mir selbst höhern Einflüssen nachzuspüren [...]; wenn ich in der Geschichte[3] und den Lehren der christlichen Religion[1] die symbolische Vorzeichnung einer allgemeinen, jeder Gestalt fähigen, Weltreligion [...] und wahrhaftig also auch die vollkommenste Offenbarung zu sehen glaube; wenn mir aber eben aus diesem Standpunkt alle Theologien auf mehr oder minder glücklich begriffenen Offenbarungen zu ruhen, alle zusammen jedoch in dem sonderbarsten Parallelism mit der Bildungsgeschichte der Menschheit[2] zu stehn und in einer aufsteigenden Reihe sich friedlich zu ordnen dünken, so werden Sie das vorzüglichste Element meiner Existenz, die Phantasie[3], in der Bildung[1] dieser Religionsansicht, nicht verkennen.

[5] Novalis, Fragm. u. Stud. (*1800), NS 3, 690, Nr. 688: Der Heilige Geist[1] ist mehr, als die Bibel. Er soll unser Lehrer des Xstenthums seyn – nicht todter, irrdischer, zweydeutiger Buchstabe[6/9/11?].

[6] Scheffner, Leben (1816), 384 f.: Im väterlichen Hause wurde formaliter gebetet, in meinen Mitteljahren kamen die Formulare mir aus dem Sinn, fielen mir aber in den spätern wieder ein, und ihr Buchstabe verwandelte sich in ein Geistiges, so daß er mich nicht ⟨385⟩ hinderte, wahre Andacht dabey zu haben.

[7] A. W. Schlegel, Gemählde (1799), 49: Machen Sie es nicht wie ein berühmter Philosoph, der sich die Auslegung seiner Schriften nach dem Geiste[30] gradezu verbittet, und nach dem Buchstaben[11] verstanden seyn will. Für manche Künstler wäre die Vorkehrung freylich unnütz, denn sie haben bloß den Buchstaben[8] der Kunst[8]. Volltext

[8] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (
2
1793), 1242.

[9] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (
2
1793), 1243.

[10] Adelung, Gramm.-krit. Wb. IV (
2
1801), 1524.

[11] A. v. Arnim, Drei Schwest. (1812), 243.

[12] B. v. Arnim, Günder. II (1840), 275.

[13] Goethe, an C. Sartorius (18. 5. 1814), WA IV, 24, 275.

[14] Goethe, an K. v. Sternberg (30. 6. 1831), WA IV, 48, 265.

[15] Hegel, Jacobi (1817), 21 f. (22).

[16] W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 280.

[17] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 811.

[18] Kant, Daseyn Gottes (1763), 14.

[19] Kant, Metaph. d. Sitt. II (1797), 111.

[20] J. D. Michaelis, Lebensbeschr. (1793), 25.

[21] Schelling, Notizenbl. III (1802), 86 f. (87).

[22] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 288.

[23] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 46 f. (47).

[24] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 51.

[25] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 358.

[26] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 369.

[27] K. A. Varnhagen von Ense, Denkw. I (1837–42), 181.














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