Wortliste
Adel
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Struktur
Semantik
Belege
[1]
Brentano [Kleist], Friedr. Seelandsch. (1810), 47: Herrlich ist es, in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer, unter trübem Himmel, auf eine unbegränzte Wasserwüste, hinauszuschauen. Dazu gehört gleichwohl, daß man dahin gegangen sei, daß man zurück muß, daß man hinüber mögte, daß man es nicht kann, daß man Alles zum Leben vermißt, und die Stimme[3] des Lebens dennoch im Rauschen der Fluth, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, dem einsamen Geschrei der Vögel, vernimmt. Dazu gehört ein Anspruch, den das Herz macht, und ein Abbruch, um mich so auszudrücken, den Einem die Natur thut. ➢ Volltext
[2] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 88: Das vortreffliche, meist gemäßigte Klima, die überaus große Fruchtbarkeit des Bodens, die ausschließliche Hervorbringung der kostbaren Gewürze, der kräftigsten Arzneien und der edelsten Kostbarkeiten machen diesen Erdtheil [sc. Asien] zu einem Paradiese. Wie traurig, daß die Bewohner desselben so weit von dem Glück und der Cultur[4] entfernt sind, auf welche ihnen die Natur so große Rechte gegeben hat! und wie großen Antheil daran haben die Europäer, welche mit gleicher Gewaltthätigkeit diesem Paradiese seine Schätze und den Bewohnern desselben zum Theil ihr Glück entzogen!
[3] Eichendorff, Ahn. u. Ggw. (1815), 388: Da erblickten sie sehr unerwartet mitten in der Wildniß einen niedrigen, zierlichen Zaun von weißem Birkenholz, dem es ordentlich Mühe zu kosten schien, die wilde Freyheit[1] der Natur, die überall ihre grünen, festen Arme, wie zum Spotte, ungezogen durchstreckte, im Zaum zu halten. Sie lachten einander beyde bey dem ersten Anblicke an, denn überraschender konnte ihnen nichts kommen, als gar eine moderne[7] englische Anlage in dieser menschenleeren Gegend.
[4] C. D. Friedrich, an F. A. Köthe (18. 8. 1810), Z, 70: Den jungen Menschen so Sie neuerlich an mich empfohlen ist gar nicht bei mir gewesen, ich erfuhr daß er einen Brief[1] hatte und ging zu ihm. Gewiß haben ihm weise verstendige Leute wohlmeinent gerathen sich vor meinen falschen verderblichen Reden zu hüten z B daß man die Natur nicht nach Kunstwerken[4] studiren müßte sondern aus ihr der Natur selbst erkennen lernen müßte. Göthe hat kürzlich einer Künstlerin so nach Dresden ging gerathen mich zwar zu besuchen, aber sich ja nicht durch meine Reden verführen zu lassen.
[5] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 46: Haben die Männer sich an den Frauen[1] vergangen, indem sie ihnen den Adel[1], welcher vererbt wird, entzogen, so hat die Natur sie dafür auf das Herrlichste entschädigt, indem sie ihnen den Adel[5] der Seele, man möchte fast sagen, als ausschließliches Eigenthum zutheilte. Nirgends finden wir bei den Männern so hohe Beispiele von Muth und Entsagung, von Liebe und Hingebung, von Reinheit des Herzens und Selbstvergessenheit, von Aufopferung und Großmuth, wie bei den Frauen[1].
[6] Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 157: Damit es den Scenen dieser Jahreszeit [sc. Herbst] noch weniger an Reiz fehle, läßt die Natur einige Bäume und Sträucher nun erst blühen, andre zum zweytenmal. ➢ Volltext
[7] Kant, Daseyn Gottes (1763), 88: Ich bemerke aber, damit aller Misverstand verhütet werde: daß die Veränderungen in der Welt entweder aus der ersten Anordnung des Universum und den algemeinen und besondern Gesetzen der Natur[2] nothwendig seyn, dergleichen alles dasjenige ist, was in der körperlichen Welt mechanisch vorgeht, oder daß sie gleichwohl bey allem diesem eine nicht genugsam begriffene Zufälligkeit haben, wie die Handlungen[1] aus der Freyheit[10] deren Natur[1] nicht ge〈89〉hörig ein[ge]sehen wird.
[8] Ritter, Galvanism. (1798), X: Offen und frey[1] handelt die Natur, ihre Werkstätte hat weder Thüren noch Schlösser, Ruhetag hält sie auch nicht, denn rastlose Thätigkeit ist ihr Character[1].
[9] Schiller, an L. F. Huber (13. 9. 1785), NA 24, 19: Als auf einmal, und mir zum erstenmal, die Elbe zwischen 2 Bergen heraustrat, schrie ich laut auf. O mein Liebster Freund, wie intereßant[1] war mir alles! Die Elbe bildet eine romantische[3/4] Natur um sich her, und eine schwesterliche Ähnlichkeit dieser Gegend mit dem Tummelplaz meiner frühen dichterischen Kindheit macht mir sie dreifach theuer.
[10] Schiller, Verbrecher (1786), NA 16, 10: Die Natur hatte seinen Körper verabsäumt. Eine kleine unscheinbare Figur, krauses Haar von einer unangenehmen Schwärze, eine plattgedrückte Nase und eine geschwollene Oberlippe, welche noch überdies durch den Schlag eines Pferdes aus ihrer Richtung gewichen war, gab seinem Anblick eine Widrigkeit, welche alle Weiber von ihm zurückscheuchte und dem Witz[1] seiner Kameraden eine reichliche Nahrung darbot.
[11] A. W. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 49, Nr. 190: Die einförmigste und flachste Natur erzieht am besten zum Landschaftsmahler. Man denke an den Reichthum der Holländischen Kunst[11] in diesem Fache. Armuth macht haushälterisch: es bildet sich ein genügsamer Sinn[5], den selbst der leiseste Wink höheres Lebens in der Natur erfreut. Wenn der Künstler dann auf Reisen romantische[3] Szenen kennen lernt, so wirken sie desto mächtiger auf ihn. ➢ Volltext
[12] R. Schumann, Tageb. I (*1828), 101: Die Natur ist das große, entfaltete Schnupftuch Gottes, gestikt mit seinem ewig-blühenden Namen, an dem der Mensch[1] alle Schmerzensthränen abtrocknen kann, aber auch die Freudenthränen.
[13] Seume, Sommer (1806), 203: Das Bad oder vielmehr der Lustort Himmelsdalund ist ein freundlicher Spaziergang nicht weit von der Stadt, wo der Genügsame mehr findet, als er hofft, an Natur und Lebensgenuß, und wo auch der feinere Schmecker befriedigt wird. Die Gesellschaft ist artig, gebildet und unterrichtet; wie man denn in keinem Lande mehr allgemeine Kultur[4] findet, als in Schweden.
[14] Seume, Sommer (1806), 231 f. (232): Kopenhagen liegt zwar nicht so schön[1] und romantisch[3], wie Stockholm, aber es hat eine Menge sehr angenehmer freundlicher Parthien: und wenn man an einem schönen[4] Abend in einem Boote auf der Rhede über die große Batterie hinaus fährt, hat 〈232〉 man rund umher einen Anblick, den man wahrscheinlich in der ganzen Ostsee nicht mehr hat. Auf einiger Höhe sieht man das schöne[1] Ufer von Seeland bis an den Sund und die schwedische Küste bis fast hinauf nach Malmoe. Selbst Neapel hat nur den Vorzug der üppigern Natur und der klassischen[7] Umgebungen: Kultur[4/2] des Landes und Humanität stehen hier im allgemeinen unstreitig höher.
[15] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 208: [...] die Schriftsteller, die auch für die Nachwelt claßisch bleiben, weil sie aus der unveränderlichen Quelle alles Guten und Schönen, der
[16] L. Tieck, W. Lovell II (1796), 359: Was du mir von Deinem Garten schreibst, will ich gar gern glauben, weil Du und der Gärtner vielleicht nicht mit dem Dinge umzugehen wissen. Auch gehören zu solchem Werke viele Arbeiter und Gartenknechte, wie du wohl auch hier an meinem Garten in Bonstreet wirst gesehn haben; die Natur hängt einmal nach 〈360〉 dem Verwildern hin, und darum muß man Tag und Nacht dagegen arbeiten. ➢ Volltext
[17] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 133: Seit meiner frühen Jugend her, da ich den Gott[1] der Menschen[1] zuerst aus den uralten heiligen Büchern unserer Religion[1] kennen lernte, war mir die Natur immer das gründlichste und deutlichste Erklärungsbuch über sein Wesen und seine Eigenschaften. Das Säuseln in den Wipfeln des Waldes, und das Rollen des Donners, haben mir geheimnißvolle Dinge von ihm erzählet, die ich in Worten[2] nicht aufsetzen kann. Ein schönes[1] Thal, von abentheuerlichen[3] Felsengestalten umschlossen, oder ein glatter Fluß, worin gebeugte Bäume sich spiegeln, oder eine 〈134〉 heitere[1/5] grüne Wiese von dem blauen Himmel beschienen, – ach diese Dinge haben in meinem inneren Gemüthe mehr wunderbare Regungen zuwege gebracht, haben meinen Geist[19] von der Allmacht und Allgüte Gottes[1] inniger erfüllt, und meine ganze Seele weit mehr gereinigt und erhoben, als es je die Sprache[2] der Worte[1] vermag. Sie ist, dünkt mich, ein allzu irdisches und grobes Werkzeug, um das Unkörperliche, wie das Körperliche, damit zu handhaben. ➢ Volltext
[18] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 243: [D]ie Dichter und ästhetischen Prosaisten stehen nicht mehr, wie vormals, allein im Dienst der Musen, sondern auch im Dienst des Vaterlandes und allen mächtigen Zeitbestrebungen sind sie Verbündete. Ja, sie finden sich nicht selten im Streit mit jenem schönen Dienst, dem ihre Vorgänger huldigten, sie können die welche mit dem Anschauen klassischer Werke verknüpft ist, als den Heineschen Kunstprodukten.
[19] Adelung, Gesch. Cultur (1782), 23: Der erste Mensch[1] kam aus den Händen seines Schöpfers mit allen menschlichen Fähigkeiten ausgerüstet, deren Ausbildung ihm selbst und dem natürlichen[4] Laufe der Dinge überlassen blieb. Diese mußte aber dem Anfange nach sehr bald erfolgen, weil die ganze Natur um ihn her seine Fähigkeiten zur Thätigkeit aufforderte. Der erste Schritt dazu war die Erfindung vernehmlicher Töne[1], wodurch zugleich die verworrenen Bilder in seiner Seele zur Klarheit gebracht, und klare, und in der Folge deutliche Begriffe[1] erweckt wurden, welche immer mehr Licht in dieselbe brachten, je weiter er auf dem Wege der Spracherfindung fortging. Daß sich seine Sprachfähigkeit bey den Thieren[1] zu entwickeln angefangen, weil sie am nächsten um ihn waren, seine Aufmerksam〈24〉keit am meisten auf sich zogen, und der bequemste Gegenstand zur Erfindung der Sprache{1] waren, erhellet deutlich aus Mosis Erzählung. „Gott ließ,sagte er, die erschaffenen Thiere[1] vor Adam kommen, um zu sehen, wie er sie nennen würde, und welchen Nahmen Adam irgend einem lebendigen Thiere[1] geben würde, den sollte es haben. Adam gab auch wirklich allen zahmen Thieren[1], den Vögeln des Himmels, und allen wilden Thieren[1] Nahmen.“ ➢ Volltext.
[20] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 41: In der Mahlerey[1] ist die Fantasie[19] ein Gemählde, welches nicht nach der Natur oder nach den strengen Regeln der Kunst[8] gemahlt ist; in der Musik[1], ein Stück, welches nicht nach den strengen Regeln der Composition gesetzt ist, sondern gemeiniglich aus dem Stegereife componiret wird. ➢ vgl. [109].
[21] Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (21798), 1037: Das Naturreich oder das Reich der Natur, so wohl in weiterer Bedeutung, der Inbegriff aller vorhandenen Dinge, als auch in engerer, der Inbegriff aller auf und unter der Erde befindlichen Körper; in welcher letztern Bedeutung man das Naturreich wieder in drey besondere Reiche einzutheilen pflegt, welche das Reich der Thiere[1] oder das Thierreich, das Reich der Pflanzen[1] oder das Pflanzenreich, und das Steinreich oder Mineral-Reich genannt werden, den großen Reichthum der Natur aber bey weitem nicht erschöpfen, wie die Polypen, Thierpflanzen, Infusions-Thierchen u. s. f. beweisen..
[22] Adelung, Gramm.-krit. Wb. IV (21801), 1542: Wild, [...] ein Wort, welches überhaupt der durch Cultur[1/3] und Kunst[16] veredelten und erhöheten Beschaffenheit entgegen gesetzet ist. 1. Der physischen Cultur[2] entgegen gesetzt und ihrer beraubt, wo es in den meisten Fällen dem zahm entgegen gesetzt ist, und von Gegenständen aus allen drey Reichen der Natur gebraucht wird. [...] | 〈1543〉 2. Der gesellschaftlichen Cultur[4] beraubt und ihr entgegen gesetzt, im Gegensatz des gesittet. In diesem Verstande sind wilde Menschen [...] Menschen, welche außer der engern gesellschaftlichen Verbindung leben, und daher der Kenntnisse, Fertigkeiten, Sitten des gesellschaftlichern Menschen ermangeln. Da diese engere gesellschaftliche Verbindung sehr vieler Grade fähig ist, so gibt es auch mancherley Arten von Wilden, und da es keine Menschen gibt und geben kann, welche aller gesellschaftlichen Verbindung beraubt seyn sollten, so gebraucht man das Wort nur von solchen Menschen, welche keinen stätigen Aufenthalt haben, und denen die Cultur[1] des Bodens und der Thiere[1] nicht das erste und vornehmste Erhaltungsmittel ist, daher ihre gesellschaftliche Verbindung auch nur schwach seyn kann. Die Menschen bestehen in Ansehung der Cultur[4] aus drey großen Classen, aus Wilden, Barbaren und gesitteten Menschen..
[23] B. v. Arnim, Briefw. Kind I (1835), 38 f.: Wenn man so einsam Nachts in der freien[1] Natur steht, da ist's als ob sie ein Geist[1] wär' 〈39〉 die den Menschen[2] um Erlösung bäte. Soll vielleicht der Mensch[2] die Natur erlösen? ich muß einmal darüber nachdenken; schon gar zu oft hab' ich diese Empfindung gehabt als ob die Natur mich jammernd wehmüthig um etwas bäte, daß es mir das Herz durchschnitt nicht zu verstehen[1] was sie verlangte. ➢ Volltext.
[24] B. v. Arnim, Briefw. Kind I (1835), 327: Wenn wir [...] sehen, wie die Natur spielt, und in diesem Spiel eine Sprache[2] der Weisheit kindlich ausdrückt; wenn sie auf Blumenblätter Seufzer malt, ein O, und Ach, wenn die kleinen Käfer das Kreuz auf ihren Flügeldecken gemalt haben und diese kleine Pflanze[1] eben, so unscheinbar, eine mit Sorgfalt gehegte, künst〈328〉liche Dornenkrone trägt; wenn wir Raupen und Schmetterlinge mit dem Geheimniß der Dreifaltigkeit bezeichnet sehen, dann schaudert uns, und wir fühlen, die Gottheit selber nimmt ewigen Antheil an diesen Geheimnissen; dann glaub' ich immer, daß Religion[2] alles erzeugt hat, ja daß sie selber der sinnliche Trieb zum Leben in jedem Gewächs und jedem Thier[1] ist. ➢ Volltext.
[25] B. v. Arnim, Briefw. Kind II (1835), 182 f.: Der sechste war der junge Maler Ludwig Grimm, von dem ich Dir mein Bildchen und die schönen radierten Studien nach der Natur geschickt habe, so lustig und naif, daß man mit ihm bald zum Kind in der Wiege wird, das um nichts lacht, er theilte mit 〈183〉 mir den Kutschersitz, von wo herab wir die ganze Natur mit Spott und Witz[4] begrüßten [...]..
[26] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 151: Darum hab ich Dich aufgefordert Gedanken, Geschichten[9], Begebenheiten, Fragen, Meinungen etc. nieder zu schreiben, damit Du mir ohne Anstrengung schreiben könnest und Dich nicht dazu erst zu stimmen brauchst [...]. Wie schön[1] sind Deine lezten Briefe[1] 〈151〉 davon erfüllt, wie wahr und warm Deine Reminiscenzen aus den Kinderjahren, wie tief Dein Gedächtniß noch aus Deinem ersten und zweiten Lebensjahr. Liebste Bettine bedenk Dich doch, daß solche Eigenschaften von der Natur als köstlichstes Lebensgeschenk in die Seele geprägt sind, daß es feinste Organisation[8] des Geisteslebens ist so schreiben zu können. ➢ Volltext.
[27] Beethoven, an J. Deym (1805), B 1, 247: Von ihr – | der einzig Geliebten – warum giebt es keine Sprache[1] die das Ausdrücken kann was noch weit über Achtung – weit über alles ist – was wir noch nennen können – o wer kann Sie aussprechen, und nicht fühlen daß so viel er auch über Sie sprechen möchte – das alles nicht Sie – erreicht – – nur in Tönen[11] – Ach bin ich nicht zu stolz, wenn ich glaube, die Töne[11] wären mir williger als die Worte[2] – Sie Sie mein Alles meine Glückseeligkeit – Ach nein – auch nicht in meinen Tönen[11] kann ich es, obschondie du Natur mich hierin nicht karg beschenktest hat, so ist doch zu wenig für Sie..
[28] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 39 f. (40): Dem Menschen[1] gegenüber, als reizender, Empfindungen veranlassender, und die Sinnlichkeit berührender Stoff, erscheint, und wird eine Außenwelt angenommen, zu der auch die Geschöpfe seiner Gattung gehören. Der 〈40〉 Mensch[1] als eine thierische Natur[10] und ein vernünftiges Wesen, steht in doppelter Beziehung auf dieselbe, in letzterer Rücksicht liefert sie ihm den Stoff für die innern Kräfte, in der erstern ist er durch Bedürfnisse aller Art, durch unzerreisbare Bande in jedem Augenblicke gefesselt. Ja dies Band ist noch enger bei dem Menschen[1], als bei den Thieren[1]; denn seine Bedürfnisse sind weit mannigfaltiger, und die Natur[2], um das thätige Spiel seiner Kräfte mehr zu begünstigen, hat ihn weit mittelbarer in ihren Schutz genommen. Daher muß er für seine Erhaltung in einem hohen Grade selbstthätig sein, er kann die Natur[2] nicht genießen, wie er sie vorfindet, sondern muß sie verwandeln und verändern, um sie seinen Bedürfnissen anzupassen. ➢ Volltext.
[29] A. F. Bernhardi, Wiss. u. Kunst (1802), 75: Nun werft einmal einen Blick auf die Natur, wie sie sich vor euren Augen ausbreitet, wie sie sich euch darstellt [...]. Da werdet ihr es bemerken, daß alles ausgeht von einem Einfachen, Bleibenden, Festen; sich dann zu der Organisation[5] der Pflanzenwelt und der willkührlichen Bewegung, bis zu dem Thiere[1] aufschwingt, bis sich diese in der sinnlichen Erscheinung des menschlichen Körpers schließt, die sogenannten geistigen Organe[3] beginnen, bis endlich die Vernunft[1] als höchste Spitze die Pyramide des Universums endet. ➢ Volltext.
[30] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 50: Der Mensch kann [...] die Natur als Stoff für seine Einbildungskraft und sein Erkenntnißvermögen behandeln; und obgleich beide Ansichten ursprünglich eine sind, und am Ende wieder zusammenfallen; so giebt es doch einen großen Zeitraum, in welchem beide geschieden sind, und in welchem Poesie[7] und Spekulation sich gradezu entgegen gesetzt werden. Auch die Poesie[7] und die Spekulation, Dichten und Denken, hat zwei Epochen; entweder wir ahnden[1] nur die Freiheit[10], welche diese Operationen begleitet, oder wir sind uns derselben deutlich bewußt. Die Poesie[7] producirt nun Bilder, der Verstand[2] Begriffe[1], und diese beiden Produktionen befassen wir unter dem Namen der freien Vorstellungen. Aus diesen entsteht aber das Correlat, die freien Darstellungen, von welchen eine Art als Darstellungsstoff auch den artikulirten Ton[1] wählen kann, wodurch dann freie Sprachdarstellungen als Produkte hervorgehen. ➢ Volltext.
[31] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 445: Durch die ganze Natur und Menschheit[2] fluthet ewig derselbe Strom, den unendlichen nimmt keine Brust in sich auf, liebevoll schließt sie sich an das einzelne, und sucht und findet da die Gottheit. Sie predigt der Strohhalm, wie die ewigen Sterne[1] sie verkündigen, und sollte sie nicht in der Sprache[1] dem Organ[1] der Geselligkeit der Wissenschaft[1] und der Kunst[2] wohnen?.
[32] S. Bernhardi, Wunderb. u. Träum. (1802), 20 f. (21): Alwino [...] ging hinter seiner Heerde, und blies auf der Flöte, der helle Ton[11] ermunterte die Vögel, sie stimmten mit ihrem Gesange in seine Lieder ein. Die Hunde hielten bellend die Heerde bei einander, und Echo rief ihre schallenden Töne[1] zurück. Da warf Alwino die Flöte von sich, und setzte sich nieder auf den Boden. So finde ich denn nirgend Trost für mein Herz, rief er aus, dessen thörichte Wünsche ich selber nicht kenne. Wie in einer fremden[4] 〈21〉 Sprache[3] redet die Natur zu mir, ich verstehe nur, daß jeder Klang mir etwas gebietet, aber ich kann die Befehle nicht begreifen. ➢ Volltext.
[33] C. Böhmer, an Ch. Michaelis (1. 3. 1785), C 1, 108: Auf fremdem[4] Boden komt einem alles fremder[4] vor, man wundert sich über Ungethüme, die man sonst alle Tage sah, ohn sie für etwas anders als gewöhnliche Geschöpfe der Natur zu halten..
[34] S. Boisserée, Denkm. Baukunst (1833), 33 f. (34): Dieses Laubwerk gehört der Uebergangszeit ganz eigenthümlich an; [...] und so steht es mit seinen aus eingewickelten Blättern bestehenden Knospen recht symbolischer Weise in der Mitte 〈34〉 zwischen dem starren Schnörkelwerk der romanischen[4] Bauart und dem reichen Blätterschmuck, welcher in der deutschen[4] Baukunst sich aus freier[17] Nachahmung der Natur in ganzer Fülle entfaltete..
[35] Börne, Ew. Jud. (*1821; 1829), SS 2, 514: Als ich in der geräuschvollen Mitte dieses Buches im Hauptquartier des Judenhasses angekommen war, gedachte ich zu spotten und dem Verfasser zu sagen: er möchte [...] einen Juden[1] lebendig aufschlitzen und sich überzeugen, daß Lunge und Leber, Herz und Nieren, Gehirn und Magen ganz so gebildet und geordnet seien wie bei Christen, und dann solle er mir erklären, wo die Anweisung der Natur wäre, die Juden[1] nicht wie Menschen[1] zu behandeln. Aber meine Ironie[3] fand nichts zu spitzen, die Wahrheit ist schon spitz genug. Der Verfasser hat dafür gesorgt, daß seine Grundsätze nicht karikiert werden können. [...] Er erschrickt gewaltig vor dem Anwachse jüdischer Bevölkerung und schreibt sie dem häufigen Zwiebelessen der Juden[1] zu..
[36] Brentano, Sänger (1801), 202 f. (203): Da öffnete sich leise die Thüre, der stumme Knabe trat herein, er richtete mich auf und ich las in seiner Miene die Angst[1] des Schmerzes, der sich nicht äußern kann. [...] 〈203〉 [...] Gott möge sein stilles inneres Gebet hören, und die Natur freundlich mit ihm sprechen lassen, da er ihm die Sprache[16] versagte..
[37] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 23: Allein die Menschheit[2] steht in diesem Erdtheile [sc. Afrika] ohne Zweifel auf der niedrigsten Stufe der Cultur[4] und Vollkommenheit; beide, die Natur[1/2] und die Menschen[1], welche letztern so oft die schönsten[6] Anlagen jener zerstören, scheinen sich vereinigt zu haben, dieses zu bewirken..
[38] Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 426 f.: Diese natürliche[5] Physiologie theilt sich wieder | α) in die Metaphysik der körperlichen Natur, 〈427〉 welche die Critik[1] des auf die Natur anzuwendenden reinen Verstandeserkenntnisses, mithin die Grundsätze aller Physik, enthält, | β) in die Metaphysik der denkenden Natur..
[39] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 326: Romantisch[7/4]. Da die meisten Romane[1] die Menschen[1] und Begebenheiten nicht so schildern, wie sie in der Natur und in der wirklichen Welt erscheinen, sondern so, wie sie nach einem ästhetischen oder moralischen Ideale sein sollten, oder wie sie die oft überspannte Phantasie[3] des Dichters sich erträumt; so nennt man romantisch[7/4], im guten und schlimmen Sinne[1], alles, was entweder durch idealische[1] Vollkommenheit, oder durch abenteuerliche[3] Seltsamkeit und Verschrobenheit von dem Gewöhnlichen abweicht. So heißt ein Gesicht romantisch[7], wenn es bei dem sanften Ausdrucke von Unschuld, Zärtlichkeit, Offenheit ein reitzbares Gefühl für Freundschaft, Liebe[1], Menschlichkeit verräth – eine Gegend, eine Lage, wenn ihre erhabnen oder rührenden Schönheiten[1] nicht durch blinde Naturkraft zusammengestellt, sondern nach einem künstlichen Plane zu Erweckung sanfter oder erhabner Empfindungen absichtlich angelegt scheinen – ein Charakter[6], in dem Neigung zum Ungewöhnlichen, Freundschaft, Liebe[1], Patriotismus, hoher Glaube an die Tugend oder Erwartung eines seltsam glücklichen Ausgangs wohlgemeinter Unternehmungen u. s. w. oder auch schlichte Sitteneinfalt, Vernachlässigung des Herkommens, der Mode, der Formalitäten, der Hofsitte in den Handlungen des gemeinen Lebens, vornehmlich aber in der Wahl des Standes, des Gatten, der Freunde hervorstechend sind. Allerdings kann sowohl der Hang zu idealisiren, als die treue Anhänglichkeit an die Natur auf Abwege verleiten, jener kann unter das gewöhnlich Gute herabsinken lassen, welches er zu überfliegen, diese von der Natur entfernen, welcher er anzunähern strebt; allein die 〈327〉 Grundlage des Romantischen[7] ist edel und schön[1]. In der wirklichen Welt, d. h. in der Welt der gemeinen Menschen[1], die durch Eigennutz, Gewohnheit – Vorurtheil regiert wird, verstößt freilich ein romantischer[7] Sinn[5/9] mit jedem Schritte. Flache seelenlose Weltleute, Schlendriansmänner, die da in der Meinung stehen, alles müsse so sein, wie es bisher war und noch ist, glauben daher, einen uneigennützigen Charakter[6], ein edles Streben, sich und die Menschheit[2] zu vervollkommnen, nicht leichter herabwürdigen zu können, als durch den Vorwurf des Romantischen[7]..
[40] Büchner, Leonce u. Lena (1838), WuB, 117: Valerio. [...] Ich werde mich indessen in das Gras legen und meine Nase oben zwischen den Halmen herausblühen lassen und romantische[7] Empfindungen beziehen, wenn die Bienen und Schmetterlinge sich darauf wiegen wie auf einer Rose. | Leonce. Aber Bester, schnaufen Sie nicht so stark, oder die Bienen und Schmetterlinge müssen verhungern über den ungeheuren Prisen, die Sie aus den Blumen ziehen. | Valerio. Ach Herr, was ich ein Gefühl für die Natur habe! Das Gras steht so schön, daß man ein Ochs sein möchte, um es fressen zu können, und dann wieder ein Mensch, um den Ochsen zu essen, der solches Gras gefressen. | Leonce. Unglücklicher, Sie scheinen auch an Idealen zu laborieren..
[41] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 315: Es ist weder Vergnügen noch Ehre gegen einen Schriftsteller zu Felde zu ziehen, dem die Natur die Talente versagt hat, zu seyn, was 〈316〉 er gern wäre, ein blendender Sophist; und der in Gedanken und Ausdruk zur lezten Klasse[1] der Autoren gehört, welche gerade vor den Skriblern hergeht: und gewiß hätte ich mich dieser undankbaren Arbeit überhoben, wenn nicht ebenderselbe durch seinen schneidenden Ton[3] von einigen gutmüthigen Lesern ertrotzt zu haben schiene, ihn in die erste Klasse[1] der Schriftsteller Deutschlands zu setzen..
[42] G. Forster, Reise u. d. Welt I (1778), 332: Bey dieser einsam gelegenen und von der Natur so reichlich gesegneten Gegend, wo wir ohne andre Gesellschaft als unsre beyden Indianer im Grase ruheten, fielen uns mit Recht die Beschreibungen der Dichter von bezauberten Inseln ein, die, als das Werk einer unbeschränkten Einbildungskraft[1], gemeiniglich mit allen möglichen Schönheiten[3] geschmückt zu seyn pflegen. Würklich hatte dieser Fleck viel Aehnlichkeit mit dergleichen romantischen[7] Schilderungen..
[43] G. Forster, Brodbaum (1784), 10: [Indonesien:] Die Fische im dortigen Meere, die Schmetterlinge und andere Insekten wetteifern mit einander um den Preis der Seltenheit, es sey an Gestalt oder Farbe. Eben so reich ist das Kleid unzähliger Gattungen des Geflügels. Doch schimmern vor allen die Paradiesvögel, wie die seltengesehenen Bewohnerinnen eines asiatischen Harems, mit vielfarbigem Gold übergossen, und in den Purpur der Morgenröthe getaucht. Endlich treten auch die grösseren Thiere[1] in mannigfaltiger Bildung[10] einher, mit einem Geschöpf an ihrer Spitze [sc. Orang-Utan], in dessen menschenähnlicher Gestalt die Natur vielleicht hat zeigen wollen, wie genau sie das Meisterstück der Schöpfung, wenigstens im äusserlichen, mit ihren Formen nachbilden könne! [...] | 〈11〉 Nach welchen Gesetzen diese göttliche Bildnerin bey der Austheilung ihrer Güter verfährt, und in wie fern das Klima[1] eines jeden Orts zum Daseyn bestimmter organischer[3] Körper mit ihren eigenthümlichen Gestalten und Eigenschaften, als hervorbringende Ursache mitwürken kann? dies gehört noch beides in die Reihe ausser unserm Gesichtskreise liegender Dinge. Einst werden aber auch diese dem weiterschauenden Weltweisen offenbar, wenn er mit den Materialien, die wir sammeln, das grosse kaum noch gegründete Lehrgebäude der Physik vollendet haben wird. Ein Zaubernetz von unzähligen Fäden und durcheinandergeschürzten Knoten, wo Eins mit Allen und Alles mit Einem zusammenhängt, ein System voll himmlischer Uebereinstimmung wird er einst in der Mannigfaltigkeit der Schöpfung finden, wo unser begränzter Blick jetzt nur das Gaukeln einer unerschöpflichen Phantasie[2] wahrzunehmen glaubt, die ihr Füllhorn auf gerathewohl ausgeschüttet hat..
[44] G. Forster, Menschenraßen (1786), W 2, 100: Weisser! der du so stolz und selbstzufrieden wahrnimmst, daß wohin du immer drangst, Geist[12] der Ordnung und Gesetzgebung den bürgerlichen Vertrag begründeten, Wissenschaft und Kunst[2] den Bau der Kultur[4] vollführen halfen; der du fühlst, daß überall im weiten volkreichen Afrika die Vernunft[1] des Schwarzen nur die erste Kindheitsstufe ersteigt, und unter deiner Weisheit erliegt – Weisser! du schämst dich nicht am Schwachen deine Kraft zu misbrauchen, ihn tief hinab zu deinen Thieren[1] zu verstossen, bis auf die Spur der Denkkraft in ihm vertilgen zu wollen? Unglücklicher! von allen Pfändern, welche die Natur deiner Pflege anbefohlen hat, ist er das edelste..
[45] C. de la Motte Fouqué, Fr. d. Falkenst. II (1810), 45: Mein Knab' war schön[1] wie die Engel sind, er verstand die Sprache[2] der Thiere[1] und jeden Laut in der Natur..
[46] Goethe, an G. F. E. Schönborn (1. 6.–4. 7. 1774), WA IV, 2, 172: Noch einige Plane zu grosen Dramas hab ich erfunden, das heisst das interessante[1] Detail dazu in der Natur gefunden und in meinem Herzen..
[47] Goethe, Tasso (1790), WA I, 10, 158 f. (159): Was du dir hier erlaubst, das ziemt auch mir. | Und ist die Wahrheit wohl von hier verbannt? 〈159〉 Ist im Palast der freie Geist gekerkert? | Hat hier ein edler Mensch[1] nur Druck zu dulden? | Mich dünkt, hier ist die Hoheit erst an ihrem Platz, | Der Seele Hoheit! Darf sie sich der Nähe | Der Großen dieser Erde nicht erfreun? | Sie darf's und soll's. Wir nahen uns dem Fürsten | Durch Adel[1/5] nur, der uns von Vätern kam; | Warum nicht durch's Gemüth, das die Natur | Nicht jedem groß verlieh, wie sie nicht jedem | Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte..
[48] Goethe, Symbolik (*1805), WA II, 11, 167: Durch Worte[1] sprechen wir weder die Gegenstände noch uns selbst völlig aus. | Durch die Sprache[1] entsteht gleichsam eine neue Welt, die aus Nothwendigem und Zufälligem besteht. | Verba valent sicut numi. Aber es ist ein Unterschied unter dem Gelde. Es gibt goldne, silberne, kupferne Münzen und auch Papiergeld. In den erstern ist mehr oder weniger Realität, in dem letzten nur Convention. | Im gemeinen Leben kommen wir mit der Sprache[1] nothdürftig fort, weil wir nur oberflächliche Verhältnisse bezeichnen. Sobald von tiefern Verhältnissen die Rede ist, tritt sogleich eine andre Sprache[3] ein, die poetische[4]. | Indem wir von innern Verhältnissen der Natur sprechen wollen, bedürfen wir gar mancherlei Bezeichnungsweisen. | Ich erwähne hier [...]: | Symbole, | 1. die mit dem Gegenstand physisch-real-identisch sind, [...] 〈168〉 [...] | 2. Die mit dem Gegenstande ästhetisch-ideal-identisch sind. Hieher gehören alle guten Gleichnisse, wobei man sich nur vor dem Witz[2] zu hüten hat, welcher nicht das Verwandte aufsucht; sondern das Unverwandte scheinbar annähert..
[49] Goethe, Farbenl. Hist. Thl. I (1810), WA II, 3, 287: Wenn [Athanasius] Kircher auch wenig Probleme auflös't, so bringt er sie doch zur Sprache[11] und betastet sie auf seine Weise. Er hat eine leichte Fassungskraft, Bequemlichkeit und Heiterkeit[4] in der Mittheilung, und wenn er sich aus gewissen technischen Späßen, Perspectiv- und Sonnenuhr-Zeichnungen gar nicht loswinden kann, so steht die Bemerkung hier am Platze, daß, wie jenes im vorigen Jahrhundert bemerkliche höhere Streben nachläßt, wie man mit den Eigenschaften der Natur bekannter wird, wie die Technik zunimmt, man nun das Ende von Spielereien und Künsteleien gar nicht finden, sich durch Wiederholung und mannichfaltige Anwendung eben derselben Erscheinung, eben desselben Gesetzes, niemals ersättigen kann; wodurch zwar die Kenntniß verbreitet, die Ausübung erleichtert, Wissen und Thun aber zuletzt geistlos wird. Witz[1] und Klugheit arbeiten indessen jenen Forderungen des Wunderbaren entgegen und machen die Taschenspielerei vollkommner..
[50] Goethe, an C. L. F. Schultz (24. 9. 1817), WA IV, 28, 262: In früheren Zeiten suchte ich nur an Freunden die zustimmende Seite, da sich denn im Laufe des Umgangs die abstimmende oft von selbst zeigte; jetzt such ich die Differenzen zuerst, damit die Einigkeit daraus hervorgehe. Es ist doch zuletzt alles eine Art von Sprache[3], wodurch wir uns erst 〈262〉 mit der Natur, und auf gleiche Weise mit Freunden unterhalten möchten. Diese haben nun etwa einen wenig abweichenden Dialect[1] und da giebt es wohl einmal ein Mißverständniß, das aber wohl zu lösen ist wenn man sich eines gemeinsamen Idiodikons befleißigt..
[51] Goethe, an C. E. Schubarth (21. 8. 1819), WA IV, 31, 272: So eben lasse ich an meiner Morphologie weiter drucken. Ältere hervorgesuchte Aufsätze nöthigen mich unmittelbar wieder an die
[52] Grosse, Genius I (1791), 205: Der Garten war zwar etwas verwildert, aber er hatte [...] dadurch gewonnen, daß er seine Kunst[13] von der Natur[2/19] hatte wieder verdrängen lassen..
[53] Gutzkow, Wally (1835), 197: Religion[1] ist Verzweiflung am Weltzweck. Wüßte die Menschheit[2], wohin ihre Leiden und Freuden tendieren, wüßte sie ein sichtbares Ziel ihrer Anstrengungen, einen Erklärungsgrund für dies wirre Durcheinander der Interessen, für die Tapezierung des Firmaments, für die wechselnde Natur, für Frost, Hitze, Regen, Hagel, Blitz und Donner, sie würde an keinen Gott glauben. In progressiver[2] Entwicklung folgt hieraus dreierlei: der natürliche[4] Ursprung der Religion[1], die Accomodation der göttlichen Begriffe[1] an den jedesmaligen Bildungsgrad und zuletzt die Unmöglichkeit historischer Religionen[1] bei steigender Aufklärung..
[54] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 158: Die unbelebten Körper der unorganischen Natur haben ihre feste Räum〈159〉lichkeit, sie sind eins mit ihrem Ort und an ihn gebunden, oder von außen her bewegt. | Denn ihre Bewegung geht nicht von ihnen selbst aus, und wenn sie deshalb an ihnen hervortritt, erscheint sie als eine ihnen fremde[5] Einwirkung, welche aufzuheben sie das reagirende Streben haben. Und wenn auch die Bewegung der Planeten u. s. f. nicht als äußerer Anstoß und als den Körpern fremdartig erscheint, so ist sie doch an ein festes Gesetz und dessen abstrakte Nothwendigkeit gebunden. Das lebendige Thier[1] aber in seiner freien[5] Selbstbewegung negirt das Gebundenseyn an den bestimmten Ort aus sich selbst, und ist die fortgesetzte Befreiung von dem sinnlichen Einsseyn mit solcher Bestimmtheit. ➢ Volltext.
[55] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 208: In dieser Weise hat z. B. die holländische Malerei die vorhandenen flüchtigen Scheine der Natur als vom Menschen neuerzeugte zu tausend und aber tausend Effekten umzuschaffen gewußt. Sammet, Metallglanz, Licht, Pferde, Knechte, alte[2] Weiber, Bauern aus Pfeifenstummeln den Rauch heraus blasend, das Blinken des Weins im durchsichtigen Glase, Kerle in schmutzigen Jacken mit alten[1] Karten spielend, solche und hunderterlei andere Gegenstände, um welche wir uns im alltäglichen Leben kaum bekümmern, da uns selbst, wenn auch wir Karten spielen, trinken und von die〈209〉sem und Jenem schwatzen, noch ganz andre Intressen ausfüllen, werden uns in diesen Gemälden vors Auge gebracht. Was uns nun aber bei dergleichen Inhalt, insofern ihn die Kunst[11] uns darbietet, sogleich in Anspruch nimmt, ist eben dieß Scheinen und Erscheinen der Gegenstände als durch den Geist[20] producirt, welcher das Aeußere und Sinnliche der ganzen Materiatur im Innersten verwandelt. Denn statt existirender Wolle, Seide, statt des wirklichen Haares, Glases, Fleisches und Metalls sehen wir bloße Farben, statt der totalen Dimensionen, deren das Natürliche[5] zu seiner Erscheinung bedarf, eine bloße Fläche, und dennoch haben wir denselben Anblick, den das Wirkliche giebt. | [...] Gegen die vorhandene prosaische[3] Realität ist daher dieser durch den Geist[20] producirte Schein das Wunder der Idealität, ein Spott, wenn man will, und eine Ironie[1] über das äußerliche natürliche[4] Daseyn. ➢ Volltext.
[56] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 333: Der Mensch[1] [...] hat sich selbst und die Umgebung, in welcher er lebt, nicht nur auszuschmücken, sondern er muß die Außendinge auch praktisch zu seinen praktischen Bedürfnissen und Zwecken verwenden. In diesem Gebiete geht erst die volle Arbeit, Plage und Abhängigkeit des Menschen[1] von der Endlichkeit und Prosa[4] des Lebens an, und es fragt sich daher hier vor allem, in wie weit auch dieser Kreis den Fordrungen der Kunst[8] gemäß könne dargestellt werden. | [...] Die nächste Weise, in welcher die Kunst[18] diese ganze Sphäre, um welche es handelt, zu beseitigen versucht hat, ist die Vorstellung eines sogenannten goldenen Zeitalters oder auch eines idyllischen Zustandes. Von der einen Seite her befriedigt dann dem Menschen[1] die Natur[2] mühelos jedes Bedürfniß, das sich in ihm regen mag, von der anderen her begnügt er sich in seiner Unschuld mit dem was Wiese, Wald, Heerden, ein Gärtchen, eine Hütte u. s. f. ihm an Nahrung, Wohnung und sonstigen Annehmlichkeiten bieten können, indem alle Leidenschaften des Ehrgeizes oder der Habsucht, Neigungen, welche dem höheren Adel[5] der menschlichen Natur[1] zuwider erscheinen, noch durchweg schweigen[4]. ➢ Volltext.
[57] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 105: In der freieren[11] Entfaltung [...] der italienischen Malerei haben wir [...] einen anderen Charakter[1] der Kunst[4] aufzusuchen. Außer dem religiösen Inhalt des alten[1] und neuen[3] Testaments und der Lebensgeschichten von Märtyrern und Heiligen entnimmt sie ihre Gegenstände größtentheils nur aus der griechischen[2] Mythologie, selten dagegen aus den Ereignissen der Nationalgeschichte, oder [...] aus der Gegenwart und Wirklichkeit des Lebens; gleich selten, spät und vereinzelt erst, aus der landschaftlichen Natur. Was sie aber für die Auffassung und künstlerische Ausarbeitung des religiösen Kreises vornehmlich hinzubringt, ist die lebendige Wirklichkeit des geistigen und leiblichen Daseyns, zu welcher jetzt alle Gestalten sich versinnlichen und beseelen. Für diese Lebendigkeit bildet von Seiten des Geistes[19] jene natürliche[2] Heiterkeit[4], von Seiten des Körpers jene entsprechende Schönheit[1] der sinnlichen Form das Grundprincip, welche für sich, als schöne[1] Form schon, die Unschuld, Frohheit, Jungfräulichkeit, natürliche[2] Grazie des Gemüths, Adel[5], Phantasie[1] und eine liebevolle Seele ankündigt. ➢ Volltext.
[58] Heine, Buch d. Lied. (≥1827), DHA 1.1, 168: Philister in Sonntagsröcklein | Spatzieren durch Wald und Flur; | Sie jauchzen, sie hüpfen wie Böcklein, | Begrüßen die schöne[4] Natur. || Betrachten mit blinzelnden Augen | Wie Alles romantisch[4] blüht; | Mit langen Ohren[2] saugen | Sie ein der Spatzen Lied. .
[59] Heine, Romant. Schule (1836), 207: Kennt ihr China, das Vaterland der geflügelten Drachen und der porzellanenen Theekannen? [...] Die Natur mit ihren grellen, verschnörkelten Erscheinungen, abentheuerlichen[3] Riesenblumen, Zwerg〈208〉bäumen, verschnitzelten Bergen, barock wollüstigen Früchten, aberwitzig geputzten Vögeln, ist dort eine ebenso fabelhafte Carrikatur wie der Mensch[1] mit seinem spitzigen Zopfkopf, seinen Bücklingen, langen Nägeln, altklugem Wesen und kindisch einsilbiger Sprache[3]. ➢ Volltext.
[60] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 44: Alle Kräfte unsrer und der Thierseelen sind nichts als Metaphysische Abstraktionen, Würkungen! sie werden abgetheilt, weil sie von unserm schwachen Geiste[22] nicht auf einmal betrachtet werden konnten: sie stehen in Kapiteln, nicht, weil sie so Kapitelweise in der Natur würkten, sondern ein Lehrling sie sich vielleicht so am besten entwickelt. Daß wir gewisse ihrer Verrichtungen unter gewisse Hauptnamen gebracht haben z. E. Witz[2], Scharfsinn, Phantasie[1], Vernunft, ist nicht, als wenn je eine einzige Handlung des Geistes[19] möglich wäre, wo der Witz[2] oder die Vernunft allein würkt: sondern nur, weil wir in dieser Handlung am meisten von der Abstraktion entdecken, die wir Witz[2] oder Vernunft nennen, z. E. Vergleichung oder Deutlichmachung der Ideen: überall aber würkt die ganze unabge〈45〉theilte Seele. ➢ Volltext.
[61] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 77: Der Mensch[1] ist also als ein horchendes, merkendes Geschöpf zur Sprache[1] natürlich[4] gebildet, und selbst ein Blinder und Stummer, siehet man, mußte Sprache[1] erfinden, wenn er nur nicht fühllos und taub ist. Setzet ihn gemächlich und behaglich auf eine einsame Insel: die Natur wird sich ihm durchs Ohr[3] offenbaren: tausend Geschöpfe, die er nicht sehen kann, werden doch mit ihm zu sprechen scheinen, und, bliebe auch ewig sein Mund und sein Auge verschlossen, seine Seele bleibt nicht ganz ohne Sprache[1]. Wenn die Blätter des Baumes dem armen Einsamen Kühlung herabrauschen, wenn der vorbeimurmelnde Bach ihn in den Schlaf wieget, und der hinzusäuselnde West seine Wangen fächelt – das blöckende Schaaf giebt ihm Milch, die rieselnde Quelle Wasser, der rau〈78〉schende Baum Früchte – Interesse gnug, die wohlthätigen Wesen zu kennen, Dringniß gnug, ohne Augen und Zunge in seiner Seele sie zu nennen. Der Baum wird der Rauscher, der West Säusler, die Quelle Riesler heißen – Da liegt ein kleines Wörterbuch fertig und wartet auf das Gepräge der Sprachorgane. ➢ Volltext.
[62] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 87: Was so viele Alten[10] sagen und so viel Neuere[5] ohne Sinn[2] nachgesagt, nimmt hieraus sein sinnliches Leben: „daß nemlich Poesie[11] älter[1] gewesen, als Prosa[2]!“ denn was war diese erste Sprache[3] als eine Sammlung von Elementen der Poesie[[11]? Nachahmung der tönenden, handelnden, sich regenden Natur! [...] Ein Wörterbuch der Seele, was zugleich Mythologie und eine wun〈88〉derbare Epopee von den Handlungen[1] und Reden aller Wesen ist! Also eine beständige Fabeldichtung mit Leidenschaft und Interesse! – Was ist Poesie[11] anders? ➢ Volltext.
[63] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 178: Das Weib[1], in der Natur so sehr der schwächere Theil, muß es nicht von dem erfahrnen, versorgenden, sprachbildenden Manne Gesetz annehmen? Ja heißts Gesetz, was blos milde Wohlthat des Unterrichts ist? Das schwache Kind, das so eigentlich ein Unmündiger heißt, muß es nicht Sprache[1] annehmen, da es mit ihr die Milch seiner Mutter und den Geist[26] seines Vaters genießet? ➢ Volltext.
[64] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 140: Das Auge des unbefangenen Naturmenschen blickt auf die Natur und erquickt sich, ohne es zu wissen, schon an ihrem Gewande; oder es arbeitet in seinem Geschäft und indem es die Abwechselung der Jahrszeiten genießt, altert es kaum im höchsten Alter. Unzerstreuet von Halbgedanken und unverwirrt von schriftlichen Zügen, höret das Ohr[3] ganz, was es höret; es trinkt die Rede in sich, die wenn sie auf bestimmte Gegenstände weiset, die Seele mehr als eine Reihe tauber Abstractionen befriedigt. So lebet, so stirbt der Wilde, satt aber nicht überdrüßig der einfachen Vergnügen, die ihm seine Sinne[4] gaben..
[65] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 150: Wo irgend Bewegung in der Natur ist, wo eine Sache zu leben scheint und sich verändert, ohne daß das Auge die Gesetze der Veränderung wahrnimmt: da höret das Ohr[3] Stimmen[3] und Rede, die ihm das Räthsel des Gesehenen durchs Nichtge〈151〉sehene erklären: die Einbildungskraft[1] wird gespannt und auf ihre Weise d. i. durch Einbildungen befriedigt. Ueberhaupt ist das Ohr[3] der furchtsamste, der scheueste aller Sinne[4]; es empfindet lebhaft, aber nur dunkel: es kann nicht zusammenhalten, nicht bis zur Klarheit vergleichen: denn seine Gegenstände gehn im betäubenden Strom vorüber. Bestimmt, die Seele zu wecken, kann es, ohne Beihülfe der andern Sinne[4] insonderheit des Auges, sie selten bis zur deutlichen Gnugthuung belehren..
[66] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 185 f.: Glücklich, daß die Natur das weibliche[1] Herz mit einem unnennbar-zarten und starken Gefühl für den persönlichen Werth des 〈186〉 Mannes ausgerüstet und geschmückt hat. Durch dies Gefühl erträgt sie auch seine Härtigkeiten: sie schwingt sich in einer süßen Begeisterung[3] so gern zu allem auf, was ihr an ihm edel, groß, tapfer, ungewöhnlich dünket: mit erhebender Theilnehmung hört sie männliche Thaten, die ihr, wenn der Abend kommt, die Last des beschwerlichen Tages versüßen und es zum Stolz ihr machen, daß sie, da sie doch einmal zugehören muß, einem solchen Mann gehöre. Die Liebe des Romantischen[7] im weiblichen[1] Charakter[1] ist also eine wohlthätige Gabe der Natur, Balsam für sie und belohnende Aufmunterung des Mannes: denn der schönste[6] Kranz des Jünglings war immer die Liebe der Jungfrau..
[67] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 10 f. (11): [W]ie die Magnetnadel in Sina nicht die Europäische Abweichung hat: 〈11〉 so konnten aus diesem Menschenstamme in dieser Region auch niemals Griechen und Römer werden. Sinesen waren und blieben sie, ein Volksstamm mit kleinen Augen, einer stumpfen Nase, platter Stirn, wenig Bart, großen Ohren[1] und einem dicken Bauch von der Natur begabet; was diese Organisation[5] hervorbringen konnte, hat sie hervorgebracht, etwas anders kann man von ihr nicht fodern..
[68] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 146: Und so ward jenes einzige Gepräge der griechischen[2] Sprache[3], das nicht von stummen Gesetzen erpreßt, das durch Musik[6] und Tanz, durch Gesang und Geschichte[2], endlich durch den plauderhaften freien[13/6] Umgang vieler Stämme und Colonien wie eine lebendige Form der Natur entstanden war. Die nordischen Völker[1] Europens hatten bei ihrer Bildung[3] dies Glück nicht. Da ihnen durch fremde[1/5] Gesetze und durch eine Gesanglose Religion[1] ausländische Sitten gegeben wurden; so verstummete auch ihre Sprache[3]. Die Deutsche z. B. hat unstreitig viel von ihrer innern Biegsamkeit, von ihrer bestimmtem Zeichnung in der Flexion der Worte, ja noch mehr von jenem lebendigen Schall verlohren, den sie unter günstigem Himmelsstrichen ehedem hatte. Einst war sie eine nahe Schwester der griechischen[2] Sprache[3] und jetzt wie fernab von dieser ist sie gebildet! [...] Nur die griechische[2] Sprache[3] ist wie durch Gesang entstanden: denn Gesang und 〈147〉 Dichtkunst und ein früher Gebrauch des freien[6] Lebens hat sie zur Musensprache der Welt gebildet..
[69] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 298: [O]bwohl das Eisen in der ganzen Natur so allgemein verbreitet ist, daß es fast in allen Steinen und Gewächsen, so wie durchaus in allen Thieren[2] vorkommt, so liegt es doch so versteckt, daß es nur dem hohen Standpunkt, auf dem die Wissenschaften[3] jetzt stehen, zu danken ist, daß wir dieses kennen lernten..
[70] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 50: In jener schönern[1] Zeit[3], wo noch die ganze Natur dem Menschen[1] näher stand, wo jeder Baum, jede Blume lebte und selbst das zutraulichere Thier[1] den Menschen[1] mit sprechenden Augen ansah, in den Tagen, wo der Mensch[1] noch ein harmloses Kind war, und unbefangen mit den ihn umgebenden Gegenständen spielte, in jener Zeit[3] einer einfachen unschuldigen Sinnlichkeit entstand die Fabel. .
[71] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. V (1835), 419: Infusionsthierchen, die kleinsten, uns sichtbaren, lebenden Geschöpfe, zu deren Kenntniß wir erst durch die Erfindung des zusammengesetzten Mikroskops gekommen sind. Sie sind vielleicht das Wunderbarste und Feinste, was die Natur hervorgebracht hat. Man entwickelt sie aus jeder Substanz, welche der Fäulniß unterworfen ist, durch Aufguß von Wasser (daher Infusionsthiere). Nachdem dieß einige Tage gestanden, bildet sich in der Flüssigkeit eine ganze Welt lebender Thiere[1] in den sonderbarsten, mannichfaltigsten Formen, die sich lustig herumtummeln, ganze Reisen durch einen Wassertropfen machen, sich gegenseitig bekämpfen und aufzehren etc., bis der Tropfen durch die Temperatur der Luft trocknet und so die ganze, wunderbar belebte Welt in das ursprüngliche Chaos zurücksinkt..
[72] Hirschfeld, Gartenkunst I (1779), 3: Die Natur hatte den Menschen gebildet, die Freuden der schönen[4] Jahrszeiten zu genießen [...]. ➢ Volltext.
[73] Hirschfeld, Gartenkunst I (1779), 173: Vornehmlich sind es die Geschlechter[7] der Thiere[1], womit die Natur ihre schönen[1] Landschaften belebt; der Gartenkünstler versäume nicht, ihr darin nachzufolgen. ➢ Volltext.
[74] Hirschfeld, Gartenkunst I (1779), 214: Das Romantische[3/4] oder Bezaubernde in der Landschaft entspringt aus dem Außerordentlichen und Seltsamen der Formen, der Gegenstellungen und der Verbindungen. Man findet es am meisten in gebirgigen und felsigen Gegenden, in versperrten Wildnissen, wohin die geschäftige Hand des Menschen noch nicht gedrungen ist. Zur Bildung[3] dieses Charakters[4] tragen Felsen, [...] nicht weniger Wasserfälle, vorzüglich bey. Aber außer dem, was hier die Form bewirkt, wird auch durch starke und auffallende Entgegenstellungen und kühne überraschende Zusammensetzungen das Romantische[3/4] erzeugt. Die Aussichten sind, weil die Einbildungskraft[1] sich mit nahen Gegenständen beschäftigen soll, hier mehrentheils verschlossen; sie breiten sich selten vorwärts aus, sondern erheben sich öfter aus der Tiefe in die Höhe, oder senken sich von der Höhe in die Tiefe herab. Wo die rauhe finstre Wildniß sich mit einem kleinen stillen Thale voll glänzender Blumen paart, wo ein Waldstrom am Felsen durch blühende Gesträuche herabschäumt, und das blinkende Wasser zwischen den grünen Blättern umherirrt, wo kahle weiße Felsspitzen mitten über die Oberfläche einer schönen Waldung hervorragen – da ist ein Anfang von diesem Charakter[4]. | Die Natur scheint ihn in einer glücklichen Laune mehr hinzuwerfen, als sorgfältig auszubilden; es sind kühne, seltsame, abspringende Nebenzüge, die sich ihre Hand in der Malerey[6] der Landschaft entwischen läßt. Die Wirkungen des Romantischen[3/4] sind Verwunderung, Ueberraschung, angenehmes Staunen und Versinken in sich selbst. ⦿ ➢ Volltext.
[75] Hirschfeld, Gartenkunst II (1780), 3: Betrachtungen dieser Art, die sich in das weite Gebiete der Natur ausbreiten müssen, enthalten nicht blos die erste Quelle des Unterrichts für den Gartenkünstler. Sie dienen auch dem Freunde der Natur (und welcher vernünftige Mensch wird dies zu seyn nicht Adel[5] genug haben?) nicht blos zur angenehmen Unterhaltung und Beschäf〈4〉tigung der Einbildungskraft, sondern auch zur Anleitung, der Vernunft von seinen Gefühlen Rechenschaft abzulegen. ➢ Volltext.
[76] Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 90 f.: An dem Charakter[4] des Romantischen[3/4] [...] kann die Kunst[1] wenig Antheil nehmen; er ist fast ganz ein Werk der Natur. Sie bildet ihn nicht blos durch gebirgigte Gegenden, Felsen, Höhlen, Wasserfälle, Katarakte, und durch seltsame Lagen und Gestalten dieser Gegenden, sondern auch durch ungewöhnliche Verbindungen und Gegenstellungen, durch eine ausschweifende Regellosigkeit der Anordnung und durch überraschende Kühnheiten der Kontraste. Wo romantische[3/4] Gärten erscheinen sollen, da muß die Natur die Anlage ganz vorbereitet haben; alle Nachahmungen der Kunst[1] würden sich hier nur in lächerliche Spielwerke endigen. Allein die Natur zeigt auch in der Bildung[3] dieses Charakters[4] so viel Mannigfaltigkeit, daß sich eine 〈91〉 Reihe von romantischen[3/4] Anlagen und Gärten denken läßt, die sich alle neben einander durch starke ausgezeichnete Pinselstriche unterscheiden. Nur darf der Gartenkünstler hier, wo fast alles auf die Laune der Natur ankommt, am wenigsten verlangen, daß sie gerade in seiner Gegend alle Züge des Romantischen[3/4] vereinige, die sie hin und wieder in ihren Gemälden erscheinen läßt. | Wie viel Abwechselung von Zügen in diesen Gemälden des Romantischen[3/4]! Bald ist es ein Klump waldigter Inseln, die in gespitzten Höhen vom Rande des Wassers sich erheben, wo die Zweige der Bäume in den See tauchen; so steigen in dem See Earne in Irland unzählige Hügel mit dunklen Wäldern aus der Wasserfläche kühn empor, und bilden gleichsam eine große krumme Straße, auf welcher die Fahrzeuge durchsegeln. Bald ist es eine Reihe von Bergen, mit Fichten bewachsen, über deren grüne Spitzen sich der kahle mit beständigem Schnee bedeckte Gipfel erhebt, wie in so vielen Gegenden der Schweitz. ➢ Volltext.
[77] Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 109: Der Gang [...] ist längst dem Flusse aus dem Felsen gehauen. Diese Felsen stellen einen romantisch[3] schönen[1] Anblick dar; die Klüfte sind mit hohen Eichen und andern Bäumen bewachsen, und drohen über den Kopf des Vorbeygehenden herabzufallen. Salvator Rosa kann die wilde Natur nicht schöner[1] malen. Der Fluß trägt viel zur Verschönerung dieses Auftrittes bey; er rauscht über Felsen und Steine weg, und vermehrt die Wildniß dieser Gegend. ➢ Volltext.
[78] Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 112: Die Einbildungskraft[1] [...] schweift gern in schwärmerischen Bildern zügellos umher, entflammt sich aus der Erinnerung von hundert Märchen, die einst die Amme oder der Küster erzählte, verjüngt alte[1] Erscheinungen, wandelt und bildet neue[1] Gestalten, und leihet den Scenen einen Schauer, den die Natur und die Vernunft[3] nicht kennen, und den gleichwohl jene zu veranlassen, und diese nicht zu verwerfen scheint. ➢ Volltext.
[79] Hülsen, Nat.-Betr. (1800), 47: Nur im todten Buchstaben[8] verödet dein Daseyn. Leben strömet zum Leben, und je mehr die Natur in deinen Blicken lebt, und ihre Ansicht lebendige Kraft in dir selbst ist: je höher und wahrer wird dadurch deine Anschauung, und du ruhst mit der hohen Gewißheit eines Gottes[1] in ihrer ewigen Umarmung..
[80] A. v. Humboldt, Lebenskr. (1795), 94: Sechzig Jahre lang habe ich über die innern Triebräder der Natur, über den Unterschied der Stoffe gesonnen und erst heute läßt der Rhodische Genius mich klarer sehen, was ich sonst nur ahnete[3]..
[81] A. v. Humboldt, Lebenskr. (1795), 94: Wenn der Unterschied der Geschlechter[1] lebendige Wesen wohlthätig und fruchtbar aneinander kettet, so wird in der unorganischen Natur[2] der rohe Stoff von gleichen Trieben bewegt. Schon im dunkeln Chaos häufte sich die Materie und mied sich, je nachdem Freundschaft oder Feindschaft sie anzog oder abstieß..
[82] A. v. Humboldt, Gasarten (1799), 3 f. (4): Je mannigfaltiger[1] die Beziehungen sind, in welche der Mensch[1] mit den Gegenständen um sich her tritt, je 〈4〉 mächtiger und vielseitiger er auf die belebte und unbelebte Natur einwirkt, desto mehr gewinnt unter verwickelten Verhältnissen seine intellectuelle Bildung[10]. Instrumente[1] und Maschinen sind besonders deshalb wichtig, weil sie entweder die Anwendung menschlicher Kräfte, welche nun auch auf andere Punkte gerichtet werden können, ganz ersparen; oder weil sie uns in den Stand setzen, Dinge zu unternehmen, welche (ohne jene Hülfsmittel) hätten ununternommen bleiben müssen. Jede mechanische Erfindung erweitert daher das Feld menschlicher Erkenntniß[2], nicht bloß durch das, was sie unmittelbar leistet, sondern zugleich durch den allgemeinen Einfluß, den sie auf den Umfang unserer ganzen Thätigkeit ausübt..
[83] A. v. Humboldt, Luftkreis (1799), 118: Von allen Ideen, welche die Betrachtung der Natur in dem Menschen[2] veranlasst, sind keine seiner Beschäftigung würdiger, als die sich auf die Kultur[1] des Bodens beziehen..
[84] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 81: Die Vermehrung der Zehenten und der Kopfsteuer [...], die sämtlichen Abgaben von den Consumtionsartikeln, die Fortschritte des Ackerbaus und der Civilisation, der Anblick des Landes selbst, das mit völlig neugebauten Häusern überdeckt ist, Alles das verkündigt ein rasches Emporstreben in beinah allen Theilen des Königreichs. Wie wär' es auch begreiflich, daß alle gesellschaftlichen Institutionen unvollkommen genug bleiben könnten, und eine Regierung mächtig genug seyn sollte, die Ordnung der Natur zu zerstören, und die allmählige Vermehrung unserer Gattung auf einem fruchtbaren Boden und in einem gemäßigten Clima[1] zu verhindern?.
[85] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 119: Alle diese Thatsachen beweisen, daß die Natur; bei aller Verschiedenheit der Klima's[2] und Höhen, welche die manigfaltigen Menschenraçen bewohnen, von dem Typus, dem sie sich seit vielen tausend Jahren unterworfen hat, nicht abweicht..
[86] A. v. Humboldt, Cordill. I [TrN. N.] (1810), 5: Was ich romantisches[3] oder grandioses an den Ufern der Saverne, im nördlichen Deutschland, in den euganeischen Gebirgen, auf der Centralkette von Europa, auf dem jähen Abhang des Vulcans von Teneriffa gesehen habe, das Alles findet sich in den Cordilleren der neuen[3] Welt vereinigt. Jahrhunderte würden nicht hinreichen, die Schönheiten[3] zu betrachten, und die Wunder zu entdecken, welche die Natur dort auf einer Strecke von 2500 Meilen, von den Granitgebirgen der magellanischen Meerenge, bis zu den Nachbar-Küsten des östlichen Asiens hin, zerstreut hat. [Original A. v. Humboldt, Vues des Cord. (1810), 4: Ce que j'ai vu de romantique ou de grandiose sur les bords de la Saverne, dans l'Allemagne septentrionale, dans les monts Euganéens, dans la chaîne centrale de l'Europe, sur la pente rapide du volcan de Ténériffe; tout se trouve réuni dans les Cordillères du nouveau monde. Des siècles ne suffiroient pas pour observer les beautés et pour découvrir les merveilles que la nature y a prodiguées sur une étendue de deux mille cinq cents lieues, depuis les montagnes granitiques du détroit de Magellan jusqu'aux côtes voisines de l'Asie orientale.].
[87] A. v. Humboldt, Cordill. II [TrN. N.] (1810), 95: Bei jeder Veränderung von Breite und Clima[2] verändert sich auch die Ansicht der organischen[3] Natur, die Form der Thiere[1] und der Pflanzen[1], welche jeder Zone einen besondern Karakter[4] aufdrücken, und, mit Ausnahme einiger Wasser- und kryptogamischen Gewächse, ist der Boden in jeder Region mit verschiedenen Pflanzen[1] bedekt..
[88] W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 268 f.: Bei den Griechen zeigt sich aber ein doppeltes, äusserst merkwürdiges, und vielleicht in der Geschichte einziges Phänomen. Als sie noch sehr viele Spuren der Rohheit anfangender Nationen[1] verriethen, besassen sie schon eine überaus grosse Empfänglichkeit für jede Schönheit der Natur und der Kunst[10], einen feingebildeten Takt, und einen richtigen Geschmack, nicht der Kritik[2], aber der Empfindung, und finden sich Instanzen gegen diesen Takt und diesen Geschmak so ist wenigstens jene Reizbarkeit und Empfänglichkeit unläugbar; und wiederum als die Kultur[4] schon auf einen sehr hohen Grad gestiegen war, er〈269〉hielt sich dennoch eine Einfachheit des Sinns[5] und Geschmaks, den man sonst nur in der Jugend der Nationen[1] antrift. Die Entwikklung der Ursachen hievon gehört nicht hieher. Genug das Phänomen ist da..
[89] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 805 f. (806): [W]as Woldemar suchte, und wie er es suchte, konnte er nur in einer weiblichen Seele finden. Durch die Natur[1] seines Wesens nothwendig geleitet, und durch seine äußere Lage begünstigt, gehört das andre Geschlecht[2] größtentheils dem inneren Leben und Weben in eignen Ideen und Empfindungen an. Sich darauf in hoher Einfachheit beschränkend, ist das weibliche Gemüth zwar vielleicht ein minder reiches und starkes, aber gewiß ein reineres Bild desselben, als jedes andre, und daher am meisten fähig, das zu gewähren, was Woldemar schmerzlich entbehrte. Jener Trieb aber, nach dessen Gewissheit er so ängstlich strebte, und der doch kein andrer ist, als den die Philosophie sonst den uneigennützigen, die Aeußerung der praktischen Vernunft[1], zu nennen pflegt, ist als bloßer Trieb im Weibe[1] schon um eben so viel reicher und ununterbrochener lebhaft, als dieß alle Neigungen und Gefühle überhaupt in ihm sind. Allein auch in seiner höheren Natur[1] ist er deutlicher sichtbar. Unter allen Geschöpfen, die sich nach eignem Willen bestimmen, sind die Weiber[1] der steten immer wie〈806〉derkehrenden Ordnung der Natur[2] gleichsam am nächsten geblieben. Dadurch und durch die Mitwirkung ihres feineren Schönheitssinnes sind alle ihre, auch eigennützigen Triebe, reiner und harmonischer gestimmt, und schon ihre sanfte Schwäche verhütet ein zu häufiges Einmischen der heftigen, wechselnden Begierde. Endlich scheinen sie unmittelbar aus der Hand der Natur[13] zu kommen. Weniger, wie bey dem Manne, von eigenmächtigen Handlungen[1] des bey diesem stärkeren und thätigeren Willens durchkreuzt, ist der Inbegriff ihres Wesens ein mehr durch die Natur[13] und die Lage der Umstände gegebenes Ganze. Was man in demselben antrifft, ist sichrer aus ihrer inneren Beschaffenheit hervorgegangenes Werk der Natur[13], als eigne Schöpfung..
[90] W. v. Humboldt, Vorr. Gasart. (1799), V: Der erste Theil [...], welcher die Grundzüge zu einer unterirdis[c]hen Meteorologie enthält, deckt einen bisher noch fast ganz unbekannten Theil der Natur auf, führt in eine gleichsam neue[1], unterirdische 〈VI〉 Schöpfung, überrascht durch anziehende Vergleichungen in der obern und untern Atmosphäre, und gewährt nicht bloß dem Nachdenken und der wissenschaftlichen Neugierde, sondern selbst der Einbildungskraft[1] reichliche Nahrung..
[91] Immermann, Epigon. (1836), W 2, 559: Er gehört zu den jungfräulichen Männern, ist schamhaft, verschwiegen, bescheiden wie keiner. Nun wohnt er schon seit längerer Zeit im Hause der Herzogin, und man kann diese Neigung, obschon sie ganz unschuldig ist, und nur die Farbe des Dienstverhältnisses trägt, worin er zu ihr steht, kaum noch Freundschaft nennen. Ich hatte meine törichte Leidenschaft längst besiegt, und mochte daher dieses Wirken der Natur unbefangnen Sinnes anschaun. Freilich wurde mir dabei ihre Ironie[2] klar, welche nirgends ausbleibt, und hier durch ein eheähnliches Verhältnis für Übertreibungen der Sitte und Sittlichkeit das Gleichgewicht herzustellen gesucht hat..
[92] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 19: In Rücksicht der nachzuahmenden Form stehen die poetischen[4] Materialisten im ewigen Widerspruch mit sich und der Kunst[8] und der Natur [...]. Denn sie erlauben wirklich den Versfuß auch in größter und jeder Leidenschaft [...] – und im Sturme des Affekts höchsten Wohllaut und einigen starken Bilderglanz der Sprache[4] [...] 〈20〉 [...] – dann die Götter[5] und Wunder des Epos und der Oper [...] – im Homer die langen Mordpredigten der Helden vor dem Morde [...] – in Don Quixotte einen romantischen[7] Wahnsinn, der unmöglich ist – [...] in Thümmel und andern den Eintritt von Oden ins Gespräch und noch das übrige Zahllose..
[93] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 93 f. (94): Daher thut der Idealismus in dieser Rücksicht der romantischen[12/9] Poesie[1] so viele Dienste, als er der plastischen[5/4] versagt [...]. | Der Grieche sah selber und erlebte selber das Leben; er sah die Kriege, die Länder, die Jahres-Zeiten, und las sie nicht; daher sein scharfer Umriß der Wirklichkeit; so daß man aus der Odyssee eine Topographie und Küsten-Karten ziehen kann. Die Neuern[5] hingegen bekommen aus dem Buchladen die Dichtkunst sammt den wenigen darin enthaltenen und vergrößerten Objekten und sie bedienen sich dieser zum Genusse jener [...]. Der neue[5] Poet trägt 〈94〉 sich daher auf seinen Spaziergängen die Natur für den Objektenträger seiner objektiven Poesie[1] zusammen..
[94] Kant, Daseyn Gottes (1763), 108: So bald eine Naturanstalt nützlich ist, so wird sie gemeiniglich unmittelbar aus der Absicht des göttlichen Willens, oder doch durch eine besonders durch Kunst[1] veranstaltete Ordnung der Natur erklärt; entweder weil man einmal sich in den Kopf gesetzt hat: die Wirkungen der Natur, gemäs ihren allgemeinsten Gesetzen, könten auf solche Wohlgereimtheit nicht auslaufen, oder wenn man einräumete, sie hätten auch solche Folgen, so würde die〈109〉ses heissen die Vollkommenheit der Welt einem blinden Ohngefehr zuzutrauen, wodurch der göttliche Urheber sehr würde verkant werden. Daher werden in einem solchen Falle der Naturforschung Grenzen gesetzt. Die erniedrigte Vernunft[2/9] stehet gerne von einer weiteren Untersuchung ab, weil sie solche hier als Vorwitz ansieht, und das Vorurtheil ist desto gefährlicher, weil es den Faulen einen Vorzug vor dem unermüdeten Forscher giebt durch den Vorwand der Andacht und der billigen Unterwerfung unter den grossen Urheber, in dessen Erkentnis sich alle Weisheit vereinbaren muß..
[95] Kant, Daseyn Gottes (1763), 147: Am mehresten enthält die Methode über die vollkommene Anstalten der Natur zu urtheilen den Geist[12] wahrer Weltweisheit, wenn sie jederzeit bereit, auch übernatürliche Begebenheiten zuzulassen, imgleichen die wahrhaftig künstliche[1] Anordnungen der Natur nicht zu verkennen, hauptsächlich die Abzielung auf Vortheile und alle Wohlgereimtheit sich nicht hindern läßt, die Grün〈148〉de davon in nothwendigen algemeinen Gesetzen aufzusuchen, mit grosser Achtsamkeit auf die Erhaltung der Einheit und mit einer vernünftigen Abneigung, die Zahl der Naturursachen um derentwillen zu vervielfältigen..
[96] Kant, Crit. rein. Vern. (21787), XLIII: Meinerseits kann ich mich auf Streitigkeiten von nun an nicht einlassen, ob ich zwar auf alle Winke, es sey von Freunden oder Gegnern, sorgfältig achten werde, um sie in der künftigen Ausführung des Systems dieser Propädeutik gemäß zu benutzen. Da ich während dieser Arbeiten schon ziemlich tief ins Alter fortgerückt bin (in diesem Monate ins vier und sechzigste Jahr), so muß ich, wenn ich meinen Plan, die Metaphysik der Natur sowol als der Sitten [...] zu liefern, ausführen will, mit der Zeit[6] sparsam verfahren, und die Aufhellung sowol der in diesem Wer〈XLIV〉ke anfangs kaum vermeidlichen Dunkelheiten, als die Verteidigung des Ganzen von den verdienten Männern, die es sich zu eigen gemacht haben, erwarten..
[97] Kant, Crit. pract. Vern. (1788), 108: Der Mensch[1] ist ein bedürftiges Wesen, so fern er zur Sinnenwelt gehört und so fern hat seine Vernunft[2] allerdings einen nicht abzulehnenden Auftrag, von Seiten der Sinnlichkeit, sich um das Interesse derselben zu bekümmern und sich practische Maximen, auch in Absicht auf die Glückseligkeit dieses, und, wo möglich, auch eines zukünftigen Lebens, zu machen. Aber er ist doch nicht so ganz Thier[11], um gegen alles, was Vernunft[2] für sich selbst sagt, gleichgültig zu seyn, und diese blos zum Werkzeuge der Befriedigung seines Bedürfnisses, als Sinnenwesens, zu gebrauchen. Denn im Werthe über die bloße Thierheit erhebt ihn das gar nicht, daß er Vernunft[2] hat, wenn sie ihm nur zum Behuf desjenigen dienen soll, was bey Thieren[1] der Instinct verrichtet; sie wäre alsdenn nur eine besondere Manier, deren sich die Natur bedient hätte, um den Menschen[1] zu demselben Zwecke, dazu sie Thiere[1] bestimmt hat, auszurüsten, ohne ihn zu einem höheren Zwecke zu bestimmen. ➢ Volltext.
[98] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), X: Hiemit endige ich also mein ganzes critisches[1] Geschäft. Ich werde ungesäumt zum Doctrinalen schreiten, um, wo möglich, meinem zunehmenden Alter die dazu noch einigermaßen günstige Zeit[6] noch abzugewinnen. Es versteht sich von selbst, daß für die Urtheilskraft darin kein besonderer Theil sey, weil in Ansehung derselben die Critik[1] statt der Theorie dient, sondern daß, nach der Eintheilung der Philosophie in die theoretische und praktische, und der reinen in eben solche Theile, die Metaphysik der Natur und die der Sitten jenes Geschäft ausmachen werden..
[99] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), XLVIII f.: In einer Critik[4] der Urtheilskraft ist der Theil, welcher die ästhetische Urtheilskraft enthält, ihr wesentlich angehörig, weil diese allein ein Princip enthält, welches die Urtheilskraft völlig a priori ihrer Reflexion über die Natur zum Grunde legt, nämlich das einer formalen Zweckmäßigkeit der Natur nach ihren besonderen (empirischen) Gesetzen für unser Erkenntnisvermögen, ohne 〈XLIX〉 welche sich der Verstand in sie nicht finden könnte [...]..
[100] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), 187: Die schöne[2] Kunst[1] zeigt darin eben ihre Vorzüglichkeit, daß sie Dinge, die in der Natur häslich[1] oder misfällig seyn würden, schön[1] beschreibt. Die Furien, Krankheiten, Verwüstungen des Krieges u. d. gl. können sehr schön[1] beschrieben, ja sogar im Gemälde vorgestellt werden; nur eine Art Häslichkeit kann nicht der Natur gemäs vorgestellt werden, ohne alles ästhetische Wohlgefallen, mithin der Kunstschönheit zu Grunde zu richten: nämlich diejenige, welche Ekel erweckt..
[101] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 179: An einem Producte der schönen[2] Kunst[1] muß man sich bewußt werden, daß es Kunst[9] sey, und nicht Natur[10]; aber doch muß die Zweckmäßigkeit in der Form desselben von allem Zwange willkürlicher Regeln so frey scheinen, als ob es ein Product der bloßen Natur[2] sey. Auf diesem Gefühle der Freyheit[13] im Spiele unserer Erkenntnißvermögen, welches doch zugleich zweckmäßig seyn muß, beruht diejenige Lust, welche allein allgemein mittheilbar ist, ohne sich doch auf Begriffe[1] zu gründen. Die Natur[10] war schön[2], wenn sie zugleich als Kunst[9] aussah; und die Kunst[9] kann nur schön[2] genannt werden, wenn wir uns bewußt sind, sie sey Kunst[9], und sie uns doch als Natur[10] aussieht..
[102] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 282: Wenn [...] der Mensch, durch Freyheit[1] seiner Caussalität, die Naturdinge seinen oft thörichten Absichten (die bunten Vogelfedern zum Putzwerk seiner Bekleidung, farbige Erden oder Pflanzensäfte zur Schminke), manchmal auch aus vernünftiger Absicht, das Pferd zum Reiten, den Stier und in Minorca sogar den Esel und das Schwein zum Pflügen, zuträglicher findet: so kann man hier [...] nicht [...] einen relativen Naturzweck (auf diesen Gebrauch) annehmen. Denn seine Vernunft[2] weiß den Dingen eine Uebereinstimmung mit seinen willkürlichen Einfällen, wozu er selbst nicht einmal von der Natur prädestinirt war, zu geben..
[103] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 391 f.: Die Hervorbringung der Tauglichkeit eines vernünftigen Wesens zu beliebigen Zwecken überhaupt (folglich in seiner Freyheit[10]) ist die Cultur[3]. Also kann nur die Cultur[3] der letzte Zweck seyn, den man der Natur in Ansehung der Menschengattung beyzulegen Ursache hat (nicht seine eigene Glückseligkeit auf Erden, oder wohl gar bloß das vornehmste Werkzeug zu seyn, 〈392〉 Ordnung und Einhelligkeit in der vernunftlosen Natur ausser ihm zu stiften)..
[104] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 416: Setzet einen Menschen in den Augenblicken der Stimmung seines Gemüths zur moralischen Empfindung. Wenn er sich, umgeben von einer schönen[1/4] Natur, in einem ruhigen heitern[5] Genusse seines Daseyns befindet, so fühlt er in sich ein Bedürfniß, irgend jemand dafür dankbar zu seyn. Oder er sehe sich einandermal in derselben Gemüthsverfassung im Gedränge von Pflichten, denen er nur durch freywillige Aufopferung Genüge leisten kann und will: so fühlt er in sich ein Bedürfniß, hiemit zugleich etwas Befohlnes ausgerichtet und einem Oberherren gehorcht zu haben. Oder er habe sich etwa unbedachtsamer Weise wider seine Pflicht vergangen, wodurch er doch eben nicht Menschen verantwortlich geworden ist: so werden die strengen Selbstverweise dennoch eine Sprache[12] in ihm führen, als ob sie die Stimme[3] eines Richters wären, dem er darüber Rechenschaft abzulegen hatte..
[105] Kant, Metaph. d. Sitt. II (1797), 111: Geisteskräfte sind diejenigen, deren Ausübung nur durch die Vernunft[1] möglich ist. Sie sind so fern schöpferisch, als ihr Gebrauch nicht aus Erfahrung geschöpft, sondern a priori aus Principien abgeleitet wird. Dergleichen sind Mathematik, Logik und Metaphysik der Natur, welche zwey letztere auch zur Philosophie, nämlich der theoretischen, gezählt werden, die zwar alsdann nicht, wie der Buchstabe[11] lautet, Weisheitslehre, sondern nur Wissenschaft[1] bedeutet, aber doch der ersteren zu ihrem Zwecke beförderlich seyn kann..
[106] S. v. Knorring, Evremont I (1836), 344: Bei dem Studium der Landschaft nach der Natur hindert [...] die bedingte Freiheit[5], denn es kann doch nur die Stelle beobachtet werden, wohin man in anständiger Begleitung spazieren gehen kann. Die Gedanken, welche die Seele auf einsamen Wanderungen nährt, muß eine Frau[1] entbehren [...]..
[107] Kolbe, Wortmeng. (1809), 109: Eben die leichte Beweglichkeit unsrer Rede, jene Geschmeidigkeit, womit sie dem Willen des Schreibenden sich fügt, möchte das nachlässige Treiben so vieler unsrer Federmänner erklären. Die Tugenden der Sprache[3] haben die Untugenden der Schriftsteller erzeugt. Reichtum gebiert Habsucht. Wer viel hat, der verlangt ungenügsam nur immer mehr und mehr. Auch wird dem, der zu finden gewohnt ist, ohne zu suchen, das Suchen endlich lästig; und wer immer nur befehlen darf, verlernt zur rechten Zeit zu gehorchen. Wäre unsre Sprache[3] spröder und eigensinniger; riefe sie unerbitlich den Schreibenden zu beharrlicher Anstrengung auf; ließe sie, was sie zu reichen vermag, nur durch Schweis sich abgewinnen: wahrlich! wir schrieben besser. Man vergleiche die französische Sprache[3] mit der deutschen, und man wird über ihre Armut, über ihre unglaubliche Beschränktheit erstaunen. Wiederum vergleiche man die Schriften der Franzosen mit den Schriften der Deutschen, und man wird über die Hülflosigkeit, über die lahme, schlottrige, gehemte Bewegung der lezteren nicht minder erstaunen. Wir gleichen jenen Völkern[1], die, im Besiz des herrlichsten Bodens, im Schoos der üppigsten Natur, von allen Mitteln zum Wolstand umgeben, aus Trägheit in Wust und Elend vergehn, – verzogene Kinder ihres zu wollüstigen Himmels..
[108] Köstlin, Sonnt. (H1807), 88: Ich [...] endige meine Plage, länger mich in diese Kirche zu träumen, länger mit meinen Gedanken zu verweilen zwischen disen steinernen Wänden, die mir das Herz versteinern. [...] Dort sind wir ganz überwölkt, abgeschlossen durch eine steinerne Kluft von allem fröhlichen Leben [...]. Kein Strahl der ewigen Freyheit[2] und Lust der Natur soll uns spielen um's Herz, damit wir nicht erwachen zur Erinnerung unsres eignen göttlichen Seyns. Verdorben soll sich der Mensch[1] glauben, er soll sein Innerstes von dem giftigen Krebs einer an〈89〉gebohrenen Sünde zerfressen wähnen, damit er ihre Arzney gläubig empfange..
[109] Krünitz, Oecon. Encycl. XII (1777; 21786), 177: Fantasie[19], aus dem Franz. Fantaisie, und Ital. Fantasia, nennet man, in der Mahlerey[1], ein Gemählde, welches nicht nach der Natur oder nach den strengen Regeln der Kunst[8] gemahlt ist. Fantasien[19] mahlen, aus dem Kopf mahlen, ohne in der Natur ein Modell vor sich zu haben. Mehrentheils bedeutet dieses so viel, als Grotesken mahlen. Daher fantasieren, in den Künsten[2], nach seiner Einbildungskraft[1] arbeiten, ohne sich an die strengen Regeln der Kunst[8] zu binden. ➢ vgl. [20].
[110] Krünitz, Oecon. Encycl. LXIV (1794; 21803), 425: Die Natur hat eine Menge von zufälligen Erscheinungen, womit sie in verschiedenen Jahrszeiten und in verschiedenen Tages-Stunden ihre Landschaften verschönert. Die mannigfaltigen[[[[BedeutungsVerweis ID='640' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] Veränderungen bey dem Aufgange und Untergange der Sonne; die verschiedenen Stellungen, Bewegungen und Mahlereyen[[[[BedeutungsVerweis ID='833' Anzeige='4' Formatierung='1']]]] der Wolken, zumahl bey Gewittern und in den Abend-Stunden; [...] der Schimmer des Mondes im vorüberwandelnden Gewölk; [...] der sanfte bläuliche Duft, der über entfernte Aussichten schwebt[[[[BedeutungsVerweis ID='826' Anzeige='1' Formatierung='1']]]]; die Spielungen der Farben im Regenbogen; [...] die romantischen[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Figuren im umherziehenden Nebel; [...] die lieblichen Wiederscheine, die milder und anlockender sind, als der Strahl des ursprünglichen Lichtes – alle diese Veränderungen in der Natur, die ich hier unter dem Nahmen der Zufälligkeiten begreife, scheinen neue[[[[BedeutungsVerweis ID='435' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] Lagen, oft neue[[[[BedeutungsVerweis ID='435' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] Gegenstände selbst zu bilden..
[111] Krünitz, Oecon. Encycl. LXIV (1794; 21803), 477 f. (478): Der romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Stil ist Vorstellung rauher und fürchterlicher Gegenden. Hierher gehören: Ruinen, 〈478〉 gänzlich verfallene oder einstürzende Gebäude, zerrissene Felsen, große Gebirge, Klüfte, Abgründe, reissende Ströhme, schäumende Wasser, Fälle, wilde reissende Thiere[[[[BedeutungsVerweis ID='474' Anzeige='1' Formatierung='1']]]], Nacht, Sturm, Blitz, u. d. gl. Der gemeine oder niedrige Stil ist Vorstellung der ländlichen Natur wie sie ist. Hierher gehören: Vieh- und Hirten-Stücke aus unsern Zeiten[[[[BedeutungsVerweis ID='231' Anzeige='3' Formatierung='1']]]], Bettler, Bauern-Güter, Stroh-Dächer, verfallene schlechte Gebäude, Brückchen, Stege, Bauern-Schenken und Acker-Wirthschaft..
[112] Krünitz, Oecon. Encycl. LXIV (1794; 21803), 491: Im romantischen[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Stil muß ich diejenigen Bey-Werke vermeiden, welche die Idee von Niedlichkeit, Kunst[[[[BedeutungsVerweis ID='294' Anzeige='14' Formatierung='1']]]] und Verzierung erregen. Vasen, bewohnte artige Häuser, und alles dergleichen muß wegfallen, da der Endzweck dieses Stiles ist: Staunen, Furcht, Entsetzen u. d. gl. in mir zu erregen, und mir die verwilderte Natur in ihrer Rauhigkeit zu zeigen. Menschen[[[[BedeutungsVerweis ID='694' Anzeige='5' Formatierung='1']]]] kann ich hier wenig brauchen, weil sie nicht leicht solche Orte besuchen; nur etwa ein armer Wanderer, der sich verirrt hat, und an beschwerlichen Felsen herum klettert, oder mit Schrecken vor einem unerwarteten Abgrund zurück zittert; oder ein Jäger, der wilde Thiere[[[[BedeutungsVerweis ID='481' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] verfolgt; oder ein menschenfeindlicher Einsiedler, der sich in Felsenklüften verbirgt, ist zu brauchen. Eben so wenig sind zahme Thiere[[[[BedeutungsVerweis ID='481' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] hier schicklich, wohl aber alle Gattungen von wilden und reissenden Thieren[[[[BedeutungsVerweis ID='481' Anzeige='8' Formatierung='1']]]]. [...] Von Gebäuden kann [d]er [Künstler] nichts brauchen, als fürchterliche 〈492〉 Ruinen, verlassene und zusammenstürzende Gebäude, und wüste zerstörte Schlösser..
[113] Krünitz [Flörke], Oecon. Encycl. CI (1806), 489: So fern die Alten[10] [...] unter der Natur[2] auch die zeugende Kraft verstanden, wurde dieses Wort[1] ehedem sehr häufig so wohl im mittlern Lateine als auch im Deutschen von den Zeugungs-Gliedern gebraucht. Die weibliche Natur[14]. 〈490〉 Jetzt kommt nur noch das Beywort bisweilen in diesem Verstande[7] vor; Die natürlichen[9] Theile..
[114] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXVI (1819), 714: Romantisch[3/4], ein mit romanhaft[1] aus einer Quelle entspringendes Wort[1], allein von verschiedener Bedeutung. Man gebraucht es sowohl in der Malerei[3], als auch in der Poesie[18] von Gegenden, die sich durch eine einnehmende, bezaubernde Schönheit[1] und abwechselnde Mannigfaltigkeit der Gegenstände auszeichnen. In der Malerei[3] ist ein romantischer[3/4] Styl die Vorstellung einer Gegend mit Ruinen oder mit andern erhabenen, die Phantasie[1] des Beschauers fesselnden, Gegenständen. Der Landschaftsmaler muß daher sein Augenmerk nur auf die sogenannte wilde Natur richten; denn nur diese hat ihre romantische[3/4] Seite..
[115] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CLXX (1839), 519 ff. (521): Auch zu Buonarottis Zeiten[3] war man noch [...] sehr von dem bloßen Studium der [Antiken3] und des Antiken[2] eingenommen [...] 〈520〉 [...]. Buonarotti [...] zeigte, daß er für die antike[2] Bildhauerkunst die größte Hochachtung hege, sie studiere, aber mit Nutzen, ohne die Natur[12] zu vernachlässigen, wodurch selbst die Alten[10] ein Muster geworden, und ohne Vernachlässigung der Zeit[3], in welcher man selbst lebt. Da er nun seine Arbeit so sehr unter die Bildhauerey der Alten[10] herabgesetzt fand, so entschloß er sich, seine Landsleute [...] von ihrem Irrthume zu überzeugen. Er verfertigte also eine Statüe des Morpheus, oder Gottes[4] des Schlafs aus Marmor, und schlug, nach der Vollendung desselben, davon einen Arm fort, und verbarg denselben in seiner Wohnung. Die Statüe überzog er mit einer Art Rost, um derselben ein antikes[2] Ansehen zu geben, und ließ sie an einem Orte, wo er wußte, daß man nach Alterthümern[5] stets zu suchen pflegte, unter Trümmern und Schutt heimlich eingraben. Nach einiger Zeit[6] wurde daselbst wieder, wie es schon früher geschehen war, der Antiken[3] wegen, nachgegraben, und so fand man denn auch die Bildsäule von Buonarotti. Die größten Kenner Roms bewunderten sie sogleich als einen aufgefundenen antiken[2] Schatz, ja als eines der schönsten[1] Stücke des Alterthums[3]. Man ließ sich in Lobeserhebungen über die Schönheit[1] der Arbeit, aus, und sagte ganz offen, daß man hiernach die Arbeiten des Michael Angelo beurtheilen könne, wie weit diese hinter den Antiken[3] zurückständen. Man ließ ihm zwar dabei eine gewisse Gerechtigkeit widerfahren, indem man sagte: daß er, als ein Neuerer[5] in der Kunst[4], in der That ein geschickter Mann sey; allein hieran könne man doch erkennen, wie viel er noch zu thun habe, um diese Antike[3] zu erreichen [...]. Nachdem nun Buonarotti sie eine Zeitlang in dem 〈521〉 Wahne, eine wirkliche Antike[3] vor sich zu haben, gelassen, auch viele ironische[1] Bemerkungen zwischen der Antike[4] und seiner Arbeit mit angehört hatte, so trat er endlich hervor, und erklärte die Bildsäule für sein Werk [...]. Man kann sich leicht die Entrüstung denken, in welche alle seine Gegner geriethen, als sie sich mit ihrem Kunsturtheile so in die Enge getrieben sahen; indessen zweifelte man dennoch an der Wahrheit, bis Buonarotti den Arm brachte [...], welches zugleich eine Lehre für diejenigen zur Folge hat, die nur für das Antike[2] eingenommen sind, ohne das Moderne[1] in der Kunst[2] erst näher zu untersuchen oder zu prüfen, indem sie dann finden werden, daß man bei der Wahl und Nachahmung des Schönen[1] in der Natur[2], nur das erreichen kann, was die Alten[10] auch nur erreichen konnten, weil sie nichts anderes thaten, und dann, daß die Kunst[2] nicht abgeschlossen ist, sondern sich jeder bestreben muß, das Höchste darin zu erreichen. Wer die Antiken[3] zum Vorbilde hat, hat nur das voraus, daß er schon die Muster zum Studium, der Nachahmung würdig, aufgestellt findet, ohne sie erst aufsuchen zu müssen; oder daß sich nach diesen Mustern sein Geschmack bilde, seine Empfindung für das Schöne[1] erregt werde, um dann selbst dasselbe aufzusuchen..
[116] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 20: Welches Leben, welche Wirksamkeit in der ganzen Natur! [...] Stete Umschaffung, Verarbeitung, Veränderung, und eine Kraft, die immer bleibt; 〈21〉 denn nur das Bleibende kann sich verändern. Aber was sie ist, diese Kraft, welche die Räder des Ganzen zusammen hält, daß kein Theil sich aus seinen Fugen herausreißen darf, die den Geist[12] mit Formen bekleidet, und das Aufgelösete, nach Ruhe strebende, zu neuem Leben, neuer Thätigkeit zwingt? – Forsche nicht darnach; nur das, was sich verändert, können wir wahrnehmen, und das Bleibende erkennen wir, wie unser eignes Wesen, aus seinen Wirkungen..
[117] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 40: Schönheit[1] gleicht dem Genie[2]; sie ist freie[5] Gabe der Götter[4], und als solche hat der Wille der Menschen[1] keinen Theil daran. Was selbst erworbner Reiz des Betragens langsam hervorbringt, ist bei ihr das Werk eines Augenblicks: die angenehme Rührung, welche mein Herz bewegte, goß einen höhern Reiz über die ganze Natur um mich her. Der Glanz der Abendsonne schien mit überirdischer Klarheit auf den Baumwipfeln zu ruhen – der Rheinstrom und die romantische[8] Ferne, 〈41〉 die einsamen Höhen und der frische duftige Wiesengrund mit dem lebendigen Gewühl von Menschen[1] und Thieren[1] – das zarte Laub, das, kaum entfaltet, freudig im Abendwind flüsterte. – Alles schien verklärt, harmonisch, ahnungsvoll..
[118] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 222: Ich wußte es, eine solche Nacht ließ Dich nicht ruhen. Du eiltest hinaus, in die Natur, [...] himmlische Freiheit[1] und Liebe empfing Dich, und die heiligen Stimmen[3] der Nacht, riefen wunderbare Bilder vor Dein Gemüth..
[119] Mereau, Amd. u. Ed. II (1803), 152 f. (153): Ich reis'te gestern Morgen von *** ab; der muntre Ton[11] des Posthorns bewegte wieder mein Herz wie sonst; ich sah das Leben wieder in dem schönen[1] Gewand der Jugend, der Ahndung[2], der Liebe[1], 〈153〉 und meine Sinne[4] konnten die Sprache[12] der Natur verstehen..
[120] Mereau, Amd. u. Ed. II (1803), 200: Eduard und ich erinnerten uns jetzt lebhafter als je, aller Scenen unsers ehemaligen Umgangs, jedes gemeinschaftlichen Genusses der Natur, jeder einsamen und geselligen Freude, und sahen nun mit inniger Begeisterung[1], wie das Schicksal uns jede vormalige Freude, nun freier, romantischer[7], feuriger und begeisternder wiedergab..
[121] Moritz, Dt. in Engld. (1783), 181 f. (182): Indem wir gerade zufälliger Weise uns eine Zeitlang von Schakespear unterhalten hatten, waren wir auf einmal, ohne daß einer von uns 〈182〉 vorher daran dachte, in Stratford an der Avon, Schakespears Geburtsorte, wo unser Wagen still hielt, weil hier eine Poststation war. [...] Hier war es, wo das größte Genie[4], welches vielleicht die Natur je hervorbrachte, geboren ward. Hier bildete sich seine junge Seele, auf diesen Fluren spielte er als Knabe..
[122] Moritz, Dt. in Engld. (1783), 183: Wir besahen Schakespears Haus, das unter allen Häusern in Stratford, eines der schlechtesten, niedrigsten und unansehnlichsten ist [...]. [...] | Schakespears Stuhl, worauf er vor der Thür gesessen, war schon so zerschnitten, daß er fast keinem Stuhle mehr ähnlich sah; denn jeder Durchreisende schneidet sich zum Andenken einen Span davon ab, welchen er als ein Heiligthum aufbewahrt. Ich schnitt mir auch einen ab, weil er aber zu klein war, habe ich ihn verloren, und Sie werden ihn also bei meiner Wiederkunft nicht zu sehen bekommen. | Als wir weiter fuhren, betrachtete ich jeden Fleck mit Aufmerksamkeit, wo wir vorbeikamen, wenn ich dachte: das ist nun die Gegend, wo ein solcher Geist[20], wie Schakespears, seine erste Bildung[3] durch die ihn umgebende Natur erhielt! Denn die ersten Eindrücke der Kindheit bleiben doch immer äusserst wichtig, und sind ge〈184〉wissermaßen die Grundlage aller folgenden. Obgleich die Gegend hier zwar nicht vorzüglich schön[1] ist, so hat sie doch ganz etwas Eignes, Romantisches[3]..
[123] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 5: Und wenn die Natur Talente für die Beredsamkeit über Deutschland so reichlich ausstreute wie über den Boden irgend eines andern Landes, so sind es ja in Deutschland nur einzelne, die hören; es gibt kein Ganzes, keine Gemeinde, keine Stadt, keine Nation[1], die wie mit Einem Ohre[3] den Redner anhörte. Im Gespräch mit dem Einzelnen sind wir zu ungebunden, zu unbeschränkt; wir lassen uns gehen, wir reden nachlässig, und so verliert sich aus der Sprache[3] des Volks[1] der allgemeine, bindende Geist[12]; sie zerbröckelt sich in unzählige Dialekte[1] und Idiome; jede Sekte und jede Kotterie verunstaltet sie in ihrer eigenen Manier. Nun mögen die Klopstock, die Lessing, die Schiller, die Göthe alle Strahlen dieser zerstreuten Sprache[3] wie in einem Brennspiegel versammeln; das, was allen gemeinschaftlich ist in Wort[5] und Klang, mag von einzelnen wirklich niedergeschrieben, auch ausgesprochen werden: die Nation[1] liest sie, verschluckt sie, aber hört sie nicht, spricht ihnen nicht nach. – Wer überhaupt lernt reden aus dem Papier, aus der todten Schrift? Hören muß und gehört werden, wer sprechen lernen will. – Der Taubgeborne ist nothwendig zugleich stumm..
[124] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 53 f. (54): Ferner übersieht man, indem man dem Ohr[3] an und für sich schon die gehörige Bildung[5] zutraut, die Eitelkeit der Menschen; sich unthätig verhalten, über sich ergehen lassen ist keine Kunst[6], aber zu leiden, mit Verstand und Würde zu empfangen, ist überall eine ebenso große Kunst[6], als zu handeln oder mit Geist[20], mit Geschmack und mit Kraft zu geben. Aber weil die Kunst[6] des Handelns und so auch des Sprechens sichtbar ist, weil die Wirkung von ihr auszugehen scheint, weil sie ganzen Massen von Menschen und Kräften angenehme Gewalt anzutun scheint; dagegen die Kunst[6] des Leidens und des Hörens weniger in die Augen springt – so ergiebt es sich, daß zuletzt in jeder gegebenen Gesellschaft viel mehr Personen reden als hören 〈54〉 wollen, während die Natur das ganz Entgegengesetzte zu wollen scheint, indem sie angeordnet hat, daß zwar viele hören können, was einer spricht, unmöglich aber einer hören kann, was viele zu gleicher Zeit reden. Die Eitelkeit der Menschen macht, daß das Sprachorgan viel mehr geübt wird als das Ohr[3], daß man von der Seele, die, wenn irgendwo, so in der Mitte zwischen diesen beiden erhabenen Organen[3] liegt, sich mehr und mehr entfernt und auf mechanischem Wege die höchste Wirkung hervorbringen will, die dem Geist[32] über den Geist[32] je gelingen kann..
[125] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 54: Das Auge empfängt alle Bilder, alle Farben, alle Eigenthümlichkeiten der Welt: was gibt es der Welt zurück als seinen zwar ausdrucksvollen, aber stillen Glanz? Der Geschmack, der Geruch, für welche die Natur die zartesten Verhältnisse der Körperwelt zu mischen scheint, was geben sie der Natur zurück? Womit antwortet der Mensch auf alle die Wohlthaten und Schmeicheleien seines Gefühls und aller dieser Sinne[4/5]? – Alle seine Schuld bezahlt er, all dieses unendliche Empfangen vergilt er, auf alle Fragen der Natur antwortet er mit dem Vermögen der Rede: aus allen diesen Bildern, diesem Glanz, diesem Duft, diesem Wohlgeschmack, diesen tausendfältigen Anregungen des Gefühls bereitet sich ein einziger, einfach-unendlicher Stoff: das Wort[2]. Der Sinn[4/5] also, dem die Natur das 〈55〉 Vermögen der Antwort beigegeben, der nicht bloß zum Leiden bestimmt ist wie die übrigen, hat einen höheren Beruf als die übrigen. Auch zeigt sich die Wahrheit dieser Behauptung deutlicher darin, daß unser Ohr[3] das Gesetz der Welt ganz für sich und fast ohne Beihülfe der übrigen empfinden kann: an der Musik ist wahrzunehmen, und die meisten musikalischen[1] Virtuosen bestätigen es, daß dieser Sinn[5] der unabhängigste von allen ist, ja, ich möchte sagen, daß der ganze Mensch sich in das Ohr[3] zurückziehn, mit diesem einen Organe[3] leben, denken und dichten und alle andere Organe[3] im thierischen Zustande hinterlassen kann. Wie Großes haben die Alten[10] gemeint, als sie von einer Harmonie der Sphären redeten, als wenn die Gesetze der wunderbaren Anordnung des Weltbaues doch eigentlich nur das Ohr[3] empfinden könnte!.
[126] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 61: Man kann in jedem Theater bemerken, wie viele Grade gesteigerter Aufmerksamkeit es in einer Versammlung von Menschen giebt, und wie viele Grade der Stille, die in gewissen Momenten jene Athemlosigkeit der ganzen Natur erreicht, die man auf den Gipfeln sehr hoher Berge wahrnimmt [...]..
[127] Musäus, Volksmärchen (1782–86), 684: Es wurde ihm ein angenehmer Park angewiesen, welchen er zu einem europäischen Lustgarten umschaffen sollte. Dieser Platz hatte entweder von der freigebigen Mutter Natur, oder von der Hand der ältern Kultur[1] eine so glückliche Anlage und Ausschmückung empfangen, daß der neue Abdolonymus, mit aller Anstrengung seiner Sinnen, keinen Fehl oder Mangel daran wahrnehmen konnte, der einer Verbesserung bedurft hätte..
[128] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 280, Nr. 234: Romant[ik][1] etc. Märchen. Nessir und Zulima. Romantisirung der Aline. Novellen. Tausend und Eine Nacht. Dschinnistan. La Belle et la Bète. Musaeus Volksmärchen. Romantischer[2/8/10] Geist[12] der neuern[3] Romane[1]. Meister. Werther. Griechische[2?] Volksmährchen. Indische Märchen. Neue[1] originelle Märchen. In einem ächten Märchen muß alles wunderbar – geheimnißvoll und unzusammenhängend seyn – alles belebt. Jedes auf eine andre Art. Die ganze Natur muß auf eine wunderliche Art mit der ganzen Geisterwelt vermischt seyn..
[129] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 292, Nr, 291: Sollte der Mensch[1] die Einheit für die Natur (das Weltall) seyn i. e. das Differential der unendlich Großen, und das Integral der unendlich kleinen Natur – das allgemeine homogenëisirende Princip – das Maaß aller Dinge – ihr gegenseitiges Realisirungsprincip – das Organ[1] ihres Contacts?.
[130] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 398, Nr. 686: Jede Künstliche Gestalt – jeder erfundene Karacter[7] hat mehr oder weniger Leben – und Ansprüche und Hoffnungen des Lebens. Die Gallerieen sind Schlafkammern der zukünftigen Welt. – | [...] Wer unglücklich in der jetzigen Welt ist, wer nicht findet, was er sucht – der gehe in die Bücher und Künstlerwelt – in die Natur – diese ewige Antike[4] und Moderne[2] zugl[eich] – und lebe in dieser Ecclesia pressa der bessern Welt..
[131] Novalis, Blüthenstaub (1798), 73, Nr. 13: Die Natur ist Feindin ewiger Besitzungen. [...] Allen Geschlechtern[10] gehört die Erde; jeder hat Anspruch auf alles. Die Frühern dürfen diesem Primogeniturzufalle keinen Vorzug verdanken. ➢ Volltext.
[132] Novalis, Lehrlinge (*1798), NS 1, 98: Es ließe sich [...] denken, daß wir überhaupt erst uns mannichfach im Denken müßten geübt haben, ehe wir uns an dem innern Zusammenhang unsers Körpers versuchen und seinen Verstand[8] zum Verständniß der Natur[2] gebrauchen könnten, und da wäre freylich nichts natürlicher[4], als alle mögliche Bewegungen des Denkens hervorzubringen und eine Fertigkeit in diesem Geschäft, so wie eine Leichtigkeit zu erwerben, von Einer zur Andern überzugehen und sie mannichfach zu verbinden und zu zerlegen. Zu dem Ende müßte man alle Eindrücke aufmerksam betrachten, das dadurch entstehende Gedankenspiel ebenfalls genau bemerken, und sollten dadurch abermals neue Gedanken entstehn, auch diesen zusehn, um so allmählich ihren Mechanismus zu erfahren und durch eine oftmalige Wiederholung die mit jedem Eindruck beständig verbundnen Bewegungen von den übrigen unterscheiden und behalten zu lernen. Hätte man dann nur erst einige Bewegungen, als Buchstaben[8] der Natur[2], herausgebracht, so würde das Dechiffriren immer leichter von statten gehn, und die Macht über die Gedankenerzeugung und Bewegung den Beobachter in Stand setzen, auch ohne vorhergegangenen wirklichen Eindruck, Naturgedanken hervorzubringen und Naturcompositionen zu entwerfen, und dann wäre der Endzweck erreicht..
[133] Novalis, Lehrlinge (*1798), NS 1, 100: Man beschuldigt die Dichter der Übertreibung, und hält ihnen ihre bildliche uneigentliche Sprache[4] gleichsam nur zu gute, ja man begnügt sich ohne tiefere Untersuchung, ihrer Fantasie[2] jene wunderliche Natur[1] zuzuschreiben, die manches sieht und hört, was andere nicht hören und sehen, und die in einem lieblichen Wahnsinn mit der wirklichen Welt nach ihrem Belieben schaltet und waltet; aber mir scheinen die Dichter noch bei weitem nicht genug zu übertreiben, nur dunkel den Zauber jener Sprache[4] zu ahnden[3] und mit der Fantasie[2] nur so zu spielen, wie ein Kind mit dem Zauberstabe seines Vaters spielt. Sie wissen nicht, welche Kräfte ihnen unterthan sind, welche Welten ihnen gehorchen müssen. Ist es denn nicht wahr, daß Steine und Wälder der Musik gehorchen und, von ihr gezähmt, sich jedem Willen wie Hausthiere fügen? – Blühen nicht wirklich die schönsten[1] Blumen um die Geliebte und freuen sich sie zu schmücken? Wird für sie der Himmel nicht heiter[1] und das Meer nicht eben? – Drückt nicht die ganze Natur[2] so gut, wie das Gesicht, und die Geberden, der Puls und die Farben, den Zustand eines jeden der höheren, wunderbaren Wesen aus, die wir Menschen nennen? Wird nicht der Fels ein eigenthümliches Du, eben wenn ich ihn anrede? Und was bin ich anders, als der Strom, wenn ich wehmüthig in seine Wellen hinabschaue, und die Gedanken in seinem Gleiten verliere? Nur ein ruhiges, 〈101〉 genußvolles Gemüth wird die Pflanzenwelt, nur ein lustiges Kind oder ein Wilder die Thiere[1] verstehn..
[134] Novalis, Monolog (*1799), 2: Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache[1] wie mit den mathematischen Formeln sey – Sie machen eine Welt für sich aus – Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur[1] aus und eben darum sind sie so ausdrucksvoll – eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnißspiel der Dinge. Nur durch ihre Freyheit[12] sind sie Glieder der Natur[2] u[nd] nur in ihren freyen Bewegungen äußert sich die Weltseele und macht sie zu einem zarten Maaßstab u[nd] Grundriß der Dinge. So ist es auch mit der Sprache[1] – wer ein feines Gefühl ihrer Applicatur, ihres Takts, ihres musicalischen[3] Geistes[12] hat, wer in sich das zarte Wirken ihrer innern Natur[1] vernimmt, und darnach seine Zunge oder seine Hand bewegt, der wird ein Profet sein, dagegen wer es wohl weis, aber nicht Ohr[3] u[nd] Sinn[5] genug für sie hat, Wahrheiten wie diese schreiben, aber von der Sprache[1] selbst zum besten gehalten u[nd] von den Menschen, wie Cassandra von den Trojanern, verspottet werden wird. ➢ Volltext.
[135] Novalis, Randbem. Ideen (*1799), NS 3, 490: Ich weis nicht warum man immer von einer abgesonderten Menschheit[2] spricht. Gehören Thiere[1], Pflanzen[1] und Steine, Gestirne und Lüfte nicht auch zur Menschheit[2] und ist sie nicht ein bloßer Nervenknoten, in den unendlich verschiedenlaufende Fäden sich kreutzen. Läßt sie sich ohne die Natur begreifen – ? ist sie denn so sehr anders, als die übrigen Naturgeschlechter?.
[136] Novalis, Fragm. u. Stud. (*1799–1800), NS 3, 638, Nr. 505: Wilhelm Meisters Lehrjahre sind gewissermaßen durchaus prosaïsch[3] – und modern[5]. Das Romantische[7] geht darinn zu Grunde – auch die Naturpoësie, das Wunderbare – Er handelt blos von gewöhnlichen menschlichen Dingen – die Natur und der Mystizism sind ganz vergessen. Es ist eine poëtisirte bürgerliche und häusliche Geschichte[8]. Das Wunderbare darinn wird ausdrücklich, als Poesie[14] und Schwärmerey, behandelt..
[137] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 14: Bey der Hofhaltung des Landgrafen ging es nach der Sitte der damaligen Zeiten[3] einfach und still zu; und die Pracht und Bequemlichkeit des fürstlichen Lebens dürfte sich schwerlich mit den Annehmlichkeiten messen, die in spätern Zeiten[3] ein bemittelter Privatmann sich und den Seinigen ohne Verschwendung verschaffen konnte. Dafür war aber der Sinn[5] für die Geräthschaften und Habseeligkeiten, die der Mensch zum mannichfachen Dienst seines Lebens um sich her versammelt, desto zarter und tiefer. Sie waren den Menschen werther und merkwürdiger. Zog schon das Geheimniß der Natur und die Entstehung ihrer Körper den ahndenden[3] Geist[19] an: so erhöhte die seltnere Kunst[13] ihrer Bearbeitung[,] die romantische[7/8] Ferne, aus der man sie erhielt, und die Heiligkeit ihres Alter〈15〉thums[1], da sie sorgfältiger bewahrt, oft das Besitzthum mehrerer Nachkommenschaften wurden, die Neigung zu diesen stummen Gefährten des Lebens. Oft wurden sie zu dem Rang von geweihten Pfändern eines besondern Segens und Schicksals erhoben, und das Wohl ganzer Reiche und weitverbreiteter Familien hing an ihrer Erhaltung. Eine liebliche Armuth schmückte diese Zeiten[3] mit einer eigenthümlichen ernsten und unschuldigen Einfalt; und die sparsam vertheilten Kleinodien glänzten desto bedeutender in dieser Dämmerung, und erfüllten ein sinniges Gemüth mit wunderbaren Erwartungen. Wenn es wahr ist, daß erst eine geschickte Vertheilung von Licht, Farbe und Schatten die verborgene Herrlichkeit der sichtbaren Welt offenbart, und sich hier ein neues[1] höheres Auge aufzuthun scheint: so war damals überall eine ähnliche Vertheilung und Wirthschaftlichkeit wahrzunehmen; da hingegen die neuere[3] wohlhabendere Zeit[3] das einförmige und unbedeutendere Bild eines allgemeinen Tages darbietet..
[138] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 22: In alten[1] Zeiten[3] muß die ganze Natur lebendiger und sinnvoller gewesen seyn, als heut zu Tage. Wirkungen, die jetzt kaum noch die Thiere[1] zu bemerken scheinen, und die Menschen[1] eigentlich allein noch empfinden und genießen, bewegten damals leblose Körper; und so war es möglich, daß kunstreiche Menschen[1] allein Dinge möglich machten und Erscheinungen hervorbrachten, die uns jetzt völlig unglaublich und fabelhaft dünken. So sollen vor uralten Zeiten[3] in den Ländern des jetzigen Griechischen[3] Kaiserthums, wie uns Reisende berichtet, die diese Sagen noch dort unter dem gemeinen Volke[5] angetroffen haben, Dichter gewesen seyn, die durch den seltsamen Klang wunderbarer Werkzeuge das geheime Leben der Wälder, die in den Stämmen verborgenen Geister[1/12] aufgeweckt, in wüsten, verödeten Gegenden den todten Pflanzensaamen erregt, und blühende Gärten hervorgerufen, grausame Thiere[4] gezähmt und verwilderte Menschen[1] zu Ordnung und Sitte gewöhnt, sanfte Neigungen und Künste[1] des Friedens in ihnen rege gemacht, reißende Flüsse in milde Gewässer verwandelt, und selbst die todtesten Steine in regelmäßige tanzende Bewegungen hingerissen haben..
[139] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 49: Vorzüglich hielt sie sich bei dem Lobe ihrer Landsleute und ihres Vaterlandes auf. Sie schilderte den Edelmuth derselben, und ihre reine starke Empfänglichkeit für die Poesie[15/14] des Lebens und die wunderbare, geheimnißvolle Anmuth der Natur. Sie beschrieb die romantischen[3] Schönheiten[1] der fruchtbaren Arabischen Gegenden [...]..
[140] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 95: Habe ich doch schon oft, rief Heinrich aus, mich an dem Aufgang der bunten Natur, an der friedlichen Nachbarschaft ihres mannichfaltigen Eigenthums ergötzt; aber eine so schöpferische und gediegene Heiterkeit[4] hat mich noch nie erfüllt wie heute. Jene Fernen sind mir so nah, und die reiche Landschaft ist mir wie eine innere Fantasie[19]. Wie veränderlich ist die Natur, so unwandelbar auch ihre Oberfläche zu seyn scheint..
[141] Pestalozzi, Schwanenges. (1826), 102: Man macht die Kinder lesen, ehe sie reden können; man will sie durch die Bücher reden lehren; man zieht sie von der Anschauung, diesem Naturfundament des Redens künstlich und gewaltsam ab, und macht auf die unnatürlichste Weise den todten Buchstaben[6] zum Anfangspunkt der Sacherkenntnisse, deren naturgemäßer Hintergrund und Anfangspunkt der Geist[19] und das Leben der Anschauung der Natur selbst ist und in allen Verhältnissen anerkannt werden sollte..
[142] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. I (1830), 193 f. (194): Die das Thal 〈194〉 umgebenden Berge sind sehr hoch und steil, und steigen überall, glatt und ohne Absatz, von der wie planirt erscheinenden Fläche empor. Links sind es nackte Felsen, von imponirender Gestalt, nur hie und da mit rother und gelber Erica bewachsen, die andern drei Seiten aber mit dichten und mannichfaltigen Pflanzungen bedeckt, deren Laub bis in den See hinabhängt. Wo der erwähnte Bergstrom sich, auf glänzend grünem Grasgrunde, in den See ergießt, bildet er einen breiten Wasserfall. Es ist wohl ein schöner[1] Fleck Erde – einsam und abgeschlossen, der Wald voll Wild, der See voll Fische, und die Natur voll Poesie[15]..
[143] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. II (1830), 280: Der Architekt, welcher diesen prächtigen Dom [sc. Bath Abbey] baute, hat in Zierrathen und Verhältnissen sich ganz vom Gewöhnlichen entfernt. So steigen z. B., von außen, neben dem Portal, zwei Jakobsleitern mit hinanklimmenden Engeln, bis an das Dach empor, wo sich die Kleinen hinter den Giebeln verlieren. Gar lieblich sind die emsigen Himmelsstürmer anzusehen, und wie mich dünkt, ganz im Geiste[[[[BedeutungsVerweis ID='60' Anzeige='12' Formatierung='1']]]] jener phantasiereichen Architektur erfunden, die das Kindlichste mit dem Erhabensten, den ausgeführtesten Schmuck mit dem grandiosesten Effekt der Massen zu verbinden wußte, und so zu sagen die ganze irdische Natur mit Wald-Colossen und Blumen, mit Felsen und Edelsteinen (die bunten Fenster) mit Menschen und Thieren[[[[BedeutungsVerweis ID='474' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] abbilden wollte, hierdurch aber am sichersten die heilige Stimmung nach jenseits hervorrief. – Mir ist sie immer als die ächt romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]], i. e. ächt deutsche, Bauart vorgekommen, aus unserm eigensten Gemüth entsprossen. Doch glaube ich, sind wir ihr jetzt entfremdet, da eine mehr schwärmerische Zeit[[[[BedeutungsVerweis ID='499' Anzeige='5' Formatierung='1']]]] dazu gehört. Wir können sie wohl noch einzeln bewundern und lieben, aber nichts mehr der Art schaffen, was nicht den nüchternsten Stempel der Nachahmung trüge. Dampfmaschinen und Constitutionen gerathen dagegen jetzt besser, als überhaupt alle Kunst[[[[BedeutungsVerweis ID='261' Anzeige='10' Formatierung='1']]]]. Jedem Zeitalter das Seine..
[144] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. IV (1830), 97: Am Tage war einsames Wandern in der Natur meine Freude, Abends das Lesen romantischer[1] Fiktionen, 〈98〉 die ich mit jenen gesehenen Scenen verband [...]..
[145] Ritter, Fragm. II (*?1799; 1810), 129, Nr. 514: Wie selten mag eine Sonne ihren Frühling feyern, und, wer weiß, ist das Blühen einer Sonne im großen Garten der Natur nicht eine eben so seltene Erscheinung, als das Blühen einer Aloe im kleinen Garten der Kunst[13]!.
[146] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 342: Man ist mit diesen Zwischentönen oder Stufen, die zwar ihrer Natur[1] nach eben so alt sind, wie die diatonische Octavengattung, unsere erste ursprüngliche Melodie ist, erst mit der Zeit[1] und vielleicht sehr spät bekannt geworden. Die diatonischen Töne und Stufen selbst, sind, nicht eher als lange, nachdem man schon gesungen und gespielet hatte, bekannt geworden; denn die Natur[2] führet uns zuerst durch leichtere und beqvemere Wege, ehe wir durch die Kunst[2] oder durch unsern Witz[1] diese natürlichen[2] Wege ausschmücken und verschönern lernen. Sie überläßt dieses unserm Genie[2] und unserer uns durch sie angebohrnen Erfindungskraft, wozu sie uns durch jenes gleichsam mit der Hand leitet..
[147] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 343 f.: Die Empfindung des Natürlichen[2] äußert sich von sich selbst und fast ohne Mühe. So ist es auch mit den Tönen beschaffen gewesen; denn so bald man den Trieb zum Singen empfand, so bald ward auch diese diatonische Octavengattung, diese natürliche[2] Tonleiter, die gleichsam ein musikalisches[8] ganz unentbehrliches Bedürfniß war, hervorgebracht, und zwar bloß durch den innerlichen Trieb der Natur[2], 〈344〉 und ohne solches zu verlangen, oder zu erkennen. Das Wissen oder die Kenntniß dieses Triebes, dieser Würkung der Natur[2], ist erst lange hernach erfolgt, nachdem man vielleicht manche Jahrhunderte gesungen und gespielet hatte; so lange wußte man auch von keiner Kunst[2], von keinem System, und auch nichts von der Verschiedenheit der Klanggeschlechte. Das ist nun die wahre Erzeugung der Töne, der Klangstufen, der Tonleiter, der Klanggeschlechte und endlich der Theorie der Töne selbst; denn darinn besteht die wahre ursprüngliche Natur[1] derselben. Und darinn lag auch die eigenthümliche Verwandschaft und Verknüpfung der Töne zwar anfangs verborgen; Zeit[1], Mühe und Fleiß haben sie aber hernach näher untersuchet und gleichsam aufgedeckt. Dem menschlichen Witze[1], durch die Schönheit des Gegenstandes gereitzt, durch die Neugierde angetrieben, durch die Erfahrung geleitet, kam die Kunst[2] zu Hülfe; die Ordnung, auf die uns schon die Natur[2] geführet hatte, ward durch Regeln erkannt und unterstützt; man ward sinnreich in der Kunst[1], zu erfinden; man entdeckte gar bald, daß man die schon vorhandenen Töne vervielfältigen, vermehren, abändern, verkleinern und erweitern könnte; dadurch entdeckte man die Klanggeschlechte, ihre verschiedenen Arten, und den Umfang und Nutzen derselben. Endlich, da sich Natur[2], Witz[1] und Kunst[2] gänzlich mit einander vereiniget hatten, erfand man [...] auch die Harmonie; nein! man erfand sie nicht, sondern man entdeckte sie nur, denn sie hatte schon von Anfang an in der Melodie verborgen gelegen; es brauchte nur Zeit[6], Witz[1] und Fleiß sie auszuwickeln [...]..
[148] Schelling, Syst. d. Naturphilos. (1799), SW I, 3, 56: Dadurch wird jene [...] Oberflächlichkeit der Erklärung, als ob nämlich die klassischen[1] Unterschiede bei organischen[3] Wesen derselben Art ihnen lediglich durch Einflüsse der äußern Natur, oder gar der Kunst[1] allmählich eingedrückt wären, verbannt [...]..
[149] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 406 f.: Ebendaraus aber, daß die rechtliche Verfassung nur das Supplement der sichtbaren Natur seyn soll, folgt, daß die rechtliche 〈407〉 Ordnung nicht eine moralische ist, sondern eine bloße Naturordnung, über welche die Freyheit[10] so wenig vermögen darf, als über die der sinnlichen Natur. Es ist daher kein Wunder, daß alle Versuche, sie in eine moralische umzuwandeln, sich durch ihre eigene Verkehrtheit, und den Despotismus in der furchtbarsten Gestalt, die unmittelbare Folge davon, in ihrer Verwerflichkeit darstellen..
[150] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 422 f. (423): Die allgemeine Rechts-Verfassung ist Bedingung der Freyheit[6], weil es ohne sie für die Freyheit keine Bürgschaft giebt. Denn die Freyheit, welche nicht durch eine allgemeine Naturordnung 〈423〉 garantirt ist, existirt nur precär, und ist, wie in den meisten unserer jetzigen Staaten, eine nur parasitisch gedeihende Pflanze, welche einer nothwendigen Inconsequenz gemäß im Allgemeinen geduldet wird, doch so, daß der einzelne seiner Freyheit[6] nie sicher ist. So soll es nicht seyn. Die Freyheit[6] soll keine Vergünstigung seyn, oder ein Gut, das nur gleich einer verbotenen Frucht genossen werden darf. Die Freyheit[6] muß garantirt seyn durch eine Ordnung, welche so offen, und so unveränderlich ist, wie die der Natur..
[151] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 446 f. (447): In dem Naturproduct ist noch beysammen, was sich im freyen Handeln zum Behuf des Erscheinens getrennt hat. Jede Pflanze ist ganz, was sie seyn soll, das Freye in ihr ist nothwendig, und das Nothwendige frey. Der Mensch 〈447〉 ist ein ewiges Bruchstück, denn entweder ist sein Handeln nothwendig, und dann nicht frey, oder frey, und dann nicht nothwendig und gesetzmäßig. Die vollständige Erscheinung der vereinigten Freyheit[1] und Nothwendigkeit in der Aussenwelt giebt mir also allein die organische[3] Natur [...]..
[152] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 460 ff. (461 f.): Wenn nun ferner die Kunst[2] durch zwei völlig verschiedene Thätigkeiten vollendet wird, so ist das Genie[2] weder die Eine noch die andere, sondern das, was über beyden ist. Wenn wir in der Einen jener beyden Thätigkeiten, der 〈461〉 bewußten nämlich, das suchen müßen, was gemeinhin Kunst[1] genannt wird, was aber nur der Eine Theil derselben ist, nämlich dasjenige an ihr, was mit Bewußtseyn, Überlegung und Reflexion ausgeübt wird, was auch gelehrt und gelernt, durch Überlieferung und durch eigene Übung erreicht werden kann, so werden wir dagegen in dem Bewußtlosen, was in die Kunst[2] mit eingeht, dasjenige suchen müßen, was an ihr nicht gelernt, nicht durch Übung, noch auf andere Art erlangt werden, sondern allein durch freye Gunst der Natur[2/15] angebohren seyn kann, und welches dasjenige ist, was wir mit einem Wort die Poësie[2] in der Kunst[2] nennen können. [...] 〈462〉 [...] Es läßt sich [...] eher erwarten, daß Kunst[1] ohne Poësie[2], als daß Poësie[2] ohne Kunst[1] etwas zu leisten vermöge, [...] weil nicht leicht ein Mensch von Natur[2/15] ohne alle Poësie[19], obgleich viele ohne alle Kunst[6] sind [...]..
[153] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 483 f. (484): Das absolut Objective kann dem Ich selbst 〈484〉 nur durch Einwirkung anderer Vernunftwesen zum Object werden. Aber in diesen muß schon die Absicht jener Einwirkung gelegen haben. Also wird die Freyheit[10] in der Natur immer schon vorausgesetzt, (die Natur bringt sie nicht hervor) und wo sie nicht als Erstes schon ist, kann sie nicht entstehen. Hier wird also offenbar, daß obgleich die Natur bis zu diesem Punct der Intelligenz[1] völlig gleich ist, und dieselben Potenzen mit ihr durchläuft, die Freyheit[10] doch, wenn sie ist, (daß sie aber ist, läßt sich theoretisch nicht beweisen), über der Natur, (natura prior) seyn muß..
[154] Schelling, Darst. Syst. (1801), 118: Die sogenannte unorganische Natur ist [...] wirklich organisirt[4], und zwar für die Organisation[2], (gleichsam als das allgemeine Samenkorn, aus welchem diese hervorgeht). [...] 〈120〉 [...] Die Schwierigkeiten, die man bis daher gefunden hat, sich einen ersten Ursprung der Organisationen[1] aus dem Innern jedes Weltkörpers zu denken, hatten ihren Grund vorzüglich darin, daß man weder einen deutlichen Begriff von Metamorphose noch von dem ursprünglichen und schon dynamisch organisirten[4] Zustand jedes Weltkörpers [...] gehabt hat; daher selbst Kant noch die Idee, daß alle Organisationen[1], der Erde z. B., aus ihrem eigenen Schooß gebohren, als eine abentheuerliche[3], ja fast furchtbare Vorstellung betrachtet. ➢ Volltext.
[155] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 357 f.: Der ist noch sehr weit zurück, dem die Kunst[10] nicht als ein geschlossenes, organisches[6] und ebenso in allen seinen Theilen nothwendiges Ganzes erschienen ist, als es die Natur ist. Fühlen wir uns unaufhaltsam gedrungen, das innere Wesen der Natur zu schauen, und jenen fruchtbaren Quell zu ergründen, der so viele große Erscheinungen mit ewiger Gleichförmigkeit und Gesetzmäßigkeit aus sich herausschüttet, wie viel mehr muß es uns interessiren, den Organismus[8] der Kunst[10/2] zu durchdringen, in der aus der absoluten Freiheit[10] sich die höchste Einheit und Gesetzmäßigkeit herstellt, die uns die Wunder unseres eignen 〈358〉 Geistes[19] weit unmittelbarer als die Natur erkennen läßt. ➢ Volltext.
[156] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 383: Der Wahrheit entspricht die Nothwendigkeit, der Güte die Freiheit[10]. Unsere Erklärung der Schönheit[1], sie sey die Ineinsbildung des Realen und Idealen, sofern sie im Gegenbild dargestellt ist, schließt also auch die in sich: Schönheit[1] ist Indifferenz der Freiheit[10] und der Nothwendigkeit, in einem Realen angeschaut. Wir nennen z. B. schön[1] eine Gestalt, in deren Entwurf die Natur mit der größten Freiheit[10] und der erhabensten Besonnenheit, jedoch immer in den Formen, den Grenzen der strengsten Nothwendigkeit und Gesetzmäßigkeit gespielt zu haben scheint. Schön[1] ist ein Gedicht, in welchem die höchste Freiheit[10] sich selbst wieder in der Nothwendigkeit faßt. Kunst[10] demnach eine absolute Synthese oder Wechseldurchdringung der Freiheit[10] und der Nothwendigkeit. ➢ Volltext.
[157] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 398: Was die Bildung[10] des Vulcan betrifft, so zeigt uns diese die große Identität zwischen den Bildungen[16/10] der Phantasie[1] und der organisch[4] schaffenden Natur. Wie die Natur durch die vorzügliche Ausbildung eines Organs[2] oder Triebs in einer Gattung von Geschöpfen sich genöthigt sieht, es dagegen in einem andern zu verkürzen, so hat hier die Phantasie[1] das, was sie den mächtigen Armen des Hephästos gab, seinen Füßen entziehen müssen, welche hinkend sind. Aber allgemein gilt in Ansehung der häßlichen[1] Bildungen[10] der griechischen[2] Götterwelt, daß diese sämmtlichen Bildungen[10] in ihrer Art wieder Ideale, nur die umgekehrten Ideale sind, und daß sie dadurch wieder in den Kreis des Schönen[1] aufgenommen werden. ➢ Volltext.
[158] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 414 f. (415): Die Mythologie kann weder das Werk des einzelnen Menschen noch des Geschlechts oder der Gattung seyn (sofern diese nur eine Zusammensetzung der Individuen), sondern allein des Geschlechts, sofern es selbst Individuum und einem einzelnen Menschen gleich ist. Nicht des Einzelnen, weil die Mythologie absolute Objektivität haben, eine zweite Welt seyn soll, die nicht die des Einzelnen seyn kann. Nicht eines Geschlechts oder der Gattung, sofern sie nur eine Zusammensetzung der Individuen, denn alsdann wäre sie ohne harmonische Zusammenstimmung. Sie fordert also zu ihrer Möglichkeit nothwendig ein Geschlecht, das Individuum wie Ein Mensch ist. Die Unbegreiflichkeit, 〈415〉 die diese Idee für unsere Zeit[3] haben mag, kann ihrer Wahrheit nichts nehmen. Sie ist die höchste Idee für die ganze Geschichte überhaupt. Analogien, ferne Anspielungen auf ein solches Verhältniß enthält schon die Natur in der Art, wie sich die Kunsttriebe der Thiere[1] äußern, indem bei mehreren Gattungen ein ganzes Geschlecht zusammen wirkt, jedes Individuum als das Ganze, und das Ganze selbst wieder als Individuum handelt. ➢ Volltext.
[159] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 419: Wer unsere Behauptung von der griechischen[2] Mythologie als einem Werk der Natur so verstehen wollte, als wäre sie es auf eine eben so blinde Weise, als es die Hervorbringungen des Kunsttriebs der Thiere[1] sind, würde sie freilich ganz roh verstehen. Aber nicht weniger würde derjenige von der Wahrheit abirren, der sie als ein Werk absolut-poetischer[4] Freiheit[5] denken wollte. ➢ Volltext.
[160] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 543: Die thierische Natur[1] überhaupt und einzelne thierische Leiber sind an sich von symbolischer Bedeutung, die Natur[2] selbst wird in ihnen 〈544〉 symbolisch. Thierstücke können also nur entweder durch das Herausheben der symbolischen Bedeutung der Gestalten [...] oder nur durch eine höhere Beziehung einigen Kunstwerth haben. Einige holländische Maler sind bis zu Darstellung von Hühnerhöfen heruntergegangen. Wenn eine solche Schilderei noch einigermaßen tolerirt wird, so ist es, weil auch ein Hühnerhof auf das Innere eines Hauses, die Armuth oder den Reichthum des Besitzers kann schließen lassen. Höhere Beziehung und Bedeutung erhalten Thierstücke, wo Thiere[1] wirklich in Handlung[2] und im Kampf entweder untereinander oder mit Menschen[1] dargestellt werden. ➢ Volltext.
[161] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 566: Die Malerei[1] ist bloß allegorisch in denjenigen Gegenständen, die nicht um ihrer selbst willen dargestellt werden. – Denn was nicht um seiner selbst willen, bloß um eines andern willen, ist es bedeutend. | Anmerkung. Hieher gehören die untergeordneten Gattungen des Still-Lebens, der Blumen- und Frucht-, sowie im Ganzen auch der Thierstücke. Alle diese Gattungen sind entweder überhaupt keine Kunstgattungen oder von allegorischer Bedeutung. Was Thierstücke insbesondere betrifft, so ist die Natur in der Produktion der Thiere[1] selbst gewissermaßen allegorisch, sie deutet ein Höheres, die menschliche Gestalt an, es sind unvollkommene Versuche, die höchste Totalität zu produciren. Selbst der Charakter[1], den sie in das Thier[1] wirklich gelegt hat, spricht sich in ihm nicht vollkommen aus, sondern ist bloß angedeutet und wird errathen. Aber auch der bekannte Charakter[1] des Thiers[1] ist nur eine einseitige Erscheinung des Totalcharakters der Erde, und inwiefern dieser im Menschen[1] am vollkommensten ausgedrückt ist, des Menschen[1]. ➢ Volltext.
[162] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 588: Die Pflanze[1] würde ins Unendliche nach der Länge fortsprossen, Knoten auf Knoten treiben [...] wenn die Natur nicht einen Punkt erreichte, wo sie das, was sie zuvor successiv producirt, zumal producirt. So macht sie es bei dem Produciren der Blüthe in der Pflanze[1], sie bildet damit einen Kopf, ein bedeutendes Ende. Und auch im Thierreich folgt sie diesem Gesetz, sie schließt das Thier[2] nach oben durch den Kopf, das Gehirn, und auch dieses Ende entsteht ihr nur dadurch, daß sie das, was sie zuvor (in den Nervenknoten) successiv producirte, zumal producirt und ihm eine concentrische Stellung gibt. Dasselbe ist mehr oder weniger in den Formen der Architektur nachzuweisen. ➢ Volltext.
[163] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 631: Die Natur [...] erscheint mehr als geschaffene, die ideale [Welt] als schaffende [...]. Die Natur ist [...] die plastische[2] Seite, ihr Bild ist die Niobe der plastischen[1] Kunst[10], die mit ihren Kindern erstarrt, die ideale Welt die Poesie[2] des Universums. ➢ Volltext.
[164] Schelling, Würzb. Syst. (!1804), SW I, 6, 377: Der Organismus[1] ist das unmittelbare Abbild der absoluten Substanz oder der Natur schlechthin betrachtet..
[165] Schelling, Würzb. Syst. (!1804), SW I, 6, 406: Wir haben den Organismus[2] überhaupt bezeichnet als Produkt des Wechselstreites zweier Principien, wovon das eine auf die Identität, das andere zur Totalität strebt, jenes dem cohäsiven Princip der Natur, dieses dem Licht entspricht. Jedes dieser beiden Principien hat seinen Grund in einem der nothwendigen und ewigen Attribute der Natur, welche eben hier, im Organismus[2], wo die absolute Substanz zu vollkommener Selbstanschauung strebt, als eins gesetzt werden sollen. Aber jedes jener Attribute ist außer dem, daß es mit dem andern identisch, also der Substanz untergeordnet ist, auch wieder selbständig, ewig. In der vollkommensten Selbstauschauung der Natur können demnach beide nicht nur überhaupt identisch, sondern jedes muß auch wieder für sich, weil es selbständig ist, und doch in diesem für-sich-Seyn wieder identisch mit dem andern angeschaut werden. Dieß ist nur möglich durch das Geschlecht..
[166] Schelling, Würzb. Syst. (!1804), SW I, 6, 488 f. (489): Die Pflanze[1] ist [...] ein Organ[1] der Erde, [...] ein Organ[1], wodurch sie zur Sonne spricht [...], das Thier[1] ist ein Organ[1] der Sonne, aber wodurch diese [...] zur Erde spricht. Der Mensch[1] dagegen ist losgerissen von der Erde wie das Thier[1] und aufgerichtet wie die Pflanze[1]. Er ist Organ[1] der Erde, 〈489〉 wodurch sie nicht nur die Sonne, sondern die ganze himmlische Umwölbung faßt [...]. Er ist aber ebenso Organ[1] der Sonne, wodurch sie die Erde erkennt und zur Erde spricht, auf der er, ein sichtbarer Gott[4], wandelt, durch seine Bewegung Nähe und Ferne verbindend, und alles umwandelnd und bildend wie die Natur..
[167] Schelling, Wesen dt. Wiss. (*1807), SW I, 8, 15: Denn jede Kraft der Natur ist an sich gut, und, soweit sie positiv ist, göttlich; sie wird negativ und vom Argen, nur sofern sie aus dem 〈16〉 ursprünglichen Maß der Kräfte heraustretend und für sich wirkend, sich selbst zum Mittelpunkt zu machen strebt. Wenn aber die Tugend selbst nichts anderes ist denn eben jenes göttliche Maß der ursprünglichen Kräfte, so sind diese nothwendig zur Aeußerung der Tugend, wie in der Heiterkeit[2] der Luft nur darum die Sonne als Bild der Einheit erscheint, weil derselbe Luftkreis es ist, in dem auch die Kräfte der Stürme und Orkane, die Macht des Blitzes und des Donners schlummert.
[168] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 41 f. (42): Noch ein andrer Umstand mußte das Wachsthum der neuen[1] Religion[1] in diesen Ländern [sc. Niederlande] begünstigen. Italien, 〈42〉 damals der Sitz der größten Geistesverfeinerung, ein Land, wo sonst immer die heftigsten politischen Faktionen gewüthet haben, wo ein brennendes Klima das Blut zu den wildesten Affekten erhitzt, Italien, könnte man einwenden, blieb unter allen europäischen Ländern beinahe am meisten von dieser Neuerung [sc. Reformation] frei. Aber einem romantischen[6] Volk[1], das durch einen warmen und lieblichen Himmel, durch eine üppige, immer junge und immer lachende Natur und die mannichfaltigsten Zaubereien der Kunst[2] in einem ewigen Sinnengenusse erhalten wird, war eine Religion[1] angemessener, deren prächtiger Pomp die Sinne[4] gefangen nimmt, deren geheimnißvolle Räthsel der Phantasie[1] einen unendlichen Raum eröfnen, deren vornehmste Lehren sich durch mahlerische[4] Formen in die Seele einschmeicheln. Einem Volke[1] im Gegentheil, das, durch die Geschäfte des gemeinen bürgerlichen Lebens zu einer undichterischen Wirklichkeit herabgezogen, in deutlichen Begriffen[1] mehr als in Bildern lebt, und auf Unkosten der Einbildungskraft seine Menschenvernunft ausbildet; einem solchen Volk[1] wird sich ein Glaube empfehlen, der die Prüfung weniger fürchtet, der weniger auf Mystik als auf Sittenlehre dringt, weniger angeschaut als begriffen werden kann. Mit kürzeren Worten[2]: Die katholische Religion[1] wird im Ganzen mehr für ein Künstlervolk, die protestantische mehr für ein Kaufmannsvolk taugen..
[169] Schiller, Erste Mensch.gesellsch. (1790), NA 17, 404: Sobald er [sc. der Mensch] seinen Thieren[1] ihre Freiheit[3] geraubt hatte, war er in die Nothwendigkeit gesetzt, sie selbst zu ernähren, und für sie zu sorgen. So wurde er also zum Hirten, und so lange die Gesellschaft noch klein war, konnte die Natur seiner kleinen Heerde Nahrung im Ueberfluß darbieten. Er hatte keine andre Mühe, als die Weide aufzusuchen, und sie wenn sie abgeweidet war, mit einer andern zu vertauschen. Der reichste Ueberfluß lohnte ihm für diese leichte Beschäftigung, und der Ertrag seiner Arbeit war keinem Wechsel weder der 〈405〉 Jahrszeit noch der Witterung unterworfen. Ein gleichförmiger Genuß war das Loos des Hirtenstandes, Freiheit[5] und ein fröhlicher Müssiggang sein Karakter[1]..
[170] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 143: Endlich bildet sich der Geist[19] sogar seinen Körper, und der Bau selbst muß dem Spiele folgen, so daß sich die Anmuth zuletzt nicht selten in architektonische Schönheit[1] verwandelt. | So, wie ein feindseliger, mit sich uneiniger Geist[19] selbst die erhabenste Schönheit[1] des Baues zu Grund richtet, daß man unter den unwürdigen Händen der Freyheit[10] das herrliche Meisterstück der Natur[2] zuletzt nicht mehr erkennen kann, so sieht man auch zuweilen das heitre[4] und in sich harmonische Gemüth der durch Hindernisse gefesselten Technik zu Hülfe kommen, die Natur[12] in Freyheit[10/13] setzen und die noch eingewickelte, gedrückte Gestalt mit göttlicher Glorie auseinander breiten. ➢ Volltext.
[171] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 156: In der permanenten Gestalt und in den festen architektonischen Zügen des Thieres[1] kündigt die Natur ihren Zweck, in den mimischen Zügen das erwachte oder gestillte Bedürfniß an. Der Ring der Nothwendigkeit geht durch das Thier[1] wie durch die Pflanze[1], ohne durch eine Person unterbrochen zu werden. ➢ Volltext.
[172] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 157: Bey dem Thiere[1] und der Pflanze[1] giebt die Natur nicht bloß die Bestimmung an, sondern führt sie auch allein aus. Dem Menschen[1] 〈158〉 aber giebt sie bloß die Bestimmung, und überläßt ihm selbst die Erfüllung derselben. Dieß allein macht ihn zum Menschen[1]. ➢ Volltext.
[173] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 159: Bey der Gestalt des Menschen[1] begnügen wir uns [...] nicht damit, daß sie uns bloß den allgemeinen Begriff[1] der Menschheit[1], oder was etwa die Natur zu Erfüllung desselben an diesem Individium wirkte, vor Augen stelle, denn das würde er mit jeder technischen Bildung[10] gemein haben. Wir erwarten noch von seiner Gestalt, daß sie uns zugleich offenbare, inwieweit er in seiner Freyheit[10] dem Naturzweck entgegenkam, d. i. daß sie Karakter[2] zeige. ➢ Volltext.
[174] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. I (1795), 427: Mit schmerzlichem Verlangen sehnen wir uns dahin [sc. zur Natur19] zurück, sobald wir angefangen, die Drangsale der Kultur[4/3] zu erfahren und hören im fernen Auslande der Kunst[14] der Mutter rührende Stimme. Solange wir bloße Natur[2]kinder waren, waren wir glücklich und vollkommen; wir sind frey geworden, und haben beydes verloren. Daraus entspringt eine doppelte und sehr ungleiche Sehnsucht nach der Natur[19]; eine Sehnsucht nach ihrer Glückseligkeit, eine Sehnsucht 〈428〉 nach ihrer Vollkommenheit..
[175] Schiller, Chor. Trag. (1803), VI: Wem die Natur[2] zwar einen treuen Sinn[9] und eine Innigkeit des Gefühls verliehen, aber die schaffende Einbildungskraft versagte, der wird ein treuer Mahler des Wirklichen seyn, er wird die zufällige Erscheinungen aber nie den Geist[12] der Natur[2] ergreifen. Nur den Stoff der Welt wird er uns wiederbringen, aber es wird eben darum nicht unser Werk, nicht das freie Produkt unsers bildenden Geistes[19] seyn, und kann also auch die wohlthätige Wirkung der Kunst[2], welche in der Freiheit[10] besteht, nicht haben. Ernst zwar, doch unerfreulich ist die Stimmung, mit der uns ein solcher Künstler und Dichter entläßt, und wir sehen uns durch die Kunst[2] selbst, die uns befreien sollte, in die gemeine enge Wirklichkeit peinlich zurück versezt. Wem hingegen zwar eine rege Phantasie[1] aber ohne Gemüth und Charakter[3] zu Theil geworden, der wird sich um keine Wahrheit bekümmern; sondern mit dem Weltstoff nur spielen, nur durch phantastische[2] und bizarre Combinationen zu überraschen suchen, und wie sein ganzes Thun nur Schaum und Schein ist, so wird er zwar für den Augenblick unterhalten, aber im Gemüth nichts 〈VII〉 erbauen und begründen. Sein Spiel ist, so wie der Ernst des andern, kein poetisches[1]. Phantastische[2] Gebilde willkührlich aneinander reihen, heißt nicht ins Ideale gehen, und das Wirkliche nachahmend wieder bringen, heißt nicht die Natur[10] darstellen..
[176] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 84: Die Sprache[1], die wunderbarste Schöpfung des menschlichen Dichtungsvermögens, gleichsam das große, nie vollendete Gedicht, worinn die menschliche Natur[1] sich selbst darstellt, bietet uns von dem, was ich eben sagte, ein auffallendes Beyspiel dar. So wie sie auf der einen Seite, vom Verstande[1] bearbeitet, an Brauchbarkeit zu allen seinen Verrichtungen zunimmt, so büßt sie auf der andern an jener ursprünglichen Kraft ein, die im nothwendigen Zusammenhange zwischen den Zeichen der Mittheilung und dem Bezeichneten liegt. So wie die gränzenlose Mannigfaltigkeit der Natur[2/11/19?] in abgezognen Begriffen[1] verarmt, so sinkt die lebendige Fülle der Töne immer mehr zum todten Buchstaben[9] hinab. Zwar ist es unmöglich, daß dieser jene völlig verdrängen sollte, weil der Mensch immer ein empfindendes Wesen bleibt, und sein angebohrner Trieb, Andern von seinem innersten Daseyn Zeugniß zu geben, und es dadurch in ihnen zu vervielfältigen, (wie sehr ihn auch die Herrschaft des Verstandes[1], der sein Wesen, so zu sagen, immer außer uns treibt, schwächen möge) doch nie ganz verloren gehen kann. Allein in den gebildeten Sprachen[3], hauptsächlich in der Gestalt, 〈85〉 wie sie zum Vortrage der deutlichen Einsicht, der Wissenschaft gebraucht werden, wittern wir kaum noch einige verlohrne Spuren ihres Ursprunges, von welchem sie so unermeßlich weit entfernt sind; wir können sie fast nicht anders als wie eine Sammlung durch Uebereinkunft festgesetzter Zeichen betrachten. ➢ Volltext.
[177] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 97: Es ist wahr, die vierfüßigen Thiere[1] schreyen nur; aber die Vögel singen zum Theil: hier sehen wir also schon zwey ganz verschiedne Sprachen[2], (ohne die vielen Dialekte[2] der besondern Thiergeschlechter zu rechnen) welche die Natur durch die verschiedne Einrichtung der Organe[2] mit ähnlichen Empfindungen verknüpft hat. ➢ Volltext.
[178] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 153: [B]ei den Naturgegenständen ist die Natur zweckmäßig, wo sie unsern Sinnen[4] gerade entgegen ist; so bei den häßlichsten[1] Tieren[1], und viele Völker[1] wußten nichts davon, mit dem Nützlichen das Schöne[1] zu verbinden, z. B. in der Baukunst..
[179] A. W. Schlegel, Entw. Krit. Inst. (*1800), SW 8, 51 ff. (52): Ebenso soll die Allgemeinheit, die wir suchen, nur darin be〈52〉stehen, daß wir dasjenige umfassen, was wirklich einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt hat, also was den Menschen als Menschen interessiert und einen integrierenden Theil der gesamten höheren Geistesbildung ausmacht. Hiedurch sind also ausgeschlossen alle Bücher, die bloß empirische Data oder positive Sätze ohne Beziehung auf ein System oder Herleitung aus Principien zusammentragen, ingleichen alle bloß technischen Kenntnisse, die lediglich durch ihre Verwendung zu einem bedingten Zwecke einen Werth erhalten. | Unsre Gegenstände würden also folgende sein: | 1) Philosophie in ihrem weitesten Umfange. | 2) Naturwißenschaft. Da alle Naturbeobachtung, die den Namen verdienen kann, zu allgemeinen Naturgesetzen hinstrebt und die Spekulation über die Natur ihre Sätze bis in die speciellste Erfahrung hinein bewährt wißen will, so würde sich die Kritik[7] sowohl über empirische als spekulative Physik verbreiten müßen, und es könnte nicht leicht zu viel in diesem Fache geschehen, da das Interesse des Zeitalters vorzüglich darauf gerichtet ist. [...] | 3) Von der Geschichte[4] dasjenige, was durch seinen Inhalt oder durch seine Form unmittelbaren Werth und Interesse hat und diese nicht erst durch äußerliche Brauchbarkeit erhält: also alles zur Geschichte[4] der Menschheit[1] Gehörige, dann historische Kunstwerke[4]. | 4) Von der Philologie: philosophische Grammatik und Beurtheilung der einzelnen Sprachen[3] nach Principien derselben, philologische Kritik[1] und Auslegungskunst. | Das Studium des klassischen[7] Alterthums[2] fällt unter die beiden vorhergehenden Rubriken, deren Bestimmung ausweist, was davon hier behandelt werden soll. Nur insofern sein Inhalt einen Theil der Kulturgeschichte ausmacht, gehört es in das historische Fach; seine Methode, Hülfsmittel u. s. w. in das philologische oder grammatische. | 5) Schöne[2] Kunst[9] und Theorie derselben. | Poesie[11] in ihrem weitesten Umfange, Beredsamkeit nach ihrer 〈53〉 richtigeren Bestimmung, als schöne[2] Komposition in Prosa[1], und überhaupt was zur schönen[2] Litteratur gerechnet wird, würde den Hauptartikel in dieser Rubrik ausmachen. .
[180] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 241 f.: Auch wollen wir uns hier nicht in die verwickelte Untersuchung über das Angebohrne im Menschen einlassen; obwohl man, wie mich dünkt, auf dem philosophischen Standpunkte nur sagen kann: es sey gar nichts angebohren, alles im Menschen sey durch sein eignes Handeln (möge es nun diesseits oder jenseits des Bewußtseyns vorgenommen seyn) bestimmt; oder aber: es werde dem Menschen immerfort alles angebohren, d. h. sein Handeln sey in jedem Augenblicke durch seine Lage im Universum bestimmt, welches beydes gleich wahr ist. Allein, das liegt unläugbar darin, daß Kant das Genie[2] zu einem blinden Werkzeuge der Natur macht. Seine Definition kann fast ohne Veränderung auf die Kunsttriebe der Thiere[1] angewandt 〈242〉 werden: in den Erzeugnissen dieser giebt die Natur der Kunst[1] wirklich die Regel; die Regelmäßigkeit der Bienenzellen, der Biberwohnungen, der Cocons von Seidenwürmern ist nicht das Werk dieser Thiere[1], als freythätig gedacht, sondern der Natur in ihnen. .
[181] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 266: Es giebt [...] in der menschlichen Schönheit[1] etwas allgemein geltendes, wenn es schon von jenen manierirt gebildeten Nationen[1] nicht anerkannt wird; das darf uns nicht irren, machen es doch die Manieristen in der Kunst[4] mit dem einfachen Style der großen Meister eben so. Es begreift sich, daß Nationen[1] die aus einer solchen einseitigen, ihnen von der Natur aufgezwungnen National-Physiognomie nicht heraus können, in der bildenden Kunst[2], deren höchster Gegenstand die menschliche Gestalt ist, keine sonderlichen Fortschritte haben machen mögen, auch gar keine Anmuthung dazu haben; wie hingegen dieselbe, unter einer von dieser Seite so einzig begünstigten Nation[1], wie die Griechen waren, ganz vorzugsweise gedeihen mußte..
[182] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 279 f. (280): Das Wasser, dieses träge und kalte Element erzeugt meistens nur formlose Massen von Thieren[1], an denen äußerlich wenig von einem künstlich gegliederten Bau zu erkennen ist. Auch die meisten Amphibien sind für uns widerwärtige und unverständliche Misgestalten. Die in der Luft lebenden Vögel haben zwar einen leichteren Bau und gefälligere Verhältnisse, allein vielleicht eben wegen dieser Bestimmung zum Fliegen, als bloße Formen betrachtet zu wenig Gehalt. Es scheint als habe die Natur diesen Mangel durch den mannichfaltigsten Farbenputz ersetzen wollen, so daß dieser das Auge an ihnen oft bey weitem am meisten beschäftigt..
[183] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 281: Wie die gesamte Thierwelt der Ausdruck von den Strebungen der Natur nach dem Gipfel derselben, der menschlichen Organisazion[5], ist, so kann man die edleren Gattungen unter den Säugethieren noch bestimmter als Versuche der Natur zu Menschen von mancherley Seiten her betrachten, die nicht bis zur Vollendung gediehen sind..
[184] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
[185] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 465 f. (466): Die epische Dichtart ist daher einem Zeitalter am angemessensten, wo das Gemüth sich noch nicht zum vollen Bewußtseyn der Freyheit[10] und Selbstbestimmung erhoben hat, sondern dem Menschen wie eine physische Kraft 〈466〉 erscheint, von deren Wirkungen sich nicht immer Rechenschaft geben läßt. So ist es auch beym Homer: die unmotivirte Veränderlichkeit der Gesinnungen, der Wechsel von Leidenschaft und ruhiger Fassung, von Muth und Verzagtheit, u. s. w. liegt oben auf; die dabey beobachtete tiefere Consistenz der Charaktere[7] kann man entweder als etwas durch die Sage gegebnes betrachten, oder sie beweist nur daß die eigenthümliche Ansicht des epischen Zeitalters das allgemein in der Natur[1] der Sache liegende zwar wohl in den Hintergrund zurückdrängen aber nicht aufheben konnte. Bey einer solchen Stufe, worauf die ganze Charakteristik steht, kann allerdings Größe, Energie und Adel[5] der einzelnen Charaktere[7] Statt finden, aber keine eigentliche Idealität, welche eine reinere Absonderung von der Natur[2/13] voraussetzt. Jenes finden wir denn auch beym Homer, diese war erst den Tragikern vorbehalten..
[186] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 51: Daß es bey solch einem crassen Materialismus um die Erklärung der Phänomene des Lebens am schlimmsten aussehen muß, versteht sich von selbst: denn der Organismus[1] ist ein solches Naturprodukt, worin das Ganze den Theilen vorausgedacht werden muß, die durch jenes erst ihre Bestimmung erhalten. Er bietet schon ein sehr deutliches Bild der gesammten Natur im Kleinen dar, indem er ein sich selbst producirendes Product ist, und sich ihm ein Theil der allgemeinen ewigen Schöpferkraft sehr sichtbar eingeprägt hat. Auch die unendliche Wechselwirkung, da jede Wirkung wieder Ursache ihrer Ursache ist, und die wir in dem übrigen Naturlauf nicht so wahrnehmen können, ist uns in ihm offenbart. Aber eben deswegen begreift der ganz und gar nichts vom Organismus[1], der nicht die Idee der Natur mitbringt, und so 〈52〉 sehen wir denn auch, daß die Physiologie sich entweder mit den unhaltbarsten verworrensten Hypothesen von mechanischen und chemischen Wirkungsarten (d. h. von solchen die durch den Organismus[1] gewissermaßen aufgehoben werden, und nur bedingt in ihn eintreten können) beladen, oder geradezu eingestanden hat, sie wisse die Geheimnisse des Lebens nicht zu enträthseln. ➢ Volltext.
[187] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 52: Allgemein betrachtet, ist ein gewisses Gesetz der Form [...] Bedingung freyer Individualität in der Kunst[2] wie in der Natur, denn was zu keiner Gattung von Organisationen[1/7] gehört, ist monstros. Noch mehr als gegen die Dichterlinge möchte ich den Terrorismus der Formen gegen die zugleich unwissenden und gefühllosen Kritiker wenden. Sie sollten sich nicht erfrechen, über den Geist[12] umfassender Werke abzusprechen, ohne den Buchstaben[8] der Poesie[18] erlernt zu haben, und dabey ganz von unten auf dienen. So giebt es einen oder den anderen Kunstrichter, dem ich rathen würde einmal alle hochfliegende Gedanken fahren zu lassen, und einige Jahre im stillen darüber zu ruminiren, was wohl ein Triolet sey. Wenn er darüber Rechenschaft geben könnte, so machte man ihn zum kritischen[3] Baccalaureus oder Licentiaten, und so könnte er allmählich zur Doctorwürde befördert werden..
[188] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 177: Der anerkannt auch nach Einführung der Buchstabenschrift fortgesetzte Gebrauch der Hieroglyphen spricht [...] die große Wahrheit aus: daß der Verstand[1], dessen Beruf die Handhabung irdischer Dinge ist, hiezu die bequemsten Werkzeuge vorzieht: also willkührlich gebildete Begriffe[1], als Fächer und Classen[1] die Dinge hierin zu ordnen, willkührliche Zeichen derselben in der Wortsprache, und endlich willkührliche Zeichen von diesen willkührlichen in der Buchstabenschrift; daß hingegen zur vernünftigen d. i. philosophischen Erkenntniß der Natur und Gottheit eine Anschauung erfodert wird, daß hier die Fantasie[1] immer rege seyn, und also durch bildliche Zeichen aufgefodert werden muß..
[189] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 69: Es fehlt noch an einem Werke, welches die gesamte poetische[4], künstlerische, wissenschaftliche und gesellige Bildung[5] der Griechen, als ein großes harmonisches Ganzes, als ein wahres Kunstwerk[2] der Natur, worin ein wunderwürdiges Ebenmaaß der Theile herrscht, in demselben Geiste[14] schilderte, und ihre zusammenhängende Entwickelung verfolgte, wie Winckelmann es an Einer Seite davon geleistet 〈70〉 hat. Ein Versuch ist zwar gemacht worden in einem populären Buche, das in Aller Händen ist, ich meine die Reise des jungen Anacharsis [sc. Jean-Jacques Barthélémy, Voyage du Jeune Anacharsis en Grèce (Paris 1788).]. Dieß Buch ist von Seiten der Gelehrsamkeit schätzbar und kann sehr nützlich seyn, um Kenntniß der Alterthümer[5] zu verbreiten; aber, ohne noch das Verfehlte der Einkleidung zu rügen, es beweiset mehr guten Willen, den Griechen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, als Fähigkeit in ihren Geist[26] tief einzudringen. In dieser Hinsicht ist vieles nur von der Oberfläche geschöpft, ja nach modernen[1] Ansichten umgekleidet. Es ist nicht die Reise eines jungen Scythen, sondern eines alten[2] Parisers. ➢ Volltext.
[190] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 264: In mythologischen Geschichten[10], wobey Bacchus nichts zu schaffen hatte, ließen sich [...] seine beständigen Begleiter zwar nur mit einer gewissen Willkühr, jedoch nicht ohne Schicklichkeit anbringen. Wie die Natur in ihrer ursprünglichen Freyheit[1] überhaupt der griechischen[2] Fantasie[1] als reich an Wundererzeugnissen erschien, so durfte man wohl die wilden Landschaften, wo gewöhnlich der Schauplatz lag, fern vom Anbau gesitteter 〈265〉 Städte, mit jenen sinnlich fröhlichen Waldnaturen bevölkern. ➢ Volltext.
[191] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 13 f. (14): Die antike[2] Kunst[11] und Poesie[11] geht auf strenge Sonderung des Ungleichartigen, die romantische[12] gefällt sich in 〈14〉 unauflöslichen Mischungen; alle Entgegengesetzten: Natur[19] und Kunst[13], Poesie[3] und Prosa[1], Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahndung[1], Geistigkeit und Sinnlichkeit, das Irdische und Göttliche, Leben und Tod, verschmelzt sie auf das innigste mit einander. [...] [D]ie gesamte alte[10] Poesie[11] und Kunst[11] [ist] gleichsam ein rhythmischer Nomos, eine harmonische Verkündigung der auf immer festgestellten Gesetzgebung einer schön[1] geordneten und die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden Welt. Die romantische[12/4] hingegen ist der Ausdruck des geheimen Zuges zu dem immerfort nach neuen[1] und wundervollen Geburten ringenden Chaos, welches unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schooße sich verbirgt: der beseelende Geist[12/1] der ursprünglichen Liebe schwebt[1] hier von neuem[2] über den Wassern. Jene ist einfacher, klarer, und der Natur[2] in der selbständigen Vollendung ihrer einzelnen Werke ähnlicher; diese, ungeachtet ihres fragmenta〈15〉rischen Ansehens, ist dem Geheimniß des Weltalls näher. Denn der Begriff[5] kann nur jedes für sich umschreiben, was doch der Wahrheit nach niemals für sich ist; das Gefühl wird alles in allem zugleich gewahr. ➢ Volltext.
[192] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 119: Durch dieß ganze Gemählde hat der Dichter zeigen wollen, daß es nichts bedarf, um die der Natur und dem menschlichen Geiste[19] inwohnende Poesie[4] hervorzurufen, als mit Abwerfung des angekün〈120〉stelten Zwanges beyde der angebohrnen Freyheit[1] zurückzugeben. ➢ Volltext.
[193] C. Schlegel, an A. W. Schlegel (11. 6. 1801), C 2, 166: Julchen nimmt sich recht gut; ich wünschte nur, ihr zuweilen eine kleine Zerstreuung verschaffen zu können, an die hier jetzt fast gar nicht zu denken ist. Mädchen von ihrem Alter giebt es gar nicht. Demohngeachtet scheint sie sehr gern hier zu seyn und es blickt oft eine recht hübsche Theilnehmung an unsern weisen Gesprächen bey ihr durch, besonders wenn Schelling auf Spaziergängen in Offenbarungen geräth, ZB. [...] erklärt, warum die Natur den Vögeln, die in metallischen Farben brennen, die Stimme[2] und den andern die Schönheit[2] versagt hat..
[194] D. Schlegel, Gespr. Rom. Frz. (1803), 97: [W]ie muß denn ein Roman[1] seyn? – Er muß romantisch[7] seyn. – Wie? fragte Adelheid, ist Delphine nicht voll der zartesten Schwärmerei, voll von romantischen[7] Situationen? – [...] Nicht dergleichen meine ich [...], sondern den Geist[12] der Poesie[4], der die Schilderungen der Natur, der Charaktere[7] und Begebenheiten, in einem gewissen Sinne[1] beleben und durchwehen muß, um sie zu einem romantischen[7/1] Gedicht, oder Roman[1] zu bilden [...]..
[195] F. Schlegel, Lessing (1797), 91: Von seiner [sc. Lessings] Philologie erwähnt man, daß er in der Conjekturalkritik, welche der Gipfel der philologischen Kunst[6] sei, ungleich weniger Stärke besitze, als man wohl erwarten möge, da er doch in der That einige der zu dieser Wissenschaft erforderlichen und ersprießlichen Geistesgaben von der Natur erhalten hätte. ➢ Volltext.
[196] F. Schlegel, Goethe's Meister (1798), 172: Der Onkel [...] ruht im Hintergrunde dieses Gemähldes, wie ein gewaltiges Gebäude der Lebenskunst im großen alten Styl, von edlen einfachen Verhältnissen, aus dem reinsten gediegensten Marmor. [...] Bekenntnisse zu schreiben wäre wohl nicht seine Liebhaberey gewesen; und da er sein eigner Lehrer war, kann er keine Lehrjahre gehabt haben, wie Wilhelm. Aber mit männlicher Kraft hat er sich die umgebende Natur zu einer klassischen[3/8] Welt gebildet, die sich um seinen selbständigen Geist[32] wie um den Mittelpunkt bewegt.
[197] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 9: [I]ch glaube allerdings, es ist die Natur selbst, welche die Frauen[1] mit Häuslichkeit umgiebt, und zur Religion[3] führt. Ich finde das alles schon in der Organisazion[5]. Fürchte nicht, daß ich Dir mit Anatomie kommen werde. Ich überlasse es einem künftigen Fontenelle oder Algarotti unsrer Nation[1], 〈10〉 das sonderbare Geheimniß des Geschlechtsunterschiedes mit Anstand und Eleganz für Damen darzustellen und zu enträthseln. Es bedarf gar nicht so vieler Umstände, um zu finden, daß die weibliche Organisation[5] ganz auf den einen schönen[6] Zweck der Mütterlichkeit gerichtet ist. ➢ Volltext.
[198] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 101 ff. (102): Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre[4] spricht. | Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüth verlassen. Freylich, wem es da trocken ist, dem wird es nirgends quillen; und das ist eine bekannte Wahrheit, gegen die ich am wenigsten gesonnen bin mich aufzulehnen. Aber wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Aehnlichen, oder bey 〈102〉 gleicher Würde Feindlichen entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte[1] bilden. [...] | Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk[1] der Natur[2]. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigenthümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode, wenn ich so sagen darf. | Da finde ich nun eine große Aehnlichkeit mit jenem großen Witz[2] der romantischen[12/4] Poesie[22], der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Construction des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakspeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie[1], der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt, scheinen mir schon selbst eine indirekte Mythologie zu seyn. Die Organisazion[8] ist dieselbe und gewiß ist die Arabeske die älteste[1] und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie[2]. Weder dieser Witz[2] noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte[5] Natur[1/19] und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive[2] Tiefsinn den Schein des Verkehrten 〈103〉 und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie[11], den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft[1] aufzuheben und uns wieder in die schöne[1] Verwirrung der Fantasie[2], in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur[1/19] zu versetzen, für das ich kein schöneres[1] Symbol bis jetzt kenne, als das bunte[2] Gewimmel der alten[10] Götter[5]. ➢ Volltext.
[199] F. Schlegel, Zur Poesie II (*1802), KFSA 16, 434, Nr. 157: Romantische[1/4] Prosa[5]. Alliteration (und Assonanz), dann Bilder aus der sichtbar[en] Oberfläche der Natur. In Consonanten und Vokalen folgende Alliterat[ion] / bestimmte Mischung a) Glatte Consonanten und tonlose Vokale b) Harte Consonanten und tonlose Vokale? c) farbige Vokale und harte Consonanten / Diese Prosa[5] ist nun plastisch[3] – musikalisch[7] – oder pittoresk[2]. Der gehörige Wechsel auch wesentlich zum Romantisch[en][1/4] – vielleicht auch Parodie d.[er] gemein[en] Sprache[4] und der φσ [Philosophie]?.
[200] F. Schlegel, Reis. n. Frankr. (1803), 5: Der Augenblick stand mir noch oft lebhaft vor Augen, in welchem wir von dem Dome zu Meissen auf die Elbe und das romantische[3/7] Thal heruntersahen, das mir so theuer ist, weil ich hier zuerst die Natur in schönerer[1] Gestalt sahe, und mehr als einmal nach einem Zwischenraum von mehrern Jahren dieselbe geliebte Gegend voll von Erinnerung und doch mit dem frischen Reiz eines neuen Eindrucks wieder sahe. ➢ Volltext.
[201] Schlichtegroll, Mozart (1793), 7: Der Mensch mit wunderähnlichen Gaben und Fertigkeiten von der Natur[2] beschenkt, ist selten ein allgemeines Muster zur Nachahmung für Andere. So wie seine Vollkommenheiten uns übrigen unerreichbar sind, so können auch seine Fehler nicht zu unserer Entschuldigung gereichen. Um sich brauchbare Regeln für das praktische Leben als Mensch im Allgemeinen abzuziehen, und durch Aufmerksamkeit auf Beyspiele sich dem erreichbaren Grade der Ausbildung unserer Natur[1] zu nähern, müssen wir nicht jene seltnen Menschen zum Muster auswählen, sondern vielmehr Geister[32] von mittlern Gaben, die aber diese Anlagen gleichförmig und vorsichtig ausgebildet haben, und denen wir es gleich zu thun hoffen dürfen..
[202] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 30: Aus dem Gesagten ergiebt sich, daß alle Thiere[1] Verstand[1] haben, selbst die unvollkommensten: denn sie alle erkennen Objekte, und diese Erkenntniß bestimmt als Motiv ihre Bewegungen. – Der Verstand[1] ist in allen Thieren[1] und allen Menschen[1] der nämliche, hat überall die selbe einfache Form: Erkenntniß der Kausalität, Uebergang von Wirkung auf Ursach und von Ursach auf Wirkung, und nichts außerdem. Aber die Grade seiner Schärfe und die Ausdehnung seiner Erkenntnißsphäre sind höchst verschieden, mannigfaltig und vielfach abgestuft, vom niedrigsten Grad, welcher nur das Kausalitätsverhältniß zwischen dem unmittelbaren Objekt und den mittelbaren erkennt, also eben hinreicht, durch den Uebergang von der Einwirkung, welche der Leib erlitten auf dessen Ursach, diese als Objekt im Raum anzuschauen, bis zu den höheren Graden der Erkenntniß des kausalen Zusammenhanges der bloß mittelbaren Objekte unter einander, welche bis zum Verstehn der zusammengesetztesten Verkettungen von Ursachen und Wirkungen in der Natur geht. Denn auch dieses letztere gehört immer noch dem Verstande[1] an, nicht der Vernunft[1], deren abstrakte Begriffe[1] nur dienen können, jenes unmittelbar Verstandene aufzunehmen, und zu fixiren, nie das Verstehn selbst hervorzubringen. ➢ Volltext.
[203] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 191 f. (192): Während [...] jeder Mensch[1] als eine besonders bestimmte und karakterisirte Erscheinung des Willens, ja gewissermaaßen als eine eigene Idee anzusehn ist, bei den Thieren[1] aber dieser Individualkarakter im Ganzen fehlt und nur noch die Species eine eigenthümliche Bedeutung hat, ja seine Spur immer mehr verschwindet, je weiter sie vom Menschen abstehn, die Pflanzen[1] endlich gar keine andre Eigenthümlichkeit 〈192〉 des Individuums mehr haben, als solche, die sich aus äußern günstigen oder ungünstigen Einflüssen des Bodens und Klima's[1] und andern Zufälligkeiten vollkommen erklären lassen; so verschwindet endlich im unorganischen Reiche der Natur gänzlich alle Individualität. ➢ Volltext.
[204] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 370: Indessen wird doch das musikalische[1] Genie[2] ohne Cultur[3] und Uebung immer sehr unvollkommen bleiben. Die Kunst[16] muß vollenden und ausfüllen, was die Natur roh niederwarf..
[205] R. Schumann, Tageb. I (*1828), 101: Wenn der Mensch[1] Etwas sagen will, was er nicht kann, so nimmt er die Sprache[2] der Töne[11] oder die der Blumen – denn die Blumenwelt ist ja so heilig als die Tonwelt u. in Schmerzen oder in der Freude geht der Mensch[1] am liebsten an die Saiten oder in die Natur, u. beyde sind ja Bürgen einer Gottheit u. einer Unendlichkeit..
[206] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 289: Wer das Glük hat, von Jugend auf mit Menschen von feinerm Gefühl und einer edlern Lebensart umzugehen, dessen Geschmak wird allmählig zu dem edlern gebildet. Wer aber von dem Glük diese Wolthat nicht erhalten hat, der muß desto aufmerksamer das Genie[5] und den Geschmak der besten Werke der Kunst[2] alter[10] und neuer[5] Völker[1] studiren. Mit Vorbeygehung aller Schriftsteller und Künstler, die nur einen zufälligen Ruhm, aus irgend einem mechanischen Theil derselben, oder nur einen vorübergehenden Beyfall erhalten haben, muß er sich an die ersten und claßischen[3] Männer jeder Art halten; an die, die nicht blos bey ihrer Nation[1], sondern bey allen Völkern[1], wo der Geschmak aufgekommen ist, für die ersten in ihrer Art gehalten werden. Für junge, noch ungebildete Genie[4], wenn die Natur sie nicht vorzüglich bedacht hat, ist es allemal gefährlich, gutes, mittelmäßiges und schlechtes durch einander zu lesen, oder zu sehen. Es gehört ein ausnehmendes Genie[3] dazu, sich nach schlechten Mustern zu bilden, und gut zu werden..
[207] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 422: Die chinesischen Gärtner suchen, wie die europäischen Mahler, die angenehmsten Gegenstände einzeln in der Natur auf, und bemühen sich dieselben so zu vereinigen, daß nicht nur jeder für sich gut angebracht sey, sondern aus ihrer Vereinigung zugleich ein schönes[1] Ganzes entstehe. | Sie unterscheiden dreyerley Arten von Scenen, die sie lachende, fürchterliche und bezaubernde nennen. Die letzte Art ist die, die wir romantisch[3/4] nennen, und die Chineser wissen durch mancherley Kunstgriffe sie überraschend zu machen. Sie leiten 〈423〉 bisweilen einen rauschenden Bach unter der Erde weg, der das Ohr[2] derer, die an die Stellen, darunter sie wegströhmen, kommen, mit einem Geräusche rühret, dessen Ursprung man nicht erkennt. Andremal machen sie ein Gemäuer von Felsen, oder bringen sonst in Gebäuden und andern in den Garten angebrachten Gegenständen Oefnungen und Ritzen so an, daß die durchstreichende Luft fremde[4] und seltsame Töne[1] hervorbringt..
[208] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 610: Ohne Zweifel wollte die Natur durch die von allen Seiten auf uns zuströhmenden Annehmlichkeiten unsre Gemüther überhaupt zu der Sanftmuth und Empfindsamkeit bilden, wodurch das rauhe Wesen, das eine übertriebene Selbstliebe und stärkere Leidenschaften geben, mit Lieblichkeit gemäßiget wird. Diese Schönheiten[3] sind einer in uns liegenden feineren Empfindsamkeit angemessen; durch den Eindruk, den die Farben, Formen und Stimmen[3] der Natur auf uns machen, wird sie beständig gereizt, und dadurch wird ein zarteres Gefühl in uns rege, Geist[22] und Herz werden geschäftiger und nicht nur die gröbern Empfindungen, die wir mit den Thieren[1] gemein haben, sondern auch die sanften Eindrüke werden in uns würksam. Dadurch werden wir zu Menschen[1]; unsre Thätigkeit wird vermehret, weil wir mehrere Dinge interessant[1] finden, es entsteht eine allgemeine Bestrebung aller in uns liegenden Kräfte, wir heben uns aus dem Staub empor, und nähern uns dem Adel[5] höherer Wesen. Wir finden nun die Natur nicht mehr zu der bloßen Befriedigung unsrer thierischen Bedürfnisse, sondern zu einem feinern Genuß und zu allmähliger Erhöhung unsers Wesens eingerichtet..
[209] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (1): Es ist wahr, die Künste[2] sind ohne Hülfe der Kunstrichter zu einem hohen Grad der Vollkommenheit gestiegen. Aber dieses beweiset nicht, daß im Reiche der Künste[2], der Kunstrichter eine überflüßige Person sey. Der Geist[19] des Menschen hat von der Natur einen keine Gränzen kennenden Trieb, nach immer höher steigender Vollkommenheit, zum Geschenke bekommen. Wer wird sich also unterstehen ihm Schranken zu setzen? So lange die Critik[8] einen höhern Grad der Vollkommenheit sieht, kann niemand sagen, daß er über Kräfte der Kunst[18] reiche..
[210] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (2): Der Mensch dem die Natur alles gegeben hat, sinnreich und erfinderisch zu werden, wird es doch erst dann, wenn ihn irgend eine Noth antreibet, seine Kräfte zusammen zu nehmen..
[211] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633: Die ersten Kunstrichter widmeten ihr Nachdenken der Theorie der Künste[2], weil die Natur ihnen das besondere Genie[2] zu Untersuchungen dieser Art gegeben hatte: was sie bemerkten und entdekten, hatte das Gepräg der Gründlichkeit, ob es gleich noch nicht allgemein und vollständig genug war. [...] Wenn nun zugleich auch Menschen ohne natürlichen[3] Beruf sich auf die Künste[2] legen; so glauben sie dieselben aus den Theorien erlernen zu können: und so werden Künste[2] und Critik[2] zugleich verdorben..
[212] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 710: Für Werke, die blos zur niedrigen Wollust reizen, lassen sich schlechterdings keine Entschuldigungen anführen, die bey vernünftigen Menschen[1] den geringsten Eindruk machten. Die fleischlichen Triebe, so weit die Natur ihrer bedarf, sind bey Menschen[1], die ihr Temperament nicht durch Ausschweifungen zu Grunde gerichtet haben, allezeit stark und lebhaft genug; also ist es Narrheit sie über ihren Endzwek zu reizen: aber für verworfene Wollüstlinge zu arbeiten, erniedriget den Künstler. Wer sollte ohne Schaam sich zum Diener solcher unter das Thier[1] erniedrigten Menschen[1] machen, wenn sie auch von hohem Stande wären?.
[213] L. Tieck, Phantasus I (1812), 64 f. (65): Es fehlt unsrer Zeit[5], sagte Friedrich, so sehr sie die Natur[19] sucht, eben der Sinn[5] für Natur[19], denn nicht allein diese regelmäßigen Gärten, die dem jetzigen Geschmacke zuwider sind, bekehrt man 〈65〉 zum Romantischen[3/4], sondern auch wahrhaft romantische[3/4] Wildnisse werden verfolgt, und zur Regel und Verfassung der neuen[7] Gartenkunst erzogen. So war ehemals nur die große wundervolle Heidelberger Ruine eine so grüne, frische, poetische[1/3?] und wilde Einsamkeit, die so schön[1] mit den verfallenen Thürmen, den großen Höfen, und der herrlichen Natur[2] umher in Harmonie stand, daß sie auf das Gemüth eben so wie ein vollendetes Gedicht aus dem Mittelalter wirkte, ich war so entzückt über diesen einzigen Fleck unsrer deutschen Erde, daß das grünende Bild seit Jahren meiner Phantasie[1] vorschwebte, aber vor einiger Zeit[6] fand ich auch hier eine Art von Park wieder, der zwar dem Wandelnden manchen schönen[1] Platz und manche schöne[1] Aussicht gönnt, der auf bequemen Pfaden zu Stellen führt, die man vormals nur mit Gefahr erklettern konnte, der selbst erlaubt, Erfrischungen an anmuthigen Räumen ruhig und sicher zu genießen, doch wiegen alle diese Vortheile nicht die großartige und einzige Schönheit[1] auf, die hier aus der besten Absicht ist zerstört worden..
[214] L. Tieck, Phantasus I (1812), 95: Wir hörten von den Englischen Parks, von denen viele in der That in hoher Schönheit[1] prangen, und so fing man denn in Deutschland ebenfalls an, mit Bäumen, Stauden und Felsen auf mannichfache Weise zu malen, lebendige Wasser und Wasserfälle mußten die springenden Brunnen verdrängen, so wie alle geraden Linien nebst allem Anschein von Kunst[13] verschwinden mußten, um der Natur[19] und ihren Wirkungen auf unser Gemüth Raum zu gewähren. Weil man sich nun hier in einem unbeschränkten Felde bewegte, eigentlich keine Vorbilder zur Nachahmung vor sich hatte, und der Sinn[6], der auf diese Weise malen und zusammen setzen soll, vom feinsten Geschmack, vom zartesten Gefühl für das Romantische[3] der Natur[2] geleitet werden muß, ja, weil jede Lage, jede Umgebung einen eigenthümlichen Garten dieser Art erfordert, und jeder also nur einmal existiren kann, so konnte es nicht fehlen, daß man von jenem ächten Natursinn verlassen, in Verwirrung gerieth, und bald Gärten entstanden, die [...] widerlich [...] waren..
[215] L. Tieck, Phantasus I (1812), 97: Nichts alberneres, als zwei Menschen, die sich nicht leiden mögen, und die sich plötzlich in gezwungener Einsamkeit in einer dunkeln Grotte eng neben einander befinden, da brummt man was von schöner[1] Natur und rennt aus einander, als müßte man die nächste Schönheit[3] noch eilig ertappen, die sich sonst vielleicht auf flüchtigen Füßen davon machen möchte; und, siehe da, indem du dich bald nachher eine enge Felsentreppe hinauf quälst, kommt dir wieder die fatale Personage von oben herunter entgegen gestiegen, man muß sich sogar beim Vorbeidrängen körperlich berühren, eine nothgedrungene Freundlichkeit anlegen, und der lieben Humanität wegen recht entzückt sein über das herrlich romantische[3] Wesen, um nur der leidigen Versuchung auszuweichen, jenen in den zauber- aber nicht wasserreichen Wasserfall hinab zu stoßen..
[216] L. Tieck, Phantasus I (1812), 99: [I]n jedem Freunde der Natur, der diese liebliche Schatten besucht, müssen sich dieselben heitern[5] Gefühle erregen, mit denen der sinnvolle Pflanzer die anmuthigste Landschaft hier mit dem Schmuck der schönsten[1] Bäume dichtete, die auf sanften Hügeln und in stillen Gründen mannichfaltig wechselt, und durch rührende Reize den Sinn[7] des Gebildeten beruhigt und befriedigt..
[217] L. Tieck, Phantasus II (1812), 457: Was da unten friedlich, niedlich, einsam und rührend die Hütten liegen und das Gärtchen daneben. Schöne[1] romantische[7] Natur[2] ist doch etwas Trefliches, und darein die Häuser, der Rauch von den Schornsteinen, das ist so anlockend, weckt sehnsüchtige Gedanken, daß man dort seyn möchte, sich einwohnen, der Natur[19] leben..
[218] L. Tieck, Phantasus II (1812), 457: Was da unten friedlich, niedlich, einsam und rührend die Hütten liegen und das Gärtchen daneben. Schöne[1] romantische Natur[2] ist doch etwas Trefliches, und darein die Häuser, der Rauch von den Schornsteinen, das ist so anlockend, weckt sehnsüchtige Gedanken, daß man dort seyn möchte, sich einwohnen, der Natur[19] leben..
[219] Uhland, Romant. (H1807), 139: Die Griechen in einem schönen[[[[BedeutungsVerweis ID='433' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] genußreichen Erdstriche wohnend, von Natur heiter[[[[BedeutungsVerweis ID='224' Anzeige='5' Formatierung='1']]]], umdrängt von einem glänzenden thatenvollen Leben, mehr äusserlich als innerlich lebend, überall nach Begrenzung und Befriedigung trachtend, kannten oder nährten nicht jene dämmernde Sehnsucht nach dem Unendlichen. Ihre Philosophen suchten es in lichten Systemen aufzufassen, ihre Dichter stellten jeder innern Regung des Höheren äusserlich eine helle, mit kräftigen Umrissen abgestochene, mit bezeichnenden Attributen ausgerüstete Göttergestalt entgegen. Ihr Olymp stand in lichter Sonne da, jeder Gott[[[[BedeutungsVerweis ID='189' Anzeige='4' Formatierung='1']]]], jede Göttin ließ sich klar darauf erblicken. | Einzelne Erscheinungen in der griechischen[[[[BedeutungsVerweis ID='119' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] Poesie[[[[BedeutungsVerweis ID='80' Anzeige='11' Formatierung='1']]]] sind vielleicht mehr für uns romantisch[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]], als sie es für die Griechen selbst waren. .
[220] Uhland, Romant. (H1807), 142: Auch die Natur hat ihre Romantik[[[[BedeutungsVerweis ID='651' Anzeige='7' Formatierung='1']]]]. Blumen, Regenbogen, Morgen- und Abendroth, Wolkenbilder, Mondnacht, Gebirge, Ströme, Klüfte u. s. w. lassen uns theils in lieblichen Bildern einen zarten, geheimen Sinn[[[[BedeutungsVerweis ID='130' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] ahnen[[[[BedeutungsVerweis ID='726' Anzeige='3' Formatierung='1']]]], theils erfüllen sie uns mit wunderbarem Schauer. | Manche Naturerscheinungen, Orkan, Gewitter stürmen zu rauh herein, sprechen ihren Sinn[[[[BedeutungsVerweis ID='130' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] zu laut aus, übertäuben zu sehr die Ahnung durch Schrecken um noch romantisch[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] zu seyn. Doch können sie es werden, wenn sie mehr untergeordnet, etwa in einer Handlung als Vorbedeutung, eintreten. | Eine Gegend ist romantisch[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] wo Geister[[[[BedeutungsVerweis ID='367' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] wandeln; mögen sie uns an vergangene Zeiten[[[[BedeutungsVerweis ID='231' Anzeige='3' Formatierung='1']]]] mahnen oder sonst in geheimer Geschäftigkeit sich um uns her bewegen. Wir stehen noch ausser dem Reigen der Luftigen Elfen, die, nach der nordischen Sage, nur der sieht, der innerhalb ihres Kreises steht; aber wir fühlen ihre wehende Bewegung, wir hören ihre flüsternden Stimmen[[[[BedeutungsVerweis ID='256' Anzeige='3' Formatierung='1']]]]..
[221] Wackenroder, an seine Eltern (1793), VL 2, 158: Die sinnlichen Schönheiten[3] fürs Auge, können nur durchs Auge, im Original der Natur, oder in Nachahmungen des Pinsels, vollkommen empfunden werden. – Doch ich schwatze zuviel, da ich Ihnen bloß sagen wollte, daß ich Ihnen unmöglich ein treues Gemählde von der Folge einzelner Romantischer[3] Aussichten, die wir diesen Vormittag u[nd] auf der ganzen Reise hatten, geben kann..
[222] Wackenroder, an seine Eltern (22. 6. 1793), VL 2, 180: In Nürnb[erg] bin ich im rothen Roß abgetreten. Von dem Äußern dieser großen, labyrinthischen Stadt können sie sich wirklich durch Ihre in Kupfer gestochenen u[nd] illuminirten kleinen Prospekte, den beßten Begriff[1] machen. Ich finde mit Vergnügen viele mir längst bekannte Gegenden der Stadt hier in der Natur, u[nd] erkenne sie bald. Die Stadt hat wegen der vielen, schwarzen, mit Gothischem Prunk an Bildern u[nd] Zierrathen reich überladenen Kirchen, wegen der alten[1], ganz v[on] Quadern gebauten, festen Häuser, die häufig mit Figuren v[on] Menschen[1] u[nd] Thieren[1] bemahlt, u[nd] auch mit sehr alten[1] Basreliefs in Stein geziert sind, ein antikes[6], abentheuerliches[3] Ansehen. Aber sowohl aus- als inwendig, scheinen mir doch fast alle Häuser keine Spur v[on] modernem[7] Geschmack zu haben. Keine einzige neumodische Façade. Die Hausthür ist [...] fast immer verschlossen; man klingelt, sie springt auf; man geht durch dunkle Winkel eine schlechte Treppe hinauf, u[nd] findet selbst Männer wie H[errn] v[on] Murr u[nd] H[errn] Schaffer Panzer, in Zimmern, die nur durch eine Bibliothek angenehm werden, an Fenstem mit kleinen runden Scheiben, nach dem Hofe oder einem Gäßchen zu, sitzen. Freilich will ich nicht auf alle übrigen Häuser v[on] diesen schließen. Allein v[on] außen wenigstens sind sie alle antik[6]. .
[223] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 142: Die Natur hatte sein Inneres mit einer immer gährenden Phantasie[1] erfüllt, und seinen Geist[19] mit schwe〈143〉ren und düstern Gewitterwolken bezogen, so daß sein Gemüth immer in unruhiger Arbeit war, und unter ausschweifenden Bildern umhertrieb, ohne jemals sich in einfacher und heiterer[4] Schönheit[6] zu spiegeln. ➢ Volltext.
[224] Wieland, Gold. Spiegel (1772 [hier: 1795]), 61: Das Ohr[3] ist, nach dem Auge, der vollkommenste unsrer Sinne[4]. Gewöhnet es an kunstlose, aber seelenvolle Melodien, aus welchen schöne[1] Gefühle atmen, die das Herz in sanfte Bebungen setzen, oder die einschlummernde Seele in süße Träume wiegen. Freude, Liebe, und Unschuld stimmen den Menschen[1] in Harmonie mit sich selbst, mit allen guten Menschen[1], mit der ganzen Natur. So lang euch diese beseelen, wird jede eurer Bewegungen, der gewöhnliche Ton[5] eurer Stimme[3], eure Sprache[11] selbst wird Musik[5] sein..
[225] Wieland, Aristipp. II (1800–01), SW 23, 96: Was ich von Licht und Schatten, Farben und Linien als den Elementen des sichtbaren Schönen[1] gesagt habe, gilt in seiner Art auch von den verschiedenen Schwingungen der Luft, wodurch der Schall in unserm Ohr[2] und vermittelst dieses Organs[2] in unserm innern Sinne[4] gewisse angenehme Gefühle erregt; von dem majestätischen Rollen des Donners bis zum leisen Geflüster der Pappel und Birke; vom klappernden Tosen eines entfernten Wasserfalls, bis zum einschläfernden Murmeln einer über glatte Kiesel hin rieselnden Quelle; vom fröhlichen Geschwirr der Lerche bis zum eintönigen Klingklang der Cicade. Alle diese einfachern Schälle und Töne[1], durch welche die Natur unser Ohr[2] als ein zu ihr stimmendes lebendiges Saiteninstrument anspricht, betrachte ich als die Elemente des hörbaren Schönen[1], welches, gleich dem sichtbaren, in der Mitte zwischen zwei Aeußersten schwebt[5], und also eben demselben Gesetz unterworfen ist, wodurch die dem Auge gefälligen Töne[13] des Lichts und der Farben, und die dem Gefühle schmeichelnden Formen der Körper bestimmt werden, dem Gesetze der Harmonie der sinnlichen Eindrücke von außen mit der Einrichtung der ihnen entsprechenden Organe[2]..
[226] Wolzogen, A. v. Lilien I (1798), 327: Der junge Rasen unter unsern Füßen war von klaren Bächen durchschnitten, die sich aus den Felsen ergossen, und mit frischem Grün umkränzt, in sanften Linien durch das Thal rieselten. Die Pappeln und anderes Gesträuche trugen schon zarte 〈215〉 Blätter, und der Hagedorn stand in voller Blüthe. Nur an den reinlich gehaltenen Wegen bemerkte man die Hand der Kultur[1] in diesem Thal, in dem sonst die liebliche Freiheit[1] der Natur herrschte..
[2] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 88: Das vortreffliche, meist gemäßigte Klima, die überaus große Fruchtbarkeit des Bodens, die ausschließliche Hervorbringung der kostbaren Gewürze, der kräftigsten Arzneien und der edelsten Kostbarkeiten machen diesen Erdtheil [sc. Asien] zu einem Paradiese. Wie traurig, daß die Bewohner desselben so weit von dem Glück und der Cultur[4] entfernt sind, auf welche ihnen die Natur so große Rechte gegeben hat! und wie großen Antheil daran haben die Europäer, welche mit gleicher Gewaltthätigkeit diesem Paradiese seine Schätze und den Bewohnern desselben zum Theil ihr Glück entzogen!
[3] Eichendorff, Ahn. u. Ggw. (1815), 388: Da erblickten sie sehr unerwartet mitten in der Wildniß einen niedrigen, zierlichen Zaun von weißem Birkenholz, dem es ordentlich Mühe zu kosten schien, die wilde Freyheit[1] der Natur, die überall ihre grünen, festen Arme, wie zum Spotte, ungezogen durchstreckte, im Zaum zu halten. Sie lachten einander beyde bey dem ersten Anblicke an, denn überraschender konnte ihnen nichts kommen, als gar eine moderne[7] englische Anlage in dieser menschenleeren Gegend.
[4] C. D. Friedrich, an F. A. Köthe (18. 8. 1810), Z, 70: Den jungen Menschen so Sie neuerlich an mich empfohlen ist gar nicht bei mir gewesen, ich erfuhr daß er einen Brief[1] hatte und ging zu ihm. Gewiß haben ihm weise verstendige Leute wohlmeinent gerathen sich vor meinen falschen verderblichen Reden zu hüten z B daß man die Natur nicht nach Kunstwerken[4] studiren müßte sondern aus ihr der Natur selbst erkennen lernen müßte. Göthe hat kürzlich einer Künstlerin so nach Dresden ging gerathen mich zwar zu besuchen, aber sich ja nicht durch meine Reden verführen zu lassen.
[5] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 46: Haben die Männer sich an den Frauen[1] vergangen, indem sie ihnen den Adel[1], welcher vererbt wird, entzogen, so hat die Natur sie dafür auf das Herrlichste entschädigt, indem sie ihnen den Adel[5] der Seele, man möchte fast sagen, als ausschließliches Eigenthum zutheilte. Nirgends finden wir bei den Männern so hohe Beispiele von Muth und Entsagung, von Liebe und Hingebung, von Reinheit des Herzens und Selbstvergessenheit, von Aufopferung und Großmuth, wie bei den Frauen[1].
[6] Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 157: Damit es den Scenen dieser Jahreszeit [sc. Herbst] noch weniger an Reiz fehle, läßt die Natur einige Bäume und Sträucher nun erst blühen, andre zum zweytenmal. ➢ Volltext
[7] Kant, Daseyn Gottes (1763), 88: Ich bemerke aber, damit aller Misverstand verhütet werde: daß die Veränderungen in der Welt entweder aus der ersten Anordnung des Universum und den algemeinen und besondern Gesetzen der Natur[2] nothwendig seyn, dergleichen alles dasjenige ist, was in der körperlichen Welt mechanisch vorgeht, oder daß sie gleichwohl bey allem diesem eine nicht genugsam begriffene Zufälligkeit haben, wie die Handlungen[1] aus der Freyheit[10] deren Natur[1] nicht ge〈89〉hörig ein[ge]sehen wird.
[8] Ritter, Galvanism. (1798), X: Offen und frey[1] handelt die Natur, ihre Werkstätte hat weder Thüren noch Schlösser, Ruhetag hält sie auch nicht, denn rastlose Thätigkeit ist ihr Character[1].
[9] Schiller, an L. F. Huber (13. 9. 1785), NA 24, 19: Als auf einmal, und mir zum erstenmal, die Elbe zwischen 2 Bergen heraustrat, schrie ich laut auf. O mein Liebster Freund, wie intereßant[1] war mir alles! Die Elbe bildet eine romantische[3/4] Natur um sich her, und eine schwesterliche Ähnlichkeit dieser Gegend mit dem Tummelplaz meiner frühen dichterischen Kindheit macht mir sie dreifach theuer.
[10] Schiller, Verbrecher (1786), NA 16, 10: Die Natur hatte seinen Körper verabsäumt. Eine kleine unscheinbare Figur, krauses Haar von einer unangenehmen Schwärze, eine plattgedrückte Nase und eine geschwollene Oberlippe, welche noch überdies durch den Schlag eines Pferdes aus ihrer Richtung gewichen war, gab seinem Anblick eine Widrigkeit, welche alle Weiber von ihm zurückscheuchte und dem Witz[1] seiner Kameraden eine reichliche Nahrung darbot.
[11] A. W. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 49, Nr. 190: Die einförmigste und flachste Natur erzieht am besten zum Landschaftsmahler. Man denke an den Reichthum der Holländischen Kunst[11] in diesem Fache. Armuth macht haushälterisch: es bildet sich ein genügsamer Sinn[5], den selbst der leiseste Wink höheres Lebens in der Natur erfreut. Wenn der Künstler dann auf Reisen romantische[3] Szenen kennen lernt, so wirken sie desto mächtiger auf ihn. ➢ Volltext
[12] R. Schumann, Tageb. I (*1828), 101: Die Natur ist das große, entfaltete Schnupftuch Gottes, gestikt mit seinem ewig-blühenden Namen, an dem der Mensch[1] alle Schmerzensthränen abtrocknen kann, aber auch die Freudenthränen.
[13] Seume, Sommer (1806), 203: Das Bad oder vielmehr der Lustort Himmelsdalund ist ein freundlicher Spaziergang nicht weit von der Stadt, wo der Genügsame mehr findet, als er hofft, an Natur und Lebensgenuß, und wo auch der feinere Schmecker befriedigt wird. Die Gesellschaft ist artig, gebildet und unterrichtet; wie man denn in keinem Lande mehr allgemeine Kultur[4] findet, als in Schweden.
[14] Seume, Sommer (1806), 231 f. (232): Kopenhagen liegt zwar nicht so schön[1] und romantisch[3], wie Stockholm, aber es hat eine Menge sehr angenehmer freundlicher Parthien: und wenn man an einem schönen[4] Abend in einem Boote auf der Rhede über die große Batterie hinaus fährt, hat 〈232〉 man rund umher einen Anblick, den man wahrscheinlich in der ganzen Ostsee nicht mehr hat. Auf einiger Höhe sieht man das schöne[1] Ufer von Seeland bis an den Sund und die schwedische Küste bis fast hinauf nach Malmoe. Selbst Neapel hat nur den Vorzug der üppigern Natur und der klassischen[7] Umgebungen: Kultur[4/2] des Landes und Humanität stehen hier im allgemeinen unstreitig höher.
[15] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 208: [...] die Schriftsteller, die auch für die Nachwelt claßisch bleiben, weil sie aus der unveränderlichen Quelle alles Guten und Schönen, der
Natur
, geschöpft haben.[16] L. Tieck, W. Lovell II (1796), 359: Was du mir von Deinem Garten schreibst, will ich gar gern glauben, weil Du und der Gärtner vielleicht nicht mit dem Dinge umzugehen wissen. Auch gehören zu solchem Werke viele Arbeiter und Gartenknechte, wie du wohl auch hier an meinem Garten in Bonstreet wirst gesehn haben; die Natur hängt einmal nach 〈360〉 dem Verwildern hin, und darum muß man Tag und Nacht dagegen arbeiten. ➢ Volltext
[17] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 133: Seit meiner frühen Jugend her, da ich den Gott[1] der Menschen[1] zuerst aus den uralten heiligen Büchern unserer Religion[1] kennen lernte, war mir die Natur immer das gründlichste und deutlichste Erklärungsbuch über sein Wesen und seine Eigenschaften. Das Säuseln in den Wipfeln des Waldes, und das Rollen des Donners, haben mir geheimnißvolle Dinge von ihm erzählet, die ich in Worten[2] nicht aufsetzen kann. Ein schönes[1] Thal, von abentheuerlichen[3] Felsengestalten umschlossen, oder ein glatter Fluß, worin gebeugte Bäume sich spiegeln, oder eine 〈134〉 heitere[1/5] grüne Wiese von dem blauen Himmel beschienen, – ach diese Dinge haben in meinem inneren Gemüthe mehr wunderbare Regungen zuwege gebracht, haben meinen Geist[19] von der Allmacht und Allgüte Gottes[1] inniger erfüllt, und meine ganze Seele weit mehr gereinigt und erhoben, als es je die Sprache[2] der Worte[1] vermag. Sie ist, dünkt mich, ein allzu irdisches und grobes Werkzeug, um das Unkörperliche, wie das Körperliche, damit zu handhaben. ➢ Volltext
[18] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 243: [D]ie Dichter und ästhetischen Prosaisten stehen nicht mehr, wie vormals, allein im Dienst der Musen, sondern auch im Dienst des Vaterlandes und allen mächtigen Zeitbestrebungen sind sie Verbündete. Ja, sie finden sich nicht selten im Streit mit jenem schönen Dienst, dem ihre Vorgänger huldigten, sie können die
Natur
nicht über die Kunst vergessen machen, sie können nicht immer so zart und ätherisch dahinschweben, die Wahrheit und Wirklichkeit hat sich ihnen zu gewaltig aufgedrungen, und mit dieser, das ist ihre Schicksalsaufgabe, mit dieser muß ihre Kraft so lange ringen, bis das Wirkliche nicht mehr das Gemeine, das dem Ideellen feindlich Entgegengesetzte ist. Daher begreifen sie auch, woher diese Quelle der Behaglichkeit, welche über Goethes Kunstprosa, über Jean Pauls Humor so ruhig und lieblich hinfließt, und der selbst diesem, so unkünstlerisch er auch zu Werke geht, weit mehr die Empfindung der Ruhe und Befriedigung mitteilt, 〈244〉
[19] Adelung, Gesch. Cultur (1782), 23: Der erste Mensch[1] kam aus den Händen seines Schöpfers mit allen menschlichen Fähigkeiten ausgerüstet, deren Ausbildung ihm selbst und dem natürlichen[4] Laufe der Dinge überlassen blieb. Diese mußte aber dem Anfange nach sehr bald erfolgen, weil die ganze Natur um ihn her seine Fähigkeiten zur Thätigkeit aufforderte. Der erste Schritt dazu war die Erfindung vernehmlicher Töne[1], wodurch zugleich die verworrenen Bilder in seiner Seele zur Klarheit gebracht, und klare, und in der Folge deutliche Begriffe[1] erweckt wurden, welche immer mehr Licht in dieselbe brachten, je weiter er auf dem Wege der Spracherfindung fortging. Daß sich seine Sprachfähigkeit bey den Thieren[1] zu entwickeln angefangen, weil sie am nächsten um ihn waren, seine Aufmerksam〈24〉keit am meisten auf sich zogen, und der bequemste Gegenstand zur Erfindung der Sprache{1] waren, erhellet deutlich aus Mosis Erzählung. „Gott ließ,sagte er, die erschaffenen Thiere[1] vor Adam kommen, um zu sehen, wie er sie nennen würde, und welchen Nahmen Adam irgend einem lebendigen Thiere[1] geben würde, den sollte es haben. Adam gab auch wirklich allen zahmen Thieren[1], den Vögeln des Himmels, und allen wilden Thieren[1] Nahmen.“ ➢ Volltext.
[20] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 41: In der Mahlerey[1] ist die Fantasie[19] ein Gemählde, welches nicht nach der Natur oder nach den strengen Regeln der Kunst[8] gemahlt ist; in der Musik[1], ein Stück, welches nicht nach den strengen Regeln der Composition gesetzt ist, sondern gemeiniglich aus dem Stegereife componiret wird. ➢ vgl. [109].
[21] Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (21798), 1037: Das Naturreich oder das Reich der Natur, so wohl in weiterer Bedeutung, der Inbegriff aller vorhandenen Dinge, als auch in engerer, der Inbegriff aller auf und unter der Erde befindlichen Körper; in welcher letztern Bedeutung man das Naturreich wieder in drey besondere Reiche einzutheilen pflegt, welche das Reich der Thiere[1] oder das Thierreich, das Reich der Pflanzen[1] oder das Pflanzenreich, und das Steinreich oder Mineral-Reich genannt werden, den großen Reichthum der Natur aber bey weitem nicht erschöpfen, wie die Polypen, Thierpflanzen, Infusions-Thierchen u. s. f. beweisen..
[22] Adelung, Gramm.-krit. Wb. IV (21801), 1542: Wild, [...] ein Wort, welches überhaupt der durch Cultur[1/3] und Kunst[16] veredelten und erhöheten Beschaffenheit entgegen gesetzet ist. 1. Der physischen Cultur[2] entgegen gesetzt und ihrer beraubt, wo es in den meisten Fällen dem zahm entgegen gesetzt ist, und von Gegenständen aus allen drey Reichen der Natur gebraucht wird. [...] | 〈1543〉 2. Der gesellschaftlichen Cultur[4] beraubt und ihr entgegen gesetzt, im Gegensatz des gesittet. In diesem Verstande sind wilde Menschen [...] Menschen, welche außer der engern gesellschaftlichen Verbindung leben, und daher der Kenntnisse, Fertigkeiten, Sitten des gesellschaftlichern Menschen ermangeln. Da diese engere gesellschaftliche Verbindung sehr vieler Grade fähig ist, so gibt es auch mancherley Arten von Wilden, und da es keine Menschen gibt und geben kann, welche aller gesellschaftlichen Verbindung beraubt seyn sollten, so gebraucht man das Wort nur von solchen Menschen, welche keinen stätigen Aufenthalt haben, und denen die Cultur[1] des Bodens und der Thiere[1] nicht das erste und vornehmste Erhaltungsmittel ist, daher ihre gesellschaftliche Verbindung auch nur schwach seyn kann. Die Menschen bestehen in Ansehung der Cultur[4] aus drey großen Classen, aus Wilden, Barbaren und gesitteten Menschen..
[23] B. v. Arnim, Briefw. Kind I (1835), 38 f.: Wenn man so einsam Nachts in der freien[1] Natur steht, da ist's als ob sie ein Geist[1] wär' 〈39〉 die den Menschen[2] um Erlösung bäte. Soll vielleicht der Mensch[2] die Natur erlösen? ich muß einmal darüber nachdenken; schon gar zu oft hab' ich diese Empfindung gehabt als ob die Natur mich jammernd wehmüthig um etwas bäte, daß es mir das Herz durchschnitt nicht zu verstehen[1] was sie verlangte. ➢ Volltext.
[24] B. v. Arnim, Briefw. Kind I (1835), 327: Wenn wir [...] sehen, wie die Natur spielt, und in diesem Spiel eine Sprache[2] der Weisheit kindlich ausdrückt; wenn sie auf Blumenblätter Seufzer malt, ein O, und Ach, wenn die kleinen Käfer das Kreuz auf ihren Flügeldecken gemalt haben und diese kleine Pflanze[1] eben, so unscheinbar, eine mit Sorgfalt gehegte, künst〈328〉liche Dornenkrone trägt; wenn wir Raupen und Schmetterlinge mit dem Geheimniß der Dreifaltigkeit bezeichnet sehen, dann schaudert uns, und wir fühlen, die Gottheit selber nimmt ewigen Antheil an diesen Geheimnissen; dann glaub' ich immer, daß Religion[2] alles erzeugt hat, ja daß sie selber der sinnliche Trieb zum Leben in jedem Gewächs und jedem Thier[1] ist. ➢ Volltext.
[25] B. v. Arnim, Briefw. Kind II (1835), 182 f.: Der sechste war der junge Maler Ludwig Grimm, von dem ich Dir mein Bildchen und die schönen radierten Studien nach der Natur geschickt habe, so lustig und naif, daß man mit ihm bald zum Kind in der Wiege wird, das um nichts lacht, er theilte mit 〈183〉 mir den Kutschersitz, von wo herab wir die ganze Natur mit Spott und Witz[4] begrüßten [...]..
[26] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 151: Darum hab ich Dich aufgefordert Gedanken, Geschichten[9], Begebenheiten, Fragen, Meinungen etc. nieder zu schreiben, damit Du mir ohne Anstrengung schreiben könnest und Dich nicht dazu erst zu stimmen brauchst [...]. Wie schön[1] sind Deine lezten Briefe[1] 〈151〉 davon erfüllt, wie wahr und warm Deine Reminiscenzen aus den Kinderjahren, wie tief Dein Gedächtniß noch aus Deinem ersten und zweiten Lebensjahr. Liebste Bettine bedenk Dich doch, daß solche Eigenschaften von der Natur als köstlichstes Lebensgeschenk in die Seele geprägt sind, daß es feinste Organisation[8] des Geisteslebens ist so schreiben zu können. ➢ Volltext.
[27] Beethoven, an J. Deym (1805), B 1, 247: Von ihr – | der einzig Geliebten – warum giebt es keine Sprache[1] die das Ausdrücken kann was noch weit über Achtung – weit über alles ist – was wir noch nennen können – o wer kann Sie aussprechen, und nicht fühlen daß so viel er auch über Sie sprechen möchte – das alles nicht Sie – erreicht – – nur in Tönen[11] – Ach bin ich nicht zu stolz, wenn ich glaube, die Töne[11] wären mir williger als die Worte[2] – Sie Sie mein Alles meine Glückseeligkeit – Ach nein – auch nicht in meinen Tönen[11] kann ich es, obschon
[28] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 39 f. (40): Dem Menschen[1] gegenüber, als reizender, Empfindungen veranlassender, und die Sinnlichkeit berührender Stoff, erscheint, und wird eine Außenwelt angenommen, zu der auch die Geschöpfe seiner Gattung gehören. Der 〈40〉 Mensch[1] als eine thierische Natur[10] und ein vernünftiges Wesen, steht in doppelter Beziehung auf dieselbe, in letzterer Rücksicht liefert sie ihm den Stoff für die innern Kräfte, in der erstern ist er durch Bedürfnisse aller Art, durch unzerreisbare Bande in jedem Augenblicke gefesselt. Ja dies Band ist noch enger bei dem Menschen[1], als bei den Thieren[1]; denn seine Bedürfnisse sind weit mannigfaltiger, und die Natur[2], um das thätige Spiel seiner Kräfte mehr zu begünstigen, hat ihn weit mittelbarer in ihren Schutz genommen. Daher muß er für seine Erhaltung in einem hohen Grade selbstthätig sein, er kann die Natur[2] nicht genießen, wie er sie vorfindet, sondern muß sie verwandeln und verändern, um sie seinen Bedürfnissen anzupassen. ➢ Volltext.
[29] A. F. Bernhardi, Wiss. u. Kunst (1802), 75: Nun werft einmal einen Blick auf die Natur, wie sie sich vor euren Augen ausbreitet, wie sie sich euch darstellt [...]. Da werdet ihr es bemerken, daß alles ausgeht von einem Einfachen, Bleibenden, Festen; sich dann zu der Organisation[5] der Pflanzenwelt und der willkührlichen Bewegung, bis zu dem Thiere[1] aufschwingt, bis sich diese in der sinnlichen Erscheinung des menschlichen Körpers schließt, die sogenannten geistigen Organe[3] beginnen, bis endlich die Vernunft[1] als höchste Spitze die Pyramide des Universums endet. ➢ Volltext.
[30] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 50: Der Mensch kann [...] die Natur als Stoff für seine Einbildungskraft und sein Erkenntnißvermögen behandeln; und obgleich beide Ansichten ursprünglich eine sind, und am Ende wieder zusammenfallen; so giebt es doch einen großen Zeitraum, in welchem beide geschieden sind, und in welchem Poesie[7] und Spekulation sich gradezu entgegen gesetzt werden. Auch die Poesie[7] und die Spekulation, Dichten und Denken, hat zwei Epochen; entweder wir ahnden[1] nur die Freiheit[10], welche diese Operationen begleitet, oder wir sind uns derselben deutlich bewußt. Die Poesie[7] producirt nun Bilder, der Verstand[2] Begriffe[1], und diese beiden Produktionen befassen wir unter dem Namen der freien Vorstellungen. Aus diesen entsteht aber das Correlat, die freien Darstellungen, von welchen eine Art als Darstellungsstoff auch den artikulirten Ton[1] wählen kann, wodurch dann freie Sprachdarstellungen als Produkte hervorgehen. ➢ Volltext.
[31] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 445: Durch die ganze Natur und Menschheit[2] fluthet ewig derselbe Strom, den unendlichen nimmt keine Brust in sich auf, liebevoll schließt sie sich an das einzelne, und sucht und findet da die Gottheit. Sie predigt der Strohhalm, wie die ewigen Sterne[1] sie verkündigen, und sollte sie nicht in der Sprache[1] dem Organ[1] der Geselligkeit der Wissenschaft[1] und der Kunst[2] wohnen?.
[32] S. Bernhardi, Wunderb. u. Träum. (1802), 20 f. (21): Alwino [...] ging hinter seiner Heerde, und blies auf der Flöte, der helle Ton[11] ermunterte die Vögel, sie stimmten mit ihrem Gesange in seine Lieder ein. Die Hunde hielten bellend die Heerde bei einander, und Echo rief ihre schallenden Töne[1] zurück. Da warf Alwino die Flöte von sich, und setzte sich nieder auf den Boden. So finde ich denn nirgend Trost für mein Herz, rief er aus, dessen thörichte Wünsche ich selber nicht kenne. Wie in einer fremden[4] 〈21〉 Sprache[3] redet die Natur zu mir, ich verstehe nur, daß jeder Klang mir etwas gebietet, aber ich kann die Befehle nicht begreifen. ➢ Volltext.
[33] C. Böhmer, an Ch. Michaelis (1. 3. 1785), C 1, 108: Auf fremdem[4] Boden komt einem alles fremder[4] vor, man wundert sich über Ungethüme, die man sonst alle Tage sah, ohn sie für etwas anders als gewöhnliche Geschöpfe der Natur zu halten..
[34] S. Boisserée, Denkm. Baukunst (1833), 33 f. (34): Dieses Laubwerk gehört der Uebergangszeit ganz eigenthümlich an; [...] und so steht es mit seinen aus eingewickelten Blättern bestehenden Knospen recht symbolischer Weise in der Mitte 〈34〉 zwischen dem starren Schnörkelwerk der romanischen[4] Bauart und dem reichen Blätterschmuck, welcher in der deutschen[4] Baukunst sich aus freier[17] Nachahmung der Natur in ganzer Fülle entfaltete..
[35] Börne, Ew. Jud. (*1821; 1829), SS 2, 514: Als ich in der geräuschvollen Mitte dieses Buches im Hauptquartier des Judenhasses angekommen war, gedachte ich zu spotten und dem Verfasser zu sagen: er möchte [...] einen Juden[1] lebendig aufschlitzen und sich überzeugen, daß Lunge und Leber, Herz und Nieren, Gehirn und Magen ganz so gebildet und geordnet seien wie bei Christen, und dann solle er mir erklären, wo die Anweisung der Natur wäre, die Juden[1] nicht wie Menschen[1] zu behandeln. Aber meine Ironie[3] fand nichts zu spitzen, die Wahrheit ist schon spitz genug. Der Verfasser hat dafür gesorgt, daß seine Grundsätze nicht karikiert werden können. [...] Er erschrickt gewaltig vor dem Anwachse jüdischer Bevölkerung und schreibt sie dem häufigen Zwiebelessen der Juden[1] zu..
[36] Brentano, Sänger (1801), 202 f. (203): Da öffnete sich leise die Thüre, der stumme Knabe trat herein, er richtete mich auf und ich las in seiner Miene die Angst[1] des Schmerzes, der sich nicht äußern kann. [...] 〈203〉 [...] Gott möge sein stilles inneres Gebet hören, und die Natur freundlich mit ihm sprechen lassen, da er ihm die Sprache[16] versagte..
[37] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 23: Allein die Menschheit[2] steht in diesem Erdtheile [sc. Afrika] ohne Zweifel auf der niedrigsten Stufe der Cultur[4] und Vollkommenheit; beide, die Natur[1/2] und die Menschen[1], welche letztern so oft die schönsten[6] Anlagen jener zerstören, scheinen sich vereinigt zu haben, dieses zu bewirken..
[38] Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 426 f.: Diese natürliche[5] Physiologie theilt sich wieder | α) in die Metaphysik der körperlichen Natur, 〈427〉 welche die Critik[1] des auf die Natur anzuwendenden reinen Verstandeserkenntnisses, mithin die Grundsätze aller Physik, enthält, | β) in die Metaphysik der denkenden Natur..
[39] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 326: Romantisch[7/4]. Da die meisten Romane[1] die Menschen[1] und Begebenheiten nicht so schildern, wie sie in der Natur und in der wirklichen Welt erscheinen, sondern so, wie sie nach einem ästhetischen oder moralischen Ideale sein sollten, oder wie sie die oft überspannte Phantasie[3] des Dichters sich erträumt; so nennt man romantisch[7/4], im guten und schlimmen Sinne[1], alles, was entweder durch idealische[1] Vollkommenheit, oder durch abenteuerliche[3] Seltsamkeit und Verschrobenheit von dem Gewöhnlichen abweicht. So heißt ein Gesicht romantisch[7], wenn es bei dem sanften Ausdrucke von Unschuld, Zärtlichkeit, Offenheit ein reitzbares Gefühl für Freundschaft, Liebe[1], Menschlichkeit verräth – eine Gegend, eine Lage, wenn ihre erhabnen oder rührenden Schönheiten[1] nicht durch blinde Naturkraft zusammengestellt, sondern nach einem künstlichen Plane zu Erweckung sanfter oder erhabner Empfindungen absichtlich angelegt scheinen – ein Charakter[6], in dem Neigung zum Ungewöhnlichen, Freundschaft, Liebe[1], Patriotismus, hoher Glaube an die Tugend oder Erwartung eines seltsam glücklichen Ausgangs wohlgemeinter Unternehmungen u. s. w. oder auch schlichte Sitteneinfalt, Vernachlässigung des Herkommens, der Mode, der Formalitäten, der Hofsitte in den Handlungen des gemeinen Lebens, vornehmlich aber in der Wahl des Standes, des Gatten, der Freunde hervorstechend sind. Allerdings kann sowohl der Hang zu idealisiren, als die treue Anhänglichkeit an die Natur auf Abwege verleiten, jener kann unter das gewöhnlich Gute herabsinken lassen, welches er zu überfliegen, diese von der Natur entfernen, welcher er anzunähern strebt; allein die 〈327〉 Grundlage des Romantischen[7] ist edel und schön[1]. In der wirklichen Welt, d. h. in der Welt der gemeinen Menschen[1], die durch Eigennutz, Gewohnheit – Vorurtheil regiert wird, verstößt freilich ein romantischer[7] Sinn[5/9] mit jedem Schritte. Flache seelenlose Weltleute, Schlendriansmänner, die da in der Meinung stehen, alles müsse so sein, wie es bisher war und noch ist, glauben daher, einen uneigennützigen Charakter[6], ein edles Streben, sich und die Menschheit[2] zu vervollkommnen, nicht leichter herabwürdigen zu können, als durch den Vorwurf des Romantischen[7]..
[40] Büchner, Leonce u. Lena (1838), WuB, 117: Valerio. [...] Ich werde mich indessen in das Gras legen und meine Nase oben zwischen den Halmen herausblühen lassen und romantische[7] Empfindungen beziehen, wenn die Bienen und Schmetterlinge sich darauf wiegen wie auf einer Rose. | Leonce. Aber Bester, schnaufen Sie nicht so stark, oder die Bienen und Schmetterlinge müssen verhungern über den ungeheuren Prisen, die Sie aus den Blumen ziehen. | Valerio. Ach Herr, was ich ein Gefühl für die Natur habe! Das Gras steht so schön, daß man ein Ochs sein möchte, um es fressen zu können, und dann wieder ein Mensch, um den Ochsen zu essen, der solches Gras gefressen. | Leonce. Unglücklicher, Sie scheinen auch an Idealen zu laborieren..
[41] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 315: Es ist weder Vergnügen noch Ehre gegen einen Schriftsteller zu Felde zu ziehen, dem die Natur die Talente versagt hat, zu seyn, was 〈316〉 er gern wäre, ein blendender Sophist; und der in Gedanken und Ausdruk zur lezten Klasse[1] der Autoren gehört, welche gerade vor den Skriblern hergeht: und gewiß hätte ich mich dieser undankbaren Arbeit überhoben, wenn nicht ebenderselbe durch seinen schneidenden Ton[3] von einigen gutmüthigen Lesern ertrotzt zu haben schiene, ihn in die erste Klasse[1] der Schriftsteller Deutschlands zu setzen..
[42] G. Forster, Reise u. d. Welt I (1778), 332: Bey dieser einsam gelegenen und von der Natur so reichlich gesegneten Gegend, wo wir ohne andre Gesellschaft als unsre beyden Indianer im Grase ruheten, fielen uns mit Recht die Beschreibungen der Dichter von bezauberten Inseln ein, die, als das Werk einer unbeschränkten Einbildungskraft[1], gemeiniglich mit allen möglichen Schönheiten[3] geschmückt zu seyn pflegen. Würklich hatte dieser Fleck viel Aehnlichkeit mit dergleichen romantischen[7] Schilderungen..
[43] G. Forster, Brodbaum (1784), 10: [Indonesien:] Die Fische im dortigen Meere, die Schmetterlinge und andere Insekten wetteifern mit einander um den Preis der Seltenheit, es sey an Gestalt oder Farbe. Eben so reich ist das Kleid unzähliger Gattungen des Geflügels. Doch schimmern vor allen die Paradiesvögel, wie die seltengesehenen Bewohnerinnen eines asiatischen Harems, mit vielfarbigem Gold übergossen, und in den Purpur der Morgenröthe getaucht. Endlich treten auch die grösseren Thiere[1] in mannigfaltiger Bildung[10] einher, mit einem Geschöpf an ihrer Spitze [sc. Orang-Utan], in dessen menschenähnlicher Gestalt die Natur vielleicht hat zeigen wollen, wie genau sie das Meisterstück der Schöpfung, wenigstens im äusserlichen, mit ihren Formen nachbilden könne! [...] | 〈11〉 Nach welchen Gesetzen diese göttliche Bildnerin bey der Austheilung ihrer Güter verfährt, und in wie fern das Klima[1] eines jeden Orts zum Daseyn bestimmter organischer[3] Körper mit ihren eigenthümlichen Gestalten und Eigenschaften, als hervorbringende Ursache mitwürken kann? dies gehört noch beides in die Reihe ausser unserm Gesichtskreise liegender Dinge. Einst werden aber auch diese dem weiterschauenden Weltweisen offenbar, wenn er mit den Materialien, die wir sammeln, das grosse kaum noch gegründete Lehrgebäude der Physik vollendet haben wird. Ein Zaubernetz von unzähligen Fäden und durcheinandergeschürzten Knoten, wo Eins mit Allen und Alles mit Einem zusammenhängt, ein System voll himmlischer Uebereinstimmung wird er einst in der Mannigfaltigkeit der Schöpfung finden, wo unser begränzter Blick jetzt nur das Gaukeln einer unerschöpflichen Phantasie[2] wahrzunehmen glaubt, die ihr Füllhorn auf gerathewohl ausgeschüttet hat..
[44] G. Forster, Menschenraßen (1786), W 2, 100: Weisser! der du so stolz und selbstzufrieden wahrnimmst, daß wohin du immer drangst, Geist[12] der Ordnung und Gesetzgebung den bürgerlichen Vertrag begründeten, Wissenschaft und Kunst[2] den Bau der Kultur[4] vollführen halfen; der du fühlst, daß überall im weiten volkreichen Afrika die Vernunft[1] des Schwarzen nur die erste Kindheitsstufe ersteigt, und unter deiner Weisheit erliegt – Weisser! du schämst dich nicht am Schwachen deine Kraft zu misbrauchen, ihn tief hinab zu deinen Thieren[1] zu verstossen, bis auf die Spur der Denkkraft in ihm vertilgen zu wollen? Unglücklicher! von allen Pfändern, welche die Natur deiner Pflege anbefohlen hat, ist er das edelste..
[45] C. de la Motte Fouqué, Fr. d. Falkenst. II (1810), 45: Mein Knab' war schön[1] wie die Engel sind, er verstand die Sprache[2] der Thiere[1] und jeden Laut in der Natur..
[46] Goethe, an G. F. E. Schönborn (1. 6.–4. 7. 1774), WA IV, 2, 172: Noch einige Plane zu grosen Dramas hab ich erfunden, das heisst das interessante[1] Detail dazu in der Natur gefunden und in meinem Herzen..
[47] Goethe, Tasso (1790), WA I, 10, 158 f. (159): Was du dir hier erlaubst, das ziemt auch mir. | Und ist die Wahrheit wohl von hier verbannt? 〈159〉 Ist im Palast der freie Geist gekerkert? | Hat hier ein edler Mensch[1] nur Druck zu dulden? | Mich dünkt, hier ist die Hoheit erst an ihrem Platz, | Der Seele Hoheit! Darf sie sich der Nähe | Der Großen dieser Erde nicht erfreun? | Sie darf's und soll's. Wir nahen uns dem Fürsten | Durch Adel[1/5] nur, der uns von Vätern kam; | Warum nicht durch's Gemüth, das die Natur | Nicht jedem groß verlieh, wie sie nicht jedem | Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte..
[48] Goethe, Symbolik (*1805), WA II, 11, 167: Durch Worte[1] sprechen wir weder die Gegenstände noch uns selbst völlig aus. | Durch die Sprache[1] entsteht gleichsam eine neue Welt, die aus Nothwendigem und Zufälligem besteht. | Verba valent sicut numi. Aber es ist ein Unterschied unter dem Gelde. Es gibt goldne, silberne, kupferne Münzen und auch Papiergeld. In den erstern ist mehr oder weniger Realität, in dem letzten nur Convention. | Im gemeinen Leben kommen wir mit der Sprache[1] nothdürftig fort, weil wir nur oberflächliche Verhältnisse bezeichnen. Sobald von tiefern Verhältnissen die Rede ist, tritt sogleich eine andre Sprache[3] ein, die poetische[4]. | Indem wir von innern Verhältnissen der Natur sprechen wollen, bedürfen wir gar mancherlei Bezeichnungsweisen. | Ich erwähne hier [...]: | Symbole, | 1. die mit dem Gegenstand physisch-real-identisch sind, [...] 〈168〉 [...] | 2. Die mit dem Gegenstande ästhetisch-ideal-identisch sind. Hieher gehören alle guten Gleichnisse, wobei man sich nur vor dem Witz[2] zu hüten hat, welcher nicht das Verwandte aufsucht; sondern das Unverwandte scheinbar annähert..
[49] Goethe, Farbenl. Hist. Thl. I (1810), WA II, 3, 287: Wenn [Athanasius] Kircher auch wenig Probleme auflös't, so bringt er sie doch zur Sprache[11] und betastet sie auf seine Weise. Er hat eine leichte Fassungskraft, Bequemlichkeit und Heiterkeit[4] in der Mittheilung, und wenn er sich aus gewissen technischen Späßen, Perspectiv- und Sonnenuhr-Zeichnungen gar nicht loswinden kann, so steht die Bemerkung hier am Platze, daß, wie jenes im vorigen Jahrhundert bemerkliche höhere Streben nachläßt, wie man mit den Eigenschaften der Natur bekannter wird, wie die Technik zunimmt, man nun das Ende von Spielereien und Künsteleien gar nicht finden, sich durch Wiederholung und mannichfaltige Anwendung eben derselben Erscheinung, eben desselben Gesetzes, niemals ersättigen kann; wodurch zwar die Kenntniß verbreitet, die Ausübung erleichtert, Wissen und Thun aber zuletzt geistlos wird. Witz[1] und Klugheit arbeiten indessen jenen Forderungen des Wunderbaren entgegen und machen die Taschenspielerei vollkommner..
[50] Goethe, an C. L. F. Schultz (24. 9. 1817), WA IV, 28, 262: In früheren Zeiten suchte ich nur an Freunden die zustimmende Seite, da sich denn im Laufe des Umgangs die abstimmende oft von selbst zeigte; jetzt such ich die Differenzen zuerst, damit die Einigkeit daraus hervorgehe. Es ist doch zuletzt alles eine Art von Sprache[3], wodurch wir uns erst 〈262〉 mit der Natur, und auf gleiche Weise mit Freunden unterhalten möchten. Diese haben nun etwa einen wenig abweichenden Dialect[1] und da giebt es wohl einmal ein Mißverständniß, das aber wohl zu lösen ist wenn man sich eines gemeinsamen Idiodikons befleißigt..
[51] Goethe, an C. E. Schubarth (21. 8. 1819), WA IV, 31, 272: So eben lasse ich an meiner Morphologie weiter drucken. Ältere hervorgesuchte Aufsätze nöthigen mich unmittelbar wieder an die
Natur
, die, Gott sei Dank! immer classisch bleibt; ihre ewig unwandelbar große Wahrheit vereinigt mehr und mehr die Menschen. Ich wenigstens darf mich freuen, daß junge, tüchtige, den Gegenständen auf's Mark dringende Freunde auch in dem Sinne wandeln, aus dem ich mich seit so vielen Jahren nicht entfernen konnte..[52] Grosse, Genius I (1791), 205: Der Garten war zwar etwas verwildert, aber er hatte [...] dadurch gewonnen, daß er seine Kunst[13] von der Natur[2/19] hatte wieder verdrängen lassen..
[53] Gutzkow, Wally (1835), 197: Religion[1] ist Verzweiflung am Weltzweck. Wüßte die Menschheit[2], wohin ihre Leiden und Freuden tendieren, wüßte sie ein sichtbares Ziel ihrer Anstrengungen, einen Erklärungsgrund für dies wirre Durcheinander der Interessen, für die Tapezierung des Firmaments, für die wechselnde Natur, für Frost, Hitze, Regen, Hagel, Blitz und Donner, sie würde an keinen Gott glauben. In progressiver[2] Entwicklung folgt hieraus dreierlei: der natürliche[4] Ursprung der Religion[1], die Accomodation der göttlichen Begriffe[1] an den jedesmaligen Bildungsgrad und zuletzt die Unmöglichkeit historischer Religionen[1] bei steigender Aufklärung..
[54] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 158: Die unbelebten Körper der unorganischen Natur haben ihre feste Räum〈159〉lichkeit, sie sind eins mit ihrem Ort und an ihn gebunden, oder von außen her bewegt. | Denn ihre Bewegung geht nicht von ihnen selbst aus, und wenn sie deshalb an ihnen hervortritt, erscheint sie als eine ihnen fremde[5] Einwirkung, welche aufzuheben sie das reagirende Streben haben. Und wenn auch die Bewegung der Planeten u. s. f. nicht als äußerer Anstoß und als den Körpern fremdartig erscheint, so ist sie doch an ein festes Gesetz und dessen abstrakte Nothwendigkeit gebunden. Das lebendige Thier[1] aber in seiner freien[5] Selbstbewegung negirt das Gebundenseyn an den bestimmten Ort aus sich selbst, und ist die fortgesetzte Befreiung von dem sinnlichen Einsseyn mit solcher Bestimmtheit. ➢ Volltext.
[55] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 208: In dieser Weise hat z. B. die holländische Malerei die vorhandenen flüchtigen Scheine der Natur als vom Menschen neuerzeugte zu tausend und aber tausend Effekten umzuschaffen gewußt. Sammet, Metallglanz, Licht, Pferde, Knechte, alte[2] Weiber, Bauern aus Pfeifenstummeln den Rauch heraus blasend, das Blinken des Weins im durchsichtigen Glase, Kerle in schmutzigen Jacken mit alten[1] Karten spielend, solche und hunderterlei andere Gegenstände, um welche wir uns im alltäglichen Leben kaum bekümmern, da uns selbst, wenn auch wir Karten spielen, trinken und von die〈209〉sem und Jenem schwatzen, noch ganz andre Intressen ausfüllen, werden uns in diesen Gemälden vors Auge gebracht. Was uns nun aber bei dergleichen Inhalt, insofern ihn die Kunst[11] uns darbietet, sogleich in Anspruch nimmt, ist eben dieß Scheinen und Erscheinen der Gegenstände als durch den Geist[20] producirt, welcher das Aeußere und Sinnliche der ganzen Materiatur im Innersten verwandelt. Denn statt existirender Wolle, Seide, statt des wirklichen Haares, Glases, Fleisches und Metalls sehen wir bloße Farben, statt der totalen Dimensionen, deren das Natürliche[5] zu seiner Erscheinung bedarf, eine bloße Fläche, und dennoch haben wir denselben Anblick, den das Wirkliche giebt. | [...] Gegen die vorhandene prosaische[3] Realität ist daher dieser durch den Geist[20] producirte Schein das Wunder der Idealität, ein Spott, wenn man will, und eine Ironie[1] über das äußerliche natürliche[4] Daseyn. ➢ Volltext.
[56] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 333: Der Mensch[1] [...] hat sich selbst und die Umgebung, in welcher er lebt, nicht nur auszuschmücken, sondern er muß die Außendinge auch praktisch zu seinen praktischen Bedürfnissen und Zwecken verwenden. In diesem Gebiete geht erst die volle Arbeit, Plage und Abhängigkeit des Menschen[1] von der Endlichkeit und Prosa[4] des Lebens an, und es fragt sich daher hier vor allem, in wie weit auch dieser Kreis den Fordrungen der Kunst[8] gemäß könne dargestellt werden. | [...] Die nächste Weise, in welcher die Kunst[18] diese ganze Sphäre, um welche es handelt, zu beseitigen versucht hat, ist die Vorstellung eines sogenannten goldenen Zeitalters oder auch eines idyllischen Zustandes. Von der einen Seite her befriedigt dann dem Menschen[1] die Natur[2] mühelos jedes Bedürfniß, das sich in ihm regen mag, von der anderen her begnügt er sich in seiner Unschuld mit dem was Wiese, Wald, Heerden, ein Gärtchen, eine Hütte u. s. f. ihm an Nahrung, Wohnung und sonstigen Annehmlichkeiten bieten können, indem alle Leidenschaften des Ehrgeizes oder der Habsucht, Neigungen, welche dem höheren Adel[5] der menschlichen Natur[1] zuwider erscheinen, noch durchweg schweigen[4]. ➢ Volltext.
[57] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 105: In der freieren[11] Entfaltung [...] der italienischen Malerei haben wir [...] einen anderen Charakter[1] der Kunst[4] aufzusuchen. Außer dem religiösen Inhalt des alten[1] und neuen[3] Testaments und der Lebensgeschichten von Märtyrern und Heiligen entnimmt sie ihre Gegenstände größtentheils nur aus der griechischen[2] Mythologie, selten dagegen aus den Ereignissen der Nationalgeschichte, oder [...] aus der Gegenwart und Wirklichkeit des Lebens; gleich selten, spät und vereinzelt erst, aus der landschaftlichen Natur. Was sie aber für die Auffassung und künstlerische Ausarbeitung des religiösen Kreises vornehmlich hinzubringt, ist die lebendige Wirklichkeit des geistigen und leiblichen Daseyns, zu welcher jetzt alle Gestalten sich versinnlichen und beseelen. Für diese Lebendigkeit bildet von Seiten des Geistes[19] jene natürliche[2] Heiterkeit[4], von Seiten des Körpers jene entsprechende Schönheit[1] der sinnlichen Form das Grundprincip, welche für sich, als schöne[1] Form schon, die Unschuld, Frohheit, Jungfräulichkeit, natürliche[2] Grazie des Gemüths, Adel[5], Phantasie[1] und eine liebevolle Seele ankündigt. ➢ Volltext.
[58] Heine, Buch d. Lied. (≥1827), DHA 1.1, 168: Philister in Sonntagsröcklein | Spatzieren durch Wald und Flur; | Sie jauchzen, sie hüpfen wie Böcklein, | Begrüßen die schöne[4] Natur. || Betrachten mit blinzelnden Augen | Wie Alles romantisch[4] blüht; | Mit langen Ohren[2] saugen | Sie ein der Spatzen Lied. .
[59] Heine, Romant. Schule (1836), 207: Kennt ihr China, das Vaterland der geflügelten Drachen und der porzellanenen Theekannen? [...] Die Natur mit ihren grellen, verschnörkelten Erscheinungen, abentheuerlichen[3] Riesenblumen, Zwerg〈208〉bäumen, verschnitzelten Bergen, barock wollüstigen Früchten, aberwitzig geputzten Vögeln, ist dort eine ebenso fabelhafte Carrikatur wie der Mensch[1] mit seinem spitzigen Zopfkopf, seinen Bücklingen, langen Nägeln, altklugem Wesen und kindisch einsilbiger Sprache[3]. ➢ Volltext.
[60] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 44: Alle Kräfte unsrer und der Thierseelen sind nichts als Metaphysische Abstraktionen, Würkungen! sie werden abgetheilt, weil sie von unserm schwachen Geiste[22] nicht auf einmal betrachtet werden konnten: sie stehen in Kapiteln, nicht, weil sie so Kapitelweise in der Natur würkten, sondern ein Lehrling sie sich vielleicht so am besten entwickelt. Daß wir gewisse ihrer Verrichtungen unter gewisse Hauptnamen gebracht haben z. E. Witz[2], Scharfsinn, Phantasie[1], Vernunft, ist nicht, als wenn je eine einzige Handlung des Geistes[19] möglich wäre, wo der Witz[2] oder die Vernunft allein würkt: sondern nur, weil wir in dieser Handlung am meisten von der Abstraktion entdecken, die wir Witz[2] oder Vernunft nennen, z. E. Vergleichung oder Deutlichmachung der Ideen: überall aber würkt die ganze unabge〈45〉theilte Seele. ➢ Volltext.
[61] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 77: Der Mensch[1] ist also als ein horchendes, merkendes Geschöpf zur Sprache[1] natürlich[4] gebildet, und selbst ein Blinder und Stummer, siehet man, mußte Sprache[1] erfinden, wenn er nur nicht fühllos und taub ist. Setzet ihn gemächlich und behaglich auf eine einsame Insel: die Natur wird sich ihm durchs Ohr[3] offenbaren: tausend Geschöpfe, die er nicht sehen kann, werden doch mit ihm zu sprechen scheinen, und, bliebe auch ewig sein Mund und sein Auge verschlossen, seine Seele bleibt nicht ganz ohne Sprache[1]. Wenn die Blätter des Baumes dem armen Einsamen Kühlung herabrauschen, wenn der vorbeimurmelnde Bach ihn in den Schlaf wieget, und der hinzusäuselnde West seine Wangen fächelt – das blöckende Schaaf giebt ihm Milch, die rieselnde Quelle Wasser, der rau〈78〉schende Baum Früchte – Interesse gnug, die wohlthätigen Wesen zu kennen, Dringniß gnug, ohne Augen und Zunge in seiner Seele sie zu nennen. Der Baum wird der Rauscher, der West Säusler, die Quelle Riesler heißen – Da liegt ein kleines Wörterbuch fertig und wartet auf das Gepräge der Sprachorgane. ➢ Volltext.
[62] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 87: Was so viele Alten[10] sagen und so viel Neuere[5] ohne Sinn[2] nachgesagt, nimmt hieraus sein sinnliches Leben: „daß nemlich Poesie[11] älter[1] gewesen, als Prosa[2]!“ denn was war diese erste Sprache[3] als eine Sammlung von Elementen der Poesie[[11]? Nachahmung der tönenden, handelnden, sich regenden Natur! [...] Ein Wörterbuch der Seele, was zugleich Mythologie und eine wun〈88〉derbare Epopee von den Handlungen[1] und Reden aller Wesen ist! Also eine beständige Fabeldichtung mit Leidenschaft und Interesse! – Was ist Poesie[11] anders? ➢ Volltext.
[63] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 178: Das Weib[1], in der Natur so sehr der schwächere Theil, muß es nicht von dem erfahrnen, versorgenden, sprachbildenden Manne Gesetz annehmen? Ja heißts Gesetz, was blos milde Wohlthat des Unterrichts ist? Das schwache Kind, das so eigentlich ein Unmündiger heißt, muß es nicht Sprache[1] annehmen, da es mit ihr die Milch seiner Mutter und den Geist[26] seines Vaters genießet? ➢ Volltext.
[64] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 140: Das Auge des unbefangenen Naturmenschen blickt auf die Natur und erquickt sich, ohne es zu wissen, schon an ihrem Gewande; oder es arbeitet in seinem Geschäft und indem es die Abwechselung der Jahrszeiten genießt, altert es kaum im höchsten Alter. Unzerstreuet von Halbgedanken und unverwirrt von schriftlichen Zügen, höret das Ohr[3] ganz, was es höret; es trinkt die Rede in sich, die wenn sie auf bestimmte Gegenstände weiset, die Seele mehr als eine Reihe tauber Abstractionen befriedigt. So lebet, so stirbt der Wilde, satt aber nicht überdrüßig der einfachen Vergnügen, die ihm seine Sinne[4] gaben..
[65] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 150: Wo irgend Bewegung in der Natur ist, wo eine Sache zu leben scheint und sich verändert, ohne daß das Auge die Gesetze der Veränderung wahrnimmt: da höret das Ohr[3] Stimmen[3] und Rede, die ihm das Räthsel des Gesehenen durchs Nichtge〈151〉sehene erklären: die Einbildungskraft[1] wird gespannt und auf ihre Weise d. i. durch Einbildungen befriedigt. Ueberhaupt ist das Ohr[3] der furchtsamste, der scheueste aller Sinne[4]; es empfindet lebhaft, aber nur dunkel: es kann nicht zusammenhalten, nicht bis zur Klarheit vergleichen: denn seine Gegenstände gehn im betäubenden Strom vorüber. Bestimmt, die Seele zu wecken, kann es, ohne Beihülfe der andern Sinne[4] insonderheit des Auges, sie selten bis zur deutlichen Gnugthuung belehren..
[66] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 185 f.: Glücklich, daß die Natur das weibliche[1] Herz mit einem unnennbar-zarten und starken Gefühl für den persönlichen Werth des 〈186〉 Mannes ausgerüstet und geschmückt hat. Durch dies Gefühl erträgt sie auch seine Härtigkeiten: sie schwingt sich in einer süßen Begeisterung[3] so gern zu allem auf, was ihr an ihm edel, groß, tapfer, ungewöhnlich dünket: mit erhebender Theilnehmung hört sie männliche Thaten, die ihr, wenn der Abend kommt, die Last des beschwerlichen Tages versüßen und es zum Stolz ihr machen, daß sie, da sie doch einmal zugehören muß, einem solchen Mann gehöre. Die Liebe des Romantischen[7] im weiblichen[1] Charakter[1] ist also eine wohlthätige Gabe der Natur, Balsam für sie und belohnende Aufmunterung des Mannes: denn der schönste[6] Kranz des Jünglings war immer die Liebe der Jungfrau..
[67] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 10 f. (11): [W]ie die Magnetnadel in Sina nicht die Europäische Abweichung hat: 〈11〉 so konnten aus diesem Menschenstamme in dieser Region auch niemals Griechen und Römer werden. Sinesen waren und blieben sie, ein Volksstamm mit kleinen Augen, einer stumpfen Nase, platter Stirn, wenig Bart, großen Ohren[1] und einem dicken Bauch von der Natur begabet; was diese Organisation[5] hervorbringen konnte, hat sie hervorgebracht, etwas anders kann man von ihr nicht fodern..
[68] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 146: Und so ward jenes einzige Gepräge der griechischen[2] Sprache[3], das nicht von stummen Gesetzen erpreßt, das durch Musik[6] und Tanz, durch Gesang und Geschichte[2], endlich durch den plauderhaften freien[13/6] Umgang vieler Stämme und Colonien wie eine lebendige Form der Natur entstanden war. Die nordischen Völker[1] Europens hatten bei ihrer Bildung[3] dies Glück nicht. Da ihnen durch fremde[1/5] Gesetze und durch eine Gesanglose Religion[1] ausländische Sitten gegeben wurden; so verstummete auch ihre Sprache[3]. Die Deutsche z. B. hat unstreitig viel von ihrer innern Biegsamkeit, von ihrer bestimmtem Zeichnung in der Flexion der Worte, ja noch mehr von jenem lebendigen Schall verlohren, den sie unter günstigem Himmelsstrichen ehedem hatte. Einst war sie eine nahe Schwester der griechischen[2] Sprache[3] und jetzt wie fernab von dieser ist sie gebildet! [...] Nur die griechische[2] Sprache[3] ist wie durch Gesang entstanden: denn Gesang und 〈147〉 Dichtkunst und ein früher Gebrauch des freien[6] Lebens hat sie zur Musensprache der Welt gebildet..
[69] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 298: [O]bwohl das Eisen in der ganzen Natur so allgemein verbreitet ist, daß es fast in allen Steinen und Gewächsen, so wie durchaus in allen Thieren[2] vorkommt, so liegt es doch so versteckt, daß es nur dem hohen Standpunkt, auf dem die Wissenschaften[3] jetzt stehen, zu danken ist, daß wir dieses kennen lernten..
[70] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 50: In jener schönern[1] Zeit[3], wo noch die ganze Natur dem Menschen[1] näher stand, wo jeder Baum, jede Blume lebte und selbst das zutraulichere Thier[1] den Menschen[1] mit sprechenden Augen ansah, in den Tagen, wo der Mensch[1] noch ein harmloses Kind war, und unbefangen mit den ihn umgebenden Gegenständen spielte, in jener Zeit[3] einer einfachen unschuldigen Sinnlichkeit entstand die Fabel. .
[71] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. V (1835), 419: Infusionsthierchen, die kleinsten, uns sichtbaren, lebenden Geschöpfe, zu deren Kenntniß wir erst durch die Erfindung des zusammengesetzten Mikroskops gekommen sind. Sie sind vielleicht das Wunderbarste und Feinste, was die Natur hervorgebracht hat. Man entwickelt sie aus jeder Substanz, welche der Fäulniß unterworfen ist, durch Aufguß von Wasser (daher Infusionsthiere). Nachdem dieß einige Tage gestanden, bildet sich in der Flüssigkeit eine ganze Welt lebender Thiere[1] in den sonderbarsten, mannichfaltigsten Formen, die sich lustig herumtummeln, ganze Reisen durch einen Wassertropfen machen, sich gegenseitig bekämpfen und aufzehren etc., bis der Tropfen durch die Temperatur der Luft trocknet und so die ganze, wunderbar belebte Welt in das ursprüngliche Chaos zurücksinkt..
[72] Hirschfeld, Gartenkunst I (1779), 3: Die Natur hatte den Menschen gebildet, die Freuden der schönen[4] Jahrszeiten zu genießen [...]. ➢ Volltext.
[73] Hirschfeld, Gartenkunst I (1779), 173: Vornehmlich sind es die Geschlechter[7] der Thiere[1], womit die Natur ihre schönen[1] Landschaften belebt; der Gartenkünstler versäume nicht, ihr darin nachzufolgen. ➢ Volltext.
[74] Hirschfeld, Gartenkunst I (1779), 214: Das Romantische[3/4] oder Bezaubernde in der Landschaft entspringt aus dem Außerordentlichen und Seltsamen der Formen, der Gegenstellungen und der Verbindungen. Man findet es am meisten in gebirgigen und felsigen Gegenden, in versperrten Wildnissen, wohin die geschäftige Hand des Menschen noch nicht gedrungen ist. Zur Bildung[3] dieses Charakters[4] tragen Felsen, [...] nicht weniger Wasserfälle, vorzüglich bey. Aber außer dem, was hier die Form bewirkt, wird auch durch starke und auffallende Entgegenstellungen und kühne überraschende Zusammensetzungen das Romantische[3/4] erzeugt. Die Aussichten sind, weil die Einbildungskraft[1] sich mit nahen Gegenständen beschäftigen soll, hier mehrentheils verschlossen; sie breiten sich selten vorwärts aus, sondern erheben sich öfter aus der Tiefe in die Höhe, oder senken sich von der Höhe in die Tiefe herab. Wo die rauhe finstre Wildniß sich mit einem kleinen stillen Thale voll glänzender Blumen paart, wo ein Waldstrom am Felsen durch blühende Gesträuche herabschäumt, und das blinkende Wasser zwischen den grünen Blättern umherirrt, wo kahle weiße Felsspitzen mitten über die Oberfläche einer schönen Waldung hervorragen – da ist ein Anfang von diesem Charakter[4]. | Die Natur scheint ihn in einer glücklichen Laune mehr hinzuwerfen, als sorgfältig auszubilden; es sind kühne, seltsame, abspringende Nebenzüge, die sich ihre Hand in der Malerey[6] der Landschaft entwischen läßt. Die Wirkungen des Romantischen[3/4] sind Verwunderung, Ueberraschung, angenehmes Staunen und Versinken in sich selbst. ⦿ ➢ Volltext.
[75] Hirschfeld, Gartenkunst II (1780), 3: Betrachtungen dieser Art, die sich in das weite Gebiete der Natur ausbreiten müssen, enthalten nicht blos die erste Quelle des Unterrichts für den Gartenkünstler. Sie dienen auch dem Freunde der Natur (und welcher vernünftige Mensch wird dies zu seyn nicht Adel[5] genug haben?) nicht blos zur angenehmen Unterhaltung und Beschäf〈4〉tigung der Einbildungskraft, sondern auch zur Anleitung, der Vernunft von seinen Gefühlen Rechenschaft abzulegen. ➢ Volltext.
[76] Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 90 f.: An dem Charakter[4] des Romantischen[3/4] [...] kann die Kunst[1] wenig Antheil nehmen; er ist fast ganz ein Werk der Natur. Sie bildet ihn nicht blos durch gebirgigte Gegenden, Felsen, Höhlen, Wasserfälle, Katarakte, und durch seltsame Lagen und Gestalten dieser Gegenden, sondern auch durch ungewöhnliche Verbindungen und Gegenstellungen, durch eine ausschweifende Regellosigkeit der Anordnung und durch überraschende Kühnheiten der Kontraste. Wo romantische[3/4] Gärten erscheinen sollen, da muß die Natur die Anlage ganz vorbereitet haben; alle Nachahmungen der Kunst[1] würden sich hier nur in lächerliche Spielwerke endigen. Allein die Natur zeigt auch in der Bildung[3] dieses Charakters[4] so viel Mannigfaltigkeit, daß sich eine 〈91〉 Reihe von romantischen[3/4] Anlagen und Gärten denken läßt, die sich alle neben einander durch starke ausgezeichnete Pinselstriche unterscheiden. Nur darf der Gartenkünstler hier, wo fast alles auf die Laune der Natur ankommt, am wenigsten verlangen, daß sie gerade in seiner Gegend alle Züge des Romantischen[3/4] vereinige, die sie hin und wieder in ihren Gemälden erscheinen läßt. | Wie viel Abwechselung von Zügen in diesen Gemälden des Romantischen[3/4]! Bald ist es ein Klump waldigter Inseln, die in gespitzten Höhen vom Rande des Wassers sich erheben, wo die Zweige der Bäume in den See tauchen; so steigen in dem See Earne in Irland unzählige Hügel mit dunklen Wäldern aus der Wasserfläche kühn empor, und bilden gleichsam eine große krumme Straße, auf welcher die Fahrzeuge durchsegeln. Bald ist es eine Reihe von Bergen, mit Fichten bewachsen, über deren grüne Spitzen sich der kahle mit beständigem Schnee bedeckte Gipfel erhebt, wie in so vielen Gegenden der Schweitz. ➢ Volltext.
[77] Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 109: Der Gang [...] ist längst dem Flusse aus dem Felsen gehauen. Diese Felsen stellen einen romantisch[3] schönen[1] Anblick dar; die Klüfte sind mit hohen Eichen und andern Bäumen bewachsen, und drohen über den Kopf des Vorbeygehenden herabzufallen. Salvator Rosa kann die wilde Natur nicht schöner[1] malen. Der Fluß trägt viel zur Verschönerung dieses Auftrittes bey; er rauscht über Felsen und Steine weg, und vermehrt die Wildniß dieser Gegend. ➢ Volltext.
[78] Hirschfeld, Gartenkunst IV (1782), 112: Die Einbildungskraft[1] [...] schweift gern in schwärmerischen Bildern zügellos umher, entflammt sich aus der Erinnerung von hundert Märchen, die einst die Amme oder der Küster erzählte, verjüngt alte[1] Erscheinungen, wandelt und bildet neue[1] Gestalten, und leihet den Scenen einen Schauer, den die Natur und die Vernunft[3] nicht kennen, und den gleichwohl jene zu veranlassen, und diese nicht zu verwerfen scheint. ➢ Volltext.
[79] Hülsen, Nat.-Betr. (1800), 47: Nur im todten Buchstaben[8] verödet dein Daseyn. Leben strömet zum Leben, und je mehr die Natur in deinen Blicken lebt, und ihre Ansicht lebendige Kraft in dir selbst ist: je höher und wahrer wird dadurch deine Anschauung, und du ruhst mit der hohen Gewißheit eines Gottes[1] in ihrer ewigen Umarmung..
[80] A. v. Humboldt, Lebenskr. (1795), 94: Sechzig Jahre lang habe ich über die innern Triebräder der Natur, über den Unterschied der Stoffe gesonnen und erst heute läßt der Rhodische Genius mich klarer sehen, was ich sonst nur ahnete[3]..
[81] A. v. Humboldt, Lebenskr. (1795), 94: Wenn der Unterschied der Geschlechter[1] lebendige Wesen wohlthätig und fruchtbar aneinander kettet, so wird in der unorganischen Natur[2] der rohe Stoff von gleichen Trieben bewegt. Schon im dunkeln Chaos häufte sich die Materie und mied sich, je nachdem Freundschaft oder Feindschaft sie anzog oder abstieß..
[82] A. v. Humboldt, Gasarten (1799), 3 f. (4): Je mannigfaltiger[1] die Beziehungen sind, in welche der Mensch[1] mit den Gegenständen um sich her tritt, je 〈4〉 mächtiger und vielseitiger er auf die belebte und unbelebte Natur einwirkt, desto mehr gewinnt unter verwickelten Verhältnissen seine intellectuelle Bildung[10]. Instrumente[1] und Maschinen sind besonders deshalb wichtig, weil sie entweder die Anwendung menschlicher Kräfte, welche nun auch auf andere Punkte gerichtet werden können, ganz ersparen; oder weil sie uns in den Stand setzen, Dinge zu unternehmen, welche (ohne jene Hülfsmittel) hätten ununternommen bleiben müssen. Jede mechanische Erfindung erweitert daher das Feld menschlicher Erkenntniß[2], nicht bloß durch das, was sie unmittelbar leistet, sondern zugleich durch den allgemeinen Einfluß, den sie auf den Umfang unserer ganzen Thätigkeit ausübt..
[83] A. v. Humboldt, Luftkreis (1799), 118: Von allen Ideen, welche die Betrachtung der Natur in dem Menschen[2] veranlasst, sind keine seiner Beschäftigung würdiger, als die sich auf die Kultur[1] des Bodens beziehen..
[84] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 81: Die Vermehrung der Zehenten und der Kopfsteuer [...], die sämtlichen Abgaben von den Consumtionsartikeln, die Fortschritte des Ackerbaus und der Civilisation, der Anblick des Landes selbst, das mit völlig neugebauten Häusern überdeckt ist, Alles das verkündigt ein rasches Emporstreben in beinah allen Theilen des Königreichs. Wie wär' es auch begreiflich, daß alle gesellschaftlichen Institutionen unvollkommen genug bleiben könnten, und eine Regierung mächtig genug seyn sollte, die Ordnung der Natur zu zerstören, und die allmählige Vermehrung unserer Gattung auf einem fruchtbaren Boden und in einem gemäßigten Clima[1] zu verhindern?.
[85] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 119: Alle diese Thatsachen beweisen, daß die Natur; bei aller Verschiedenheit der Klima's[2] und Höhen, welche die manigfaltigen Menschenraçen bewohnen, von dem Typus, dem sie sich seit vielen tausend Jahren unterworfen hat, nicht abweicht..
[86] A. v. Humboldt, Cordill. I [TrN. N.] (1810), 5: Was ich romantisches[3] oder grandioses an den Ufern der Saverne, im nördlichen Deutschland, in den euganeischen Gebirgen, auf der Centralkette von Europa, auf dem jähen Abhang des Vulcans von Teneriffa gesehen habe, das Alles findet sich in den Cordilleren der neuen[3] Welt vereinigt. Jahrhunderte würden nicht hinreichen, die Schönheiten[3] zu betrachten, und die Wunder zu entdecken, welche die Natur dort auf einer Strecke von 2500 Meilen, von den Granitgebirgen der magellanischen Meerenge, bis zu den Nachbar-Küsten des östlichen Asiens hin, zerstreut hat. [Original A. v. Humboldt, Vues des Cord. (1810), 4: Ce que j'ai vu de romantique ou de grandiose sur les bords de la Saverne, dans l'Allemagne septentrionale, dans les monts Euganéens, dans la chaîne centrale de l'Europe, sur la pente rapide du volcan de Ténériffe; tout se trouve réuni dans les Cordillères du nouveau monde. Des siècles ne suffiroient pas pour observer les beautés et pour découvrir les merveilles que la nature y a prodiguées sur une étendue de deux mille cinq cents lieues, depuis les montagnes granitiques du détroit de Magellan jusqu'aux côtes voisines de l'Asie orientale.].
[87] A. v. Humboldt, Cordill. II [TrN. N.] (1810), 95: Bei jeder Veränderung von Breite und Clima[2] verändert sich auch die Ansicht der organischen[3] Natur, die Form der Thiere[1] und der Pflanzen[1], welche jeder Zone einen besondern Karakter[4] aufdrücken, und, mit Ausnahme einiger Wasser- und kryptogamischen Gewächse, ist der Boden in jeder Region mit verschiedenen Pflanzen[1] bedekt..
[88] W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 268 f.: Bei den Griechen zeigt sich aber ein doppeltes, äusserst merkwürdiges, und vielleicht in der Geschichte einziges Phänomen. Als sie noch sehr viele Spuren der Rohheit anfangender Nationen[1] verriethen, besassen sie schon eine überaus grosse Empfänglichkeit für jede Schönheit der Natur und der Kunst[10], einen feingebildeten Takt, und einen richtigen Geschmack, nicht der Kritik[2], aber der Empfindung, und finden sich Instanzen gegen diesen Takt und diesen Geschmak so ist wenigstens jene Reizbarkeit und Empfänglichkeit unläugbar; und wiederum als die Kultur[4] schon auf einen sehr hohen Grad gestiegen war, er〈269〉hielt sich dennoch eine Einfachheit des Sinns[5] und Geschmaks, den man sonst nur in der Jugend der Nationen[1] antrift. Die Entwikklung der Ursachen hievon gehört nicht hieher. Genug das Phänomen ist da..
[89] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 805 f. (806): [W]as Woldemar suchte, und wie er es suchte, konnte er nur in einer weiblichen Seele finden. Durch die Natur[1] seines Wesens nothwendig geleitet, und durch seine äußere Lage begünstigt, gehört das andre Geschlecht[2] größtentheils dem inneren Leben und Weben in eignen Ideen und Empfindungen an. Sich darauf in hoher Einfachheit beschränkend, ist das weibliche Gemüth zwar vielleicht ein minder reiches und starkes, aber gewiß ein reineres Bild desselben, als jedes andre, und daher am meisten fähig, das zu gewähren, was Woldemar schmerzlich entbehrte. Jener Trieb aber, nach dessen Gewissheit er so ängstlich strebte, und der doch kein andrer ist, als den die Philosophie sonst den uneigennützigen, die Aeußerung der praktischen Vernunft[1], zu nennen pflegt, ist als bloßer Trieb im Weibe[1] schon um eben so viel reicher und ununterbrochener lebhaft, als dieß alle Neigungen und Gefühle überhaupt in ihm sind. Allein auch in seiner höheren Natur[1] ist er deutlicher sichtbar. Unter allen Geschöpfen, die sich nach eignem Willen bestimmen, sind die Weiber[1] der steten immer wie〈806〉derkehrenden Ordnung der Natur[2] gleichsam am nächsten geblieben. Dadurch und durch die Mitwirkung ihres feineren Schönheitssinnes sind alle ihre, auch eigennützigen Triebe, reiner und harmonischer gestimmt, und schon ihre sanfte Schwäche verhütet ein zu häufiges Einmischen der heftigen, wechselnden Begierde. Endlich scheinen sie unmittelbar aus der Hand der Natur[13] zu kommen. Weniger, wie bey dem Manne, von eigenmächtigen Handlungen[1] des bey diesem stärkeren und thätigeren Willens durchkreuzt, ist der Inbegriff ihres Wesens ein mehr durch die Natur[13] und die Lage der Umstände gegebenes Ganze. Was man in demselben antrifft, ist sichrer aus ihrer inneren Beschaffenheit hervorgegangenes Werk der Natur[13], als eigne Schöpfung..
[90] W. v. Humboldt, Vorr. Gasart. (1799), V: Der erste Theil [...], welcher die Grundzüge zu einer unterirdis[c]hen Meteorologie enthält, deckt einen bisher noch fast ganz unbekannten Theil der Natur auf, führt in eine gleichsam neue[1], unterirdische 〈VI〉 Schöpfung, überrascht durch anziehende Vergleichungen in der obern und untern Atmosphäre, und gewährt nicht bloß dem Nachdenken und der wissenschaftlichen Neugierde, sondern selbst der Einbildungskraft[1] reichliche Nahrung..
[91] Immermann, Epigon. (1836), W 2, 559: Er gehört zu den jungfräulichen Männern, ist schamhaft, verschwiegen, bescheiden wie keiner. Nun wohnt er schon seit längerer Zeit im Hause der Herzogin, und man kann diese Neigung, obschon sie ganz unschuldig ist, und nur die Farbe des Dienstverhältnisses trägt, worin er zu ihr steht, kaum noch Freundschaft nennen. Ich hatte meine törichte Leidenschaft längst besiegt, und mochte daher dieses Wirken der Natur unbefangnen Sinnes anschaun. Freilich wurde mir dabei ihre Ironie[2] klar, welche nirgends ausbleibt, und hier durch ein eheähnliches Verhältnis für Übertreibungen der Sitte und Sittlichkeit das Gleichgewicht herzustellen gesucht hat..
[92] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 19: In Rücksicht der nachzuahmenden Form stehen die poetischen[4] Materialisten im ewigen Widerspruch mit sich und der Kunst[8] und der Natur [...]. Denn sie erlauben wirklich den Versfuß auch in größter und jeder Leidenschaft [...] – und im Sturme des Affekts höchsten Wohllaut und einigen starken Bilderglanz der Sprache[4] [...] 〈20〉 [...] – dann die Götter[5] und Wunder des Epos und der Oper [...] – im Homer die langen Mordpredigten der Helden vor dem Morde [...] – in Don Quixotte einen romantischen[7] Wahnsinn, der unmöglich ist – [...] in Thümmel und andern den Eintritt von Oden ins Gespräch und noch das übrige Zahllose..
[93] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 93 f. (94): Daher thut der Idealismus in dieser Rücksicht der romantischen[12/9] Poesie[1] so viele Dienste, als er der plastischen[5/4] versagt [...]. | Der Grieche sah selber und erlebte selber das Leben; er sah die Kriege, die Länder, die Jahres-Zeiten, und las sie nicht; daher sein scharfer Umriß der Wirklichkeit; so daß man aus der Odyssee eine Topographie und Küsten-Karten ziehen kann. Die Neuern[5] hingegen bekommen aus dem Buchladen die Dichtkunst sammt den wenigen darin enthaltenen und vergrößerten Objekten und sie bedienen sich dieser zum Genusse jener [...]. Der neue[5] Poet trägt 〈94〉 sich daher auf seinen Spaziergängen die Natur für den Objektenträger seiner objektiven Poesie[1] zusammen..
[94] Kant, Daseyn Gottes (1763), 108: So bald eine Naturanstalt nützlich ist, so wird sie gemeiniglich unmittelbar aus der Absicht des göttlichen Willens, oder doch durch eine besonders durch Kunst[1] veranstaltete Ordnung der Natur erklärt; entweder weil man einmal sich in den Kopf gesetzt hat: die Wirkungen der Natur, gemäs ihren allgemeinsten Gesetzen, könten auf solche Wohlgereimtheit nicht auslaufen, oder wenn man einräumete, sie hätten auch solche Folgen, so würde die〈109〉ses heissen die Vollkommenheit der Welt einem blinden Ohngefehr zuzutrauen, wodurch der göttliche Urheber sehr würde verkant werden. Daher werden in einem solchen Falle der Naturforschung Grenzen gesetzt. Die erniedrigte Vernunft[2/9] stehet gerne von einer weiteren Untersuchung ab, weil sie solche hier als Vorwitz ansieht, und das Vorurtheil ist desto gefährlicher, weil es den Faulen einen Vorzug vor dem unermüdeten Forscher giebt durch den Vorwand der Andacht und der billigen Unterwerfung unter den grossen Urheber, in dessen Erkentnis sich alle Weisheit vereinbaren muß..
[95] Kant, Daseyn Gottes (1763), 147: Am mehresten enthält die Methode über die vollkommene Anstalten der Natur zu urtheilen den Geist[12] wahrer Weltweisheit, wenn sie jederzeit bereit, auch übernatürliche Begebenheiten zuzulassen, imgleichen die wahrhaftig künstliche[1] Anordnungen der Natur nicht zu verkennen, hauptsächlich die Abzielung auf Vortheile und alle Wohlgereimtheit sich nicht hindern läßt, die Grün〈148〉de davon in nothwendigen algemeinen Gesetzen aufzusuchen, mit grosser Achtsamkeit auf die Erhaltung der Einheit und mit einer vernünftigen Abneigung, die Zahl der Naturursachen um derentwillen zu vervielfältigen..
[96] Kant, Crit. rein. Vern. (21787), XLIII: Meinerseits kann ich mich auf Streitigkeiten von nun an nicht einlassen, ob ich zwar auf alle Winke, es sey von Freunden oder Gegnern, sorgfältig achten werde, um sie in der künftigen Ausführung des Systems dieser Propädeutik gemäß zu benutzen. Da ich während dieser Arbeiten schon ziemlich tief ins Alter fortgerückt bin (in diesem Monate ins vier und sechzigste Jahr), so muß ich, wenn ich meinen Plan, die Metaphysik der Natur sowol als der Sitten [...] zu liefern, ausführen will, mit der Zeit[6] sparsam verfahren, und die Aufhellung sowol der in diesem Wer〈XLIV〉ke anfangs kaum vermeidlichen Dunkelheiten, als die Verteidigung des Ganzen von den verdienten Männern, die es sich zu eigen gemacht haben, erwarten..
[97] Kant, Crit. pract. Vern. (1788), 108: Der Mensch[1] ist ein bedürftiges Wesen, so fern er zur Sinnenwelt gehört und so fern hat seine Vernunft[2] allerdings einen nicht abzulehnenden Auftrag, von Seiten der Sinnlichkeit, sich um das Interesse derselben zu bekümmern und sich practische Maximen, auch in Absicht auf die Glückseligkeit dieses, und, wo möglich, auch eines zukünftigen Lebens, zu machen. Aber er ist doch nicht so ganz Thier[11], um gegen alles, was Vernunft[2] für sich selbst sagt, gleichgültig zu seyn, und diese blos zum Werkzeuge der Befriedigung seines Bedürfnisses, als Sinnenwesens, zu gebrauchen. Denn im Werthe über die bloße Thierheit erhebt ihn das gar nicht, daß er Vernunft[2] hat, wenn sie ihm nur zum Behuf desjenigen dienen soll, was bey Thieren[1] der Instinct verrichtet; sie wäre alsdenn nur eine besondere Manier, deren sich die Natur bedient hätte, um den Menschen[1] zu demselben Zwecke, dazu sie Thiere[1] bestimmt hat, auszurüsten, ohne ihn zu einem höheren Zwecke zu bestimmen. ➢ Volltext.
[98] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), X: Hiemit endige ich also mein ganzes critisches[1] Geschäft. Ich werde ungesäumt zum Doctrinalen schreiten, um, wo möglich, meinem zunehmenden Alter die dazu noch einigermaßen günstige Zeit[6] noch abzugewinnen. Es versteht sich von selbst, daß für die Urtheilskraft darin kein besonderer Theil sey, weil in Ansehung derselben die Critik[1] statt der Theorie dient, sondern daß, nach der Eintheilung der Philosophie in die theoretische und praktische, und der reinen in eben solche Theile, die Metaphysik der Natur und die der Sitten jenes Geschäft ausmachen werden..
[99] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), XLVIII f.: In einer Critik[4] der Urtheilskraft ist der Theil, welcher die ästhetische Urtheilskraft enthält, ihr wesentlich angehörig, weil diese allein ein Princip enthält, welches die Urtheilskraft völlig a priori ihrer Reflexion über die Natur zum Grunde legt, nämlich das einer formalen Zweckmäßigkeit der Natur nach ihren besonderen (empirischen) Gesetzen für unser Erkenntnisvermögen, ohne 〈XLIX〉 welche sich der Verstand in sie nicht finden könnte [...]..
[100] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), 187: Die schöne[2] Kunst[1] zeigt darin eben ihre Vorzüglichkeit, daß sie Dinge, die in der Natur häslich[1] oder misfällig seyn würden, schön[1] beschreibt. Die Furien, Krankheiten, Verwüstungen des Krieges u. d. gl. können sehr schön[1] beschrieben, ja sogar im Gemälde vorgestellt werden; nur eine Art Häslichkeit kann nicht der Natur gemäs vorgestellt werden, ohne alles ästhetische Wohlgefallen, mithin der Kunstschönheit zu Grunde zu richten: nämlich diejenige, welche Ekel erweckt..
[101] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 179: An einem Producte der schönen[2] Kunst[1] muß man sich bewußt werden, daß es Kunst[9] sey, und nicht Natur[10]; aber doch muß die Zweckmäßigkeit in der Form desselben von allem Zwange willkürlicher Regeln so frey scheinen, als ob es ein Product der bloßen Natur[2] sey. Auf diesem Gefühle der Freyheit[13] im Spiele unserer Erkenntnißvermögen, welches doch zugleich zweckmäßig seyn muß, beruht diejenige Lust, welche allein allgemein mittheilbar ist, ohne sich doch auf Begriffe[1] zu gründen. Die Natur[10] war schön[2], wenn sie zugleich als Kunst[9] aussah; und die Kunst[9] kann nur schön[2] genannt werden, wenn wir uns bewußt sind, sie sey Kunst[9], und sie uns doch als Natur[10] aussieht..
[102] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 282: Wenn [...] der Mensch, durch Freyheit[1] seiner Caussalität, die Naturdinge seinen oft thörichten Absichten (die bunten Vogelfedern zum Putzwerk seiner Bekleidung, farbige Erden oder Pflanzensäfte zur Schminke), manchmal auch aus vernünftiger Absicht, das Pferd zum Reiten, den Stier und in Minorca sogar den Esel und das Schwein zum Pflügen, zuträglicher findet: so kann man hier [...] nicht [...] einen relativen Naturzweck (auf diesen Gebrauch) annehmen. Denn seine Vernunft[2] weiß den Dingen eine Uebereinstimmung mit seinen willkürlichen Einfällen, wozu er selbst nicht einmal von der Natur prädestinirt war, zu geben..
[103] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 391 f.: Die Hervorbringung der Tauglichkeit eines vernünftigen Wesens zu beliebigen Zwecken überhaupt (folglich in seiner Freyheit[10]) ist die Cultur[3]. Also kann nur die Cultur[3] der letzte Zweck seyn, den man der Natur in Ansehung der Menschengattung beyzulegen Ursache hat (nicht seine eigene Glückseligkeit auf Erden, oder wohl gar bloß das vornehmste Werkzeug zu seyn, 〈392〉 Ordnung und Einhelligkeit in der vernunftlosen Natur ausser ihm zu stiften)..
[104] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 416: Setzet einen Menschen in den Augenblicken der Stimmung seines Gemüths zur moralischen Empfindung. Wenn er sich, umgeben von einer schönen[1/4] Natur, in einem ruhigen heitern[5] Genusse seines Daseyns befindet, so fühlt er in sich ein Bedürfniß, irgend jemand dafür dankbar zu seyn. Oder er sehe sich einandermal in derselben Gemüthsverfassung im Gedränge von Pflichten, denen er nur durch freywillige Aufopferung Genüge leisten kann und will: so fühlt er in sich ein Bedürfniß, hiemit zugleich etwas Befohlnes ausgerichtet und einem Oberherren gehorcht zu haben. Oder er habe sich etwa unbedachtsamer Weise wider seine Pflicht vergangen, wodurch er doch eben nicht Menschen verantwortlich geworden ist: so werden die strengen Selbstverweise dennoch eine Sprache[12] in ihm führen, als ob sie die Stimme[3] eines Richters wären, dem er darüber Rechenschaft abzulegen hatte..
[105] Kant, Metaph. d. Sitt. II (1797), 111: Geisteskräfte sind diejenigen, deren Ausübung nur durch die Vernunft[1] möglich ist. Sie sind so fern schöpferisch, als ihr Gebrauch nicht aus Erfahrung geschöpft, sondern a priori aus Principien abgeleitet wird. Dergleichen sind Mathematik, Logik und Metaphysik der Natur, welche zwey letztere auch zur Philosophie, nämlich der theoretischen, gezählt werden, die zwar alsdann nicht, wie der Buchstabe[11] lautet, Weisheitslehre, sondern nur Wissenschaft[1] bedeutet, aber doch der ersteren zu ihrem Zwecke beförderlich seyn kann..
[106] S. v. Knorring, Evremont I (1836), 344: Bei dem Studium der Landschaft nach der Natur hindert [...] die bedingte Freiheit[5], denn es kann doch nur die Stelle beobachtet werden, wohin man in anständiger Begleitung spazieren gehen kann. Die Gedanken, welche die Seele auf einsamen Wanderungen nährt, muß eine Frau[1] entbehren [...]..
[107] Kolbe, Wortmeng. (1809), 109: Eben die leichte Beweglichkeit unsrer Rede, jene Geschmeidigkeit, womit sie dem Willen des Schreibenden sich fügt, möchte das nachlässige Treiben so vieler unsrer Federmänner erklären. Die Tugenden der Sprache[3] haben die Untugenden der Schriftsteller erzeugt. Reichtum gebiert Habsucht. Wer viel hat, der verlangt ungenügsam nur immer mehr und mehr. Auch wird dem, der zu finden gewohnt ist, ohne zu suchen, das Suchen endlich lästig; und wer immer nur befehlen darf, verlernt zur rechten Zeit zu gehorchen. Wäre unsre Sprache[3] spröder und eigensinniger; riefe sie unerbitlich den Schreibenden zu beharrlicher Anstrengung auf; ließe sie, was sie zu reichen vermag, nur durch Schweis sich abgewinnen: wahrlich! wir schrieben besser. Man vergleiche die französische Sprache[3] mit der deutschen, und man wird über ihre Armut, über ihre unglaubliche Beschränktheit erstaunen. Wiederum vergleiche man die Schriften der Franzosen mit den Schriften der Deutschen, und man wird über die Hülflosigkeit, über die lahme, schlottrige, gehemte Bewegung der lezteren nicht minder erstaunen. Wir gleichen jenen Völkern[1], die, im Besiz des herrlichsten Bodens, im Schoos der üppigsten Natur, von allen Mitteln zum Wolstand umgeben, aus Trägheit in Wust und Elend vergehn, – verzogene Kinder ihres zu wollüstigen Himmels..
[108] Köstlin, Sonnt. (H1807), 88: Ich [...] endige meine Plage, länger mich in diese Kirche zu träumen, länger mit meinen Gedanken zu verweilen zwischen disen steinernen Wänden, die mir das Herz versteinern. [...] Dort sind wir ganz überwölkt, abgeschlossen durch eine steinerne Kluft von allem fröhlichen Leben [...]. Kein Strahl der ewigen Freyheit[2] und Lust der Natur soll uns spielen um's Herz, damit wir nicht erwachen zur Erinnerung unsres eignen göttlichen Seyns. Verdorben soll sich der Mensch[1] glauben, er soll sein Innerstes von dem giftigen Krebs einer an〈89〉gebohrenen Sünde zerfressen wähnen, damit er ihre Arzney gläubig empfange..
[109] Krünitz, Oecon. Encycl. XII (1777; 21786), 177: Fantasie[19], aus dem Franz. Fantaisie, und Ital. Fantasia, nennet man, in der Mahlerey[1], ein Gemählde, welches nicht nach der Natur oder nach den strengen Regeln der Kunst[8] gemahlt ist. Fantasien[19] mahlen, aus dem Kopf mahlen, ohne in der Natur ein Modell vor sich zu haben. Mehrentheils bedeutet dieses so viel, als Grotesken mahlen. Daher fantasieren, in den Künsten[2], nach seiner Einbildungskraft[1] arbeiten, ohne sich an die strengen Regeln der Kunst[8] zu binden. ➢ vgl. [20].
[110] Krünitz, Oecon. Encycl. LXIV (1794; 21803), 425: Die Natur hat eine Menge von zufälligen Erscheinungen, womit sie in verschiedenen Jahrszeiten und in verschiedenen Tages-Stunden ihre Landschaften verschönert. Die mannigfaltigen[[[[BedeutungsVerweis ID='640' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] Veränderungen bey dem Aufgange und Untergange der Sonne; die verschiedenen Stellungen, Bewegungen und Mahlereyen[[[[BedeutungsVerweis ID='833' Anzeige='4' Formatierung='1']]]] der Wolken, zumahl bey Gewittern und in den Abend-Stunden; [...] der Schimmer des Mondes im vorüberwandelnden Gewölk; [...] der sanfte bläuliche Duft, der über entfernte Aussichten schwebt[[[[BedeutungsVerweis ID='826' Anzeige='1' Formatierung='1']]]]; die Spielungen der Farben im Regenbogen; [...] die romantischen[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Figuren im umherziehenden Nebel; [...] die lieblichen Wiederscheine, die milder und anlockender sind, als der Strahl des ursprünglichen Lichtes – alle diese Veränderungen in der Natur, die ich hier unter dem Nahmen der Zufälligkeiten begreife, scheinen neue[[[[BedeutungsVerweis ID='435' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] Lagen, oft neue[[[[BedeutungsVerweis ID='435' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] Gegenstände selbst zu bilden..
[111] Krünitz, Oecon. Encycl. LXIV (1794; 21803), 477 f. (478): Der romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Stil ist Vorstellung rauher und fürchterlicher Gegenden. Hierher gehören: Ruinen, 〈478〉 gänzlich verfallene oder einstürzende Gebäude, zerrissene Felsen, große Gebirge, Klüfte, Abgründe, reissende Ströhme, schäumende Wasser, Fälle, wilde reissende Thiere[[[[BedeutungsVerweis ID='474' Anzeige='1' Formatierung='1']]]], Nacht, Sturm, Blitz, u. d. gl. Der gemeine oder niedrige Stil ist Vorstellung der ländlichen Natur wie sie ist. Hierher gehören: Vieh- und Hirten-Stücke aus unsern Zeiten[[[[BedeutungsVerweis ID='231' Anzeige='3' Formatierung='1']]]], Bettler, Bauern-Güter, Stroh-Dächer, verfallene schlechte Gebäude, Brückchen, Stege, Bauern-Schenken und Acker-Wirthschaft..
[112] Krünitz, Oecon. Encycl. LXIV (1794; 21803), 491: Im romantischen[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Stil muß ich diejenigen Bey-Werke vermeiden, welche die Idee von Niedlichkeit, Kunst[[[[BedeutungsVerweis ID='294' Anzeige='14' Formatierung='1']]]] und Verzierung erregen. Vasen, bewohnte artige Häuser, und alles dergleichen muß wegfallen, da der Endzweck dieses Stiles ist: Staunen, Furcht, Entsetzen u. d. gl. in mir zu erregen, und mir die verwilderte Natur in ihrer Rauhigkeit zu zeigen. Menschen[[[[BedeutungsVerweis ID='694' Anzeige='5' Formatierung='1']]]] kann ich hier wenig brauchen, weil sie nicht leicht solche Orte besuchen; nur etwa ein armer Wanderer, der sich verirrt hat, und an beschwerlichen Felsen herum klettert, oder mit Schrecken vor einem unerwarteten Abgrund zurück zittert; oder ein Jäger, der wilde Thiere[[[[BedeutungsVerweis ID='481' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] verfolgt; oder ein menschenfeindlicher Einsiedler, der sich in Felsenklüften verbirgt, ist zu brauchen. Eben so wenig sind zahme Thiere[[[[BedeutungsVerweis ID='481' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] hier schicklich, wohl aber alle Gattungen von wilden und reissenden Thieren[[[[BedeutungsVerweis ID='481' Anzeige='8' Formatierung='1']]]]. [...] Von Gebäuden kann [d]er [Künstler] nichts brauchen, als fürchterliche 〈492〉 Ruinen, verlassene und zusammenstürzende Gebäude, und wüste zerstörte Schlösser..
[113] Krünitz [Flörke], Oecon. Encycl. CI (1806), 489: So fern die Alten[10] [...] unter der Natur[2] auch die zeugende Kraft verstanden, wurde dieses Wort[1] ehedem sehr häufig so wohl im mittlern Lateine als auch im Deutschen von den Zeugungs-Gliedern gebraucht. Die weibliche Natur[14]. 〈490〉 Jetzt kommt nur noch das Beywort bisweilen in diesem Verstande[7] vor; Die natürlichen[9] Theile..
[114] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXVI (1819), 714: Romantisch[3/4], ein mit romanhaft[1] aus einer Quelle entspringendes Wort[1], allein von verschiedener Bedeutung. Man gebraucht es sowohl in der Malerei[3], als auch in der Poesie[18] von Gegenden, die sich durch eine einnehmende, bezaubernde Schönheit[1] und abwechselnde Mannigfaltigkeit der Gegenstände auszeichnen. In der Malerei[3] ist ein romantischer[3/4] Styl die Vorstellung einer Gegend mit Ruinen oder mit andern erhabenen, die Phantasie[1] des Beschauers fesselnden, Gegenständen. Der Landschaftsmaler muß daher sein Augenmerk nur auf die sogenannte wilde Natur richten; denn nur diese hat ihre romantische[3/4] Seite..
[115] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CLXX (1839), 519 ff. (521): Auch zu Buonarottis Zeiten[3] war man noch [...] sehr von dem bloßen Studium der [Antiken3] und des Antiken[2] eingenommen [...] 〈520〉 [...]. Buonarotti [...] zeigte, daß er für die antike[2] Bildhauerkunst die größte Hochachtung hege, sie studiere, aber mit Nutzen, ohne die Natur[12] zu vernachlässigen, wodurch selbst die Alten[10] ein Muster geworden, und ohne Vernachlässigung der Zeit[3], in welcher man selbst lebt. Da er nun seine Arbeit so sehr unter die Bildhauerey der Alten[10] herabgesetzt fand, so entschloß er sich, seine Landsleute [...] von ihrem Irrthume zu überzeugen. Er verfertigte also eine Statüe des Morpheus, oder Gottes[4] des Schlafs aus Marmor, und schlug, nach der Vollendung desselben, davon einen Arm fort, und verbarg denselben in seiner Wohnung. Die Statüe überzog er mit einer Art Rost, um derselben ein antikes[2] Ansehen zu geben, und ließ sie an einem Orte, wo er wußte, daß man nach Alterthümern[5] stets zu suchen pflegte, unter Trümmern und Schutt heimlich eingraben. Nach einiger Zeit[6] wurde daselbst wieder, wie es schon früher geschehen war, der Antiken[3] wegen, nachgegraben, und so fand man denn auch die Bildsäule von Buonarotti. Die größten Kenner Roms bewunderten sie sogleich als einen aufgefundenen antiken[2] Schatz, ja als eines der schönsten[1] Stücke des Alterthums[3]. Man ließ sich in Lobeserhebungen über die Schönheit[1] der Arbeit, aus, und sagte ganz offen, daß man hiernach die Arbeiten des Michael Angelo beurtheilen könne, wie weit diese hinter den Antiken[3] zurückständen. Man ließ ihm zwar dabei eine gewisse Gerechtigkeit widerfahren, indem man sagte: daß er, als ein Neuerer[5] in der Kunst[4], in der That ein geschickter Mann sey; allein hieran könne man doch erkennen, wie viel er noch zu thun habe, um diese Antike[3] zu erreichen [...]. Nachdem nun Buonarotti sie eine Zeitlang in dem 〈521〉 Wahne, eine wirkliche Antike[3] vor sich zu haben, gelassen, auch viele ironische[1] Bemerkungen zwischen der Antike[4] und seiner Arbeit mit angehört hatte, so trat er endlich hervor, und erklärte die Bildsäule für sein Werk [...]. Man kann sich leicht die Entrüstung denken, in welche alle seine Gegner geriethen, als sie sich mit ihrem Kunsturtheile so in die Enge getrieben sahen; indessen zweifelte man dennoch an der Wahrheit, bis Buonarotti den Arm brachte [...], welches zugleich eine Lehre für diejenigen zur Folge hat, die nur für das Antike[2] eingenommen sind, ohne das Moderne[1] in der Kunst[2] erst näher zu untersuchen oder zu prüfen, indem sie dann finden werden, daß man bei der Wahl und Nachahmung des Schönen[1] in der Natur[2], nur das erreichen kann, was die Alten[10] auch nur erreichen konnten, weil sie nichts anderes thaten, und dann, daß die Kunst[2] nicht abgeschlossen ist, sondern sich jeder bestreben muß, das Höchste darin zu erreichen. Wer die Antiken[3] zum Vorbilde hat, hat nur das voraus, daß er schon die Muster zum Studium, der Nachahmung würdig, aufgestellt findet, ohne sie erst aufsuchen zu müssen; oder daß sich nach diesen Mustern sein Geschmack bilde, seine Empfindung für das Schöne[1] erregt werde, um dann selbst dasselbe aufzusuchen..
[116] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 20: Welches Leben, welche Wirksamkeit in der ganzen Natur! [...] Stete Umschaffung, Verarbeitung, Veränderung, und eine Kraft, die immer bleibt; 〈21〉 denn nur das Bleibende kann sich verändern. Aber was sie ist, diese Kraft, welche die Räder des Ganzen zusammen hält, daß kein Theil sich aus seinen Fugen herausreißen darf, die den Geist[12] mit Formen bekleidet, und das Aufgelösete, nach Ruhe strebende, zu neuem Leben, neuer Thätigkeit zwingt? – Forsche nicht darnach; nur das, was sich verändert, können wir wahrnehmen, und das Bleibende erkennen wir, wie unser eignes Wesen, aus seinen Wirkungen..
[117] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 40: Schönheit[1] gleicht dem Genie[2]; sie ist freie[5] Gabe der Götter[4], und als solche hat der Wille der Menschen[1] keinen Theil daran. Was selbst erworbner Reiz des Betragens langsam hervorbringt, ist bei ihr das Werk eines Augenblicks: die angenehme Rührung, welche mein Herz bewegte, goß einen höhern Reiz über die ganze Natur um mich her. Der Glanz der Abendsonne schien mit überirdischer Klarheit auf den Baumwipfeln zu ruhen – der Rheinstrom und die romantische[8] Ferne, 〈41〉 die einsamen Höhen und der frische duftige Wiesengrund mit dem lebendigen Gewühl von Menschen[1] und Thieren[1] – das zarte Laub, das, kaum entfaltet, freudig im Abendwind flüsterte. – Alles schien verklärt, harmonisch, ahnungsvoll..
[118] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 222: Ich wußte es, eine solche Nacht ließ Dich nicht ruhen. Du eiltest hinaus, in die Natur, [...] himmlische Freiheit[1] und Liebe empfing Dich, und die heiligen Stimmen[3] der Nacht, riefen wunderbare Bilder vor Dein Gemüth..
[119] Mereau, Amd. u. Ed. II (1803), 152 f. (153): Ich reis'te gestern Morgen von *** ab; der muntre Ton[11] des Posthorns bewegte wieder mein Herz wie sonst; ich sah das Leben wieder in dem schönen[1] Gewand der Jugend, der Ahndung[2], der Liebe[1], 〈153〉 und meine Sinne[4] konnten die Sprache[12] der Natur verstehen..
[120] Mereau, Amd. u. Ed. II (1803), 200: Eduard und ich erinnerten uns jetzt lebhafter als je, aller Scenen unsers ehemaligen Umgangs, jedes gemeinschaftlichen Genusses der Natur, jeder einsamen und geselligen Freude, und sahen nun mit inniger Begeisterung[1], wie das Schicksal uns jede vormalige Freude, nun freier, romantischer[7], feuriger und begeisternder wiedergab..
[121] Moritz, Dt. in Engld. (1783), 181 f. (182): Indem wir gerade zufälliger Weise uns eine Zeitlang von Schakespear unterhalten hatten, waren wir auf einmal, ohne daß einer von uns 〈182〉 vorher daran dachte, in Stratford an der Avon, Schakespears Geburtsorte, wo unser Wagen still hielt, weil hier eine Poststation war. [...] Hier war es, wo das größte Genie[4], welches vielleicht die Natur je hervorbrachte, geboren ward. Hier bildete sich seine junge Seele, auf diesen Fluren spielte er als Knabe..
[122] Moritz, Dt. in Engld. (1783), 183: Wir besahen Schakespears Haus, das unter allen Häusern in Stratford, eines der schlechtesten, niedrigsten und unansehnlichsten ist [...]. [...] | Schakespears Stuhl, worauf er vor der Thür gesessen, war schon so zerschnitten, daß er fast keinem Stuhle mehr ähnlich sah; denn jeder Durchreisende schneidet sich zum Andenken einen Span davon ab, welchen er als ein Heiligthum aufbewahrt. Ich schnitt mir auch einen ab, weil er aber zu klein war, habe ich ihn verloren, und Sie werden ihn also bei meiner Wiederkunft nicht zu sehen bekommen. | Als wir weiter fuhren, betrachtete ich jeden Fleck mit Aufmerksamkeit, wo wir vorbeikamen, wenn ich dachte: das ist nun die Gegend, wo ein solcher Geist[20], wie Schakespears, seine erste Bildung[3] durch die ihn umgebende Natur erhielt! Denn die ersten Eindrücke der Kindheit bleiben doch immer äusserst wichtig, und sind ge〈184〉wissermaßen die Grundlage aller folgenden. Obgleich die Gegend hier zwar nicht vorzüglich schön[1] ist, so hat sie doch ganz etwas Eignes, Romantisches[3]..
[123] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 5: Und wenn die Natur Talente für die Beredsamkeit über Deutschland so reichlich ausstreute wie über den Boden irgend eines andern Landes, so sind es ja in Deutschland nur einzelne, die hören; es gibt kein Ganzes, keine Gemeinde, keine Stadt, keine Nation[1], die wie mit Einem Ohre[3] den Redner anhörte. Im Gespräch mit dem Einzelnen sind wir zu ungebunden, zu unbeschränkt; wir lassen uns gehen, wir reden nachlässig, und so verliert sich aus der Sprache[3] des Volks[1] der allgemeine, bindende Geist[12]; sie zerbröckelt sich in unzählige Dialekte[1] und Idiome; jede Sekte und jede Kotterie verunstaltet sie in ihrer eigenen Manier. Nun mögen die Klopstock, die Lessing, die Schiller, die Göthe alle Strahlen dieser zerstreuten Sprache[3] wie in einem Brennspiegel versammeln; das, was allen gemeinschaftlich ist in Wort[5] und Klang, mag von einzelnen wirklich niedergeschrieben, auch ausgesprochen werden: die Nation[1] liest sie, verschluckt sie, aber hört sie nicht, spricht ihnen nicht nach. – Wer überhaupt lernt reden aus dem Papier, aus der todten Schrift? Hören muß und gehört werden, wer sprechen lernen will. – Der Taubgeborne ist nothwendig zugleich stumm..
[124] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 53 f. (54): Ferner übersieht man, indem man dem Ohr[3] an und für sich schon die gehörige Bildung[5] zutraut, die Eitelkeit der Menschen; sich unthätig verhalten, über sich ergehen lassen ist keine Kunst[6], aber zu leiden, mit Verstand und Würde zu empfangen, ist überall eine ebenso große Kunst[6], als zu handeln oder mit Geist[20], mit Geschmack und mit Kraft zu geben. Aber weil die Kunst[6] des Handelns und so auch des Sprechens sichtbar ist, weil die Wirkung von ihr auszugehen scheint, weil sie ganzen Massen von Menschen und Kräften angenehme Gewalt anzutun scheint; dagegen die Kunst[6] des Leidens und des Hörens weniger in die Augen springt – so ergiebt es sich, daß zuletzt in jeder gegebenen Gesellschaft viel mehr Personen reden als hören 〈54〉 wollen, während die Natur das ganz Entgegengesetzte zu wollen scheint, indem sie angeordnet hat, daß zwar viele hören können, was einer spricht, unmöglich aber einer hören kann, was viele zu gleicher Zeit reden. Die Eitelkeit der Menschen macht, daß das Sprachorgan viel mehr geübt wird als das Ohr[3], daß man von der Seele, die, wenn irgendwo, so in der Mitte zwischen diesen beiden erhabenen Organen[3] liegt, sich mehr und mehr entfernt und auf mechanischem Wege die höchste Wirkung hervorbringen will, die dem Geist[32] über den Geist[32] je gelingen kann..
[125] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 54: Das Auge empfängt alle Bilder, alle Farben, alle Eigenthümlichkeiten der Welt: was gibt es der Welt zurück als seinen zwar ausdrucksvollen, aber stillen Glanz? Der Geschmack, der Geruch, für welche die Natur die zartesten Verhältnisse der Körperwelt zu mischen scheint, was geben sie der Natur zurück? Womit antwortet der Mensch auf alle die Wohlthaten und Schmeicheleien seines Gefühls und aller dieser Sinne[4/5]? – Alle seine Schuld bezahlt er, all dieses unendliche Empfangen vergilt er, auf alle Fragen der Natur antwortet er mit dem Vermögen der Rede: aus allen diesen Bildern, diesem Glanz, diesem Duft, diesem Wohlgeschmack, diesen tausendfältigen Anregungen des Gefühls bereitet sich ein einziger, einfach-unendlicher Stoff: das Wort[2]. Der Sinn[4/5] also, dem die Natur das 〈55〉 Vermögen der Antwort beigegeben, der nicht bloß zum Leiden bestimmt ist wie die übrigen, hat einen höheren Beruf als die übrigen. Auch zeigt sich die Wahrheit dieser Behauptung deutlicher darin, daß unser Ohr[3] das Gesetz der Welt ganz für sich und fast ohne Beihülfe der übrigen empfinden kann: an der Musik ist wahrzunehmen, und die meisten musikalischen[1] Virtuosen bestätigen es, daß dieser Sinn[5] der unabhängigste von allen ist, ja, ich möchte sagen, daß der ganze Mensch sich in das Ohr[3] zurückziehn, mit diesem einen Organe[3] leben, denken und dichten und alle andere Organe[3] im thierischen Zustande hinterlassen kann. Wie Großes haben die Alten[10] gemeint, als sie von einer Harmonie der Sphären redeten, als wenn die Gesetze der wunderbaren Anordnung des Weltbaues doch eigentlich nur das Ohr[3] empfinden könnte!.
[126] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 61: Man kann in jedem Theater bemerken, wie viele Grade gesteigerter Aufmerksamkeit es in einer Versammlung von Menschen giebt, und wie viele Grade der Stille, die in gewissen Momenten jene Athemlosigkeit der ganzen Natur erreicht, die man auf den Gipfeln sehr hoher Berge wahrnimmt [...]..
[127] Musäus, Volksmärchen (1782–86), 684: Es wurde ihm ein angenehmer Park angewiesen, welchen er zu einem europäischen Lustgarten umschaffen sollte. Dieser Platz hatte entweder von der freigebigen Mutter Natur, oder von der Hand der ältern Kultur[1] eine so glückliche Anlage und Ausschmückung empfangen, daß der neue Abdolonymus, mit aller Anstrengung seiner Sinnen, keinen Fehl oder Mangel daran wahrnehmen konnte, der einer Verbesserung bedurft hätte..
[128] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 280, Nr. 234: Romant[ik][1] etc. Märchen. Nessir und Zulima. Romantisirung der Aline. Novellen. Tausend und Eine Nacht. Dschinnistan. La Belle et la Bète. Musaeus Volksmärchen. Romantischer[2/8/10] Geist[12] der neuern[3] Romane[1]. Meister. Werther. Griechische[2?] Volksmährchen. Indische Märchen. Neue[1] originelle Märchen. In einem ächten Märchen muß alles wunderbar – geheimnißvoll und unzusammenhängend seyn – alles belebt. Jedes auf eine andre Art. Die ganze Natur muß auf eine wunderliche Art mit der ganzen Geisterwelt vermischt seyn..
[129] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 292, Nr, 291: Sollte der Mensch[1] die Einheit für die Natur (das Weltall) seyn i. e. das Differential der unendlich Großen, und das Integral der unendlich kleinen Natur – das allgemeine homogenëisirende Princip – das Maaß aller Dinge – ihr gegenseitiges Realisirungsprincip – das Organ[1] ihres Contacts?.
[130] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 398, Nr. 686: Jede Künstliche Gestalt – jeder erfundene Karacter[7] hat mehr oder weniger Leben – und Ansprüche und Hoffnungen des Lebens. Die Gallerieen sind Schlafkammern der zukünftigen Welt. – | [...] Wer unglücklich in der jetzigen Welt ist, wer nicht findet, was er sucht – der gehe in die Bücher und Künstlerwelt – in die Natur – diese ewige Antike[4] und Moderne[2] zugl[eich] – und lebe in dieser Ecclesia pressa der bessern Welt..
[131] Novalis, Blüthenstaub (1798), 73, Nr. 13: Die Natur ist Feindin ewiger Besitzungen. [...] Allen Geschlechtern[10] gehört die Erde; jeder hat Anspruch auf alles. Die Frühern dürfen diesem Primogeniturzufalle keinen Vorzug verdanken. ➢ Volltext.
[132] Novalis, Lehrlinge (*1798), NS 1, 98: Es ließe sich [...] denken, daß wir überhaupt erst uns mannichfach im Denken müßten geübt haben, ehe wir uns an dem innern Zusammenhang unsers Körpers versuchen und seinen Verstand[8] zum Verständniß der Natur[2] gebrauchen könnten, und da wäre freylich nichts natürlicher[4], als alle mögliche Bewegungen des Denkens hervorzubringen und eine Fertigkeit in diesem Geschäft, so wie eine Leichtigkeit zu erwerben, von Einer zur Andern überzugehen und sie mannichfach zu verbinden und zu zerlegen. Zu dem Ende müßte man alle Eindrücke aufmerksam betrachten, das dadurch entstehende Gedankenspiel ebenfalls genau bemerken, und sollten dadurch abermals neue Gedanken entstehn, auch diesen zusehn, um so allmählich ihren Mechanismus zu erfahren und durch eine oftmalige Wiederholung die mit jedem Eindruck beständig verbundnen Bewegungen von den übrigen unterscheiden und behalten zu lernen. Hätte man dann nur erst einige Bewegungen, als Buchstaben[8] der Natur[2], herausgebracht, so würde das Dechiffriren immer leichter von statten gehn, und die Macht über die Gedankenerzeugung und Bewegung den Beobachter in Stand setzen, auch ohne vorhergegangenen wirklichen Eindruck, Naturgedanken hervorzubringen und Naturcompositionen zu entwerfen, und dann wäre der Endzweck erreicht..
[133] Novalis, Lehrlinge (*1798), NS 1, 100: Man beschuldigt die Dichter der Übertreibung, und hält ihnen ihre bildliche uneigentliche Sprache[4] gleichsam nur zu gute, ja man begnügt sich ohne tiefere Untersuchung, ihrer Fantasie[2] jene wunderliche Natur[1] zuzuschreiben, die manches sieht und hört, was andere nicht hören und sehen, und die in einem lieblichen Wahnsinn mit der wirklichen Welt nach ihrem Belieben schaltet und waltet; aber mir scheinen die Dichter noch bei weitem nicht genug zu übertreiben, nur dunkel den Zauber jener Sprache[4] zu ahnden[3] und mit der Fantasie[2] nur so zu spielen, wie ein Kind mit dem Zauberstabe seines Vaters spielt. Sie wissen nicht, welche Kräfte ihnen unterthan sind, welche Welten ihnen gehorchen müssen. Ist es denn nicht wahr, daß Steine und Wälder der Musik gehorchen und, von ihr gezähmt, sich jedem Willen wie Hausthiere fügen? – Blühen nicht wirklich die schönsten[1] Blumen um die Geliebte und freuen sich sie zu schmücken? Wird für sie der Himmel nicht heiter[1] und das Meer nicht eben? – Drückt nicht die ganze Natur[2] so gut, wie das Gesicht, und die Geberden, der Puls und die Farben, den Zustand eines jeden der höheren, wunderbaren Wesen aus, die wir Menschen nennen? Wird nicht der Fels ein eigenthümliches Du, eben wenn ich ihn anrede? Und was bin ich anders, als der Strom, wenn ich wehmüthig in seine Wellen hinabschaue, und die Gedanken in seinem Gleiten verliere? Nur ein ruhiges, 〈101〉 genußvolles Gemüth wird die Pflanzenwelt, nur ein lustiges Kind oder ein Wilder die Thiere[1] verstehn..
[134] Novalis, Monolog (*1799), 2: Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache[1] wie mit den mathematischen Formeln sey – Sie machen eine Welt für sich aus – Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur[1] aus und eben darum sind sie so ausdrucksvoll – eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnißspiel der Dinge. Nur durch ihre Freyheit[12] sind sie Glieder der Natur[2] u[nd] nur in ihren freyen Bewegungen äußert sich die Weltseele und macht sie zu einem zarten Maaßstab u[nd] Grundriß der Dinge. So ist es auch mit der Sprache[1] – wer ein feines Gefühl ihrer Applicatur, ihres Takts, ihres musicalischen[3] Geistes[12] hat, wer in sich das zarte Wirken ihrer innern Natur[1] vernimmt, und darnach seine Zunge oder seine Hand bewegt, der wird ein Profet sein, dagegen wer es wohl weis, aber nicht Ohr[3] u[nd] Sinn[5] genug für sie hat, Wahrheiten wie diese schreiben, aber von der Sprache[1] selbst zum besten gehalten u[nd] von den Menschen, wie Cassandra von den Trojanern, verspottet werden wird. ➢ Volltext.
[135] Novalis, Randbem. Ideen (*1799), NS 3, 490: Ich weis nicht warum man immer von einer abgesonderten Menschheit[2] spricht. Gehören Thiere[1], Pflanzen[1] und Steine, Gestirne und Lüfte nicht auch zur Menschheit[2] und ist sie nicht ein bloßer Nervenknoten, in den unendlich verschiedenlaufende Fäden sich kreutzen. Läßt sie sich ohne die Natur begreifen – ? ist sie denn so sehr anders, als die übrigen Naturgeschlechter?.
[136] Novalis, Fragm. u. Stud. (*1799–1800), NS 3, 638, Nr. 505: Wilhelm Meisters Lehrjahre sind gewissermaßen durchaus prosaïsch[3] – und modern[5]. Das Romantische[7] geht darinn zu Grunde – auch die Naturpoësie, das Wunderbare – Er handelt blos von gewöhnlichen menschlichen Dingen – die Natur und der Mystizism sind ganz vergessen. Es ist eine poëtisirte bürgerliche und häusliche Geschichte[8]. Das Wunderbare darinn wird ausdrücklich, als Poesie[14] und Schwärmerey, behandelt..
[137] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 14: Bey der Hofhaltung des Landgrafen ging es nach der Sitte der damaligen Zeiten[3] einfach und still zu; und die Pracht und Bequemlichkeit des fürstlichen Lebens dürfte sich schwerlich mit den Annehmlichkeiten messen, die in spätern Zeiten[3] ein bemittelter Privatmann sich und den Seinigen ohne Verschwendung verschaffen konnte. Dafür war aber der Sinn[5] für die Geräthschaften und Habseeligkeiten, die der Mensch zum mannichfachen Dienst seines Lebens um sich her versammelt, desto zarter und tiefer. Sie waren den Menschen werther und merkwürdiger. Zog schon das Geheimniß der Natur und die Entstehung ihrer Körper den ahndenden[3] Geist[19] an: so erhöhte die seltnere Kunst[13] ihrer Bearbeitung[,] die romantische[7/8] Ferne, aus der man sie erhielt, und die Heiligkeit ihres Alter〈15〉thums[1], da sie sorgfältiger bewahrt, oft das Besitzthum mehrerer Nachkommenschaften wurden, die Neigung zu diesen stummen Gefährten des Lebens. Oft wurden sie zu dem Rang von geweihten Pfändern eines besondern Segens und Schicksals erhoben, und das Wohl ganzer Reiche und weitverbreiteter Familien hing an ihrer Erhaltung. Eine liebliche Armuth schmückte diese Zeiten[3] mit einer eigenthümlichen ernsten und unschuldigen Einfalt; und die sparsam vertheilten Kleinodien glänzten desto bedeutender in dieser Dämmerung, und erfüllten ein sinniges Gemüth mit wunderbaren Erwartungen. Wenn es wahr ist, daß erst eine geschickte Vertheilung von Licht, Farbe und Schatten die verborgene Herrlichkeit der sichtbaren Welt offenbart, und sich hier ein neues[1] höheres Auge aufzuthun scheint: so war damals überall eine ähnliche Vertheilung und Wirthschaftlichkeit wahrzunehmen; da hingegen die neuere[3] wohlhabendere Zeit[3] das einförmige und unbedeutendere Bild eines allgemeinen Tages darbietet..
[138] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 22: In alten[1] Zeiten[3] muß die ganze Natur lebendiger und sinnvoller gewesen seyn, als heut zu Tage. Wirkungen, die jetzt kaum noch die Thiere[1] zu bemerken scheinen, und die Menschen[1] eigentlich allein noch empfinden und genießen, bewegten damals leblose Körper; und so war es möglich, daß kunstreiche Menschen[1] allein Dinge möglich machten und Erscheinungen hervorbrachten, die uns jetzt völlig unglaublich und fabelhaft dünken. So sollen vor uralten Zeiten[3] in den Ländern des jetzigen Griechischen[3] Kaiserthums, wie uns Reisende berichtet, die diese Sagen noch dort unter dem gemeinen Volke[5] angetroffen haben, Dichter gewesen seyn, die durch den seltsamen Klang wunderbarer Werkzeuge das geheime Leben der Wälder, die in den Stämmen verborgenen Geister[1/12] aufgeweckt, in wüsten, verödeten Gegenden den todten Pflanzensaamen erregt, und blühende Gärten hervorgerufen, grausame Thiere[4] gezähmt und verwilderte Menschen[1] zu Ordnung und Sitte gewöhnt, sanfte Neigungen und Künste[1] des Friedens in ihnen rege gemacht, reißende Flüsse in milde Gewässer verwandelt, und selbst die todtesten Steine in regelmäßige tanzende Bewegungen hingerissen haben..
[139] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 49: Vorzüglich hielt sie sich bei dem Lobe ihrer Landsleute und ihres Vaterlandes auf. Sie schilderte den Edelmuth derselben, und ihre reine starke Empfänglichkeit für die Poesie[15/14] des Lebens und die wunderbare, geheimnißvolle Anmuth der Natur. Sie beschrieb die romantischen[3] Schönheiten[1] der fruchtbaren Arabischen Gegenden [...]..
[140] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 95: Habe ich doch schon oft, rief Heinrich aus, mich an dem Aufgang der bunten Natur, an der friedlichen Nachbarschaft ihres mannichfaltigen Eigenthums ergötzt; aber eine so schöpferische und gediegene Heiterkeit[4] hat mich noch nie erfüllt wie heute. Jene Fernen sind mir so nah, und die reiche Landschaft ist mir wie eine innere Fantasie[19]. Wie veränderlich ist die Natur, so unwandelbar auch ihre Oberfläche zu seyn scheint..
[141] Pestalozzi, Schwanenges. (1826), 102: Man macht die Kinder lesen, ehe sie reden können; man will sie durch die Bücher reden lehren; man zieht sie von der Anschauung, diesem Naturfundament des Redens künstlich und gewaltsam ab, und macht auf die unnatürlichste Weise den todten Buchstaben[6] zum Anfangspunkt der Sacherkenntnisse, deren naturgemäßer Hintergrund und Anfangspunkt der Geist[19] und das Leben der Anschauung der Natur selbst ist und in allen Verhältnissen anerkannt werden sollte..
[142] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. I (1830), 193 f. (194): Die das Thal 〈194〉 umgebenden Berge sind sehr hoch und steil, und steigen überall, glatt und ohne Absatz, von der wie planirt erscheinenden Fläche empor. Links sind es nackte Felsen, von imponirender Gestalt, nur hie und da mit rother und gelber Erica bewachsen, die andern drei Seiten aber mit dichten und mannichfaltigen Pflanzungen bedeckt, deren Laub bis in den See hinabhängt. Wo der erwähnte Bergstrom sich, auf glänzend grünem Grasgrunde, in den See ergießt, bildet er einen breiten Wasserfall. Es ist wohl ein schöner[1] Fleck Erde – einsam und abgeschlossen, der Wald voll Wild, der See voll Fische, und die Natur voll Poesie[15]..
[143] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. II (1830), 280: Der Architekt, welcher diesen prächtigen Dom [sc. Bath Abbey] baute, hat in Zierrathen und Verhältnissen sich ganz vom Gewöhnlichen entfernt. So steigen z. B., von außen, neben dem Portal, zwei Jakobsleitern mit hinanklimmenden Engeln, bis an das Dach empor, wo sich die Kleinen hinter den Giebeln verlieren. Gar lieblich sind die emsigen Himmelsstürmer anzusehen, und wie mich dünkt, ganz im Geiste[[[[BedeutungsVerweis ID='60' Anzeige='12' Formatierung='1']]]] jener phantasiereichen Architektur erfunden, die das Kindlichste mit dem Erhabensten, den ausgeführtesten Schmuck mit dem grandiosesten Effekt der Massen zu verbinden wußte, und so zu sagen die ganze irdische Natur mit Wald-Colossen und Blumen, mit Felsen und Edelsteinen (die bunten Fenster) mit Menschen und Thieren[[[[BedeutungsVerweis ID='474' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] abbilden wollte, hierdurch aber am sichersten die heilige Stimmung nach jenseits hervorrief. – Mir ist sie immer als die ächt romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]], i. e. ächt deutsche, Bauart vorgekommen, aus unserm eigensten Gemüth entsprossen. Doch glaube ich, sind wir ihr jetzt entfremdet, da eine mehr schwärmerische Zeit[[[[BedeutungsVerweis ID='499' Anzeige='5' Formatierung='1']]]] dazu gehört. Wir können sie wohl noch einzeln bewundern und lieben, aber nichts mehr der Art schaffen, was nicht den nüchternsten Stempel der Nachahmung trüge. Dampfmaschinen und Constitutionen gerathen dagegen jetzt besser, als überhaupt alle Kunst[[[[BedeutungsVerweis ID='261' Anzeige='10' Formatierung='1']]]]. Jedem Zeitalter das Seine..
[144] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. IV (1830), 97: Am Tage war einsames Wandern in der Natur meine Freude, Abends das Lesen romantischer[1] Fiktionen, 〈98〉 die ich mit jenen gesehenen Scenen verband [...]..
[145] Ritter, Fragm. II (*?1799; 1810), 129, Nr. 514: Wie selten mag eine Sonne ihren Frühling feyern, und, wer weiß, ist das Blühen einer Sonne im großen Garten der Natur nicht eine eben so seltene Erscheinung, als das Blühen einer Aloe im kleinen Garten der Kunst[13]!.
[146] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 342: Man ist mit diesen Zwischentönen oder Stufen, die zwar ihrer Natur[1] nach eben so alt sind, wie die diatonische Octavengattung, unsere erste ursprüngliche Melodie ist, erst mit der Zeit[1] und vielleicht sehr spät bekannt geworden. Die diatonischen Töne und Stufen selbst, sind, nicht eher als lange, nachdem man schon gesungen und gespielet hatte, bekannt geworden; denn die Natur[2] führet uns zuerst durch leichtere und beqvemere Wege, ehe wir durch die Kunst[2] oder durch unsern Witz[1] diese natürlichen[2] Wege ausschmücken und verschönern lernen. Sie überläßt dieses unserm Genie[2] und unserer uns durch sie angebohrnen Erfindungskraft, wozu sie uns durch jenes gleichsam mit der Hand leitet..
[147] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 343 f.: Die Empfindung des Natürlichen[2] äußert sich von sich selbst und fast ohne Mühe. So ist es auch mit den Tönen beschaffen gewesen; denn so bald man den Trieb zum Singen empfand, so bald ward auch diese diatonische Octavengattung, diese natürliche[2] Tonleiter, die gleichsam ein musikalisches[8] ganz unentbehrliches Bedürfniß war, hervorgebracht, und zwar bloß durch den innerlichen Trieb der Natur[2], 〈344〉 und ohne solches zu verlangen, oder zu erkennen. Das Wissen oder die Kenntniß dieses Triebes, dieser Würkung der Natur[2], ist erst lange hernach erfolgt, nachdem man vielleicht manche Jahrhunderte gesungen und gespielet hatte; so lange wußte man auch von keiner Kunst[2], von keinem System, und auch nichts von der Verschiedenheit der Klanggeschlechte. Das ist nun die wahre Erzeugung der Töne, der Klangstufen, der Tonleiter, der Klanggeschlechte und endlich der Theorie der Töne selbst; denn darinn besteht die wahre ursprüngliche Natur[1] derselben. Und darinn lag auch die eigenthümliche Verwandschaft und Verknüpfung der Töne zwar anfangs verborgen; Zeit[1], Mühe und Fleiß haben sie aber hernach näher untersuchet und gleichsam aufgedeckt. Dem menschlichen Witze[1], durch die Schönheit des Gegenstandes gereitzt, durch die Neugierde angetrieben, durch die Erfahrung geleitet, kam die Kunst[2] zu Hülfe; die Ordnung, auf die uns schon die Natur[2] geführet hatte, ward durch Regeln erkannt und unterstützt; man ward sinnreich in der Kunst[1], zu erfinden; man entdeckte gar bald, daß man die schon vorhandenen Töne vervielfältigen, vermehren, abändern, verkleinern und erweitern könnte; dadurch entdeckte man die Klanggeschlechte, ihre verschiedenen Arten, und den Umfang und Nutzen derselben. Endlich, da sich Natur[2], Witz[1] und Kunst[2] gänzlich mit einander vereiniget hatten, erfand man [...] auch die Harmonie; nein! man erfand sie nicht, sondern man entdeckte sie nur, denn sie hatte schon von Anfang an in der Melodie verborgen gelegen; es brauchte nur Zeit[6], Witz[1] und Fleiß sie auszuwickeln [...]..
[148] Schelling, Syst. d. Naturphilos. (1799), SW I, 3, 56: Dadurch wird jene [...] Oberflächlichkeit der Erklärung, als ob nämlich die klassischen[1] Unterschiede bei organischen[3] Wesen derselben Art ihnen lediglich durch Einflüsse der äußern Natur, oder gar der Kunst[1] allmählich eingedrückt wären, verbannt [...]..
[149] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 406 f.: Ebendaraus aber, daß die rechtliche Verfassung nur das Supplement der sichtbaren Natur seyn soll, folgt, daß die rechtliche 〈407〉 Ordnung nicht eine moralische ist, sondern eine bloße Naturordnung, über welche die Freyheit[10] so wenig vermögen darf, als über die der sinnlichen Natur. Es ist daher kein Wunder, daß alle Versuche, sie in eine moralische umzuwandeln, sich durch ihre eigene Verkehrtheit, und den Despotismus in der furchtbarsten Gestalt, die unmittelbare Folge davon, in ihrer Verwerflichkeit darstellen..
[150] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 422 f. (423): Die allgemeine Rechts-Verfassung ist Bedingung der Freyheit[6], weil es ohne sie für die Freyheit keine Bürgschaft giebt. Denn die Freyheit, welche nicht durch eine allgemeine Naturordnung 〈423〉 garantirt ist, existirt nur precär, und ist, wie in den meisten unserer jetzigen Staaten, eine nur parasitisch gedeihende Pflanze, welche einer nothwendigen Inconsequenz gemäß im Allgemeinen geduldet wird, doch so, daß der einzelne seiner Freyheit[6] nie sicher ist. So soll es nicht seyn. Die Freyheit[6] soll keine Vergünstigung seyn, oder ein Gut, das nur gleich einer verbotenen Frucht genossen werden darf. Die Freyheit[6] muß garantirt seyn durch eine Ordnung, welche so offen, und so unveränderlich ist, wie die der Natur..
[151] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 446 f. (447): In dem Naturproduct ist noch beysammen, was sich im freyen Handeln zum Behuf des Erscheinens getrennt hat. Jede Pflanze ist ganz, was sie seyn soll, das Freye in ihr ist nothwendig, und das Nothwendige frey. Der Mensch 〈447〉 ist ein ewiges Bruchstück, denn entweder ist sein Handeln nothwendig, und dann nicht frey, oder frey, und dann nicht nothwendig und gesetzmäßig. Die vollständige Erscheinung der vereinigten Freyheit[1] und Nothwendigkeit in der Aussenwelt giebt mir also allein die organische[3] Natur [...]..
[152] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 460 ff. (461 f.): Wenn nun ferner die Kunst[2] durch zwei völlig verschiedene Thätigkeiten vollendet wird, so ist das Genie[2] weder die Eine noch die andere, sondern das, was über beyden ist. Wenn wir in der Einen jener beyden Thätigkeiten, der 〈461〉 bewußten nämlich, das suchen müßen, was gemeinhin Kunst[1] genannt wird, was aber nur der Eine Theil derselben ist, nämlich dasjenige an ihr, was mit Bewußtseyn, Überlegung und Reflexion ausgeübt wird, was auch gelehrt und gelernt, durch Überlieferung und durch eigene Übung erreicht werden kann, so werden wir dagegen in dem Bewußtlosen, was in die Kunst[2] mit eingeht, dasjenige suchen müßen, was an ihr nicht gelernt, nicht durch Übung, noch auf andere Art erlangt werden, sondern allein durch freye Gunst der Natur[2/15] angebohren seyn kann, und welches dasjenige ist, was wir mit einem Wort die Poësie[2] in der Kunst[2] nennen können. [...] 〈462〉 [...] Es läßt sich [...] eher erwarten, daß Kunst[1] ohne Poësie[2], als daß Poësie[2] ohne Kunst[1] etwas zu leisten vermöge, [...] weil nicht leicht ein Mensch von Natur[2/15] ohne alle Poësie[19], obgleich viele ohne alle Kunst[6] sind [...]..
[153] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 483 f. (484): Das absolut Objective kann dem Ich selbst 〈484〉 nur durch Einwirkung anderer Vernunftwesen zum Object werden. Aber in diesen muß schon die Absicht jener Einwirkung gelegen haben. Also wird die Freyheit[10] in der Natur immer schon vorausgesetzt, (die Natur bringt sie nicht hervor) und wo sie nicht als Erstes schon ist, kann sie nicht entstehen. Hier wird also offenbar, daß obgleich die Natur bis zu diesem Punct der Intelligenz[1] völlig gleich ist, und dieselben Potenzen mit ihr durchläuft, die Freyheit[10] doch, wenn sie ist, (daß sie aber ist, läßt sich theoretisch nicht beweisen), über der Natur, (natura prior) seyn muß..
[154] Schelling, Darst. Syst. (1801), 118: Die sogenannte unorganische Natur ist [...] wirklich organisirt[4], und zwar für die Organisation[2], (gleichsam als das allgemeine Samenkorn, aus welchem diese hervorgeht). [...] 〈120〉 [...] Die Schwierigkeiten, die man bis daher gefunden hat, sich einen ersten Ursprung der Organisationen[1] aus dem Innern jedes Weltkörpers zu denken, hatten ihren Grund vorzüglich darin, daß man weder einen deutlichen Begriff von Metamorphose noch von dem ursprünglichen und schon dynamisch organisirten[4] Zustand jedes Weltkörpers [...] gehabt hat; daher selbst Kant noch die Idee, daß alle Organisationen[1], der Erde z. B., aus ihrem eigenen Schooß gebohren, als eine abentheuerliche[3], ja fast furchtbare Vorstellung betrachtet. ➢ Volltext.
[155] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 357 f.: Der ist noch sehr weit zurück, dem die Kunst[10] nicht als ein geschlossenes, organisches[6] und ebenso in allen seinen Theilen nothwendiges Ganzes erschienen ist, als es die Natur ist. Fühlen wir uns unaufhaltsam gedrungen, das innere Wesen der Natur zu schauen, und jenen fruchtbaren Quell zu ergründen, der so viele große Erscheinungen mit ewiger Gleichförmigkeit und Gesetzmäßigkeit aus sich herausschüttet, wie viel mehr muß es uns interessiren, den Organismus[8] der Kunst[10/2] zu durchdringen, in der aus der absoluten Freiheit[10] sich die höchste Einheit und Gesetzmäßigkeit herstellt, die uns die Wunder unseres eignen 〈358〉 Geistes[19] weit unmittelbarer als die Natur erkennen läßt. ➢ Volltext.
[156] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 383: Der Wahrheit entspricht die Nothwendigkeit, der Güte die Freiheit[10]. Unsere Erklärung der Schönheit[1], sie sey die Ineinsbildung des Realen und Idealen, sofern sie im Gegenbild dargestellt ist, schließt also auch die in sich: Schönheit[1] ist Indifferenz der Freiheit[10] und der Nothwendigkeit, in einem Realen angeschaut. Wir nennen z. B. schön[1] eine Gestalt, in deren Entwurf die Natur mit der größten Freiheit[10] und der erhabensten Besonnenheit, jedoch immer in den Formen, den Grenzen der strengsten Nothwendigkeit und Gesetzmäßigkeit gespielt zu haben scheint. Schön[1] ist ein Gedicht, in welchem die höchste Freiheit[10] sich selbst wieder in der Nothwendigkeit faßt. Kunst[10] demnach eine absolute Synthese oder Wechseldurchdringung der Freiheit[10] und der Nothwendigkeit. ➢ Volltext.
[157] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 398: Was die Bildung[10] des Vulcan betrifft, so zeigt uns diese die große Identität zwischen den Bildungen[16/10] der Phantasie[1] und der organisch[4] schaffenden Natur. Wie die Natur durch die vorzügliche Ausbildung eines Organs[2] oder Triebs in einer Gattung von Geschöpfen sich genöthigt sieht, es dagegen in einem andern zu verkürzen, so hat hier die Phantasie[1] das, was sie den mächtigen Armen des Hephästos gab, seinen Füßen entziehen müssen, welche hinkend sind. Aber allgemein gilt in Ansehung der häßlichen[1] Bildungen[10] der griechischen[2] Götterwelt, daß diese sämmtlichen Bildungen[10] in ihrer Art wieder Ideale, nur die umgekehrten Ideale sind, und daß sie dadurch wieder in den Kreis des Schönen[1] aufgenommen werden. ➢ Volltext.
[158] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 414 f. (415): Die Mythologie kann weder das Werk des einzelnen Menschen noch des Geschlechts oder der Gattung seyn (sofern diese nur eine Zusammensetzung der Individuen), sondern allein des Geschlechts, sofern es selbst Individuum und einem einzelnen Menschen gleich ist. Nicht des Einzelnen, weil die Mythologie absolute Objektivität haben, eine zweite Welt seyn soll, die nicht die des Einzelnen seyn kann. Nicht eines Geschlechts oder der Gattung, sofern sie nur eine Zusammensetzung der Individuen, denn alsdann wäre sie ohne harmonische Zusammenstimmung. Sie fordert also zu ihrer Möglichkeit nothwendig ein Geschlecht, das Individuum wie Ein Mensch ist. Die Unbegreiflichkeit, 〈415〉 die diese Idee für unsere Zeit[3] haben mag, kann ihrer Wahrheit nichts nehmen. Sie ist die höchste Idee für die ganze Geschichte überhaupt. Analogien, ferne Anspielungen auf ein solches Verhältniß enthält schon die Natur in der Art, wie sich die Kunsttriebe der Thiere[1] äußern, indem bei mehreren Gattungen ein ganzes Geschlecht zusammen wirkt, jedes Individuum als das Ganze, und das Ganze selbst wieder als Individuum handelt. ➢ Volltext.
[159] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 419: Wer unsere Behauptung von der griechischen[2] Mythologie als einem Werk der Natur so verstehen wollte, als wäre sie es auf eine eben so blinde Weise, als es die Hervorbringungen des Kunsttriebs der Thiere[1] sind, würde sie freilich ganz roh verstehen. Aber nicht weniger würde derjenige von der Wahrheit abirren, der sie als ein Werk absolut-poetischer[4] Freiheit[5] denken wollte. ➢ Volltext.
[160] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 543: Die thierische Natur[1] überhaupt und einzelne thierische Leiber sind an sich von symbolischer Bedeutung, die Natur[2] selbst wird in ihnen 〈544〉 symbolisch. Thierstücke können also nur entweder durch das Herausheben der symbolischen Bedeutung der Gestalten [...] oder nur durch eine höhere Beziehung einigen Kunstwerth haben. Einige holländische Maler sind bis zu Darstellung von Hühnerhöfen heruntergegangen. Wenn eine solche Schilderei noch einigermaßen tolerirt wird, so ist es, weil auch ein Hühnerhof auf das Innere eines Hauses, die Armuth oder den Reichthum des Besitzers kann schließen lassen. Höhere Beziehung und Bedeutung erhalten Thierstücke, wo Thiere[1] wirklich in Handlung[2] und im Kampf entweder untereinander oder mit Menschen[1] dargestellt werden. ➢ Volltext.
[161] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 566: Die Malerei[1] ist bloß allegorisch in denjenigen Gegenständen, die nicht um ihrer selbst willen dargestellt werden. – Denn was nicht um seiner selbst willen, bloß um eines andern willen, ist es bedeutend. | Anmerkung. Hieher gehören die untergeordneten Gattungen des Still-Lebens, der Blumen- und Frucht-, sowie im Ganzen auch der Thierstücke. Alle diese Gattungen sind entweder überhaupt keine Kunstgattungen oder von allegorischer Bedeutung. Was Thierstücke insbesondere betrifft, so ist die Natur in der Produktion der Thiere[1] selbst gewissermaßen allegorisch, sie deutet ein Höheres, die menschliche Gestalt an, es sind unvollkommene Versuche, die höchste Totalität zu produciren. Selbst der Charakter[1], den sie in das Thier[1] wirklich gelegt hat, spricht sich in ihm nicht vollkommen aus, sondern ist bloß angedeutet und wird errathen. Aber auch der bekannte Charakter[1] des Thiers[1] ist nur eine einseitige Erscheinung des Totalcharakters der Erde, und inwiefern dieser im Menschen[1] am vollkommensten ausgedrückt ist, des Menschen[1]. ➢ Volltext.
[162] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 588: Die Pflanze[1] würde ins Unendliche nach der Länge fortsprossen, Knoten auf Knoten treiben [...] wenn die Natur nicht einen Punkt erreichte, wo sie das, was sie zuvor successiv producirt, zumal producirt. So macht sie es bei dem Produciren der Blüthe in der Pflanze[1], sie bildet damit einen Kopf, ein bedeutendes Ende. Und auch im Thierreich folgt sie diesem Gesetz, sie schließt das Thier[2] nach oben durch den Kopf, das Gehirn, und auch dieses Ende entsteht ihr nur dadurch, daß sie das, was sie zuvor (in den Nervenknoten) successiv producirte, zumal producirt und ihm eine concentrische Stellung gibt. Dasselbe ist mehr oder weniger in den Formen der Architektur nachzuweisen. ➢ Volltext.
[163] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 631: Die Natur [...] erscheint mehr als geschaffene, die ideale [Welt] als schaffende [...]. Die Natur ist [...] die plastische[2] Seite, ihr Bild ist die Niobe der plastischen[1] Kunst[10], die mit ihren Kindern erstarrt, die ideale Welt die Poesie[2] des Universums. ➢ Volltext.
[164] Schelling, Würzb. Syst. (!1804), SW I, 6, 377: Der Organismus[1] ist das unmittelbare Abbild der absoluten Substanz oder der Natur schlechthin betrachtet..
[165] Schelling, Würzb. Syst. (!1804), SW I, 6, 406: Wir haben den Organismus[2] überhaupt bezeichnet als Produkt des Wechselstreites zweier Principien, wovon das eine auf die Identität, das andere zur Totalität strebt, jenes dem cohäsiven Princip der Natur, dieses dem Licht entspricht. Jedes dieser beiden Principien hat seinen Grund in einem der nothwendigen und ewigen Attribute der Natur, welche eben hier, im Organismus[2], wo die absolute Substanz zu vollkommener Selbstanschauung strebt, als eins gesetzt werden sollen. Aber jedes jener Attribute ist außer dem, daß es mit dem andern identisch, also der Substanz untergeordnet ist, auch wieder selbständig, ewig. In der vollkommensten Selbstauschauung der Natur können demnach beide nicht nur überhaupt identisch, sondern jedes muß auch wieder für sich, weil es selbständig ist, und doch in diesem für-sich-Seyn wieder identisch mit dem andern angeschaut werden. Dieß ist nur möglich durch das Geschlecht..
[166] Schelling, Würzb. Syst. (!1804), SW I, 6, 488 f. (489): Die Pflanze[1] ist [...] ein Organ[1] der Erde, [...] ein Organ[1], wodurch sie zur Sonne spricht [...], das Thier[1] ist ein Organ[1] der Sonne, aber wodurch diese [...] zur Erde spricht. Der Mensch[1] dagegen ist losgerissen von der Erde wie das Thier[1] und aufgerichtet wie die Pflanze[1]. Er ist Organ[1] der Erde, 〈489〉 wodurch sie nicht nur die Sonne, sondern die ganze himmlische Umwölbung faßt [...]. Er ist aber ebenso Organ[1] der Sonne, wodurch sie die Erde erkennt und zur Erde spricht, auf der er, ein sichtbarer Gott[4], wandelt, durch seine Bewegung Nähe und Ferne verbindend, und alles umwandelnd und bildend wie die Natur..
[167] Schelling, Wesen dt. Wiss. (*1807), SW I, 8, 15: Denn jede Kraft der Natur ist an sich gut, und, soweit sie positiv ist, göttlich; sie wird negativ und vom Argen, nur sofern sie aus dem 〈16〉 ursprünglichen Maß der Kräfte heraustretend und für sich wirkend, sich selbst zum Mittelpunkt zu machen strebt. Wenn aber die Tugend selbst nichts anderes ist denn eben jenes göttliche Maß der ursprünglichen Kräfte, so sind diese nothwendig zur Aeußerung der Tugend, wie in der Heiterkeit[2] der Luft nur darum die Sonne als Bild der Einheit erscheint, weil derselbe Luftkreis es ist, in dem auch die Kräfte der Stürme und Orkane, die Macht des Blitzes und des Donners schlummert.
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.[168] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 41 f. (42): Noch ein andrer Umstand mußte das Wachsthum der neuen[1] Religion[1] in diesen Ländern [sc. Niederlande] begünstigen. Italien, 〈42〉 damals der Sitz der größten Geistesverfeinerung, ein Land, wo sonst immer die heftigsten politischen Faktionen gewüthet haben, wo ein brennendes Klima das Blut zu den wildesten Affekten erhitzt, Italien, könnte man einwenden, blieb unter allen europäischen Ländern beinahe am meisten von dieser Neuerung [sc. Reformation] frei. Aber einem romantischen[6] Volk[1], das durch einen warmen und lieblichen Himmel, durch eine üppige, immer junge und immer lachende Natur und die mannichfaltigsten Zaubereien der Kunst[2] in einem ewigen Sinnengenusse erhalten wird, war eine Religion[1] angemessener, deren prächtiger Pomp die Sinne[4] gefangen nimmt, deren geheimnißvolle Räthsel der Phantasie[1] einen unendlichen Raum eröfnen, deren vornehmste Lehren sich durch mahlerische[4] Formen in die Seele einschmeicheln. Einem Volke[1] im Gegentheil, das, durch die Geschäfte des gemeinen bürgerlichen Lebens zu einer undichterischen Wirklichkeit herabgezogen, in deutlichen Begriffen[1] mehr als in Bildern lebt, und auf Unkosten der Einbildungskraft seine Menschenvernunft ausbildet; einem solchen Volk[1] wird sich ein Glaube empfehlen, der die Prüfung weniger fürchtet, der weniger auf Mystik als auf Sittenlehre dringt, weniger angeschaut als begriffen werden kann. Mit kürzeren Worten[2]: Die katholische Religion[1] wird im Ganzen mehr für ein Künstlervolk, die protestantische mehr für ein Kaufmannsvolk taugen..
[169] Schiller, Erste Mensch.gesellsch. (1790), NA 17, 404: Sobald er [sc. der Mensch] seinen Thieren[1] ihre Freiheit[3] geraubt hatte, war er in die Nothwendigkeit gesetzt, sie selbst zu ernähren, und für sie zu sorgen. So wurde er also zum Hirten, und so lange die Gesellschaft noch klein war, konnte die Natur seiner kleinen Heerde Nahrung im Ueberfluß darbieten. Er hatte keine andre Mühe, als die Weide aufzusuchen, und sie wenn sie abgeweidet war, mit einer andern zu vertauschen. Der reichste Ueberfluß lohnte ihm für diese leichte Beschäftigung, und der Ertrag seiner Arbeit war keinem Wechsel weder der 〈405〉 Jahrszeit noch der Witterung unterworfen. Ein gleichförmiger Genuß war das Loos des Hirtenstandes, Freiheit[5] und ein fröhlicher Müssiggang sein Karakter[1]..
[170] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 143: Endlich bildet sich der Geist[19] sogar seinen Körper, und der Bau selbst muß dem Spiele folgen, so daß sich die Anmuth zuletzt nicht selten in architektonische Schönheit[1] verwandelt. | So, wie ein feindseliger, mit sich uneiniger Geist[19] selbst die erhabenste Schönheit[1] des Baues zu Grund richtet, daß man unter den unwürdigen Händen der Freyheit[10] das herrliche Meisterstück der Natur[2] zuletzt nicht mehr erkennen kann, so sieht man auch zuweilen das heitre[4] und in sich harmonische Gemüth der durch Hindernisse gefesselten Technik zu Hülfe kommen, die Natur[12] in Freyheit[10/13] setzen und die noch eingewickelte, gedrückte Gestalt mit göttlicher Glorie auseinander breiten. ➢ Volltext.
[171] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 156: In der permanenten Gestalt und in den festen architektonischen Zügen des Thieres[1] kündigt die Natur ihren Zweck, in den mimischen Zügen das erwachte oder gestillte Bedürfniß an. Der Ring der Nothwendigkeit geht durch das Thier[1] wie durch die Pflanze[1], ohne durch eine Person unterbrochen zu werden. ➢ Volltext.
[172] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 157: Bey dem Thiere[1] und der Pflanze[1] giebt die Natur nicht bloß die Bestimmung an, sondern führt sie auch allein aus. Dem Menschen[1] 〈158〉 aber giebt sie bloß die Bestimmung, und überläßt ihm selbst die Erfüllung derselben. Dieß allein macht ihn zum Menschen[1]. ➢ Volltext.
[173] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 159: Bey der Gestalt des Menschen[1] begnügen wir uns [...] nicht damit, daß sie uns bloß den allgemeinen Begriff[1] der Menschheit[1], oder was etwa die Natur zu Erfüllung desselben an diesem Individium wirkte, vor Augen stelle, denn das würde er mit jeder technischen Bildung[10] gemein haben. Wir erwarten noch von seiner Gestalt, daß sie uns zugleich offenbare, inwieweit er in seiner Freyheit[10] dem Naturzweck entgegenkam, d. i. daß sie Karakter[2] zeige. ➢ Volltext.
[174] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. I (1795), 427: Mit schmerzlichem Verlangen sehnen wir uns dahin [sc. zur Natur19] zurück, sobald wir angefangen, die Drangsale der Kultur[4/3] zu erfahren und hören im fernen Auslande der Kunst[14] der Mutter rührende Stimme. Solange wir bloße Natur[2]kinder waren, waren wir glücklich und vollkommen; wir sind frey geworden, und haben beydes verloren. Daraus entspringt eine doppelte und sehr ungleiche Sehnsucht nach der Natur[19]; eine Sehnsucht nach ihrer Glückseligkeit, eine Sehnsucht 〈428〉 nach ihrer Vollkommenheit..
[175] Schiller, Chor. Trag. (1803), VI: Wem die Natur[2] zwar einen treuen Sinn[9] und eine Innigkeit des Gefühls verliehen, aber die schaffende Einbildungskraft versagte, der wird ein treuer Mahler des Wirklichen seyn, er wird die zufällige Erscheinungen aber nie den Geist[12] der Natur[2] ergreifen. Nur den Stoff der Welt wird er uns wiederbringen, aber es wird eben darum nicht unser Werk, nicht das freie Produkt unsers bildenden Geistes[19] seyn, und kann also auch die wohlthätige Wirkung der Kunst[2], welche in der Freiheit[10] besteht, nicht haben. Ernst zwar, doch unerfreulich ist die Stimmung, mit der uns ein solcher Künstler und Dichter entläßt, und wir sehen uns durch die Kunst[2] selbst, die uns befreien sollte, in die gemeine enge Wirklichkeit peinlich zurück versezt. Wem hingegen zwar eine rege Phantasie[1] aber ohne Gemüth und Charakter[3] zu Theil geworden, der wird sich um keine Wahrheit bekümmern; sondern mit dem Weltstoff nur spielen, nur durch phantastische[2] und bizarre Combinationen zu überraschen suchen, und wie sein ganzes Thun nur Schaum und Schein ist, so wird er zwar für den Augenblick unterhalten, aber im Gemüth nichts 〈VII〉 erbauen und begründen. Sein Spiel ist, so wie der Ernst des andern, kein poetisches[1]. Phantastische[2] Gebilde willkührlich aneinander reihen, heißt nicht ins Ideale gehen, und das Wirkliche nachahmend wieder bringen, heißt nicht die Natur[10] darstellen..
[176] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 84: Die Sprache[1], die wunderbarste Schöpfung des menschlichen Dichtungsvermögens, gleichsam das große, nie vollendete Gedicht, worinn die menschliche Natur[1] sich selbst darstellt, bietet uns von dem, was ich eben sagte, ein auffallendes Beyspiel dar. So wie sie auf der einen Seite, vom Verstande[1] bearbeitet, an Brauchbarkeit zu allen seinen Verrichtungen zunimmt, so büßt sie auf der andern an jener ursprünglichen Kraft ein, die im nothwendigen Zusammenhange zwischen den Zeichen der Mittheilung und dem Bezeichneten liegt. So wie die gränzenlose Mannigfaltigkeit der Natur[2/11/19?] in abgezognen Begriffen[1] verarmt, so sinkt die lebendige Fülle der Töne immer mehr zum todten Buchstaben[9] hinab. Zwar ist es unmöglich, daß dieser jene völlig verdrängen sollte, weil der Mensch immer ein empfindendes Wesen bleibt, und sein angebohrner Trieb, Andern von seinem innersten Daseyn Zeugniß zu geben, und es dadurch in ihnen zu vervielfältigen, (wie sehr ihn auch die Herrschaft des Verstandes[1], der sein Wesen, so zu sagen, immer außer uns treibt, schwächen möge) doch nie ganz verloren gehen kann. Allein in den gebildeten Sprachen[3], hauptsächlich in der Gestalt, 〈85〉 wie sie zum Vortrage der deutlichen Einsicht, der Wissenschaft gebraucht werden, wittern wir kaum noch einige verlohrne Spuren ihres Ursprunges, von welchem sie so unermeßlich weit entfernt sind; wir können sie fast nicht anders als wie eine Sammlung durch Uebereinkunft festgesetzter Zeichen betrachten. ➢ Volltext.
[177] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 97: Es ist wahr, die vierfüßigen Thiere[1] schreyen nur; aber die Vögel singen zum Theil: hier sehen wir also schon zwey ganz verschiedne Sprachen[2], (ohne die vielen Dialekte[2] der besondern Thiergeschlechter zu rechnen) welche die Natur durch die verschiedne Einrichtung der Organe[2] mit ähnlichen Empfindungen verknüpft hat. ➢ Volltext.
[178] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 153: [B]ei den Naturgegenständen ist die Natur zweckmäßig, wo sie unsern Sinnen[4] gerade entgegen ist; so bei den häßlichsten[1] Tieren[1], und viele Völker[1] wußten nichts davon, mit dem Nützlichen das Schöne[1] zu verbinden, z. B. in der Baukunst..
[179] A. W. Schlegel, Entw. Krit. Inst. (*1800), SW 8, 51 ff. (52): Ebenso soll die Allgemeinheit, die wir suchen, nur darin be〈52〉stehen, daß wir dasjenige umfassen, was wirklich einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt hat, also was den Menschen als Menschen interessiert und einen integrierenden Theil der gesamten höheren Geistesbildung ausmacht. Hiedurch sind also ausgeschlossen alle Bücher, die bloß empirische Data oder positive Sätze ohne Beziehung auf ein System oder Herleitung aus Principien zusammentragen, ingleichen alle bloß technischen Kenntnisse, die lediglich durch ihre Verwendung zu einem bedingten Zwecke einen Werth erhalten. | Unsre Gegenstände würden also folgende sein: | 1) Philosophie in ihrem weitesten Umfange. | 2) Naturwißenschaft. Da alle Naturbeobachtung, die den Namen verdienen kann, zu allgemeinen Naturgesetzen hinstrebt und die Spekulation über die Natur ihre Sätze bis in die speciellste Erfahrung hinein bewährt wißen will, so würde sich die Kritik[7] sowohl über empirische als spekulative Physik verbreiten müßen, und es könnte nicht leicht zu viel in diesem Fache geschehen, da das Interesse des Zeitalters vorzüglich darauf gerichtet ist. [...] | 3) Von der Geschichte[4] dasjenige, was durch seinen Inhalt oder durch seine Form unmittelbaren Werth und Interesse hat und diese nicht erst durch äußerliche Brauchbarkeit erhält: also alles zur Geschichte[4] der Menschheit[1] Gehörige, dann historische Kunstwerke[4]. | 4) Von der Philologie: philosophische Grammatik und Beurtheilung der einzelnen Sprachen[3] nach Principien derselben, philologische Kritik[1] und Auslegungskunst. | Das Studium des klassischen[7] Alterthums[2] fällt unter die beiden vorhergehenden Rubriken, deren Bestimmung ausweist, was davon hier behandelt werden soll. Nur insofern sein Inhalt einen Theil der Kulturgeschichte ausmacht, gehört es in das historische Fach; seine Methode, Hülfsmittel u. s. w. in das philologische oder grammatische. | 5) Schöne[2] Kunst[9] und Theorie derselben. | Poesie[11] in ihrem weitesten Umfange, Beredsamkeit nach ihrer 〈53〉 richtigeren Bestimmung, als schöne[2] Komposition in Prosa[1], und überhaupt was zur schönen[2] Litteratur gerechnet wird, würde den Hauptartikel in dieser Rubrik ausmachen. .
[180] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 241 f.: Auch wollen wir uns hier nicht in die verwickelte Untersuchung über das Angebohrne im Menschen einlassen; obwohl man, wie mich dünkt, auf dem philosophischen Standpunkte nur sagen kann: es sey gar nichts angebohren, alles im Menschen sey durch sein eignes Handeln (möge es nun diesseits oder jenseits des Bewußtseyns vorgenommen seyn) bestimmt; oder aber: es werde dem Menschen immerfort alles angebohren, d. h. sein Handeln sey in jedem Augenblicke durch seine Lage im Universum bestimmt, welches beydes gleich wahr ist. Allein, das liegt unläugbar darin, daß Kant das Genie[2] zu einem blinden Werkzeuge der Natur macht. Seine Definition kann fast ohne Veränderung auf die Kunsttriebe der Thiere[1] angewandt 〈242〉 werden: in den Erzeugnissen dieser giebt die Natur der Kunst[1] wirklich die Regel; die Regelmäßigkeit der Bienenzellen, der Biberwohnungen, der Cocons von Seidenwürmern ist nicht das Werk dieser Thiere[1], als freythätig gedacht, sondern der Natur in ihnen. .
[181] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 266: Es giebt [...] in der menschlichen Schönheit[1] etwas allgemein geltendes, wenn es schon von jenen manierirt gebildeten Nationen[1] nicht anerkannt wird; das darf uns nicht irren, machen es doch die Manieristen in der Kunst[4] mit dem einfachen Style der großen Meister eben so. Es begreift sich, daß Nationen[1] die aus einer solchen einseitigen, ihnen von der Natur aufgezwungnen National-Physiognomie nicht heraus können, in der bildenden Kunst[2], deren höchster Gegenstand die menschliche Gestalt ist, keine sonderlichen Fortschritte haben machen mögen, auch gar keine Anmuthung dazu haben; wie hingegen dieselbe, unter einer von dieser Seite so einzig begünstigten Nation[1], wie die Griechen waren, ganz vorzugsweise gedeihen mußte..
[182] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 279 f. (280): Das Wasser, dieses träge und kalte Element erzeugt meistens nur formlose Massen von Thieren[1], an denen äußerlich wenig von einem künstlich gegliederten Bau zu erkennen ist. Auch die meisten Amphibien sind für uns widerwärtige und unverständliche Misgestalten. Die in der Luft lebenden Vögel haben zwar einen leichteren Bau und gefälligere Verhältnisse, allein vielleicht eben wegen dieser Bestimmung zum Fliegen, als bloße Formen betrachtet zu wenig Gehalt. Es scheint als habe die Natur diesen Mangel durch den mannichfaltigsten Farbenputz ersetzen wollen, so daß dieser das Auge an ihnen oft bey weitem am meisten beschäftigt..
[183] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 281: Wie die gesamte Thierwelt der Ausdruck von den Strebungen der Natur nach dem Gipfel derselben, der menschlichen Organisazion[5], ist, so kann man die edleren Gattungen unter den Säugethieren noch bestimmter als Versuche der Natur zu Menschen von mancherley Seiten her betrachten, die nicht bis zur Vollendung gediehen sind..
[184] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!
1801–02), KAV 1, 411: Die Nüchternheit [...], welche die Kunstrichter als Correctheit anpreisen, ist meistens nur Fantasielosigkeit und Armuth des Geistes[20]. Als Schwulst und Bombast pflegen eben diese alles zu verwerfen, was irgend über den Horizont des Herkommens und der Gewöhnung hinausgeht. Sie wenden dabey den schon ein andermal gerügten grundlosen Begriff vom Natürlichen[4] und Unnatürlichen an, indem sie mit ihrer Natur nicht die große, unendliche, sondern die oft kläglich beschränkte Ansicht einer Nation[1], eines Zeitalters meynen. Nur auf eine solche Verschwendung von Bildern, welcher kein wahrer Schwung der Fantasie[2] zum Grunde liegt [...], paßt die Benennung des Schwulstes, oder des Bombastes, wenn die Fantasie[2] sich aus den heitern[4] Regionen schöner Anschaulichkeit in das Verworrne und Sinnlose verliert. Sonst aber kann eigentlich eine Metapher[1] niemals zu kühn seyn. Alle Dinge stehn in Beziehungen auf einander, alles bedeutet daher alles, jeder Theil des Universums spiegelt daher das Ganze: dieses sind eben so wohl philosophische als poetische Wahrheiten. Nach der einen großen Metapher[5], welche schon in der ursprünglichen Bildung[3] der Sprache[1] liegt, da nämlich das Sinnliche das zu bezeichnende Geistige vertreten muß, wodurch die Gleichheit dieser beyden entgegengesetzten Welten erklärt wird, kann eigentlich der Dichter nichts kühneres mehr wagen..[185] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 465 f. (466): Die epische Dichtart ist daher einem Zeitalter am angemessensten, wo das Gemüth sich noch nicht zum vollen Bewußtseyn der Freyheit[10] und Selbstbestimmung erhoben hat, sondern dem Menschen wie eine physische Kraft 〈466〉 erscheint, von deren Wirkungen sich nicht immer Rechenschaft geben läßt. So ist es auch beym Homer: die unmotivirte Veränderlichkeit der Gesinnungen, der Wechsel von Leidenschaft und ruhiger Fassung, von Muth und Verzagtheit, u. s. w. liegt oben auf; die dabey beobachtete tiefere Consistenz der Charaktere[7] kann man entweder als etwas durch die Sage gegebnes betrachten, oder sie beweist nur daß die eigenthümliche Ansicht des epischen Zeitalters das allgemein in der Natur[1] der Sache liegende zwar wohl in den Hintergrund zurückdrängen aber nicht aufheben konnte. Bey einer solchen Stufe, worauf die ganze Charakteristik steht, kann allerdings Größe, Energie und Adel[5] der einzelnen Charaktere[7] Statt finden, aber keine eigentliche Idealität, welche eine reinere Absonderung von der Natur[2/13] voraussetzt. Jenes finden wir denn auch beym Homer, diese war erst den Tragikern vorbehalten..
[186] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 51: Daß es bey solch einem crassen Materialismus um die Erklärung der Phänomene des Lebens am schlimmsten aussehen muß, versteht sich von selbst: denn der Organismus[1] ist ein solches Naturprodukt, worin das Ganze den Theilen vorausgedacht werden muß, die durch jenes erst ihre Bestimmung erhalten. Er bietet schon ein sehr deutliches Bild der gesammten Natur im Kleinen dar, indem er ein sich selbst producirendes Product ist, und sich ihm ein Theil der allgemeinen ewigen Schöpferkraft sehr sichtbar eingeprägt hat. Auch die unendliche Wechselwirkung, da jede Wirkung wieder Ursache ihrer Ursache ist, und die wir in dem übrigen Naturlauf nicht so wahrnehmen können, ist uns in ihm offenbart. Aber eben deswegen begreift der ganz und gar nichts vom Organismus[1], der nicht die Idee der Natur mitbringt, und so 〈52〉 sehen wir denn auch, daß die Physiologie sich entweder mit den unhaltbarsten verworrensten Hypothesen von mechanischen und chemischen Wirkungsarten (d. h. von solchen die durch den Organismus[1] gewissermaßen aufgehoben werden, und nur bedingt in ihn eintreten können) beladen, oder geradezu eingestanden hat, sie wisse die Geheimnisse des Lebens nicht zu enträthseln. ➢ Volltext.
[187] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 52: Allgemein betrachtet, ist ein gewisses Gesetz der Form [...] Bedingung freyer Individualität in der Kunst[2] wie in der Natur, denn was zu keiner Gattung von Organisationen[1/7] gehört, ist monstros. Noch mehr als gegen die Dichterlinge möchte ich den Terrorismus der Formen gegen die zugleich unwissenden und gefühllosen Kritiker wenden. Sie sollten sich nicht erfrechen, über den Geist[12] umfassender Werke abzusprechen, ohne den Buchstaben[8] der Poesie[18] erlernt zu haben, und dabey ganz von unten auf dienen. So giebt es einen oder den anderen Kunstrichter, dem ich rathen würde einmal alle hochfliegende Gedanken fahren zu lassen, und einige Jahre im stillen darüber zu ruminiren, was wohl ein Triolet sey. Wenn er darüber Rechenschaft geben könnte, so machte man ihn zum kritischen[3] Baccalaureus oder Licentiaten, und so könnte er allmählich zur Doctorwürde befördert werden..
[188] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 177: Der anerkannt auch nach Einführung der Buchstabenschrift fortgesetzte Gebrauch der Hieroglyphen spricht [...] die große Wahrheit aus: daß der Verstand[1], dessen Beruf die Handhabung irdischer Dinge ist, hiezu die bequemsten Werkzeuge vorzieht: also willkührlich gebildete Begriffe[1], als Fächer und Classen[1] die Dinge hierin zu ordnen, willkührliche Zeichen derselben in der Wortsprache, und endlich willkührliche Zeichen von diesen willkührlichen in der Buchstabenschrift; daß hingegen zur vernünftigen d. i. philosophischen Erkenntniß der Natur und Gottheit eine Anschauung erfodert wird, daß hier die Fantasie[1] immer rege seyn, und also durch bildliche Zeichen aufgefodert werden muß..
[189] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 69: Es fehlt noch an einem Werke, welches die gesamte poetische[4], künstlerische, wissenschaftliche und gesellige Bildung[5] der Griechen, als ein großes harmonisches Ganzes, als ein wahres Kunstwerk[2] der Natur, worin ein wunderwürdiges Ebenmaaß der Theile herrscht, in demselben Geiste[14] schilderte, und ihre zusammenhängende Entwickelung verfolgte, wie Winckelmann es an Einer Seite davon geleistet 〈70〉 hat. Ein Versuch ist zwar gemacht worden in einem populären Buche, das in Aller Händen ist, ich meine die Reise des jungen Anacharsis [sc. Jean-Jacques Barthélémy, Voyage du Jeune Anacharsis en Grèce (Paris 1788).]. Dieß Buch ist von Seiten der Gelehrsamkeit schätzbar und kann sehr nützlich seyn, um Kenntniß der Alterthümer[5] zu verbreiten; aber, ohne noch das Verfehlte der Einkleidung zu rügen, es beweiset mehr guten Willen, den Griechen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, als Fähigkeit in ihren Geist[26] tief einzudringen. In dieser Hinsicht ist vieles nur von der Oberfläche geschöpft, ja nach modernen[1] Ansichten umgekleidet. Es ist nicht die Reise eines jungen Scythen, sondern eines alten[2] Parisers. ➢ Volltext.
[190] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 264: In mythologischen Geschichten[10], wobey Bacchus nichts zu schaffen hatte, ließen sich [...] seine beständigen Begleiter zwar nur mit einer gewissen Willkühr, jedoch nicht ohne Schicklichkeit anbringen. Wie die Natur in ihrer ursprünglichen Freyheit[1] überhaupt der griechischen[2] Fantasie[1] als reich an Wundererzeugnissen erschien, so durfte man wohl die wilden Landschaften, wo gewöhnlich der Schauplatz lag, fern vom Anbau gesitteter 〈265〉 Städte, mit jenen sinnlich fröhlichen Waldnaturen bevölkern. ➢ Volltext.
[191] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 13 f. (14): Die antike[2] Kunst[11] und Poesie[11] geht auf strenge Sonderung des Ungleichartigen, die romantische[12] gefällt sich in 〈14〉 unauflöslichen Mischungen; alle Entgegengesetzten: Natur[19] und Kunst[13], Poesie[3] und Prosa[1], Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahndung[1], Geistigkeit und Sinnlichkeit, das Irdische und Göttliche, Leben und Tod, verschmelzt sie auf das innigste mit einander. [...] [D]ie gesamte alte[10] Poesie[11] und Kunst[11] [ist] gleichsam ein rhythmischer Nomos, eine harmonische Verkündigung der auf immer festgestellten Gesetzgebung einer schön[1] geordneten und die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden Welt. Die romantische[12/4] hingegen ist der Ausdruck des geheimen Zuges zu dem immerfort nach neuen[1] und wundervollen Geburten ringenden Chaos, welches unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schooße sich verbirgt: der beseelende Geist[12/1] der ursprünglichen Liebe schwebt[1] hier von neuem[2] über den Wassern. Jene ist einfacher, klarer, und der Natur[2] in der selbständigen Vollendung ihrer einzelnen Werke ähnlicher; diese, ungeachtet ihres fragmenta〈15〉rischen Ansehens, ist dem Geheimniß des Weltalls näher. Denn der Begriff[5] kann nur jedes für sich umschreiben, was doch der Wahrheit nach niemals für sich ist; das Gefühl wird alles in allem zugleich gewahr. ➢ Volltext.
[192] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 119: Durch dieß ganze Gemählde hat der Dichter zeigen wollen, daß es nichts bedarf, um die der Natur und dem menschlichen Geiste[19] inwohnende Poesie[4] hervorzurufen, als mit Abwerfung des angekün〈120〉stelten Zwanges beyde der angebohrnen Freyheit[1] zurückzugeben. ➢ Volltext.
[193] C. Schlegel, an A. W. Schlegel (11. 6. 1801), C 2, 166: Julchen nimmt sich recht gut; ich wünschte nur, ihr zuweilen eine kleine Zerstreuung verschaffen zu können, an die hier jetzt fast gar nicht zu denken ist. Mädchen von ihrem Alter giebt es gar nicht. Demohngeachtet scheint sie sehr gern hier zu seyn und es blickt oft eine recht hübsche Theilnehmung an unsern weisen Gesprächen bey ihr durch, besonders wenn Schelling auf Spaziergängen in Offenbarungen geräth, ZB. [...] erklärt, warum die Natur den Vögeln, die in metallischen Farben brennen, die Stimme[2] und den andern die Schönheit[2] versagt hat..
[194] D. Schlegel, Gespr. Rom. Frz. (1803), 97: [W]ie muß denn ein Roman[1] seyn? – Er muß romantisch[7] seyn. – Wie? fragte Adelheid, ist Delphine nicht voll der zartesten Schwärmerei, voll von romantischen[7] Situationen? – [...] Nicht dergleichen meine ich [...], sondern den Geist[12] der Poesie[4], der die Schilderungen der Natur, der Charaktere[7] und Begebenheiten, in einem gewissen Sinne[1] beleben und durchwehen muß, um sie zu einem romantischen[7/1] Gedicht, oder Roman[1] zu bilden [...]..
[195] F. Schlegel, Lessing (1797), 91: Von seiner [sc. Lessings] Philologie erwähnt man, daß er in der Conjekturalkritik, welche der Gipfel der philologischen Kunst[6] sei, ungleich weniger Stärke besitze, als man wohl erwarten möge, da er doch in der That einige der zu dieser Wissenschaft erforderlichen und ersprießlichen Geistesgaben von der Natur erhalten hätte. ➢ Volltext.
[196] F. Schlegel, Goethe's Meister (1798), 172: Der Onkel [...] ruht im Hintergrunde dieses Gemähldes, wie ein gewaltiges Gebäude der Lebenskunst im großen alten Styl, von edlen einfachen Verhältnissen, aus dem reinsten gediegensten Marmor. [...] Bekenntnisse zu schreiben wäre wohl nicht seine Liebhaberey gewesen; und da er sein eigner Lehrer war, kann er keine Lehrjahre gehabt haben, wie Wilhelm. Aber mit männlicher Kraft hat er sich die umgebende Natur zu einer klassischen[3/8] Welt gebildet, die sich um seinen selbständigen Geist[32] wie um den Mittelpunkt bewegt.
➢ Volltext
.[197] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 9: [I]ch glaube allerdings, es ist die Natur selbst, welche die Frauen[1] mit Häuslichkeit umgiebt, und zur Religion[3] führt. Ich finde das alles schon in der Organisazion[5]. Fürchte nicht, daß ich Dir mit Anatomie kommen werde. Ich überlasse es einem künftigen Fontenelle oder Algarotti unsrer Nation[1], 〈10〉 das sonderbare Geheimniß des Geschlechtsunterschiedes mit Anstand und Eleganz für Damen darzustellen und zu enträthseln. Es bedarf gar nicht so vieler Umstände, um zu finden, daß die weibliche Organisation[5] ganz auf den einen schönen[6] Zweck der Mütterlichkeit gerichtet ist. ➢ Volltext.
[198] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 101 ff. (102): Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre[4] spricht. | Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüth verlassen. Freylich, wem es da trocken ist, dem wird es nirgends quillen; und das ist eine bekannte Wahrheit, gegen die ich am wenigsten gesonnen bin mich aufzulehnen. Aber wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Aehnlichen, oder bey 〈102〉 gleicher Würde Feindlichen entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte[1] bilden. [...] | Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk[1] der Natur[2]. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigenthümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode, wenn ich so sagen darf. | Da finde ich nun eine große Aehnlichkeit mit jenem großen Witz[2] der romantischen[12/4] Poesie[22], der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Construction des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakspeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie[1], der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt, scheinen mir schon selbst eine indirekte Mythologie zu seyn. Die Organisazion[8] ist dieselbe und gewiß ist die Arabeske die älteste[1] und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie[2]. Weder dieser Witz[2] noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte[5] Natur[1/19] und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive[2] Tiefsinn den Schein des Verkehrten 〈103〉 und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie[11], den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft[1] aufzuheben und uns wieder in die schöne[1] Verwirrung der Fantasie[2], in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur[1/19] zu versetzen, für das ich kein schöneres[1] Symbol bis jetzt kenne, als das bunte[2] Gewimmel der alten[10] Götter[5]. ➢ Volltext.
[199] F. Schlegel, Zur Poesie II (*1802), KFSA 16, 434, Nr. 157: Romantische[1/4] Prosa[5]. Alliteration (und Assonanz), dann Bilder aus der sichtbar[en] Oberfläche der Natur. In Consonanten und Vokalen folgende Alliterat[ion] / bestimmte Mischung a) Glatte Consonanten und tonlose Vokale b) Harte Consonanten und tonlose Vokale? c) farbige Vokale und harte Consonanten / Diese Prosa[5] ist nun plastisch[3] – musikalisch[7] – oder pittoresk[2]. Der gehörige Wechsel auch wesentlich zum Romantisch[en][1/4] – vielleicht auch Parodie d.[er] gemein[en] Sprache[4] und der φσ [Philosophie]?.
[200] F. Schlegel, Reis. n. Frankr. (1803), 5: Der Augenblick stand mir noch oft lebhaft vor Augen, in welchem wir von dem Dome zu Meissen auf die Elbe und das romantische[3/7] Thal heruntersahen, das mir so theuer ist, weil ich hier zuerst die Natur in schönerer[1] Gestalt sahe, und mehr als einmal nach einem Zwischenraum von mehrern Jahren dieselbe geliebte Gegend voll von Erinnerung und doch mit dem frischen Reiz eines neuen Eindrucks wieder sahe. ➢ Volltext.
[201] Schlichtegroll, Mozart (1793), 7: Der Mensch mit wunderähnlichen Gaben und Fertigkeiten von der Natur[2] beschenkt, ist selten ein allgemeines Muster zur Nachahmung für Andere. So wie seine Vollkommenheiten uns übrigen unerreichbar sind, so können auch seine Fehler nicht zu unserer Entschuldigung gereichen. Um sich brauchbare Regeln für das praktische Leben als Mensch im Allgemeinen abzuziehen, und durch Aufmerksamkeit auf Beyspiele sich dem erreichbaren Grade der Ausbildung unserer Natur[1] zu nähern, müssen wir nicht jene seltnen Menschen zum Muster auswählen, sondern vielmehr Geister[32] von mittlern Gaben, die aber diese Anlagen gleichförmig und vorsichtig ausgebildet haben, und denen wir es gleich zu thun hoffen dürfen..
[202] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 30: Aus dem Gesagten ergiebt sich, daß alle Thiere[1] Verstand[1] haben, selbst die unvollkommensten: denn sie alle erkennen Objekte, und diese Erkenntniß bestimmt als Motiv ihre Bewegungen. – Der Verstand[1] ist in allen Thieren[1] und allen Menschen[1] der nämliche, hat überall die selbe einfache Form: Erkenntniß der Kausalität, Uebergang von Wirkung auf Ursach und von Ursach auf Wirkung, und nichts außerdem. Aber die Grade seiner Schärfe und die Ausdehnung seiner Erkenntnißsphäre sind höchst verschieden, mannigfaltig und vielfach abgestuft, vom niedrigsten Grad, welcher nur das Kausalitätsverhältniß zwischen dem unmittelbaren Objekt und den mittelbaren erkennt, also eben hinreicht, durch den Uebergang von der Einwirkung, welche der Leib erlitten auf dessen Ursach, diese als Objekt im Raum anzuschauen, bis zu den höheren Graden der Erkenntniß des kausalen Zusammenhanges der bloß mittelbaren Objekte unter einander, welche bis zum Verstehn der zusammengesetztesten Verkettungen von Ursachen und Wirkungen in der Natur geht. Denn auch dieses letztere gehört immer noch dem Verstande[1] an, nicht der Vernunft[1], deren abstrakte Begriffe[1] nur dienen können, jenes unmittelbar Verstandene aufzunehmen, und zu fixiren, nie das Verstehn selbst hervorzubringen. ➢ Volltext.
[203] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 191 f. (192): Während [...] jeder Mensch[1] als eine besonders bestimmte und karakterisirte Erscheinung des Willens, ja gewissermaaßen als eine eigene Idee anzusehn ist, bei den Thieren[1] aber dieser Individualkarakter im Ganzen fehlt und nur noch die Species eine eigenthümliche Bedeutung hat, ja seine Spur immer mehr verschwindet, je weiter sie vom Menschen abstehn, die Pflanzen[1] endlich gar keine andre Eigenthümlichkeit 〈192〉 des Individuums mehr haben, als solche, die sich aus äußern günstigen oder ungünstigen Einflüssen des Bodens und Klima's[1] und andern Zufälligkeiten vollkommen erklären lassen; so verschwindet endlich im unorganischen Reiche der Natur gänzlich alle Individualität. ➢ Volltext.
[204] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 370: Indessen wird doch das musikalische[1] Genie[2] ohne Cultur[3] und Uebung immer sehr unvollkommen bleiben. Die Kunst[16] muß vollenden und ausfüllen, was die Natur roh niederwarf..
[205] R. Schumann, Tageb. I (*1828), 101: Wenn der Mensch[1] Etwas sagen will, was er nicht kann, so nimmt er die Sprache[2] der Töne[11] oder die der Blumen – denn die Blumenwelt ist ja so heilig als die Tonwelt u. in Schmerzen oder in der Freude geht der Mensch[1] am liebsten an die Saiten oder in die Natur, u. beyde sind ja Bürgen einer Gottheit u. einer Unendlichkeit..
[206] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 289: Wer das Glük hat, von Jugend auf mit Menschen von feinerm Gefühl und einer edlern Lebensart umzugehen, dessen Geschmak wird allmählig zu dem edlern gebildet. Wer aber von dem Glük diese Wolthat nicht erhalten hat, der muß desto aufmerksamer das Genie[5] und den Geschmak der besten Werke der Kunst[2] alter[10] und neuer[5] Völker[1] studiren. Mit Vorbeygehung aller Schriftsteller und Künstler, die nur einen zufälligen Ruhm, aus irgend einem mechanischen Theil derselben, oder nur einen vorübergehenden Beyfall erhalten haben, muß er sich an die ersten und claßischen[3] Männer jeder Art halten; an die, die nicht blos bey ihrer Nation[1], sondern bey allen Völkern[1], wo der Geschmak aufgekommen ist, für die ersten in ihrer Art gehalten werden. Für junge, noch ungebildete Genie[4], wenn die Natur sie nicht vorzüglich bedacht hat, ist es allemal gefährlich, gutes, mittelmäßiges und schlechtes durch einander zu lesen, oder zu sehen. Es gehört ein ausnehmendes Genie[3] dazu, sich nach schlechten Mustern zu bilden, und gut zu werden..
[207] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 422: Die chinesischen Gärtner suchen, wie die europäischen Mahler, die angenehmsten Gegenstände einzeln in der Natur auf, und bemühen sich dieselben so zu vereinigen, daß nicht nur jeder für sich gut angebracht sey, sondern aus ihrer Vereinigung zugleich ein schönes[1] Ganzes entstehe. | Sie unterscheiden dreyerley Arten von Scenen, die sie lachende, fürchterliche und bezaubernde nennen. Die letzte Art ist die, die wir romantisch[3/4] nennen, und die Chineser wissen durch mancherley Kunstgriffe sie überraschend zu machen. Sie leiten 〈423〉 bisweilen einen rauschenden Bach unter der Erde weg, der das Ohr[2] derer, die an die Stellen, darunter sie wegströhmen, kommen, mit einem Geräusche rühret, dessen Ursprung man nicht erkennt. Andremal machen sie ein Gemäuer von Felsen, oder bringen sonst in Gebäuden und andern in den Garten angebrachten Gegenständen Oefnungen und Ritzen so an, daß die durchstreichende Luft fremde[4] und seltsame Töne[1] hervorbringt..
[208] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 610: Ohne Zweifel wollte die Natur durch die von allen Seiten auf uns zuströhmenden Annehmlichkeiten unsre Gemüther überhaupt zu der Sanftmuth und Empfindsamkeit bilden, wodurch das rauhe Wesen, das eine übertriebene Selbstliebe und stärkere Leidenschaften geben, mit Lieblichkeit gemäßiget wird. Diese Schönheiten[3] sind einer in uns liegenden feineren Empfindsamkeit angemessen; durch den Eindruk, den die Farben, Formen und Stimmen[3] der Natur auf uns machen, wird sie beständig gereizt, und dadurch wird ein zarteres Gefühl in uns rege, Geist[22] und Herz werden geschäftiger und nicht nur die gröbern Empfindungen, die wir mit den Thieren[1] gemein haben, sondern auch die sanften Eindrüke werden in uns würksam. Dadurch werden wir zu Menschen[1]; unsre Thätigkeit wird vermehret, weil wir mehrere Dinge interessant[1] finden, es entsteht eine allgemeine Bestrebung aller in uns liegenden Kräfte, wir heben uns aus dem Staub empor, und nähern uns dem Adel[5] höherer Wesen. Wir finden nun die Natur nicht mehr zu der bloßen Befriedigung unsrer thierischen Bedürfnisse, sondern zu einem feinern Genuß und zu allmähliger Erhöhung unsers Wesens eingerichtet..
[209] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (1): Es ist wahr, die Künste[2] sind ohne Hülfe der Kunstrichter zu einem hohen Grad der Vollkommenheit gestiegen. Aber dieses beweiset nicht, daß im Reiche der Künste[2], der Kunstrichter eine überflüßige Person sey. Der Geist[19] des Menschen hat von der Natur einen keine Gränzen kennenden Trieb, nach immer höher steigender Vollkommenheit, zum Geschenke bekommen. Wer wird sich also unterstehen ihm Schranken zu setzen? So lange die Critik[8] einen höhern Grad der Vollkommenheit sieht, kann niemand sagen, daß er über Kräfte der Kunst[18] reiche..
[210] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (2): Der Mensch dem die Natur alles gegeben hat, sinnreich und erfinderisch zu werden, wird es doch erst dann, wenn ihn irgend eine Noth antreibet, seine Kräfte zusammen zu nehmen..
[211] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633: Die ersten Kunstrichter widmeten ihr Nachdenken der Theorie der Künste[2], weil die Natur ihnen das besondere Genie[2] zu Untersuchungen dieser Art gegeben hatte: was sie bemerkten und entdekten, hatte das Gepräg der Gründlichkeit, ob es gleich noch nicht allgemein und vollständig genug war. [...] Wenn nun zugleich auch Menschen ohne natürlichen[3] Beruf sich auf die Künste[2] legen; so glauben sie dieselben aus den Theorien erlernen zu können: und so werden Künste[2] und Critik[2] zugleich verdorben..
[212] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 710: Für Werke, die blos zur niedrigen Wollust reizen, lassen sich schlechterdings keine Entschuldigungen anführen, die bey vernünftigen Menschen[1] den geringsten Eindruk machten. Die fleischlichen Triebe, so weit die Natur ihrer bedarf, sind bey Menschen[1], die ihr Temperament nicht durch Ausschweifungen zu Grunde gerichtet haben, allezeit stark und lebhaft genug; also ist es Narrheit sie über ihren Endzwek zu reizen: aber für verworfene Wollüstlinge zu arbeiten, erniedriget den Künstler. Wer sollte ohne Schaam sich zum Diener solcher unter das Thier[1] erniedrigten Menschen[1] machen, wenn sie auch von hohem Stande wären?.
[213] L. Tieck, Phantasus I (1812), 64 f. (65): Es fehlt unsrer Zeit[5], sagte Friedrich, so sehr sie die Natur[19] sucht, eben der Sinn[5] für Natur[19], denn nicht allein diese regelmäßigen Gärten, die dem jetzigen Geschmacke zuwider sind, bekehrt man 〈65〉 zum Romantischen[3/4], sondern auch wahrhaft romantische[3/4] Wildnisse werden verfolgt, und zur Regel und Verfassung der neuen[7] Gartenkunst erzogen. So war ehemals nur die große wundervolle Heidelberger Ruine eine so grüne, frische, poetische[1/3?] und wilde Einsamkeit, die so schön[1] mit den verfallenen Thürmen, den großen Höfen, und der herrlichen Natur[2] umher in Harmonie stand, daß sie auf das Gemüth eben so wie ein vollendetes Gedicht aus dem Mittelalter wirkte, ich war so entzückt über diesen einzigen Fleck unsrer deutschen Erde, daß das grünende Bild seit Jahren meiner Phantasie[1] vorschwebte, aber vor einiger Zeit[6] fand ich auch hier eine Art von Park wieder, der zwar dem Wandelnden manchen schönen[1] Platz und manche schöne[1] Aussicht gönnt, der auf bequemen Pfaden zu Stellen führt, die man vormals nur mit Gefahr erklettern konnte, der selbst erlaubt, Erfrischungen an anmuthigen Räumen ruhig und sicher zu genießen, doch wiegen alle diese Vortheile nicht die großartige und einzige Schönheit[1] auf, die hier aus der besten Absicht ist zerstört worden..
[214] L. Tieck, Phantasus I (1812), 95: Wir hörten von den Englischen Parks, von denen viele in der That in hoher Schönheit[1] prangen, und so fing man denn in Deutschland ebenfalls an, mit Bäumen, Stauden und Felsen auf mannichfache Weise zu malen, lebendige Wasser und Wasserfälle mußten die springenden Brunnen verdrängen, so wie alle geraden Linien nebst allem Anschein von Kunst[13] verschwinden mußten, um der Natur[19] und ihren Wirkungen auf unser Gemüth Raum zu gewähren. Weil man sich nun hier in einem unbeschränkten Felde bewegte, eigentlich keine Vorbilder zur Nachahmung vor sich hatte, und der Sinn[6], der auf diese Weise malen und zusammen setzen soll, vom feinsten Geschmack, vom zartesten Gefühl für das Romantische[3] der Natur[2] geleitet werden muß, ja, weil jede Lage, jede Umgebung einen eigenthümlichen Garten dieser Art erfordert, und jeder also nur einmal existiren kann, so konnte es nicht fehlen, daß man von jenem ächten Natursinn verlassen, in Verwirrung gerieth, und bald Gärten entstanden, die [...] widerlich [...] waren..
[215] L. Tieck, Phantasus I (1812), 97: Nichts alberneres, als zwei Menschen, die sich nicht leiden mögen, und die sich plötzlich in gezwungener Einsamkeit in einer dunkeln Grotte eng neben einander befinden, da brummt man was von schöner[1] Natur und rennt aus einander, als müßte man die nächste Schönheit[3] noch eilig ertappen, die sich sonst vielleicht auf flüchtigen Füßen davon machen möchte; und, siehe da, indem du dich bald nachher eine enge Felsentreppe hinauf quälst, kommt dir wieder die fatale Personage von oben herunter entgegen gestiegen, man muß sich sogar beim Vorbeidrängen körperlich berühren, eine nothgedrungene Freundlichkeit anlegen, und der lieben Humanität wegen recht entzückt sein über das herrlich romantische[3] Wesen, um nur der leidigen Versuchung auszuweichen, jenen in den zauber- aber nicht wasserreichen Wasserfall hinab zu stoßen..
[216] L. Tieck, Phantasus I (1812), 99: [I]n jedem Freunde der Natur, der diese liebliche Schatten besucht, müssen sich dieselben heitern[5] Gefühle erregen, mit denen der sinnvolle Pflanzer die anmuthigste Landschaft hier mit dem Schmuck der schönsten[1] Bäume dichtete, die auf sanften Hügeln und in stillen Gründen mannichfaltig wechselt, und durch rührende Reize den Sinn[7] des Gebildeten beruhigt und befriedigt..
[217] L. Tieck, Phantasus II (1812), 457: Was da unten friedlich, niedlich, einsam und rührend die Hütten liegen und das Gärtchen daneben. Schöne[1] romantische[7] Natur[2] ist doch etwas Trefliches, und darein die Häuser, der Rauch von den Schornsteinen, das ist so anlockend, weckt sehnsüchtige Gedanken, daß man dort seyn möchte, sich einwohnen, der Natur[19] leben..
[218] L. Tieck, Phantasus II (1812), 457: Was da unten friedlich, niedlich, einsam und rührend die Hütten liegen und das Gärtchen daneben. Schöne[1] romantische Natur[2] ist doch etwas Trefliches, und darein die Häuser, der Rauch von den Schornsteinen, das ist so anlockend, weckt sehnsüchtige Gedanken, daß man dort seyn möchte, sich einwohnen, der Natur[19] leben..
[219] Uhland, Romant. (H1807), 139: Die Griechen in einem schönen[[[[BedeutungsVerweis ID='433' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] genußreichen Erdstriche wohnend, von Natur heiter[[[[BedeutungsVerweis ID='224' Anzeige='5' Formatierung='1']]]], umdrängt von einem glänzenden thatenvollen Leben, mehr äusserlich als innerlich lebend, überall nach Begrenzung und Befriedigung trachtend, kannten oder nährten nicht jene dämmernde Sehnsucht nach dem Unendlichen. Ihre Philosophen suchten es in lichten Systemen aufzufassen, ihre Dichter stellten jeder innern Regung des Höheren äusserlich eine helle, mit kräftigen Umrissen abgestochene, mit bezeichnenden Attributen ausgerüstete Göttergestalt entgegen. Ihr Olymp stand in lichter Sonne da, jeder Gott[[[[BedeutungsVerweis ID='189' Anzeige='4' Formatierung='1']]]], jede Göttin ließ sich klar darauf erblicken. | Einzelne Erscheinungen in der griechischen[[[[BedeutungsVerweis ID='119' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] Poesie[[[[BedeutungsVerweis ID='80' Anzeige='11' Formatierung='1']]]] sind vielleicht mehr für uns romantisch[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]], als sie es für die Griechen selbst waren. .
[220] Uhland, Romant. (H1807), 142: Auch die Natur hat ihre Romantik[[[[BedeutungsVerweis ID='651' Anzeige='7' Formatierung='1']]]]. Blumen, Regenbogen, Morgen- und Abendroth, Wolkenbilder, Mondnacht, Gebirge, Ströme, Klüfte u. s. w. lassen uns theils in lieblichen Bildern einen zarten, geheimen Sinn[[[[BedeutungsVerweis ID='130' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] ahnen[[[[BedeutungsVerweis ID='726' Anzeige='3' Formatierung='1']]]], theils erfüllen sie uns mit wunderbarem Schauer. | Manche Naturerscheinungen, Orkan, Gewitter stürmen zu rauh herein, sprechen ihren Sinn[[[[BedeutungsVerweis ID='130' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] zu laut aus, übertäuben zu sehr die Ahnung durch Schrecken um noch romantisch[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] zu seyn. Doch können sie es werden, wenn sie mehr untergeordnet, etwa in einer Handlung als Vorbedeutung, eintreten. | Eine Gegend ist romantisch[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] wo Geister[[[[BedeutungsVerweis ID='367' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] wandeln; mögen sie uns an vergangene Zeiten[[[[BedeutungsVerweis ID='231' Anzeige='3' Formatierung='1']]]] mahnen oder sonst in geheimer Geschäftigkeit sich um uns her bewegen. Wir stehen noch ausser dem Reigen der Luftigen Elfen, die, nach der nordischen Sage, nur der sieht, der innerhalb ihres Kreises steht; aber wir fühlen ihre wehende Bewegung, wir hören ihre flüsternden Stimmen[[[[BedeutungsVerweis ID='256' Anzeige='3' Formatierung='1']]]]..
[221] Wackenroder, an seine Eltern (1793), VL 2, 158: Die sinnlichen Schönheiten[3] fürs Auge, können nur durchs Auge, im Original der Natur, oder in Nachahmungen des Pinsels, vollkommen empfunden werden. – Doch ich schwatze zuviel, da ich Ihnen bloß sagen wollte, daß ich Ihnen unmöglich ein treues Gemählde von der Folge einzelner Romantischer[3] Aussichten, die wir diesen Vormittag u[nd] auf der ganzen Reise hatten, geben kann..
[222] Wackenroder, an seine Eltern (22. 6. 1793), VL 2, 180: In Nürnb[erg] bin ich im rothen Roß abgetreten. Von dem Äußern dieser großen, labyrinthischen Stadt können sie sich wirklich durch Ihre in Kupfer gestochenen u[nd] illuminirten kleinen Prospekte, den beßten Begriff[1] machen. Ich finde mit Vergnügen viele mir längst bekannte Gegenden der Stadt hier in der Natur, u[nd] erkenne sie bald. Die Stadt hat wegen der vielen, schwarzen, mit Gothischem Prunk an Bildern u[nd] Zierrathen reich überladenen Kirchen, wegen der alten[1], ganz v[on] Quadern gebauten, festen Häuser, die häufig mit Figuren v[on] Menschen[1] u[nd] Thieren[1] bemahlt, u[nd] auch mit sehr alten[1] Basreliefs in Stein geziert sind, ein antikes[6], abentheuerliches[3] Ansehen. Aber sowohl aus- als inwendig, scheinen mir doch fast alle Häuser keine Spur v[on] modernem[7] Geschmack zu haben. Keine einzige neumodische Façade. Die Hausthür ist [...] fast immer verschlossen; man klingelt, sie springt auf; man geht durch dunkle Winkel eine schlechte Treppe hinauf, u[nd] findet selbst Männer wie H[errn] v[on] Murr u[nd] H[errn] Schaffer Panzer, in Zimmern, die nur durch eine Bibliothek angenehm werden, an Fenstem mit kleinen runden Scheiben, nach dem Hofe oder einem Gäßchen zu, sitzen. Freilich will ich nicht auf alle übrigen Häuser v[on] diesen schließen. Allein v[on] außen wenigstens sind sie alle antik[6]. .
[223] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 142: Die Natur hatte sein Inneres mit einer immer gährenden Phantasie[1] erfüllt, und seinen Geist[19] mit schwe〈143〉ren und düstern Gewitterwolken bezogen, so daß sein Gemüth immer in unruhiger Arbeit war, und unter ausschweifenden Bildern umhertrieb, ohne jemals sich in einfacher und heiterer[4] Schönheit[6] zu spiegeln. ➢ Volltext.
[224] Wieland, Gold. Spiegel (1772 [hier: 1795]), 61: Das Ohr[3] ist, nach dem Auge, der vollkommenste unsrer Sinne[4]. Gewöhnet es an kunstlose, aber seelenvolle Melodien, aus welchen schöne[1] Gefühle atmen, die das Herz in sanfte Bebungen setzen, oder die einschlummernde Seele in süße Träume wiegen. Freude, Liebe, und Unschuld stimmen den Menschen[1] in Harmonie mit sich selbst, mit allen guten Menschen[1], mit der ganzen Natur. So lang euch diese beseelen, wird jede eurer Bewegungen, der gewöhnliche Ton[5] eurer Stimme[3], eure Sprache[11] selbst wird Musik[5] sein..
[225] Wieland, Aristipp. II (1800–01), SW 23, 96: Was ich von Licht und Schatten, Farben und Linien als den Elementen des sichtbaren Schönen[1] gesagt habe, gilt in seiner Art auch von den verschiedenen Schwingungen der Luft, wodurch der Schall in unserm Ohr[2] und vermittelst dieses Organs[2] in unserm innern Sinne[4] gewisse angenehme Gefühle erregt; von dem majestätischen Rollen des Donners bis zum leisen Geflüster der Pappel und Birke; vom klappernden Tosen eines entfernten Wasserfalls, bis zum einschläfernden Murmeln einer über glatte Kiesel hin rieselnden Quelle; vom fröhlichen Geschwirr der Lerche bis zum eintönigen Klingklang der Cicade. Alle diese einfachern Schälle und Töne[1], durch welche die Natur unser Ohr[2] als ein zu ihr stimmendes lebendiges Saiteninstrument anspricht, betrachte ich als die Elemente des hörbaren Schönen[1], welches, gleich dem sichtbaren, in der Mitte zwischen zwei Aeußersten schwebt[5], und also eben demselben Gesetz unterworfen ist, wodurch die dem Auge gefälligen Töne[13] des Lichts und der Farben, und die dem Gefühle schmeichelnden Formen der Körper bestimmt werden, dem Gesetze der Harmonie der sinnlichen Eindrücke von außen mit der Einrichtung der ihnen entsprechenden Organe[2]..
[226] Wolzogen, A. v. Lilien I (1798), 327: Der junge Rasen unter unsern Füßen war von klaren Bächen durchschnitten, die sich aus den Felsen ergossen, und mit frischem Grün umkränzt, in sanften Linien durch das Thal rieselten. Die Pappeln und anderes Gesträuche trugen schon zarte 〈215〉 Blätter, und der Hagedorn stand in voller Blüthe. Nur an den reinlich gehaltenen Wegen bemerkte man die Hand der Kultur[1] in diesem Thal, in dem sonst die liebliche Freiheit[1] der Natur herrschte..
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