[1]
C. Böhmer, an Ch. Michaelis (28. 3. 1787), C 1, 160
: Sie werden mir erlauben müssen, die Feinheit Ihrer Spinnewebenempfindungen der Natur aufzuopfern. [...] Auta [sc. Auguste Böhmer, knapp 2 Jahre alt], die seit geraumer Zeit die reinlichste netteste kleine Person ist, und nie ihre Lagerstätt – auch nur durch einen ungebührlichen Hauch – entheiligt, hat seit ein paar Tagen den Whim, es während ihres Nachmittagschlafs zu – besudeln. Man hat alle Künste[6] versucht, sie eines andern zu überreden, demohngeachtet nahm es heut denselben Ausgang.
[2]
Claudius, Asmus I/II (1775), 58
: Ich wüßte nicht warum? | Den griechischen Gesang nachahmen? | Was er auch immer mir gefällt, | Nachahmen nicht. Die Griechen kamen | Auch nur mit einer Nase zur Welt. | Was kümmert mich ihre Kultur[4] | Ich lasse sie halter dabei, | Und trotze auf Mutter Natur; | Ihr roher abgebrochner Schrei | Trifft tiefer als die feinste Melodei, | Und fehlt nie seinen Mann; | Videatur Vetter Ossian.
[3]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (
21793), 411
: Also ist es nur das Begehrungsvermögen: aber nicht dasjenige, was ihn [sc. Mensch] von der Natur (durch sinnliche Antriebe) abhängig macht, nicht das, in Ansehung dessen der Werth seines Daseyns auf dem, was er empfängt und genießt, beruht; sondern der Werth, welchen er allein sich selbst geben kann, und welcher in dem besteht was er thut, wie und nach welchen Principien er, nicht als Naturglied, sondern in der Freyheit[1] seines Begehrungsvermögens, handelt; d. h. 〈412〉 ein guter Wille ist dasjenige, wodurch sein Daseyn allein einen absoluten Werth und in Beziehung auf welches das Daseyn der Welt einen Endzweck haben kann.
[4]
Schiller, Malthes. (*
?1788\1804), NA 12, 76
: Die Ausgelaßenheit der Sitten ist zugleich als eine Folge des Kriegszustandes vorzustellen. Es ist wie beim Erdbeben, die wilde Natur ist in Freiheit[1] gesezt, die Augenblicke sind kostbar, sie müssen genoßen werden.
[5]
Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 140 f.
: Die Natur gab die Schönheit[1] des Baues, die Seele giebt die Schönheit[1] des Spiels. Und nun wissen wir auch, was wir unter Anmuth und Grazie zu verstehen haben. Anmuth ist die Schönheit[1] der Gestalt unter dem Einfluß der Freyheit[10]; die Schönheit[1] der〈141〉jenigen Erscheinungen, die die Person bestimmt. Die architektonische Schönheit[1] macht dem Urheber der Natur, Anmuth und Grazie machen ihrem Besitzer Ehre. Jene ist ein Talent, diese ein persönliches Verdienst. ➢ Volltext
[6]
Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (
21798), 447
: Im Gegensatze des Unterrichtes, der Erziehung, der bürgerlichen Einrichtung und Ordnung [...] scheint [...] die Bedeutung des Wortes[1] natürlich[12] [...], wenn es in der anständigen und glimpflichen Sprechart für unehelich gebraucht wird. Ein natürlicher[12] Sohn, eine natürliche[12] Tochter, ein natürliches[12] Kind[2], welche bloß aus einem natürlichen[8] Bedürfnisse, bloß nach dem Stande der Natur, ohne Beobachtung der bürgerlichen Ordnung gezeuget worden..
[7]
Fichte, Grundl. WL (1794 [1795]), 123
: Die meisten Menschen[1] würden leichter dahin zu bringen seyn, sich für ein Stück Lava im Monde, als für ein Ich zu halten. Daher haben sie Kant nicht verstanden, und seinen Geist[26] nicht geahndet[3]; daher werden sie auch diese Darstellung, obgleich die Bedingung alles Philosophirens ihr an die Spitze gestellt ist, nicht verstehen. Wer hierüber noch nicht einig mit sich selbst ist, der versteht keine gründliche Philosophie, und er bedarf keine. Die Natur, deren Maschine er ist, wird ihn schon ohne alle sein Zuthun in allen Geschäften leiten, die er auszuführen hat..
[8]
Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 41 f. (42)
: Und nun folgt, daß wenn der Mensch[1] Sinne[3] hat, die für Einen kleinen Fleck der Erde, für die Arbeit und den Genuß einer Weltspanne den Sinnen[3] des Thiers[1], das in dieser Spanne lebet, nachstehen an Schärfe: so bekommen sie eben dadurch „Vorzug der Freiheit[1/10]; Eben weil sie nicht für einen Punkt sind, so sind sie allgemeinere Sinne[3] der Welt.“ | Wenn der Mensch[1] Vorstellungskräfte hat, die nicht auf den Bau einer Honigzelle und eines Spinngewebes bezirkt sind, und also auch den Kunstfähigkeiten der Thiere[1] in diesem Kreise nachstehen: so bekommen sie eben damit „weitere Aussicht.“ Er hat kein einziges Werk, bei 〈42〉 dem er also auch unverbesserlich handle; aber er hat freien Raum, sich an vielem zu üben, mithin sich immer zu verbessern. Jeder Gedanke ist nicht ein unmittelbares Werk der Natur, aber eben damit kanns sein eigen Werk werden. ➢ Volltext.
[9]
Hölderlin, Fragm. Hyp. (1793 [1794]), 213 f. (214)
: So müssen, fuhr [...] der Tiniote fort, die Ahndungen der Kindheit dahin, um als Wahrheit wieder aufzustehen im Geiste[19] des Mannes. So verblühen die schönen[1] jugendlichen Myrthen der Vorwelt, die Dichtungen Homers und seiner Zeiten[5], die Prophezeiungen und Offenbarungen, aber der Keim, der in ihnen lag, gehet als reife Frucht hervor im Herbste. Die Einfalt und Unschuld der er〈214〉sten Zeit[5] erstirbt, daß sie wiederkehre in der vollendeten Bildung[5], und der heilige Friede des Paradieses gehet unter, daß, was nur Gabe der Natur war, wiederaufblühe, als errungnes Eigenthum der Menschheit[2]..
[10]
W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 805 f. (806)
: [W]as Woldemar suchte, und wie er es suchte, konnte er nur in einer weiblichen Seele finden. Durch die Natur[1] seines Wesens nothwendig geleitet, und durch seine äußere Lage begünstigt, gehört das andre Geschlecht[2] größtentheils dem inneren Leben und Weben in eignen Ideen und Empfindungen an. Sich darauf in hoher Einfachheit beschränkend, ist das weibliche Gemüth zwar vielleicht ein minder reiches und starkes, aber gewiß ein reineres Bild desselben, als jedes andre, und daher am meisten fähig, das zu gewähren, was Woldemar schmerzlich entbehrte. Jener Trieb aber, nach dessen Gewissheit er so ängstlich strebte, und der doch kein andrer ist, als den die Philosophie sonst den uneigennützigen, die Aeußerung der praktischen Vernunft[1], zu nennen pflegt, ist als bloßer Trieb im Weibe[1] schon um eben so viel reicher und ununterbrochener lebhaft, als dieß alle Neigungen und Gefühle überhaupt in ihm sind. Allein auch in seiner höheren Natur[1] ist er deutlicher sichtbar. Unter allen Geschöpfen, die sich nach eignem Willen bestimmen, sind die Weiber[1] der steten immer wie〈806〉derkehrenden Ordnung der Natur[2] gleichsam am nächsten geblieben. Dadurch und durch die Mitwirkung ihres feineren Schönheitssinnes sind alle ihre, auch eigennützigen Triebe, reiner und harmonischer gestimmt, und schon ihre sanfte Schwäche verhütet ein zu häufiges Einmischen der heftigen, wechselnden Begierde. Endlich scheinen sie unmittelbar aus der Hand der Natur[13] zu kommen. Weniger, wie bey dem Manne, von eigenmächtigen Handlungen[1] des bey diesem stärkeren und thätigeren Willens durchkreuzt, ist der Inbegriff ihres Wesens ein mehr durch die Natur[13] und die Lage der Umstände gegebenes Ganze. Was man in demselben antrifft, ist sichrer aus ihrer inneren Beschaffenheit hervorgegangenes Werk der Natur[13], als eigne Schöpfung..
[11]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (
21793), 258 f. (259)
: [D]as Schöne[2] ist das Symbol des Sittlichguten; und auch nur in dieser Rücksicht [...] gefällt es, mit einem Anspruche auf jedes andern Bestimmung [...]. Das ist das Intelligibele, worauf [...] der Geschmack hinaussieht, wozu nämlich selbst unsere oberen Erkenntnißvermögen zusammenstimmen, und ohne welches zwischen ihrer Natur[1], verglichen mit den Ansprüchen, die der Geschmack macht, lauter Widersprüche erwachsen würden. In diesem Vermögen sieht sich die Urtheilskraft nicht, wie sonst in empirischer Beurtheilung, einer Heteronomie der Erfahrungsgesetze unterworfen: sie giebt in Ansehung der Gegenstände eines so reinen Wohlgefallens ihr selbst das Gesetz, so wie die Vernunft[1] es in Ansehung des Begehrungsvermögens thut; und sieht sich [...] auf etwas im Subjecte selbst und außer 〈259〉 ihm, was nicht Natur[13], auch nicht Freyheit[10], doch aber mit dem Grunde der letzteren, nämlich dem Uebersinnlichen verknüpft ist, bezogen, in welchem das theoretische Vermögen mit dem practischen, auf gemeinschaftliche und unbekannte Art, zur Einheit verbunden wird..
[12]
Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 416
: Die Mythologie läßt die Geschichte[1] mit dem ersten Schritt aus der Herrschaft des Instincts in das Gebiet der Freyheit[10], mit dem Verlust des goldenen Zeitalters, oder mit dem Sündenfall, d. h. mit der ersten Aeusserung der Willkühr beginnen. In den Ideen der Philosophen endet die Geschichte[1] mit dem Vernunftreich, d. h. mit dem goldenen Zeitalter des Rechts, wenn alle Willkühr von der Erde verschwunden ist, und der Mensch durch Freyheit[10] an denselben Punct zurückgekehrt seyn wird, auf welchen ihn ursprünglich die Natur gestellt hatte, und den er verließ, als die Geschichte[1] begann..
[13]
Schelling, Philos. d. Kunst (
!1803–04), SW I, 5, 429
: Die ewige Nothwendigkeit offenbart sich in der Zeit[3] der Identität mit ihr als Natur. [...] Mit dem Abfall von ihr offenbart sie sich als Schicksal in herben und gewaltigen Schlägen. Um sich dem Schicksal zu entziehen, ist nur Ein Mittel, sich in die Arme der Vorsehung zu werfen. Dieß war das Gefühl der Welt in jener Periode der tiefsten Umwandlung, als das Schicksal an allem Schönen[1] und Herrlichen des Alterthums[3] seine letzte Tücke übte. Da verloren die alten[10] Götter[4] ihre Kraft, die Orakel schwiegen[1], die Feste verstummten und ein bodenloser Abgrund voll wilder Vermischung aller Elemente der gewesenen Welt schien sich vor dem menschlichen Geschlecht[7] zu öffnen. ➢ Volltext.
[14]
Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 119
: Der Gürtel des Reizes wirkt [...] nicht natürlich[8], weil er [...] an der Person selbst nichts verändern könnte, sondern er wirkt magisch, das ist, seine Kraft wird über alle Naturbedingungen erweitert. Durch diese Auskunft [...] sollte der Widerspruch gehoben werden, in den das Darstellungsvermögen sich jederzeit unvermeidlich verwickelt, wenn es für das, was außerhalb der Natur im Reiche der Freyheit[10] liegt, in der Natur einen Ausdruck sucht. ➢ Volltext.
[15]
Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 137
: Der Mensch [...] ist [...] eine Person, ein Wesen also, welches selbst Ursache, und zwar absolut letzte Ursache seiner Zustände seyn, welches sich nach Gründen, die es aus sich selbst nimmt, verändern kann. Die Art seines Erscheinens ist abhängig von der Art seines Empfindens und Wollens, also von Zuständen, die er selbst in seiner Freyheit[10], und nicht die Natur nach ihrer Nothwendigkeit bestimmt. | Wäre der Mensch bloß ein Sinnenwesen, so würde die Natur zugleich die Gesetze geben und die Fälle der Anwendung bestimmen; jetzt theilt sie das Regiment mit der Freyheit[10], und obgleich ihre Gesetze Bestand haben, so ist es nunmehr doch der Geist[22], der über die Fälle entscheidet. ➢ Volltext.
[16]
Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 142 f. (143)
: Grazie ist immer nur die Schönheit[1] der durch Freyheit[10/13] bewegten Ge〈143〉stalt, und Bewegungen, die bloß der Natur angehören, können nie diesen Nahmen verdienen. ➢ Volltext.
[17]
Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 156
: Auch thierische Bildungen[10] sprechen, indem ihr äußeres das innere offenbart. Hier aber spricht bloß die Natur, nie die Freyheit[10]. ➢ Volltext.
[18]
Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 174 f. (175)
: Der [...] Geist[19] läßt die von ihm abhängende Natur[12], sowohl da, wo sie im Dienst seines Willens handelt, als da, wo sie seinem Willen vorgreifen will, erfahren, daß er ihr Herr ist. Unter seiner strengen Zucht wird also die Sinnlichkeit unterdrückt erscheinen, und der innere Widerstand wird sich von außen durch Zwang verraten. Eine solche Verfassung des Gemüths kann [...] der Schönheit[1] nicht günstig seyn, welche die Natur[12] nicht anders als in ihrer Freyheit[1] hervorbringt, und es wird daher auch nicht Grazie seyn können, wodurch die mit dem Stoffe kämpfende moralische Freyheit[10] sich kenntlich macht. | Wenn hingegen der Mensch[1], unterjocht vom Bedürfniß, den Naturtrieb ungebunden über sich herrschen läßt, so verschwindet mit seiner innern Selbständigkeit auch jede Spur derselben in seiner Gestalt. [...] Nachgelassen hat aller 〈175〉 Widerstand der moralischen Kraft, und die Natur[13] in ihm ist in volle Freyheit[1] gesetzt. Aber eben dieser gänzliche Nachlaß der Selbstthätigkeit, der im Moment des sinnlichen Verlangens und noch mehr im Genuß zu erfolgen pflegt, setzt augenblicklich auch die rohe Materie in Freyheit[1], die durch das Gleichgewicht der thätigen und leidenden Kräfte bisher gebunden war. Die todten Naturkräfte fangen an, über die lebendigen der Organisation[3] die Oberhand zu bekommen, die Form von der Masse, die Menschheit[1] von gemeiner Natur[13] unterdrückt zu werden. ➢ Volltext.
[19]
Schiller, Ästh. Erzieh. (1795), NA 20, 393
: Es sey nun, daß die Vernunft[1] in dem Menschen[1] noch gar nicht gesprochen habe, und das Physische noch mit blinder Nothwendigkeit über ihn herrsche; oder daß sich die Vernunft[1] noch nicht genug von den Sinnen[3] gereinigt habe, und das Moralische dem Physischen noch diene, so ist in beyden Fällen das einzige in ihm gewalthabende Princip ein materielles und der Mensch[1], wenigstens seiner letzten Tendenz nach, ein sinnliches Wesen; mit dem einzigen Unterschied, daß er in dem ersten Fall ein vernunftloses, in dem zweyten ein vernünftiges Thier[11] ist. Er soll aber keines von beyden, er soll Mensch[1] seyn; die Natur soll ihn nicht ausschließend und die Vernunft[1] soll ihn nicht bedingt beherrschen..
[20]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!1798–99), KAV 1, 94
: Alles Würdige, Edle und Große der menschlichen Natur[1] läßt nur eine ernsthafte Darstellung zu; der komische Dichter muß es also von der seinigen ausschließen und die Menschheit[1] ins Entgegengesetzte, wie die Tragödie, nämlich ins Häßliche[1] und Schlechte idealisieren. Diese Idealität besteht aber nicht in der Quantität, in einer die Willkürlichkeit übersteigenden Anhäufung von sittlichen Gebrechen und Ausartungen, sondern in der Qualität, in der Abhängigkeit von dem tierischen Teile, dem Mangel an Freiheit[10] und Selbständigkeit, dem Unzusammenhange und den Widersprüchen des inneren Daseins, woraus Torheit und Narrheit hervorgehen. [...] Das Häßliche[1] muß furchtbar oder lächerlich geschildert werden. Der Komiker muß über die Natur[13] hinausgehen, er muß sie ins Häßliche[1] idealisieren, wie schon Aristoteles bemerkt hat..
[21]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 465 f. (466)
: Die epische Dichtart ist daher einem Zeitalter am angemessensten, wo das Gemüth sich noch nicht zum vollen Bewußtseyn der Freyheit[10] und Selbstbestimmung erhoben hat, sondern dem Menschen wie eine physische Kraft 〈466〉 erscheint, von deren Wirkungen sich nicht immer Rechenschaft geben läßt. So ist es auch beym Homer: die unmotivirte Veränderlichkeit der Gesinnungen, der Wechsel von Leidenschaft und ruhiger Fassung, von Muth und Verzagtheit, u. s. w. liegt oben auf; die dabey beobachtete tiefere Consistenz der Charaktere[7] kann man entweder als etwas durch die Sage gegebnes betrachten, oder sie beweist nur daß die eigenthümliche Ansicht des epischen Zeitalters das allgemein in der Natur[1] der Sache liegende zwar wohl in den Hintergrund zurückdrängen aber nicht aufheben konnte. Bey einer solchen Stufe, worauf die ganze Charakteristik steht, kann allerdings Größe, Energie und Adel[5] der einzelnen Charaktere[7] Statt finden, aber keine eigentliche Idealität, welche eine reinere Absonderung von der Natur[2/13] voraussetzt. Jenes finden wir denn auch beym Homer, diese war erst den Tragikern vorbehalten..
[22]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!1803–04), KAV 2.1, 83
: Wenn man die classische[7] Bildung[2] mit einem Worte[2] schildern will, so war sie vollendete Naturerziehung. Jetzt da aus den Trümmern jener und einem Chaos verschiedenster Elemente eine neue[1] Welt hervorging, konnte Freyheit[10] mehr das herrschende Princip werden, welche denn auch nicht unterließ, die Natur zu unterdrücken, und sich so als Barbarey kund zu geben. Die Natur machte aber ihre Rechte geltend, und dieser Zwist bestimmte den Charakter[1] der modernen[1] Bildung[2], in welcher die unauflöslichen Widersprüche unsers Daseyns, des Endlichen und Unendlichen in uns, mehr hervortreten, aber wieder verschmolzen werden. | Da eine ausschließende persönliche Neigung unstreitig die freyeste Huldigung des Gefühls ist, so empfand man eine Scheu, in derselben der Natur noch dienen zu müssen. Alle Sinnlichkeit ward verkleidet, und man bestrebte sich die Schönheit[1] rein zu vergöttern. Ein unendlich reizender Widerspruch ist in diesem Geist[34] der Liebe, aber zugleich die Anlage zur Ironie[1], welche aus dem Bewußtseyn des Unerreichbaren, statt zu niederschlagendem Ernst überzugehn, einen leisen Scherz macht..
[23]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 107
: Innere Freyheit[10] und äußere Nothwendigkeit, dieß sind die beyden Pole der tragischen Welt. Jede dieser Ideen wird erst durch den Gegensatz der andern zur vollen Erscheinung gebracht. Da das Gefühl innrer Selbstbestimmung den Menschen über die unumschränkte Herrschaft des Triebes, des angebohrnen Instinktes erhebt, ihn mit einem Worte[2] von der Vormundschaft der Natur losspricht, so kann auch die Nothwendigkeit, welche er neben ihr anerkennen soll, keine bloße Natur-Nothwendigkeit 〈108〉 seyn, sondern sie muß jenseits der sinnlichen Welt im Abgrunde des Unendlichen liegen; folglich stellt sie sich als die unergründliche Macht des Schicksals dar. ➢ Volltext.
[24]
F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 32 f. (33)
: Schon in den frühesten Zeitaltern der Europäischen Bildung[5] finden sich unverkennbare Spuren des künstlichen Ursprungs der 〈33〉 modernen[1] Poesie[11]. Die Kraft, der Stoff war zwar durch Natur gegeben: das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2] war aber nicht der Trieb, sondern gewisse dirigirende Begriffe[1] [...]. Selbst der individuelle Charakter[1] dieser Begriffe[1] war durch Umstände veranlaßt, und durch die äußre Lage nothwendig bestimmt. Daß aber der Mensch[1] nach diesen Begriffen[1] sich selbst bestimmte, den gegebnen Stoff ordnete, und die Richtung seiner Kraft determi〈34〉nierte; das war ein freyer[10] Aktus des Gemüths. Dieser Aktus ist aber eben der ursprüngliche Quell, der erste bestimmende Anstoß der künstlichen Bildung[2], welcher also mit vollem Recht der Freyheit[10] zugeschrieben wird. Die Phantasterey der Romantischen[12] Poesie[11], hat nicht etwa wie Orientalischer[1] Bombast eine abweichende Naturanlage zum Grunde. Es sind vielmehr abenteuerliche[3] Begriffe[1], durch welche eine an sich glückliche, dem Schönen[2] nicht ungünstige Phantasie[1] eine verkehrte Richtung genommen hatte. Sie stand also unter der Herrschaft von Begriffen[1]; und so dürftig und dunkel diese auch seyn mochten, so war doch der Verstand[2] das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2]..
[25]
A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 402
: Der Mensch[1] allein trägt in abstrakten Begriffen[1] die Gewißheit seines Todes mit sich herum: diese kann ihn dennoch, was sehr seltsam ist, nur auf einzelne Augenblicke, wo ein Anlaß sie der Phantasie[1] vergegenwärtigt, ängstigen. Gegen die mächtige Stimme[14] der Natur vermag die Reflexion wenig. Auch in ihm, wie im Thiere[1], das nicht denkt, waltet als dauernder Zustand jene [...] 〈403〉 [...] Sicherheit vor, vermöge welcher keinen Menschen[1] der Gedanke des gewissen und nie fernen Todes merklich beunruhigt, sondern jeder dahinlebt, als müsse er ewig leben [...]. ➢ Volltext.