Wortliste
Adel
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Struktur
Semantik
Belege
[1]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. III (1839), 34: [D]ie röm.[ische] Schule schreibt ihren Ursprung aus den frühesten Zeiten[3] der Kunst[4] her [...]. Ihr Hauptsitz war Perugia im Kirchenstaate, wo es schon im 13. Jahrh.[undert] eine Malerzunft gab, und ihr auszeichnender Charakter[1], den ungekünstelte Natur, Adel[5] der Form und einfache Frömmigkeit ausmachen, wurde besonders von Pietro Vanucci, von seinem Geburtsorte Perugino genannt, 1446–1524, vorbereitet.
[2] Novalis, Anakr. (*?1788\90), NS 2, 17: Jeder unsrer Schritte, die wir jezt thun, entfernt uns mehr von der Natur; ihr Colorit scheint uns nicht lebhaft genug, wir suchen Schminke.
[3] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
[4] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 27 f.: Aus welcher Zeit die Tragödien des Seneca nun auch seyn mögen, sie sind über alle Beschreibung schwülstig und frostig, ohne Natur in Charakter[7] und Handlung, durch die widersinnigsten Unschicklichkeiten empörend, und so von aller theatralischen Einsicht entblößt, daß ich glaube, sie waren nie dazu bestimmt, aus den Schulen der Rhetoren auf die Bühne hervorzutreten. Mit den alten Tragödien, jenen höchsten Schöpfungen des poetischen Genius der Griechen, haben diese nichts weiter gemein als den Namen, die äußre Form und die mythologischen Stoffe; und doch stellen sie sich neben jene, sichtbar in der Absicht, sie zu überbieten, was sie ungefähr so leisten, wie eine hohle Hyperbel gegen die innigste Wahrheit. Jeder tragische Gemeinplatz wird bis auf den letzten Athemzug abgehetzt; alles ist Phrase, unter denen die einfachste schon geschraubt ist. Mit Witz[4] und Scharfsinn wird eine gänzliche Armuth an 〈28〉 Gemüth überkleidet.
[5] Willkomm, Europamüd. II (1838), 107 f. (108): Der arme Bauer und Bürger ist eben so europamüde, als der gebildete Weltmann. Nur daß bei jenen der geistige Ekel nicht so überschwenglich zu Tage liegt und in Ironie{1] und Hohn sich ausgeifert. Diesen bedauernswerthen Vorzug 〈108〉 hat bis jetzt blos der feine Weltmann, weil er eine größere Last der Sünden in sich beherbergt, als das schlichte Kind der Natur.
[6] Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (21798), 447: Die natürliche[2] Freyheit[4], welche ein Geschöpf in dem Stande der Natur genießt..
[7] B. v. Arnim, Günder. II (1840), 18: Du lebst und schwebst[7] in freier[1] Luft, und die ganze Natur trägt Deinen Geist[19] auf Händen [sc. ›Dein Geist19 ist vollkommen natürlich2‹]; ich dräng mich durch zwischen Witz[3] und Aberwitz, und hier und dort nimmt mich die Albernheit in Beschlag; und wenn ich Abends zum Schreiben komm, und muß das Unmögliche denken, was unmöglich ist auszusprechen, dann bin ich gleich traumtrunken, und dann schwindelt mir wenn ich die Augen öffne; die Wände drehen sich und der Menschen[1] Treiben dreht sich mit..
[8] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 327: Es sind dieses [sc. Romanzen] erzählende Lieder aus der frühesten Epoche der sich entwickelnden, und kaum der Barbarei entwachsnen Cultur[4]: daher ist [es] Einfalt, Natur, gutmüthiger Aberglauben ohne Fanatismus, Unbekanntschaft mit gelehrten Begriffen, Reinheit, aber Rohigkeit der Sitten, treuherziger Biedersinn der Geist[12], welcher darin athmen muß. Die Romanze kann daher scherzhaft und rührend, aber satyrisch und ironisch[1] darf sie nicht sein, wenn sie nicht ihren Geist[12] verläugnen will. .
[9] Görres, Tt. Volksb. (1807), 250: Gerade weil unsere einseitige Cultur[4] uns nach und nach auf eine alberne Ziererey hingetrieben hat, die die Natur verläugnen will, und sich der Wohlthaten schämt, die sie von ihr empfängt, weil sich alles gerade eben nicht mit eleganter Sauberkeit abthun läßt; für diese ist eben Eulenspiegel eine sehr gute Gegenwucht, und eine ironirende Apostrophe der Verachteten an die Hoffärtigen, die gegen sie fremd[4] und vornehm thun, damit sie sich erinneren, daß sie auch aus Fleisch und Bein gemacht sind, und der Erde angehören. .
[10] J. Grimm, Fr. Alda (1815), 42: Um Uebersetzungen[2] überhaupt ist es gar ein mißlich Ding, vollends wo Wort[1] und Wendung jedes seine selbstgewachsene Stelle hat, wie bey echten Volksliedern stets der Fall ist, wo alle Kraft in einer unnachahmlichen Natur und Einfachheit ruht und der Athem davon durch das Ganze zieht, ja es trägt; da muß jede Uebersetzung[2] stocken und hapern. Gelingt sie wort- und stellenweise sogar glücklich und getreu, so muß daneben der Gegensatz dessen, was verschroben, gewunden und aus der Fuge gehoben wird, desto lästerlicher vortreten. In Voßens Homer ist Einzelnes gut, einiges trefflich wiedergegeben, und so weit mußten es Fleiß und Studium schon bringen; allein eben so wenig konnten sie den Mängeln und Härten ausweichen, die mit jenen Vortheilen und Vorzügen ganz folgerecht bestehen; darüber hat das ganze einen gebrochnen, unepischen Ton[3] empfangen. [...] Wenn man [...] abwägt, da, je treuer eine Uebertragung metrisch und wörtlich wird, sie am treuen, fließenden Inhalt desto mehr zu sündigen hat, ob man lieber dort als da fahren lassen will, so scheint es mir unbedenklich, das Göthes Sehnsucht nach einer prosaischen[1] deutschen Uebersetzung[2] Homers [...] das rechte und wahre trifft. ➢ Volltext.
[11] Grosse, Genius I (1791), 205: Der Garten war zwar etwas verwildert, aber er hatte [...] dadurch gewonnen, daß er seine Kunst[13] von der Natur[2/19] hatte wieder verdrängen lassen..
[12] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 207: Bei diesem Gegensatze des Ideals und der Natur hat man nun also die eine Kunst[10] mehr als die andre im Sinne gehabt, hauptsächlich aber die Malerei, deren Sphäre gerade die anschauliche Besonderheit ist. Wir wollen deshalb die Frage in Betreff dieses Gegensatzes allgemeiner so stellen: soll die Kunst[10] Poesie[14] oder Prosa[4] seyn? Denn das ächt Poetische[1] in der Kunst[10] ist eben das, 〈208〉 was wir Ideal nannten. Kommt es auf den bloßen Namen Ideal an, so ließe sich derselbe leicht aufgeben. Dann entsteht aber die Frage, was ist denn Poesie[14] und was ist Prosa[4] in der Kunst[10]? Obschon auch das Festhalten des an sich selbst Poetischen[1/4] in Bezug auf bestimmte Künste[10] zu Abirrungen führen kann und bereits geführt hat, insofern was der Poesie[11] ausdrücklich und näher der lyrischen etwa angehört, auch durch die Malerei, weil solch ein Inhalt denn doch gewiß poetischer[1] Art sey, dargestellt worden ist. Die jetzige Kunstausstellung (1828) z. B. enthält mehrere Gemälde, alle aus ein und derselben (der sogenannten Düsseldorfer) Schule, welche sämmtlich Sujets aus der Poesie[11] und zwar aus der nur als Empfindung darstellbaren Seite der Poesie[11] entlehnt haben. Sieht man diese Gemälde öfter und genauer an, so erscheinen sie bald genug als süß und fade. ➢ Volltext.
[13] Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 307: Um Ihnen die Art Gluckischer Musik im höchsten Adel[5] der Natur5, und zur höchsten Schönheit gebildet, zu 〈308〉 zeigen, zeigen, will ich morgen die Antigone bringen [...]..
[14] Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 360: „Die Deutschen Dichter gestatten in ihren Jambischen Versen keinem andern Fuße den Zutritt, und foltern in längern Gedichten Natur und Sprache[3], so daß das Ohr[4] bey ihren besten Werken sich nach einer guten Prose[1] und den göttlichen Knittelversen des Hans Sachs zurücksehnt“..
[15] Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 66 f. (67): Unter frischem Himmel, in der Wüste und Wilde, wo es niemand vermuthete, reifte ein Frühling starker, nahrhafter Gewächse, die in die schönern[4], südlichern Länder [...] verpflanzt neue[1] Natur[1] annehmen, große Ernte fürs Weltschicksal geben sollte! Gothen, Vandalen, Burgunden, Anglen, Hunnen, Herulen, Franken und Bulgaren, Sklaven und Longobarden [...] verachteten [...] Künste[2] und Wissenschaften[2], Ueppigkeit und Feinheit [...]; aber wenn 〈67〉 sie statt der Künste[2], Natur[19]: statt der Wissenschaften[2], gesunden nordischen Verstand[3], statt der feinen, starke und gute, obgleich wilde Sitten brachten, und das alles nun zusammen gährte – welch ein Eräugniß! [...] Ihr späteres Ideal über die Bedürfnisse hinaus – es gieng auf Keuschheit und Ehre, veredelte den besten Theil der menschlichen Neigungen: obgleich Roman[4], so doch ein hoher Roman[4]: eine wahre neue[1] Blüthe der menschlichen Seele..
[16] Hölderlin, Hyp. II (1799), 117: Es ist auf Erden alles unvollkommen, ist das alte[1] Lied der Deutschen. Wenn doch einmal diesen Gottverlaßnen einer sagte, daß bei ihnen nur so unvollkommen alles ist, weil sie nichts Reines unverdorben, nichts Heiliges unbetastet lassen mit den plumpen Händen, daß bei ihnen nichts gedeiht, weil sie die Wurzel des Gedeihns, die göttliche Natur nicht achten, daß bei ihnen eigentlich das Leben schaal und sorgenschwer und übervoll von kalter stummer Zwietracht ist, weil sie den Genius verschmähn, der Kraft und Adel[5] in ein menschlich Thun, und Heiterkeit[3] ins Leiden und Lieb' und Brüderschaft den Städten und den Häußern bringt. ➢ Volltext.
[17] Klingemann, Poesie (1800), 55: Die Poesie[19] geht durch die ganze Kunst[2]; sie ist das Innerliche in ihr, und der geheime wunderliche Geist[12], der später erst durch sie zur Erscheinung kommt. Die Kunst[2] selbst ist nur Organ[1] der Poesie[19], sie aber ist die Seele des Ganzen, und das heilige Feuer, das unsichtbar sich entzündet. So ist die Dichtkunst allein nicht ihre einzige Heimath; sondern sie herrscht unumschränkt auch in der Skulptur und Mahlerei[2], und redet zart und geistig aus der Musik[4] uns an. Sie ist es eben, wodurch die Kunst[2] sich ausbreitet, und allgemein wird; denn Poesie[19] ist die Grundanlage der Menschheit[1] überhaupt, und sie zeichnet sich nur, dem Grade nach, stärker oder schwächer in den Einzelnen aus. | Die Poesie[19] ist das eigentlich Absichtslose, oder die Natur in der Kunst[2]; Niemand vermag sie zu erringen, oder durch Kunst[2] sich anzueignen; sie ist vielmehr eine freie[5] Gunst der Götter[4], und wird dem Menschen[1] schon bei seiner Geburt zu Theile..
[18] Moritz, Dt. in Engld. (1783), 83: Ohngeachtet aller zunehmenden Modesucht bleibt man hier [sc. in England] denn doch der Natur noch treu bis in gewisse Jahre. Welch ein Kontrast, wenn ich mir unsre sechsjährigen, blassen, verzärtelten Berlinerknaben mit einem großen Haarbeutel und dem ganzen Staate eines Erwachsenen, wohl gar in einem verbrämten Kleide denke, und dagegen hier lauter blühende, schlanke, rüstige Knaben, mit offner Brust und abgeschnittnem Haar erblicke, das sich von selber in natürliche[1] Locken rollt..
[19] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 152 f. (153): Ich habe mich seit vielen Jahren um die deutsche[2] Aussprache bekümmert, aber noch heut weiß ich keinen Ort in Deutschland anzugeben, wo die Sprache[3] gut gesprochen würde oder nur besser als anderswo. Ich habe wohl Personen angetroffen, von denen in Schwaben, in Franken, in Sachsen, an der Mündung der Elbe wie in Österreich gesagt werden würde: sie sprechen gut. Aber kein Ort hat dieß Privilegium für sich. Die Örter sind, was die Sprache[7] angeht, gleich gut: sie müssen ächt republikanisch alle gelten, sie müssen alle ihre Stimme[6; 8] hergeben, wenn ein guter deutscher[2] Sprecher werden soll, – und so habe ich auch immer gefunden, daß die, welche gut sprachen, an recht verschiedenartigen Stellen von Deutschland gelebt und gesprochen hatten. Sie hatten unter der Rauhigkeit der Gebirgstöne, und 〈153〉 unter den weichen, platten Klängen, die das deutsche[2] Niederland spricht, in Städten und auf dem Lande, an den südwestlichen Grenzen, wo die romanischen[1] Sprachen[3], und an den nordöstlichen, wo die slavischen Sprachen[3] Deutschland berühren – kurz, sie hatten aus den verschiedenartigsten Dialekten[1] sich das eigentlich Deutsche[2] herausgehört, herausgefühlt. | Wenn nun, was sie herausgehört hätten, niedergeschrieben würde, so wäre es freilich für heute und morgen das beste Deutsch[2] [...]. Aber auch für die Folge der Jahre? – Gewiß nicht. Ein Wörterbuch, aus lauter solchen guten und lebendigen Sprechern abgezogen, kann keine gesetzgebende Kraft erlangen in einem Volke[1], das innerlich frei ist. Besser ist es, daß solche gebildete Sprache[3] wieder zurückströmt in die Dialekte[1], sich wieder unaufhörlich erfrischt in dem Bade der Natur, daß, was Mühe, Fleiß und Geschick erreicht haben, sich immer wieder anschließe an jene alte Naturstimme der Gebirge und Thäler; daß dieses ächte und lebendige Hochdeutsch sich beständig wieder nicht auf unedle Weise vermische, aber – vermähle mit den Dialekten[1]. Also kein Wörterbuch, auch keine Hauptstadt, die nur den Wahn nähren kann, als gebe es in Sprachangelegenheiten einen privilegirten Ort, keine Akademie, deren ganze Kunst doch nur im 〈154〉 Waschen, Feilen, Absondern der Sprache[3], in der Verordnung einer strengen Diät für dieselbe, im Bewirken einer künstlichen Magerkeit bestehen würde – kann helfen. Es muß gesprochen werden, man muß reisen für die Sprache[3], man muß ihre Dialekte[1] hören lernen, aus der österreichischen, schweizerischen, fränkischen, niedersächsischen Mundart[1] das Deutsche[2] herausfühlen lernen: Die größten Autoren und Sprecher der deutschen[2] Sprache[3], Göthe, Schiller, Herder, Johann Müller, Gentz u. s. w., verdanken einen großen Theil ihrer Sprachkraft dem Umstande, daß sie umhergelebt haben in Deutschland oder aus dem Norden in den Süden, aus dem Westen in den Osten des Landes verpflanzt worden sind. – Wie müßte grade unsre Sprache[3] mit ihrem Reichthum, mit allen tausendfältigen Sitten und Lebensweisen, die sie jetzt einzeln ausdrückt, ergötzen können, wenn sie nur zwanzig Jahre hindurch ordentlich ineinander gesprochen wäre; wenn die naive Roheit der Naturtöne und Dialekte[1] nicht weiter getrennt wäre von der gebildeten Flachheit der hochdeutschen Buchsprache und nun durch jede Reihe von Tönen in dieser so veredelten dritten, mittleren Sprache[3] Deutschland hindurchklänge, während es doch nur immer Paris ist, das unaufhörlich in Eine Hauptstadt zusammenstrebende Frankreich, welches man durch die französische Sprache[3] hindurchhört..
[20] Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 273: Meinethalben mag jetzt der Buchstabe[8/9] an der Zeit[9] seyn. Es ist kein großes Lob für die Zeit[9], daß sie so weit von der Natur entfernt, so sinnlos für Familienleben, so abgeneigt der schönsten[1] poetischen[1] Gesellschaftsform ist. Wie würden unsre Kosmopoliten erstaunen, wenn ihnen die Zeit[3] des ewigen Friedens erschiene und sie die höchste gebildetste Menschheit[3] in monarchischer Form erblickten? Zerstäubt wird dann der papierne Kitt seyn, der jetzt die Menschen[1] zusammenkleistert, und der Geist[12/30] wird die Gespenster, die statt seiner in Buchstaben[8/9] erschienen und von Federn und Pressen zerstückelt ausgingen, verscheuchen, und alle Menschen[1] wie ein paar Liebende zusammen schmelzen..
[21] Novalis, Fragm. u. Stud. (*1799), NS 3, 560, Nr. 33: Mir scheint ein Trieb in unsern Tagen allgemein verbreitet zu seyn – die äußre Welt hinter künstliche Hüllen zu verstecken – vor der offnen78 ist der Trieb gewiß – allein der kindlichen Unschuld und Klarheit nicht vortheilhaft – besonders bey Geschlechtsverhältnissen ist dies bemercklich..
[22] Reichardt, Com. Op. (1774), 83: [I]ch kann mich nicht enthalten, des vortrefflichen Spiels zu erwähnen, mit welchem ich die ehemalige Mademoiselle Steinbrecherinn, itzt Madame Hübler, diese Scene habe spielen sehen. Die wahrhafte Natur war in ihrer Stellung, in ihrer Sprache[4], in jeder kleinen Bewegung..
[23] Ritter, Einl. Fragm. (1810), LXXXIII: Außerordentlich bedeutend sey [...] jenes schreckliche körperliche Uebel, welches [...] seinen Ursprung einst ganz sicher nur aus dem allmäligen Unnatürlichwerden einer früher allerdings natürlich[4] gültigen, aber, wohl zu merken, dazu auch von der Natur selbst noch mit Kraft und Gehalt erfüllt gewesen[en], organischeren[4] Form des allgemeinen Geschlechtsverkehrs gehabt haben könne [...]. ➢ Volltext.
[24] Schiller, Ggw. teut. Theater (1782), NA 20, 82: Der leidige Anstand in Frankreich hat den Naturmenschen verschnitten. – Ihr Kothurn ist in einen niedlichen Tanzschuh verwandelt. In England und Teutschland (doch auch hier nicht bälder, als bis Göthe die Schleichhändler des Geschmacks über den Rhein zurückgejagt hatte) deckt man der Natur, wenn ich so reden darf, ihre Schaam auf, vergrössert ihre Finnen und Leberflecken unter dem Hohlspiegel eines unbändigen Wizes[1], die muthwillige Fantasie[2] glüender Poeten lügt sie zum Ungeheuer und drommelt von ihr die schändlichsten Anekdoten aus. Zu Paris liebt man die glatten zierlichen Puppen, von denen die Kunst[16] alle kühne Natur hinwegschliff..
[25] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 193: Auf die Begierde und Verabscheuung erfolgt bey dem Thiere[1] eben so nothwendig Handlung[1], als Begierde auf Empfindung, und Empfindung auf den äußern Eindruck erfolgte. Es ist hier eine stetig fortlaufende Kette, wo jeder Ring nothwendig in den andern greift. Bey dem Menschen[1] ist noch eine Instanz mehr, nehmlich der Wille, der als ein übersinnliches Vermögen weder dem Gesetz der Natur, noch dem der Vernunft[1], so unterworfen ist, daß ihm nicht vollkommen freye Wahl bliebe, sich entweder nach diesem oder nach jenem zu richten. Das Thier[1] muß streben den Schmerz los zu seyn, der Mensch[1] kann sich entschließen, ihn zu behalten. ➢ Volltext.
[26] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. I (1795), 427: Mit schmerzlichem Verlangen sehnen wir uns dahin [sc. zur Natur19] zurück, sobald wir angefangen, die Drangsale der Kultur[4/3] zu erfahren und hören im fernen Auslande der Kunst[14?] der Mutter rührende Stimme. Solange wir bloße Natur[2]kinder waren, waren wir glücklich und vollkommen; wir sind frey geworden, und haben beydes verloren. Daraus entspringt eine doppelte und sehr ungleiche Sehnsucht nach der Natur[19]; eine Sehnsucht nach ihrer Glückseligkeit, eine Sehnsucht 〈428〉 nach ihrer Vollkommenheit..
[27] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. I (1795), 414: Wir waren Natur[10], [...] und unsere Kultur[3/4] soll uns, auf dem Wege der Vernunft[1] und der Freyheit[10], zur Natur[19] zurückführen..
[28] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 436: Auch jetzt ist die Natur noch die einzige Flamme, an der sich der Dichtergeist nähret, aus ihr allein schöpft er seine ganze Macht, zu ihr allein spricht er auch in dem künstlichen, in der Kultur[4] begriffenen Menschen. Jede andere Art zu wirken, ist dem poetischen[4] Geiste[12] fremd[5]; daher, beiläufig zu sagen, alle sogenannten Werke des Witzes[2] ganz mit Unrecht poetisch[4] heißen, ob wir sie gleich lange Zeit[6], durch das Ansehen der französischen Litteratur verleitet, damit vermenget haben. Die Natur, sage ich, ist es auch noch jetzt, in dem künstlichen Zustande der Kultur[4], wodurch der Dichtergeist mächtig ist, nur steht er jetzt in einem ganz andern Verhältniß zu derselben..
[29] Schiller, an Goethe (19. 7. 1799), NA 30, 72 f. (73): Ich habe mir vor einigen Stunden durch Schlegels Lucinde den Kopf so taumelig gemacht, daß es mir noch nachgeht. Sie müssen dieses Product wundershalber doch ansehen. Es characterisiert seinen Mann, so wie alles Darstellende, beßer als alles was er sonst von sich gegeben, nur daß es ihn mehr ins frazenhafte 〈73〉 mahlt. Auch hier ist das ewig formlose und fragmentarische, und eine höchst seltsame Paarung des Nebulistischen mit dem Characteristischen[2], die Sie nie für möglich gehalten hätten. Da er fühlt, wie schlecht er im poetischen[4] fortkommt, so hat er sich ein Ideal seiner selbst aus der Liebe und dem Witz[2] zusammengesetzt. Er bildet sich ein, eine heiße unendliche Liebesfähigkeit mit einem entsetzlichen Witz[2] zu vereinigen und nachdem er sich so constituiert hat, erlaubt er sich alles, und die Frechheit erklärt er selbst für seine Göttin. | Das Werk ist übrigens nicht ganz durchzulesen, weil einem das hohle Geschwätz gar zu übel macht. Nach den Rodomontaden von Griechheit, und nach der Zeit[6], die Schlegel auf das Studium derselben gewendet, hätte ich gehofft, doch ein klein wenig an die Simplicität und Naivetät der Alten[10] erinnert zu werden, aber diese Schrift ist der Gipfel moderner[1] Unform und Unnatur, man glaubt ein Gemengsel aus Woldemar, aus Sternbald, und aus einem frechen französischen Roman zu lesen..
[30] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 84: Die Sprache[1], die wunderbarste Schöpfung des menschlichen Dichtungsvermögens, gleichsam das große, nie vollendete Gedicht, worinn die menschliche Natur[1] sich selbst darstellt, bietet uns von dem, was ich eben sagte, ein auffallendes Beyspiel dar. So wie sie auf der einen Seite, vom Verstande[1] bearbeitet, an Brauchbarkeit zu allen seinen Verrichtungen zunimmt, so büßt sie auf der andern an jener ursprünglichen Kraft ein, die im nothwendigen Zusammenhange zwischen den Zeichen der Mittheilung und dem Bezeichneten liegt. So wie die gränzenlose Mannigfaltigkeit der Natur[2/11/19?] in abgezognen Begriffen[1] verarmt, so sinkt die lebendige Fülle der Töne immer mehr zum todten Buchstaben[9] hinab. Zwar ist es unmöglich, daß dieser jene völlig verdrängen sollte, weil der Mensch immer ein empfindendes Wesen bleibt, und sein angebohrner Trieb, Andern von seinem innersten Daseyn Zeugniß zu geben, und es dadurch in ihnen zu vervielfältigen, (wie sehr ihn auch die Herrschaft des Verstandes[1], der sein Wesen, so zu sagen, immer außer uns treibt, schwächen möge) doch nie ganz verloren gehen kann. Allein in den gebildeten Sprachen[3], hauptsächlich in der Gestalt, 〈85〉 wie sie zum Vortrage der deutlichen Einsicht, der Wissenschaft gebraucht werden, wittern wir kaum noch einige verlohrne Spuren ihres Ursprunges, von welchem sie so unermeßlich weit entfernt sind; wir können sie fast nicht anders als wie eine Sammlung durch Uebereinkunft festgesetzter Zeichen betrachten. ➢ Volltext.
[31] A. W. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 54, Nr. 205: Sie pflegen sich selbst die Kritik[8] zu nennen. Sie schreiben kalt, flach, vornehmthuend und über alle Maßen wäßericht. Natur, Gefühl, Adel[5] und Größe des Geistes[20] sind für sie gar nicht vorhanden, und doch thun sie, als könnten sie diese Dinge vor ihr Richterstühlchen laden. Nachahmungen der ehemaligen Französischen Schönenweltsversemacherey, sind das äußerste Ziel ihrer lauwarmen Bewunderung. Korrektheit gilt ihnen für Tugend. Geschmack ist ihr Idol; ein Götze dem man nur ohne Freude dienen darf. ➢ Volltext.
[32] A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 170: Der Dichter [sc. L. Tieck in den Volksmährchen (1797)] bestrebt sich [...] überall den Ton des Gegenstandes zu halten, und er trifft ihn gewöhnlich mit der Sicherheit einer unabsichtlichen Richtung. Deswegen konnte er aus der Geschichte von den Heymons Kindern, in zwanzig altfränkischen Bildern, nichts anders machen wollen als einen poetischen Holzschnitt. Die genaue Beobachtung der Perspektive muß man einem solchen schon erlassen: aber in den eckichten und groben Umrissen dieser kolossalen Figuren dürfte leicht mehr Natur und Karakter[2] seyn, als in der Kritik[5] eines Kunstrichters, der sie unnatürlich und karakterlos nennt, ihre Erdichtung der Unwissenheit und dem Aberwitz zuschreibt, und das Ganze vornehm in die Jahrmarktsbuden zurückweist. Man sollte sich doch hüten, in einem prosaischen[3] Zeitalter ehrliche alte Volkssagen so schnöde anzulassen, denen es, wie unförmlich sie auch sonst seyn 〈171〉 mögen, schwerlich ganz an poetischer[1] Energie fehlt. ➢ Volltext.
[33] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 773: Prosaische[1] Theile in komischen Partien Romantischer[12] Dramen. Sehr zu billigen. Alte[10] Poesie[11]: Reine Sonderung der Kunst[13] und Natur; verlor sich also in der Prosa[1], ohne den Rückweg zur Poesie[3] finden zu können. Romantische[12/10] Poesie[11]: unauflösliche Verschmelzung von Kunst[13] und Natur. Also Prosa[1] schon als ursprünglicher Bestandtheil aufgenommen..
[34] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 57: Was aber den Lohenstein betrifft, da ich sehe, daß man seinen Namen sprüchwörtlich gebraucht, um das Abgeschmackte zu bezeichnen, und so gegen die verhaßte Poesie[15] zu polemisiren, so muß ich darauf erwiedern, daß eine altfränkisch gewordne Verkehrtheit dem ungeachtet leicht eine neumodische werth seyn möchte, und daß unsre heut zu Tage beliebten Schriftsteller vor Lohensteins Fehlern sehr sicher sind. Man könnte ihnen in der That zu jedem Symptome der Art Glück wünschen. Es ist in seinen Antithesen oft ein großer Aufwand von Scharfsinn, in den sinnreichen Vergleichungen Schwung der Fantasie[2], und wo der Prunk die Stelle der Schönheit[1] vertreten muß, spürt man doch zuweilen noch die ursprüngliche Anschauung und Wahrheit der Natur, welche solche Ausdrücke zuerst gefunden hat..
[35] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 13 f. (14): Die antike[2] Kunst[11] und Poesie[11] geht auf strenge Sonderung des Ungleichartigen, die romantische[12] gefällt sich in 〈14〉 unauflöslichen Mischungen; alle Entgegengesetzten: Natur[19] und Kunst[13], Poesie[3] und Prosa[1], Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahndung[1], Geistigkeit und Sinnlichkeit, das Irdische und Göttliche, Leben und Tod, verschmelzt sie auf das innigste mit einander. [...] [D]ie gesamte alte[10] Poesie[11] und Kunst[11] [ist] gleichsam ein rhythmischer Nomos, eine harmonische Verkündigung der auf immer festgestellten Gesetzgebung einer schön[1] geordneten und die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden Welt. Die romantische[12/4] hingegen ist der Ausdruck des geheimen Zuges zu dem immerfort nach neuen[1] und wundervollen Geburten ringenden Chaos, welches unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schooße sich verbirgt: der beseelende Geist[12/1] der ursprünglichen Liebe schwebt[1] hier von neuem[2] über den Wassern. Jene ist einfacher, klarer, und der Natur[2] in der selbständigen Vollendung ihrer einzelnen Werke ähnlicher; diese, ungeachtet ihres fragmenta〈15〉rischen Ansehens, ist dem Geheimniß des Weltalls näher. Denn der Begriff[5] kann nur jedes für sich umschreiben, was doch der Wahrheit nach niemals für sich ist; das Gefühl wird alles in allem zugleich gewahr. ➢ Volltext.
[36] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 67, Nr. 245: Ein Gedicht oder ein Drama, welches der Menge gefallen soll, muß ein wenig von allem haben, eine Art Mikrokosmus seyn. Ein wenig Unglück und ein wenig Glück, etwas Kunst[13], und etwas Natur, die gehörige Quantität Tugend und eine gewisse Dosis Laster. Auch Geist[27] muß drin seyn nebst Witz1, ja sogar Philosophie, und vorzüglich Moral, auch Politik mitunter. Hilft ein Ingrediens nicht, so kann vielleicht das andre helfen. Und gesetzt auch, das Ganze könnte nicht helfen, so könnte es doch auch, wie manche darum immer zu lobende Medizin, wenigstens nicht schaden.
[37] F. Schlegel, Lucinde (1799), 59: Wie die weibliche Kleidung vor der männlichen, so hat auch der weibliche Geist[14] vor dem männlichen den Vorzug, daß man sich da durch eine einzige kühne Combination über alle Vorurtheile der Cultur[4] und bürgerlichen Conventionen wegsetzen und mit einemmale mitten im Stande der Unschuld und im Schooß der Natur[19] befinden kann.
[38] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 101 ff. (102 f.): Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre[4] spricht. | Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüth verlassen. Freylich, wem es da trocken ist, dem wird es nirgends quillen; und das ist eine bekannte Wahrheit, gegen die ich am wenigsten gesonnen bin mich aufzulehnen. Aber wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Aehnlichen, oder bey 〈102〉 gleicher Würde Feindlichen entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte[1] bilden. [...] | Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk[1] der Natur[2]. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigenthümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode, wenn ich so sagen darf. | Da finde ich nun eine große Aehnlichkeit mit jenem großen Witz[2] der romantischen[12/4] Poesie[22], der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Construction des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakspeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie[1], der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt, scheinen mir schon selbst eine indirekte Mythologie zu seyn. Die Organisazion[8] ist dieselbe und gewiß ist die Arabeske die älteste[1] und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie[2]. Weder dieser Witz[2] noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte[5] Natur[1/19] und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive[2] Tiefsinn den Schein des Verkehrten 〈103〉 und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie[11], den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft[1] aufzuheben und uns wieder in die schöne[1] Verwirrung der Fantasie[2], in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur[1/19] zu versetzen, für das ich kein schöneres[1] Symbol bis jetzt kenne, als das bunte[2] Gewimmel der alten[10] Götter[5]. ➢ Volltext.
[39] F. Schlegel, Unverst. (1800), 346: Um die Uebersicht vom ganzen System der Ironie[1] zu erleichtern, wollen wir einige der vorzüglichsten Arten anführen. Die erste und vornehmste von allen ist die grobe Ironie[1] [...]. Dann kommt die feine oder die delikate Ironie[1]; dann die extrafeine; in dieser Manier arbeitet Skaramuz, wenn er sich freundlich und ernsthaft mit jemand zu besprechen scheint, indem er nur den Augenblick erwartet, wo er wird mit einer guten Art einen Tritt in den Hintern geben können. Diese Sorte wird auch wohl bey Dichtern gefunden, wie ebenfalls die redliche Ironie[1], welche am reinsten und ursprünglichsten in alten Gärten angebracht ist, wo wunderbar liebliche Grotten den gefühlvollen Freund der Natur in ihren kühlen Schooß locken, um ihn dann von allen Seiten mit Wasser reichlich zu besprützen und ihm so die Zartheit zu vertreiben.
[40] L. Tieck, Phantasus I (1812), 64: Es fehlt unsrer Zeit[5], sagte Friedrich, so sehr sie die Natur[19] sucht, eben der Sinn[5] für Natur[19], denn nicht allein diese regelmäßigen Gärten, die dem jetzigen Geschmacke zuwider sind, bekehrt man 〈65〉 zum Romantischen[3/4], sondern auch wahrhaft romantische[3/4] Wildnisse werden verfolgt, und zur Regel und Verfassung der neuen[7] Gartenkunst erzogen. So war ehemals nur die große wundervolle Heidelberger Ruine eine so grüne, frische, poetische[1/3?] und wilde Einsamkeit, die so schön[1] mit den verfallenen Thürmen, den großen Höfen, und der herrlichen Natur[2] umher in Harmonie stand, daß sie auf das Gemüth eben so wie ein vollendetes Gedicht aus dem Mittelalter wirkte, ich war so entzückt über diesen einzigen Fleck unsrer deutschen Erde, daß das grünende Bild seit Jahren meiner Phantasie[1] vorschwebte, aber vor einiger Zeit[6] fand ich auch hier eine Art von Park wieder, der zwar dem Wandelnden manchen schönen[1] Platz und manche schöne[1] Aussicht gönnt, der auf bequemen Pfaden zu Stellen führt, die man vormals nur mit Gefahr erklettern konnte, der selbst erlaubt, Erfrischungen an anmuthigen Räumen ruhig und sicher zu genießen, doch wiegen alle diese Vortheile nicht die großartige und einzige Schönheit[1] auf, die hier aus der besten Absicht ist zerstört worden..
[41] L. Tieck, Phantasus I (1812), 95: Wir hörten von den Englischen Parks, von denen viele in der That in hoher Schönheit[1] prangen, und so fing man denn in Deutschland ebenfalls an, mit Bäumen, Stauden und Felsen auf mannichfache Weise zu malen, lebendige Wasser und Wasserfälle mußten die springenden Brunnen verdrängen, so wie alle geraden Linien nebst allem Anschein von Kunst[13] verschwinden mußten, um der Natur und ihren Wirkungen auf unser Gemüth Raum zu gewähren..
[42] L. Tieck, Phantasus II (1812), 457: Was da unten friedlich, niedlich, einsam und rührend die Hütten liegen und das Gärtchen daneben. Schöne[1] romantische[7] Natur[2] ist doch etwas Trefliches, und darein die Häuser, der Rauch von den Schornsteinen, das ist so anlockend, weckt sehnsüchtige Gedanken, daß man dort seyn möchte, sich einwohnen, der Natur[19] leben..
[43] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 44: Es unterliegt keinem Zweifel, daß es für den tüchtigsten Schulmann eine unendlich schwere Aufgabe ist, den Dichter, den Redner, den Geschichtschreiber, den Philosophen des griechischen und römischen Altertums, bei unseren heutigen gesellschaftlichen Zuständen, bei der Mechanik des Staatslebens, dessen hölzerne Räder auch in der Schulstube klappern, fruchtreich in den Schulen zu erklären; allein eben so gewiß ist es, daß den wenigsten nur einmal die Ahnung aufgegangen ist von der Bedeutung der Alten für das jetzige Leben, daß sie selbst jene großen und leuchtenden Züge in den Pergamenten klassischen Altertums, die Züge der reinen für die Mysterien der Welt, für Wahrheit und Schönheit nur selten einmal mit verwandtem Auge selbst angeschaut und sich von ihnen durchdrungen haben..
[44] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 193: Vielerlei sind der Sprachen[9], Zungen und Charaktere[9] auf der Welt, die einander nicht verstehen; die Poesie[11] aber ist die heilige Flammenzunge, die aus aller Herzen zu aller Herzen spricht und jeden Menschen[1] mit süßem Verständnis bewegt. Die Poesie[11] ist die Natur, die ursprüngliche Menschheit[1], die sich mit jeder besonderen Erscheinung der Menschheit[1] auf dem Felde der Geschichte[1] gattet und daher, so allgemein menschlich sie in ihrer Quelle ist, doch jedesmal einer besonderen Menschheit[3], einem gewissen Zeitalter eigentümlich angehört. Man kann daher mit Recht von einer katholischen und griechischen[2] Poesie[11] sprechen, von einer romantischen[13] und klassischen[7], nur wird man sich hüten, den Gegensatz unmittelbar in das Wesen der Poesie[11] selbst zu setzen, die Poesie[11] ist nur die eine bei allen Völkern[1], Zeiten[5] und Zuständen, aber der Strahl dieser einen Sonne bricht sich tausendfach in der geistigen Atmosphäre und verursacht dadurch ein buntes[2] Farbenspiel von Weltpoesien, deren Verständnis, nach Rückerts Ausdruck, allein zur Weltversöhnung führt..
[45] Winckelmann, Anm. Gesch. Kunst (1767), 94: Pythagoras [...] von Reggio in dem heutigen Calabrien war [...] der erste, welcher die Haare mit mehrerem Fleiße ausarbeitete. Diese Anzeige kann zu einiger Bestimmung der Zeit[12] verschiedener Statuen dienen. Denn wir bemerken an einigen, an welchen sich eine grosse Wissenschaft und Kunst[13] zeiget, die Haare sowohl des Hauptes, als der Schaam in ganz kleine kreppigte Locken reihenweis geleget [...]. Von jenem sind zwey oder drey Statuen [...], die [...] haben annoch die gezwungen gearbeitete Haare, die ein Beweis sind von einem Systema, welches sich von der Natur entfernet hatte. [...] Da also Pythagoras als der erste die Haare mit mehrerem Fleisse und vermuthlich mit gefälligerer Freyheit[13] geendiget hatte, so kann man schliessen, daß jene Statuen [...], sowohl mit sogenannten Hetrurischen, als mit wenig angedeuteten Haaren, nicht nach Pythagoras Zeiten[3] können gemacht seyn, folglich müssen dieselben entweder von gleicher Zeit[12] oder für älter[1] geachtet werden [...]..
[46] Zelter/Goethe, Haydn. Schöpf. (1826), WA I, 41.2, 384: [H]ierdurch werde ich erinnert, an den Vorwurf zu denken, den man Haydn machen wollen: seine Musik[4] ermangele der Leidenschaft. Hierauf nun erwidere ich Folgendes: Das Leidenschaftliche in der Musik[1] wie in allen Künsten[2] ist leichter als man denkt, schon weil es leichter nachempfunden wird; es ist nicht ursprünglich, die Gelegenheit bringt es hervor, und nach dem Begriffe[1] der Alten[10] verdeckt es die reine Natur und entstellt das Schöne[1]. [...] | Unser Haydn [...] wirkt ohne Hitze, was er wirkt; wer will denn auch erhitzt sein? Temperament, Sinn[6], Geist[20], Humor[3], Fluß, Süße, Kraft und endlich die echten Zeichen des Genies[4]: Naivetät und Ironie[3] müssen ihm durchaus zugestanden werden. Sind nun die hier genannten Elementartheile, welche ohne Wärmestoff nicht denkbar sind, Haydn'sche Eigenheiten, so begrüßen wir seine Kunst[10] als antik[4] im besten Sinne[1], und daß sie modern[4/7] sei, ist unsres Wissens nicht bestritten worden, was auch schwer gelingen möchte, da alle moderne[9] Musik[1] auf ihm ruht..
[2] Novalis, Anakr. (*?1788\90), NS 2, 17: Jeder unsrer Schritte, die wir jezt thun, entfernt uns mehr von der Natur; ihr Colorit scheint uns nicht lebhaft genug, wir suchen Schminke.
[3] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 100: Zu seiner Zeit stand Diderot auf und lieferte eigene Versuche in einer besonderen Gattung; er suchte das Konventionelle durch seinen Geist[20] und Witz[1] umzustürzen und drang darauf, man solle wahre Natur darstellen [...].[4] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 27 f.: Aus welcher Zeit die Tragödien des Seneca nun auch seyn mögen, sie sind über alle Beschreibung schwülstig und frostig, ohne Natur in Charakter[7] und Handlung, durch die widersinnigsten Unschicklichkeiten empörend, und so von aller theatralischen Einsicht entblößt, daß ich glaube, sie waren nie dazu bestimmt, aus den Schulen der Rhetoren auf die Bühne hervorzutreten. Mit den alten Tragödien, jenen höchsten Schöpfungen des poetischen Genius der Griechen, haben diese nichts weiter gemein als den Namen, die äußre Form und die mythologischen Stoffe; und doch stellen sie sich neben jene, sichtbar in der Absicht, sie zu überbieten, was sie ungefähr so leisten, wie eine hohle Hyperbel gegen die innigste Wahrheit. Jeder tragische Gemeinplatz wird bis auf den letzten Athemzug abgehetzt; alles ist Phrase, unter denen die einfachste schon geschraubt ist. Mit Witz[4] und Scharfsinn wird eine gänzliche Armuth an 〈28〉 Gemüth überkleidet.
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[5] Willkomm, Europamüd. II (1838), 107 f. (108): Der arme Bauer und Bürger ist eben so europamüde, als der gebildete Weltmann. Nur daß bei jenen der geistige Ekel nicht so überschwenglich zu Tage liegt und in Ironie{1] und Hohn sich ausgeifert. Diesen bedauernswerthen Vorzug 〈108〉 hat bis jetzt blos der feine Weltmann, weil er eine größere Last der Sünden in sich beherbergt, als das schlichte Kind der Natur.
[6] Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (21798), 447: Die natürliche[2] Freyheit[4], welche ein Geschöpf in dem Stande der Natur genießt..
[7] B. v. Arnim, Günder. II (1840), 18: Du lebst und schwebst[7] in freier[1] Luft, und die ganze Natur trägt Deinen Geist[19] auf Händen [sc. ›Dein Geist19 ist vollkommen natürlich2‹]; ich dräng mich durch zwischen Witz[3] und Aberwitz, und hier und dort nimmt mich die Albernheit in Beschlag; und wenn ich Abends zum Schreiben komm, und muß das Unmögliche denken, was unmöglich ist auszusprechen, dann bin ich gleich traumtrunken, und dann schwindelt mir wenn ich die Augen öffne; die Wände drehen sich und der Menschen[1] Treiben dreht sich mit..
[8] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 327: Es sind dieses [sc. Romanzen] erzählende Lieder aus der frühesten Epoche der sich entwickelnden, und kaum der Barbarei entwachsnen Cultur[4]: daher ist [es] Einfalt, Natur, gutmüthiger Aberglauben ohne Fanatismus, Unbekanntschaft mit gelehrten Begriffen, Reinheit, aber Rohigkeit der Sitten, treuherziger Biedersinn der Geist[12], welcher darin athmen muß. Die Romanze kann daher scherzhaft und rührend, aber satyrisch und ironisch[1] darf sie nicht sein, wenn sie nicht ihren Geist[12] verläugnen will. .
[9] Görres, Tt. Volksb. (1807), 250: Gerade weil unsere einseitige Cultur[4] uns nach und nach auf eine alberne Ziererey hingetrieben hat, die die Natur verläugnen will, und sich der Wohlthaten schämt, die sie von ihr empfängt, weil sich alles gerade eben nicht mit eleganter Sauberkeit abthun läßt; für diese ist eben Eulenspiegel eine sehr gute Gegenwucht, und eine ironirende Apostrophe der Verachteten an die Hoffärtigen, die gegen sie fremd[4] und vornehm thun, damit sie sich erinneren, daß sie auch aus Fleisch und Bein gemacht sind, und der Erde angehören. .
[10] J. Grimm, Fr. Alda (1815), 42: Um Uebersetzungen[2] überhaupt ist es gar ein mißlich Ding, vollends wo Wort[1] und Wendung jedes seine selbstgewachsene Stelle hat, wie bey echten Volksliedern stets der Fall ist, wo alle Kraft in einer unnachahmlichen Natur und Einfachheit ruht und der Athem davon durch das Ganze zieht, ja es trägt; da muß jede Uebersetzung[2] stocken und hapern. Gelingt sie wort- und stellenweise sogar glücklich und getreu, so muß daneben der Gegensatz dessen, was verschroben, gewunden und aus der Fuge gehoben wird, desto lästerlicher vortreten. In Voßens Homer ist Einzelnes gut, einiges trefflich wiedergegeben, und so weit mußten es Fleiß und Studium schon bringen; allein eben so wenig konnten sie den Mängeln und Härten ausweichen, die mit jenen Vortheilen und Vorzügen ganz folgerecht bestehen; darüber hat das ganze einen gebrochnen, unepischen Ton[3] empfangen. [...] Wenn man [...] abwägt, da, je treuer eine Uebertragung metrisch und wörtlich wird, sie am treuen, fließenden Inhalt desto mehr zu sündigen hat, ob man lieber dort als da fahren lassen will, so scheint es mir unbedenklich, das Göthes Sehnsucht nach einer prosaischen[1] deutschen Uebersetzung[2] Homers [...] das rechte und wahre trifft. ➢ Volltext.
[11] Grosse, Genius I (1791), 205: Der Garten war zwar etwas verwildert, aber er hatte [...] dadurch gewonnen, daß er seine Kunst[13] von der Natur[2/19] hatte wieder verdrängen lassen..
[12] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 207: Bei diesem Gegensatze des Ideals und der Natur hat man nun also die eine Kunst[10] mehr als die andre im Sinne gehabt, hauptsächlich aber die Malerei, deren Sphäre gerade die anschauliche Besonderheit ist. Wir wollen deshalb die Frage in Betreff dieses Gegensatzes allgemeiner so stellen: soll die Kunst[10] Poesie[14] oder Prosa[4] seyn? Denn das ächt Poetische[1] in der Kunst[10] ist eben das, 〈208〉 was wir Ideal nannten. Kommt es auf den bloßen Namen Ideal an, so ließe sich derselbe leicht aufgeben. Dann entsteht aber die Frage, was ist denn Poesie[14] und was ist Prosa[4] in der Kunst[10]? Obschon auch das Festhalten des an sich selbst Poetischen[1/4] in Bezug auf bestimmte Künste[10] zu Abirrungen führen kann und bereits geführt hat, insofern was der Poesie[11] ausdrücklich und näher der lyrischen etwa angehört, auch durch die Malerei, weil solch ein Inhalt denn doch gewiß poetischer[1] Art sey, dargestellt worden ist. Die jetzige Kunstausstellung (1828) z. B. enthält mehrere Gemälde, alle aus ein und derselben (der sogenannten Düsseldorfer) Schule, welche sämmtlich Sujets aus der Poesie[11] und zwar aus der nur als Empfindung darstellbaren Seite der Poesie[11] entlehnt haben. Sieht man diese Gemälde öfter und genauer an, so erscheinen sie bald genug als süß und fade. ➢ Volltext.
[13] Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 307: Um Ihnen die Art Gluckischer Musik im höchsten Adel[5] der Natur5, und zur höchsten Schönheit gebildet, zu 〈308〉 zeigen, zeigen, will ich morgen die Antigone bringen [...]..
[14] Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 360: „Die Deutschen Dichter gestatten in ihren Jambischen Versen keinem andern Fuße den Zutritt, und foltern in längern Gedichten Natur und Sprache[3], so daß das Ohr[4] bey ihren besten Werken sich nach einer guten Prose[1] und den göttlichen Knittelversen des Hans Sachs zurücksehnt“..
[15] Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 66 f. (67): Unter frischem Himmel, in der Wüste und Wilde, wo es niemand vermuthete, reifte ein Frühling starker, nahrhafter Gewächse, die in die schönern[4], südlichern Länder [...] verpflanzt neue[1] Natur[1] annehmen, große Ernte fürs Weltschicksal geben sollte! Gothen, Vandalen, Burgunden, Anglen, Hunnen, Herulen, Franken und Bulgaren, Sklaven und Longobarden [...] verachteten [...] Künste[2] und Wissenschaften[2], Ueppigkeit und Feinheit [...]; aber wenn 〈67〉 sie statt der Künste[2], Natur[19]: statt der Wissenschaften[2], gesunden nordischen Verstand[3], statt der feinen, starke und gute, obgleich wilde Sitten brachten, und das alles nun zusammen gährte – welch ein Eräugniß! [...] Ihr späteres Ideal über die Bedürfnisse hinaus – es gieng auf Keuschheit und Ehre, veredelte den besten Theil der menschlichen Neigungen: obgleich Roman[4], so doch ein hoher Roman[4]: eine wahre neue[1] Blüthe der menschlichen Seele..
[16] Hölderlin, Hyp. II (1799), 117: Es ist auf Erden alles unvollkommen, ist das alte[1] Lied der Deutschen. Wenn doch einmal diesen Gottverlaßnen einer sagte, daß bei ihnen nur so unvollkommen alles ist, weil sie nichts Reines unverdorben, nichts Heiliges unbetastet lassen mit den plumpen Händen, daß bei ihnen nichts gedeiht, weil sie die Wurzel des Gedeihns, die göttliche Natur nicht achten, daß bei ihnen eigentlich das Leben schaal und sorgenschwer und übervoll von kalter stummer Zwietracht ist, weil sie den Genius verschmähn, der Kraft und Adel[5] in ein menschlich Thun, und Heiterkeit[3] ins Leiden und Lieb' und Brüderschaft den Städten und den Häußern bringt. ➢ Volltext.
[17] Klingemann, Poesie (1800), 55: Die Poesie[19] geht durch die ganze Kunst[2]; sie ist das Innerliche in ihr, und der geheime wunderliche Geist[12], der später erst durch sie zur Erscheinung kommt. Die Kunst[2] selbst ist nur Organ[1] der Poesie[19], sie aber ist die Seele des Ganzen, und das heilige Feuer, das unsichtbar sich entzündet. So ist die Dichtkunst allein nicht ihre einzige Heimath; sondern sie herrscht unumschränkt auch in der Skulptur und Mahlerei[2], und redet zart und geistig aus der Musik[4] uns an. Sie ist es eben, wodurch die Kunst[2] sich ausbreitet, und allgemein wird; denn Poesie[19] ist die Grundanlage der Menschheit[1] überhaupt, und sie zeichnet sich nur, dem Grade nach, stärker oder schwächer in den Einzelnen aus. | Die Poesie[19] ist das eigentlich Absichtslose, oder die Natur in der Kunst[2]; Niemand vermag sie zu erringen, oder durch Kunst[2] sich anzueignen; sie ist vielmehr eine freie[5] Gunst der Götter[4], und wird dem Menschen[1] schon bei seiner Geburt zu Theile..
[18] Moritz, Dt. in Engld. (1783), 83: Ohngeachtet aller zunehmenden Modesucht bleibt man hier [sc. in England] denn doch der Natur noch treu bis in gewisse Jahre. Welch ein Kontrast, wenn ich mir unsre sechsjährigen, blassen, verzärtelten Berlinerknaben mit einem großen Haarbeutel und dem ganzen Staate eines Erwachsenen, wohl gar in einem verbrämten Kleide denke, und dagegen hier lauter blühende, schlanke, rüstige Knaben, mit offner Brust und abgeschnittnem Haar erblicke, das sich von selber in natürliche[1] Locken rollt..
[19] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 152 f. (153): Ich habe mich seit vielen Jahren um die deutsche[2] Aussprache bekümmert, aber noch heut weiß ich keinen Ort in Deutschland anzugeben, wo die Sprache[3] gut gesprochen würde oder nur besser als anderswo. Ich habe wohl Personen angetroffen, von denen in Schwaben, in Franken, in Sachsen, an der Mündung der Elbe wie in Österreich gesagt werden würde: sie sprechen gut. Aber kein Ort hat dieß Privilegium für sich. Die Örter sind, was die Sprache[7] angeht, gleich gut: sie müssen ächt republikanisch alle gelten, sie müssen alle ihre Stimme[6; 8] hergeben, wenn ein guter deutscher[2] Sprecher werden soll, – und so habe ich auch immer gefunden, daß die, welche gut sprachen, an recht verschiedenartigen Stellen von Deutschland gelebt und gesprochen hatten. Sie hatten unter der Rauhigkeit der Gebirgstöne, und 〈153〉 unter den weichen, platten Klängen, die das deutsche[2] Niederland spricht, in Städten und auf dem Lande, an den südwestlichen Grenzen, wo die romanischen[1] Sprachen[3], und an den nordöstlichen, wo die slavischen Sprachen[3] Deutschland berühren – kurz, sie hatten aus den verschiedenartigsten Dialekten[1] sich das eigentlich Deutsche[2] herausgehört, herausgefühlt. | Wenn nun, was sie herausgehört hätten, niedergeschrieben würde, so wäre es freilich für heute und morgen das beste Deutsch[2] [...]. Aber auch für die Folge der Jahre? – Gewiß nicht. Ein Wörterbuch, aus lauter solchen guten und lebendigen Sprechern abgezogen, kann keine gesetzgebende Kraft erlangen in einem Volke[1], das innerlich frei ist. Besser ist es, daß solche gebildete Sprache[3] wieder zurückströmt in die Dialekte[1], sich wieder unaufhörlich erfrischt in dem Bade der Natur, daß, was Mühe, Fleiß und Geschick erreicht haben, sich immer wieder anschließe an jene alte Naturstimme der Gebirge und Thäler; daß dieses ächte und lebendige Hochdeutsch sich beständig wieder nicht auf unedle Weise vermische, aber – vermähle mit den Dialekten[1]. Also kein Wörterbuch, auch keine Hauptstadt, die nur den Wahn nähren kann, als gebe es in Sprachangelegenheiten einen privilegirten Ort, keine Akademie, deren ganze Kunst doch nur im 〈154〉 Waschen, Feilen, Absondern der Sprache[3], in der Verordnung einer strengen Diät für dieselbe, im Bewirken einer künstlichen Magerkeit bestehen würde – kann helfen. Es muß gesprochen werden, man muß reisen für die Sprache[3], man muß ihre Dialekte[1] hören lernen, aus der österreichischen, schweizerischen, fränkischen, niedersächsischen Mundart[1] das Deutsche[2] herausfühlen lernen: Die größten Autoren und Sprecher der deutschen[2] Sprache[3], Göthe, Schiller, Herder, Johann Müller, Gentz u. s. w., verdanken einen großen Theil ihrer Sprachkraft dem Umstande, daß sie umhergelebt haben in Deutschland oder aus dem Norden in den Süden, aus dem Westen in den Osten des Landes verpflanzt worden sind. – Wie müßte grade unsre Sprache[3] mit ihrem Reichthum, mit allen tausendfältigen Sitten und Lebensweisen, die sie jetzt einzeln ausdrückt, ergötzen können, wenn sie nur zwanzig Jahre hindurch ordentlich ineinander gesprochen wäre; wenn die naive Roheit der Naturtöne und Dialekte[1] nicht weiter getrennt wäre von der gebildeten Flachheit der hochdeutschen Buchsprache und nun durch jede Reihe von Tönen in dieser so veredelten dritten, mittleren Sprache[3] Deutschland hindurchklänge, während es doch nur immer Paris ist, das unaufhörlich in Eine Hauptstadt zusammenstrebende Frankreich, welches man durch die französische Sprache[3] hindurchhört..
[20] Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 273: Meinethalben mag jetzt der Buchstabe[8/9] an der Zeit[9] seyn. Es ist kein großes Lob für die Zeit[9], daß sie so weit von der Natur entfernt, so sinnlos für Familienleben, so abgeneigt der schönsten[1] poetischen[1] Gesellschaftsform ist. Wie würden unsre Kosmopoliten erstaunen, wenn ihnen die Zeit[3] des ewigen Friedens erschiene und sie die höchste gebildetste Menschheit[3] in monarchischer Form erblickten? Zerstäubt wird dann der papierne Kitt seyn, der jetzt die Menschen[1] zusammenkleistert, und der Geist[12/30] wird die Gespenster, die statt seiner in Buchstaben[8/9] erschienen und von Federn und Pressen zerstückelt ausgingen, verscheuchen, und alle Menschen[1] wie ein paar Liebende zusammen schmelzen..
[21] Novalis, Fragm. u. Stud. (*1799), NS 3, 560, Nr. 33: Mir scheint ein Trieb in unsern Tagen allgemein verbreitet zu seyn – die äußre Welt hinter künstliche Hüllen zu verstecken – vor der offnen
Natur
sich zu schämen und durch Verheimlichung und Verborgenheit der Sinnenwesen eine dunkle, Geisterkraft ihnen beyzulegen. Romantisch[
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[22] Reichardt, Com. Op. (1774), 83: [I]ch kann mich nicht enthalten, des vortrefflichen Spiels zu erwähnen, mit welchem ich die ehemalige Mademoiselle Steinbrecherinn, itzt Madame Hübler, diese Scene habe spielen sehen. Die wahrhafte Natur war in ihrer Stellung, in ihrer Sprache[4], in jeder kleinen Bewegung..
[23] Ritter, Einl. Fragm. (1810), LXXXIII: Außerordentlich bedeutend sey [...] jenes schreckliche körperliche Uebel, welches [...] seinen Ursprung einst ganz sicher nur aus dem allmäligen Unnatürlichwerden einer früher allerdings natürlich[4] gültigen, aber, wohl zu merken, dazu auch von der Natur selbst noch mit Kraft und Gehalt erfüllt gewesen[en], organischeren[4] Form des allgemeinen Geschlechtsverkehrs gehabt haben könne [...]. ➢ Volltext.
[24] Schiller, Ggw. teut. Theater (1782), NA 20, 82: Der leidige Anstand in Frankreich hat den Naturmenschen verschnitten. – Ihr Kothurn ist in einen niedlichen Tanzschuh verwandelt. In England und Teutschland (doch auch hier nicht bälder, als bis Göthe die Schleichhändler des Geschmacks über den Rhein zurückgejagt hatte) deckt man der Natur, wenn ich so reden darf, ihre Schaam auf, vergrössert ihre Finnen und Leberflecken unter dem Hohlspiegel eines unbändigen Wizes[1], die muthwillige Fantasie[2] glüender Poeten lügt sie zum Ungeheuer und drommelt von ihr die schändlichsten Anekdoten aus. Zu Paris liebt man die glatten zierlichen Puppen, von denen die Kunst[16] alle kühne Natur hinwegschliff..
[25] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 193: Auf die Begierde und Verabscheuung erfolgt bey dem Thiere[1] eben so nothwendig Handlung[1], als Begierde auf Empfindung, und Empfindung auf den äußern Eindruck erfolgte. Es ist hier eine stetig fortlaufende Kette, wo jeder Ring nothwendig in den andern greift. Bey dem Menschen[1] ist noch eine Instanz mehr, nehmlich der Wille, der als ein übersinnliches Vermögen weder dem Gesetz der Natur, noch dem der Vernunft[1], so unterworfen ist, daß ihm nicht vollkommen freye Wahl bliebe, sich entweder nach diesem oder nach jenem zu richten. Das Thier[1] muß streben den Schmerz los zu seyn, der Mensch[1] kann sich entschließen, ihn zu behalten. ➢ Volltext.
[26] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. I (1795), 427: Mit schmerzlichem Verlangen sehnen wir uns dahin [sc. zur Natur19] zurück, sobald wir angefangen, die Drangsale der Kultur[4/3] zu erfahren und hören im fernen Auslande der Kunst[14?] der Mutter rührende Stimme. Solange wir bloße Natur[2]kinder waren, waren wir glücklich und vollkommen; wir sind frey geworden, und haben beydes verloren. Daraus entspringt eine doppelte und sehr ungleiche Sehnsucht nach der Natur[19]; eine Sehnsucht nach ihrer Glückseligkeit, eine Sehnsucht 〈428〉 nach ihrer Vollkommenheit..
[27] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. I (1795), 414: Wir waren Natur[10], [...] und unsere Kultur[3/4] soll uns, auf dem Wege der Vernunft[1] und der Freyheit[10], zur Natur[19] zurückführen..
[28] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 436: Auch jetzt ist die Natur noch die einzige Flamme, an der sich der Dichtergeist nähret, aus ihr allein schöpft er seine ganze Macht, zu ihr allein spricht er auch in dem künstlichen, in der Kultur[4] begriffenen Menschen. Jede andere Art zu wirken, ist dem poetischen[4] Geiste[12] fremd[5]; daher, beiläufig zu sagen, alle sogenannten Werke des Witzes[2] ganz mit Unrecht poetisch[4] heißen, ob wir sie gleich lange Zeit[6], durch das Ansehen der französischen Litteratur verleitet, damit vermenget haben. Die Natur, sage ich, ist es auch noch jetzt, in dem künstlichen Zustande der Kultur[4], wodurch der Dichtergeist mächtig ist, nur steht er jetzt in einem ganz andern Verhältniß zu derselben..
[29] Schiller, an Goethe (19. 7. 1799), NA 30, 72 f. (73): Ich habe mir vor einigen Stunden durch Schlegels Lucinde den Kopf so taumelig gemacht, daß es mir noch nachgeht. Sie müssen dieses Product wundershalber doch ansehen. Es characterisiert seinen Mann, so wie alles Darstellende, beßer als alles was er sonst von sich gegeben, nur daß es ihn mehr ins frazenhafte 〈73〉 mahlt. Auch hier ist das ewig formlose und fragmentarische, und eine höchst seltsame Paarung des Nebulistischen mit dem Characteristischen[2], die Sie nie für möglich gehalten hätten. Da er fühlt, wie schlecht er im poetischen[4] fortkommt, so hat er sich ein Ideal seiner selbst aus der Liebe und dem Witz[2] zusammengesetzt. Er bildet sich ein, eine heiße unendliche Liebesfähigkeit mit einem entsetzlichen Witz[2] zu vereinigen und nachdem er sich so constituiert hat, erlaubt er sich alles, und die Frechheit erklärt er selbst für seine Göttin. | Das Werk ist übrigens nicht ganz durchzulesen, weil einem das hohle Geschwätz gar zu übel macht. Nach den Rodomontaden von Griechheit, und nach der Zeit[6], die Schlegel auf das Studium derselben gewendet, hätte ich gehofft, doch ein klein wenig an die Simplicität und Naivetät der Alten[10] erinnert zu werden, aber diese Schrift ist der Gipfel moderner[1] Unform und Unnatur, man glaubt ein Gemengsel aus Woldemar, aus Sternbald, und aus einem frechen französischen Roman zu lesen..
[30] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 84: Die Sprache[1], die wunderbarste Schöpfung des menschlichen Dichtungsvermögens, gleichsam das große, nie vollendete Gedicht, worinn die menschliche Natur[1] sich selbst darstellt, bietet uns von dem, was ich eben sagte, ein auffallendes Beyspiel dar. So wie sie auf der einen Seite, vom Verstande[1] bearbeitet, an Brauchbarkeit zu allen seinen Verrichtungen zunimmt, so büßt sie auf der andern an jener ursprünglichen Kraft ein, die im nothwendigen Zusammenhange zwischen den Zeichen der Mittheilung und dem Bezeichneten liegt. So wie die gränzenlose Mannigfaltigkeit der Natur[2/11/19?] in abgezognen Begriffen[1] verarmt, so sinkt die lebendige Fülle der Töne immer mehr zum todten Buchstaben[9] hinab. Zwar ist es unmöglich, daß dieser jene völlig verdrängen sollte, weil der Mensch immer ein empfindendes Wesen bleibt, und sein angebohrner Trieb, Andern von seinem innersten Daseyn Zeugniß zu geben, und es dadurch in ihnen zu vervielfältigen, (wie sehr ihn auch die Herrschaft des Verstandes[1], der sein Wesen, so zu sagen, immer außer uns treibt, schwächen möge) doch nie ganz verloren gehen kann. Allein in den gebildeten Sprachen[3], hauptsächlich in der Gestalt, 〈85〉 wie sie zum Vortrage der deutlichen Einsicht, der Wissenschaft gebraucht werden, wittern wir kaum noch einige verlohrne Spuren ihres Ursprunges, von welchem sie so unermeßlich weit entfernt sind; wir können sie fast nicht anders als wie eine Sammlung durch Uebereinkunft festgesetzter Zeichen betrachten. ➢ Volltext.
[31] A. W. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 54, Nr. 205: Sie pflegen sich selbst die Kritik[8] zu nennen. Sie schreiben kalt, flach, vornehmthuend und über alle Maßen wäßericht. Natur, Gefühl, Adel[5] und Größe des Geistes[20] sind für sie gar nicht vorhanden, und doch thun sie, als könnten sie diese Dinge vor ihr Richterstühlchen laden. Nachahmungen der ehemaligen Französischen Schönenweltsversemacherey, sind das äußerste Ziel ihrer lauwarmen Bewunderung. Korrektheit gilt ihnen für Tugend. Geschmack ist ihr Idol; ein Götze dem man nur ohne Freude dienen darf. ➢ Volltext.
[32] A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 170: Der Dichter [sc. L. Tieck in den Volksmährchen (1797)] bestrebt sich [...] überall den Ton des Gegenstandes zu halten, und er trifft ihn gewöhnlich mit der Sicherheit einer unabsichtlichen Richtung. Deswegen konnte er aus der Geschichte von den Heymons Kindern, in zwanzig altfränkischen Bildern, nichts anders machen wollen als einen poetischen Holzschnitt. Die genaue Beobachtung der Perspektive muß man einem solchen schon erlassen: aber in den eckichten und groben Umrissen dieser kolossalen Figuren dürfte leicht mehr Natur und Karakter[2] seyn, als in der Kritik[5] eines Kunstrichters, der sie unnatürlich und karakterlos nennt, ihre Erdichtung der Unwissenheit und dem Aberwitz zuschreibt, und das Ganze vornehm in die Jahrmarktsbuden zurückweist. Man sollte sich doch hüten, in einem prosaischen[3] Zeitalter ehrliche alte Volkssagen so schnöde anzulassen, denen es, wie unförmlich sie auch sonst seyn 〈171〉 mögen, schwerlich ganz an poetischer[1] Energie fehlt. ➢ Volltext.
[33] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 773: Prosaische[1] Theile in komischen Partien Romantischer[12] Dramen. Sehr zu billigen. Alte[10] Poesie[11]: Reine Sonderung der Kunst[13] und Natur; verlor sich also in der Prosa[1], ohne den Rückweg zur Poesie[3] finden zu können. Romantische[12/10] Poesie[11]: unauflösliche Verschmelzung von Kunst[13] und Natur. Also Prosa[1] schon als ursprünglicher Bestandtheil aufgenommen..
[34] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 57: Was aber den Lohenstein betrifft, da ich sehe, daß man seinen Namen sprüchwörtlich gebraucht, um das Abgeschmackte zu bezeichnen, und so gegen die verhaßte Poesie[15] zu polemisiren, so muß ich darauf erwiedern, daß eine altfränkisch gewordne Verkehrtheit dem ungeachtet leicht eine neumodische werth seyn möchte, und daß unsre heut zu Tage beliebten Schriftsteller vor Lohensteins Fehlern sehr sicher sind. Man könnte ihnen in der That zu jedem Symptome der Art Glück wünschen. Es ist in seinen Antithesen oft ein großer Aufwand von Scharfsinn, in den sinnreichen Vergleichungen Schwung der Fantasie[2], und wo der Prunk die Stelle der Schönheit[1] vertreten muß, spürt man doch zuweilen noch die ursprüngliche Anschauung und Wahrheit der Natur, welche solche Ausdrücke zuerst gefunden hat..
[35] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 13 f. (14): Die antike[2] Kunst[11] und Poesie[11] geht auf strenge Sonderung des Ungleichartigen, die romantische[12] gefällt sich in 〈14〉 unauflöslichen Mischungen; alle Entgegengesetzten: Natur[19] und Kunst[13], Poesie[3] und Prosa[1], Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahndung[1], Geistigkeit und Sinnlichkeit, das Irdische und Göttliche, Leben und Tod, verschmelzt sie auf das innigste mit einander. [...] [D]ie gesamte alte[10] Poesie[11] und Kunst[11] [ist] gleichsam ein rhythmischer Nomos, eine harmonische Verkündigung der auf immer festgestellten Gesetzgebung einer schön[1] geordneten und die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden Welt. Die romantische[12/4] hingegen ist der Ausdruck des geheimen Zuges zu dem immerfort nach neuen[1] und wundervollen Geburten ringenden Chaos, welches unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schooße sich verbirgt: der beseelende Geist[12/1] der ursprünglichen Liebe schwebt[1] hier von neuem[2] über den Wassern. Jene ist einfacher, klarer, und der Natur[2] in der selbständigen Vollendung ihrer einzelnen Werke ähnlicher; diese, ungeachtet ihres fragmenta〈15〉rischen Ansehens, ist dem Geheimniß des Weltalls näher. Denn der Begriff[5] kann nur jedes für sich umschreiben, was doch der Wahrheit nach niemals für sich ist; das Gefühl wird alles in allem zugleich gewahr. ➢ Volltext.
[36] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 67, Nr. 245: Ein Gedicht oder ein Drama, welches der Menge gefallen soll, muß ein wenig von allem haben, eine Art Mikrokosmus seyn. Ein wenig Unglück und ein wenig Glück, etwas Kunst[13], und etwas Natur, die gehörige Quantität Tugend und eine gewisse Dosis Laster. Auch Geist[27] muß drin seyn nebst Witz1, ja sogar Philosophie, und vorzüglich Moral, auch Politik mitunter. Hilft ein Ingrediens nicht, so kann vielleicht das andre helfen. Und gesetzt auch, das Ganze könnte nicht helfen, so könnte es doch auch, wie manche darum immer zu lobende Medizin, wenigstens nicht schaden.
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.[37] F. Schlegel, Lucinde (1799), 59: Wie die weibliche Kleidung vor der männlichen, so hat auch der weibliche Geist[14] vor dem männlichen den Vorzug, daß man sich da durch eine einzige kühne Combination über alle Vorurtheile der Cultur[4] und bürgerlichen Conventionen wegsetzen und mit einemmale mitten im Stande der Unschuld und im Schooß der Natur[19] befinden kann.
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.[38] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 101 ff. (102 f.): Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre[4] spricht. | Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüth verlassen. Freylich, wem es da trocken ist, dem wird es nirgends quillen; und das ist eine bekannte Wahrheit, gegen die ich am wenigsten gesonnen bin mich aufzulehnen. Aber wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Aehnlichen, oder bey 〈102〉 gleicher Würde Feindlichen entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte[1] bilden. [...] | Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk[1] der Natur[2]. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigenthümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode, wenn ich so sagen darf. | Da finde ich nun eine große Aehnlichkeit mit jenem großen Witz[2] der romantischen[12/4] Poesie[22], der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Construction des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakspeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie[1], der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt, scheinen mir schon selbst eine indirekte Mythologie zu seyn. Die Organisazion[8] ist dieselbe und gewiß ist die Arabeske die älteste[1] und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie[2]. Weder dieser Witz[2] noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte[5] Natur[1/19] und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive[2] Tiefsinn den Schein des Verkehrten 〈103〉 und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie[11], den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft[1] aufzuheben und uns wieder in die schöne[1] Verwirrung der Fantasie[2], in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur[1/19] zu versetzen, für das ich kein schöneres[1] Symbol bis jetzt kenne, als das bunte[2] Gewimmel der alten[10] Götter[5]. ➢ Volltext.
[39] F. Schlegel, Unverst. (1800), 346: Um die Uebersicht vom ganzen System der Ironie[1] zu erleichtern, wollen wir einige der vorzüglichsten Arten anführen. Die erste und vornehmste von allen ist die grobe Ironie[1] [...]. Dann kommt die feine oder die delikate Ironie[1]; dann die extrafeine; in dieser Manier arbeitet Skaramuz, wenn er sich freundlich und ernsthaft mit jemand zu besprechen scheint, indem er nur den Augenblick erwartet, wo er wird mit einer guten Art einen Tritt in den Hintern geben können. Diese Sorte wird auch wohl bey Dichtern gefunden, wie ebenfalls die redliche Ironie[1], welche am reinsten und ursprünglichsten in alten Gärten angebracht ist, wo wunderbar liebliche Grotten den gefühlvollen Freund der Natur in ihren kühlen Schooß locken, um ihn dann von allen Seiten mit Wasser reichlich zu besprützen und ihm so die Zartheit zu vertreiben.
➢ Volltext
.[40] L. Tieck, Phantasus I (1812), 64: Es fehlt unsrer Zeit[5], sagte Friedrich, so sehr sie die Natur[19] sucht, eben der Sinn[5] für Natur[19], denn nicht allein diese regelmäßigen Gärten, die dem jetzigen Geschmacke zuwider sind, bekehrt man 〈65〉 zum Romantischen[3/4], sondern auch wahrhaft romantische[3/4] Wildnisse werden verfolgt, und zur Regel und Verfassung der neuen[7] Gartenkunst erzogen. So war ehemals nur die große wundervolle Heidelberger Ruine eine so grüne, frische, poetische[1/3?] und wilde Einsamkeit, die so schön[1] mit den verfallenen Thürmen, den großen Höfen, und der herrlichen Natur[2] umher in Harmonie stand, daß sie auf das Gemüth eben so wie ein vollendetes Gedicht aus dem Mittelalter wirkte, ich war so entzückt über diesen einzigen Fleck unsrer deutschen Erde, daß das grünende Bild seit Jahren meiner Phantasie[1] vorschwebte, aber vor einiger Zeit[6] fand ich auch hier eine Art von Park wieder, der zwar dem Wandelnden manchen schönen[1] Platz und manche schöne[1] Aussicht gönnt, der auf bequemen Pfaden zu Stellen führt, die man vormals nur mit Gefahr erklettern konnte, der selbst erlaubt, Erfrischungen an anmuthigen Räumen ruhig und sicher zu genießen, doch wiegen alle diese Vortheile nicht die großartige und einzige Schönheit[1] auf, die hier aus der besten Absicht ist zerstört worden..
[41] L. Tieck, Phantasus I (1812), 95: Wir hörten von den Englischen Parks, von denen viele in der That in hoher Schönheit[1] prangen, und so fing man denn in Deutschland ebenfalls an, mit Bäumen, Stauden und Felsen auf mannichfache Weise zu malen, lebendige Wasser und Wasserfälle mußten die springenden Brunnen verdrängen, so wie alle geraden Linien nebst allem Anschein von Kunst[13] verschwinden mußten, um der Natur und ihren Wirkungen auf unser Gemüth Raum zu gewähren..
[42] L. Tieck, Phantasus II (1812), 457: Was da unten friedlich, niedlich, einsam und rührend die Hütten liegen und das Gärtchen daneben. Schöne[1] romantische[7] Natur[2] ist doch etwas Trefliches, und darein die Häuser, der Rauch von den Schornsteinen, das ist so anlockend, weckt sehnsüchtige Gedanken, daß man dort seyn möchte, sich einwohnen, der Natur[19] leben..
[43] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 44: Es unterliegt keinem Zweifel, daß es für den tüchtigsten Schulmann eine unendlich schwere Aufgabe ist, den Dichter, den Redner, den Geschichtschreiber, den Philosophen des griechischen und römischen Altertums
[2]
[7]
[2]
Natur
, des tiefen Sinnes[5]
[44] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 193: Vielerlei sind der Sprachen[9], Zungen und Charaktere[9] auf der Welt, die einander nicht verstehen; die Poesie[11] aber ist die heilige Flammenzunge, die aus aller Herzen zu aller Herzen spricht und jeden Menschen[1] mit süßem Verständnis bewegt. Die Poesie[11] ist die Natur, die ursprüngliche Menschheit[1], die sich mit jeder besonderen Erscheinung der Menschheit[1] auf dem Felde der Geschichte[1] gattet und daher, so allgemein menschlich sie in ihrer Quelle ist, doch jedesmal einer besonderen Menschheit[3], einem gewissen Zeitalter eigentümlich angehört. Man kann daher mit Recht von einer katholischen und griechischen[2] Poesie[11] sprechen, von einer romantischen[13] und klassischen[7], nur wird man sich hüten, den Gegensatz unmittelbar in das Wesen der Poesie[11] selbst zu setzen, die Poesie[11] ist nur die eine bei allen Völkern[1], Zeiten[5] und Zuständen, aber der Strahl dieser einen Sonne bricht sich tausendfach in der geistigen Atmosphäre und verursacht dadurch ein buntes[2] Farbenspiel von Weltpoesien, deren Verständnis, nach Rückerts Ausdruck, allein zur Weltversöhnung führt..
[45] Winckelmann, Anm. Gesch. Kunst (1767), 94: Pythagoras [...] von Reggio in dem heutigen Calabrien war [...] der erste, welcher die Haare mit mehrerem Fleiße ausarbeitete. Diese Anzeige kann zu einiger Bestimmung der Zeit[12] verschiedener Statuen dienen. Denn wir bemerken an einigen, an welchen sich eine grosse Wissenschaft und Kunst[13] zeiget, die Haare sowohl des Hauptes, als der Schaam in ganz kleine kreppigte Locken reihenweis geleget [...]. Von jenem sind zwey oder drey Statuen [...], die [...] haben annoch die gezwungen gearbeitete Haare, die ein Beweis sind von einem Systema, welches sich von der Natur entfernet hatte. [...] Da also Pythagoras als der erste die Haare mit mehrerem Fleisse und vermuthlich mit gefälligerer Freyheit[13] geendiget hatte, so kann man schliessen, daß jene Statuen [...], sowohl mit sogenannten Hetrurischen, als mit wenig angedeuteten Haaren, nicht nach Pythagoras Zeiten[3] können gemacht seyn, folglich müssen dieselben entweder von gleicher Zeit[12] oder für älter[1] geachtet werden [...]..
[46] Zelter/Goethe, Haydn. Schöpf. (1826), WA I, 41.2, 384: [H]ierdurch werde ich erinnert, an den Vorwurf zu denken, den man Haydn machen wollen: seine Musik[4] ermangele der Leidenschaft. Hierauf nun erwidere ich Folgendes: Das Leidenschaftliche in der Musik[1] wie in allen Künsten[2] ist leichter als man denkt, schon weil es leichter nachempfunden wird; es ist nicht ursprünglich, die Gelegenheit bringt es hervor, und nach dem Begriffe[1] der Alten[10] verdeckt es die reine Natur und entstellt das Schöne[1]. [...] | Unser Haydn [...] wirkt ohne Hitze, was er wirkt; wer will denn auch erhitzt sein? Temperament, Sinn[6], Geist[20], Humor[3], Fluß, Süße, Kraft und endlich die echten Zeichen des Genies[4]: Naivetät und Ironie[3] müssen ihm durchaus zugestanden werden. Sind nun die hier genannten Elementartheile, welche ohne Wärmestoff nicht denkbar sind, Haydn'sche Eigenheiten, so begrüßen wir seine Kunst[10] als antik[4] im besten Sinne[1], und daß sie modern[4/7] sei, ist unsres Wissens nicht bestritten worden, was auch schwer gelingen möchte, da alle moderne[9] Musik[1] auf ihm ruht..
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