Wortliste
Adel
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Struktur
Semantik
Belege
[1]
Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (
[2] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 174: Auch darüber kann ich mich trösten wenn meine Gedanken nicht mit der Klugheit der Menschen übereinstimmen; diese Klugheit verträgt sich nicht mit meiner hüpfenden und springenden Natur, die in allem sich selber verstehen will und wie ein Speer sich der Klugheit entgegen wirft.
[3] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 35: Denn allerdings giebt es außer jenem großen und hohen Styl in der Kunst[10] noch einen andern, der dem von Natur minder reinen, oder durch Verwöhnung verdorbenen Geschmack sogar noch gefälliger schmeichelt, und daher sehr oft mit jenem allein echten verwechselt wird. Ja, da beide gewissermaßen in zwei verschie〈36〉denen Regionen liegen, so kann selbst die Kritik[8] zwischen zwei Kunstwerken[2] zweifelhaft seyn, von denen das eine in jenem minder hohen Styl mehr leistet, als das andre auf seinem besseren, aber auch steileren und gefahrvolleren Pfade.
[4] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
[5] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 307: Es bleibt uns nun noch übrig die Sprache[1] in so fern sie hörbar ist, von ihrer musikalischen[3] Seite, zu betrachten. | Das erste hiebey sind die einzelnen Elemente, und da läßt sich allerdings behaupten, daß es unter allen nationalen Abweichungen ein Grund-Alphabet giebt, worin sich aus der Natur der Sprachorgane systematische Vollständigkeit nachweisen läßt, so daß es keinesweges zufällig ist, daß es diese und gerade so viele Buchstaben[7] giebt. Hieraus ist denn auch ihre Verwandtschaft und die Möglichkeit der Übergänge in einander einzusehen. Selbst Consonanten und Vocale sind nicht absolut getrennt, sondern an den beyden Enden der Reihe aus dem i und u gehen diese in die Consonanten j und w über, wie es auch durch die Sprechart mehrer Sprachen[3] angedeutet wird.
[6] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 309: Die Metrik hat aber allerdings eine nicht auf Erfahrung ruhende Gesetzmäßigkeit, und kann im allgemeinen a priori gelehrt werden nur daß dann die näheren Bestimmungen aus der individuellen Natur jeder Sprache[3] zu entlehnen sind. Unstreitig waren sowohl die Griechischen[2] Dichter als die Stifter der romantischen[12] Poesie[11] im Besitz eines solchen reinen Systems und es kommt bloß darauf an, ihre Praxis gehörig zu verstehen und es daraus zu entwickeln.
[7] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 312: Die accentuirten und nicht accentuirten Sylben hat man alsdann in ein ungefähres Gleichgewicht zu setzen gesucht, oder es hat sich dieß auch von selbst gemacht. [...] Was nun die Anordnung dabey betrifft, so hat sich der Geschmack und das Ohr[3] der nordischen Nationen[1], der Deutschen, Engländer u. s. w. für ein regelmäßiges Alterniren, das der südlichen aber, der Franzosen, Italiäner, Spanier und Portugiesen für eine beseeltere Freyheit[1] entschieden, und erst seit kurzem hat man den Deutschen Versbau, so viel es die Natur der Sprache[3] gestattet, den letztgenannten Mustern anzunähern versucht.
[8] A. W. Schlegel, an S. Tieck-Bernhardi (7. 7. 1805), KJ 1, 212: Ich besinne mich nicht genau auf Schützens Wappen, doch ist es nur zu wahrscheinlich, daß er und Schierstädt die Hand im Spiele haben, weil B.[ernhardi] ohne fremde Verhetzung nie von Pistolen reden wird, die seiner Natur aufs äußerste zuwider sind. Er wird es für seine Person immer vorziehen, jemanden im Schlaf zu überfallen, und ihn z. B. mit einem Pfahl auszuweiden. [⦿]
[9] Winckelmann, Anm. Gesch. Kunst (1767), [Widm. 1]: Ich setze Ihren Namen dieser Arbeit vor, weniger in Absicht einer Zuschrift, als vielmehr um Gelegenheit zu haben, von unserer geprüfeten Freundschaft, die von höherer Natur ist, ein öffentlich Zeugniß zu geben.
[10] Adelung, Gramm.-krit. Wb. IV (
[11] B. v. Arnim, Königssohn (*1808), K, 9: Es hat aber manch edel Wild geklagt um die Freiheit[5], die ihm der Mensch listig geraubt hat, daß es hat müssen Sklavendienste tun, das es doch nicht schuldig war zu tun und auch keine Natur dazu hat und muß trocken Heu für seine Dienste fressen, da es doch hat können im Wald frisch Laub fressen, und muß um sein Maul lassen einen Zaum binden und sich mit einer Peitsche regieren lassen..
[12] B. v. Arnim, Briefw. Kind II (1835), 93: Speckbacher ist ein einziger Held, Witz[1], Geist[22], kaltes Blut, strenger Ernst, unbegrenzte Güte, durchsichtige, bedürfnißlose Natur [...]..
[13] B. v. Arnim, Briefw. Kind II (1835), 182: Freiberg, zwanzig Jahr alt, große männliche Gestalt, als ob er schon älter sei, ein Gesicht wie eine römische Gemme, geheimnißvolle Natur, verborgner Stolz, Liebe und Wohlwollen gegen alle, nicht vertraulich, verträgt die härtesten Anstrengungen, schläft wenig, guckt Nachts zum Fenster hinaus nach den Sternen übt eine magische Gewalt über die Freunde, obschon er sie weder durch Witz[1], noch durch entschiedenen Willen zu behaupten geneigt ist; aber alle haben ein unerschütterliches Zutrauen zu ihm, was der Freiberg will, das muß geschehen..
[14] B. v. Arnim, Briefw. Kind III (1835), 107: Mancher will sich selbst beherrschen, daran scheitert jeder Witz[3], jede List, jede Ausdauer; er muß sich selbst beherrschen lassen durch seinen Genius, durch seine idealische Natur..
[15] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 3: Wenn wir Wesen annehmen, um eine Stuffe über die Menschen[1] erhöht, aber der Natur[1] derselben verwandt; Geschöpfe, welche gegen unser Geschlecht in demselben Verhältnisse stehen, als wir gegen das der Thiere[1]; und wenn wir glauben, daß jene Wesen uns mit eben der unermüdeten Sorgfalt beobachten, als wir die uns untergeordneten thierischen Naturen[10]: so müßte nach unsern Begriffen[1], das Geschlecht der Menschen[1] der interessanteste[1] Gegenstand ihrer Beobachtungen sein. ➢ Volltext.
[16] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 115 f. (116): Das älteste und ehrwürdigste Buch, welches wir kennen, [...] giebt einen herrlichen historischen Wink, daß wohl mit der Nachahmung des Geschreies der Thiere[1], dem ersten Feinde des wehrlosen Menschen, die Nachahmung und die Sprache[1] angefangen habe. [...] In diesem Sinne findet Lukrez [...] die Sprache unter der Bedingung der Redeorgane, und der verschiedenartigen Rührung der Sinnlichkeit, nicht wunderbarer, 〈116〉 als den Gesang der Vögel und das Geschrei der Thiere[1], verwirft die Ableitung der Verabredung mit Recht, und deutet seine Idee darüber, daß das Bedürfniß zuerst die Ursache des Sprechens gewesen, und daß Wink, Gebehrde und unartikulirter Ton der rohste Anfang der Sprache[1] sei, [...] an. [...] Und in der That ist die Erscheinung der Sprache[1] so wesentlich mit der Natur des Menschen verwebt, daß sie bei gesunden Organen[2], selbst in der Einsamkeit sich äußert. ➢ Volltext.
[17] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 250: Die unarticulirten Spiritus theilen sich dem Grade nach ab in den gelinden, welches der Lenis ist, und in den asper, welchen das H ist, beide können ihrer Natur nach sowohl mit Vocalen als Consonanten concresciren [...]. [...] | Diesen stehen entgegen die artikulirten Spiritus, welche sich dadurch, wie oben erinnert, den Consonanten nähern. Um diese Näherung hervorzubringen, zu gleicher Zelt aber das Zusammenfallen mit jener Art 〈251〉 von Buchstaben[7] zu vermeiden, muß die Articulation das Mittel halten, zwischen der, welche bei Vocalen, und, der, welche bei Consonanten vorkommt. ➢ Volltext.
[18] C. Böhmer, an Ch. Michaelis (27. 12. 1787), C 1, 168: Ich befinde mich weder beßer noch schlechter [...], außer der Unterhaltung, die mir die Amtmannin von Hohenweiler gewährt hat, und die wirklich ein Fest für mich war. Eine liebe anziehende Erzählung, und an der ich nichts auszusetzen weiß, als daß sie gegen das Ende für den simpeln kunstlosen Anfang durch das Treffen bekanter Personen zu romanhaft[3] wird – und das liegt wohl in der Natur der Sache, denn die Alte[2] hatte gar viele Kinder, und jeder seinen Anhang, der ganz natürlich[4] bald hinter ihm herkam, und ihr Haus war der algemeine Sammelplaz..
[19] Börne, Schild. Paris XV (1823), SS 2, 72: Da war nicht die schwüle Stille, die man in andern Kaffeehäusern findet; da wurde geschwatzt, geschrien, da knallten die Stöpsel der Bierflaschen, da schlugen die Billardkugeln, da klapperten die Domino- und Damensteine. Da [...] gibt es [...] tüchtiges Volk[7], ehrliche Leute, aufrichtiges Lumpengesindel, Zahnärzte, Spieler, Kaufleute, Kreolen, Amerikaner, Holländer und jüdische Lieferanten [...]. Die Kellerjungen – o die glücklichen Südländer, sie sind unreinlich und natürlich[2] wie ihre Natur[1/14?]! – die Kellerjungen räumten die Pfeifenköpfe mit denselben Korkziehern aus, mit welchen sie die Flaschen öffneten, und es war keiner, den das verdroß. Doch glaube man ja nicht, daß alles nordisch und deutsch gewesen; durch den Schleier der Rauchwolken entdeckte man französische Zierlichkeit genug; der Essig deutscher Romantik[6] war mit dem Öle französischer Klassizität im gehörigen Maße vermischt. Es waren glänzende Zimmer mit seidenen Vorhängen, mit Standuhren, mit Vasen [...] und hohe Spiegel ringsumher an den Wänden [...]..
[20] Börne, Brf. Paris V (1834), 134: Odillon-Barrot, der Advokat des Klägers [sc. Victor Hugo], nahm das Wort. „Die Berühmtheit meines Clienten überhebt mich der Pflicht Sie mit ihm bekannt zu machen. Seine Sendung, die ihm von seinem Talente, seinem Genie[3] angewiesen, war, unsere Literatur zur Wahrheit zurückzuführen; nicht zu jener Wahrheit die nur ein Werk zur Uebereinkunft ist, zu einer gemachten Wahrheit; sondern zu der Wahrheit, die aus der Tiefe unserer Natur, unserer Sitten und Gewohnheiten geschöpft wird. Diese Sendung, er hat sie mit Muth übernommen, mit Ausdauer und Talent durchgeführt.“ Nun bitte ich Sie, was das für Menschen sind! Da ist Viktor Hugo, der Fürst der Romantiker[3], der sein Land und Volk[4] vertheidigt; 〈135〉 da ist Odillon-Barrot, der erste Advokat Frankreichs, der ihm beisteht, und beide wissen nicht einmal, worin das Wesen der Romantik[14], worin ihr gutes Recht besteht. Es besteht nicht in der Wahrheit, wie sie sagen, sondern in der Freiheit[17]..
[21] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 23: Allein die Menschheit[2] steht in diesem Erdtheile [sc. Afrika] ohne Zweifel auf der niedrigsten Stufe der Cultur[4] und Vollkommenheit; beide, die Natur[1/2] und die Menschen[1], welche letztern so oft die schönsten[6] Anlagen jener zerstören, scheinen sich vereinigt zu haben, dieses zu bewirken..
[22] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 79: Arianer, eine christliche Religionssecte, deren Urheber Arius war, von welchem sie auch den Namen führt. [...] Ihre vornehmsten Lehrpunkte waren: Christus sei zwar Gott[2], aber geringer als der Vater; er sei ein Geschöpf, zum Gott[2] gemacht durch den Willen seines Vaters; er sei Gottes[1] Sohn, aber nicht von Natur, sondern durch Adoptirung: der Vater habe durch ihn die Welt gemacht; der heilige Geist[1] sei gar nicht Gott[3], sondern ein Geschöpf des Sohnes, 〈80〉 und er habe in der Schöpfung mit gewirkt..
[23] Carus, Brf. Landsch. (1831), 81: Die Bildhauerei [...] kann ihrer Natur 〈82〉 nach hauptsächlich nur auf Abbildung menschlicher Form beschränkt sein [...], und werden [...] allgemeinere Ideen [...] dargestellt, so kann man dies schon eine Art von romantischer[7] Plastik nennen, welche durch Symbole zu uns redet. Verherrlichung der menschlichen Gestalt aber ist, wie gesagt, das wahre Ziel der Plastik [...]; sie ist daher ihrem Wesen nach durchaus realistisch, und die Gestalt an sich, nicht der Ausdruck derselben, wird von ihr gesucht..
[24] Ehrmann, Nina (1788), 58: Helden haben ihr enthusiastisches Feuer, Patrioten ihren wahren Eifer, biedere Bürger feste Treue, und warum sollten Wahrhaftliebende keine Beharrlichkeit haben? – – Vorausgesezt, daß sie überzeugt sind, ohne Neben-Absicht zu lieben, so bald sie untersucht haben, ob es nicht blos jugendliche Uebereilung ist, worunter feurige Sehnsucht nach Genuß stekt, so bald sie wißen, daß die Natur sie an einander kettete, so bald sie bei gegenseitiger Untersuchung einer reinen Kritik[1] fähig sind; – Kurz, so bald zwei Köpfe zusammen kommen, denen es nicht an Menschenkenntniß fehlt, die lange vorher unter freundschaftlicher Beobachtung die gegenseitige Gemüthsart untersuchten..
[25] G. Forster, Ansichten II (1791), W 2, 800: [I]n den Gelenken unserer Gastwirthe [ist] eine natürliche[3] Steifigkeit, die sich nur durch die Zauberkraft einer Equipage mit Sechsen, oder eines adlichen Wapenschildes vertreiben läßt. Die Huldigung, die sie dem Reichthum leisten, möchte man ihnen noch verzeihen: sie hat wenigstens einen Gegenstand; allein die Furcht vor der privilegirten Klasse[2] der Nation[1] ist ein Schandfleck von angestammter Niederträchtigkeit, der die menschliche Natur entehrt, am meisten da, wo der Adel[2] durch keinen Zügel, weder durch Eigennutz, noch durch Begriffe[1] von Ehre und Schande, sich gehalten fühlt, mithin, weil er die oberste Stelle ohne sein Verdienst besitzt, dem eigenthümlichen Werthe nach auf die allerunterste Stufe hinabgesunken ist, und die Verachtung aller übrigen, die alle besser und edler sind als er, in vollem Maße verdient..
[26] Frölich, Virginia I (1820), 100: Von seinem Freunde hatte mein Bruder mir unaufhörlich zu erzählen, und es wurde mir bald Gewohnheit, am Schlusse meiner Briefe[1] ihm einen Gruß an seinen Pilades aufzutragen. Mucius erwiederte diese Aufmerksamkeit durch einige sehr artige Verse, welche er unter einen Brief[1] meines Bruders schrieb. Ich antwortete durch ein kleines Gegengedicht, ebenfalls in einem Briefe[1] an Emil, und so entspann sich ein mittelbarer Briefwechsel, welcher mich, durch seine romantische[5] Natur, unendlich reizte. Die Artigkeit ging in 〈101〉 Gefühl über, und ein dunkles Sehnen bemächtigte sich unsrer Herzen..
[27] Goethe, an C. L. v. Knebel (17. 11. 1784), WA IV, 6, 389 f. (390): Hier schicke ich dir endlich die Abhandlung aus dem Knochenreiche, und bitte um deine Gedancken drüber. Ich habe mich enthalten das Resultat, worauf schon Herder in seinen Ideen deutet, schon ietzo mercken zu lassen, daß man nähmlich den Unterschied des Menschen[1] vom Thier[1] in nichts einzelnem finden könne. Viel〈390〉mehr ist der Mensch[1] aufs nächste mit den Thieren[1] verwandt. Die Übereinstimung des Ganzen macht ein iedes Geschöpf zu dem was es ist, und der Mensch[1] ist Mensch[1] sogut durch die Gestalt und Natur seiner obern Kinlade, als durch Gestalt und Natur des letzten Gliedes seiner kleinen Zehe Mensch[1]..
[28] Goethe, an Schiller (17. 8. 1796), WA IV, 11, 163: Wenn es möglich ist daß die Deutschen begreifen, daß man ein guter tüchtiger Kerl seyn kann, ohne gerade ein Philister und ein Matz zu seyn, so müssen Ihre schönen[1] Sprüche das gute Werk vollbringen, indem die große Verhältnisse der menschlichen Natur mit so viel Adel[5], Freyheit[14] und Kühnheit dargestellt sind..
[29] Goethe, Wilh. Meister VIII (1796), WA I, 23, 167: Ein Kind, ein junger Mensch, die auf ihrem eigenen Wege irre gehen, sind mir lieber als manche, die auf fremdem[5] Wege recht wandeln. Finden jene, entweder durch sich selbst, oder durch Anleitung, den rechten Weg, das ist den, der ihrer Natur gemäß ist, so werden sie ihn nie verlassen, anstatt daß diese jeden Augenblick in Gefahr sind, ein fremdes[5] Joch abzuschütteln, und sich einer unbedingten Freiheit[1] zu übergeben..
[30] Goethe, Tag- u. Jahres-Hefte II (*1817..26; 1830), WA I, 36, 177 f. (178): Näher berührte mich die zwischen Voß und Stolberg ausbrechende Mißhelligkeit, nicht sowohl der Ausbruch selbst, als die Einsicht in ein vieljähriges Mißverhältniß, das klügere Menschen früher ausgesprochen und aufgehoben hätten. Aber wer entschließt sich leicht zu einer solchen Operation? Sind doch Ortsverhältnisse, Familienbezüge, Herkömmlichkeiten und Gewohnheiten schon abstumpfend genug; sie machen in Geschäften, im Eh- und Hausstande, in geselligen Verbindungen das Unerträgliche ertragbar. Auch hätte das Unvereinbare von Vossens und Stolbergs 〈178〉 Natur sich früher ausgesprochen und entschieden, hätte nicht Agnes als Engel das irdische Unwesen besänftigt, und als Grazioso eine furchtbar drohende Tragödie mit anmuthiger Ironie[3] durch die ersten Acte zu mildern gesucht. Kaum war sie abgetreten, so that sich das Unversöhnliche hervor [...]. ⦿.
[31] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 89 f. (90): Solger war nicht [...] mit oberflächlicher philosophischer Bildung[6] zufrieden, sondern sein ächt spekulatives innerstes Bedürfniß drängte ihn in die Tiefe der philosophischen Idee hinabzusteigen. Hier kam er auf das dialektische Moment der Idee, auf den Punkt, den ich „unendliche absolute Negativität“ nenne, auf die Thätigkeit der Idee, sich als das Unendliche und Allgemeine zu negiren zur Endlichkeit 〈90〉 und Besonderheit, und diese Negation ebenso sehr wieder aufzuheben, und somit das Allgemeine und Unendliche im Endlichen und Besondern wieder herzustellen. An dieser Negativität hielt Solger fest, und allerdings ist sie ein Moment in der spekulativen Idee, doch als diese bloße dialektische Unruhe und Auflösung des Unendlichen wie des Endlichen gefaßt, auch nur ein Moment, nicht aber, wie Solger es will, die ganze Idee. Solger's Leben ist leider zu frühe abgebrochen, als daß er hätte zur konkreten Ausführung der philosophischen Idee kommen können. So ist er bei dieser Seite der Negativität, die mit dem ironischen[3] Auflösen des Bestimmten wie des in sich Substantiellen Verwandtschaft hat, und in welcher er auch das Princip der Kunstthätigkeit erblickte, stehen geblieben. Doch in der Wirklichkeit seines Lebens war er bei der Festigkeit, dem Ernst und der Tüchtigkeit seines Charakters[1], weder selber in der obengeschilderten Weise ein ironischer[3] Künstler, noch sein tiefer Sinn[5] für wahrhafte Kunstwerke[2], den das dauernde Studium der Kunst[10] groß gezogen hatte, in dieser Beziehung von ironischer[3] Natur. Soviel zur Rechtfertigung Solgers, der es in Rücksicht auf Leben, Philosophie und Kunst[17] verdient von den bisher bezeichneten Aposteln der Ironie[3] unterschieden zu werden. ➢ Volltext.
[32] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 127: Die Thiere[1] leben in Frieden mit sich und den Dingen um sie her, doch die geistige Natur des Menschen[1] treibt die Zweiheit und Zerrissenheit hervor, in deren Widerspruch er sich herumschlägt. ➢ Volltext.
[33] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 333: Der Mensch[1] [...] hat sich selbst und die Umgebung, in welcher er lebt, nicht nur auszuschmücken, sondern er muß die Außendinge auch praktisch zu seinen praktischen Bedürfnissen und Zwecken verwenden. In diesem Gebiete geht erst die volle Arbeit, Plage und Abhängigkeit des Menschen[1] von der Endlichkeit und Prosa[4] des Lebens an, und es fragt sich daher hier vor allem, in wie weit auch dieser Kreis den Fordrungen der Kunst[8] gemäß könne dargestellt werden. | [...] Die nächste Weise, in welcher die Kunst[18] diese ganze Sphäre, um welche es handelt, zu beseitigen versucht hat, ist die Vorstellung eines sogenannten goldenen Zeitalters oder auch eines idyllischen Zustandes. Von der einen Seite her befriedigt dann dem Menschen[1] die Natur[2] mühelos jedes Bedürfniß, das sich in ihm regen mag, von der anderen her begnügt er sich in seiner Unschuld mit dem was Wiese, Wald, Heerden, ein Gärtchen, eine Hütte u. s. f. ihm an Nahrung, Wohnung und sonstigen Annehmlichkeiten bieten können, indem alle Leidenschaften des Ehrgeizes oder der Habsucht, Neigungen, welche dem höheren Adel[5] der menschlichen Natur[1] zuwider erscheinen, noch durchweg schweigen[4]. ➢ Volltext.
[34] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 473 f. (474): Dieses Herüberneigen [der Epik] zur lyrischen Auffassung findet seinen wesentlichen Grund darin, daß sich das gesammte Leben dieser Nationen[1] aus dem Princip der Subjektivität entwickelt [...] und sich dieser subjektiven Vertiefung in sich mehr und mehr bewußt wird. Am ungetrübtesten und vollständigsten bleibt dieß Princip bei den 〈474〉 germanischen Stämmen wirksam, während sich die slawischen umgekehrt aus der orientalischen[1] Versenkung in das Substantielle und Allgemeine erst herauszuringen haben. In der Mitte stehn die romanischen[2] Völker[1], welche in den eroberten Provinzen des römischen Reichs nicht nur die Reste römischer Kenntnisse und Bildung[5] überhaupt, sondern nach allen Seiten hin ausgearbeitete Zustände und Verhältnisse vor sich finden, und, indem sie sich damit verschmelzen, einen Theil ihrer ursprünglichen Natur dahingeben müssen. ➢ Volltext.
[35] Herder, N. Dt. Litt. II (1767), 207: Ein Theil unsrer besten Gedichte ist halb Morgenländisch[2]: ihr Muster ist die schöne[1] Natur des Orients[1]: sie borgen den Morgenländern Sitten und Geschmack ab – und so werden sie Originale. Wenn nicht neue[1]; so liefern sie doch wenigstens fremde[4] Bilder, Gesinnungen und Erdichtungen..
[36] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 66: Eben weil der Mensch[1] keine so hinreißende Instinkte hat, als die Thiere[1]: weil er zu so Mancherlei und zu Allem schwächer fähig – kurz! weil er Mensch[1] ist: so konnte er verarten. Würde er wohl so bärähnlich haben brummen, und so bärähnlich haben kriechen lernen, wenn er nicht gelenksame Organe[2], wenn er nicht gelenksame Glieder gehabt hätte? Würde jedes andre Thier[1], ein Affe und Esel es so weit gebracht haben? Würkte also nicht würklich seine Menschliche Natur dazu, daß er so unnatürlich werden konnte? ➢ Volltext.
[37] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 187 f. (188): Im eigentlichen metaphysischen Verstande[7] ist schon nie eine Sprache[7] bei Mann und Weib[1], Vater und Sohn, Kind und Greis möglich. Man gehe z. E. unter den Morgenländern die langen und kurzen Vocale, die mancherlei Hauche und Kehlbuchstaben, die leichte und so mannichfaltige Verwechselung der Buchstaben[7] von einerley Organ[2], die Ruhe, und Sprachzeichen, mit allen Verschiedenheiten, die sich schriftlich so schwer ausdrücken lassen, durch: Ton[5] und Accent: Vermehrung und Verringerung deßelben und hundert andere zufällige Kleinigkeiten in den Elementen der Sprache[1]: und bemerke auf der andern Seite die Verschiedenheit der Sprach〈188〉werkzeuge bei beiderlei Geschlecht, in der Jugend und im Alter, auch nur bei zween gleichen Menschen[1] nach so manchen Zufällen und Einzelnheiten, die den Bau dieser Organe[2] verändern, bei so manchen Gewohnheiten, die zur zweiten Natur werden u. s. w. ➢ Volltext.
[38] Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 66: Unter frischem Himmel, in der Wüste und Wilde, wo es niemand vermuthete, reifte ein Frühling starker, nahrhafter Gewächse, die in die schönern[4], südlichern Länder [...] verpflanzt neue[1] Natur[1] annehmen, große Ernte fürs Weltschicksal geben sollte! Gothen, Vandalen, Burgunden, Anglen, Hunnen, Herulen, Franken und Bulgaren, Sklaven und Longobarden [...] verachteten [...] Künste[2] und Wissenschaften[2], Ueppigkeit und Feinheit [...]; aber wenn 〈67〉 sie statt der Künste[2], Natur[19]: statt der Wissenschaften[2], gesunden nordischen Verstand[3], statt der feinen, starke und gute, obgleich wilde Sitten brachten, und das alles nun zusammen gährte – welch ein Eräugniß! [...] Ihr späteres Ideal über die Bedürfnisse hinaus – es gieng auf Keuschheit und Ehre, veredelte den besten Theil der menschlichen Neigungen: obgleich Roman[4], so doch ein hoher Roman[4]: eine wahre neue[1] Blüthe der menschlichen Seele..
[39] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 321 f. (322): Selbst unsre kurze Geschichte[7] beweiset es daher schon klar, daß mit der wachsenden wahren Aufklärung der Völker[1] die menschenfeindlichen, sinnlosen Zerstörungen derselben sich glücklich vermindert haben. Seit Roms Untergange ist in Europa kein cultiviertes Reich mehr entstanden, das seine ganze Einrichtung auf Kriege und Eroberungen gebauet hätte; denn die verheerenden Nationen[1] der mittleren Zeiten[3] waren rohe, wilde Völker[1]. Je mehr aber auch sie Cultur[4] empfingen und ihr Eigenthum liebgewinnen lernten, desto mehr drang sich ihnen unvermerkt, ja oft wider ihren Willen, der schönere[1], ruhige Geist[14] des Kunstfleißes, des Ackerbaues, des Handels und der Wissenschaft[1] auf. Man lernte nutzen ohne zu vernichten, weil das Vernichtete sich 〈322〉 nicht mehr nutzen läßt, und so ward mit der Zeit[1], gleichsam durch die Natur der Sache selbst, ein friedliches Gleichgewicht zwischen den Völkern[1], weil nach Jahrhunderten wilder Befehdung es endlich alle einsehen lernten, daß der Zweck, den Jeder wünschte, sich nicht anders erreichen ließe, als daß sie gemeinschaftlich dazu beitrügen..
[40] Herder, Bef. d. Hum. II (1793), 176: Des Weibes[1] Natur ist eine andre als des Mannes: sie empfindet anders, sie wirkt anders. Elender, dessen Nebenbuhlerinn sein Weib[2] ist oder die ihn in männlichen Tugenden gar überwindet! Nur durch nachgebende Güte soll sie ihn beherrschen; und so wird der Zankapfel abermals ein Apfel der Liebe..
[41] Th. Huber, Holland (1811), 397 f. (398): Wie ich bei Kostheim über den Rhein setzte, hielten mich die Fährleute sehr lange auf, indeß ich mit der Schildwache sprach [...]. Der Mensch beantwortete mir mehrere Fragen über die Belagerung von Mainz, bei der er gedient hatte [...]. – Die Herren sind etwas langsam, sagte ich endlich auf die Fährleute zeigend, die, ihre kurzen Pfeifen im Munde, unerschütterlich fortkrochen. „Das sind Deutsche, Madame, 〈398〉 sie werden noch ganz andere Sachen sehen, wenn sie weiter in das Land hinein kommen.“ Ich glaube, ich ward roth, und wäre es nicht meiner Natur zuwider gewesen, so wäre ich jetzt, da die Fähre endlich ans Ufer stieß, langsam in meinen Wagen eingestiegen, um meinen Nationalkarakter trotzig zu beweisen.
[42] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 4: Ein Zusammentreffen mehrerer physischer Ursachen, z. B. die beträchtliche Höhe der Kordilleren, ihre ungeheure Masse, die vielen, zwei bis dreitausend Meter über den Meeresspiegel erhabenen, Gebirgsflächen mäßigen die Hitze in einigen Tropenländern dergestalt, daß die Beschaffenheit der Luft dem Anbau der Cerealien und der Cultur[1] europäischer Obstbäume günstig ist. Wo auf dem Rücken und am Abfall der Gebirge gleichsam alle Climate[2] vereinigt sind, hat die geographische Breite wenig Einfluß auf die Fruchtbarkeit des Bodens und die Natur der Erzeugnisse..
[43] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 805: [W]as Woldemar suchte, und wie er es suchte, konnte er nur in einer weiblichen Seele finden. Durch die Natur[1] seines Wesens nothwendig geleitet, und durch seine äußere Lage begünstigt, gehört das andre Geschlecht[2] größtentheils dem inneren Leben und Weben in eignen Ideen und Empfindungen an. Sich darauf in hoher Einfachheit beschränkend, ist das weibliche Gemüth zwar vielleicht ein minder reiches und starkes, aber gewiß ein reineres Bild desselben, als jedes andre, und daher am meisten fähig, das zu gewähren, was Woldemar schmerzlich entbehrte. Jener Trieb aber, nach dessen Gewissheit er so ängstlich strebte, und der doch kein andrer ist, als den die Philosophie sonst den uneigennützigen, die Aeußerung der praktischen Vernunft[1], zu nennen pflegt, ist als bloßer Trieb im Weibe[1] schon um eben so viel reicher und ununterbrochener lebhaft, als dieß alle Neigungen und Gefühle überhaupt in ihm sind. Allein auch in seiner höheren Natur[1] ist er deutlicher sichtbar. Unter allen Geschöpfen, die sich nach eignem Willen bestimmen, sind die Weiber[1] der steten immer wie〈806〉derkehrenden Ordnung der Natur[2] gleichsam am nächsten geblieben. Dadurch und durch die Mitwirkung ihres feineren Schönheitssinnes sind alle ihre, auch eigennützigen Triebe, reiner und harmonischer gestimmt, und schon ihre sanfte Schwäche verhütet ein zu häufiges Einmischen der heftigen, wechselnden Begierde. Endlich scheinen sie unmittelbar aus der Hand der Natur[13] zu kommen. Weniger, wie bey dem Manne, von eigenmächtigen Handlungen[1] des bey diesem stärkeren und thätigeren Willens durchkreuzt, ist der Inbegriff ihres Wesens ein mehr durch die Natur[13] und die Lage der Umstände gegebenes Ganze. Was man in demselben antrifft, ist sichrer aus ihrer inneren Beschaffenheit hervorgegangenes Werk der Natur[13], als eigne Schöpfung..
[44] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 813: [I]nsofern man in der höchsten Abstraction die vernünftige Eigenschaft rein absondert, geht der Instinct einer [...] bloßen Vernunft[1] allein auf Personalität mit Ausschließung der Person und des Daseyns, weil beide [...] Individualität verlangen. [...] Dieser Instinct umfasst [...] die doppelte Natur des Menschen[1]. Er geht auf Erhaltung des Daseyns, wie jeder Trieb überhaupt: allein als auch der vernünftigen Natur angehörend, nur auf Erhaltung des dem Menschen[1] eigenthümlichen Daseyns. Die eigenthümliche Natur des Menschen[1] aber ist Vernunft[1] und Freyheit[10]. Vermöge dieses Instincts ist sich der Mensch[1] daher einer Kraft bewußt, mit welcher er, allen Antrieben der Sinne[3] entgegen, allein der Vernunft[1] zu folgen vermag; ja er fühlt sich sogar, dieß zu thun, durch einen unaustilgbaren Trieb gedrungen. Wie dieser Trieb entsteht, wie er wirkt, begreift er nicht; versucht er auch, wenn er weise ist, nicht zu erklären. Denn erklären lässt sich nur das Abhängige, Vermittelte; dieser Trieb aber ist das Letzte, Unvermittelte..
[45] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 819: Vertraut mit dem Wesen der poetischen[4] Kunst[2], weiß er [F. H. Jacobi], auch was völlig subjectiv scheint, noch an die nothwendigen Bedingungen der menschlichen Natur anzuknüpfen; mit kluger Vorsicht läßt er jede neue[1] Wendung des Charakters[7] so vollständig vorbereiten, und so lange verweilen, und mit meisterhaftem Talent versucht er durch eine schöne[1], an mehr als Einer Stelle hinreißende Sprache[4] den Leser so in sein Interesse zu verweben, daß sein Gefühl in die gleiche Stimmung übergeht..
[46] W. v. Humboldt, Versch. Sprachb. (*1827–29), GS I, 6.1, 291 f. (292): Die Untersuchung der Lateinischen Töchtersprachen scheint mir [...] die Behauptung zu bestätigen, dass die Mischung der Sprachen[3] zuerst von der Mischung des Wortvorraths ausgeht, 〈292〉 meistentheils dabei stehen bleibt, bisweilen aber sich von da auf Redensarten, Fügungen der Redeweise und grammatische Ansichten erstreckt, nicht leicht aber wirkliche concrete grammatische Formen zusammenbringt [...]. Man darf indess hierbei auch nicht die besondre Natur dieser Romanischen[1] Sprachen[3] vergessen. Ihre sie charakterisirende Eigenthümlichkeit gieng nicht aus der Mischung Germanischer und Römischer Rede und Sprache[3] hervor, sondern aus der durch die siegreiche Einwandrung fremder[1] Stämme bewirkten Zerstörung des politischen Bestandes, der darauf folgenden Zerrüttung des ganzen Culturzustandes, und der diese Katastrophen begleitenden Verderbniss der Sprache[3]. Sie sind nicht sowohl Erscheinungen der Sprachvermischung, als des Sprachverfalls, so glänzend sie sich auch wieder aus diesem neu[2] entwickelt haben. Ausserdem kennt man den Zustand nicht, in dem sich, schon vor aller Einwanderung, die Römische Sprache[3] im Munde des Volks[5] in OberItalien, Gallien und Iberien befinden mochte..
[47] Kant, Daseyn Gottes (1763), 88: Ich bemerke aber, damit aller Misverstand verhütet werde: daß die Veränderungen in der Welt entweder aus der ersten Anordnung des Universum und den algemeinen und besondern Gesetzen der Natur[2] nothwendig seyn, dergleichen alles dasjenige ist, was in der körperlichen Welt mechanisch vorgeht, oder daß sie gleichwohl bey allem diesem eine nicht genugsam begriffene Zufälligkeit haben, wie die Handlungen[1] aus der Freyheit[10] deren Natur[1] nicht ge〈89〉hörig ein[ge]sehen wird..
[48] Kant, Crit. rein. Vern. (21787), XXXVII: In den Sätzen selbst und ihren Beweisgründen, imgleichen der Form sowohl als der Vollständigkeit des Plans, habe ich nichts zu ändern gefunden; welches theils der langen Prüfung, der ich sie unterworfen hatte, ehe ich es dem Publicum[3] vorlegte, theils der Beschaffenheit der Sache selbst, nemlich der Natur einer reinen speculativen Vernunft[1], beyzumessen ist, die einen wahren Gliederbau enthält, worin alles Organ[4] ist, nemlich Alles um Eines willen und ein 〈XXXVIII〉 jedes einzelne um aller willen, mithin jede noch so kleine Gebrechlichkeit, sie sey ein Fehler (Irrthum) oder Mangel, sich im Gebrauche unausbleiblich verrathen muß..
[49] Kant, Crit. rein. Vern. (21787), 75: Wollen wir die Receptivität unseres Gemüths, Vorstellungen zu empfangen, so fern es auf irgend eine Weise afficirt wird, Sinnlichkeit nennen: so ist dagegen das Vermögen, Vorstellungen selbst hervorzubringen, oder die Spontaneität des Erkenntnisses[3], der Verstand[2]. Unsre Natur bringt es so mit sich, daß die Anschauung niemals anders als sinnlich seyn kann, d. i. nur die Art enthält, wie wir von Gegenständen afficirt werden. Dagegen ist das Vermögen, den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu denken, der Verstand[2]. Keine dieser Eigenschaften ist der andern vorzuziehen. Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand[2] keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe[1] sind blind. Daher ist es eben so nothwendig, seine Begriffe[1] sinnlich zu machen, (d. i. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beyzufügen,) als seine Anschauungen sich verständlich zu machen (d. i. sie unter Begriffe[1] zu bringen). Beide Vermögen, oder Fähigkeiten, können auch ihre Functionen nicht vertauschen. Der Verstand[2] vermag nichts anzuschauen, und die Sinne[4] nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Er〈76〉kenntniß[2] entspringen..
[50] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 258: [D]as Schöne[2] ist das Symbol des Sittlichguten; und auch nur in dieser Rücksicht [...] gefällt es, mit einem Anspruche auf jedes andern Bestimmung [...]. Das ist das Intelligibele, worauf [...] der Geschmack hinaussieht, wozu nämlich selbst unsere oberen Erkenntnißvermögen zusammenstimmen, und ohne welches zwischen ihrer Natur[1], verglichen mit den Ansprüchen, die der Geschmack macht, lauter Widersprüche erwachsen würden. In diesem Vermögen sieht sich die Urtheilskraft nicht, wie sonst in empirischer Beurtheilung, einer Heteronomie der Erfahrungsgesetze unterworfen: sie giebt in Ansehung der Gegenstände eines so reinen Wohlgefallens ihr selbst das Gesetz, so wie die Vernunft[1] es in Ansehung des Begehrungsvermögens thut; und sieht sich [...] auf etwas im Subjecte selbst und außer 〈259〉 ihm, was nicht Natur[13], auch nicht Freyheit[10], doch aber mit dem Grunde der letzteren, nämlich dem Uebersinnlichen verknüpft ist, bezogen, in welchem das theoretische Vermögen mit dem practischen, auf gemeinschaftliche und unbekannte Art, zur Einheit verbunden wird..
[51] Kant, Gemeinspruch (1793), 282: Die menschliche Natur erscheint nirgend weniger liebenswürdig, als im Verhältnisse ganzer Völker[1] gegen einander. Kein Staat ist gegen den andern wegen seiner Selbstständigkeit, oder seines Eigenthums, einen Augenblick gesichert. Der Wille, einander zu unterjochen, oder an dem Seinen zu schmälern, ist jederzeit da; und die Rüstung zur Verteidigung, die den Frieden oft noch drückender und für die innere Wohlfahrt zerstörender macht, als selbst den Krieg, darf nie nachlassen..
[52] Kant, Religion (1793), 208: Uebrigens gehört das theoretische Bekenntniß des Glaubens an die göttliche Natur in dieser dreyfachen Qualität zur bloßen klassischen[4] Formel eines Kirchenglaubens, um ihn von andern aus historischen Quellen abgeleiteten Glaubensarten zu unterscheiden, mit welchem wenige Menschen einen deutlichen und bestimmten (keiner Mißdeutung ausgesetzten) Begriff[1] zu verbinden im Stande sind [...]..
[53] Kant, Metaph. d. Sitt. II (1797), 23 f. (24): Das Vermögen sich überhaupt irgend einen Zweck zu setzen, ist das Characteristische[1] der Menschheit[1] (zum Unterschiede von der Thierheit). Mit dem Zwecke der Menschheit[1] in unserer eigenen Person ist also auch 〈24〉 der Vernunftwille, mithin die Pflicht verbunden, sich um die Menschheit[1] durch Cultur[3] überhaupt verdient zu machen, sich das Vermögen zu Ausführung allerley möglichen Zwecke, so fern dieses in dem Menschen[1] selbst anzutreffen ist, zu verschaffen oder es zu fördern, d. i. eine Pflicht zur Cultur[3] der rohen Anlagen seiner Natur, als wodurch das Thier[11] sich allererst zum Menschen[1] erhebt: mithin Pflicht an sich selbst..
[54] Kolbe, Wortmeng. (1809), 4: In unsrer Rede [...], die in eignem Boden wurzelte, aus eigentümlichen Keimen sich entwikkelte, können fremde[1] Wörter[1] von ganz widerartiger Natur für buntschekkige Lappen nur gelten, die man einem einfarbigen Zeug aufzuheften den abenteuerlichen[3] Gedanken gehabt..
[55] Moritz, Bild. Nachahm. (1788), 7: [W]eil [...] der edle Mensch[1], um edel zu seyn, der körperlichen Schönheit[1] nicht bedarf, so scheiden sich hier [...] die Begriffe[1] von Schön[1] und Edel, indem durch das letztre die innre Seelenschönheit, im Gegensatz gegen die Schönheit[1] auf der Oberfläche, bezeichnet wird. In so fern nun aber die äussre Schönheit[1] zugleich mit ein Abdruck der innern Seelenschönheit ist, faßt sie auch das Edle in sich, und sollte es, ihrer Natur nach, eigentlich stets in sich fassen. Hiedurch hebt sich aber demohngeachtet der Unterschied zwischen schön[1] und edel nicht wieder auf. Denn unter einer edlen Stellung denken wir uns z. B. eine solche, die zugleich eine gewisse innere Seelenwürde bezeichnet: irgend eine leidenschaftliche Stellung aber kann demohngeachtet immer noch eine schöne[1] Stellung seyn, wenn gleich nicht eine solche innere Seelenwür〈8〉de ausdrücklich dadurch bezeichnet wird; nur darf sie einem gewissen Grade von innerer Würde nie geradezu widersprechen; sie darf nie unedel seyn..
[56] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 12: Das Sprechen, das erste unter allen menschlichen Geschäften, wie der erfreulichste und edelste unter allen menschlichen Genüssen, wird in England, Frankreich und Italien mit der natürlichen Vorliebe getrieben, aus der sich nothwendig Redner und eine Kunst[1] des Redens ergeben müssen. In Deutschland wird dieses Geschäft im Durchschnitt mit dem anderweitigen Schaffen und Arbeiten, und Essen und Trinken ungefähr in eine Reihe gesetzt. Jene scheinen zu leben um zu sprechen; wir nur zu sprechen, um die übrigen Lebensfunktionen zu befördern und im Gange zu erhalten. – Ich gestehe es ein, und vergebe dennoch, wie der Verfolg zeigen wird, der Ehre und dem alten[1] Adel[5] der Sprache[1] nichts, in der ich das Wesen und die Natur der Beredsamkeit zu beschreiben unternehme..
[57] Nissen, Mozart (1828), 543 f. (544): Die Franzosen gestehen der deutschen Musik[1], und an ihrer Spitze Mozarten eine unbedingt ihnen 〈544〉 überlegene Vortrefflichkeit zu: eine Vortrefflichkeit, die von ihnen bey allen Werken dieses Componisten mit Bereitwilligkeit anerkannt wird, obgleich der Genuss derselben in ihnen mehr mittelbar durch Verstandes-Operation, als durch unmittelbar menschliche Theilnahme sich zu erkennen giebt. Da das Colorit dieser Composition [sc. Così fan tutte] unter allen Werken Mozart's am meisten aus dem Verstande[1] hervorgegangen zu seyn scheint, indem der freyern[17] romantischen[4] Behandlung durch den so witzigen Inhalt des Textes fast allenthalben Fesseln angelegt worden, so muss die Natur dieser Musik[4] einem französischen Publicum[4] auch schon desshalb mehr zusagen, wie viele dieser Art von seinen übrigen Arbeiten..
[58] Novalis, an Chr. F. Brachmann (21. 2. 1796), NS 4, 167: Was ist selbst Freundschaft, ohne verbundene Thätigkeit zu einem Ganzen? Baumaterialien, ohne Bestimmung und Mörtel. Harmonische Wircksamkeit ist Karacter[1] des Lebens. Jezt ist das Leben unsrer Freundschaft nur – Stimme[11] – Echo. Aber ich hoffe, es soll mehr werden. Geduld und Muth muß uns zur andern Natur werden..
[59] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 302, Nr. 342: Die Phil[osophie] ist die Prosa[3]. Ihre Consonanten. Ferne Phil[osophie] klingt wie Poesie[5] – weil jeder Ruf in die Ferne Vocal wird. Auf beyden Seiten oder um sie her liegt + und minus Poësie[5]. So wird alles in der Entfernung Poësie[5] – Poëm. Actio in distans. Ferne Berge, ferne Menschen, ferne Begebenheiten etc. alles wird romantisch[8], quod idem est – daher ergiebt sich unsre Urpoëtische Natur. Poësie[5] der Nacht und Dämmerung..
[60] Novalis, an A. W. Schlegel (12. 1. 1798), NS 4, 245: Man verfehlt die Natur der Liebe[1] ganz, wenn man geradezu sich Liebe[1] zur einzigen Beschäftigung wählt – aber wie, wenn alle directe Zwecke gleichsam Mittel für diesen indirecten Zweck werden, der sie alle in Einen Punct vereinigt? der die höhere Einheit aller dieser niedern Einheiten ist? Wenn man die Summe aller directen Zwecke Bildung[5] nennt, so könnte man sagen, der Geist[12] dieser Gesammtheit, der Schlüssel der Bildung[5] – der Sinn[2] dieses großen Gegenstands ist Liebe[1]. | Ohne Gegenstand kein Geist[12] – ohne Bildung[5] keine Liebe[1]. Bildung[5] ist gleichsam der feste Punct, durch welchen diese geistige Anziehungskraft sich offenbart – das nothwendige Organ[1] derselben..
[61] Novalis, Blüthenstaub (1798), 86, Nr. 56: Der wahre Brief[1] ist seiner Natur nach poetisch[4]. ➢ Volltext.
[62] Novalis, Lehrlinge (*1798), NS 1, 100: Man beschuldigt die Dichter der Übertreibung, und hält ihnen ihre bildliche uneigentliche Sprache[4] gleichsam nur zu gute, ja man begnügt sich ohne tiefere Untersuchung, ihrer Fantasie[2] jene wunderliche Natur[1] zuzuschreiben, die manches sieht und hört, was andere nicht hören und sehen, und die in einem lieblichen Wahnsinn mit der wirklichen Welt nach ihrem Belieben schaltet und waltet; aber mir scheinen die Dichter noch bei weitem nicht genug zu übertreiben, nur dunkel den Zauber jener Sprache[4] zu ahnden[3] und mit der Fantasie[2] nur so zu spielen, wie ein Kind mit dem Zauberstabe seines Vaters spielt. Sie wissen nicht, welche Kräfte ihnen unterthan sind, welche Welten ihnen gehorchen müssen. Ist es denn nicht wahr, daß Steine und Wälder der Musik gehorchen und, von ihr gezähmt, sich jedem Willen wie Hausthiere fügen? – Blühen nicht wirklich die schönsten[1] Blumen um die Geliebte und freuen sich sie zu schmücken? Wird für sie der Himmel nicht heiter[1] und das Meer nicht eben? – Drückt nicht die ganze Natur[2] so gut, wie das Gesicht, und die Geberden, der Puls und die Farben, den Zustand eines jeden der höheren, wunderbaren Wesen aus, die wir Menschen nennen? Wird nicht der Fels ein eigenthümliches Du, eben wenn ich ihn anrede? Und was bin ich anders, als der Strom, wenn ich wehmüthig in seine Wellen hinabschaue, und die Gedanken in seinem Gleiten verliere? Nur ein ruhiges, 〈101〉 genußvolles Gemüth wird die Pflanzenwelt, nur ein lustiges Kind oder ein Wilder die Thiere[1] verstehn..
[63] Novalis, Polit. Aphor. (*1798), NS 2, 502, Nr. 67: Es liegt am Tage, daß sich aus todten Stoffen kein lebendiger Körper – aus ungerechten, eigennützigen und einseitigen Menschen kein gerechter, uneigennütziger und liberaler Mensch zusammensetzen läßt. Freilich ist das eben ein Irrthum einer einseitigen Majorität, und es wird noch lange Zeit[6] vergehn, eh man sich von dieser simpeln Wahrheit allgemein überzeugen wird. Eine so beschaffene Majorität wird nicht die Vortrefflichsten, sondern im Durchschnitt nur die Bornirtesten und die Weltklügsten wählen. Unter den Bornirtesten versteh ich solche, bei denen Mittelmäßigkeit zur fertigen Natur geworden ist, die klassischen[3] Muster des großen Haufens. Unter den Weltklügsten – die geschicktesten Courmacher des großen Haufens. Hier wird sich kein Geist[12] entzünden – am wenigsten ein reiner – Ein großer Mechanismus wird sich bilden – ein Schlendrian – den nur die Intrigue zuweilen durchbricht. Die Zügel der Regierung werden zwischen den Buchstaben[8] und mannichfaltigen Partheimachern hin und her schwanken..
[64] Novalis, Monolog (*1799), 2: Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache[1] wie mit den mathematischen Formeln sey – Sie machen eine Welt für sich aus – Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur[1] aus und eben darum sind sie so ausdrucksvoll – eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnißspiel der Dinge. Nur durch ihre Freyheit[12] sind sie Glieder der Natur[2] u[nd] nur in ihren freyen Bewegungen äußert sich die Weltseele und macht sie zu einem zarten Maaßstab u[nd] Grundriß der Dinge. So ist es auch mit der Sprache[1] – wer ein feines Gefühl ihrer Applicatur, ihres Takts, ihres musicalischen[3] Geistes[12] hat, wer in sich das zarte Wirken ihrer innern Natur[1] [⦿] vernimmt, und darnach seine Zunge oder seine Hand bewegt, der wird ein Profet sein, dagegen wer es wohl weis, aber nicht Ohr[3] u[nd] Sinn[5] genug für sie hat, Wahrheiten wie diese schreiben, aber von der Sprache[1] selbst zum besten gehalten u[nd] von den Menschen, wie Cassandra von den Trojanern, verspottet werden wird. ➢ Volltext.
[65] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 342: Man ist mit diesen Zwischentönen oder Stufen, die zwar ihrer Natur[1] nach eben so alt sind, wie die diatonische Octavengattung, unsere erste ursprüngliche Melodie ist, erst mit der Zeit[1] und vielleicht sehr spät bekannt geworden. Die diatonischen Töne und Stufen selbst, sind, nicht eher als lange, nachdem man schon gesungen und gespielet hatte, bekannt geworden; denn die Natur[2] führet uns zuerst durch leichtere und beqvemere Wege, ehe wir durch die Kunst[2] oder durch unsern Witz[1] diese natürlichen[2] Wege ausschmücken und verschönern lernen. Sie überläßt dieses unserm Genie[2] und unserer uns durch sie angebohrnen Erfindungskraft, wozu sie uns durch jenes gleichsam mit der Hand leitet..
[66] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 343 f. (344): Die Empfindung des Natürlichen[2] äußert sich von sich selbst und fast ohne Mühe. So ist es auch mit den Tönen beschaffen gewesen; denn so bald man den Trieb zum Singen empfand, so bald ward auch diese diatonische Octavengattung, diese natürliche[2] Tonleiter, die gleichsam ein musikalisches[8] ganz unentbehrliches Bedürfniß war, hervorgebracht, und zwar bloß durch den innerlichen Trieb der Natur[2], 〈344〉 und ohne solches zu verlangen, oder zu erkennen. Das Wissen oder die Kenntniß dieses Triebes, dieser Würkung der Natur[2], ist erst lange hernach erfolgt, nachdem man vielleicht manche Jahrhunderte gesungen und gespielet hatte; so lange wußte man auch von keiner Kunst[2], von keinem System, und auch nichts von der Verschiedenheit der Klanggeschlechte. Das ist nun die wahre Erzeugung der Töne, der Klangstufen, der Tonleiter, der Klanggeschlechte und endlich der Theorie der Töne selbst; denn darinn besteht die wahre ursprüngliche Natur[1] derselben. Und darinn lag auch die eigenthümliche Verwandschaft und Verknüpfung der Töne zwar anfangs verborgen; Zeit[1], Mühe und Fleiß haben sie aber hernach näher untersuchet und gleichsam aufgedeckt. .
[67] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 93: Diejenige Handlung[1], welche Ursache alles Begräntztseyns, und aus keiner andern mehr erklärbar ist, muß absolut frey seyn. Absolute Freyheit[1/10] aber ist identisch mit absoluter Nothwendigkeit. Könnten wir uns z. B. ein Handeln in Gott denken, so müßte es absolut frey seyn, aber diese absolute Freyheit[1/10] wäre zugleich absolute Nothwendigkeit, weil in Gott kein Gesetz und kein Handeln denkbar ist, was nicht aus der innern Nothwendigkeit seiner Natur[1] hervorgeht. Ein solcher Act ist der ursprüngliche des Selbstbewußtseyns, absolut frey, weil er durch nichts außer dem Ich bestimmt ist, absolut nothwendig, weil er aus der innern Nothwendigkeit der Natur des Ichs hervorgeht..
[68] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 440: Der Protestantismus entstand und war historisch nothwendig. Preis den Heroen, welche zu jener Zeit, für einige Theile der Welt wenigstens, die Freiheit[1] des Denkens und der Erfindung auf ewig befestigten! Das Princip, das sie weckten, war in der That neu beseelend, und konnte, verbunden mit dem Geist[12/14?] des klassischen[7] Alterthums[2], unendliche Wirkungen hervorbringen, da es in der That seiner Natur nach unendlich war [...]. ➢ Volltext.
[69] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 543: Die thierische Natur[1] überhaupt und einzelne thierische Leiber sind an sich von symbolischer Bedeutung, die Natur[2] selbst wird in ihnen 〈544〉 symbolisch. Thierstücke können also nur entweder durch das Herausheben der symbolischen Bedeutung der Gestalten [...] oder nur durch eine höhere Beziehung einigen Kunstwerth haben. Einige holländische Maler sind bis zu Darstellung von Hühnerhöfen heruntergegangen. Wenn eine solche Schilderei noch einigermaßen tolerirt wird, so ist es, weil auch ein Hühnerhof auf das Innere eines Hauses, die Armuth oder den Reichthum des Besitzers kann schließen lassen. Höhere Beziehung und Bedeutung erhalten Thierstücke, wo Thiere[1] wirklich in Handlung[2] und im Kampf entweder untereinander oder mit Menschen[1] dargestellt werden. ➢ Volltext.
[70] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 673: Das romantische[12] Epos hat in der Gattung, zu der es gehört, selbst wieder einen Gegensatz. Wenn es nämlich überhaupt zwar dem Stoff nach universell, der Form nach aber individuell ist, so läßt sich zum voraus eine andere entsprechende Gattung erwarten, in welcher an einem partiellen oder beschränkteren Stoff sich die allgemein gültigere und gleichsam indifferentere Darstellung versucht. Diese Gattung ist der Roman, und wir haben mit dieser Stelle, die wir ihm geben, zugleich auch seine Natur bestimmt. | Man kann allerdings auch den Stoff des romantischen[12] Epos nur relativ universell nennen, weil er nämlich immer den Anspruch an das Subjekt macht, sich überhaupt auf einen phantastischen[1] Boden zu versetzen, welches das alte[10] Epos nicht thut. Aber eben deßwegen auch, weil der Stoff vom Subjekt etwas fordert – Glauben, Lust, phantastische[1] Stimmung – so muß er Dichter von der seinigen etwas hinzuthun und so dem Stoff, was er in der einen Rücksicht an Universalität voraus haben kann, von der andern Seite wieder durch die Darstellung nehmen. Um sich dieser Nothwendigkeit zu überheben, und der objektiven Darstellung sich mehr zu nähern, bleibt demnach nichts übrig als auf die Universalität des Stoffs Verzicht zu thun und sie in der Form zu suchen. | Die ganze Mythologie des Rittergedichts gründet sich auf das Wunderbare, d. h. auf eine getheilte Welt. Diese Getheiltheit geht nothwendig in die Darstellung über, da der Dichter, um das Wunderbare als solches erscheinen zu lassen, selbst für sich in der übrigen Welt seyn muß, wo das Wunderbare als Wunderbares erscheint. Will also der Dichter mit seinem Stoff wahrhaft identisch werden und sich ihm selbst ungetheilt hingeben, so ist kein Mittel dazu, als daß das Individuum, wie überhaupt in der modernen[1] Welt, so auch hier ins Mittel trete und den Ertrag Eines Lebens und Geistes[32] in Erfindungen niederlege, die, je höher sie stehen, desto mehr die Gewalt einer Mythologie gewinnen. So entsteht der Roman, und ich trage kein Bedenken, ihn in dieser Rücksicht über das Rittergedicht zu setzen [...]. ➢ Volltext.
[71] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 680: Der Roman[1] des Cervantes ruht also auf einem sehr unvollkommenen, ja verrückten Helden, der aber zugleich so edler Natur ist [...], daß ihn keine Schmach, die ihm widerfährt, eigentlich herabwürdiget. An diese Mischung (in Don Quixote) ließ sich eben das wunderbarste und reichste Gewebe knüpfen, das im ersten Moment so anziehend wie im letzten stets den gleichen Genuß gewährt und die Seele zur heitersten[4] Besonnenheit stimmt. Für den Geist[19] ist die nothwendige Begleitung des Helden, Sancho Pansa, gleichsam ein unaufhörlicher Festtag; eine unversiegbare Quelle der Ironie[1] ist geöffnet und ergießt sich in kühnen Spielen. ➢ Volltext.
[72] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 713: Es versteht sich, daß, weil die Nothwendigkeit ihrer Natur nach objektiv ist, die Nothwendigkeit im Subjekt nur eine prätendirte, angenommene seyn kann und eine affektirte Absolutheit ist, die nun durch die Nothwendigkeit in der Gestalt der äußeren Differenz zu Schanden gemacht wird. So wie die Freiheit[10] und Besonderheit auf der einen Seite die Nothwendigkeit und Allgemeinheit lügt, so nimmt auf der anderen Seite die Nothwendigkeit den Schein der Freiheit[10] an und vernichtet unter dem angenommenen Aeußeren der Gesetzlosigkeit, im Grunde aber nach einer nothwendigen Ordnung die prätendirte Gesetzmäßigkeit. Es ist nothwendig, daß wo sich die Besonderheit zur Nothwendigkeit das Verhältniß der Objektivität gibt, sie zu nichte werde; es ist also insofern in der Komödie das höchste Schicksal und sie selbst wieder die höchste Tragödie; aber das Schicksal erscheint eben deßwegen, weil es selbst eine der seinigen entgegengesetzte Natur annimmt, in einer erheiternden Gestalt, nur als die Ironie[1], nicht aber als das Verhängniß der Nothwendigkeit. ➢ Volltext.
[73] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 723: Der Natur des romantischen[12/4] Princips gemäß stellt die moderne[1] Komödie die Handlung[3] als Handlung[3] nicht rein, isoliert und in der plastischen[3] Beschränkung des alten[10] Drama dar, sondern sie gibt zugleich ihre ganze Begleitung. ➢ Volltext.
[74] C. Schelling, Rez. Cham.-Varnh. (1805), 243: Das simple Lieben behält, wenn es auch der hundertste neun und neunzigen nachspricht, immer etwas erfreuliches und wahres; es läßt sich daran glauben; allein die complicirte Empfindung verräth sich, sobald sie nicht ächt ist, als eine reine Nichtempfindung. Man muß nicht darüber rechten, daß die Empfindsamkeit, wenn man sie über alle Berge glaubt, sich immer wieder einstellt, wir können sie eben nicht los werden, sie gehört zu unserer Natur, wenigstens von der christlichen Zeitrechnung an: nur wäre zu wünschen, daß ein jeder seine eigene hätte, und sich nicht mit einer fremden[3] quälte. Das Individuelle ist ihr mütterlicher Boden; auf diesem will sie aber auch wirklich entsprossen seyn, um einen Werth zu haben..
[75] Schiller, Schaubühne (1785), NA 20, 90: Unsre Natur, gleich unfähig, länger im Zustand des Thiers[10] fortzudauren, als die feinern Arbeiten des Verstands[2] fortzusezen, verlangte einen mittleren Zustand, der beide widersprechenden Enden vereinigte, die harte Spannung zu sanfter Harmonie herabstimmte, und den wechselsweisen Uebergang eines Zustands in den andern erleichterte. Diesen Nuzen leistet überhaupt nun der ästhetische Sinn[5], oder das Gefühl für das Schöne[1]..
[76] Schiller, Lykurg. u. Sol. (1790), NA 17, 438: Wenn unsre Gesetzgeber unrecht gethan haben, daß sie moralische Pflichten und Sitten ganz vernachläßigten, so hatten die Gesetzgeber der Griechen darin Unrecht, daß sie moralische Pflichten mit dem Zwang der Gesetze einschärften. Zur moralischen Schönheit[1] der Handlungen[1] ist Freiheit[5] des Willens die erste Bedingung, und diese Freiheit[5] ist dahin, sobald man moralische Tugend durch gesetzliche Strafen erzwingen will. Das edelste Vorrecht der Menschlichen Natur ist, sich selbst zu bestimmen, und das Gute um des Guten willen thun..
[77] Schiller, Ästh. Erzieh. (1795), NA 20, 309: Sie wollen mir also vergönnen, Ihnen die Resultate meiner Untersuchungen über das Schöne[1] und die Kunst[2] in einer Reihe von Briefen[3] vorzulegen. Lebhaft empfinde ich das Gewicht, aber auch den Reiz und die Würde dieser Unternehmung. Ich werde von einem Gegenstande sprechen, der mit dem beßten Theil unsrer Glückseligkeit in einer unmittelbaren, und mit dem moralischen Adel[5] der menschlichen Natur in keiner sehr entfernten Verbindung steht..
[78] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. III (1796), 102: Da es also weder dem arbeitenden Theile der Menschen überlassen werden darf, den Begriff[1] der Erholung nach seinem Bedürfniß, noch dem contemplativen Theile, den Begriff[1] der Veredlung nach seinen Speculationen zu bestimmen, wenn jener Begriff[1] nicht zu physisch und der Poesie[1] zu unwürdig, dieser nicht zu hyperphysisch und der Poesie[1] zu überschwenglich ausfallen soll – diese beyden Begriffe[1] aber, wie die Erfahrung lehrt, das allgemeine Urtheil über Poesie[1] und poetische[4] Werke regieren, so müssen wir uns, um sie auslegen zu lassen, nach einer Klasse[2] von Menschen umsehen, welche ohne zu arbeiten thätig ist, und idealisiren kann, ohne zu schwärmen; welche alle Realitäten des Lebens mit den wenigstmöglichen Schranken desselben in sich vereiniget, und vom Strome der Begebenheiten getragen wird, ohne der Raub desselben zu werden. Nur eine solche Klasse[2] kann das schöne[1] Ganze menschlicher Natur, welches durch jede Arbeit augenblicklich, und durch ein arbeitendes Leben anhaltend zerstört wird, aufbewahren, und in allem, was rein menschlich ist, durch ihre Gefühle dem allgemeinen Urtheil Gesetze geben. Ob eine solche Klasse[2] wirklich existiere, oder vielmehr ob diejenige, welche unter ähnlichen äußern Verhältnissen wirklich existiert, diesem Begriffe[1] 〈103〉 auch im innern entspreche, ist eine andre Frage, mit der ich hier nichts zu schaffen habe. Entspricht sie demselben nicht, so hat sie bloß sich selbst anzuklagen, da die entgegengesetzte arbeitende Klasse[2] wenigstens die Genugthuung hat, sich als ein Opfer ihres Berufs zu betrachten. In einer solchen Volksklasse (die ich aber hier bloß als Idee aufstelle, und keineswegs als ein Faktum bezeichnet haben will) würde sich der naive[1] Charakter[1] mit dem sentimentalischen[1] also vereinigen, daß jeder den andern vor seinem Extreme bewahrte, und indem der erste das Gemüth vor Ueberspannung schützte, der andere es vor Erschlaffung sicher stellte. Denn endlich müssen wir es doch gestehen, daß weder der naive[1] noch der sentimentalische[1] Charakter[1], für sich allein betrachtet, das Ideal schöner[1] Menschlichkeit ganz erschöpfen, das nur aus der innigen Verbindung beyder hervorgehen kann..
[79] Schiller, Nothw. Grenz. (1795 [hier: 21800]), NA 21, 24: Unter allen Neigungen, die von dem Schönheitsgefühl abstammen, und das Eigenthum feiner Seelen sind, empfiehlt keine sich dem moralischen Gefühl so sehr, als der veredelte Affekt der Liebe, und keine ist fruchtbarer an Gesinnungen, die der wahren Würde des Menschen entsprechen. Zu welchen Höhen trägt sie nicht die menschliche Natur, und was für göttliche Funken weiß sie nicht oft auch aus gemeinen Seelen zu schlagen! Von ihrem heiligen Feuer wird jede eigennützige Neigung verzehrt, und reiner können Grundsätze selbst die Keuschheit des Gemüths kaum bewahren, als die Liebe des Herzens Adel[5] bewacht..
[80] A. W. Schlegel, Rez. Schiller [Künstl.] (1790), 130: Wahrheit, wenn sie sehr wohlthätig ist, oder uns den Adel[5] unsrer Natur kennen lehrt, erzeuget Begeisterung [...]..
[81] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 84: Die Sprache[1], die wunderbarste Schöpfung des menschlichen Dichtungsvermögens, gleichsam das große, nie vollendete Gedicht, worinn die menschliche Natur[1] sich selbst darstellt, bietet uns von dem, was ich eben sagte, ein auffallendes Beyspiel dar. So wie sie auf der einen Seite, vom Verstande[1] bearbeitet, an Brauchbarkeit zu allen seinen Verrichtungen zunimmt, so büßt sie auf der andern an jener ursprünglichen Kraft ein, die im nothwendigen Zusammenhange zwischen den Zeichen der Mittheilung und dem Bezeichneten liegt. So wie die gränzenlose Mannigfaltigkeit der Natur[2/11/19?] in abgezognen Begriffen[1] verarmt, so sinkt die lebendige Fülle der Töne immer mehr zum todten Buchstaben[9] hinab. Zwar ist es unmöglich, daß dieser jene völlig verdrängen sollte, weil der Mensch immer ein empfindendes Wesen bleibt, und sein angebohrner Trieb, Andern von seinem innersten Daseyn Zeugniß zu geben, und es dadurch in ihnen zu vervielfältigen, (wie sehr ihn auch die Herrschaft des Verstandes[1], der sein Wesen, so zu sagen, immer außer uns treibt, schwächen möge) doch nie ganz verloren gehen kann. Allein in den gebildeten Sprachen[3], hauptsächlich in der Gestalt, 〈85〉 wie sie zum Vortrage der deutlichen Einsicht, der Wissenschaft gebraucht werden, wittern wir kaum noch einige verlohrne Spuren ihres Ursprunges, von welchem sie so unermeßlich weit entfernt sind; wir können sie fast nicht anders als wie eine Sammlung durch Uebereinkunft festgesetzter Zeichen betrachten. ➢ Volltext.
[82] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 99: In der Empfänglichkeit des Menschen[1] allein, wäre sie auch noch so vieles zarter und umfassender als in den übrigen Thieren[2], liegt kein unterscheidendes Kennzeichen seiner Natur. Er würde also, wie wir es an jenen sehen, mit den Vorzügen seiner Organisazion[5] durch alle Geschlechter[10] hin beständig auf eben dem Punkte beharren, wäre ihm nicht eine selbstthätige Richtung derselben verliehen. ➢ Volltext.
[83] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 94: Alles Würdige, Edle und Große der menschlichen Natur[1] läßt nur eine ernsthafte Darstellung zu; der komische Dichter muß es also von der seinigen ausschließen und die Menschheit[1] ins Entgegengesetzte, wie die Tragödie, nämlich ins Häßliche[1] und Schlechte idealisieren. Diese Idealität besteht aber nicht in der Quantität, in einer die Willkürlichkeit übersteigenden Anhäufung von sittlichen Gebrechen und Ausartungen, sondern in der Qualität, in der Abhängigkeit von dem tierischen Teile, dem Mangel an Freiheit[10] und Selbständigkeit, dem Unzusammenhange und den Widersprüchen des inneren Daseins, woraus Torheit und Narrheit hervorgehen. [...] Das Häßliche[1] muß furchtbar oder lächerlich geschildert werden. Der Komiker muß über die Natur[13] hinausgehen, er muß sie ins Häßliche[1] idealisieren, wie schon Aristoteles bemerkt hat. ➢ vgl. [91].
[84] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
[85] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 465 f. (466): Die epische Dichtart ist daher einem Zeitalter am angemessensten, wo das Gemüth sich noch nicht zum vollen Bewußtseyn der Freyheit[10] und Selbstbestimmung erhoben hat, sondern dem Menschen wie eine physische Kraft 〈466〉 erscheint, von deren Wirkungen sich nicht immer Rechenschaft geben läßt. So ist es auch beym Homer: die unmotivirte Veränderlichkeit der Gesinnungen, der Wechsel von Leidenschaft und ruhiger Fassung, von Muth und Verzagtheit, u. s. w. liegt oben auf; die dabey beobachtete tiefere Consistenz der Charaktere[7] kann man entweder als etwas durch die Sage gegebnes betrachten, oder sie beweist nur daß die eigenthümliche Ansicht des epischen Zeitalters das allgemein in der Natur[1] der Sache liegende zwar wohl in den Hintergrund zurückdrängen aber nicht aufheben konnte. Bey einer solchen Stufe, worauf die ganze Charakteristik steht, kann allerdings Größe, Energie und Adel[5] der einzelnen Charaktere[7] Statt finden, aber keine eigentliche Idealität, welche eine reinere Absonderung von der Natur[2/13] voraussetzt. Jenes finden wir denn auch beym Homer, diese war erst den Tragikern vorbehalten..
[86] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
[87] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 210: Überhaupt darf man die damalige Leibeigenschaft nicht nach dem messen, was sie in den neueren[3] Zeiten[3] besonders in solchen Ländern geworden, wo der Adel[2] aus Deutschen Eroberern bestand, die Unterthanen aber Slawischen Stammes waren. Gegen diese Nation[1] haben die Deutschen immer, vielleicht nicht mit Unrecht, eine große Verachtung gehabt; daß sie von Natur zur Sclaverey bestimmt war, beweist der Zustand der Bauern in Polen und Rußland, wo der Adel[2] von derselben Abkunft ist, und es jenen doch eigentlich nicht besser ergeht, als in den durch Deutsche eroberten Slawischen Ländern..
[88] A. W. Schlegel, an S. Tieck-Bernhardi (20. 9. 1805), KJ 1, 234: Zudem habe ich eine Leidenschaft zu Studien über die alte[9] Geschichte[3], den Ursprung der Völker[1] und Sprachen[3] gefaßt, die ihrer Natur nach endlos sind. Ich kann mich Tagelang in Lateinische Etymologieen vertiefen..
[89] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 6: Wir sehen eine Menge Menschen, ja ganze Nationen[1], so sehr befangen in den Gewöhnungen ihrer Erziehung und Lebensweise, daß sie sich auch dann nicht davon losreißen können, wenn vom Genusse schöner[2] Kunst[9] die Rede ist. Nur dasjenige, was in ihrer Sprache[3], ihren Sitten und ihren gesellschaftlichen Verhältnissen einheimisch und hergebracht ist, erscheint ihnen als natürlich[4], schicklich und schön[2]. In dieser ausschließenden Ansicht und Empfindungsweise kann man es durch Bildung[4] zu einer großen Feinheit der Unterscheidung in dem engen Kreise bringen, worauf man sich nun einmal beschränkt hat. Aber ein ächter Kenner kann man nicht seyn ohne Universalität des Geistes[14], d. h. ohne die Biegsamkeit, welche uns in den Stand setzt, mit Verläugnung persönlicher Vorliebe und blinder Gewöhnung, uns in die Eigenheiten anderer Völker[1] 〈6〉 und Zeitalter zu versetzen, sie gleichsam aus ihrem Mittelpunkte heraus zu fühlen, und was die menschliche Natur adelt, alles Schöne[2] und Große unter den äußerlichen Zuthaten, deren es zu seiner Verkörperung bedarf, ja bisweilen unter befremdlich scheinenden Verkleidungen zu erkennen und gehörig zu würdigen. ➢ Volltext.
[90] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 111 f. (112): Andre haben sich begnügt zu sagen, was uns zu tragischen Darstellungen hinzieht, sey das Bedürfnis heftiger Erschütterungen, um uns aus der Dumpfheit des alltäglichen Lebens zu reißen. Dieß Bedürfniß ist vorhanden, ich habe es anerkannt, als ich vom Reiz des Schauspiels überhaupt redete; es hat den Thiergefechten, bey den Römern sogar den Fechterspielen ihren Ursprung gegeben. Aber sollten wir, weniger verhärtet, und zu zarteren Rührungen geneigt, Halbgötter und Helden in die blutige Arena der tragischen Bühne herabsteigen zu sehen verlangen, wie verworfene Gladiatoren, nur um unsre Nerven durch den Anblick ihrer Leiden zu erschüttern? Nein, es ist nicht der Anblick des Leidens, was den Reiz 〈112〉 eines Trauerspiels ausmacht, oder der Spiele des Circus, oder selbst der Thiergefechte. In diesen sieht man Gewandtheit, Stärke und Muth sich entwickeln, lauter Eigenschaften, die geistigen und sittlichen Fertigkeiten des Menschen verwandt sind. Was in einem schönen[1] Trauerspiel aus unsrer Theilnahme an den dargestellten gewaltsamen Lagen und zerreißenden Leiden eine gewisse Befriedigung hevorgehen läßt, ist entweder das Gefühl der Würde der menschlichen Natur, durch große Vorbilder geweckt, oder die Spur einer höheren Ordnung der Dinge, dem scheinbar unregelmäßigen Gange der Begebenheiten eingedrückt, und geheimnißvoll darin offenbart, oder beydes zusammen. ➢ Volltext.
[91] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 275: Alles würdige, edle und große der menschlichen Natur läßt nur eine ernsthafte Darstellung zu: denn der Darstellende fühlt es gegen sich im Verhältnisse der Ueberlegenheit, es wird also bindend für ihn. Der komische Dichter muß es folglich von der seinigen ausschließen, sich darüber hinwegsetzen, ja es gänzlich läugnen, und die Menschheit[1] im entgegengesetzten Sinne[1] wie der Tragiker, nämlich ins häßliche[1] und schlechte, idealisiren. ➢ Volltext; ➢ vgl. [83].
[92] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 276: Das scherzhafte Ideal besteht [...] in der vollkommnen Harmonie und Eintracht der höhern Natur mit der thierischen, als des herrschenden Prinzips. Vernunft[1] und Verstand[1] werden als freywillige Sklavinnen der Sinne[3] vorgestellt. | Hieraus fließt nothwendig dasjenige, was im Aristophanes so viel Anstoß gegeben hat: die häufige Erinnerung an die niedrigen Bedürfnisse des Körpers, die muthwillige Schilderung des thierischen Naturtriebes, der sich trotz allen Fesseln, welche ihm Sittlichkeit und Anständigkeit anlegen wollen, immer, ehe man sichs versieht, in Freyheit[1] setzt. Wenn wir darauf achten, was noch jetzt auf unsrer komischen Bühne die unfehlbare Wirkung des Lächerlichen macht, und sich nie abnutzen kann, sind es eben solche unbezwingliche Regungen der Sinnlichkeit im Widerspruch mit höheren Foderungen: Feigheit, kindische Eitelkeit, Plauderhaftigkeit, Leckerey, Faulheit u. s. w. So wird z. B. Lüsternheit am gebrechlichen Alter um so lächerlicher, 〈277〉 weil sich da zeigt, daß es nicht der bloße Trieb des Thieres[1] ist, sondern daß die Vernunft nur gedient hat, die Herrschaft der Sinnlichkeit unverhältnißmäßig zu erweitern; und durch Trunkenheit setzt sich der wirkliche Mensch gewissermaßen in den Zustand des komischen Ideals. ➢ Volltext .
[93] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 70: Niemand hat so wie er [sc. Shakspeare] den leisen Selbstbetrug geschildert, die halb selbstbewußte Heucheley gegen sich, womit auch edle Gemüther die in der menschlichen Natur fast unvermeidliche Eindrängung selbstischer Triebfedern verkleiden. Diese geheime Ironie[1] der Charakteristik ist bewundernswürdig als ein Abgrund von Scharfsinn, aber dem Enthusiasmus thut sie wehe. Dahin kommt man also, wenn 〈71〉 man das Unglück gehabt hat, die Menschheit[1] zu durchschauen, und außer der traurigen Wahrheit, daß keine Tugend und Größe ganz rein und ächt sey, und dem gefährlichen Irrthum als stände das Höchste zu erreichen, bleibt uns keine Wahl übrig. Hier spüre ich, während er die innigsten Rührungen erregt, in dem Dichter selbst eine gewisse Kälte, aber die eines überlegenen Geistes[32], der den Kreis des menschlichen Daseyns durchlaufen, und das Gefühl überlebt hat. ➢ Volltext.
[94] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (21817), 3 f. (4): Die allgemeine philosophische Theorie der Poesie[1] und der übrigen schönen[2] Künste[1] stellt die Grundgesetze des Schönen[1] auf, die allen mit einander gemein sind. Jede Kunst[2] hat ferner ihre besondere Theorie, welche darauf abzweckt, die Gränzen, die Schwierigkeiten und die Mittel dieser Kunst[2] kennen zu lehren. Hiezu werden wissenschaftliche Erörterungen erfo〈4〉dert, welche dem Künstler nützlich, aber wenig anziehend für solche Freunde der Kunst[2] sind, die nur die Hervorbringungen ausgezeichneter Geister[32] genießen wollen. Die allgemeine Theorie hingegen zergliedert eine der menschlichen Natur wesentliche Eigenschaft: die Fähigkeit das Schöne[1] zu empfinden, woraus das Bedürfniß der schönen[2] Künste[1] und das Wohlgefallen daran entsteht; sie zeigt das Verhältniß zwischen dieser Fähigkeit und allen übrigen sittlichen und erkennenden Fähigkeiten des Menschen. Sie ist also sehr wichtig für den Denker, aber an sich allein reicht sie nicht hin, um zur Führerin bey Ausübung der Kunst[2] zu dienen. | Die Geschichte[4] der schönen[2] Künste[1] lehrt uns, was geleistet worden, die Theorie, was geleistet werden soll. Ohne ein verbindendes Mittelglied würden beyde abgesondert und unzulänglich bleiben. Die Kritik[2] ist es, welche die Geschichte[4] der Künste[2] aufklärt, und ihre Theorie fruchtbar macht. Die Vergleichung und Beurtheilung der vorhandenen Hervorbringungen des menschlichen Geistes[11] muß uns die Bedingungen an die Hand geben, die zur Bildung[1] eigenthümlicher und gehaltvoller Kunstwerke[2] erforderlich sind..
[95] A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), XII f.: Die Aufgabe der litterarischen und Kunst[11]-Kritik[1] ist ja nicht, wie es von der philologischen und historischen Kritik[1] allerdings gilt, die scharfsinnige und gelehrte Führung eines schwierigen Erweises. Die Bemühung des Kritikers verliert dadurch nichts an ihrem Werth, daß das Urtheil unverbildeter, unverwöhnter und vorurtheilsfreier Leser des Gedichtes oder Betrachter des Kunstwerkes schon im voraus mit dem seinigen übereinstimmt. Man suchte nur einen Sprecher der gemeinsamen Empfindungen, weil die Mittheilung und Verständigung darüber den Genuß erhöht. Die Aufgabe ist, für den Gesamt-Eindruck, der aus einem unendlich feinen Gewebe einzelner Eindrücke zusammengesetzt ist, den angemessensten Ausdruck zu finden; diese Wirkung des Kunstwerkes aus den Anlagen der menschlichen Natur, aus den Forderungen des äußern Sinnes[4], der Einbildungskraft, des Geschmacks, des Verstandes und des sittlichen Gefühls, befriedigend zu erklären; und überall von dem besonderen Fall auf allgemeine Wahrheiten und Grundgesetze zurückzuweisen. Man schätzt die Verbindung des philosophi〈XIII〉schen Geistes[22] mit der praktischen Einsicht, wie dieses oder jenes anders und besser hätte gemacht werden können, aber warum das Ganze, so wie es ist, vollendet erscheint..
[96] F. Schlegel, Philolog. I (*1797), KFSA 16, 35, Nr. 1: Der Unterschied des Klassischen[7] und Progressiven[5] ist historischen Ursprungs. Darum fehlt er den meisten Philologen. Mit Winkelmann fängt auch in dieser Rücksicht eine ganz neue[1] Epoche an. 〈Mein Meister.〉 Er hat den unermeßlichen Unterschied eingesehn, die ganz eigne Natur des Alterthums[3]. Er ist eigentlich ohne Nachfolger geblieben..
[97] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 59, Nr. 220: Kant der Kopernikus der Philosophie hat von Natur vielleicht noch mehr synkretistischen Geist[20] und kritischen[1] Witz[2/3?] als Leibniz: aber seine Situazion und seine Bildung[5] ist nicht so witzig; auch geht es seinen Einfällen wie beliebten Melodieen: die Kantianer haben sie todt gesungen; daher kann man ihm leicht Unrecht thun, und ihn für weniger witzig halten, als er ist.
[98] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 14: Obgleich mir aber auch das, was man gewöhnlich Religion[1] nennt, eins der wunderbarsten, größesten Phänomene zu seyn scheint, so kann ich doch im strengen Sinne nur das für Religion[3] gelten lassen, wenn man göttlich denkt, und dichtet, und lebt, wenn man voll von Gott ist; wenn ein Hauch von Andacht und Begeisterung über unser ganzes Seyn ausgegossen ist; wenn man nichts mehr um der Pflicht, sondern alles aus Liebe thut, bloß weil man es will, und wenn man es nur darum will, weil es Gott sagt, nämlich Gott in uns. | Es ist mir, als ob ich Dich bey diesem Stücke Religion[3] denken hörte: „Wenn es also nur auf die Andacht und auf die Anbetung des Göttlichen ankommt; wenn das Menschliche überall das Höchste ist; wenn der Mann von Natur der erhabnere Mensch ist: so wäre es ja der rechte, und wohl der nächste Weg den Geliebten anzubeten, und so die menschenvergötternde Religion[1] der menschlichen Griechen zu modernisiren?“ – Ich werde gewiß der letzte seyn, der Dir diesen Weg abräth oder verleidet, wenn der Mann, den Du meinst, anders der ursprünglichen Natur des Mannes getreu, und von erhabnem Sinne[9] ist. Ich wenigstens könnte nicht lieben, ohne auf die Gefahr der Chevalerie etwas anzubeten; und ich weiß nicht, ob ich das Universum von ganzer Seele anbeten könnte, wenn ich nie ein Weib geliebt hätte. Aber freylich das Universum ist und bleibt meine Losung.
[99] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 101 ff. (102 f.): Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre[4] spricht. | Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüth verlassen. Freylich, wem es da trocken ist, dem wird es nirgends quillen; und das ist eine bekannte Wahrheit, gegen die ich am wenigsten gesonnen bin mich aufzulehnen. Aber wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Aehnlichen, oder bey 〈102〉 gleicher Würde Feindlichen entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte[1] bilden. [...] | Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk[1] der Natur[2]. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigenthümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode, wenn ich so sagen darf. | Da finde ich nun eine große Aehnlichkeit mit jenem großen Witz[2] der romantischen[12/4] Poesie[22], der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Construction des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakspeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie[1], der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt, scheinen mir schon selbst eine indirekte Mythologie zu seyn. Die Organisazion[8] ist dieselbe und gewiß ist die Arabeske die älteste[1] und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie[2]. Weder dieser Witz[2] noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte[5] Natur[1/19] und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive[2] Tiefsinn den Schein des Verkehrten 〈103〉 und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie[11], den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft[1] aufzuheben und uns wieder in die schöne[1] Verwirrung der Fantasie[2], in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur[1/19] zu versetzen, für das ich kein schöneres[1] Symbol bis jetzt kenne, als das bunte[2] Gewimmel der alten[10] Götter[5]. ➢ Volltext.
[100] A. W. Schlegel/C. Schlegel, Rez. Schulz (1797), 219: Man kann, ohne im geringsten undeutsch zu werden, das Schleppende und Schwerfällige, Fehler, denen unsre Sprache[3] durch die Natur ihrer Wortfügungen und Wortstellungen nur allzusehr ausgesezt ist, mit dem raschen, flüchtigen Tritte der Französischen Prosa[5] vertauschen. Nichts würde uns im Grunde mehr von den Vorzügen dieses Musters entfernen als Gallicismen; denn keine Nation[1] wacht sorgfältiger über die charakteristische[4] Reinheit ihrer Sprache[3], und verbannt alles, was sich nicht mit ihrer allgemeinen Beschaffenheit in Harmonie setzen läßt, mit größerer Strenge daraus, als die Französische. Diese Klippe, auf die man bey dem Bestreben nach Annäherung so leicht geräth, hat Hr. S. [sc. Friedrich Schulz] mehrentheils glücklich vermieden. Selbst wo er ganz nach fremden[1] Erfindungen arbeitet, überträgt er weniger wörtlich, und erinnert seltner an ein Original, als die deutsche Treue, die sich sonst auch im Uebersetzen[1] bewährt, es mit sich bringt. Vielleicht ist es ihm eben dadurch besser gelungen, den Eindruck im Ganzen wieder zu geben, wozu in dieser Gattung die Ungezwungenheit sehr wesentlich mitgehört..
[101] Schlichtegroll, Mozart (1793), 7: Der Mensch mit wunderähnlichen Gaben und Fertigkeiten von der Natur[2] beschenkt, ist selten ein allgemeines Muster zur Nachahmung für Andere. So wie seine Vollkommenheiten uns übrigen unerreichbar sind, so können auch seine Fehler nicht zu unserer Entschuldigung gereichen. Um sich brauchbare Regeln für das praktische Leben als Mensch im Allgemeinen abzuziehen, und durch Aufmerksamkeit auf Beyspiele sich dem erreichbaren Grade der Ausbildung unserer Natur[1] zu nähern, müssen wir nicht jene seltnen Menschen zum Muster auswählen, sondern vielmehr Geister[32] von mittlern Gaben, die aber diese Anlagen gleichförmig und vorsichtig ausgebildet haben, und denen wir es gleich zu thun hoffen dürfen..
[102] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 154: So unvollkommen dieses Instrument[3] [sc. Waldhorn] ist, so meisterhaft wußte er [sc. Jean-Joseph Rodolphe] ihm seine Inconsequenzen abzuringen. Seine Stärke war mehr in der Tiefe, mit der Höhe befaßte er sich nur so weit, als es die Natur des Instruments[3] gestattet..
[103] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 15: In den Bildern der Sprache[1] und in den Gleichnissen kommt ein großer Theil des Vergnügens von dem weiten Abstand des Bildes von seinem Urbilde her. Wer in der Natur einer Pflanze[1] richtige Aehnlichkeiten mit moralischen Gegenständen entdeket, der hat etwas feineres bemerket, als der, welcher dasselbe in einem Thier[1] bemerket hat..
[104] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 114: Es ist ganz wider die Natur[21], daß die überwältigende Anfälle der Leidenschaft ofte kommen, oder lange anhalten. So bald man aber merkt, daß ein Scribent den Mangel der Begriffe[1] mit Ausrufen ersetzen will, so wird man kalt. Sie würken nur alsdenn, wenn man uns so viel verständliches von der Gemüthslage gesagt hat, daß wir die Stärke der Empfindung begreiffen. Daher kömmt es, daß die Ausrufung bisweilen ihre Natur[1] ganz verändert, und ironisch[1] wird, so wie in dieser Stelle aus Hallers Ode, über die Ehre: | O! edler Lohn für meine Mühe, | Wenn ich mich in der Zeitung sehe, | Bey einem Schelmen, oben an..
[105] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 457: Wir dürfen uns nicht scheuhen, die Anlage zum Genie[2] selbst in der thierischen Natur aufzusuchen, da man durchgehends übereingekommen ist, auch den Thieren[1] etwas dem Genie[2] ähnliches zuzuschreiben. Wir sehen, daß jedes Thier[1] alle Geschäffte, die zu seinen Bedürfnissen gehören, mit einer Geschicklichkeit und mit einer Fertigkeit verrichtet, die Genie[2] anzuzeigen scheinen. Bey dem Thier[1] liegt allemal ein höchst feines Gefühl, eine ausnehmende Reizbarkeit der Sinne[4] zum Grund..
[106] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 534: Es ist kein geringes Verdienst an dem Ovidius, (sagt ein sehr scharfsinniger englischer Kunstrichter [...]) daß er die schöne Methode erfunden hat, unter erdichteten Charaktern[7] Briefe[3] zu schreiben. Es ist eine große Verbesserung der griechischen Elegie, über welche die dramatische Natur jener Schreibart einen ungemeinen Vorzug erhielt..
[107] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 1268: Nach dem Stoff kommt die Darstellung desselben in Betrachtung, wodurch das Werk eigentlich zum Werke des Geschmaks wird. Sie erfodert eine Behandlung des Stoffs, wodurch er sich der Vorstellungskraft lebhaft einpräget, und in dauerhaften Andenken bleibt. Beydes sezet voraus, daß das Werk die Aufmerksamkeit stark reizen, und durchaus unterhalten müsse. Denn die Lebhaftigkeit des Eindruks, den ein Gegenstand auf uns macht, ist insgemein dem Grad der Aufmerksamkeit, mit dem er gefaßt wird, angemessen. Das Werk muß demnach sowol im Ganzen, als in einzelen Theilen uns mit unwiederstehlicher Macht gleichsam zwingen, uns seinen Eindrüken zu überlassen. Darum muß weder im Ganzen, noch in den einzelen Theilen nicht nur nichts anstößiges, oder wiedriges seyn, sondern alles muß Ordnung, Richtigkeit, Klarheit, Lebhaftigkeit und kurz jede Eigenschaft haben, wodurch die Vorstellungskraft vorzüglich gereizt wird. Es muß ein einfaches, leicht zu fassendes, unzertrennliches und vollständiges Ganzes ausmachen, dessen Theile natürlichen Zusammenhang und vollkommene Harmonie haben. Man muß bald sehen, oder merken, was es seyn soll; weil die Ungewißheit über diesen Punkt der Aufmerksamkeit gefährlich wird. Je bestimmter man den Hauptinhalt ins Auge faßt, und je ununterbrochener die Aufmerksamkeit von Anfang bis zum End unterhalten wird, je vollkommener ist das Werk in Absicht auf die Darstellung. | Dieses sind allgemeine Foderungen, die aus der Natur der Sache selbst fließen; und gar nichts willkührliches haben. Für welches Volk, für welches Weltalter, ein Werk gemacht sey; muß es doch die erwähnten Eigenschaften haben. Außer dem muß auch die Critik[8] nichts fodern, und dem Künstler weder in Ansehung der Form, noch in Rüksicht auf das besondere der Behandlung, Geseze vorschreiben. Thut er jenen Fodrungen genug, so hat ihm über die besondere Art, wie er es thut, Niemand etwas vorzuschreiben..
[108] Wieland, Aristipp. I (1800–01), SW 22, 394: Um diese Allegorie nicht zu lange zu verfolgen, bemerke ich nur, daß das Daseyn der Vernunft und ihr Einfluß auf unsre sinnliche oder thierische Natur sich, wie bei den Kindern schon in der frühen Dämmerung des Lebens, so bei allen, selbst den rohesten Völkern[1] schon in den ersten Anfängen der Cultur[3] vornehmlich darin beweist, daß sie (wofern nicht besondere klimatische oder andere zufällige Ursachen im Wege stehen) sich selbst und ihren Zustand immer zu verschönern und zu verbessern suchen..
[109] Zelter, Selbstbiogr. (*1820), 18: Die italienische und überhaupt eine fremde[1] Sprache[3] schien mir notwendig, ja natürlich zur Darstellung so wunderbarer Dinge. Daher kam es mir denn niemals unschicklich vor, Helden singend sterben zu sehn, wogegen ich oft genug die Einwendungen der damaligen Kritik[8] anhörte. Und indem ich dem Wunderbaren seine eigene Natur zugestand, konnte es mich vielmehr erschrecken, wenn ich an den Schauspielern Ausdrucksarten oder Bewegungen wahrnahm, die das Untergeordnete, Alltägliche verrieten..
2
1798), 442: Witz[1], welchen man von Natur und ohne Unterricht hat, heißt Mutterwitz.[2] B. v. Arnim, Frühlingskr. (*1800–04; 1844), 174: Auch darüber kann ich mich trösten wenn meine Gedanken nicht mit der Klugheit der Menschen übereinstimmen; diese Klugheit verträgt sich nicht mit meiner hüpfenden und springenden Natur, die in allem sich selber verstehen will und wie ein Speer sich der Klugheit entgegen wirft.
➢ Volltext
[3] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 35: Denn allerdings giebt es außer jenem großen und hohen Styl in der Kunst[10] noch einen andern, der dem von Natur minder reinen, oder durch Verwöhnung verdorbenen Geschmack sogar noch gefälliger schmeichelt, und daher sehr oft mit jenem allein echten verwechselt wird. Ja, da beide gewissermaßen in zwei verschie〈36〉denen Regionen liegen, so kann selbst die Kritik[8] zwischen zwei Kunstwerken[2] zweifelhaft seyn, von denen das eine in jenem minder hohen Styl mehr leistet, als das andre auf seinem besseren, aber auch steileren und gefahrvolleren Pfade.
[4] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!
1802–03), KAV 1, 612: Bey den Griechen war, wie wir gesehen haben, der Ionische Dialekt[1] der eigenthümlich epische, so sehr, daß auch Dichter, die von Geburt gar nicht Ionier waren, sich dessen bedienten, so bald sie ein Epos dichteten. Die Römische Sprache[3] hatte nun nichts den Griechischen Dialekten[1] ähnliches, und konnte nach ihrer besondern Natur sich die Flüßigkeit und allbiegsame Gelindigkeit des Ionischen Dialekts[1] keinesweges aneignen; ihr Charakter[1] bestand vielmehr in gebieterischer Kürze und einer Schweigsamkeit, die fast an Stummheit gränzte.[5] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 307: Es bleibt uns nun noch übrig die Sprache[1] in so fern sie hörbar ist, von ihrer musikalischen[3] Seite, zu betrachten. | Das erste hiebey sind die einzelnen Elemente, und da läßt sich allerdings behaupten, daß es unter allen nationalen Abweichungen ein Grund-Alphabet giebt, worin sich aus der Natur der Sprachorgane systematische Vollständigkeit nachweisen läßt, so daß es keinesweges zufällig ist, daß es diese und gerade so viele Buchstaben[7] giebt. Hieraus ist denn auch ihre Verwandtschaft und die Möglichkeit der Übergänge in einander einzusehen. Selbst Consonanten und Vocale sind nicht absolut getrennt, sondern an den beyden Enden der Reihe aus dem i und u gehen diese in die Consonanten j und w über, wie es auch durch die Sprechart mehrer Sprachen[3] angedeutet wird.
[6] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 309: Die Metrik hat aber allerdings eine nicht auf Erfahrung ruhende Gesetzmäßigkeit, und kann im allgemeinen a priori gelehrt werden nur daß dann die näheren Bestimmungen aus der individuellen Natur jeder Sprache[3] zu entlehnen sind. Unstreitig waren sowohl die Griechischen[2] Dichter als die Stifter der romantischen[12] Poesie[11] im Besitz eines solchen reinen Systems und es kommt bloß darauf an, ihre Praxis gehörig zu verstehen und es daraus zu entwickeln.
[7] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 312: Die accentuirten und nicht accentuirten Sylben hat man alsdann in ein ungefähres Gleichgewicht zu setzen gesucht, oder es hat sich dieß auch von selbst gemacht. [...] Was nun die Anordnung dabey betrifft, so hat sich der Geschmack und das Ohr[3] der nordischen Nationen[1], der Deutschen, Engländer u. s. w. für ein regelmäßiges Alterniren, das der südlichen aber, der Franzosen, Italiäner, Spanier und Portugiesen für eine beseeltere Freyheit[1] entschieden, und erst seit kurzem hat man den Deutschen Versbau, so viel es die Natur der Sprache[3] gestattet, den letztgenannten Mustern anzunähern versucht.
[8] A. W. Schlegel, an S. Tieck-Bernhardi (7. 7. 1805), KJ 1, 212: Ich besinne mich nicht genau auf Schützens Wappen, doch ist es nur zu wahrscheinlich, daß er und Schierstädt die Hand im Spiele haben, weil B.[ernhardi] ohne fremde Verhetzung nie von Pistolen reden wird, die seiner Natur aufs äußerste zuwider sind. Er wird es für seine Person immer vorziehen, jemanden im Schlaf zu überfallen, und ihn z. B. mit einem Pfahl auszuweiden. [⦿]
[9] Winckelmann, Anm. Gesch. Kunst (1767), [Widm. 1]: Ich setze Ihren Namen dieser Arbeit vor, weniger in Absicht einer Zuschrift, als vielmehr um Gelegenheit zu haben, von unserer geprüfeten Freundschaft, die von höherer Natur ist, ein öffentlich Zeugniß zu geben.
[10] Adelung, Gramm.-krit. Wb. IV (
2
1801), 730: Nichts desto weniger ist in den neuern Zeiten von einigen Halblateinern, aus einer sclavischen Nachahmung, die übele Gewohnheit wieder aufgebracht worden, in der alphabetischen Stellung der Wörter[1], die mit u und v anfangenden unter einander zu werfen, und Vater, Übel, Üben, Ver, Ufer, Uhr, Un, Vor u. s. f. als Wörter[1] Eines Buchstabens[4] auf einander folgen zu lassen. Man sollte kaum glauben daß ein so thörichter und widersinniger Einfall Beyfall finden können, und doch findet man ihn fast in allen Wörterbüchern und Registern angewandt. Ich habe es für Pflicht gehalten, der Natur und Vernunft, die beyde Buchstaben[1] wesentlich getrennet haben, getreu zu bleiben, und sie in diesem Wörterbuche gleichfalls von einander abzusondern..[11] B. v. Arnim, Königssohn (*1808), K, 9: Es hat aber manch edel Wild geklagt um die Freiheit[5], die ihm der Mensch listig geraubt hat, daß es hat müssen Sklavendienste tun, das es doch nicht schuldig war zu tun und auch keine Natur dazu hat und muß trocken Heu für seine Dienste fressen, da es doch hat können im Wald frisch Laub fressen, und muß um sein Maul lassen einen Zaum binden und sich mit einer Peitsche regieren lassen..
[12] B. v. Arnim, Briefw. Kind II (1835), 93: Speckbacher ist ein einziger Held, Witz[1], Geist[22], kaltes Blut, strenger Ernst, unbegrenzte Güte, durchsichtige, bedürfnißlose Natur [...]..
[13] B. v. Arnim, Briefw. Kind II (1835), 182: Freiberg, zwanzig Jahr alt, große männliche Gestalt, als ob er schon älter sei, ein Gesicht wie eine römische Gemme, geheimnißvolle Natur, verborgner Stolz, Liebe und Wohlwollen gegen alle, nicht vertraulich, verträgt die härtesten Anstrengungen, schläft wenig, guckt Nachts zum Fenster hinaus nach den Sternen übt eine magische Gewalt über die Freunde, obschon er sie weder durch Witz[1], noch durch entschiedenen Willen zu behaupten geneigt ist; aber alle haben ein unerschütterliches Zutrauen zu ihm, was der Freiberg will, das muß geschehen..
[14] B. v. Arnim, Briefw. Kind III (1835), 107: Mancher will sich selbst beherrschen, daran scheitert jeder Witz[3], jede List, jede Ausdauer; er muß sich selbst beherrschen lassen durch seinen Genius, durch seine idealische Natur..
[15] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 3: Wenn wir Wesen annehmen, um eine Stuffe über die Menschen[1] erhöht, aber der Natur[1] derselben verwandt; Geschöpfe, welche gegen unser Geschlecht in demselben Verhältnisse stehen, als wir gegen das der Thiere[1]; und wenn wir glauben, daß jene Wesen uns mit eben der unermüdeten Sorgfalt beobachten, als wir die uns untergeordneten thierischen Naturen[10]: so müßte nach unsern Begriffen[1], das Geschlecht der Menschen[1] der interessanteste[1] Gegenstand ihrer Beobachtungen sein. ➢ Volltext.
[16] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 115 f. (116): Das älteste und ehrwürdigste Buch, welches wir kennen, [...] giebt einen herrlichen historischen Wink, daß wohl mit der Nachahmung des Geschreies der Thiere[1], dem ersten Feinde des wehrlosen Menschen, die Nachahmung und die Sprache[1] angefangen habe. [...] In diesem Sinne findet Lukrez [...] die Sprache unter der Bedingung der Redeorgane, und der verschiedenartigen Rührung der Sinnlichkeit, nicht wunderbarer, 〈116〉 als den Gesang der Vögel und das Geschrei der Thiere[1], verwirft die Ableitung der Verabredung mit Recht, und deutet seine Idee darüber, daß das Bedürfniß zuerst die Ursache des Sprechens gewesen, und daß Wink, Gebehrde und unartikulirter Ton der rohste Anfang der Sprache[1] sei, [...] an. [...] Und in der That ist die Erscheinung der Sprache[1] so wesentlich mit der Natur des Menschen verwebt, daß sie bei gesunden Organen[2], selbst in der Einsamkeit sich äußert. ➢ Volltext.
[17] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 250: Die unarticulirten Spiritus theilen sich dem Grade nach ab in den gelinden, welches der Lenis ist, und in den asper, welchen das H ist, beide können ihrer Natur nach sowohl mit Vocalen als Consonanten concresciren [...]. [...] | Diesen stehen entgegen die artikulirten Spiritus, welche sich dadurch, wie oben erinnert, den Consonanten nähern. Um diese Näherung hervorzubringen, zu gleicher Zelt aber das Zusammenfallen mit jener Art 〈251〉 von Buchstaben[7] zu vermeiden, muß die Articulation das Mittel halten, zwischen der, welche bei Vocalen, und, der, welche bei Consonanten vorkommt. ➢ Volltext.
[18] C. Böhmer, an Ch. Michaelis (27. 12. 1787), C 1, 168: Ich befinde mich weder beßer noch schlechter [...], außer der Unterhaltung, die mir die Amtmannin von Hohenweiler gewährt hat, und die wirklich ein Fest für mich war. Eine liebe anziehende Erzählung, und an der ich nichts auszusetzen weiß, als daß sie gegen das Ende für den simpeln kunstlosen Anfang durch das Treffen bekanter Personen zu romanhaft[3] wird – und das liegt wohl in der Natur der Sache, denn die Alte[2] hatte gar viele Kinder, und jeder seinen Anhang, der ganz natürlich[4] bald hinter ihm herkam, und ihr Haus war der algemeine Sammelplaz..
[19] Börne, Schild. Paris XV (1823), SS 2, 72: Da war nicht die schwüle Stille, die man in andern Kaffeehäusern findet; da wurde geschwatzt, geschrien, da knallten die Stöpsel der Bierflaschen, da schlugen die Billardkugeln, da klapperten die Domino- und Damensteine. Da [...] gibt es [...] tüchtiges Volk[7], ehrliche Leute, aufrichtiges Lumpengesindel, Zahnärzte, Spieler, Kaufleute, Kreolen, Amerikaner, Holländer und jüdische Lieferanten [...]. Die Kellerjungen – o die glücklichen Südländer, sie sind unreinlich und natürlich[2] wie ihre Natur[1/14?]! – die Kellerjungen räumten die Pfeifenköpfe mit denselben Korkziehern aus, mit welchen sie die Flaschen öffneten, und es war keiner, den das verdroß. Doch glaube man ja nicht, daß alles nordisch und deutsch gewesen; durch den Schleier der Rauchwolken entdeckte man französische Zierlichkeit genug; der Essig deutscher Romantik[6] war mit dem Öle französischer Klassizität im gehörigen Maße vermischt. Es waren glänzende Zimmer mit seidenen Vorhängen, mit Standuhren, mit Vasen [...] und hohe Spiegel ringsumher an den Wänden [...]..
[20] Börne, Brf. Paris V (1834), 134: Odillon-Barrot, der Advokat des Klägers [sc. Victor Hugo], nahm das Wort. „Die Berühmtheit meines Clienten überhebt mich der Pflicht Sie mit ihm bekannt zu machen. Seine Sendung, die ihm von seinem Talente, seinem Genie[3] angewiesen, war, unsere Literatur zur Wahrheit zurückzuführen; nicht zu jener Wahrheit die nur ein Werk zur Uebereinkunft ist, zu einer gemachten Wahrheit; sondern zu der Wahrheit, die aus der Tiefe unserer Natur, unserer Sitten und Gewohnheiten geschöpft wird. Diese Sendung, er hat sie mit Muth übernommen, mit Ausdauer und Talent durchgeführt.“ Nun bitte ich Sie, was das für Menschen sind! Da ist Viktor Hugo, der Fürst der Romantiker[3], der sein Land und Volk[4] vertheidigt; 〈135〉 da ist Odillon-Barrot, der erste Advokat Frankreichs, der ihm beisteht, und beide wissen nicht einmal, worin das Wesen der Romantik[14], worin ihr gutes Recht besteht. Es besteht nicht in der Wahrheit, wie sie sagen, sondern in der Freiheit[17]..
[21] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 23: Allein die Menschheit[2] steht in diesem Erdtheile [sc. Afrika] ohne Zweifel auf der niedrigsten Stufe der Cultur[4] und Vollkommenheit; beide, die Natur[1/2] und die Menschen[1], welche letztern so oft die schönsten[6] Anlagen jener zerstören, scheinen sich vereinigt zu haben, dieses zu bewirken..
[22] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 79: Arianer, eine christliche Religionssecte, deren Urheber Arius war, von welchem sie auch den Namen führt. [...] Ihre vornehmsten Lehrpunkte waren: Christus sei zwar Gott[2], aber geringer als der Vater; er sei ein Geschöpf, zum Gott[2] gemacht durch den Willen seines Vaters; er sei Gottes[1] Sohn, aber nicht von Natur, sondern durch Adoptirung: der Vater habe durch ihn die Welt gemacht; der heilige Geist[1] sei gar nicht Gott[3], sondern ein Geschöpf des Sohnes, 〈80〉 und er habe in der Schöpfung mit gewirkt..
[23] Carus, Brf. Landsch. (1831), 81: Die Bildhauerei [...] kann ihrer Natur 〈82〉 nach hauptsächlich nur auf Abbildung menschlicher Form beschränkt sein [...], und werden [...] allgemeinere Ideen [...] dargestellt, so kann man dies schon eine Art von romantischer[7] Plastik nennen, welche durch Symbole zu uns redet. Verherrlichung der menschlichen Gestalt aber ist, wie gesagt, das wahre Ziel der Plastik [...]; sie ist daher ihrem Wesen nach durchaus realistisch, und die Gestalt an sich, nicht der Ausdruck derselben, wird von ihr gesucht..
[24] Ehrmann, Nina (1788), 58: Helden haben ihr enthusiastisches Feuer, Patrioten ihren wahren Eifer, biedere Bürger feste Treue, und warum sollten Wahrhaftliebende keine Beharrlichkeit haben? – – Vorausgesezt, daß sie überzeugt sind, ohne Neben-Absicht zu lieben, so bald sie untersucht haben, ob es nicht blos jugendliche Uebereilung ist, worunter feurige Sehnsucht nach Genuß stekt, so bald sie wißen, daß die Natur sie an einander kettete, so bald sie bei gegenseitiger Untersuchung einer reinen Kritik[1] fähig sind; – Kurz, so bald zwei Köpfe zusammen kommen, denen es nicht an Menschenkenntniß fehlt, die lange vorher unter freundschaftlicher Beobachtung die gegenseitige Gemüthsart untersuchten..
[25] G. Forster, Ansichten II (1791), W 2, 800: [I]n den Gelenken unserer Gastwirthe [ist] eine natürliche[3] Steifigkeit, die sich nur durch die Zauberkraft einer Equipage mit Sechsen, oder eines adlichen Wapenschildes vertreiben läßt. Die Huldigung, die sie dem Reichthum leisten, möchte man ihnen noch verzeihen: sie hat wenigstens einen Gegenstand; allein die Furcht vor der privilegirten Klasse[2] der Nation[1] ist ein Schandfleck von angestammter Niederträchtigkeit, der die menschliche Natur entehrt, am meisten da, wo der Adel[2] durch keinen Zügel, weder durch Eigennutz, noch durch Begriffe[1] von Ehre und Schande, sich gehalten fühlt, mithin, weil er die oberste Stelle ohne sein Verdienst besitzt, dem eigenthümlichen Werthe nach auf die allerunterste Stufe hinabgesunken ist, und die Verachtung aller übrigen, die alle besser und edler sind als er, in vollem Maße verdient..
[26] Frölich, Virginia I (1820), 100: Von seinem Freunde hatte mein Bruder mir unaufhörlich zu erzählen, und es wurde mir bald Gewohnheit, am Schlusse meiner Briefe[1] ihm einen Gruß an seinen Pilades aufzutragen. Mucius erwiederte diese Aufmerksamkeit durch einige sehr artige Verse, welche er unter einen Brief[1] meines Bruders schrieb. Ich antwortete durch ein kleines Gegengedicht, ebenfalls in einem Briefe[1] an Emil, und so entspann sich ein mittelbarer Briefwechsel, welcher mich, durch seine romantische[5] Natur, unendlich reizte. Die Artigkeit ging in 〈101〉 Gefühl über, und ein dunkles Sehnen bemächtigte sich unsrer Herzen..
[27] Goethe, an C. L. v. Knebel (17. 11. 1784), WA IV, 6, 389 f. (390): Hier schicke ich dir endlich die Abhandlung aus dem Knochenreiche, und bitte um deine Gedancken drüber. Ich habe mich enthalten das Resultat, worauf schon Herder in seinen Ideen deutet, schon ietzo mercken zu lassen, daß man nähmlich den Unterschied des Menschen[1] vom Thier[1] in nichts einzelnem finden könne. Viel〈390〉mehr ist der Mensch[1] aufs nächste mit den Thieren[1] verwandt. Die Übereinstimung des Ganzen macht ein iedes Geschöpf zu dem was es ist, und der Mensch[1] ist Mensch[1] sogut durch die Gestalt und Natur seiner obern Kinlade, als durch Gestalt und Natur des letzten Gliedes seiner kleinen Zehe Mensch[1]..
[28] Goethe, an Schiller (17. 8. 1796), WA IV, 11, 163: Wenn es möglich ist daß die Deutschen begreifen, daß man ein guter tüchtiger Kerl seyn kann, ohne gerade ein Philister und ein Matz zu seyn, so müssen Ihre schönen[1] Sprüche das gute Werk vollbringen, indem die große Verhältnisse der menschlichen Natur mit so viel Adel[5], Freyheit[14] und Kühnheit dargestellt sind..
[29] Goethe, Wilh. Meister VIII (1796), WA I, 23, 167: Ein Kind, ein junger Mensch, die auf ihrem eigenen Wege irre gehen, sind mir lieber als manche, die auf fremdem[5] Wege recht wandeln. Finden jene, entweder durch sich selbst, oder durch Anleitung, den rechten Weg, das ist den, der ihrer Natur gemäß ist, so werden sie ihn nie verlassen, anstatt daß diese jeden Augenblick in Gefahr sind, ein fremdes[5] Joch abzuschütteln, und sich einer unbedingten Freiheit[1] zu übergeben..
[30] Goethe, Tag- u. Jahres-Hefte II (*1817..26; 1830), WA I, 36, 177 f. (178): Näher berührte mich die zwischen Voß und Stolberg ausbrechende Mißhelligkeit, nicht sowohl der Ausbruch selbst, als die Einsicht in ein vieljähriges Mißverhältniß, das klügere Menschen früher ausgesprochen und aufgehoben hätten. Aber wer entschließt sich leicht zu einer solchen Operation? Sind doch Ortsverhältnisse, Familienbezüge, Herkömmlichkeiten und Gewohnheiten schon abstumpfend genug; sie machen in Geschäften, im Eh- und Hausstande, in geselligen Verbindungen das Unerträgliche ertragbar. Auch hätte das Unvereinbare von Vossens und Stolbergs 〈178〉 Natur sich früher ausgesprochen und entschieden, hätte nicht Agnes als Engel das irdische Unwesen besänftigt, und als Grazioso eine furchtbar drohende Tragödie mit anmuthiger Ironie[3] durch die ersten Acte zu mildern gesucht. Kaum war sie abgetreten, so that sich das Unversöhnliche hervor [...]. ⦿.
[31] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 89 f. (90): Solger war nicht [...] mit oberflächlicher philosophischer Bildung[6] zufrieden, sondern sein ächt spekulatives innerstes Bedürfniß drängte ihn in die Tiefe der philosophischen Idee hinabzusteigen. Hier kam er auf das dialektische Moment der Idee, auf den Punkt, den ich „unendliche absolute Negativität“ nenne, auf die Thätigkeit der Idee, sich als das Unendliche und Allgemeine zu negiren zur Endlichkeit 〈90〉 und Besonderheit, und diese Negation ebenso sehr wieder aufzuheben, und somit das Allgemeine und Unendliche im Endlichen und Besondern wieder herzustellen. An dieser Negativität hielt Solger fest, und allerdings ist sie ein Moment in der spekulativen Idee, doch als diese bloße dialektische Unruhe und Auflösung des Unendlichen wie des Endlichen gefaßt, auch nur ein Moment, nicht aber, wie Solger es will, die ganze Idee. Solger's Leben ist leider zu frühe abgebrochen, als daß er hätte zur konkreten Ausführung der philosophischen Idee kommen können. So ist er bei dieser Seite der Negativität, die mit dem ironischen[3] Auflösen des Bestimmten wie des in sich Substantiellen Verwandtschaft hat, und in welcher er auch das Princip der Kunstthätigkeit erblickte, stehen geblieben. Doch in der Wirklichkeit seines Lebens war er bei der Festigkeit, dem Ernst und der Tüchtigkeit seines Charakters[1], weder selber in der obengeschilderten Weise ein ironischer[3] Künstler, noch sein tiefer Sinn[5] für wahrhafte Kunstwerke[2], den das dauernde Studium der Kunst[10] groß gezogen hatte, in dieser Beziehung von ironischer[3] Natur. Soviel zur Rechtfertigung Solgers, der es in Rücksicht auf Leben, Philosophie und Kunst[17] verdient von den bisher bezeichneten Aposteln der Ironie[3] unterschieden zu werden. ➢ Volltext.
[32] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 127: Die Thiere[1] leben in Frieden mit sich und den Dingen um sie her, doch die geistige Natur des Menschen[1] treibt die Zweiheit und Zerrissenheit hervor, in deren Widerspruch er sich herumschlägt. ➢ Volltext.
[33] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 333: Der Mensch[1] [...] hat sich selbst und die Umgebung, in welcher er lebt, nicht nur auszuschmücken, sondern er muß die Außendinge auch praktisch zu seinen praktischen Bedürfnissen und Zwecken verwenden. In diesem Gebiete geht erst die volle Arbeit, Plage und Abhängigkeit des Menschen[1] von der Endlichkeit und Prosa[4] des Lebens an, und es fragt sich daher hier vor allem, in wie weit auch dieser Kreis den Fordrungen der Kunst[8] gemäß könne dargestellt werden. | [...] Die nächste Weise, in welcher die Kunst[18] diese ganze Sphäre, um welche es handelt, zu beseitigen versucht hat, ist die Vorstellung eines sogenannten goldenen Zeitalters oder auch eines idyllischen Zustandes. Von der einen Seite her befriedigt dann dem Menschen[1] die Natur[2] mühelos jedes Bedürfniß, das sich in ihm regen mag, von der anderen her begnügt er sich in seiner Unschuld mit dem was Wiese, Wald, Heerden, ein Gärtchen, eine Hütte u. s. f. ihm an Nahrung, Wohnung und sonstigen Annehmlichkeiten bieten können, indem alle Leidenschaften des Ehrgeizes oder der Habsucht, Neigungen, welche dem höheren Adel[5] der menschlichen Natur[1] zuwider erscheinen, noch durchweg schweigen[4]. ➢ Volltext.
[34] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 473 f. (474): Dieses Herüberneigen [der Epik] zur lyrischen Auffassung findet seinen wesentlichen Grund darin, daß sich das gesammte Leben dieser Nationen[1] aus dem Princip der Subjektivität entwickelt [...] und sich dieser subjektiven Vertiefung in sich mehr und mehr bewußt wird. Am ungetrübtesten und vollständigsten bleibt dieß Princip bei den 〈474〉 germanischen Stämmen wirksam, während sich die slawischen umgekehrt aus der orientalischen[1] Versenkung in das Substantielle und Allgemeine erst herauszuringen haben. In der Mitte stehn die romanischen[2] Völker[1], welche in den eroberten Provinzen des römischen Reichs nicht nur die Reste römischer Kenntnisse und Bildung[5] überhaupt, sondern nach allen Seiten hin ausgearbeitete Zustände und Verhältnisse vor sich finden, und, indem sie sich damit verschmelzen, einen Theil ihrer ursprünglichen Natur dahingeben müssen. ➢ Volltext.
[35] Herder, N. Dt. Litt. II (1767), 207: Ein Theil unsrer besten Gedichte ist halb Morgenländisch[2]: ihr Muster ist die schöne[1] Natur des Orients[1]: sie borgen den Morgenländern Sitten und Geschmack ab – und so werden sie Originale. Wenn nicht neue[1]; so liefern sie doch wenigstens fremde[4] Bilder, Gesinnungen und Erdichtungen..
[36] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 66: Eben weil der Mensch[1] keine so hinreißende Instinkte hat, als die Thiere[1]: weil er zu so Mancherlei und zu Allem schwächer fähig – kurz! weil er Mensch[1] ist: so konnte er verarten. Würde er wohl so bärähnlich haben brummen, und so bärähnlich haben kriechen lernen, wenn er nicht gelenksame Organe[2], wenn er nicht gelenksame Glieder gehabt hätte? Würde jedes andre Thier[1], ein Affe und Esel es so weit gebracht haben? Würkte also nicht würklich seine Menschliche Natur dazu, daß er so unnatürlich werden konnte? ➢ Volltext.
[37] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 187 f. (188): Im eigentlichen metaphysischen Verstande[7] ist schon nie eine Sprache[7] bei Mann und Weib[1], Vater und Sohn, Kind und Greis möglich. Man gehe z. E. unter den Morgenländern die langen und kurzen Vocale, die mancherlei Hauche und Kehlbuchstaben, die leichte und so mannichfaltige Verwechselung der Buchstaben[7] von einerley Organ[2], die Ruhe, und Sprachzeichen, mit allen Verschiedenheiten, die sich schriftlich so schwer ausdrücken lassen, durch: Ton[5] und Accent: Vermehrung und Verringerung deßelben und hundert andere zufällige Kleinigkeiten in den Elementen der Sprache[1]: und bemerke auf der andern Seite die Verschiedenheit der Sprach〈188〉werkzeuge bei beiderlei Geschlecht, in der Jugend und im Alter, auch nur bei zween gleichen Menschen[1] nach so manchen Zufällen und Einzelnheiten, die den Bau dieser Organe[2] verändern, bei so manchen Gewohnheiten, die zur zweiten Natur werden u. s. w. ➢ Volltext.
[38] Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 66: Unter frischem Himmel, in der Wüste und Wilde, wo es niemand vermuthete, reifte ein Frühling starker, nahrhafter Gewächse, die in die schönern[4], südlichern Länder [...] verpflanzt neue[1] Natur[1] annehmen, große Ernte fürs Weltschicksal geben sollte! Gothen, Vandalen, Burgunden, Anglen, Hunnen, Herulen, Franken und Bulgaren, Sklaven und Longobarden [...] verachteten [...] Künste[2] und Wissenschaften[2], Ueppigkeit und Feinheit [...]; aber wenn 〈67〉 sie statt der Künste[2], Natur[19]: statt der Wissenschaften[2], gesunden nordischen Verstand[3], statt der feinen, starke und gute, obgleich wilde Sitten brachten, und das alles nun zusammen gährte – welch ein Eräugniß! [...] Ihr späteres Ideal über die Bedürfnisse hinaus – es gieng auf Keuschheit und Ehre, veredelte den besten Theil der menschlichen Neigungen: obgleich Roman[4], so doch ein hoher Roman[4]: eine wahre neue[1] Blüthe der menschlichen Seele..
[39] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 321 f. (322): Selbst unsre kurze Geschichte[7] beweiset es daher schon klar, daß mit der wachsenden wahren Aufklärung der Völker[1] die menschenfeindlichen, sinnlosen Zerstörungen derselben sich glücklich vermindert haben. Seit Roms Untergange ist in Europa kein cultiviertes Reich mehr entstanden, das seine ganze Einrichtung auf Kriege und Eroberungen gebauet hätte; denn die verheerenden Nationen[1] der mittleren Zeiten[3] waren rohe, wilde Völker[1]. Je mehr aber auch sie Cultur[4] empfingen und ihr Eigenthum liebgewinnen lernten, desto mehr drang sich ihnen unvermerkt, ja oft wider ihren Willen, der schönere[1], ruhige Geist[14] des Kunstfleißes, des Ackerbaues, des Handels und der Wissenschaft[1] auf. Man lernte nutzen ohne zu vernichten, weil das Vernichtete sich 〈322〉 nicht mehr nutzen läßt, und so ward mit der Zeit[1], gleichsam durch die Natur der Sache selbst, ein friedliches Gleichgewicht zwischen den Völkern[1], weil nach Jahrhunderten wilder Befehdung es endlich alle einsehen lernten, daß der Zweck, den Jeder wünschte, sich nicht anders erreichen ließe, als daß sie gemeinschaftlich dazu beitrügen..
[40] Herder, Bef. d. Hum. II (1793), 176: Des Weibes[1] Natur ist eine andre als des Mannes: sie empfindet anders, sie wirkt anders. Elender, dessen Nebenbuhlerinn sein Weib[2] ist oder die ihn in männlichen Tugenden gar überwindet! Nur durch nachgebende Güte soll sie ihn beherrschen; und so wird der Zankapfel abermals ein Apfel der Liebe..
[41] Th. Huber, Holland (1811), 397 f. (398): Wie ich bei Kostheim über den Rhein setzte, hielten mich die Fährleute sehr lange auf, indeß ich mit der Schildwache sprach [...]. Der Mensch beantwortete mir mehrere Fragen über die Belagerung von Mainz, bei der er gedient hatte [...]. – Die Herren sind etwas langsam, sagte ich endlich auf die Fährleute zeigend, die, ihre kurzen Pfeifen im Munde, unerschütterlich fortkrochen. „Das sind Deutsche, Madame, 〈398〉 sie werden noch ganz andere Sachen sehen, wenn sie weiter in das Land hinein kommen.“ Ich glaube, ich ward roth, und wäre es nicht meiner Natur zuwider gewesen, so wäre ich jetzt, da die Fähre endlich ans Ufer stieß, langsam in meinen Wagen eingestiegen, um meinen Nationalkarakter trotzig zu beweisen.
➢ Volltext
.[42] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 4: Ein Zusammentreffen mehrerer physischer Ursachen, z. B. die beträchtliche Höhe der Kordilleren, ihre ungeheure Masse, die vielen, zwei bis dreitausend Meter über den Meeresspiegel erhabenen, Gebirgsflächen mäßigen die Hitze in einigen Tropenländern dergestalt, daß die Beschaffenheit der Luft dem Anbau der Cerealien und der Cultur[1] europäischer Obstbäume günstig ist. Wo auf dem Rücken und am Abfall der Gebirge gleichsam alle Climate[2] vereinigt sind, hat die geographische Breite wenig Einfluß auf die Fruchtbarkeit des Bodens und die Natur der Erzeugnisse..
[43] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 805: [W]as Woldemar suchte, und wie er es suchte, konnte er nur in einer weiblichen Seele finden. Durch die Natur[1] seines Wesens nothwendig geleitet, und durch seine äußere Lage begünstigt, gehört das andre Geschlecht[2] größtentheils dem inneren Leben und Weben in eignen Ideen und Empfindungen an. Sich darauf in hoher Einfachheit beschränkend, ist das weibliche Gemüth zwar vielleicht ein minder reiches und starkes, aber gewiß ein reineres Bild desselben, als jedes andre, und daher am meisten fähig, das zu gewähren, was Woldemar schmerzlich entbehrte. Jener Trieb aber, nach dessen Gewissheit er so ängstlich strebte, und der doch kein andrer ist, als den die Philosophie sonst den uneigennützigen, die Aeußerung der praktischen Vernunft[1], zu nennen pflegt, ist als bloßer Trieb im Weibe[1] schon um eben so viel reicher und ununterbrochener lebhaft, als dieß alle Neigungen und Gefühle überhaupt in ihm sind. Allein auch in seiner höheren Natur[1] ist er deutlicher sichtbar. Unter allen Geschöpfen, die sich nach eignem Willen bestimmen, sind die Weiber[1] der steten immer wie〈806〉derkehrenden Ordnung der Natur[2] gleichsam am nächsten geblieben. Dadurch und durch die Mitwirkung ihres feineren Schönheitssinnes sind alle ihre, auch eigennützigen Triebe, reiner und harmonischer gestimmt, und schon ihre sanfte Schwäche verhütet ein zu häufiges Einmischen der heftigen, wechselnden Begierde. Endlich scheinen sie unmittelbar aus der Hand der Natur[13] zu kommen. Weniger, wie bey dem Manne, von eigenmächtigen Handlungen[1] des bey diesem stärkeren und thätigeren Willens durchkreuzt, ist der Inbegriff ihres Wesens ein mehr durch die Natur[13] und die Lage der Umstände gegebenes Ganze. Was man in demselben antrifft, ist sichrer aus ihrer inneren Beschaffenheit hervorgegangenes Werk der Natur[13], als eigne Schöpfung..
[44] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 813: [I]nsofern man in der höchsten Abstraction die vernünftige Eigenschaft rein absondert, geht der Instinct einer [...] bloßen Vernunft[1] allein auf Personalität mit Ausschließung der Person und des Daseyns, weil beide [...] Individualität verlangen. [...] Dieser Instinct umfasst [...] die doppelte Natur des Menschen[1]. Er geht auf Erhaltung des Daseyns, wie jeder Trieb überhaupt: allein als auch der vernünftigen Natur angehörend, nur auf Erhaltung des dem Menschen[1] eigenthümlichen Daseyns. Die eigenthümliche Natur des Menschen[1] aber ist Vernunft[1] und Freyheit[10]. Vermöge dieses Instincts ist sich der Mensch[1] daher einer Kraft bewußt, mit welcher er, allen Antrieben der Sinne[3] entgegen, allein der Vernunft[1] zu folgen vermag; ja er fühlt sich sogar, dieß zu thun, durch einen unaustilgbaren Trieb gedrungen. Wie dieser Trieb entsteht, wie er wirkt, begreift er nicht; versucht er auch, wenn er weise ist, nicht zu erklären. Denn erklären lässt sich nur das Abhängige, Vermittelte; dieser Trieb aber ist das Letzte, Unvermittelte..
[45] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 819: Vertraut mit dem Wesen der poetischen[4] Kunst[2], weiß er [F. H. Jacobi], auch was völlig subjectiv scheint, noch an die nothwendigen Bedingungen der menschlichen Natur anzuknüpfen; mit kluger Vorsicht läßt er jede neue[1] Wendung des Charakters[7] so vollständig vorbereiten, und so lange verweilen, und mit meisterhaftem Talent versucht er durch eine schöne[1], an mehr als Einer Stelle hinreißende Sprache[4] den Leser so in sein Interesse zu verweben, daß sein Gefühl in die gleiche Stimmung übergeht..
[46] W. v. Humboldt, Versch. Sprachb. (*1827–29), GS I, 6.1, 291 f. (292): Die Untersuchung der Lateinischen Töchtersprachen scheint mir [...] die Behauptung zu bestätigen, dass die Mischung der Sprachen[3] zuerst von der Mischung des Wortvorraths ausgeht, 〈292〉 meistentheils dabei stehen bleibt, bisweilen aber sich von da auf Redensarten, Fügungen der Redeweise und grammatische Ansichten erstreckt, nicht leicht aber wirkliche concrete grammatische Formen zusammenbringt [...]. Man darf indess hierbei auch nicht die besondre Natur dieser Romanischen[1] Sprachen[3] vergessen. Ihre sie charakterisirende Eigenthümlichkeit gieng nicht aus der Mischung Germanischer und Römischer Rede und Sprache[3] hervor, sondern aus der durch die siegreiche Einwandrung fremder[1] Stämme bewirkten Zerstörung des politischen Bestandes, der darauf folgenden Zerrüttung des ganzen Culturzustandes, und der diese Katastrophen begleitenden Verderbniss der Sprache[3]. Sie sind nicht sowohl Erscheinungen der Sprachvermischung, als des Sprachverfalls, so glänzend sie sich auch wieder aus diesem neu[2] entwickelt haben. Ausserdem kennt man den Zustand nicht, in dem sich, schon vor aller Einwanderung, die Römische Sprache[3] im Munde des Volks[5] in OberItalien, Gallien und Iberien befinden mochte..
[47] Kant, Daseyn Gottes (1763), 88: Ich bemerke aber, damit aller Misverstand verhütet werde: daß die Veränderungen in der Welt entweder aus der ersten Anordnung des Universum und den algemeinen und besondern Gesetzen der Natur[2] nothwendig seyn, dergleichen alles dasjenige ist, was in der körperlichen Welt mechanisch vorgeht, oder daß sie gleichwohl bey allem diesem eine nicht genugsam begriffene Zufälligkeit haben, wie die Handlungen[1] aus der Freyheit[10] deren Natur[1] nicht ge〈89〉hörig ein[ge]sehen wird..
[48] Kant, Crit. rein. Vern. (21787), XXXVII: In den Sätzen selbst und ihren Beweisgründen, imgleichen der Form sowohl als der Vollständigkeit des Plans, habe ich nichts zu ändern gefunden; welches theils der langen Prüfung, der ich sie unterworfen hatte, ehe ich es dem Publicum[3] vorlegte, theils der Beschaffenheit der Sache selbst, nemlich der Natur einer reinen speculativen Vernunft[1], beyzumessen ist, die einen wahren Gliederbau enthält, worin alles Organ[4] ist, nemlich Alles um Eines willen und ein 〈XXXVIII〉 jedes einzelne um aller willen, mithin jede noch so kleine Gebrechlichkeit, sie sey ein Fehler (Irrthum) oder Mangel, sich im Gebrauche unausbleiblich verrathen muß..
[49] Kant, Crit. rein. Vern. (21787), 75: Wollen wir die Receptivität unseres Gemüths, Vorstellungen zu empfangen, so fern es auf irgend eine Weise afficirt wird, Sinnlichkeit nennen: so ist dagegen das Vermögen, Vorstellungen selbst hervorzubringen, oder die Spontaneität des Erkenntnisses[3], der Verstand[2]. Unsre Natur bringt es so mit sich, daß die Anschauung niemals anders als sinnlich seyn kann, d. i. nur die Art enthält, wie wir von Gegenständen afficirt werden. Dagegen ist das Vermögen, den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu denken, der Verstand[2]. Keine dieser Eigenschaften ist der andern vorzuziehen. Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand[2] keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe[1] sind blind. Daher ist es eben so nothwendig, seine Begriffe[1] sinnlich zu machen, (d. i. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beyzufügen,) als seine Anschauungen sich verständlich zu machen (d. i. sie unter Begriffe[1] zu bringen). Beide Vermögen, oder Fähigkeiten, können auch ihre Functionen nicht vertauschen. Der Verstand[2] vermag nichts anzuschauen, und die Sinne[4] nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Er〈76〉kenntniß[2] entspringen..
[50] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 258: [D]as Schöne[2] ist das Symbol des Sittlichguten; und auch nur in dieser Rücksicht [...] gefällt es, mit einem Anspruche auf jedes andern Bestimmung [...]. Das ist das Intelligibele, worauf [...] der Geschmack hinaussieht, wozu nämlich selbst unsere oberen Erkenntnißvermögen zusammenstimmen, und ohne welches zwischen ihrer Natur[1], verglichen mit den Ansprüchen, die der Geschmack macht, lauter Widersprüche erwachsen würden. In diesem Vermögen sieht sich die Urtheilskraft nicht, wie sonst in empirischer Beurtheilung, einer Heteronomie der Erfahrungsgesetze unterworfen: sie giebt in Ansehung der Gegenstände eines so reinen Wohlgefallens ihr selbst das Gesetz, so wie die Vernunft[1] es in Ansehung des Begehrungsvermögens thut; und sieht sich [...] auf etwas im Subjecte selbst und außer 〈259〉 ihm, was nicht Natur[13], auch nicht Freyheit[10], doch aber mit dem Grunde der letzteren, nämlich dem Uebersinnlichen verknüpft ist, bezogen, in welchem das theoretische Vermögen mit dem practischen, auf gemeinschaftliche und unbekannte Art, zur Einheit verbunden wird..
[51] Kant, Gemeinspruch (1793), 282: Die menschliche Natur erscheint nirgend weniger liebenswürdig, als im Verhältnisse ganzer Völker[1] gegen einander. Kein Staat ist gegen den andern wegen seiner Selbstständigkeit, oder seines Eigenthums, einen Augenblick gesichert. Der Wille, einander zu unterjochen, oder an dem Seinen zu schmälern, ist jederzeit da; und die Rüstung zur Verteidigung, die den Frieden oft noch drückender und für die innere Wohlfahrt zerstörender macht, als selbst den Krieg, darf nie nachlassen..
[52] Kant, Religion (1793), 208: Uebrigens gehört das theoretische Bekenntniß des Glaubens an die göttliche Natur in dieser dreyfachen Qualität zur bloßen klassischen[4] Formel eines Kirchenglaubens, um ihn von andern aus historischen Quellen abgeleiteten Glaubensarten zu unterscheiden, mit welchem wenige Menschen einen deutlichen und bestimmten (keiner Mißdeutung ausgesetzten) Begriff[1] zu verbinden im Stande sind [...]..
[53] Kant, Metaph. d. Sitt. II (1797), 23 f. (24): Das Vermögen sich überhaupt irgend einen Zweck zu setzen, ist das Characteristische[1] der Menschheit[1] (zum Unterschiede von der Thierheit). Mit dem Zwecke der Menschheit[1] in unserer eigenen Person ist also auch 〈24〉 der Vernunftwille, mithin die Pflicht verbunden, sich um die Menschheit[1] durch Cultur[3] überhaupt verdient zu machen, sich das Vermögen zu Ausführung allerley möglichen Zwecke, so fern dieses in dem Menschen[1] selbst anzutreffen ist, zu verschaffen oder es zu fördern, d. i. eine Pflicht zur Cultur[3] der rohen Anlagen seiner Natur, als wodurch das Thier[11] sich allererst zum Menschen[1] erhebt: mithin Pflicht an sich selbst..
[54] Kolbe, Wortmeng. (1809), 4: In unsrer Rede [...], die in eignem Boden wurzelte, aus eigentümlichen Keimen sich entwikkelte, können fremde[1] Wörter[1] von ganz widerartiger Natur für buntschekkige Lappen nur gelten, die man einem einfarbigen Zeug aufzuheften den abenteuerlichen[3] Gedanken gehabt..
[55] Moritz, Bild. Nachahm. (1788), 7: [W]eil [...] der edle Mensch[1], um edel zu seyn, der körperlichen Schönheit[1] nicht bedarf, so scheiden sich hier [...] die Begriffe[1] von Schön[1] und Edel, indem durch das letztre die innre Seelenschönheit, im Gegensatz gegen die Schönheit[1] auf der Oberfläche, bezeichnet wird. In so fern nun aber die äussre Schönheit[1] zugleich mit ein Abdruck der innern Seelenschönheit ist, faßt sie auch das Edle in sich, und sollte es, ihrer Natur nach, eigentlich stets in sich fassen. Hiedurch hebt sich aber demohngeachtet der Unterschied zwischen schön[1] und edel nicht wieder auf. Denn unter einer edlen Stellung denken wir uns z. B. eine solche, die zugleich eine gewisse innere Seelenwürde bezeichnet: irgend eine leidenschaftliche Stellung aber kann demohngeachtet immer noch eine schöne[1] Stellung seyn, wenn gleich nicht eine solche innere Seelenwür〈8〉de ausdrücklich dadurch bezeichnet wird; nur darf sie einem gewissen Grade von innerer Würde nie geradezu widersprechen; sie darf nie unedel seyn..
[56] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 12: Das Sprechen, das erste unter allen menschlichen Geschäften, wie der erfreulichste und edelste unter allen menschlichen Genüssen, wird in England, Frankreich und Italien mit der natürlichen Vorliebe getrieben, aus der sich nothwendig Redner und eine Kunst[1] des Redens ergeben müssen. In Deutschland wird dieses Geschäft im Durchschnitt mit dem anderweitigen Schaffen und Arbeiten, und Essen und Trinken ungefähr in eine Reihe gesetzt. Jene scheinen zu leben um zu sprechen; wir nur zu sprechen, um die übrigen Lebensfunktionen zu befördern und im Gange zu erhalten. – Ich gestehe es ein, und vergebe dennoch, wie der Verfolg zeigen wird, der Ehre und dem alten[1] Adel[5] der Sprache[1] nichts, in der ich das Wesen und die Natur der Beredsamkeit zu beschreiben unternehme..
[57] Nissen, Mozart (1828), 543 f. (544): Die Franzosen gestehen der deutschen Musik[1], und an ihrer Spitze Mozarten eine unbedingt ihnen 〈544〉 überlegene Vortrefflichkeit zu: eine Vortrefflichkeit, die von ihnen bey allen Werken dieses Componisten mit Bereitwilligkeit anerkannt wird, obgleich der Genuss derselben in ihnen mehr mittelbar durch Verstandes-Operation, als durch unmittelbar menschliche Theilnahme sich zu erkennen giebt. Da das Colorit dieser Composition [sc. Così fan tutte] unter allen Werken Mozart's am meisten aus dem Verstande[1] hervorgegangen zu seyn scheint, indem der freyern[17] romantischen[4] Behandlung durch den so witzigen Inhalt des Textes fast allenthalben Fesseln angelegt worden, so muss die Natur dieser Musik[4] einem französischen Publicum[4] auch schon desshalb mehr zusagen, wie viele dieser Art von seinen übrigen Arbeiten..
[58] Novalis, an Chr. F. Brachmann (21. 2. 1796), NS 4, 167: Was ist selbst Freundschaft, ohne verbundene Thätigkeit zu einem Ganzen? Baumaterialien, ohne Bestimmung und Mörtel. Harmonische Wircksamkeit ist Karacter[1] des Lebens. Jezt ist das Leben unsrer Freundschaft nur – Stimme[11] – Echo. Aber ich hoffe, es soll mehr werden. Geduld und Muth muß uns zur andern Natur werden..
[59] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 302, Nr. 342: Die Phil[osophie] ist die Prosa[3]. Ihre Consonanten. Ferne Phil[osophie] klingt wie Poesie[5] – weil jeder Ruf in die Ferne Vocal wird. Auf beyden Seiten oder um sie her liegt + und minus Poësie[5]. So wird alles in der Entfernung Poësie[5] – Poëm. Actio in distans. Ferne Berge, ferne Menschen, ferne Begebenheiten etc. alles wird romantisch[8], quod idem est – daher ergiebt sich unsre Urpoëtische Natur. Poësie[5] der Nacht und Dämmerung..
[60] Novalis, an A. W. Schlegel (12. 1. 1798), NS 4, 245: Man verfehlt die Natur der Liebe[1] ganz, wenn man geradezu sich Liebe[1] zur einzigen Beschäftigung wählt – aber wie, wenn alle directe Zwecke gleichsam Mittel für diesen indirecten Zweck werden, der sie alle in Einen Punct vereinigt? der die höhere Einheit aller dieser niedern Einheiten ist? Wenn man die Summe aller directen Zwecke Bildung[5] nennt, so könnte man sagen, der Geist[12] dieser Gesammtheit, der Schlüssel der Bildung[5] – der Sinn[2] dieses großen Gegenstands ist Liebe[1]. | Ohne Gegenstand kein Geist[12] – ohne Bildung[5] keine Liebe[1]. Bildung[5] ist gleichsam der feste Punct, durch welchen diese geistige Anziehungskraft sich offenbart – das nothwendige Organ[1] derselben..
[61] Novalis, Blüthenstaub (1798), 86, Nr. 56: Der wahre Brief[1] ist seiner Natur nach poetisch[4]. ➢ Volltext.
[62] Novalis, Lehrlinge (*1798), NS 1, 100: Man beschuldigt die Dichter der Übertreibung, und hält ihnen ihre bildliche uneigentliche Sprache[4] gleichsam nur zu gute, ja man begnügt sich ohne tiefere Untersuchung, ihrer Fantasie[2] jene wunderliche Natur[1] zuzuschreiben, die manches sieht und hört, was andere nicht hören und sehen, und die in einem lieblichen Wahnsinn mit der wirklichen Welt nach ihrem Belieben schaltet und waltet; aber mir scheinen die Dichter noch bei weitem nicht genug zu übertreiben, nur dunkel den Zauber jener Sprache[4] zu ahnden[3] und mit der Fantasie[2] nur so zu spielen, wie ein Kind mit dem Zauberstabe seines Vaters spielt. Sie wissen nicht, welche Kräfte ihnen unterthan sind, welche Welten ihnen gehorchen müssen. Ist es denn nicht wahr, daß Steine und Wälder der Musik gehorchen und, von ihr gezähmt, sich jedem Willen wie Hausthiere fügen? – Blühen nicht wirklich die schönsten[1] Blumen um die Geliebte und freuen sich sie zu schmücken? Wird für sie der Himmel nicht heiter[1] und das Meer nicht eben? – Drückt nicht die ganze Natur[2] so gut, wie das Gesicht, und die Geberden, der Puls und die Farben, den Zustand eines jeden der höheren, wunderbaren Wesen aus, die wir Menschen nennen? Wird nicht der Fels ein eigenthümliches Du, eben wenn ich ihn anrede? Und was bin ich anders, als der Strom, wenn ich wehmüthig in seine Wellen hinabschaue, und die Gedanken in seinem Gleiten verliere? Nur ein ruhiges, 〈101〉 genußvolles Gemüth wird die Pflanzenwelt, nur ein lustiges Kind oder ein Wilder die Thiere[1] verstehn..
[63] Novalis, Polit. Aphor. (*1798), NS 2, 502, Nr. 67: Es liegt am Tage, daß sich aus todten Stoffen kein lebendiger Körper – aus ungerechten, eigennützigen und einseitigen Menschen kein gerechter, uneigennütziger und liberaler Mensch zusammensetzen läßt. Freilich ist das eben ein Irrthum einer einseitigen Majorität, und es wird noch lange Zeit[6] vergehn, eh man sich von dieser simpeln Wahrheit allgemein überzeugen wird. Eine so beschaffene Majorität wird nicht die Vortrefflichsten, sondern im Durchschnitt nur die Bornirtesten und die Weltklügsten wählen. Unter den Bornirtesten versteh ich solche, bei denen Mittelmäßigkeit zur fertigen Natur geworden ist, die klassischen[3] Muster des großen Haufens. Unter den Weltklügsten – die geschicktesten Courmacher des großen Haufens. Hier wird sich kein Geist[12] entzünden – am wenigsten ein reiner – Ein großer Mechanismus wird sich bilden – ein Schlendrian – den nur die Intrigue zuweilen durchbricht. Die Zügel der Regierung werden zwischen den Buchstaben[8] und mannichfaltigen Partheimachern hin und her schwanken..
[64] Novalis, Monolog (*1799), 2: Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache[1] wie mit den mathematischen Formeln sey – Sie machen eine Welt für sich aus – Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur[1] aus und eben darum sind sie so ausdrucksvoll – eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnißspiel der Dinge. Nur durch ihre Freyheit[12] sind sie Glieder der Natur[2] u[nd] nur in ihren freyen Bewegungen äußert sich die Weltseele und macht sie zu einem zarten Maaßstab u[nd] Grundriß der Dinge. So ist es auch mit der Sprache[1] – wer ein feines Gefühl ihrer Applicatur, ihres Takts, ihres musicalischen[3] Geistes[12] hat, wer in sich das zarte Wirken ihrer innern Natur[1] [⦿] vernimmt, und darnach seine Zunge oder seine Hand bewegt, der wird ein Profet sein, dagegen wer es wohl weis, aber nicht Ohr[3] u[nd] Sinn[5] genug für sie hat, Wahrheiten wie diese schreiben, aber von der Sprache[1] selbst zum besten gehalten u[nd] von den Menschen, wie Cassandra von den Trojanern, verspottet werden wird. ➢ Volltext.
[65] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 342: Man ist mit diesen Zwischentönen oder Stufen, die zwar ihrer Natur[1] nach eben so alt sind, wie die diatonische Octavengattung, unsere erste ursprüngliche Melodie ist, erst mit der Zeit[1] und vielleicht sehr spät bekannt geworden. Die diatonischen Töne und Stufen selbst, sind, nicht eher als lange, nachdem man schon gesungen und gespielet hatte, bekannt geworden; denn die Natur[2] führet uns zuerst durch leichtere und beqvemere Wege, ehe wir durch die Kunst[2] oder durch unsern Witz[1] diese natürlichen[2] Wege ausschmücken und verschönern lernen. Sie überläßt dieses unserm Genie[2] und unserer uns durch sie angebohrnen Erfindungskraft, wozu sie uns durch jenes gleichsam mit der Hand leitet..
[66] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 343 f. (344): Die Empfindung des Natürlichen[2] äußert sich von sich selbst und fast ohne Mühe. So ist es auch mit den Tönen beschaffen gewesen; denn so bald man den Trieb zum Singen empfand, so bald ward auch diese diatonische Octavengattung, diese natürliche[2] Tonleiter, die gleichsam ein musikalisches[8] ganz unentbehrliches Bedürfniß war, hervorgebracht, und zwar bloß durch den innerlichen Trieb der Natur[2], 〈344〉 und ohne solches zu verlangen, oder zu erkennen. Das Wissen oder die Kenntniß dieses Triebes, dieser Würkung der Natur[2], ist erst lange hernach erfolgt, nachdem man vielleicht manche Jahrhunderte gesungen und gespielet hatte; so lange wußte man auch von keiner Kunst[2], von keinem System, und auch nichts von der Verschiedenheit der Klanggeschlechte. Das ist nun die wahre Erzeugung der Töne, der Klangstufen, der Tonleiter, der Klanggeschlechte und endlich der Theorie der Töne selbst; denn darinn besteht die wahre ursprüngliche Natur[1] derselben. Und darinn lag auch die eigenthümliche Verwandschaft und Verknüpfung der Töne zwar anfangs verborgen; Zeit[1], Mühe und Fleiß haben sie aber hernach näher untersuchet und gleichsam aufgedeckt. .
[67] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 93: Diejenige Handlung[1], welche Ursache alles Begräntztseyns, und aus keiner andern mehr erklärbar ist, muß absolut frey seyn. Absolute Freyheit[1/10] aber ist identisch mit absoluter Nothwendigkeit. Könnten wir uns z. B. ein Handeln in Gott denken, so müßte es absolut frey seyn, aber diese absolute Freyheit[1/10] wäre zugleich absolute Nothwendigkeit, weil in Gott kein Gesetz und kein Handeln denkbar ist, was nicht aus der innern Nothwendigkeit seiner Natur[1] hervorgeht. Ein solcher Act ist der ursprüngliche des Selbstbewußtseyns, absolut frey, weil er durch nichts außer dem Ich bestimmt ist, absolut nothwendig, weil er aus der innern Nothwendigkeit der Natur des Ichs hervorgeht..
[68] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 440: Der Protestantismus entstand und war historisch nothwendig. Preis den Heroen, welche zu jener Zeit, für einige Theile der Welt wenigstens, die Freiheit[1] des Denkens und der Erfindung auf ewig befestigten! Das Princip, das sie weckten, war in der That neu beseelend, und konnte, verbunden mit dem Geist[12/14?] des klassischen[7] Alterthums[2], unendliche Wirkungen hervorbringen, da es in der That seiner Natur nach unendlich war [...]. ➢ Volltext.
[69] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 543: Die thierische Natur[1] überhaupt und einzelne thierische Leiber sind an sich von symbolischer Bedeutung, die Natur[2] selbst wird in ihnen 〈544〉 symbolisch. Thierstücke können also nur entweder durch das Herausheben der symbolischen Bedeutung der Gestalten [...] oder nur durch eine höhere Beziehung einigen Kunstwerth haben. Einige holländische Maler sind bis zu Darstellung von Hühnerhöfen heruntergegangen. Wenn eine solche Schilderei noch einigermaßen tolerirt wird, so ist es, weil auch ein Hühnerhof auf das Innere eines Hauses, die Armuth oder den Reichthum des Besitzers kann schließen lassen. Höhere Beziehung und Bedeutung erhalten Thierstücke, wo Thiere[1] wirklich in Handlung[2] und im Kampf entweder untereinander oder mit Menschen[1] dargestellt werden. ➢ Volltext.
[70] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 673: Das romantische[12] Epos hat in der Gattung, zu der es gehört, selbst wieder einen Gegensatz. Wenn es nämlich überhaupt zwar dem Stoff nach universell, der Form nach aber individuell ist, so läßt sich zum voraus eine andere entsprechende Gattung erwarten, in welcher an einem partiellen oder beschränkteren Stoff sich die allgemein gültigere und gleichsam indifferentere Darstellung versucht. Diese Gattung ist der Roman, und wir haben mit dieser Stelle, die wir ihm geben, zugleich auch seine Natur bestimmt. | Man kann allerdings auch den Stoff des romantischen[12] Epos nur relativ universell nennen, weil er nämlich immer den Anspruch an das Subjekt macht, sich überhaupt auf einen phantastischen[1] Boden zu versetzen, welches das alte[10] Epos nicht thut. Aber eben deßwegen auch, weil der Stoff vom Subjekt etwas fordert – Glauben, Lust, phantastische[1] Stimmung – so muß er Dichter von der seinigen etwas hinzuthun und so dem Stoff, was er in der einen Rücksicht an Universalität voraus haben kann, von der andern Seite wieder durch die Darstellung nehmen. Um sich dieser Nothwendigkeit zu überheben, und der objektiven Darstellung sich mehr zu nähern, bleibt demnach nichts übrig als auf die Universalität des Stoffs Verzicht zu thun und sie in der Form zu suchen. | Die ganze Mythologie des Rittergedichts gründet sich auf das Wunderbare, d. h. auf eine getheilte Welt. Diese Getheiltheit geht nothwendig in die Darstellung über, da der Dichter, um das Wunderbare als solches erscheinen zu lassen, selbst für sich in der übrigen Welt seyn muß, wo das Wunderbare als Wunderbares erscheint. Will also der Dichter mit seinem Stoff wahrhaft identisch werden und sich ihm selbst ungetheilt hingeben, so ist kein Mittel dazu, als daß das Individuum, wie überhaupt in der modernen[1] Welt, so auch hier ins Mittel trete und den Ertrag Eines Lebens und Geistes[32] in Erfindungen niederlege, die, je höher sie stehen, desto mehr die Gewalt einer Mythologie gewinnen. So entsteht der Roman, und ich trage kein Bedenken, ihn in dieser Rücksicht über das Rittergedicht zu setzen [...]. ➢ Volltext.
[71] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 680: Der Roman[1] des Cervantes ruht also auf einem sehr unvollkommenen, ja verrückten Helden, der aber zugleich so edler Natur ist [...], daß ihn keine Schmach, die ihm widerfährt, eigentlich herabwürdiget. An diese Mischung (in Don Quixote) ließ sich eben das wunderbarste und reichste Gewebe knüpfen, das im ersten Moment so anziehend wie im letzten stets den gleichen Genuß gewährt und die Seele zur heitersten[4] Besonnenheit stimmt. Für den Geist[19] ist die nothwendige Begleitung des Helden, Sancho Pansa, gleichsam ein unaufhörlicher Festtag; eine unversiegbare Quelle der Ironie[1] ist geöffnet und ergießt sich in kühnen Spielen. ➢ Volltext.
[72] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 713: Es versteht sich, daß, weil die Nothwendigkeit ihrer Natur nach objektiv ist, die Nothwendigkeit im Subjekt nur eine prätendirte, angenommene seyn kann und eine affektirte Absolutheit ist, die nun durch die Nothwendigkeit in der Gestalt der äußeren Differenz zu Schanden gemacht wird. So wie die Freiheit[10] und Besonderheit auf der einen Seite die Nothwendigkeit und Allgemeinheit lügt, so nimmt auf der anderen Seite die Nothwendigkeit den Schein der Freiheit[10] an und vernichtet unter dem angenommenen Aeußeren der Gesetzlosigkeit, im Grunde aber nach einer nothwendigen Ordnung die prätendirte Gesetzmäßigkeit. Es ist nothwendig, daß wo sich die Besonderheit zur Nothwendigkeit das Verhältniß der Objektivität gibt, sie zu nichte werde; es ist also insofern in der Komödie das höchste Schicksal und sie selbst wieder die höchste Tragödie; aber das Schicksal erscheint eben deßwegen, weil es selbst eine der seinigen entgegengesetzte Natur annimmt, in einer erheiternden Gestalt, nur als die Ironie[1], nicht aber als das Verhängniß der Nothwendigkeit. ➢ Volltext.
[73] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 723: Der Natur des romantischen[12/4] Princips gemäß stellt die moderne[1] Komödie die Handlung[3] als Handlung[3] nicht rein, isoliert und in der plastischen[3] Beschränkung des alten[10] Drama dar, sondern sie gibt zugleich ihre ganze Begleitung. ➢ Volltext.
[74] C. Schelling, Rez. Cham.-Varnh. (1805), 243: Das simple Lieben behält, wenn es auch der hundertste neun und neunzigen nachspricht, immer etwas erfreuliches und wahres; es läßt sich daran glauben; allein die complicirte Empfindung verräth sich, sobald sie nicht ächt ist, als eine reine Nichtempfindung. Man muß nicht darüber rechten, daß die Empfindsamkeit, wenn man sie über alle Berge glaubt, sich immer wieder einstellt, wir können sie eben nicht los werden, sie gehört zu unserer Natur, wenigstens von der christlichen Zeitrechnung an: nur wäre zu wünschen, daß ein jeder seine eigene hätte, und sich nicht mit einer fremden[3] quälte. Das Individuelle ist ihr mütterlicher Boden; auf diesem will sie aber auch wirklich entsprossen seyn, um einen Werth zu haben..
[75] Schiller, Schaubühne (1785), NA 20, 90: Unsre Natur, gleich unfähig, länger im Zustand des Thiers[10] fortzudauren, als die feinern Arbeiten des Verstands[2] fortzusezen, verlangte einen mittleren Zustand, der beide widersprechenden Enden vereinigte, die harte Spannung zu sanfter Harmonie herabstimmte, und den wechselsweisen Uebergang eines Zustands in den andern erleichterte. Diesen Nuzen leistet überhaupt nun der ästhetische Sinn[5], oder das Gefühl für das Schöne[1]..
[76] Schiller, Lykurg. u. Sol. (1790), NA 17, 438: Wenn unsre Gesetzgeber unrecht gethan haben, daß sie moralische Pflichten und Sitten ganz vernachläßigten, so hatten die Gesetzgeber der Griechen darin Unrecht, daß sie moralische Pflichten mit dem Zwang der Gesetze einschärften. Zur moralischen Schönheit[1] der Handlungen[1] ist Freiheit[5] des Willens die erste Bedingung, und diese Freiheit[5] ist dahin, sobald man moralische Tugend durch gesetzliche Strafen erzwingen will. Das edelste Vorrecht der Menschlichen Natur ist, sich selbst zu bestimmen, und das Gute um des Guten willen thun..
[77] Schiller, Ästh. Erzieh. (1795), NA 20, 309: Sie wollen mir also vergönnen, Ihnen die Resultate meiner Untersuchungen über das Schöne[1] und die Kunst[2] in einer Reihe von Briefen[3] vorzulegen. Lebhaft empfinde ich das Gewicht, aber auch den Reiz und die Würde dieser Unternehmung. Ich werde von einem Gegenstande sprechen, der mit dem beßten Theil unsrer Glückseligkeit in einer unmittelbaren, und mit dem moralischen Adel[5] der menschlichen Natur in keiner sehr entfernten Verbindung steht..
[78] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. III (1796), 102: Da es also weder dem arbeitenden Theile der Menschen überlassen werden darf, den Begriff[1] der Erholung nach seinem Bedürfniß, noch dem contemplativen Theile, den Begriff[1] der Veredlung nach seinen Speculationen zu bestimmen, wenn jener Begriff[1] nicht zu physisch und der Poesie[1] zu unwürdig, dieser nicht zu hyperphysisch und der Poesie[1] zu überschwenglich ausfallen soll – diese beyden Begriffe[1] aber, wie die Erfahrung lehrt, das allgemeine Urtheil über Poesie[1] und poetische[4] Werke regieren, so müssen wir uns, um sie auslegen zu lassen, nach einer Klasse[2] von Menschen umsehen, welche ohne zu arbeiten thätig ist, und idealisiren kann, ohne zu schwärmen; welche alle Realitäten des Lebens mit den wenigstmöglichen Schranken desselben in sich vereiniget, und vom Strome der Begebenheiten getragen wird, ohne der Raub desselben zu werden. Nur eine solche Klasse[2] kann das schöne[1] Ganze menschlicher Natur, welches durch jede Arbeit augenblicklich, und durch ein arbeitendes Leben anhaltend zerstört wird, aufbewahren, und in allem, was rein menschlich ist, durch ihre Gefühle dem allgemeinen Urtheil Gesetze geben. Ob eine solche Klasse[2] wirklich existiere, oder vielmehr ob diejenige, welche unter ähnlichen äußern Verhältnissen wirklich existiert, diesem Begriffe[1] 〈103〉 auch im innern entspreche, ist eine andre Frage, mit der ich hier nichts zu schaffen habe. Entspricht sie demselben nicht, so hat sie bloß sich selbst anzuklagen, da die entgegengesetzte arbeitende Klasse[2] wenigstens die Genugthuung hat, sich als ein Opfer ihres Berufs zu betrachten. In einer solchen Volksklasse (die ich aber hier bloß als Idee aufstelle, und keineswegs als ein Faktum bezeichnet haben will) würde sich der naive[1] Charakter[1] mit dem sentimentalischen[1] also vereinigen, daß jeder den andern vor seinem Extreme bewahrte, und indem der erste das Gemüth vor Ueberspannung schützte, der andere es vor Erschlaffung sicher stellte. Denn endlich müssen wir es doch gestehen, daß weder der naive[1] noch der sentimentalische[1] Charakter[1], für sich allein betrachtet, das Ideal schöner[1] Menschlichkeit ganz erschöpfen, das nur aus der innigen Verbindung beyder hervorgehen kann..
[79] Schiller, Nothw. Grenz. (1795 [hier: 21800]), NA 21, 24: Unter allen Neigungen, die von dem Schönheitsgefühl abstammen, und das Eigenthum feiner Seelen sind, empfiehlt keine sich dem moralischen Gefühl so sehr, als der veredelte Affekt der Liebe, und keine ist fruchtbarer an Gesinnungen, die der wahren Würde des Menschen entsprechen. Zu welchen Höhen trägt sie nicht die menschliche Natur, und was für göttliche Funken weiß sie nicht oft auch aus gemeinen Seelen zu schlagen! Von ihrem heiligen Feuer wird jede eigennützige Neigung verzehrt, und reiner können Grundsätze selbst die Keuschheit des Gemüths kaum bewahren, als die Liebe des Herzens Adel[5] bewacht..
[80] A. W. Schlegel, Rez. Schiller [Künstl.] (1790), 130: Wahrheit, wenn sie sehr wohlthätig ist, oder uns den Adel[5] unsrer Natur kennen lehrt, erzeuget Begeisterung [...]..
[81] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 84: Die Sprache[1], die wunderbarste Schöpfung des menschlichen Dichtungsvermögens, gleichsam das große, nie vollendete Gedicht, worinn die menschliche Natur[1] sich selbst darstellt, bietet uns von dem, was ich eben sagte, ein auffallendes Beyspiel dar. So wie sie auf der einen Seite, vom Verstande[1] bearbeitet, an Brauchbarkeit zu allen seinen Verrichtungen zunimmt, so büßt sie auf der andern an jener ursprünglichen Kraft ein, die im nothwendigen Zusammenhange zwischen den Zeichen der Mittheilung und dem Bezeichneten liegt. So wie die gränzenlose Mannigfaltigkeit der Natur[2/11/19?] in abgezognen Begriffen[1] verarmt, so sinkt die lebendige Fülle der Töne immer mehr zum todten Buchstaben[9] hinab. Zwar ist es unmöglich, daß dieser jene völlig verdrängen sollte, weil der Mensch immer ein empfindendes Wesen bleibt, und sein angebohrner Trieb, Andern von seinem innersten Daseyn Zeugniß zu geben, und es dadurch in ihnen zu vervielfältigen, (wie sehr ihn auch die Herrschaft des Verstandes[1], der sein Wesen, so zu sagen, immer außer uns treibt, schwächen möge) doch nie ganz verloren gehen kann. Allein in den gebildeten Sprachen[3], hauptsächlich in der Gestalt, 〈85〉 wie sie zum Vortrage der deutlichen Einsicht, der Wissenschaft gebraucht werden, wittern wir kaum noch einige verlohrne Spuren ihres Ursprunges, von welchem sie so unermeßlich weit entfernt sind; wir können sie fast nicht anders als wie eine Sammlung durch Uebereinkunft festgesetzter Zeichen betrachten. ➢ Volltext.
[82] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 99: In der Empfänglichkeit des Menschen[1] allein, wäre sie auch noch so vieles zarter und umfassender als in den übrigen Thieren[2], liegt kein unterscheidendes Kennzeichen seiner Natur. Er würde also, wie wir es an jenen sehen, mit den Vorzügen seiner Organisazion[5] durch alle Geschlechter[10] hin beständig auf eben dem Punkte beharren, wäre ihm nicht eine selbstthätige Richtung derselben verliehen. ➢ Volltext.
[83] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 94: Alles Würdige, Edle und Große der menschlichen Natur[1] läßt nur eine ernsthafte Darstellung zu; der komische Dichter muß es also von der seinigen ausschließen und die Menschheit[1] ins Entgegengesetzte, wie die Tragödie, nämlich ins Häßliche[1] und Schlechte idealisieren. Diese Idealität besteht aber nicht in der Quantität, in einer die Willkürlichkeit übersteigenden Anhäufung von sittlichen Gebrechen und Ausartungen, sondern in der Qualität, in der Abhängigkeit von dem tierischen Teile, dem Mangel an Freiheit[10] und Selbständigkeit, dem Unzusammenhange und den Widersprüchen des inneren Daseins, woraus Torheit und Narrheit hervorgehen. [...] Das Häßliche[1] muß furchtbar oder lächerlich geschildert werden. Der Komiker muß über die Natur[13] hinausgehen, er muß sie ins Häßliche[1] idealisieren, wie schon Aristoteles bemerkt hat. ➢ vgl. [91].
[84] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!
1801–02), KAV 1, 411: Man räth gewöhnlich beym Gebrauch der Tropen und Metaphern[1] große Mäßigung an, und warnt vor Übertreibung und allzu großer Kühnheit. Freylich kann in vielen Gedichten oder Theilen derselben Einfalt oder Schmucklosigkeit des Ausdrucks wesentlich seyn; in andern Fällen ist es aber erlaubt, das ganze Füllhorn der üppigsten und feurigen Fantasie[2] auszuschütten: die Natur der Sache muß darüber einzig entscheiden.[85] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 465 f. (466): Die epische Dichtart ist daher einem Zeitalter am angemessensten, wo das Gemüth sich noch nicht zum vollen Bewußtseyn der Freyheit[10] und Selbstbestimmung erhoben hat, sondern dem Menschen wie eine physische Kraft 〈466〉 erscheint, von deren Wirkungen sich nicht immer Rechenschaft geben läßt. So ist es auch beym Homer: die unmotivirte Veränderlichkeit der Gesinnungen, der Wechsel von Leidenschaft und ruhiger Fassung, von Muth und Verzagtheit, u. s. w. liegt oben auf; die dabey beobachtete tiefere Consistenz der Charaktere[7] kann man entweder als etwas durch die Sage gegebnes betrachten, oder sie beweist nur daß die eigenthümliche Ansicht des epischen Zeitalters das allgemein in der Natur[1] der Sache liegende zwar wohl in den Hintergrund zurückdrängen aber nicht aufheben konnte. Bey einer solchen Stufe, worauf die ganze Charakteristik steht, kann allerdings Größe, Energie und Adel[5] der einzelnen Charaktere[7] Statt finden, aber keine eigentliche Idealität, welche eine reinere Absonderung von der Natur[2/13] voraussetzt. Jenes finden wir denn auch beym Homer, diese war erst den Tragikern vorbehalten..
[86] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!
1802–03), KAV 1, 768: Die Tragödie ist der höchste Ernst der Poesie, die Komödie durchaus scherzhaft. Ohne mich also in psychologische Erörterungen über das Lächerliche, oder in physiologische über das Lachen einzulassen, (auf welches oft in letzter Instanz alles zurückgeführt wird, wie ja der selbst so witzige Kant den Witz[4] als blossen Lachstoff definirt [⦿], nach welcher Analogie man mit gleichem Rechte das Rührende, Erschütternd-Erhabne Thränenstoff nennen könnte), muss ich also doch eine Bemerkung über die Natur des Ernstes und Scherzes voranschicken. | Der Ernst besteht [...] in der Richtung der Gemüthskräfte auf einen Zweck, und die Beschränkung ihrer Thätigkeit dadurch. Sein entgegengesetztes besteht folglich in der scheinbaren Zwecklosigkeit und Aufhebung aller Schranken beym Gebrauch der Gemüthskräfte, und ist um so vollkommner, je größer das dabey aufgewandte Maaß derselben, und je lebendiger der Anschein des zwecklosen Spiels und der absoluten Willkühr ist. Witz[4] und Spott kann auf eine scherzhafte Art gebraucht werden, beydes verträgt sich aber auch mit dem strengsten Ernste, wie uns das Beyspiel der spätern römischen Satyre, und der alten Griechischen Jamben beweist..[87] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 210: Überhaupt darf man die damalige Leibeigenschaft nicht nach dem messen, was sie in den neueren[3] Zeiten[3] besonders in solchen Ländern geworden, wo der Adel[2] aus Deutschen Eroberern bestand, die Unterthanen aber Slawischen Stammes waren. Gegen diese Nation[1] haben die Deutschen immer, vielleicht nicht mit Unrecht, eine große Verachtung gehabt; daß sie von Natur zur Sclaverey bestimmt war, beweist der Zustand der Bauern in Polen und Rußland, wo der Adel[2] von derselben Abkunft ist, und es jenen doch eigentlich nicht besser ergeht, als in den durch Deutsche eroberten Slawischen Ländern..
[88] A. W. Schlegel, an S. Tieck-Bernhardi (20. 9. 1805), KJ 1, 234: Zudem habe ich eine Leidenschaft zu Studien über die alte[9] Geschichte[3], den Ursprung der Völker[1] und Sprachen[3] gefaßt, die ihrer Natur nach endlos sind. Ich kann mich Tagelang in Lateinische Etymologieen vertiefen..
[89] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 6: Wir sehen eine Menge Menschen, ja ganze Nationen[1], so sehr befangen in den Gewöhnungen ihrer Erziehung und Lebensweise, daß sie sich auch dann nicht davon losreißen können, wenn vom Genusse schöner[2] Kunst[9] die Rede ist. Nur dasjenige, was in ihrer Sprache[3], ihren Sitten und ihren gesellschaftlichen Verhältnissen einheimisch und hergebracht ist, erscheint ihnen als natürlich[4], schicklich und schön[2]. In dieser ausschließenden Ansicht und Empfindungsweise kann man es durch Bildung[4] zu einer großen Feinheit der Unterscheidung in dem engen Kreise bringen, worauf man sich nun einmal beschränkt hat. Aber ein ächter Kenner kann man nicht seyn ohne Universalität des Geistes[14], d. h. ohne die Biegsamkeit, welche uns in den Stand setzt, mit Verläugnung persönlicher Vorliebe und blinder Gewöhnung, uns in die Eigenheiten anderer Völker[1] 〈6〉 und Zeitalter zu versetzen, sie gleichsam aus ihrem Mittelpunkte heraus zu fühlen, und was die menschliche Natur adelt, alles Schöne[2] und Große unter den äußerlichen Zuthaten, deren es zu seiner Verkörperung bedarf, ja bisweilen unter befremdlich scheinenden Verkleidungen zu erkennen und gehörig zu würdigen. ➢ Volltext.
[90] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 111 f. (112): Andre haben sich begnügt zu sagen, was uns zu tragischen Darstellungen hinzieht, sey das Bedürfnis heftiger Erschütterungen, um uns aus der Dumpfheit des alltäglichen Lebens zu reißen. Dieß Bedürfniß ist vorhanden, ich habe es anerkannt, als ich vom Reiz des Schauspiels überhaupt redete; es hat den Thiergefechten, bey den Römern sogar den Fechterspielen ihren Ursprung gegeben. Aber sollten wir, weniger verhärtet, und zu zarteren Rührungen geneigt, Halbgötter und Helden in die blutige Arena der tragischen Bühne herabsteigen zu sehen verlangen, wie verworfene Gladiatoren, nur um unsre Nerven durch den Anblick ihrer Leiden zu erschüttern? Nein, es ist nicht der Anblick des Leidens, was den Reiz 〈112〉 eines Trauerspiels ausmacht, oder der Spiele des Circus, oder selbst der Thiergefechte. In diesen sieht man Gewandtheit, Stärke und Muth sich entwickeln, lauter Eigenschaften, die geistigen und sittlichen Fertigkeiten des Menschen verwandt sind. Was in einem schönen[1] Trauerspiel aus unsrer Theilnahme an den dargestellten gewaltsamen Lagen und zerreißenden Leiden eine gewisse Befriedigung hevorgehen läßt, ist entweder das Gefühl der Würde der menschlichen Natur, durch große Vorbilder geweckt, oder die Spur einer höheren Ordnung der Dinge, dem scheinbar unregelmäßigen Gange der Begebenheiten eingedrückt, und geheimnißvoll darin offenbart, oder beydes zusammen. ➢ Volltext.
[91] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 275: Alles würdige, edle und große der menschlichen Natur läßt nur eine ernsthafte Darstellung zu: denn der Darstellende fühlt es gegen sich im Verhältnisse der Ueberlegenheit, es wird also bindend für ihn. Der komische Dichter muß es folglich von der seinigen ausschließen, sich darüber hinwegsetzen, ja es gänzlich läugnen, und die Menschheit[1] im entgegengesetzten Sinne[1] wie der Tragiker, nämlich ins häßliche[1] und schlechte, idealisiren. ➢ Volltext; ➢ vgl. [83].
[92] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 276: Das scherzhafte Ideal besteht [...] in der vollkommnen Harmonie und Eintracht der höhern Natur mit der thierischen, als des herrschenden Prinzips. Vernunft[1] und Verstand[1] werden als freywillige Sklavinnen der Sinne[3] vorgestellt. | Hieraus fließt nothwendig dasjenige, was im Aristophanes so viel Anstoß gegeben hat: die häufige Erinnerung an die niedrigen Bedürfnisse des Körpers, die muthwillige Schilderung des thierischen Naturtriebes, der sich trotz allen Fesseln, welche ihm Sittlichkeit und Anständigkeit anlegen wollen, immer, ehe man sichs versieht, in Freyheit[1] setzt. Wenn wir darauf achten, was noch jetzt auf unsrer komischen Bühne die unfehlbare Wirkung des Lächerlichen macht, und sich nie abnutzen kann, sind es eben solche unbezwingliche Regungen der Sinnlichkeit im Widerspruch mit höheren Foderungen: Feigheit, kindische Eitelkeit, Plauderhaftigkeit, Leckerey, Faulheit u. s. w. So wird z. B. Lüsternheit am gebrechlichen Alter um so lächerlicher, 〈277〉 weil sich da zeigt, daß es nicht der bloße Trieb des Thieres[1] ist, sondern daß die Vernunft nur gedient hat, die Herrschaft der Sinnlichkeit unverhältnißmäßig zu erweitern; und durch Trunkenheit setzt sich der wirkliche Mensch gewissermaßen in den Zustand des komischen Ideals. ➢ Volltext .
[93] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 70: Niemand hat so wie er [sc. Shakspeare] den leisen Selbstbetrug geschildert, die halb selbstbewußte Heucheley gegen sich, womit auch edle Gemüther die in der menschlichen Natur fast unvermeidliche Eindrängung selbstischer Triebfedern verkleiden. Diese geheime Ironie[1] der Charakteristik ist bewundernswürdig als ein Abgrund von Scharfsinn, aber dem Enthusiasmus thut sie wehe. Dahin kommt man also, wenn 〈71〉 man das Unglück gehabt hat, die Menschheit[1] zu durchschauen, und außer der traurigen Wahrheit, daß keine Tugend und Größe ganz rein und ächt sey, und dem gefährlichen Irrthum als stände das Höchste zu erreichen, bleibt uns keine Wahl übrig. Hier spüre ich, während er die innigsten Rührungen erregt, in dem Dichter selbst eine gewisse Kälte, aber die eines überlegenen Geistes[32], der den Kreis des menschlichen Daseyns durchlaufen, und das Gefühl überlebt hat. ➢ Volltext.
[94] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (21817), 3 f. (4): Die allgemeine philosophische Theorie der Poesie[1] und der übrigen schönen[2] Künste[1] stellt die Grundgesetze des Schönen[1] auf, die allen mit einander gemein sind. Jede Kunst[2] hat ferner ihre besondere Theorie, welche darauf abzweckt, die Gränzen, die Schwierigkeiten und die Mittel dieser Kunst[2] kennen zu lehren. Hiezu werden wissenschaftliche Erörterungen erfo〈4〉dert, welche dem Künstler nützlich, aber wenig anziehend für solche Freunde der Kunst[2] sind, die nur die Hervorbringungen ausgezeichneter Geister[32] genießen wollen. Die allgemeine Theorie hingegen zergliedert eine der menschlichen Natur wesentliche Eigenschaft: die Fähigkeit das Schöne[1] zu empfinden, woraus das Bedürfniß der schönen[2] Künste[1] und das Wohlgefallen daran entsteht; sie zeigt das Verhältniß zwischen dieser Fähigkeit und allen übrigen sittlichen und erkennenden Fähigkeiten des Menschen. Sie ist also sehr wichtig für den Denker, aber an sich allein reicht sie nicht hin, um zur Führerin bey Ausübung der Kunst[2] zu dienen. | Die Geschichte[4] der schönen[2] Künste[1] lehrt uns, was geleistet worden, die Theorie, was geleistet werden soll. Ohne ein verbindendes Mittelglied würden beyde abgesondert und unzulänglich bleiben. Die Kritik[2] ist es, welche die Geschichte[4] der Künste[2] aufklärt, und ihre Theorie fruchtbar macht. Die Vergleichung und Beurtheilung der vorhandenen Hervorbringungen des menschlichen Geistes[11] muß uns die Bedingungen an die Hand geben, die zur Bildung[1] eigenthümlicher und gehaltvoller Kunstwerke[2] erforderlich sind..
[95] A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), XII f.: Die Aufgabe der litterarischen und Kunst[11]-Kritik[1] ist ja nicht, wie es von der philologischen und historischen Kritik[1] allerdings gilt, die scharfsinnige und gelehrte Führung eines schwierigen Erweises. Die Bemühung des Kritikers verliert dadurch nichts an ihrem Werth, daß das Urtheil unverbildeter, unverwöhnter und vorurtheilsfreier Leser des Gedichtes oder Betrachter des Kunstwerkes schon im voraus mit dem seinigen übereinstimmt. Man suchte nur einen Sprecher der gemeinsamen Empfindungen, weil die Mittheilung und Verständigung darüber den Genuß erhöht. Die Aufgabe ist, für den Gesamt-Eindruck, der aus einem unendlich feinen Gewebe einzelner Eindrücke zusammengesetzt ist, den angemessensten Ausdruck zu finden; diese Wirkung des Kunstwerkes aus den Anlagen der menschlichen Natur, aus den Forderungen des äußern Sinnes[4], der Einbildungskraft, des Geschmacks, des Verstandes und des sittlichen Gefühls, befriedigend zu erklären; und überall von dem besonderen Fall auf allgemeine Wahrheiten und Grundgesetze zurückzuweisen. Man schätzt die Verbindung des philosophi〈XIII〉schen Geistes[22] mit der praktischen Einsicht, wie dieses oder jenes anders und besser hätte gemacht werden können, aber warum das Ganze, so wie es ist, vollendet erscheint..
[96] F. Schlegel, Philolog. I (*1797), KFSA 16, 35, Nr. 1: Der Unterschied des Klassischen[7] und Progressiven[5] ist historischen Ursprungs. Darum fehlt er den meisten Philologen. Mit Winkelmann fängt auch in dieser Rücksicht eine ganz neue[1] Epoche an. 〈Mein Meister.〉 Er hat den unermeßlichen Unterschied eingesehn, die ganz eigne Natur des Alterthums[3]. Er ist eigentlich ohne Nachfolger geblieben..
[97] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 59, Nr. 220: Kant der Kopernikus der Philosophie hat von Natur vielleicht noch mehr synkretistischen Geist[20] und kritischen[1] Witz[2/3?] als Leibniz: aber seine Situazion und seine Bildung[5] ist nicht so witzig; auch geht es seinen Einfällen wie beliebten Melodieen: die Kantianer haben sie todt gesungen; daher kann man ihm leicht Unrecht thun, und ihn für weniger witzig halten, als er ist.
➢ Volltext
.[98] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 14: Obgleich mir aber auch das, was man gewöhnlich Religion[1] nennt, eins der wunderbarsten, größesten Phänomene zu seyn scheint, so kann ich doch im strengen Sinne nur das für Religion[3] gelten lassen, wenn man göttlich denkt, und dichtet, und lebt, wenn man voll von Gott ist; wenn ein Hauch von Andacht und Begeisterung über unser ganzes Seyn ausgegossen ist; wenn man nichts mehr um der Pflicht, sondern alles aus Liebe thut, bloß weil man es will, und wenn man es nur darum will, weil es Gott sagt, nämlich Gott in uns. | Es ist mir, als ob ich Dich bey diesem Stücke Religion[3] denken hörte: „Wenn es also nur auf die Andacht und auf die Anbetung des Göttlichen ankommt; wenn das Menschliche überall das Höchste ist; wenn der Mann von Natur der erhabnere Mensch ist: so wäre es ja der rechte, und wohl der nächste Weg den Geliebten anzubeten, und so die menschenvergötternde Religion[1] der menschlichen Griechen zu modernisiren?“ – Ich werde gewiß der letzte seyn, der Dir diesen Weg abräth oder verleidet, wenn der Mann, den Du meinst, anders der ursprünglichen Natur des Mannes getreu, und von erhabnem Sinne[9] ist. Ich wenigstens könnte nicht lieben, ohne auf die Gefahr der Chevalerie etwas anzubeten; und ich weiß nicht, ob ich das Universum von ganzer Seele anbeten könnte, wenn ich nie ein Weib geliebt hätte. Aber freylich das Universum ist und bleibt meine Losung.
➢ Volltext
.[99] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 101 ff. (102 f.): Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre[4] spricht. | Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüth verlassen. Freylich, wem es da trocken ist, dem wird es nirgends quillen; und das ist eine bekannte Wahrheit, gegen die ich am wenigsten gesonnen bin mich aufzulehnen. Aber wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Aehnlichen, oder bey 〈102〉 gleicher Würde Feindlichen entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte[1] bilden. [...] | Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk[1] der Natur[2]. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigenthümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode, wenn ich so sagen darf. | Da finde ich nun eine große Aehnlichkeit mit jenem großen Witz[2] der romantischen[12/4] Poesie[22], der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Construction des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakspeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie[1], der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt, scheinen mir schon selbst eine indirekte Mythologie zu seyn. Die Organisazion[8] ist dieselbe und gewiß ist die Arabeske die älteste[1] und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie[2]. Weder dieser Witz[2] noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte[5] Natur[1/19] und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive[2] Tiefsinn den Schein des Verkehrten 〈103〉 und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie[11], den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft[1] aufzuheben und uns wieder in die schöne[1] Verwirrung der Fantasie[2], in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur[1/19] zu versetzen, für das ich kein schöneres[1] Symbol bis jetzt kenne, als das bunte[2] Gewimmel der alten[10] Götter[5]. ➢ Volltext.
[100] A. W. Schlegel/C. Schlegel, Rez. Schulz (1797), 219: Man kann, ohne im geringsten undeutsch zu werden, das Schleppende und Schwerfällige, Fehler, denen unsre Sprache[3] durch die Natur ihrer Wortfügungen und Wortstellungen nur allzusehr ausgesezt ist, mit dem raschen, flüchtigen Tritte der Französischen Prosa[5] vertauschen. Nichts würde uns im Grunde mehr von den Vorzügen dieses Musters entfernen als Gallicismen; denn keine Nation[1] wacht sorgfältiger über die charakteristische[4] Reinheit ihrer Sprache[3], und verbannt alles, was sich nicht mit ihrer allgemeinen Beschaffenheit in Harmonie setzen läßt, mit größerer Strenge daraus, als die Französische. Diese Klippe, auf die man bey dem Bestreben nach Annäherung so leicht geräth, hat Hr. S. [sc. Friedrich Schulz] mehrentheils glücklich vermieden. Selbst wo er ganz nach fremden[1] Erfindungen arbeitet, überträgt er weniger wörtlich, und erinnert seltner an ein Original, als die deutsche Treue, die sich sonst auch im Uebersetzen[1] bewährt, es mit sich bringt. Vielleicht ist es ihm eben dadurch besser gelungen, den Eindruck im Ganzen wieder zu geben, wozu in dieser Gattung die Ungezwungenheit sehr wesentlich mitgehört..
[101] Schlichtegroll, Mozart (1793), 7: Der Mensch mit wunderähnlichen Gaben und Fertigkeiten von der Natur[2] beschenkt, ist selten ein allgemeines Muster zur Nachahmung für Andere. So wie seine Vollkommenheiten uns übrigen unerreichbar sind, so können auch seine Fehler nicht zu unserer Entschuldigung gereichen. Um sich brauchbare Regeln für das praktische Leben als Mensch im Allgemeinen abzuziehen, und durch Aufmerksamkeit auf Beyspiele sich dem erreichbaren Grade der Ausbildung unserer Natur[1] zu nähern, müssen wir nicht jene seltnen Menschen zum Muster auswählen, sondern vielmehr Geister[32] von mittlern Gaben, die aber diese Anlagen gleichförmig und vorsichtig ausgebildet haben, und denen wir es gleich zu thun hoffen dürfen..
[102] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 154: So unvollkommen dieses Instrument[3] [sc. Waldhorn] ist, so meisterhaft wußte er [sc. Jean-Joseph Rodolphe] ihm seine Inconsequenzen abzuringen. Seine Stärke war mehr in der Tiefe, mit der Höhe befaßte er sich nur so weit, als es die Natur des Instruments[3] gestattet..
[103] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 15: In den Bildern der Sprache[1] und in den Gleichnissen kommt ein großer Theil des Vergnügens von dem weiten Abstand des Bildes von seinem Urbilde her. Wer in der Natur einer Pflanze[1] richtige Aehnlichkeiten mit moralischen Gegenständen entdeket, der hat etwas feineres bemerket, als der, welcher dasselbe in einem Thier[1] bemerket hat..
[104] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 114: Es ist ganz wider die Natur[21], daß die überwältigende Anfälle der Leidenschaft ofte kommen, oder lange anhalten. So bald man aber merkt, daß ein Scribent den Mangel der Begriffe[1] mit Ausrufen ersetzen will, so wird man kalt. Sie würken nur alsdenn, wenn man uns so viel verständliches von der Gemüthslage gesagt hat, daß wir die Stärke der Empfindung begreiffen. Daher kömmt es, daß die Ausrufung bisweilen ihre Natur[1] ganz verändert, und ironisch[1] wird, so wie in dieser Stelle aus Hallers Ode, über die Ehre: | O! edler Lohn für meine Mühe, | Wenn ich mich in der Zeitung sehe, | Bey einem Schelmen, oben an..
[105] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 457: Wir dürfen uns nicht scheuhen, die Anlage zum Genie[2] selbst in der thierischen Natur aufzusuchen, da man durchgehends übereingekommen ist, auch den Thieren[1] etwas dem Genie[2] ähnliches zuzuschreiben. Wir sehen, daß jedes Thier[1] alle Geschäffte, die zu seinen Bedürfnissen gehören, mit einer Geschicklichkeit und mit einer Fertigkeit verrichtet, die Genie[2] anzuzeigen scheinen. Bey dem Thier[1] liegt allemal ein höchst feines Gefühl, eine ausnehmende Reizbarkeit der Sinne[4] zum Grund..
[106] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 534: Es ist kein geringes Verdienst an dem Ovidius, (sagt ein sehr scharfsinniger englischer Kunstrichter [...]) daß er die schöne Methode erfunden hat, unter erdichteten Charaktern[7] Briefe[3] zu schreiben. Es ist eine große Verbesserung der griechischen Elegie, über welche die dramatische Natur jener Schreibart einen ungemeinen Vorzug erhielt..
[107] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 1268: Nach dem Stoff kommt die Darstellung desselben in Betrachtung, wodurch das Werk eigentlich zum Werke des Geschmaks wird. Sie erfodert eine Behandlung des Stoffs, wodurch er sich der Vorstellungskraft lebhaft einpräget, und in dauerhaften Andenken bleibt. Beydes sezet voraus, daß das Werk die Aufmerksamkeit stark reizen, und durchaus unterhalten müsse. Denn die Lebhaftigkeit des Eindruks, den ein Gegenstand auf uns macht, ist insgemein dem Grad der Aufmerksamkeit, mit dem er gefaßt wird, angemessen. Das Werk muß demnach sowol im Ganzen, als in einzelen Theilen uns mit unwiederstehlicher Macht gleichsam zwingen, uns seinen Eindrüken zu überlassen. Darum muß weder im Ganzen, noch in den einzelen Theilen nicht nur nichts anstößiges, oder wiedriges seyn, sondern alles muß Ordnung, Richtigkeit, Klarheit, Lebhaftigkeit und kurz jede Eigenschaft haben, wodurch die Vorstellungskraft vorzüglich gereizt wird. Es muß ein einfaches, leicht zu fassendes, unzertrennliches und vollständiges Ganzes ausmachen, dessen Theile natürlichen Zusammenhang und vollkommene Harmonie haben. Man muß bald sehen, oder merken, was es seyn soll; weil die Ungewißheit über diesen Punkt der Aufmerksamkeit gefährlich wird. Je bestimmter man den Hauptinhalt ins Auge faßt, und je ununterbrochener die Aufmerksamkeit von Anfang bis zum End unterhalten wird, je vollkommener ist das Werk in Absicht auf die Darstellung. | Dieses sind allgemeine Foderungen, die aus der Natur der Sache selbst fließen; und gar nichts willkührliches haben. Für welches Volk, für welches Weltalter, ein Werk gemacht sey; muß es doch die erwähnten Eigenschaften haben. Außer dem muß auch die Critik[8] nichts fodern, und dem Künstler weder in Ansehung der Form, noch in Rüksicht auf das besondere der Behandlung, Geseze vorschreiben. Thut er jenen Fodrungen genug, so hat ihm über die besondere Art, wie er es thut, Niemand etwas vorzuschreiben..
[108] Wieland, Aristipp. I (1800–01), SW 22, 394: Um diese Allegorie nicht zu lange zu verfolgen, bemerke ich nur, daß das Daseyn der Vernunft und ihr Einfluß auf unsre sinnliche oder thierische Natur sich, wie bei den Kindern schon in der frühen Dämmerung des Lebens, so bei allen, selbst den rohesten Völkern[1] schon in den ersten Anfängen der Cultur[3] vornehmlich darin beweist, daß sie (wofern nicht besondere klimatische oder andere zufällige Ursachen im Wege stehen) sich selbst und ihren Zustand immer zu verschönern und zu verbessern suchen..
[109] Zelter, Selbstbiogr. (*1820), 18: Die italienische und überhaupt eine fremde[1] Sprache[3] schien mir notwendig, ja natürlich zur Darstellung so wunderbarer Dinge. Daher kam es mir denn niemals unschicklich vor, Helden singend sterben zu sehn, wogegen ich oft genug die Einwendungen der damaligen Kritik[8] anhörte. Und indem ich dem Wunderbaren seine eigene Natur zugestand, konnte es mich vielmehr erschrecken, wenn ich an den Schauspielern Ausdrucksarten oder Bewegungen wahrnahm, die das Untergeordnete, Alltägliche verrieten..
161943 Besucher bislang. ::
Admin Login