Wortliste
Semantik 
3. ›in beständiger Weiter- und/oder Höherentwicklung begriffen‹, daher zugleich ›unabgeschlossen, unvollendet, unendlich perfektibel‹; offen zu 2 und 6. – Bei Schelling [9, 12] erscheint als progressiv3 das menschliche Handeln, das aus eben diesem Grund (im Gegensatz zur Natur) zugleich historisch (Objekt der Geschichte [9]) ist. Mit Blick auf das Geniekonzept der Zeit, insbesondere auf Schellings eigenen Ansatz, wonach in der Kunst „Natur und Freiheit zusammentreten“ (Schelling, Philos. d. Erf., (1798), SW I, 1, 465) erscheint das idealtypische Kunstprodukt (im Beleg [9] konkret: das Gedicht) damit nicht als Gegenstand der Geschichte. Eine progressive3 Literatur (als welche F. Schlegels Studiumsaufsatz zufolge die moderne Literatur im Gegensatz zur antiken2 erscheint) ist daher nicht echt poetisch4 [9] – eine Position, die im Zusammenhang der nahezu zeitgleich von der Frühromantik (insbesondere F. Schlegel) vollzogenen Kontrastierung der klassischen3/7 und der romantischen12/3 Literatur zu sehen ist. Die Synthese des damit konstruierten Gegensatzes (die der Schelling-Beleg von 1798 noch nicht in den Blick nimmt, deren Postulat sich aber in einer etwas früheren Notiz F. Schlegels bereits andeutet [23]) erscheint im Konzept des Romantischen10 bzw. des Progressiven6.
Belege 
[1] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 91: Aber das Umfassende, was die Sprache[1] durch dies Merkmal [Verknüpfung von Wörtern zu Sätzen] erhält, und das Bestimmte, zeigt schon von einem hohen Grade der Ausbildung des Verstandes. Es sind nicht mehr einzelne Vorstellungen, sondern mehrere; nicht bloß mehrere, sondern auch die mannichfaltigsten Verhältnisse, in denen sie erscheinen. Hiebei also zeigt sich zuerst, daß die Sprache[1] ein progreßives Ganze sei. Volltext

[2] Novalis, Blüthenstaub (1798), 85, Nr. 54: Je verworrener ein Mensch ist, man nennt die Verworrenen oft Dummköpfe, desto mehr kann durch fleißiges Selbststudium aus ihm werden; dahingegen die geordneten Köpfe trachten müssen, wahre Gelehrte, gründliche Encyklopädisten zu werden. Die Verworrnen haben im Anfang mit mächtigen Hindernissen zu kämpfen, sie dringen nur langsam ein, sie lernen mit Mühe arbeiten: dann aber sind sie auch Herrn und Meister auf immer. Der Geordnete kommt geschwind hinein, aber auch geschwind heraus. Er erreicht bald die zweyte Stufe; aber da bleibt er auch gewöhnlich stehn. Ihm werden die letzten Schritte beschwerlich, und selten kann er es über sich gewinnen, schon bey einem gewissen Grade von Meisterschaft sich wieder in den Zustand eines Anfängers zu versetzen. Verworrenheit deutet auf Überfluß an Kraft und Vermögen, aber mangelhafte Verhältnisse; Bestimmtheit, auf richtige Verhältnisse, aber sparsames Vermögen und Kraft. Daher ist der Verworrne so progressiv, so perfektibel, dahingegen der Ordentliche so früh als Philister aufhört.

[3] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 109:
Moderne Dichtarten
[...] sind mehr
progressiv
und ihr Wesen ist nicht wie bei den klassischen
[7]
Dichtarten darauf berechnet, den höchsten Gipfel zu erreichen.


[4] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 94, Nr. 106: Sollte es nicht ein Dichtungswerk geben können das
zugleich Roman
und
classisch[e]
[
5
]
Komödie
wäre, [...] in Geist
[
12
]
und Buchstabe
[
8
]
classisch
[
5
]
und doch universell und
progressiv
?


[5] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 102, Nr. 208: Die class.[ische]
[
5
/
7
]
π [Poesie], die Naturπ[poesie], die sentim.[entale]
[
1
]
π [Poesie] [...] annihiliren s.[ich] selbst. Die
progressive
[
3
/
6
]
vereinigt alle, vernichtet s.[ich] selbst immer, setzt s.[ich] aber auch immer wieder.


[6] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 81, Nr. 618: Jede der classificirten Wissenschaften – Logik, Ethik, Poetik, Politik, Historie – behauptet ihre Rechte (und Individ.[ualität]), wiewohl jede dieser W[issenschaften], progreßiv behandelt, universell ist und also alle übrigen umfaßt.

[7] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 76.

[8] W. v. Humboldt, an Schiller (13. 2. 1796), NA 36.1, 123.

[9] Schelling, Philos. d. Erf. (1798), SW I, 1, 470.

[10] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 431.

[11] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 421.

[12] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 589.

[13] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!
1801–02), KAV 1, 205.

[14] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 461 f. (462).

[15] F. Schlegel, Schönh. i. d. Dichtk. III (*1795), KFSA 16, 11, Nr. 36.

[16] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 85, Nr. 2.

[17] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 91, Nr. 65.

[18] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 93, Nr. 96.

[19] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 97, Nr. 150.

[20] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 104, Nr. 230.

[21] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 71, Nr. 112.

[22] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 72 f. (73), Nr. 131.

[23] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 24, Nr. 66.

[24] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 56, Nr. 367.

[25] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 80, Nr. 609.

[26] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 81, Nr. 620.

[27] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 87, Nr. 693.

[28] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 92, Nr. 751.

[29] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 128.

[30] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 180.

[31] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 64 f..

[32] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797–98), KFSA 18, 31, Nr. 133.

[33] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28, Nr. 116.

[34] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 60, Nr. 222.

[35] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1798), KFSA 18, 50, Nr. 315.

[36] F. Schlegel, Philos. Lehrj. III (*1798), KFSA 18, 124, Nr. 21.

[37] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 180 f..

[38] F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. III (1804), 7.

[39] F. Schlegel, Philos. Lehrj. XII (*1806), KFSA 19, 215, Nr. 116.














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