11.
›in beständiger Weiter- und/oder Höherentwicklung begriffen, unabgeschlossen, unvollendet, unendlich perfektibel; umfassend, universal, allseitig‹; offen zu
10, intensionale Bestimmung zu
12; auch im Sinne einer Qualität nicht nur der
modernen1 Poesie, sondern der Poesie überhaupt.
—
Bdv.
:
♦
entsprechend:
progressiv3 [
1],
unendlich [
1,
4,
8]. ♦
der semantischen Bestimmung der adjektivisch ausgedrückten Größe entsprechend:
Tendenz nach einem tiefen unendlichen Sinn2 [
2]. ♦
gegensätzlich:
fertig [
1],
klassisch3 [
6],
klassisch5 [
6],
plastisch3 [
8],
vollendet [
1]. —
Ktx.
:
♦
Eigenschaftsträger:
Charakter1 der modernen1 Poesie11 [
6],
Dichtart [
1],
Poesie11 [
1,
1,
3,
7,
9,
10],
Prinzip [
8]. ♦
avisierter Eigenschaftsträger:
jedes Gedicht [
2]. ♦
Eigenschaft eines Eigenschaftsträgers:
unendliches Streben [
5]. ♦
was einer durch ein Eigenschaftsgefüge bezeichneten Größe geschieht:
werden (↪ r. Poesie11) [
1]. ♦
Eigenschaft einer durch ein Eigenschaftsgefüge bezeichneten Größe:
⌈Streben zu einem großen Universalgedicht, welches alle Gegenstände des Himmels und der Erde, alle Formen der Poesie11 in sich beschließt (↪ r. Poesie11)⌉ [
3],
Streben nach dem Unendlichen (↪ r. Poesie11) [
9],
grenzenlose Progressivität (↪ r. Poesie11) [
9],
unauflösliche Mischung aller poetischen4 Elemente (↪ r. Poesie11) [
9]. ♦
Fähigkeit/Möglichkeit einer durch ein Eigenschaftsgefüge bezeichneten Größe:
etw. immer wieder potenziren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen (↪ r. Poesie11) [
1],
grenzenlos wachsende Klassizität (↪ r. Poesie11) [
1].
[1]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28 ff., Nr. 116
: Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Poesie[11] ist eine progressive[3/6] Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie[11] wieder zu vereinigen, und die Poesie[11/18] mit der Philosophie, und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie[3] und Prosa[1], Genialität und Kritik[1], Kunstpoesie, und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie[11] lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch[1] machen, den Witz[1] poetisiren, und die Formen der Kunst[2] mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors[2] beseelen. Sie umfaßt alles, was nur poetisch[4] ist, vom größten wieder mehre Systeme 〈29〉 in sich enthaltenden Systeme der Kunst[12], bis zu dem Seufzer, dem Kuß, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosen Gesang. [...] Nur sie kann gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden. Und doch kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frey[1] von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen[4] Reflexion in der Mitte schweben[5], diese Reflexion immer wieder potenziren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen. Sie ist der höchsten und allseitigsten Bildung[2] fähig; [...] indem sie jedem, was ein Ganzes in ihren Produkten seyn soll, alle Theile ähnlich organisirt[6], wodurch ihr die Aussicht auf eine gränzenlos wachsende Klassizität eröffnet wird. Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Poesie[11] ist unter den Künsten[2] was der Witz[1] der Philosophie, und die Gesellschaft, Umgang, Freundschaft und Liebe im Leben ist. Andre Dichtarten sind fertig, und können nun vollständig zergliedert werden. Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet seyn kann. Sie kann durch keine Theo〈30〉rie erschöpft werden, und nur eine divinatorische Kritik[2] dürfte es wagen, ihr Ideal charakterisiren zu wollen. Sie allein ist unendlich, wie sie allein frey[5] ist, und das als ihr erstes Gesetz anerkennt, daß die Willkühr des Dichters kein Gesetz über sich leide. Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Dichtart ist die einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist: denn in einem gewissen Sinn[1] ist oder soll alle Poesie[11] romantisch[1/11] seyn. ➢ Volltext; vgl. [[[[BelegVerweis ID='9738' Anzeige='230' Formatierung='1']]]] sowie 7 [20]
[2]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 107
: Ich kann die didaktische Poesie[11] nicht für eine eigentliche Gattung gelten lassen, ebensowenig wie die romantische[1]. Jedes Gedicht soll eigentlich romantisch[1/11] und jedes soll didaktisch seyn in jenem weitern Sinne[1] des Wortes[1], wo es die Tendenz nach einem tiefen unendlichen Sinn[2] bezeichnet. ➢ Volltext
[3]
v. d. Hagen, Vorr. Lit. Grdriß (1812), IX f. (X)
: Aus fast gleichzeitigen Galischen Quellen jedoch mag ein Theil der Dichtungen vom Artus herrühren, welche später bei den Wälschen Völkern, in den Romanen von der Tafelrunde und dem Gral ausgebildet wurden. Diese nahm die Deutsche Poesie[3], so viel sie mochte, in sich auf; und von nun an besteht der größte Theil der poetischen[5], besonders der epischen Literatur dieser Zeit in dergleichen Übertragungen aus dem Wälschen, oder dem zum Theil gemeinsamen Lateinischen. Freilich sind es solche, wie sie damals nur sein konnten, keine künstliche Nachbildungen, sondern wahrhafte Verdeutschungen in Saft und Kraft. Ebenso wurden die durch eine spätere historische Epoche in deren Heimat veranlaßten Romane von Karl dem Großen und seinen Helden herübergenommen. In beiden Fabelkreisen, wie sie zum Theil nach einander, und der von den Helden Karls erst später recht bearbeitet wurden, zeigen auch die einzelen Dichtungen in 〈X〉 ihrer mythischen Folge, in welcher sie hier aufgeführt sind, zugleich ihre Entstehung nach einander; welches auch mit von dem Heldenbuch und überhaupt von den erzählenden Gedichten gilt: so daß sich in ihnen, zunächst in diesen drei großen epischen Kreisen, nicht nur die Historie, sondern auch ihre eigene Geschichte ausdrückt. Solche allmälige Entwickelung der sämmtlichen drei Kreise ging hervor aus dem Streben aller epischen Poesie[11], sich cyklisch abzuschließen. Dieß zeigt sich mehr oder minder schon in einzelen Romanen, die als Grundlage und Mittelpunkt ihres Kreises anzusehen; noch mehr in späteren, die schon so viel als möglich davon in sich wiederholen; am deutlichsten aber in den wirklich und absichtlich cyklischen Gedichten, wie besonders das über die Tafelrunde und den Gral und die noch umfassendere Weltkronik: es offenbart sich hierin zugleich das ursprüngliche Streben aller romantischen[12/11] Poesie[11] zu einem großen Universalgedicht, welches alle Gegenstände des Himmels und der Erde, alle Formen der Poesie[11] in sich beschließt. ➢ Volltext.
[4]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 65 ff. (66)
: Es ist einerlei, wie man diesen überirdischen Engel des innern Lebens, diesen Todesengel des Weltlichen im Menschen[[[[BedeutungsVerweis ID='686' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] nennt oder seine Zeichen aufzählt: genug, wenn man ihn nur – nicht in seinen Verkleidungen verkennt. Bald zeigt er sich den in Schuld und Leib tief eingehüllten Menschen[[[[BedeutungsVerweis ID='686' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] als ein Wesen, vor 〈66〉 dessen Gegenwart, nicht vor dessen Wirkung wir uns entsetzen [...]; wir nennen das Gefühl Geisterfurcht, und das Volk[[[[BedeutungsVerweis ID='153' Anzeige='5' Formatierung='1']]]] sagt [...], um das Unendliche auszudrücken, bloß: es. Bald zeigt sich der Geist[[[[BedeutungsVerweis ID='367' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] als den Unendlichen, und der Mensch[[[[BedeutungsVerweis ID='686' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] betet. Wär' er nicht, wir wären mit den Gärten der Erde zufrieden; aber er zeigt uns in tiefen Himmeln die rechten Paradiese. – Er zieht die Abendröthe vom romantischen[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='42' Anzeige='11' Formatierung='1']]]] Reiche weg, und wir blicken in die schimmernden Mond-Länder voll Nachtblumen, Nachtigallen, Funken, Feen und Spiele hinein. | Er gab zuerst Religion[[[[BedeutungsVerweis ID='395' Anzeige='3' Formatierung='1']]]] – Todesfurcht – griechisches[[[[BedeutungsVerweis ID='119' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] Schicksal – Aberglauben – und Prophezeiung [...] – und den Durst der Liebe – 〈67〉 den Glauben an einen Teufel – die Romantik[[[[BedeutungsVerweis ID='572' Anzeige='13' Formatierung='1']]]], diese verkörperte Geisterwelt, so wie die griechische[[[[BedeutungsVerweis ID='119' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] Mythologie, diese vergötterte Körperwelt..
[5]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!1798–99), KAV 1, 82
: Das Wesen der Chansons ist die sentimentale[1] Reflexion über das unendliche Streben und die Widersprüche in der romantischen[12/7/4/11] Liebe. Die Canzone kann man kurz als die über sich selbst reflektierende Ode charakterisieren. Ihre eigenen Weisen sind ihre langen Strophen, weibliche Schlüsse der Verse und vielfach verschlungene Reime. (Das Romantische[12/4/11] überhaupt besteht im Kontraste.) Sie hat daher den Charakter[1] eines musikalischen[3] Selbstgespräches und liebt wunderbare Visionen und Allegorien..
[6]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 195
: Höchst wesentlich ist für die Kunstgeschichte die Anerkennung des Gegensatzes zwischen dem modernen[1] und antiken[2] Geschmack. [...] Man hat den Charakter[1] der antiken[2] Poesie[11] mit der Bezeichnung classisch[3/5/7], den der modernen[1] [als] romantisch[12/4/11] bezeichnet; [...] sehr treffend. Es ist eine große Entdeckung für die Kunstgeschichte daß dasjenige, was man bisher als die ganze Sphäre der Kunst[3] betrachtete (indem man den Alten[10] die uneingeschränkte Autorität zugestand) nur die eine Hälfte ist: das classische[7] Alterthum[2] kann dadurch weit besser verstanden werden als aus sich allein..
[7]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 196
: So kann man sich die antike[2] Poesie[11] als den einen Pol einer Magnetischen Linie denken, die romantische[12] als den andern [...]. Freylich wird unsre historische Kenntniß nie vollendet, es muß immer durch Divination ergänzt werden. Es könnte sich in der Folge offenbaren, daß das, was wir jetzt als den andern Pol betrachten, nur ein Übergang, ein Werden sey, (welcher Charakter[1] sich sogar mit Wahrscheinlichkeit in der romantischen[12/14/11] Poesie[11] aufweisen läßt) und die Zukunft also erst das der antiken[2] Poesie[11] entsprechende und ihr entgegengesetzte Ganze liefern werde..
[8]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 438 f. (439)
: Wirkung des Reimes überhaupt: Verknüpfung, Paarung, Vergleichung. Erregte Erwartung schon im einzelnen Verse und Befriedigung. Erinnerung und Ahndung[1], statt daß die alte[10] Rhythmik immer in der Gegenwart festhält, und allen Theilen gleiche Dignität giebt. – Daher 〈439〉 liegt im Reime das romantische[12/4/11] Prinzip, welches das entgegengesetzte des plastischen[3] Isolierens ist. Allgemeines Verschmelzen, hinüber und herüber ziehen, Aussichten ins Unendliche..
[9]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 461 f. (462)
: Weit reiner [findet sich die Scheidung der Dichtarten] in der antiken[2] Poesie[11], weswegen diese vorzugsweise als Kunst[9] 〈462〉 und classisch[5] erscheint. In der romantischen[12/4] Poesie[11] eine unauflösliche Mischung aller poetischen[4] Elemente. Daher daß man sie verkennt. Die eigentlichen Originalwerke der Neueren[3] ganz übersehen, die schlechten Nachahmungen der Alten[10] als das Wichtigste gepriesen. Keinen Sinn[5] für das Chaos. 〈Auch das Universum bleibt der höhern Ansicht immer noch Chaos.〉 Das Streben nach dem Unendlichen ist in der Romantischen[12/4/11] Poesie[11] nicht bloß im einzelnen Kunstwerke[3] ausgedrückt, sondern im ganzen Gange der Kunst[3]. Gränzenlose Progressivität..
[10]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!1803–04), KAV 2.1, 39
: Mit einem Wort[2], es folgte auf die idealische Weltansicht des Ritterthums und seiner Galanterie ein derber Realismus: vielleicht kann man diese Zusammenstellung als ein allgemeines Gesetz, wenigstens im Gange der romantischen[12/10/11] Poesie[11] ansehen, da in dieser die Ironie[1] zu Hause ist..