[1]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 437
: Classisch[3] und Classiker[4] wurden zuerst diejenigen Bürger des alten[10] Roms genannt, welche zufolge der durch den König Servius Tullius, 578–534 v. Chr., angeordneten Eintheilung des Volkes[4] in sechs Vermögensclassen, in die erste Classe[1] gehörten. Nach Wiederherstellung des Studiums der aus dem Alterthume übrigen Schriftsteller wurden aber beide Ausdrücke auf die griech.[2] und röm. Autoren im Allgemeinen angewandt und man legte ihren gesammten Schriften, im Gegensatze zur neuern[5] oder romantischen{12], den Namen der classischen[7] Literatur bei, obgleich Vieles nicht als classisch[3], d. h. durch seine äußere und innere Vollendung in die erste Classe[1] gehörend, betrachtet werden kann. Auch die Schöpfungen der Kunst[2] der Alten[10] werden classisch[7] genannt, und insofern man darunter die innere und äußere Vollendung und musterhafte Ausführung eines Schrift- oder Kunstwerks[4] versteht, besitzt auch die neuere[5] Zeit[3] ihre classischen[3] Schriftsteller und Künstler.
[2]
Herwegh, Übervölk. (1839), W 2, 89
: Ich glaube, ich habe keine sechs Freunde, die nicht wenigstens einmal in ihrem Leben den Ehrgeiz gehabt hätten, wenn auch nur in dem Provinzialblatt ihres Landstädtchens, als Schriftsteller aufzutreten und für einige Minuten das geneigte Gehör eines bescheidenen Publikums[3] sich zu erbitten. Es ist, als ob niemand mehr Geltung oder Anspruch hätte, über der Masse zu stehen, der nicht einen Bogen Gedrucktes als Dokument der Bildung[6] aufzuweisen hat. Das Altertum war tatenlustig. Die moderne[9] Zeit[5] ist schreibselig.
[3]
Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), IV
: Man hat sich bey einzelnen, und oft bey den unbedeutendsten Stücken am längsten aufgehalten; von den großen Meisterstücken des Alterthums haben die Italiener am wenigsten geschrieben, während daß sie über elende Idolen Abhandlungen compilirt haben, die den Leser tödten möchten. ➢ Volltext
[4]
Heyne, Antiquar. Aufs. I (1778), 75
: Sonst war das Vergülden der Bronze im Alterthume keine ungewöhnliche Sache, so wenig sie dem Geschmacke Ehre macht. ➢ Volltext
[5]
W. v. Humboldt, Lat. u. Hell. (*
?1806), GS I, 3, 136
: Es giebt einen vierfachen Genuss des Alterthums: | in der Lesung der alten[10] Schriftsteller, | in der Anschauung der alten[10] Kunstwerke[4], | in dem Studium der alten[10] Geschichte[1], | in dem Leben auf classischem[3/7] Boden.
[6]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 38, Nr. 147
: Klassisch[
3]
zu leben, und das Alterthum
praktisch in sich zu realisiren, ist der Gipfel und das Ziel der Philologie.
[7]
Schleiermacher [Lücke], Hermen. u. Krit. (1838), SW I, 7, 4
: Wie Hermeneutik und Kritik[3] zusammengehören, so beide mit der Grammatik. Alle drei haben schon als philologische Disciplinen zusammengestellt Fr. A. Wolf und Ast, jener als philologische Vorbereitungswissenschaften, dieser als Anhang zur Philologie. Beide aber fassen sie zu speciell, nur in Beziehung auf die beiden klassischen[3] Sprachen[3] des Alterthums.
[8]
Börne, Brf. Paris V (1834), 131
: Das Handelsgericht [...] hat im Börsengebäude seinen Sitz [...]. Es ist eines der herrlichsten Gebäude der Welt; das Alterthum kannte kaum ein schöneres[1] [❏]; unter diesem Säulendache sollte Phidias Jupiter thronen und strahlen [...]! Aber drinnen 〈132〉 sitzt Merkur in einem gepolsterten Lehnstuhle, mit gekrümmtem Rücken, den Geldbeutel in der Hand und klingelt. Merkur der alte[8] Wucherer, der Phönizier, der Jude[2], der Mäkler, der Betrüger, der mit falschen Renten würfelt..
[9]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. IV (1841), 201
: Einer der ausgezeichnetsten und gelehrtesten Skeptiker des Alterthums war Sextus Empirikus [...]. – Der moderne[1] Skepticismus hat sich besonders gegen die Zuverlässigkeit der Verstandes- und Vernunfterkenntniß gerichtet und ist, da er nur auf dem Boden der Unkenntniß der Philosophie erwachsen, doch aber dieser sich entgegenstellte, zu keiner Bedeutung gelangt [...]..
[10]
Droysen, Alex. (o. J. [1833]), 248
: Schon im Alterthume haben Parmenions verständige Reden mehr Beifall gefunden, als die rasche That Alexanders, die sie hindern sollten; man hat hinzugefügt, daß solches Wüthen gegen den todten Stein, gegen Kunstdenkmale, gegen Erobertes zugleich kindisch, barbarisch und beklagenswerth sei; und in der That scheinen diejenigen mit Recht so zu sprechen, welche in dem Charakter[2] eines Helden nichts als ihre eigenen Tugenden, Bestrebungen und Maximen in erhöheter Potenz zu finden hoffen. Indeß haben große Männer das Recht, nach ihrem Maaße gemessen zu werden, und in dem, was man ihre Fehler nennt, liegt ein tieferer Sinn[2] als in der ganzen Moral, gegen die sie zu verstoßen den Muth haben. Träger der Gedanken ihrer Zeit[5] und ihres Volkes[1], handeln sie mit jener dunklen Leidenschaft, die, eben so weit als ihr Beruf über den Horizont der Alltäglichkeit hinaus, sie in die einsame Region der geschichtlichen Größe trägt, die nur der Blick der Bewunderung zu erreichen vermag. ➢ Volltext.
[11]
Goethe, Klass. u. Rom. (1820), 104
: Freylich wenn das Genie[4], der gute Kopf sich bestrebt das Alterthum wieder zu beleben, seine Zeitgenossen in abgelegene Regionen zurückzuführen, ihnen das Entfernte, durch gefällige Abspiegelung, näher zu rücken, da finden sich große Schwierigkeiten; demjenigen Künstler[1] dagegen wird es leicht der sich umthut was die Zeitgenossen ohnehin lieben, wornach sie streben, welche Wahrheit ihnen behagt, welcher Irrthum ihnen am Herzen 〈105〉 liegt? Und dann ist er ja selbst ein Moderner[1], in diese Zustände von Jugend auf eingeweiht und darin befangen, seine Ueberzeugung schließt sich an die Ueberzeugung des Jahrhunderts. Nun lasse er seinem Talente freyen[1] Lauf, und es ist kein Zweifel daß er den größten Theil des Publicums[2] mit sich hinreißen werde..
[12]
Goethe, an H. K. A. Eichstädt (30. 9. 1827), WA IV, 43, 94 f. (95)
: Sonst ist noch manches Gute zu Genuß und Besitz gekommen. Herr v. Reutern hat eine schöne[1] kräftige Waldzeichnung zurückgelassen, ein merkwürdiges Bild von Carus drückt die ganze Romantik[2] dem bewundernden Blick aus; so wie jener Hercules und Telephus vollkommen das Classische[5]. Eine Durchzeichnung, 〈95〉 Telephus mit der Ziege, in wirklicher Größe, hat mir der freundliche, freundlich empfangene Zahn zurückgelassen. Auch diese einzelne Gruppe stellt das ganze Alterthum dar..
[13]
Goethe, Max. u. Refl. (*
?1829; 1836), WA I, 41.2, 246 f. (247)
: Classisch[5/6/7] ist das Gesunde, romantisch[14/4/8/9] das Kranke. 〈247〉 | Ovid blieb classisch[6] auch im Exil: er sucht sein Unglück nicht in sich, sondern in seiner Entfernung von der Hauptstadt der Welt. | Das Romantische[14/4/8/9] ist schon in seinen Abgrund verlaufen; das Gräßlichste der neuern[3] Productionen ist kaum noch gesunkener zu denken. | Engländer und Franzosen haben uns darin überboten. Körper, die bei Leibesleben verfaulen und sich in detaillirter Betrachtung ihres Verwesens erbauen, Todte, die zum Verderben anderer am Leben bleiben und ihren Tod am Lebendigen ernähren: dahin sind unsre Producenten gelangt! | Im Alterthum spuken dergleichen Erscheinungen nur vor wie seltene Krankheitsfälle; bei den Neuern[3] sind sie endemisch und epidemisch geworden..
[14]
Heine, Romant. Schule (1836), 58
: Voß hatte schon vor Entstehung der neuen[6] Schule den Homer übersetzt, jetzt übersetzte er, mit unerhörtem Fleiß, auch die übrigen heidnischen Dichter des Alterthums; während Herr A. W. Schlegel die christlichen Dichter der romantisch[13] katholischen Zeit[3] übersetzte. Beider Arbeiten wurden bestimmt durch die versteckt polemische Absicht: Voß wollte die klassische[8] Poesie[1] und Denkweise durch seine Uebersetzungen befördern; während Herr A. W. Schlegel die christlich-romantischen[13] Dichter in guten Uebersetzungen dem Publikum[3], 〈59〉 zur Nachahmung und Bildung[2], zugänglich machen wollte. ➢ Volltext.
[15]
Herder, Bef. d. Hum. VI (1795), 159
: Das Alterthum [...] hatte soviel öffentliche Gebäude, prächtig durch ihre Größe; Akademieen, Colisäen, Theater u. f., die wie die Luft zum freien[1] Gebrauch waren. Die neuere[5] Zeit[3] hat lauter eingeschränkte Besitzungen, öffentli〈160〉che Gebäude, wo der Eintritt vor der Thür bezahlt wird. Sind in unsern engen Kreisen Herz und Geist[22] beschränkter, wie in jenem uns romantischen[7] Alter: so streben wir jetzt desto sicherer nach einem nicht zu hoch gesteckten Ziele..
[16]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 57
: Faini, Diamante, geborne Medaglia, eine bekannte italienische Dichterin des 18. Jahrhunderts, [...] äußerte schon als Kind ein so außerordentliches Talent für die Dichtkunst, daß sie im 15. Jahre, der alten Sprachen vollkommen mächtig, ohne einen andern Lehrer, als das Vorbild der klassischen[2] Dichter des Alterthums gehabt zu haben, Sonette dichtete, welche die allgemeinste Bewunderung erregten..
[17]
Herwegh, Verscholl. (1839), W 2, 80
: Wenig dichterische Köpfe sind in Schwaben, die Hölderlin
nicht ein paar Strophen geweiht, oder in seiner Nähe ein paar Stunden verlebt hätten. | Er hat auch wohl für die mit dem Altertum sich beschäftigende Jugend mehr Wert, als der größte Philolog. Er wollte uns das Schönste aus jenen klassischen Zeiten erobern, den freien,
großen Sinn..
[18]
Hirt, Baukunst (1809), 160 f. (161)
: Man kann [...] dem Architekten das Studium zur genauern Kenntniß aller Art Materialien und ihres zweckmäßigen Gebrauches, die Aufmerk〈161〉samkeit auf gut construirte Gebäude, besonders auf die klassischen[3] Denkmäler des Alterthums, und das Sammeln gründlich gemachter Erfahrungen nie dringend genug empfehlen..
[19]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 167 f. (168)
: Keine von allen Städten des neuen[3] Continents, selbst die der vereinigten Staaten nicht ausgenommen, ist im Besitze so großer und fest gegründeter wissenschaftlicher Anstalten, als die Hauptstadt von Mexico. Ich nenne hier nur [...] die Maler und Bildhauer-Academie. [...] Die Regierung hat hier ein geräumiges Gebäude angewiesen, worin sich eine weit schönere[6] und vollständigere Sammlung von Gyps-Abgüßen befindet, als man sie irgendwo in Deutschland antrifft. Man erstaunt darüber, wie der Apoll von Bel〈168〉vedere, die Gruppe des Laocoon und andre noch colossalere Statuen über Gebirgswege, welche wenigstens so eng sind, als die von St. Gotthard, gebracht werden konnten, und ist nicht minder überrascht, die Meisterwerke des Alterthums unter der heißen Zone [...] vereinigt zu sehn [...]. [...] In dem Academie-Gebäude, oder vielmehr in einem der dazu gehörigen Höfe sollte man die Reste mexicanischer Bildhauerei, die kollossalen Statuen von Basalt und Porphyr, welche mit aztekischen Hieroglyphen bedeckt sind, und manche Aehnlichkeit mit dem Styl der Egyptier und Hindu's haben, gesammelt aufstellen; denn es wäre gewiß merkwürdig, diese Denkmale der ersten Cultur[4] unsrer Gattung, diese Werke eines halbbarbarischen Volkes[1], das die mexicanischen Anden bewohnte, neben den schönen[1] Formen zu sehen, welche unter Griechenlands und Italiens Himmel gebohren wurden..
[20]
Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CLXX (1839), 519 f. (520)
: Auch zu Buonarottis Zeiten[3] war man noch [...] sehr von dem bloßen Studium der [Antiken3] und des Antiken[2] eingenommen [...] 〈520〉 [...]. Buonarotti [...] zeigte, daß er für die antike[2] Bildhauerkunst die größte Hochachtung hege, sie studiere, aber mit Nutzen, ohne die Natur[12] zu vernachlässigen, wodurch selbst die Alten[10] ein Muster geworden, und ohne Vernachlässigung der Zeit[3], in welcher man selbst lebt. Da er nun seine Arbeit so sehr unter die Bildhauerey der Alten[10] herabgesetzt fand, so entschloß er sich, seine Landsleute [...] von ihrem Irrthume zu überzeugen. Er verfertigte also eine Statüe des Morpheus, oder Gottes[4] des Schlafs aus Marmor, und schlug, nach der Vollendung desselben, davon einen Arm fort, und verbarg denselben in seiner Wohnung. Die Statüe überzog er mit einer Art Rost, um derselben ein antikes[2] Ansehen zu geben, und ließ sie an einem Orte, wo er wußte, daß man nach Alterthümern[5] stets zu suchen pflegte, unter Trümmern und Schutt heimlich eingraben. Nach einiger Zeit[6] wurde daselbst wieder, wie es schon früher geschehen war, der Antiken[3] wegen, nachgegraben, und so fand man denn auch die Bildsäule von Buonarotti. Die größten Kenner Roms bewunderten sie sogleich als einen aufgefundenen antiken[2] Schatz, ja als eines der schönsten[1] Stücke des Alterthums[3]. Man ließ sich in Lobeserhebungen über die Schönheit[1] der Arbeit, aus, und sagte ganz offen, daß man hiernach die Arbeiten des Michael Angelo beurtheilen könne, wie weit diese hinter den Antiken[3] zurückständen. Man ließ ihm zwar dabei eine gewisse Gerechtigkeit widerfahren, indem man sagte: daß er, als ein Neuerer[5] in der Kunst[4], in der That ein geschickter Mann sey; allein hieran könne man doch erkennen, wie viel er noch zu thun habe, um diese Antike[3] zu erreichen [...]. Nachdem nun Buonarotti sie eine Zeitlang in dem 〈521〉 Wahne, eine wirkliche Antike[3] vor sich zu haben, gelassen, auch viele ironische[1] Bemerkungen zwischen der Antike[4] und seiner Arbeit mit angehört hatte, so trat er endlich hervor, und erklärte die Bildsäule für sein Werk [...]..
[21]
Novalis, Über Goethe (*1798), NS 2, 641, Nr. 445
: Wenn ich die neuesten[3] Freunde der Litteratur des Alterthums recht verstehe, so haben sie mit ihrer Foderung, die klassischen[7/3] Schriftsteller nachzuahmen nichts anders im Sinn[10], als uns zu 〈642〉 Künstlern zu bilden – Kunsttalent in uns zu erwecken. Keine moderne[1] Nation[1] hat den Kunstverstand in so hohem Grad gehabt, als die Alten[10]. Alles ist bey ihnen Kunstwerk[2] – aber vielleicht dürfte man nicht zu viel sagen, wenn man annähme, daß sie es erst für uns sind, oder werden können. Der classischen[7/3] Litteratur geht es, wie der Antike[4]; sie ist uns eigentlich nicht gegeben – sie ist nicht vorhanden – sondern sie soll von uns erst hervorgebracht werden. Durch fleißiges und geistvolles Studium der Alten[10] entsteht erst eine klassische[7/3] Litteratur für uns – die die Alten[10] selbst nicht hatten..
[22]
Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 77
: Auch auf meiner jetzigen Reise habe ich viele Merkwürdigkeiten gesehn, und gewiß ist in andern Ländern die Erde eben so ergiebig und verschwenderisch. | Wenn man, sagte der Unbekannte, die Schätze bedenkt, die im Orient zu Hause sind, so ist daran kein Zweifel, und ist das ferne Indien, Afrika und Spanien nicht schon im Alterthum durch Reichthümer seines Bodens bekannt gewesen?.
[23]
Schelling, Philos. d. Kunst (
!1803–04), SW I, 5, 429
: Die ewige Nothwendigkeit offenbart sich in der Zeit[3] der Identität mit ihr als Natur[13]. [...] Mit dem Abfall von ihr offenbart sie sich als Schicksal in herben und gewaltigen Schlägen. Um sich dem Schicksal zu entziehen, ist nur Ein Mittel, sich in die Arme der Vorsehung zu werfen. Dieß war das Gefühl der Welt in jener Periode der tiefsten Umwandlung, als das Schicksal an allem Schönen[1] und Herrlichen des Alterthums seine letzte Tücke übte. Da verloren die alten[10] Götter[4] ihre Kraft, die Orakel schwiegen[1], die Feste verstummten und ein bodenloser Abgrund voll wilder Vermischung aller Elemente der gewesenen Welt schien sich vor dem menschlichen Geschlecht[7] zu öffnen. ➢ Volltext; vgl. [25].
[24]
Schiller, Brf. Dän. (1785), NA 20, 102
: Ich komme aus dem Saal der Antiken[3] zu Mannheim. Hier hat die warme Kunstliebe eines deutschen Souverains die edelsten Denkmäler griechischer und römischer Bildhauerkunst in einem kurzen geschmackvollen Auszug versammelt. Jeder Einheimische und Fremde[1] hat die uneingeschränkteste Freiheit[9] diesen Schaz des Alterthums zu genießen [...]..
[25]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 455
: Es giebt kein andres Mittel sich der Gewalt des Schicksals zu entziehen, als sich in die Arme der Vorsehung zu werfen. Dieß that denn auch die Welt, als das Schicksal eben an allem Großen und Herrlichen des Alterthums seine letzten Tücken übte; als die schöne[1] Kunstwelt Griechenlands nach Gesetzen der organischen[6] Auflösung in sich zerfallen war, und die prachtvolle Weltherrschaft Roms durch die Last ihrer eignen Größe erdrückt ward, und die Nemesis des Römischen Übermuthes in barbarischen Horden hereinbrach. Da verlohren die alten[10] Götter[4] ihre Kraft, die laute Freude der Feste schwieg[4], die Orakel verstummten, und der Mensch[1], gleichsam aus seinem 〈geliebten〉 irdischen Wohnsitze ohne Rückhalt vertrieben, mußte eine höhere geistige Heimath suchen. ➢ vgl. [23].
[26]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!1803–04), KAV 2.1, 4
: Den Zweifel, welcher sich hier und da noch regt, ob es denn wirklich eine romantische[12], d. h. eigenthümlich moderne[1], nicht nach den Mustern des Alterthums gebildete, und dennoch nach den höchsten Grundsätzen für gültig zu achtende, nicht bloß als wilde Naturergießung zum Vorschein gekommene, sondern zu ächter Kunst[3] vollendete, nicht bloß national und temporär interessante[1], sondern universelle und unvergängliche Poesie[11] gebe: diesen Zweifel [...] hoffe ich befriedigend zu heben..
[27]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 13
: Das ganze Spiel lebendiger Bewegung beruht auf Einstimmung und Gegensatz. Warum sollte sich diese Erscheinung nicht auch in der Geschichte[1] der Menschheit[2] im großen wiederhohlen? Vielleicht wäre mit diesem Gedanken der wahre Schlüssel zur alten[10] und neuen[5] Geschichte[1] der Poesie[11] und der schönen[2] Künste[1] gefunden. Die, welche dieß annahmen, haben für den eigenthümlichen Geist[12] der modernen[1] Kunst[2], im Gegensatz mit der antiken[2] oder classischen[7/5], den Namen romantisch[12/4] erfunden. Allerdings nicht unpassend: das Wort[1] kommt her von romance, der Benennung der Volkssprachen, welche sich durch die Vermischung des Lateinischen mit den Mundarten[1] des Altdeutschen gebildet hatten, gerade wie die neuere[5] Bildung[5] aus den fremdartigen Bestandtheilen der nordischen Stammesart und der Bruchstücke des Alterthums zusammengeschmolzen ist, da hingegen die Bildung[5] der Alten[10] weit mehr aus einem Stücke war. ➢ Volltext.
[28]
A. W. Schlegel, Brchtg. Mißdt. (1828), 13 f. (14)
: Wenn ich den milden und kindlichen Sinn[9] preise, worin Johann von Fiesole die Lebensgeschichte seines Schutzheiligen Dominicus in einer Reihe von Bildern aufgefaßt [...], folgt daraus, daß ich an die Wunder des Ordensstifters glaube, und 〈14〉 alle seine Thaten gut heiße, wie die Geschichte[5] sie urkundlich darlegt? Eben so wenig, als der Bewunderer des Alterthums für einen Anbeter der Olympischen Götter[4] gilt, weil er entzückt anerkennt, daß die Griechischen[2] Künstler aus den dunstigen Regionen des Aberglaubens sich in die ätherische Sphäre sittlicher Urbilder emporgeschwungen, und dadurch die Religion[1] ihres Volkes[1] verklärt haben..
[29]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 93, Nr. 101
: Pedanterie mit d[em] Buchstaben[8] d[es] Alterthums ist recht gut, wenn man auch d[en] Geist[12] hat..
[30]
F. Schlegel, Philolog. I (*1797), KFSA 16, 35, Nr. 1
: Der Unterschied des Klassischen[7] und Progressiven[5] ist historischen Ursprungs. Darum fehlt er den meisten Philologen. Mit Winkelmann fängt auch in dieser Rücksicht eine ganz neue[1] Epoche an. 〈Mein Meister.〉 Er hat den unermeßlichen Unterschied eingesehn, die ganz eigne Natur[1] des Alterthums. Er ist eigentlich ohne Nachfolger geblieben..
[31]
F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 69, Nr. 100
: Vom klassischen[7] Sinn[5] ist der antiquarische Geist[14] noch ganz verschieden: das Interesse am Alten[10], weil es alt[10] ist: das Interesse an der Materie des Alterthums, an Reliquien, an klassischem[7] Boden. – Die größten Menschen haben diesen Sinn[5]. [...] 〈Interesse am Buchstaben[8] des Alterthums.〉.
[32]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 124, Nr. 404
: Zur Philologie muß man gebohren seyn, wie zur Poesie[11] und zur Philosophie. Es giebt keinen Philologen ohne Philologie in der ursprünglichsten Bedeutung des Worts[1], ohne grammatisches Interesse. Philologie ist ein logischer Affekt, das Seitenstück der Philosophie, Enthusiasmus für chemische Erkenntniß: denn die Grammatik ist doch nur der philosophische Theil der universellen Scheidungs- und Verbindungskunst. Durch die kunstmäßige Ausbildung jenes Sinns[5] entsteht die Kritik[3], deren Stoff nur das Klassische[3] und schlechthin Ewige seyn kann, was nie ganz verstanden werden mag: sonst würden die Philologen, an deren meisten man die gewöhnlichsten und sichersten Merkmahle der unwissenschaftlichen Virtuosität wahrnimmt, ihre Geschicklichkeit eben so gern an jedem andern Stoff zeigen als an den Werken des Alterthums, für das sie in der Regel weder Interesse noch Sinn[5] haben. Doch ist diese nothwendige Beschränktheit um so weniger zu tadeln oder zu beklagen, da auch hier die künstlerische Vollendung allein zur Wissenschaft[1] führen, und die bloße formelle Philologie einer materialen Alterthumslehre und einer humanen Geschichte[4] der Menschheit[2] nähern muß. ➢ Volltext.
[33]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 103
: Wären uns nur die Schätze des Orients[1] so zugänglich wie die des Alterthums! [...] Im Orient[1] müssen wir das höchste Romantische[4] suchen, und wenn wir erst aus der Quelle schöpfen können, so wird uns vielleicht der Anschein von südlicher[3] Gluth, der uns jetzt in der spanischen Poesie[11] so rei〈104〉zend ist, wieder nur abendländisch[2] und sparsam erscheinen. .
[34]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 122
: Ich habe ein bestimmtes Merkmal des Gegensatzes zwischen dem Antiken[2] und dem Romantischen[12] aufgestellt. Indessen bitte ich Sie doch, nun nicht sogleich anzunehmen, daß mir das Romantische[12] und das Moderne[1] völlig gleich gelte. [...] Da suche und finde ich das Romantische[12/7], bey den ältern[1] Modernen[1], bey Shakspeare, Cervantes, in der italiänischen Poesie[11], in jenem Zeitalter der Ritter, der Liebe und der Mährchen, aus welchem die Sache und das Wort[1] selbst herstammt. Dieses ist bis jetzt das einzige, was einen Gegensatz zu den classischen[3] Dichtungen des Alterthums abgeben kann [...]. ➢ Volltext.
[35]
F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 55
: [S]päterhin beschränkten sich die Italiäner auf ihre eigne Nationalität, begnügten sich nur mit dem, was ihre ersten Dichter von den Provenzalen genommen hatten, oder wagten Versuche, den Dichtern des römischen Alterthums nachzueifern. | Nicht so in der spanischen Poesie[11]; sie eignete sich von allen Seiten her ausländische Formen und Reize an, die verschiedensten romantischen[2/4/5/6/7/8] Elemente treffen hier zusammen, um endlich die vollkommenste und farbigste Blüthe der Phantasie[1] hervorzubringen und zum höchsten Glanz zu vollenden. ➢ Volltext.
[36]
F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 479
: Nicht bloß die Kunst[13] ist groß und bewundernswerth in Aeschylus und Sophokles, sondern auch die Gesinnung und das Gemüth. Nicht also in den lebendigen, nur in den künstlich gelehrten Dichtern des Alterthums wird dieses liebevoll Romantische[7] vermißt. Nicht dem Alten[10] und Antiken[5], sondern nur dem unter uns fälschlich wieder aufgestellten Antikischen, allem was ohne innre Liebe bloß die Form der Alten[10] nachkünstelt, ist das Romantische[7] entgegen gesetzt: so wie auf der andern Seite dem Modernen[7/5], d. h. demjenigen, was die Wirkung auf's Leben fälschlich dadurch zu erreichen sucht, daß es sich ganz an die Gegenwart anschließt, und in die Wirklichkeit einengt, wodurch es denn, wie sehr auch die Absicht und der Stoff verfeinert werden mag, der Herrschaft der beschränkten Zeit[5] und Mode unvermeidlich anheim fällt. ➢ Volltext.
[37]
L. Tieck, Phantasus I (1812), 98 f. (99)
: [M]ir [ist] in einer der traurigsten Gegenden Deutschlands ein Garten 〈99〉 bekannt, der allen romantischen[3] Zauber auf die sinnigste Weise in sich vereinigt, weil er, nicht um Effekt zu machen, sondern um die innerlichen Bildungen[16] eines schönen[1] Gemüthes in Pflanzen und Bäumen äußerlich zu erschaffen vollendet wurde; in jener Gegend, wo der edle Herausgeber der Arethusa nach alter[1] Weise im Kreise seiner liebenswürdigen Familie lebt [⦿]; dieser grüne, herrliche Raum schmückt wahrhaft die dortige Erde, von ihm umfangen vergißt man das unfreundliche Land, und wähnt in lieblichen Thälern und göttergeweihten Hainen des Alterthums zu wandeln; in jedem Freunde der Natur[2], der diese liebliche Schatten besucht, müssen sich dieselben heitern[5] Gefühle erregen, mit denen der sinnvolle Pflanzer die anmuthigste Landschaft hier mit dem Schmuck der schönsten[1] Bäume dichtete, die auf sanften Hügeln und in stillen Gründen mannichfaltig wechselt, und durch rührende Reize den Sinn[7] des Gebildeten beruhigt und befriedigt..
[38]
J. H. Voß, Romant. (*1801; 1808), 45
: Den reinen Naturformen, in welchen des Alterthums freyer[13] Genius sich verklärt darstellt, wurden die unförmigen Vermummungen des dumpfen, von Hierarchen und Damen abhängigen Rittergeistes, der beseelten Gestalt des Urschönen, des zur Göttlichkeit gesteigerten Menschlichen ward Ihres Ideals düsteres Fantom, dem Klassischen[5] das wilde Romantische[4], dem Antiken[2] das Moderne[1], ja wenn sie noch schamloser sich aussprachen, dem Irdischen Ihr Geistiges, dem Heidnischen Ihr Christkatholisches vorgezogen [...], und in den klingelnden Tonweisen der Fidelare und Meistersänger erhöht..
[39]
Waiblinger, Od. u. Eleg. (1829), 83
: Alles in unserer Zeit ist archäologisch geworden, | Und das Alterthum gilt mehr als im Alterthum
einst. | Vetturine [›Lohnkutscher‹]
sind nun von klassischem Schwindel ergriffen: | Alsbald, wie sie dein Thor, ewige Roma passirt; | Rasch den Corso hinab, mit Wagen, Gepäck und mit Rossen | Geht's in den Tempel sogleich, in die Dogana [›Zollstation‹]
hinein. [Anm. ebd.:]
Der Tempel des Antoninus Pius ist nun zur Mauth verwandelt worden. Es ist dieß sicherlich die prachtvollste und ehrwürdigste Dogana der Welt. [Der Autor spielt offenbar mit der Doppeldeutigkeit von
Schwindel: ›Taumel‹, ‹Betrug‹.]
.