Wortliste
Adel
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Struktur
Semantik
Belege
[1]
A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 48: Die Reihe von Kunstwerken[2] einer Nation sind [...] ihre reinste Geschichte[7] und unter diesen sind es wieder die Produkte der Poesie[1], welche sie am kräftigsten ausdrücken, weil sie es am individuellsten thun. – Wie herrlich und groß von dieser Seite das Sprachstudium erscheine, darf ich wohl nicht erst weitläuftig auseinandersetzen. Es ist vielmehr klar, daß ich durch eine Erlernung der Sprache[3], und durch ein Studium der poetischen[4] Kunstwerke[2] einer jeden Nation, eigentlich zum Mitgliede dieser Nation selbst werde. ➢ Volltext
[2] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 291: Der Consul, [...] Ein Beamter, den in unsern Zeiten handelnde Staaten in fremde[1] Länder oder Städte schicken wo sich viele Kaufleute ihrer Nation aufhalten, um über sie 〈292〉 die Aufsicht zu führen, und für ihr Bestes zu sorgen.
[3] Brockhaus, Conv.-Lex. VII (1809), 290: Der Dialect[1] (a. d. Griech.) heißt die Mundart[1], die Aussprache der Wörter[1] nach Verschiedenheit der Nationen.
[4] Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 43: Zwar aßen die klassischen
[5] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 14 f. (15): De la Condamine sagt von 〈15〉 einer kleinen Nation am Amazonenfluß: „ein Theil von ihren Wörtern[1] könnte nicht, auch nicht einmal sehr unvollständig geschrieben werden. Man müste wenigstens neun oder zehn Sylben dazu gebrauchen, wo sie in der Aussprache kaum drei auszusprechen scheinen.“ ➢ Volltext
[6] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 158: Man ist gewohnt, die Nationen der Erde in Jäger, Fischer, Hirten und Ackerleute abzutheilen und nach dieser Abtheilung nicht nur den Rang derselben in der Cultur[4], sondern auch die Cultur[4] selbst als eine nothwendige Folge dieser oder jener Le〈159〉bensweise zu bestimmen.
[7] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 230 f. (231): Auch die Etrusker also wurden bald von mehreren Völkern[1] be〈231〉dränget; und da sie mehr ein handelndes als ein kriegerisches Volk[1] waren: so mußte selbst ihre gebildetere Kriegskunst beinahe jedem neuen Anfall wilderer Nationen weichen.
[8] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 128: Wenn von der französischen oder deutschen Nation dereinst nichts, als arme Landleute übrig wären, würde man es in ihren Gesichtszügen lesen können, daß sie Völkern[1] angehört haben, die einen Descartes, Clairaut, Keppler und Leibnitz hervorgebracht haben?
[9] W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 268 f.: Bei den Griechen zeigt sich aber ein doppeltes, äusserst merkwürdiges, und vielleicht in der Geschichte einziges Phänomen. Als sie noch sehr viele Spuren der Rohheit anfangender Nationen verriethen, besassen sie schon eine überaus grosse Empfänglichkeit für jede Schönheit der Natur[2] und der Kunst[10], einen feingebildeten Takt, und einen richtigen Geschmack, nicht der Kritik[2], aber der Empfindung, und finden sich Instanzen gegen diesen Takt und diesen Geschmak so ist wenigstens jene Reizbarkeit und Empfänglichkeit unläugbar; und wiederum als die Kultur[4] schon auf einen sehr hohen Grad gestiegen war, er〈269〉hielt sich dennoch eine Einfachheit des Sinns[5] und Geschmaks, den man sonst nur in der Jugend der Nationen antrift. Die Entwikklung der Ursachen hievon gehört nicht hieher. Genug das Phänomen ist da.
[10] Maimon, Lebensgesch. I (1792), 3 f. (4): Zwey Brüder aus Gallizien, wo die Juden[1] viel verschlagener als in Litthauen sind, nahmen unter dem Namen Dersawzes oder Generalpächter, alle Güter des Fürsten Radzivil in Pacht, und setzten diese Güter durch mehr als gewöhnliche Thätigkeit, und bessere Oekonomie, nicht nur in bessern Stand, sondern bereicherten auch sich selbst in kurzer Zeit[6]. | Sie erhöheten die Pächte, ohne sich an das Geschrei ihrer Mitbrüder zu kehren, und ließen die Pachtgelder von ihren Unterpächtern mit aller Strenge abfordern [...] 〈4〉 [...] und wo sie einen Pächter fanden, der [...] den ganzen Tag im Müßiggange zubrachte und von Branntwein betrunken auf dem Ofen lag, so ließen sie ihn herunterbringen und durch Peitschen aus seiner Lethargie aufwecken; welches Verfahren den Herren Generalpächtern bey ihrer Nation den Namen der Tirannen erworben hat.
[11] Novalis, Über Goethe (*1798), NS 2, 641, Nr. 445: [W]ir können sichre Rechnung machen, daß unter uns die herrlichsten Kunstwercke[2] entstehn werden, denn in energischer Universalitaet kann keine Nation gegen uns auftreten.
[12] Schelling, Würzb. Syst. (!1804), SW I, 6, 572: Mythologie ist nicht in der Einzelheit möglich, kann nur aus der Totalität einer Nation, die sich als solche zugleich als Identität – als Individuum verhält, geboren werden.
[13] Schiller, Goldon. Mem. (1788), NA 22, 242 f. (243): Daß in der Konversationssprache sein Ton oft in das Gesuchte fällt, scheint der Übersetzer selbst gefühlt zu haben, und er sucht diesen Vorwurf der deutschen Sprache[3] überhaupt zuzuwälzen, die sich nicht wohl anders, wie er sagt, von dem Extrem des Platten soll entfernen können als durch das entgegengesetzte Extrem des Künstlichen. Da Hr. Schatz es wohl schwerlich mit so vielen unsrer klassischen[3] Schriftsteller wird aufnehmen wollen, die von der deutschen edlern Gesellschaftssprache Muster geliefert haben, so kann sich dieser Vorwurf nicht 〈243〉 wohl weiter als auf den Kreis des Umgangs erstrecken, den er selbst beobachtet hat; und wenn ihm dieser zwischen Platt und Gesucht keinen Mittelweg zeigte, so war es immer ein wenig rasch, dieses Urteil auf seine ganze Nation auszudehnen.
[14] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 266: Es giebt [...] in der menschlichen Schönheit[1] etwas allgemein geltendes, wenn es schon von jenen manierirt gebildeten Nationen nicht anerkannt wird; das darf uns nicht irren, machen es doch die Manieristen in der Kunst[4] mit dem einfachen Style der großen Meister eben so. Es begreift sich, daß Nationen die aus einer solchen einseitigen, ihnen von der Natur[2] aufgezwungnen National-Physiognomie nicht heraus können, in der bildenden Kunst[2], deren höchster Gegenstand die menschliche Gestalt ist, keine sonderlichen Fortschritte haben machen mögen, auch gar keine Anmuthung dazu haben; wie hingegen dieselbe, unter einer von dieser Seite so einzig begünstigten Nation, wie die Griechen waren, ganz vorzugsweise gedeihen mußte.
[15] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 78: Deutschland, als die Mutter der Reformation, hat auch an sich selbst die schlimmsten Wirkungen von ihr erfahren: [Es ist] in zwei Nationen, die nördliche und südliche geschieden, die ohne Zuneigung und Harmonie von einander nicht wissen, und sich hinderlich fallen, statt gemeinschaftlich herrliche Erscheinungen des Geistes[11] hervorzurufen [...]. ➢ Volltext
[16] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 210: Überhaupt darf man die damalige Leibeigenschaft nicht nach dem messen, was sie in den neueren[3] Zeiten[3] besonders in solchen Ländern geworden, wo der Adel[2] aus Deutschen Eroberern bestand, die Unterthanen aber Slawischen Stammes waren. Gegen diese Nation haben die Deutschen immer, vielleicht nicht mit Unrecht, eine große Verachtung gehabt; daß sie von Natur[1] zur Sclaverey bestimmt war, beweist der Zustand der Bauern in Polen und Rußland, wo der Adel[2] von derselben Abkunft ist, und es jenen doch eigentlich nicht besser ergeht, als in den durch Deutsche eroberten Slawischen Ländern.
[17] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 19: Shakspeare ist der Stolz seiner Nation. ➢ Volltext
[18] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 72 f. (73), Nr. 131: Die klass.[ischen][7] Metra können absolut nicht nachgemacht werden in den progr.[essiven][5] Sprachen[3]. – In den Neuern[3] hat die Stammsilbe oft forte und im Maaß vertritt s.[ie] die Länge, und eine andere hat die Höhe, den Akzent. Wir zählen 〈73〉 auch im Sprechen die Sylben; die Engl.[änder] schmeißen sie hastig hin. Südl.[iche] und klass.[ische][7] Nazionen mahlen sie ruhig, lassen jedem Klang s.[ein] Recht widerfahren. Hievon liegt der Grund gewiß sehr tief. 〈[...] Das klassische[7/5] Sprechen ist gleichsam ein ruhiges um s.[einer] selbst willen. Das Progr.[essive][5/3] eilt nach einem Ziel.〉
[19] F. Schlegel, Gedanken (*1808–09), KFSA 19, 288, Nr. 188: Vier deutsche Nationen giebt es – Niederländer, Sachsen, Schwaben und Oesterreicher. – [...] Die Bayern sind bloß falsche und abtrünnige Oesterreicher. Diese und die Niederländer sind die allgemeinen Deutschen – Sachsen und Schwaben besondre Nationen.
[20] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (21793), 1289 f.: Vielleicht wich schon die Römische Bauersprache in dem Laute des C ab, doch das ist nur eine Muthmaßung; das aber ist gewiß, daß die Aussprache dieses Buchstabens[7] sehr verderbt wurde, als Italien von fremden[1] Nationen überschwemmt wurde, oder auch, als die Römische Sprache[3] die Hof- und gelehrte 〈1290〉 Sprache[3] so vieler fremden[1] Völker[1] wurde, die nunmehr anfingen, dem c vor dem ä, e, i, ö, ü, y, ihren Zischlaut unterzuschieben..
[21] A. v. Arnim, Kronenwächt. I (1817), RuE 1, 634 f. (635): Der Kaiser steht hoch über der Zeit[5], er hat die Welt kennen gelernt, hat sich wie eine Erdbeerpflanze an zehn Stellen eingewurzelt, in Spanien, Portugal, Ungarn, Böhmen, und das alles, um sich gegen dies unser verwirrtes, übermächtiges, deutsches Adelsvolk und die Menge kleiner Fürsten zu sichern; es geht jetzt ins Große, der Adel[2] denkt nur ans Kleine, verachtet den Handel, statt ihn zu nutzen, verachtet das neue Kriegswesen und kann doch mit seiner Art nur bei kleinen Zügen etwas wirken; 〈635〉 es möchte noch jeder als Mensch[1] bestehen, während die Geschichte[1] alles zu Nationen zusammenfegt. .
[22] A. v. Arnim, Majorats-Herren (1820), 52: Kaum antwortete sie [...], so stand da ein langer finsterer Engländer vor ihr, mit der Art, Freiheit[13] und Anstand, die sie damals vor allen Nationen in Europa auszeichnete..
[23] Börne, Aph. u. Misz. (1829), SS 2, 280 f. (281): Die Juden[1] schelten sie [sc. Türken] immer noch 〈281〉 Hunde, obzwar diese jetzt fast mehr sind als Menschen[1] und zum Adel[4] der Nation gehören..
[24] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 10: Herr Büsch [...] nennt Activhandel den Handel eines Volks[1], das denselben durch sich selbst betreibt, bei den Fremden[1] beides, als Käufer und Verkäufer, erscheint, oder seine Waren andern Nationen selbst zuführt und deren Waren von ihnen hohlt; Passivhandel hingegen ist ihm derjenige, da ein Volk[1] den fremden[1] Käufer und Verkäufer bei sich erwartet..
[25] Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 138: Ueberhaupt ist Originalität, auch in sittlicher Hinsicht, ein Hauptzug des Englischen Charakters[1]; und sie scheint eben so sehr eine Folge der Englischen Freiheitsliebe als der Liebe zum Sonderbaren zu sein. Hierbei ist der Engländer offen, leidenschaftlich, standhaft, vorzüglich aber eingenommen für seine Nation und wider alle Fremden[1]..
[26] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 47: Dieß sind die wichtigsten Schriften dieses Dichters, dem mit Recht eine Stelle unter den vorzüglichsten Lyrikern unserer
[27] Brockhaus, Conv.-Lex. VIII (1811), 52: Einen traurigen Beleg zu der Behauptung, daß der Mensch[1] sogar unter das Thier[1] sinken kann, das beim höchsten Hunger Geschöpfe seiner eignen Gattung zur Nahrung wählet, liefern die Nachrichten älterer[10] und neuerer[5] glaubwürdiger Schriftsteller über Menschenfressende Nationen und einzelne Menschenfresser..
[28] Ehrmann, Amalie (1788), 86 f. (87): Eine hiesige [sc. italienische] Opernsängerin ist so 〈87〉 sehr Maschine, daß sie sich blos hinter der Gardine hören lassen muß, wenn sie nicht will, daß fast alle Sinnen[4] des Zuschauers, außer dem Gehör, ihre Ankläger werden. – Was kümmert mich eine helle Kehle, wenn ihre Besizzerin nicht die Kunst[6] versteht, die Töne durch Seelen-Affekt in mein Herz zu gießen? – Ein bloses musikalisches[1] Instrument[1] thut mehr Wirkung auf die Empfindung der Zuhörer, weil das Auge dabei keine Foderung machen darf. – Ich höre hier allen Opernsängerinnen mit geschlossenen Augen zu, um mir den Aerger über ihre hölzerne Geschmaklosigkeit zu ersparen. – Schade ist es für eine so feurige Nazion, daß ihr die noch nöthige Kultur[3] fehlt; sie könnte große Fortschritte in der Schauspielkunst machen, wenn sie durch Lektur und gute Anleitung geführt würde. .
[29] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 192: Vorherrschende Toleranz der Juden[1] in Staaten, wo für Selbstdenker keine Toleranz ist, zeigt sonnenklar, worauf eigentlich abgesehen wird. [...] Ich will nicht etwa sagen, daß man die Juden[1] um ihres Glaubens willen verfolgen solle, sondern daß man überhaupt Niemand deswegen verfolgen solle. | Ich weiß, daß man vor verschiedenen gelehrten Tribunalen eher die ganze Sittlichkeit und ihr heiligstes Produkt, die Religion[1], angreifen darf, als die jüdische Nation. Denen sage ich, daß mich nie ein Jude[1] betrog, weil ich mich nie mit einem einließ, daß ich mehrmals Juden[1], die man neckte, mit eigner Gefahr und zu eignem Nachtheil in Schutz genommen habe, daß also nicht Privatanimosität aus mir redet..
[30] Fichte, Grundzg. d. Zeitalt. (1806), SW 7, 97 f.: Bei den beiden klassischen[3; 6?] Nationen unter den Alten, die wir näher kennen, den Griechen und Römern, wurde um vieles weniger geschrieben und gelesen, als bei uns, dagegen weit mehr gehört und Unterredung gepflogen. Fast alle ihre Schriften waren zuerst mündlich vorgetragen, 〈98〉 und darum ein Abbild gehaltener Rede für diejenigen, welche der Rede selbst nicht hatten beiwohnen können: und, unter anderen, auch aus diesem Umstande entsteht der grosse Vorzug, den die Alten im Stile vor den meisten neueren haben, indem der letzteren Schriften etwas für sich zu bedeuten begehren, und ihnen das Correctiv der lebendigen Rede grösstentheils abgeht..
[31] Fischer, Honigm. I (1802), 35: Achtung der Weiber war immer der richtigste Maasstab für die Cultur[4/3] einer Nation..
[32] G. Forster, Ansichten II (1791), W 2, 800: [I]n den Gelenken unserer Gastwirthe [ist] eine natürliche[3] Steifigkeit, die sich nur durch die Zauberkraft einer Equipage mit Sechsen, oder eines adlichen Wapenschildes vertreiben läßt. Die Huldigung, die sie dem Reichthum leisten, möchte man ihnen noch verzeihen: sie hat wenigstens einen Gegenstand; allein die Furcht vor der privilegirten Klasse[2] der Nation ist ein Schandfleck von angestammter Niederträchtigkeit, der die menschliche Natur[1] entehrt, am meisten da, wo der Adel[2] durch keinen Zügel, weder durch Eigennutz, noch durch Begriffe[1] von Ehre und Schande, sich gehalten fühlt, mithin, weil er die oberste Stelle ohne sein Verdienst besitzt, dem eigenthümlichen Werthe nach auf die allerunterste Stufe hinabgesunken ist, und die Verachtung aller übrigen, die alle besser und edler sind als er, in vollem Maße verdient..
[33] Goethe, Litt. Sanscül. (1795), 51 f.: Wer mit den Worten[1], deren er sich im Sprechen oder Schreiben bedient, bestimmte Begriffe[1] zu verbinden für eine unerläßliche Pflicht hält, wird die Ausdrücke: classischer[3] Autor, classisches[3] Werk höchst selten gebrauchen. Wann und wo entsteht ein classischer[3] Nationalautor? Wenn er in der Geschichte[3] seiner Nation große Begebenheiten und ihre Folgen in einer glücklichen und bedeutenden Einheit vorfindet; wenn er in den Gesinnun〈52〉gen seiner Landsleute Größe, in ihren Empfindungen Tiefe und in ihren Handlungen[1] Stärke und Consequenz nicht vermißt; wenn er selbst, vom Nationalgeiste durchdrungen, durch ein einwohnendes Genie[2] sich fähig fühlt, mit dem Vergangnen wie mit dem Gegenwärtigen zu sympathisiren; wenn er seine Nation auf einem hohen Grade der Kultur[4] findet, so daß ihm seine eigene Bildung[2] leicht wird; wenn er viele Materialien gesammelt, vollkommene oder unvollkommene Versuche seiner Vorgänger vor sich sieht, und so viel äußere und innere Umstände zusammentreffen, daß er kein schweres Lehrgeld zu zahlen braucht, daß er in den besten Jahren seines Lebens ein großes Werk zu übersehen, zu ordnen und in Einem Sinne[10] auszuführen fähig ist. ➢ Volltext.
[34] Goethe, Litt. Sanscül. (1795), 52 f.: Man halte diese Bedingungen, unter denen allein ein classischer[3] Schriftsteller, besonders ein prosaischer[1] möglich wird, gegen die Umstände, unter denen die besten Deutschen[1] dieses Jahrhunderts gearbeitet haben, so wird, wer klar sieht und billig denkt, dasjenige, was ihnen gelungen ist, mit Ehrfurcht bewundern und das was ihnen mißlang anständig bedauern. | Eine bedeutende Schrift ist, wie eine bedeutende Rede, nur Folge des Lebens; der Schriftsteller so wenig als der handelnde Mensch[1] bildet die Umstände, unter denen er gebohren wird und unter denen er wirkt. Jeder, auch das größte Genie[4], leidet von seinem Jahrhundert in einigen Stücken, wie er von andern Vortheil zieht, und einen vortrefflichen Nationalschriftsteller kann man nur von der Nation fordern. | 〈53〉 Aber auch der deutschen[1] Nation darf es nicht zum Vorwurfe gereichen, daß ihre geographische Lage sie eng zusammen hält, indem ihre politische sie zerstückelt. Wir wollen die Umwälzungen nicht wünschen, die in Deutschland classische[3] Werke vorbereiten könnten. ➢ Volltext.
[35] Goethe, Rez. Hebel [Allem. Ged.] (1805), WA I, 40, 304: Vielleicht könnte man sogar dem Verfasser zu bedenken geben, daß, wie es für eine Nation ein Hauptschritt zur Cultur[4] ist, wenn sie fremde Werke in ihre Sprache[3] übersetzt, es eben so ein Schritt zur Cultur[4] der einzelnen Provinz sein muß, wenn man ihr Werke derselben Nation in ihrem eigenen Dialekt[1] zu lesen gibt. Versuche doch der Verfasser aus dem sogenannten Hochdeutschen schickliche Gedichte in seinen oberrheinischen Dialekt[1] zu übersetzen. Haben doch die Italiäner ihren Tasso in mehrere Dialekte[1] übersetzt..
[36] Goethe, Not. u. Abhdlg. (1829), WA I, 7, 219: Bei der Mittheilung seiner Einsichten [...] findet er [sc. William Jones] manche Schwierigkeit, vorzüglich stellt sich ihm die Vorliebe seiner
[37] Grosse, Genius II (1792), 98 f. (99): Er hatte auf 〈99〉 großen und anhaltenden Reisen das Gute und Schöne[1] fast aller Nationen gesammelt, um es in sich zu vereinigen: er sprach viele ihrer Sprachen[3] vollkommen, und verstand das Angenehme und Allgemeine noch mehrerer ihrer Wissenschaften[2]. Ganz Beobachter, ganz Gelehrter, ganz Hofmann, konnte er verbergen und zeigen, was er nur wollte..
[38] v. d. Hagen, Vorr. Nibel. (1810), XIII: Unter diesen Umständen bleibt hier für eine kritische[4] Ausgabe nichts anderes übrig, als die älteste[1] Handschrift, welche die stärkste Vermuthung der Ursprünglichkeit für sich hat, zum Grunde zu legen. Solches ist denn auch bei den Nibelungen geschehen und im Ganzen die Hohen Emser Handschrift für die älteste[1] und ächteste angenommen; die anderen, und für jetzo besonders die Münchener, sind jedoch stark zu Rathe gezogen: einmal, weil sie gewiß nicht viel jünger sind, und dann, weil das Nibelungen Lied, gleich dem edlem Golde, durch sich selber und seine eigene Trefflichkeit, sich viel reiner erhalten hat, als viele andere Werke jener Zeit, und namentlich die meisten der noch übrigen Nazionalgedichte. Der eigene Umstand, daß es, eben so unbegreiflich als unverantwortlich, bald nach seiner herrlichen Erscheinung in der jetzigen Gestalt, bis in die neueste[3] Zeit[3], fast gänzlich verschollen und vergessen war, ist, wiewohl für das Deutsche Volk[1] ein nicht zu berechnender Verlust, doch für das Gedicht selbst als ein Glück zu achten, indem es dadurch der besonders verderblichen Hand der späteren Abschreiber entzogen, und so wahrscheinlich der Untergang der guten alten[1] Handschriften verhindert wurde..
[39] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 405: So konnte denn ein neuer[1] Hauch und Geist[12] in die epische Poesie[1] nur durch die Weltanschauung und den religiösen Glauben, die Thaten und Schicksale neuer[1] Völkerschaften hereinkommen. Dieß ist bei den Germanen sowohl in ihrer heidnischen Ursprünglichkeit als auch nach ihrer Umwandlung durch das Christenthum, sowie bei den romanischen[2] Nationen in um so reicherer Weise der Fall, je weiter die Verzweigung dieser Völkergruppen wird, und in je mannigfaltigeren[1] Stufenfolgen sich das Prinzip der christlichen Weltanschauung und Wirklichkeit entfaltet. ➢ Volltext; vgl. [40].
[40] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 473: Wie in die epische Poesie[1] kommt [...] auch in die Lyrik ein ursprünglicher Gehalt und Geist[12] erst durch das Auftreten neuer[1] Nationen hinein. Dieß ist bei den germanischen, romanischen[2] und slawischen Völkerschaften der Fall, welche bereits in ihrer heidnischen Vorzeit, hauptsächlich aber nach ihrer Bekehrung zum Christenthume, sowohl im Mittelalter als auch in den letzten Jahrhunderten, eine dritte Hauptrichtung der Lyrik im allgemeinen Charakter[4] der romantischen[9] Kunstform immer mannigfacher und reichhaltiger ausbilden. ➢ Volltext; vgl. [39].
[41] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 473: Dieses Herüberneigen [der Epik] zur lyrischen Auffassung findet seinen wesentlichen Grund darin, daß sich das gesammte Leben dieser Nationen aus dem Princip der Subjektivität entwickelt [...] und sich dieser subjektiven Vertiefung in sich mehr und mehr bewußt wird. Am ungetrübtesten und vollständigsten bleibt dieß Princip bei den 〈474〉 germanischen Stämmen wirksam, während sich die slawischen umgekehrt aus der orientalischen[1] Versenkung in das Substantielle und Allgemeine erst herauszuringen haben. In der Mitte stehn die romanischen[2] Völker[1], welche in den eroberten Provinzen des römischen Reichs nicht nur die Reste römischer Kenntnisse und Bildung[5] überhaupt, sondern nach allen Seiten hin ausgearbeitete Zustände und Verhältnisse vor sich finden, und, indem sie sich damit verschmelzen, einen Theil ihrer ursprünglichen Natur[1] dahingeben müssen. ➢ Volltext.
[42] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 478: Klopstock [steht] groß im Sinne[1] der Nation, der Freiheit[6], Freundschaft, Liebe und protestantischen Festigkeit da, verehrungswerth in seinem Adel[5] der Seele und Poesie[3], in seinem Streben und Vollbringen, und wenn er auch nach manchen Seiten hin in der Beschränktheit seiner Zeit[5] befangen blieb, und viele bloß kritische[3/4?], grammatische und metrische, kalte Oden gedichtet hat, so ist doch seitdem, Schiller ausgenommen, keine in ernster männlicher Gesinnung so unabhängige edle Gestalt wieder aufgetreten. ➢ Volltext.
[43] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 502: So sind z. B. Tieck und die Herrn Schlegel's, die, in ihrer ironischen[3] Absichtlichkeit, des Gemüthes und Geistes[14] ihrer Nation und Zeit[5] nicht mächtig werden konnten, hauptsächlich gegen Schiller losgezogen, und haben ihn schlecht gemacht, weil er für uns Deutsche den rechten Ton getroffen hatte, und am populärsten geworden war. ➢ Volltext.
[44] Herder, Journ. m. Reise (*1769–70), SW 4, 424 f. (425): Derselbe Geist[12] der Monarchischen Sitten, den Montesquieu 〈425〉 an seiner Person so augenscheinlich malt, herrscht auch in ihrer Sprache[3]. Tugend, innere Stärke, hat diese wenig, wie die Nation; man macht mit dem Kleinsten das Größeste was man kann, wie eine Maschine durch ein Triebrad regiert wird. Nationalstärke, Eigenheit, die an ihrem Boden klebt, Originalität hat sie nicht so viel; aber das was Ehre auch hier heißt, das Vorurtheil jeder Person und jedes Buchs und jedes Worts[2] ist Hauptsache. Ein gewißer Adel[5] in Gedanken, eine gewisse Freiheit[15] im Ausdruck, eine Politeße in der Manier der Worte[1] und in der Wendung: das ist das Gepräge der Französischen Sprache[3], wie ihrer Sitten. .
[45] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 124: Die Kirchensprache der Rußischen Nation ist meistens Griechisch[5]: die christlichen Begriffe[4] der Letten sind deutsche Worte[1], oder deutsche Begriffe[4] lettisirt. ➢ Volltext.
[46] Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 38: Ich glaube, der Stand, in den ich Griechenland stelle, trägt auch bei, „den ewigen Streit über die Originalität der Griechen oder ihre Nachahmung fremder[1] Nationen“ etwas zu entwirren: man hätte sich wie überall, also auch hier, lange vereinigt, hätte man sich nur besser verstanden. Daß Griechenland Samenkörner der Kultur[4], Sprache[3], Künste[2] und Wissenschaften[2] anderswoher erhalten, ist, dünkt mich, unläugbar, und es kann bey einigen, Bildhauerey, Baukunst, Mythologie, Litteratur, offenbar gezeigt werden..
[47] Herder, Engl. u. dt. Dichtk. (1777), 427: Wäre Bodmer ein Abt Millot, der den Säklenfleiß seines Cürne de St. Palaye in einer selbst liegt da, wenig gekannt, fast ungenuzt, fast ungelesen.
[48] Herder, Engl. u. dt. Dichtk. (1777), 429: Wer sich nun noch ums rohe Volk bekümmern wollte, um ihre Grundsuppe von Mährchen, Vorurtheilen, Liedern, rauher Sprache: welch ein Barbar wäre er! Er käme, unsre klassische, sylbenzählende Literatur zu beschmizen, wie eine Nachteule unter die schönen, buntgekleideten, singenden Gefieder! – | Und doch bleibts immer und ewig, daß der Theil von Litteratur, der sich aufs Volk beziehet, volksmäßig seyn muß, oder er ist klassische Luftblase. Doch bleibts immer und ewig, daß wenn wir kein Volk haben, wir kein Publikum, keine
[49] Herder, Engl. u. dt. Dichtk. (1777), 430: [W]ir müssen Hand anlegen, aufnehmen, suchen
[50] Herder, Gesch. d. Menschh. I (1784), 45: Amerika ist vielleicht auch deswegen voll so viel kleiner Nationen, weil es nord- und südlich mit Flüssen, Seen und Bergen durchschnitten und zerhackt ist. Seiner Lage nach ists von außen das zugangbarste Land, da es aus zwei Halbinseln bestehet, die nur durch einen engen Isthmus zusammenhangen, an dem die tiefe Einbucht noch einen Archipelagus von Inseln bildet. Es ist also gleichsam ganz Ufer; und daher auch der Besitz fast aller europäischen Seemächte sowie im Kriege immer der Apfel des Spiels. Günstig ist diese Lage für uns Europäische Räuber; ungünstig war seine innere Durchschnittenheit für die Bildung[5] der alten[5] Einwohner. Sie lebten von einander durch Seen und Ströme, durch plötzlich abbrechende Höhen und Tiefen zu sehr gesondert, als daß die Cultur[7] Eines Erdstrichs oder das alte[1] Wort[2] der Tradition ihrer Väter sich, wie in dem breiten Asien, hätte bevestigen und ausbreiten mögen..
[51] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 138: Gesicht und Gehör endlich sind die edelsten Sinne[4], zu denen der Mensch[1] schon seiner organischen[2] Anlage nach vorzüglich geschaffen worden: denn bei ihm sind die Werkzeuge dieser Sinne[4] vor allen Thieren[2] Kunstreich ausgebildet. Zu welcher Schärfe haben manche Nationen Auge und Ohr[3] gebracht! Der Kalmucke sieht Rauch, wo ihn kein Europäisches Auge gewahr wird: der scheue Araber horcht weit umher in seiner stillen Wüste. .
[52] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 183 f. (184): Laßet uns also auf die Tugenden des Weibes[1] kommen, wie sie sich in der Geschichte[2] der Menschheit[2] offenbahren. Auch 〈184〉 unter den wildesten Völkern[1] unterscheidet sich das Weib[1] vom Mann durch eine zärtere Gefälligkeit, durch Liebe zum Schmuck und zur Schönheit[3]; auch da noch sind diese Eigenschaften kennbar, wo die Nation mit dem Klima[1] und dem schnödesten Mangel kämpfet. Ueberall schmückt sich das Weib[1], wie wenigen Putz es auch hie und da sich zu schmücken habe [...]. – – Reinlichkeit ist eine andre Weibertugend, dazu sie ihre Natur[12] zwingt und der Trieb zu gefallen reizet..
[53] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 96 ff. (97 f.): Sammlete Jemand eine Geschichte[7] der Juden[1] aus allen Ländern, in die sie zerstreuet sind; so zeigte sich damit ein Schaustück der Menschheit[1] [...]. Denn kein Volk[1] der Erde hat sich wie dieses verbreitet: kein Volk[1] der Erde hat sich wie dieses in allen Klimaten[2] so känntlich und rüstig erhalten. | Daß man hieraus aber ja keinen abergläubigen Schluß auf eine Revolution fasse, die durch dies Volk[1] dereinst noch für alle Erdvölker bewirkt werden müßte! Die bewirkt werden sollte, ist wahrscheinlich bewirkt, und zu einer andern zeigt sich weder im Volk[1] selbst noch in der Analogie der Geschichte[2] die mindeste Anlage. Die Erhaltung der Juden[1] erklärt sich eben so natürlich als die Erhaltung der Bramanen, Parsen und Zigeuner. | Uebrigens wird niemand einem Volk[1], das eine so wirksame Triebfeder in den Händen des Schicksals ward, seine großen Anlagen absprechen wollen, die in seiner ganzen Geschichte[3] sich deutlich zeigen. Sinnreich, verschlagen und arbeitsam wußte es sich jederzeit auch unter dem äußersten Druck andrer Völker[1] wie 〈97〉 in einer Wüste Arabiens mehr als vierzig Jahr zu erhalten. [...] Zwar ist in Kunstsachen die Jüdische Nation, ob sie gleich zwischen Aegyptern und Phöniciern wohnte, immer unerfahren geblieben [...]. Auch sind sie, ob sie gleich eine Zeitlang die Hafen des rothen Meers besassen und den Küsten der mittelländischen See so nahe wohnten [...], dennoch nie ein Seefahrendes Volk[1] worden. Wie die Aegypter, fürchteten sie das Meer und wohnten von jeher lieber unter andern Nationen [...]. Kurz, es ist ein Volk[1], das in der Erziehung verdarb, weil es nie zur Reife einer politischen Cultur[4] auf eignem Boden, mithin auch nicht zum wahren Gefühl der Ehre und Freiheit[7] gelangte. In den Wissenschaften[1], die ihre vortreflichsten Köpfe trieben, hat sich jederzeit mehr eine gesetzliche Anhänglichkeit und 〈98〉 Ordnung, als eine fruchtbare Freiheit[1] des Geistes[22] gezeiget und der Tugenden eines Patrioten hat sie ihr Zustand fast von jeher beraubet. Das Volk[1] Gottes[1] [...] ist [...] fast seit seiner Entstehung eine parasitische Pflanze[1] auf den Stämmen andrer Nationen, ein Geschlecht[7] schlauer Unterhändler beinah auf der ganzen Erde, das trotz aller Unterdrückung nirgend sich nach eigner Ehre und Wohnung, nirgend nach einem Vaterlande sehnet..
[54] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 294 f. (295): Jedermann weiß, [...] wie theuer z. B. Sicilien des Cicero Rede gegen den Verres, wie theuer Rom und ihm selbst seine Reden gegen Catilina, seine Angriffe auf den Antonius gewesen u. f. Damit eine Perle gerettet würde, 〈295〉 mußte also ein Schiff untergehen, und tausend Lebendige kamen um, blos damit auf ihrer Asche einige Blumen wüchsen, die auch der Wind zerstäubet. Um eine Aeneis des Virgils, um die ruhige Muse eines Horaz und seine urbanen Briefe[3] zu erkaufen, mußten Ströme von Römerblut vorher vergossen, zahllose Völker[1] und Reiche unterdrückt werden; waren diese schönen[6] Früchte eines erpreßten Goldnen Alters solches Aufwandes werth? Mit dem Römischen Rechte ists nicht anders; denn wem ist unbekannt, welche Drangsale die Völker[1] dadurch erlitten, wie manche menschlichere Einrichtung der verschiedensten Länder dadurch zerstört worden? Fremde[1] Völker[1] wurden nach Sitten gerichtet, die sie nicht kannten; sie wurden mit Lastern und ihren Strafen vertraut, von welchen sie nie gehört hatten; ja endlich der ganze Gang dieser Gesetzgebung, der sich nur zur Verfassung Roms schickte, hat er nicht nach tausend Unterdrückungen den Charakter[1] aller überwundenen Nationen so verlöscht: so verderbet, daß, statt des eigenthümlichen Gepräges derselben, zuletzt allenthalben nur der römische Adler erscheint, der nach ausgehackten Augen und verzehrten Eingeweiden traurige Leichname von Provinzen mit schwachen Flügeln deckte. Auch die lateinische Sprache[3] gewann nichts durch die überwundnen Völker[1], und diese gewannen nichts durch jene. Sie ward verderbt und zuletzt ein Romanisches[1] Gemisch nicht nur in den Provinzen, sondern in Rom selbst..
[55] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 302: Die Nationen blühen auf und ab; in eine abgeblühete Nation kommt keine junge, geschweige eine schönere[1] Blüthe wieder. Die Cultur[4] rückt fort, sie wird aber damit nicht vollkommener; am neuen[1] Ort werden neue[1] Fähigkeiten entwickelt; die alten[6] des alten[6] Orts gingen unwiederbringlich unter. Waren die Römer weiser und glücklicher, als es die Griechen waren? Und sind wirs mehr als beide?.
[56] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 321: Selbst unsre kurze Geschichte[7] beweiset es daher schon klar, daß mit der wachsenden wahren Aufklärung der Völker[1] die menschenfeindlichen, sinnlosen Zerstörungen derselben sich glücklich vermindert haben. Seit Roms Untergange ist in Europa kein cultiviertes Reich mehr entstanden, das seine ganze Einrichtung auf Kriege und Eroberungen gebauet hätte; denn die verheerenden Nationen der mittleren Zeiten[3] waren rohe, wilde Völker[1]. Je mehr aber auch sie Cultur[4] empfingen und ihr Eigenthum liebgewinnen lernten, desto mehr drang sich ihnen unvermerkt, ja oft wider ihren Willen, der schönere[1], ruhige Geist[14] des Kunstfleißes, des Ackerbaues, des Handels und der Wissenschaft[1] auf. Man lernte nutzen ohne zu vernichten, weil das Vernichtete sich 〈322〉 nicht mehr nutzen läßt, und so ward mit der Zeit[1], gleichsam durch die Natur[1] der Sache selbst, ein friedliches Gleichgewicht zwischen den Völkern[1], weil nach Jahrhunderten wilder Befehdung es endlich alle einsehen lernten, daß der Zweck, den Jeder wünschte, sich nicht anders erreichen ließe, als daß sie gemeinschaftlich dazu beitrügen..
[57] Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 41: Die Juden[1] betrachten wir hier nur als die parasitische Pflanze[1], die sich beinah allen europäischen Nationen angehängt und mehr oder minder von ihrem Saft an sich gezogen hat. Nach dem Untergange des alten[9] Roms waren ihrer vergleichungsweise nur noch wenige in Europa; durch die Verfolgungen der Araber kamen sie in großen Haufen herüber und haben sich selbst Nationenweise vertheilet. Daß sie den Aussatz in unsern Welttheil gebracht, ist unwahrscheinlich; ein ärgerer Aussatz wars, daß sie in allen barbarischen Jahrhunderten als Wechsler, Unterhändler und Reichsknechte niederträchtige Werkzeuge des Wuchers wurden und gegen eignen Gewinn die barbarisch-stolze Unwissenheit der Europäer im Handel dadurch stärkten. Grausam ging man oft mit ihnen um und erpreßte tyrannisch, was sie durch Geiz und Betrug oder durch Fleiß, Klugheit und Ordnung erworben hatten; indem sie aber solcher Begegnungen gewohnt waren und selbst darauf rechnen mußten, so überlisteten und erpreßten sie desto mehr. Indessen waren sie der damaligen Zeit[5] und sind noch jetzt manchen Ländern unentbehrlich; wie denn auch nicht zu läugnen ist, daß durch sie die hebräische Litteratur erhalten, in den dunkeln Zeiten[3] die von den Arabern erlangte Wissenschaft[3], Arzneikunde und Weltweisheit auch durch sie fortgepflanzt und sonst manches Gute geschafft worden, wozu sich kein andrer als ein Jude[1] gebrauchen ließ. Es wird eine Zeit[3] kommen, da man in Europa nicht mehr fra〈42〉gen wird, wer Jude[1] oder Christ sei; denn auch der Jude[1] wird nach europäischen Gesetzen leben und zum Besten des Staats beitragen. Nur eine barbarische Verfassung hat ihn daran hindern oder seine Fähigkeit schädlich machen mögen..
[58] Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 187: Nie hat sich die Galanterie der Rittersitten in Deutschland zu der feinen Lüsternheit ausgebildet, wie in wärmern, wohllüstigern Gegenden: denn schon das Klima[1] gebot eine größere Eingeschlossenheit in Häuser und Mauern, da andre Nationen ihren Geschäften und Vergnügungen unter freiem[1] Himmel nachgehen konnten..
[59] Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 225 f.: Das Band [...], dadurch alle römisch-katholische Länder unläugbar vereint wurden, die lateinische Mönchssprache, hatte auch manche Knoten. Nicht nur wurden die Muttersprachen der Völker[1], die Europa besassen, und mit ihnen die Völker[1] selbst in Roheit erhalten; sondern es kam unter andern auch hiedurch insonderheit das Volk[5] um seinen letzten Antheil an öffentlichen Verhandlungen, weil es kein Latein konnte. Mit der Landessprache ward jedesmal ein großer Theil des Nationalcharakters aus den Geschäften der Nation verdrängt, wo〈226〉gegen sich mit der lateinischen Mönchssprache auch jener fromme Mönchsgeist einschlich, der zu gelegener Zeit[7] zu schmeicheln, zu erschleichen, wohl auch zu verfälschen wußte. Daß die Acten sämmtlicher Nationen Europa's, ihre Gesetze, Schlüsse, Vermächtnisse, Kauf- und Lehninstrumente, endlich auch die Landesgeschichte so viele Jahrhunderte hindurch latein geschrieben wurden; dies konnte zwar der Geistlichkeit, als dem gelehrten Stande sehr nützlich, den Nationen selbst aber nicht anders als schädlich seyn. Nur durch die Cultur[3] der vaterländischen Sprache[3] kann sich ein Volk[1] aus der Barbarei heben; und Europa blieb auch deshalb so lange barbarisch, weil sich dem natürlichen[3] Organ[1] seiner Bewohner, fast ein Jahrtausend hin, eine fremde[5] Sprache[3] vordrang, ihnen selbst die Reste ihrer Denkmahle nahm und auf so lange Zeit[6] einen vaterländischen Codex der Gesetze, eine eigenthümliche Verfassung und Nationalgeschichte ihnen ganz unmöglich machte..
[60] Herder, Bef. d. Hum. VII (1796), 3 f. (4): Ueber diese Fragen [...] sind mir einige Fragmente zu Händen gekommen, die mir der Aufmerksamkeit [...] nicht unwerth scheinen. Die Blüthe der alten[9] Cultur[4] unter Griechen und Römern setzen sie entweder als bekannt voraus, oder es 〈4〉 fehlt die Untersuchung darüber in den mir zugekommenen Blättern. Diese bemerken vorzüglich, wie sich die mittlere und neue[9] Europäische Cultur[4] in und durch Dichtkunst und zwar bei den verschiedenen Nationen Europa's, nach besondern Veranlassungen, Hülfsmitteln und Zwecken gebildet habe? .
[61] Herder, Bef. d. Hum. VII (1796), 15 ff. (17): Zuerst giebt ihr Fragment es selbst zu, daß auch vor der sogenannten Erwekkung der Alten[10] in jedem Fach große Männer, Denker und Dichter gelebt haben; und eben so wenig wird bezweifelt werden können, daß seit dieser Entdeckung große Männer gelebt und geschrieben haben, die von den Alten[10] wenig oder nichts wußten. Ich darf von den ersten nur Dante, von 〈16〉 den letzten nur Shakespeare anführen; wie viel andre möchten zu nennen seyn! Die größten Erfindungen sind in den Zeiten[3] gemacht, die wir barbarische, rohe Zeiten[3] nennen; vielleicht haben in ihnen auch die größesten Männer gelebet. Damals standen die Köpfe noch nicht so dicht an einander; jeder hatte zum eignen Denken freien[1] Raum; um sie war Dämmerung; desto munterer aber wirkten sie, und dorften in der Mittagssonne der Alten[10] eben noch nicht erblinden. Wie Ein Roger Baco vor hundert Commentatoren des Aristoteles gilt: so giebt es romantische[1] Gedichte der mittleren, selbst der neueren[5] Zeit[3], bei denen man den Geschmack der Alten[10] gern vergißt und in ihnen wie im Feenreich lustwandelt. Ich erinnere Sie an so manche Romane[1], die uns der Graf Treßan und seine Gehülfen gegeben, ja 〈17〉 seit Wiederauflebung der Wissenschaften an die größesten Lichter aller cultivirten Nationen. Woher nahmen Ariost und die ihm vorgingen, woher Spenser, Shakespeare und zwar in seinen rührendsten Stücken Form und Inhalt? Nicht aus den Alten[10], sondern aus der Denkart des Volks[5] und seinem Geschmack in ihren und den mittleren Zeiten[3]..
[62] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 237 f. (238): Antike[4], Antiken[3], (vom lateinischen Worte[1] antiquus, längst verflossen, alt[1]) die Kunst[11] der Alten[10], Alterthümer[5]; im scharfen 〈238〉 Gegensatze zur Kunst[11] der Neuen[5] zur modernen[1] oder romantischen[12] Kunst[11]. Die antike[2] Kunst[11] (eigentlich nur die griechische[2] zu nennen) ist leichter zu beurtheilen, als in ihrem Stile zu schaffen. Ideale Ruhe, göttlicher Adel[5] in der Form und kühne Einfachheit sind die Kennzeichen, das Wesen der Antike[4]. Woher aber jene himmlische Ruhe, jene unnachahmliche Grazie, jene Abgeschlossenheit (Plastik) in der Antike[4]? – Griechenland war von Poesie[14] durchdrungen, nämlich von einer Phantasie[3], die ihre Ideale im Leben selbst vorfand, und dieselben in Formen bringen konnte, die wirklich vorhanden waren; die Kunst[11] besteht aber nur in dieser Verschmelzung des Ideals mit der Wirklichkeit, diese Erhebung des Irdischen zum übersinnlichen Genusse. Und wenn ein poetischer[1] Mensch derjenige ist, welcher bei Beschauung irdischer Gegenstände diesen sogleich ihre himmlische Beziehung in schöner[1] Form anweist, so waren die Griechen eine poetische[1] Nation, und die Kunst[4] lag ihnen nahe. Das Schöne[1] setzten sie über Alles, weil sie selbst schön[1] waren; sie vergötterten schöne[1] Menschen nach dem Tode; ihre Lebensaufgabe war Genuß des Schönen[1]..
[63] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 201: Die Gesetze der Einheit von Zeit[13], Ort und Handlung[3] wurden nicht nur als die festeste Norm befolgt, sondern sie dienten auch bei der Beurtheilung jedes tragischen Dichtwerks als Maßstab. Eine Verschmelzung dieser Nachahmung der antiken[2] Muster mit dem Geiste[12] der Nation finden wir bei den Heroen der französischen Tragödie Corneille [...] und Racine [...]. Diese beiden und Molière [...] rissen die Bühne aus ihrer ersten Rohheit. Doch blieb immer eine Steifheit, ein geziertes, hochtrabendes Wesen zurück, das selbst Voltaire [...] 〈202〉 [...] nicht verdrängen konnte. [...] Gegen jene klassischen[4/8] Vorbilder erhob sich in neuester[3] Zeit[3] die Schule der Romantiker[3], an deren Spitze Victor Hugo [...] steht. Sie hat zwar die altfranzösische Tragödie nicht verdrängen können, behauptet aber doch siegreich ihren Platz neben ihr, und wie aus allen Kämpfen der Art, so wird auch hier ein vermittelndes Princip aus den Eigenthümlichkeiten beider Schulen ein gutes, erfreuliches Resultat schaffen..
[64] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 222: Indem wir hier die weniger interessante[1] frühere Geschichte[3] der französischen Musik übergehen, wenden wir uns aus dem Gebiete ihrer Kindheit sogleich zu Lully, dem Schöpfer des Nationalgeschmacks. Dieser große Meister war zwar in Italien zu Florenz (1633) geboren; doch kam er schon in seinem 12. Jahre nach Paris, wo er, von Ludwig XIV. unterstützt, seine musikalische[1] Bildung[4] vollendete, und bis zu seinem Tode blieb. Dort componirte er Opern, welche die französische Nation ein halbes Jahrhundert hindurch entzückten, und viele andere klassische[3] Tonstücke..
[65] Hirschfeld, Gartenkunst I (1779), 121: Indessen da die Schriftsteller der andern Nationen entweder ganz schwiegen[5], oder gelegentlich in Werken, die von der Baukunst handelten, die alte[6] Manier empfohlen, so fiengen die Britten an, nach und nach in Schriften das Wesen der Gartenkunst aufzuklären. ➢ Volltext.
[66] Hoche, Lesesucht (1794), 43: Von dem zwölften Jahrhundert an waren die Romane[1], in Frankreich, Erzählungen jeder Geschichte[9] in der Landessprache, welche die romanische[1] hieß. Weil diese romanische[2] Geschichte[8] eigentlich für den ungelehrten Theil der Nation bestimmt war, der nur Krieg und Waffen kannte, und eben aus dieser Ursache das Wunderbare liebte: so erforderte sie auch eine eigene Behandlung. Daher es denn kam daß sie die Gestalt der Heldengedichte erhielt. Als aber bei den wieder auflebenden Wissenschaften[1] [...] die Geschichte[7] in der Landessprache [...] und die epischen Gedichte gleichfalls [...] geschrieben wurden: so machten die romanischen[6] Heldengedichte eine eigene Gattung aus, die nach gerade die gegenwärtige Gestalt erhalten haben. – Kann man unsere jetzigen Leser[1] und Leserinnen der dialogisirten oder romanischen[6] Geschichte[8], die jetzt wieder aufleben will, mit Recht in jene rohen Zeiten[3] zurück setzen? das sey ferne..
[67] Th. Huber, Holland (1811), 190 ff. (192): Meiner bekannten Liebhaberei gemäß, suchte ich an einem andern Tage die wilden Thiere[1] auf, welche hier auf königliche Kosten, jetzt in der Nähe 〈191〉 des botanischen Gartens, gehalten werden. [...] Da sie eine hohe helle Gallerie bewohnten, und aus vielen hohen, großen sonnigen Fenstern die Aussicht auf den botanischen Garten hatten, flößten sie mir etwas weniger Wehmuth ein, wie ihre Jammergenossen, die man uns in dunkeln Käfigen vorzeigt. Uebrigens ist nicht viel Mannigfaltiges da. Eine schöne[1] Frau Löwin, die erst vor einem Jahre Wittwe ward, und sehr friedlich mit einem Hunde mittlerer Größe in einem Bauer lebt – den rührenden Roman wie das feindselige Thier[1] zu diesem umgänglichen Humor[1] kam, erfuhr ich nicht. Denkt es euch so interessant[1] als ihr könnt. Daß Sklaverei nicht milde macht, erfuhren wir in unsern Tagen hinlänglich an gan〈192〉zen Nationen, warum diese Löwennatur eine so auffallende Ausnahme macht, bleibt mir ein Räthsel. Vielleicht macht sich der Uebergang von Freiheit[3/6] in Fesseln so sanft, wenn nicht Verderbniß mitten inne steht. ➢ Volltext.
[68] Th. Huber, Klosterber. (*1811–15), 169: Der Fürst hatte einen älteren[3] Bruder, einen unschädlichen [›untadeligen, unverdorbenen‹, vgl. DWB XI/3, 1315] Menschen[1], der in seiner Bildung[2] dem gemeinsten Adel[2] unsrer Nation um keinen Schritt vorgeeilt 〈170〉 war. Ein roher Mann, starr und treu..
[69] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 117: Die Eingebornen von Neu-Spanien haben eine noch weit dunkler braune Hautfarbe, als die Bewohner der heissesten Länder des südlichen America's. Diese Erscheinung ist um so merkwürdiger, da in der kaukasischen Raçe[1], welche man auch die europäisch-arabische Raçe[1] nennen könnte, die mittäglicheren Völker[1] eine minder weisse Haut haben, als die nördlichen. Haben daher verschiedene asiatische Nationen, welche Europa im sechsten Jahrhundert überschwemmten, auch gleich ein sehr dunkles Colorit; so scheint es doch, daß die Abweichungen der Hautfarbe bei den Völ〈118〉kern[1] der weissen Raçe[1] weniger ihrem Ursprung und ihrer Vermischung, als dem Local-Einfluß des Klima's[1] zuzuschreiben sind. Die Wirkung dieses Einflusses scheint bei den Americanern und Negern indeß gar nicht statt zu finden; indem diese Raçen[1], bei welchen sich der Kohlen-Wasserstoff in reichlicher Menge auf die Malpighi'sche Schleim- oder Nez-Haut absetzt, den Eindrücken der sie umgebenden Luft ganz besonders widerstehen..
[70] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 141: Nur in einem sehr kleinen Theil von Europa genießt der Landbauer die Früchte seiner Arbeit in Freiheit[6], und diese bürgerliche Freiheit[6] ist, wie wir gestehn müssen, nicht sowohl das Resultat einer weit vorgerückten Civilisation, als vielmehr die Wirkung der gewaltsamen Krisen, in welchen eine Classe[2], oder ein Staat die Uneinigkeit der andern benutzt hat. Die wahre Vervollkommnung der gesellschaftlichen Institutionen hängt freilich von der Aufklärung und intellectuellen Entwicklung ab; allein die Räder, welche einen Staat bewegen, greifen so sonderbar in einander ein, daß bei einem Theil der Nation diese Entwicklung sehr starke Fortschritte machen kann, ohne daß die Lage der letzten Klassen[2] dadurch besser würde. Von dieser traurigen Wahrheit liefert uns der ganze Norden die Bestätigung, [...] wo der Landmann, trotz der so sehr gerühmten Civilisation der höheren Classen[2], noch heutzutag in eben der Erniedrigung lebt, in welcher er sich drei bis vier Jahrhunderte früher befunden hat [...]..
[71] A. v. Humboldt, Cordill. I [TrN. N.] (1810), 54: Bei Xochicalco fand man vor 20 Jahren auch einen einzelnen Stein, worauf ein Adler, der einen Sclaven zerfleischt, in erhabener[1] Arbeit vorgestellt war, welches Bild ohne Zweifel auf einen Sieg anspielte, den die Azteken über irgend eine angränzende Nation davon getragen haben. [Original A. v. Humboldt, Vues des Cord. (1810), 40 f.: C'est aussi près de Xochicalco, qu'on a trouvé, il y a trente ans, une pierre isolée sur laquelle étoit représenté en relief un aigle déchirant an captif, image qui faisoit allusion sans doute 〈41〉 à une victoire remportée par les Aztèques sur quelque nation limitrophe.].
[72] W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 275: Ein [...] vorzüglich charakteristischer[1] Zug der Griechen ist die hohe Ausbildung des Schönheitsgefühls und des Geschmaks und vorzüglich die allgemeine Ausbreitung dieses Gefühls unter der ganzen Nation, wovon sich Beispiele in Menge aufzählen lassen. Nun aber ist keine Art der Ausbildung in allen Zeiten[3] und Erdstrichen so unentbehrlich, als gerade diese, die das ganze Wesen des Menschen, wie es an sich beschaffen sein möge, erst gleichsam in Eins vereint, und ihm die wahre Politur und den wahren Adel[5] ertheilt [...]..
[73] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 182: [W]enn er, mit dem classischen[3] Geiste[14] der Alten[10] vertraut, und von dem besten der Neueren[3] durchdrungen, zugleich so individuell gebildet ist, daß er nur unter seiner Nation und in seiner Zeit[3] emporkommen konnte, daß alles Fremde[1], was er sich aneignet, danach sich umgestaltet und er sich nur in seiner vaterländischen Sprache[3] darzustellen vermag, in jeder andern aber und zwar gerade für seine Eigenthümlichkeit schlechterdings unübersetzbar bleibt; wenn es ihm nun so gelingt, die Resultate seiner Erfahrungen über Menschenleben und Menschenglück in eine dichterische Idee zusammenzufassen, und diese Idee vollkommen auszuführen – dann mußte, und nur so konnte ein Gedicht, wie das gegenwärtige ist, entstehen..
[74] W. v. Humboldt, Versch. Sprachb. (*1827–29), GS I, 6.1, 115: Ich bemerke [...], dass ich alle Eigennamen, ohne Rücksicht auf die Aussprache, so schreibe, wie es der Gebrauch bei uns mit sich führt, oder wie die Nation sie schreibt, von der wir sie entlehnt haben. Wo es interessant[1] seyn kann, und die Aussprache sehr abweicht, füge ich sie in Klammern hinzu. Mejico zu schreiben oder Mechico nach deutscher Aussprache zu sagen, heisst die unrichtige Spanische Aussprache des Namens unter uns zu verpflanzen. Mexico, wie man es gewöhnlich ausspricht, ist eine Verdeutschung, die man ebenso beibehalten muss, wie Lissabon, Chili (wie unser ch gesprochen), Venedig und so viele andre, ebenso als man die Tiber, und nie ohne Auffallen der Tiber sagt. Alle Sprachen[9] ziehen einen Theil der fremden[1] Namen in ihr Gebiet hinüber..
[75] W. v. Humboldt, Versch. Sprachb. (*1827–29), GS I, 6.1, 131: Die Philologie ist [...], ohne sie, in anderer Erweiterung, zur Alterthumskunde zu machen, die auch besser wie eine Hülfswissenschaft von ihr angesehen, als selbst mit ihr vermischt wird, ihrem reinen Begriff[1] nach, auf die alte Literatur, die Sprachkunde auf die Sprachen[3] gerichtet. Zwar ist beides unzertrennlich verbunden, ja sogar Eins, gerade die Philologie hat die tiefste Sprachforschung zum Zweck, und die Sprachkunde muss, auch bei ganz ungebildeten und unliterärischen Nationen, Stücke verbundener Rede aufsuchen; allein bei den geistigen Einflüssen wissenschaftlicher Behandlung ist die Unmittelbarkeit oder Mittelbarkeit der Richtung nicht gleichgültig. .
[76] Immermann, Epigon. (1836), W 2, 459: Ein Unterschied der modernen[1] Zeit[3] von der griechischen[2] besteht darin, daß unter uns Neueren[3] das wahrhaft geniale Schöne[2] fast immer im Gegensatze zu der herrschenden Stimmung erwächst, welche dagegen ihrerseits das als vorhanden zu präkonisieren [›auszurufen‹] pflegt, woran es ihr eben ganz gebricht. Dagegen ging in jener glücklichen griechischen[2] Periode das besondre Genie[2] der Künstler[1] aus dem allgemeinen Talente der Nation hervor. Um an einem Beispiele meine Meinung klarzumachen, so glaubten wir an Klopstocks Oden, Bardieten und an den Nachahmungen derselben eine große vaterländische Poesie[11] zu besitzen, und doch waren diese frostigen Exerzitien am allerfernsten von einer solchen..
[77] Jerusalem, Dt. Spr. u. Litt. (1781), 10 f.: [U]ngeachtet der Entfernung, worinn die Verfasser durch alle Provinzen von Deutschland zerstreuet wohnen, ist doch in keiner dieser Schriften die Provinz mehr zu kennen, sondern sie sind für ganz Deutschland klaßisch[4], als Schriften von einer einzigen Akademie; und würden nun selbst schon hinreichend seyn, den Geschmack der Nation ferner auszubilden; wie denn auch mit jedem Jahre unsre Litteratur mit ähnlichen Schriften noch mehr bereichert wird. Bey die〈11〉sen Meisterstücken wird sie freylich mit jedem Jahre auch mit einer Menge von pedantischen, abentheuerlichen[3], wahnsinnigen Misgeburten überhäuft; aber dergleichen muß die ausgebildeteste Nation unter sich leiden, und wie vielmehr unser armes Vaterland, wo jährlich wenigstens Fünftausend neue Bücher, (eine schreckliche Manufaktur!) herauskommen..
[78] Kolbe, Wortmeng. (1809), 2: Sonderbar, daß bei den Franzosen die Wortmischer Pedanten heisen, indes umgekehrt bei uns die Gegner der Wortmischerei diesen Namen führen. Welche von beiden Nationen mag wol hier Recht haben? mag wol mit dem Wort[1] Pedant den richtigsten Begrif[1] verknüpfen?.
[79] Kolbe, Wortmeng. (1809), 108: Kränkeln wir, in selbstsüchtigem Dünkel noch immer an dem Wahn, daß wir, eine winzige Anzahl Gebildeter, die Gesamtheit vertreten oder gar einzig das Volk[1] sind? Den Kern der Nation, den kräftigsten, besten Teil derselben, bilden vielmehr jene Klassen[2], die wir abschäzig das Volk[5] nennen, sie, die von fremdem[1] Einflus unverdorben, den Urcharakter des Deutschen allein noch festgehalten haben; sie, auf deren Sin[9] und Manheit allein noch die Hofnung einer besseren Zukunft sich gründet..
[80] Kolbe, Wortmeng. (1809), 108: Müssen wir denn aus jedem Zeitwort Verbalwörter, müssen wir aus jedem Nenwort Beiwörter, etc. bilden können? Sind in diesem Punkt nicht alle Sprachen[3] mehr oder weniger beschränkt? Ist es die französische nicht auf eine fast bejammernswürdige Weise? Dennoch wissen die Schriftsteller der Nation sich zu helfen; sie wissen, was die störrige Sprache[3] ihnen unmittelbar verweigert, mittelbar auf tausendfachen Wegen volauf ihr wieder abzulokken. Wol ist es bequem, wenn man jedem Begrif[1] und jeder Begrifsbestimmung nach Wilkühr eine Hülle, sie sei beschaffen wie sie wolle, sogleich umlegen kan. Aber ist denn Bequemlichkeit das einzige, ist sie das höchste Gesez des Schriftstellers?.
[81] Krünitz, Oecon. Encycl. XIV (1778; 21786), 749: Französinn, eine Person weibliches Geschlechtes[1], welche aus Frankreich gebürtig ist. | Im engern Verstande[7] führen diejenigen Frauens-Personen französischer Nation[6] diesen Nahmen, (auch die Benennung Mademoiselle oder Mamsell, welche vermögende Leute zum Unterrichte ihrer Kinder in der französischen Sprache[17], oder auch in allerley Frauenzimmer-Wissenschaften, und zu deren Erziehung in den Sitten und Thorheiten der französischen Nation[1], in ihren Häusern zu halten pflegen. | [...] Diese Art des Privatunterrichts durch Französinnen, welchen beydes Geschlecht[2] in der Jugend, das weibliche Ge〈750〉schlecht[2] aber bis in den Eintritt in die große Welt genießt, ist [...] sehr gemein geworden. [...] Sie wollen der Jugend die Zeit[6] angenehm hinbringen, daher erzählen sie Fabeln, Liebes- Hexen- Gespenster- und Diebs-Histörchen: hierdurch verderben sie die so nöthige Einbildungskraft[1], und entwöhnen die Ernsthaftigkeit, daß ein rechtschaffener Informator genug zu thun hat, diese einfältige Bilder der Jugend nach und nach aus dem Kopfe zu bringen; ja viele schleppen sich auch damit die ganze Lebenszeit..
[82] Krünitz, Oecon. Encycl. LXV (1794; 21803), 269: Die lateinische Sprache[3] ist, eben so wie die griechische, ursprünglich aus der Sprache[3] der verwandten Nationen, die erst Deutschland und die nordischen Reiche bevölkerten, und von welchen hernach 〈270〉 ein Theil aus Deutschland nach Italien ging, und sich daselbst wohnhaft niederließ, entstanden. Daher können die ältesten lateinischen Wörter und Ausdrücke allein aus den deutschen Dialekten[1] hergeleitet und erkläret werden.| Die Aborigines, oder ersten Einwohner Italiens, sind aus Deutschland dahin gekommen, und haben also die Sprache[3], welche die ältesten Einwohner Deutschlandes redeten, dahin gebracht. Diese Sprache[3] ging nicht nur vor der lateinischen, sondern auch vor der griechischen, her, und in derselben Töchter-Sprachen, oder in der jezt genannten deutschen, niederländischen, dänischen, norwegischen, isländischen und schwedischen Sprache[3], findet man allein die ältesten Stamm-Wörter, so wie der griechischen, also auch der lateinischen Sprache[3]..
[83] Lichtenberg, Rez. Arch. I (1786), 793 f. (794): Nach Recensentens Urtheil hat der Verfasser [...] den Gesichtspunkt, aus dem der Charakter[1] dieses 〈794〉 edlen Volks[1] [sc. Engländer] betrachtet werden muß, besser gefaßt, als irgend ein Schriftsteller der ihm noch vorgekommen ist. Der Verf. fürchtet am Ende, nachdem er den Charakter[1] der Nation meisterhaft geschildert hat, man möchte ihn für partheyisch halten, und entschuldigt sich deswegen. (Dieses war gewiß nicht nöthig, jeder unbefangne Mann, der dieses Volk[1] und seine vortrefliche Verfassung kennen gelernt hat, der nicht den Charakter[1] einer Nation aus dem Abschaum derselben oder nach der Aufführung unmündiger Fähndriche beurtheilt, wird ihm mit ganzer Seele beypflichten, und was bekümmert sich ein solcher Schriftsteller um die übrigen?.
[84] Lichtenberg, Rez. Arch. I (1786), 804 f. (805): Fast übertrieben scheinen [...] die Weissagungen des Verf. von dem sich beschleunigenden Fall des brittischen Reichs. Sollte nicht bey der glücklichen Lage des Landes, bey seinem vortreflichen Boden und weiserer Behandlung der unermeßlichen Besitzthümer in Indien, duch Abstellung bisher, im Ueberfluß, überfebener unzähliger Misbräuche 〈805〉 und Nachlässigkeiten, [...] mit dem durch die bekannten Unfälle nicht nur nicht niedergeschlagenen, sondern vielmehr erwecketen Geist[15] der Nation nicht endlich neue Quellen von Reichthum und Größe ausgefunden werden [...]? Man ist oft zu sehr geneigt, die Wirkungen des thätigen Geistes[15] den glücklichen Umständen zuzuschreiben, und bedenkt nicht, daß wenn diese gefehlt hätten, er andere benutzt haben würde..
[85] Lichtenberg, Rez. Arch. II (1787), 1828 f. (1829): In dem ersten Abschnitt bemüht sich der Verf., die ersten Grundzüge des italiänischen Characters[1] zu zeichnen; des Guten findet er wenig, des Schlimmern viel. Unwissenheit, Mangel an Patriotismus und an Geselligkeit sind die Hauptfehler, die er den Italiänern vorwirft. Den letzten hätten wir am wenigsten erwartet. [...] Es ist überhaupt schwer, über den 〈1829〉 Character[1] einer unter sich selbst so verschiedenen Nation, als der italiänischen, im Allgemeinen zu urtheilen. – In den folgenden Abschnitten geht der Verf. die verschiedenen italiänischen Staaten durch und fängt mit Venedig an..
[86] Maimon, Lebensgesch. I (1792), 5 f. (6): Es giebt vielleicht kein andres Land außer Polen, wo Religionsfreyheit und Religionshaß so im gleichen Grade anzutreffen wäre. Die Juden[1] genießen da einer völlig freyen[1] Ausübung ihrer Religion[1] und aller übrigen bürgerlichen Freyheiten[6], haben auch sogar ihre eigne Gerichtsbarkeit. Von der andern Seite aber geht der Religionshaß so weit, daß der Nahme Jude[1] zum Abscheu ist, und 〈6〉 die Wirkung dieses zu den Zeiten[3] der Barbarey eingewurzelten Abscheus noch zu meinen Zeiten[3], ohngefähr vor dreyzehn Jahren, dauerte. Dieser anscheinende Widerspruch läßt sich aber sehr gut heben, wenn man bedenkt, daß die in Polen den Juden[1] zugestandene Religions- und bürgerliche Freyheit[6], nicht aus Achtung für die allgemeinen Rechte der Menschheit[2] entspringt, so wie auf der anderen Seite der Religionshaß und Verfolgung keineswegs die Wirkung einer weisen Politik ist, die dasjenige, was der Moralität und dem Wohlstand des Staates schädlich seyn kann, aus dem Wege zu räumen sucht, sondern beyde Folgen der in diesem Lande herrschenden politischen Unwissenheit und Trägheit sind. Da nehmlich die Juden[1] bey allen ihren Mängeln dennoch in diesem Lande beynahe die einzigen brauchbaren Menschen[1] sind, so sahe sich zwar die Polnische Nation gezwungen, zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse ihnen alle mögliche Freyheiten[6] zu bewilligen, doch mußte auch ihre moralische Unwissenheit und Trägheit auf der anderen Seite nothwendig Religionshaß und Verfolgung hervorbringen..
[87] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 5: Und wenn die Natur[2] Talente für die Beredsamkeit über Deutschland so reichlich ausstreute wie über den Boden irgend eines andern Landes, so sind es ja in Deutschland nur einzelne, die hören; es gibt kein Ganzes, keine Gemeinde, keine Stadt, keine Nation, die wie mit Einem Ohre[3] den Redner anhörte. Im Gespräch mit dem Einzelnen sind wir zu ungebunden, zu unbeschränkt; wir lassen uns gehen, wir reden nachlässig, und so verliert sich aus der Sprache[3] des Volks[1] der allgemeine, bindende Geist[12]; sie zerbröckelt sich in unzählige Dialekte[1] und Idiome; jede Sekte und jede Kotterie verunstaltet sie in ihrer eigenen Manier. Nun mögen die Klopstock, die Lessing, die Schiller, die Göthe alle Strahlen dieser zerstreuten Sprache[3] wie in einem Brennspiegel versammeln; das, was allen gemeinschaftlich ist in Wort[5] und Klang, mag von einzelnen wirklich niedergeschrieben, auch ausgesprochen werden: die Nation liest sie, verschluckt sie, aber hört sie nicht, spricht ihnen nicht nach. – Wer überhaupt lernt reden aus dem Papier, aus der todten Schrift? Hören muß und gehört werden, wer sprechen lernen will. – Der Taubgeborne ist nothwendig zugleich stumm..
[88] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 47: Wie könnte ich gezeigt haben, daß das Gespräch die Quelle der Beredsamkeit überhaupt sei, ohne jenes großen Deutschen zu gedenken, mit dem die deutsche Beredsamkeit erwacht, der mit der Flamme des Gesprächs alles ergriff, was dem deutschen Herzen nahe geht und was, da er seine Stimme[11] erhob, in unnatürlicher Verzauberung oder Versteinerung dalag, G. E. Lessing. Er ward gehört, er drang tiefer in das Ohr[3] und in die Seele seiner Nation als irgendein Zeitgenosse; er zwang durch ein echtes Talent der Rede die Nation zur Antwort [...]..
[89] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 155: Was ich von unsern hochdeutschen korrekten Schriftstellern denke, die sich schon vor dreißig Jahren untereinander zu klassischen[4] Autoren ernannten, die Literatur in allgemeinen deutschen Bibliotheken und gelehrten Zeitungen zu regieren unternahmen und ihr Zusammentreffen frischweg und ohne die eigentliche Nation weiter zu fragen, für das goldne Zeitalter der Literatur erklärten, habe ich hinlänglich angezeigt..
[90] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 275 f. (276): Wie haben wir [sc. die Deutschen] in diesen letzten fünfzig stummen Jahren sprechen gelernt? Wie hat sich diese Sprache[3] gebildet grade in der Zeit[3], wo alle Glieder der höheren Gesellschaft sich von ihr abwendeten? Es lebt in ihr ein Geist[12], der sie bildet und keiner vornehmen Stütze bedarf: wer das recht Empfundene, aus den Tiefen der Seele, aus jenen geheimnißvollen Wohnsitzen des Heiligen Kommende, wo das Gefühl der ritterlichen Ehre und Liebe, des stolzen Gehorsams usw. herrührt – aussprechen will, der kann diese Sprache[3] nicht entbehren; und wer nicht so etwas zu sagen hat, der würde ihr und ihrer Ausbildung nichts helfen können. Von selbst in den Mund legt sie sich nicht! ohne Karakter[2], ohne Selbständigkeit, ohne Ursprünglichkeit 〈276〉 der Geisteskraft ist es unmöglich, diese Sprache[3] gut zu sprechen. Mit Phrasen, die für jeden Mund passen, mit künstlich appretirtem Glanz, mit einem Schein von Geist[20] und Witz[1], den der Geistloseste sich aneignen könnte, kann sie nicht aufwarten: sie hat keine Corneilles, keine Racines, keine Bossuets, keine Akademien, welche ein ganzes folgendes Jahrhundert mit schönen Wendungen der Rede im voraus versehn; kein siècle de Louis XIV., das für lange Zeiten[3] nachher das Vortrefflichste schon vorweggesprochen hätte. Es fehlt ihr, habe ich gesagt, die gesellige Vollendung: das Bestreben der einzelnen deutschen Redner und einige glückliche Wendungen des öffentlichen Lebens der Nation können selbige erreichen, darum muß auch an die mechanischen Vorzüge der benachbarten Sprachen[3] erinnert werden. Ich habe es gethan, mit Anklage meines Vaterlandes gethan. Nichtsdestoweniger aber weil der neue[1/5], christliche Geist[12] aller Worte[1] und Wendungen dieser Sprache[3] sich nicht tödten läßt, so trägt sie das Siegel der Fortdauer an ihrer Stirn wie keine andre Sprache[3]. Um dieses Geistes[12] willen kann man festiglich glauben, daß die Sprache[3] der Besiegten länger leben werde als die der Sieger, und in diesem Sinne dann dreist verkünden, daß, weil die Sprache[3] fortdauern werde, auch das Volk[1] nicht untergehen könne..
[91] Novalis, Blüthenstaub (1798), 70, Nr. 2: Ein Kommandowort bewegt Armeen; das Wort[1] Freyheit[6/7] Nazionen. ➢ Volltext.
[92] Novalis, Über Goethe (*1798), NS 2, 641 f. (642), Nr. 445: Wenn ich die neuesten[3] Freunde der Litteratur des Alterthums[3] recht verstehe, so haben sie mit ihrer Foderung, die klassischen[7/3] Schriftsteller nachzuahmen nichts anders im Sinn[10], als uns zu 〈642〉 Künstlern zu bilden – Kunsttalent in uns zu erwecken. Keine moderne[1] Nation hat den Kunstverstand in so hohem Grad gehabt, als die Alten[10]. Alles ist bey ihnen Kunstwerk[2] – aber vielleicht dürfte man nicht zu viel sagen, wenn man annähme, daß sie es erst für uns sind, oder werden können. Der classischen[7/3] Litteratur geht es, wie der Antike[4]; sie ist uns eigentlich nicht gegeben – sie ist nicht vorhanden – sondern sie soll von uns erst hervorgebracht werden. Durch fleißiges und geistvolles Studium der Alten[10] entsteht erst eine klassische[7/3] Litteratur für uns – die die Alten[10] selbst nicht hatten..
[93] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 593: [...] auf den Fortschritt in Künsten und Wissenschaften, welcher aber, von dem historischen (praktischen) Standpunkt aus betrachtet, eher ein Rückschritt, oder wenigstens ein anti-historischer Fortschritt ist, worüber wir uns auf die Geschichte selbst und auf das Urtheil und Beispiel der Nationen, welche in historischem Sinn die klassischen[3] sind (z. B. die Römer), berufen können..
[94] Schelling, Notizenbl. III (1802), 70: Es wäre eine Kritik[1] über die Kritik[1] erfoderlich gewesen, um die Frage zu beantworten: welche Elemente der Kantischen Philosophie eignen sich dazu aus der besondern und nationalen Kultur[4] der Deutschen in die allgemeine aufgenommen zu werden, und die französische Nation, deren Kultur[4] die der andern mehr oder weniger gebieterisch bestimmt und bis jetzt am meisten den Charakter[4] der Allgemeinheit sich zu geben gewußt hat, konnte hier zum bestimmtesten Maasstab dienen. ➢ Volltext.
[95] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 669: Ariosto hat eine sehr bekannte mythologische Welt, in der er sich bewegt. Der Hof Karls des Großen ist der Olymp des Jupiter der Ritterzeit. Die Sagen von den zwölf Paladinen sind und waren nach allen Seiten verbreitet und gehörten allen gebildeteren Nationen, den Spaniern, Italienern, Franzosen, Deutschen, Engländern gemeinschaftlich an. Das Wunderbare hatte sich vom Christenthum aus verbreitet und in der Berührung mit der Tapferkeit der späteren Zeit[3] sich zu einer romantischen[2] Welt entzündet. Auf diesem glücklicheren Boden nun konnte der Dichter nach Willkür schalten, neu erfinden, schmücken. Alle Mittel standen ihm zu Gebot, er hatte Tapferkeit, Liebe, Zauberei, er hatte zu dem allem noch den Gegensatz des Morgen-[2] und Abendlandes[2] und der verschiedenen Religionen. ➢ Volltext.
[96] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 680: Der Roman[1] des Cervantes ruht also auf einem sehr unvollkommenen, ja verrückten Helden, der aber zugleich so edler Natur[1] ist [...], daß ihn keine Schmach, die ihm widerfährt, eigentlich herabwürdiget. An diese Mischung (in Don Quixote) ließ sich eben das wunderbarste und reichste Gewebe knüpfen, das im ersten Moment so anziehend wie im letzten stets den gleichen Genuß gewährt und die Seele zur heitersten[4] Besonnenheit stimmt. Für den Geist[19] ist die nothwendige Begleitung des Helden, Sancho Pansa, gleichsam ein unaufhörlicher Festtag; eine unversiegbare Quelle der Ironie[1] ist geöffnet und ergießt sich in kühnen Spielen. Der Boden, auf dem das Ganze geschieht, versammelte in jener Zeit[3] alle romantischen[3] Principien, die es noch in Europa gab, verbunden mit der Pracht des geselligen Lebens. Hierin war der Spanier tausendfältig vor dem deutschen Dichter begünstigt. Er hatte die Hirten, die auf freiem Felde lebten, einen ritterlichen Adel[2], das Volk[1] der Mauren, die nahe Küste von Afrika, den Hintergrund der Begebenheiten der Zeit[3] und der Feldzüge gegen die Seeräuber, endlich eine Nation, unter welcher die Poesie[11] populär ist – selbst malerische[4] Trachten, für den gewöhnlichen Gebrauch die Maulthiertreiber und den Baccalaureus von Salar. ➢ Volltext.
[97] Schiller, Fiesko (1783), NA 4, 45: Die Rechte der Nation sind zertrümmert. Die republikanische Freiheit[6] hat einen Todesstoß..
[98] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 36: Das Genie[2] dieser Nation, durch den Geist[12] des Handels und den Verkehr mit so vielen Völkern[1] entwickelt, glänzte in nützlichen Erfindungen; im Schooße des Ueberflusses und der Freiheit[6] reiften alle edleren Künste[2]..
[99] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 288: Margaretha besaß Geschicklichkeit und Geist[20], eine gelernte Staatskunst auf einen regelmäßigen Fall mit Feinheit anzuwenden, aber ihr fehlte der schöpferische Sinn[6], für einen neuen[1] und außerordentlichen Fall eine neue[1] Maxime zu erfinden, oder eine alte[1] mit Weisheit zu übertreten. In einem Lande, wo die feinste Staatskunst Redlichkeit war, hatte sie den unglücklichen Einfall, ihre hinterlistige italienische Politik zu üben, und säete dadurch ein verderbliches Mißtrauen in die Gemüther. Die Nachgiebigkeit, die man ihr so freigebig zum Verdienste anrechnet, hatte der herzhafte Widerstand der Nazion ihrer Schwäche und Zaghaftigkeit abgepreßt; nie hat sie sich aus selbstgebohrnem Endschlusse über den Buchstaben[11] der königlichen Befehle erhoben, nie den barbarischen Sinn[2] ihres Auftrags aus eigner schöner[1] Menschlichkeit misverstanden. Selbst die wenigen Bewilligungen, wozu die Noth sie zwang, gab sie mit unsichrer zurückgezogner Hand, als hätte sie gefürchtet, zuviel zu geben, und sie verlor die Frucht ihrer Wohlthaten, weil sie mit filziger Genauigkeit daran stümmelte. Was sie zu wenig war in ihrem ganzen übrigen Leben, war sie zuviel auf dem Throne – eine Frau[1]. Es stand bei ihr, nach Granvella's Vertreibung, die Wohlthäterin des niederländischen Volks[1] zu werden, und sie ist es nicht geworden. Ihr höchstes Gut war das Wohlgefallen ihres Königs, ihr höchstes Unglück seine Misbilligung; bei allen Vorzügen ihres Geistes[22] bleibt sie ein gemeines 〈289〉 Geschöpf, weil ihrem Herzen der Adel[5] fehlte..
[100] Schiller, Egmont (1788), NA 22, 295: Die grausamen Prozeduren, welche, den strengen Religionsedikten gemäß, gegen die Ketzer ergiengen, die Insolenz der spanischen Truppen, welche [...], der Konstitution zuwider, in den Gränzstädten in Besatzung lagen, [...] mit den Privatbeschwerden gegen den Minister verbunden – alles dieses wirkte zusammen, die Nation mit Besorgnissen zu erfüllen, und den Adel[2] wie das Volk[5] gegen das Joch des Ministers zu empören. .
[101] Schiller, Send. Moses (1790), NA 17, 380: Woher sollte aber nun den Ebräern dieser Retter kommen? Schwerlich aus der Mitte der Egypter selbst, denn wie sollte sich einer von diesen für eine Nation verwenden, die ihm fremd[5] war, deren Sprache[3] er nicht einmal verstand, und sich gewiß nicht die Mühe nahm zu erlernen, die ihm eines bessern Schicksals eben so unfähig als unwürdig scheinen mußte. Aus ihrer eignen Mitte aber noch viel weniger, denn was hat die Unmenschlichkeit der Egypter im Verlauf einiger Jahrhunderte aus dem Volk[1] der Ebräer endlich gemacht? Das roheste, das bößartigste, das verworfenste Volk[1] der Erde, durch eine 300jährige Vernachlässigung verwildert, durch einen so langen knechtischen Druck verzagt gemacht und erbittert, durch eine erblich auf ihm haftende Infamie vor sich selbst erniedrigt, entnervt und gelähmt zu allen heroischen Entschlüßen; durch eine solange anhaltende Dummheit endlich fast bis zum Thier[10] herunter gestoßen. Wie sollte aus einer so verwahrloßten Menschenrasse ein freier Mann, ein erleuchteter 〈381〉 Kopf, ein Held oder ein Staatsmann hervorgehen?.
[102] Schiller, an Goethe (27. 4. 1798), NA 29, 229: Die unterstrichene Stelle in Humboldts Briefe[1] den ich Ihnen zurücksende, ist ihm vermuthlich selbst noch nicht so recht klar gewesen, und dann scheint das Ganze mehr eine Anschauung als einen deutlichen Begriff[1] auszusprechen. Er will, däucht mir, überhaupt nur sagen, daß das Gemeinsame, folglich Nationelle, in den Franzosen sowohl in ihren gewöhnlichen Erscheinungen als in ihren Vorzügen und Verirrungen eine Wirksamkeit des Verstandes und seiner Adhärentien nehmlich des Witzes[2], der Beobachtung etc sey, ohne verhältnißmäßige Mitwirkung des Ideenvermögens, und daß sie mehr physisch als moralisch rührbar seien. Das ist keine Frage daß sie beßere Realisten als Idealisten sind, und ich nehme daraus ein siegendes Argument, daß der Realism keinen Poeten machen kann..
[103] Schiller, Ged. II (1802), NA 2.1, 128: Edler Freund! Wo öfnet sich dem Frieden, | Wo der Freiheit[7] sich ein Zufluchtsort? | Das Jahrhundert ist im Sturm geschieden, | Und das neue[3] öfnet sich mit Mord. || Und die Grenzen aller Länder wanken, | Und die alten[1] Formen stürzen ein, | Nicht das Weltmeer sezt der Kriegswut Schranken, | Nicht der Nilgott und der alte[1] Rhein. || Zwo gewaltge Nationen ringen | Um der Welt alleinigen Besitz, | Aller Länder Freiheit[7] zu verschlingen, | Schwingen sie den Dreizack und den Blitz..
[104] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
[105] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 549 f.: Die Entstehung jener gewissermaßen unregelmäßigen aber unendlich reizenden Mannichfaltigkeit in der Sprache[3] muß man sich so denken, daß bey den vielen kleinen Völkerschaften, worein sich der Griech.[ische] Völkerstamm spaltete, bey den einen diese Formen, Ausdrücke und Sprecharten aufgekommen waren, bey andern jene; und daß bey nachher erfolgter Vermischung von allen etwas beybehalten ward. Wir werden durch diese Bemerkung auf einen Punkt geführt, der für die gesamte Griechische Bildung[5] äußerst wichtig ist: daß nämlich die Lage dieser Nation ganz dazu eingerichtet war, daß sie sich aufs mannichfaltigste individualisiren, und dann wieder durch lebhaften Verkehr, das Individuelle zu einem allgemeineren Charakter[1] verschmelzen mußte. Man sehe nur auf der Landcharte den Erdstrich an, welchen die Griechen inne hatten. Auf einer weiten ununterbrochnen Ebne hätten sie schwerlich das werden können, was sie wurden, und wären vielleicht, wie andre Nationen in Asien unter einer despotischen Regierungsform auf einer sehr niedrigen Stufe für immer fixirt geblieben. [...] 〈550〉 [...] | Bey einer solchen Nation mußten natürlicher[4] Weise Dialekte[1] entstehen: bey den Griechen allein aber (unter den Nationen wenigstens, die wir bey solchen Betrachtungen vor Augen zu haben pflegen) haben wir die Erscheinung, daß die Dialekte[1] nicht bloß untergeordnete, mehr oder weniger rohe oder verderbte, Abarten einer vollkommneren Hauptsprache blieben, sondern sich zu einem bestimmten im Verhältniß gegen die übrige Nation gültigen Charakter[1] entwickelten, und nicht bloß im gemeinen Leben, sondern auch in der Schrift gebraucht wurden, ja in verschiednen Gattungen der Poesie[11] kunstmäßig gebraucht werden mußten. ➢ vgl. [122].
[106] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 551: Zuvörderst was die älteste[1] epische Epoche betrifft, so fällt sie, genauer betrachtet, vor der eigentlichen Sonderung der Dialekte[1], in der höheren, oben angegebnen, Bedeutung dieses Wortes[1]. Wir finden beym Homer die Griechische Bildung[5] auf einer Stufe, wo die Bestandtheile der Nation durch Kriege, Wanderungen und mancherley Revolutionen sich gegenseitig durchdrungen hatten, [...] aber noch nicht wieder nach verschiednen eigenthümlichen Richtungen gesetzmäßiger aus einander gegangen waren. Deswegen behaupten die Alten[10], Homer habe geflissentlich alle Dialekte[1] durch einander gemischt, um sämtlichen Griechen verständlich zu seyn: der Wahrnehmung nach richtig, aber nur historisch unrichtig ausgedrückt..
[107] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
[108] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 46 f. (47): Die Philologie ist an sich ein liberales Studium, weil es bloß auf Uebung und Bildung[2] des Geistes[14] im allgemeinen abzweckt, und sich der Gemeinnützigkeit bestimmter Anwendungen entzieht. Man hat sie aber auch in der neueren[5] Epoche diesen unterwürfig machen wollen, 〈47〉 und dadurch auf Abwege geleitet. Die älteren[10] Philologen suchten den Schülern bloß den Buchstaben[11] der alten[10] Autoren zu eröffnen, in der Zuversicht, wenn sie selbigen treufleißig erlernt hätten, würde ihnen der Geist[30] nach dem Maaße ihres Sinnes[5] von selbst aufgehen. Jetzt hat man sie voreilig in diesen einzuweihen gedacht, ohne ihn selbst recht gefaßt zu haben: man hat in Noten viel über die Schönheiten[3] der Dichter gefaselt, man hat die Mythologie nach oberflächlichen Ansichten aus der sogenannten Geschichte[4] der Menschheit[2], d. h. aus Vergleichungen mit andern Nationen auf gleichen Stufen der Cultur[4] [...], zugestutzt, u. s. w. Was ist dabei herausgekommen? Die grammatische Gründlichkeit ist vernachlässigt, und das Höhere nicht erreicht worden. ➢ Volltext.
[109] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 77 f. (78): Europa, be〈78〉stimmt, nur eine einzige große Nation auszumachen, wozu auch die Anlage im Mittelalter da war, spaltete sich in sich: das wissenschaftliche Streben zog sich nach Norden, die Kunst[4] und Poesie[11] blieb im Süden; und da ohne die Reformation Rom verdienter Maßen der Mittelpunkt der Welt geblieben wäre, und die ganze europäische Bildung[5] italiänische Farbe und Gestaltung angenommen hätte, so gaben jetzt Frankreich und England den Ton an, und unnatürlich verbreitete sich von daher aus der Westwelt vieles auch über Deutschland, den eigentlichen Orient[2] von Europa. ➢ Volltext.
[110] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 14: Wenn [...] in einer allgemeinen Geschichte[7] der romantischen[12] Poesie[11] die Deutschen eine so unansehnliche Rolle spielen, ja fast daraus verschwinden, wenn wir besonders keine romantischen[12] Künstler aus der Vorzeit aufzuweisen haben, die sich den großen entgegenstellen ließen, worauf andre Nationen seit Jahrhunderten stolz sind: so können wir uns damit trösten, daß unter der allgemeinen prosaischen[3] Erstorbenheit bey uns zuerst das Gefühl für ächte Poesie[11] wieder erwacht ist; daß wir mitlebende Künstler besitzen, die nicht nur den alten[10] Meistern mit Glück nachfolgen, sondern etwas eigenthümliches wollen und anstreben, und eine noch nicht erreichte Stufe zu ersteigen, einen neuen[1] Styl der romantischen[12] Kunst[3] zu bilden angefangen haben, wie ihn die Wendungen fodern, welche der menschliche Geist[10] seitdem genommen, besonders die tiefere Ergründung seiner selbst; Künstler sage ich, die selbstständig und originell noch unerforschte Geheimnisse des menschlichen Gemüthes, dieses unerschöpflichen Räthsels, zu offenbaren wissen..
[111] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 147: Heutiges Tages, wo den meisten Menschen[1] und Nationen die Idee von der organischen[6] Bildung[10] und Construction eines poetischen[4] oder überhaupt Kunstganzen durchaus abhanden gekommen, geht es dem Dante eben, wie andern großen romantischen[12] Dichtern[1] z. B. Shakspeare und Cervantes, denen man eine Auszeichnung zu erweisen glaubt, wenn man sie Stellenweise lobt..
[112] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 51 f.: Philosophische Kritik[1], im wahren Sinne, findet nur da Statt, wo das Allgemeine auf etwas individuelles bezogen werden muß, zB. bey der Beurtheilung der Darstellungsweise, deren sich Philosophen aus verschiednen Zeitaltern und Nationen für ihre Systeme bedient haben, wobey denn auch die zweyte philologische Fertigkeit, Auslegungskunst, unentbehrlich ist. Häufig fehlte es den Philosophen in Beurtheilung ihrer Vorgänger eben an philologischem Geist[20], und sie glaubten gegen die Sache zu argumentiren, wenn sie bloß mit einem aus den Mängeln der Darstellung entsprungnen Misverstande kämpften. Das Geschäft zB. die Kritik[4] der reinen Vernunft[1] zu kritisiren würde demnach nicht darin bestehen, die Wahrheit und den Zusammenhang der darin vorgetragnen allgemeinen Sätze zu prüfen, sondern die darin eingefloßnen Subjectivitäten aus dem Charakter[2] des Urhebers, aus dem Gange seiner Forschung und der Stellung gegen das Zeitalter zu zeigen und auszuscheiden, wodurch es allein möglich wird jene von den Buchstaben[11] zu entfesseln, und ihren wahren Gehalt an〈52〉ders als durch Nachbetung der Worte[2] Kants zusammenzufassen, wogegen dieser leider zum neuen Beweise der persönlichen Einflüsse protestirt hat. .
[113] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
[114] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 195: Die Erzählung von der Art wie Romulus die Stadt durch Eröffnung eines Asylums angelegt, deutet auf Entwicklung der Römischen Nation aus einem gemischten Haufen: und ihre Lage zwischen Etrurien und Latium spricht dafür. Auch ist zu bemerken, daß die Sprache[3] der Römer niemals von ihnen oder der Hauptstadt den Namen geführt, sondern die Lateinische geheißen: ein auffallender Beweis, daß sie schon vor Erbauung Roms vorhanden und gebildet war, und daß die Römer sich von einer größeren Völkerschaft, wozu sie gehörten, hauptsächlich nur durch politische Mittel ausgesondert..
[115] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 217: Überhaupt muß man sich hüten, von der großen Rolle Frankreichs im modernen Europa auf die früheren Zeiten zurückzuschließen. Hier mußte es sehr gegen Deutschland zurückstehen. Denn zuvörderst war es in zwey ganz verschiedne Sprachen[3] getheilt, die Französische und Provenzalische, und schon deswegen erscheinen die Franzosen weniger als Eine Nation. Das Französische blieb lange ein unförmlicher widerwärtiger Dialekt[1], während das Provenzalische durch liebliche Poesie[11] ausgebildet, weit höher geschätzt und im Auslande verbreitet war. Es ist eigentlich ein zufälliger und für die National-Cultur unstreitig sehr nachtheiliger Umstand, daß dieser nördlichere dürftige Sprößling des Lateinischen zur herrschenden Sprache[3] erhoben worden; wenn die Krone an ein südliches Fürstenhaus gekommen wäre, so würde es wahrscheinlich umgekehrt ergangen seyn, und man würde das Französische jetzt nur als ein unbedeutendes Patois kennen..
[116] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 238: Daß die nordischen Reiche nicht als in einer Continuität mit dem heutigen Deutschlande stehen, und von dort aus bevölkert worden, weiset, wie mich dünkt, schon der größere Abstand der, obwohl verwandten Sprachen[3] aus. Nach Holland und England zu verändert sich der Dialekt[1] durch das Plattdeutsche, Niederdeutsche (wie die Holländer ihre Sprache[3] nennen) und Friesische allmählich. Das Dänische aber ist dem Schwedischen weit näher verwandt als dem Deutschen, und wenn Dänemark ehedem von derselben Nation bewohnt war, welche unter dem Namen der Angeln und Sachsen England eroberten, so dürfte es nachher von einer scandinavischen Kolonie besetzt seyn. Die Verschiedenheit der Sprachen[3] ist vielleicht nur eine klimatische: das Dänische ist weich und auseinander geflossen, so wie ihr Klima[1] feucht und nebelicht, das Schwedische athmet eine rauhere Bergluft..
[117] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 248: Was das seltsamste ist, so verband sich mit dieser unerhörten Knechtschaft der Nation im Ganzen der wildeste zügelloseste Demokratismus eines zahlreichen Adels[2] der allein für die Nation galt. Das Lehnsystem, die Gradation der Vasallen unter einander hat hier niemals Statt gefunden, und so entbehrte Pohlen auch diese Wohlthat, die ihm durch Deutsche Eroberung würde zu Theil geworden seyn; denn es ist merkwürdig daß neben dem Lehnsystem die republikanische Freyheit[6] der Städte in den meisten Ländern sich auf das schönste entwickeln konnte, während sie hier nie aufkam. Frey[6] und adelich blieb gleichbedeutend, so wie Gesamtheit des Adels[2] und Nation: und die Freyheit[6] und Gleichheit dieser Adels-Republik unter 〈249〉 einem beschränkten Wahlkönige ist auf eine so tolle Art behauptet worden, daß die Verkehrtheit der Polnischen Verfassung und die Unordnungen ihres Reichstages zum Sprichworte haben werden müssen..
[118] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 250: Man hat sich sehr für Kosciusko's Entwürfe enthusiastisirt, allein es fragt sich ob ihr Misglücken mehr als ein augenblickliches Bedauern verdienen kann. Der knechtische Theil der Nation war für die Wohlthaten noch nicht reif, die er ihm verschaffen wollte, und kann wohl nur allmählich dazu vorbereitet werden, der höhere Adel[2] ausgeartet und verderbt..
[119] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 266: Da [...] die lokalen Geschichten des modernen Europa ohne Sinn[5] für die Zeitalter und die darin liegende Beziehung auf das Ganze, den Ausländern gänzlich uninteressant werden, ja nicht einmal allgemein bey den Mitgliedern einer Nation, wo es an Nationalität und Patriotismus fehlt, auf rege Theilnahme rechnen dürfen: so bescheiden sie sich von selbst, bloß zu bedingten lokalen Zwecken geschrieben zu seyn, als Handbücher der Geschäftsmänner und Juristen in einem Staat, der vielleicht nur wenige Meilen im Umkreise hat, und außer welchem kein Mensch um diese obscuren Geschichten sich bekümmert. Dieß Bewußtseyn hat dann auf die Form den nachtheiligsten Einfluß gehabt: je brauchbarer für solche Zwecke, desto unlesbarer und barbarischer sind gewöhnlich solche Geschichtbücher. | Bey solchen bloß technisch-praktischen Historien beruht natürlich die ganze Brauchbarkeit auf der Erweislichkeit der Thatsachen. Daher ist es Sitte geworden die Geschichtforschung mit in die Geschichtschreibung hinein zu tragen; und weitläuftig über Dinge für und wider zu discutiren, die ein Alter ganz kurz mit Erwähnung der beyden abweichenden Meynungen unentschieden hätte dahin gestellt seyn lassen. Ohne Sinn[5] für Erweise, zu denen eine lebendige Anschauung der Vergangenheit erfodert wird, hat man alles auf den todten Buchstaben[6/8] zu reduciren gesucht; und da unter schriftlichen Denkmälern keine einen höheren Grad von Glaubwürdigkeit zu haben scheinen, als Diplome, so ist es der größte Lobspruch solcher technischen Specialgeschichten geworden: sie seyen diplomatisch geschrieben. Es könnte sich treffen, daß eine dergleichen zwar nichts unrichtiges, aber auch nicht das rechte wahre enthielte. Selbst das in öffentlichen Akten verhandelte bekömmt durch den Geist[14] der Menschen erst seine lebendige Bedeutung..
[120] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 294: Man muß bey der Etymologie davon ausgehen, daß alle Wörter[1] durch Hinzufügung bestimmender Laute und ableitender Sylben aus den einfachsten syllabischen Zusammenfügungen entstanden sind. Die einzelnen Buchstaben[7] bedeuten aber schon an und für sich etwas, nur ist es sehr schwer, dieß zu fassen, weil es natürlich[4] schwankend und unbestimmt ist. Den größten Aufschluß hierüber muß die Betrachtung der Bewegungen welche mit den Sprachorganen zur Hervorbringung gewisser Laute vorgenommen werden, geben. Wiewohl die Alphabete verschiedner Nationen von einander abweichen, so giebt es doch auch hierin etwas gemeinschaftliches, ein Grundalphabet, welches nicht zufällig aus grade so vielen, und diesen oder jenen Lauten besteht, sondern worin gesetzmäßige Einheit ist, so daß es ein wahres System ausmacht, in welchem alles zusammenhängt, 〈295〉 sich gegenseitig fordert und bestimmt..
[121] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 312: Die accentuirten und nicht accentuirten Sylben hat man alsdann in ein ungefähres Gleichgewicht zu setzen gesucht, oder es hat sich dieß auch von selbst gemacht. [...] Was nun die Anordnung dabey betrifft, so hat sich der Geschmack und das Ohr[3] der nordischen Nationen[1], der Deutschen, Engländer u. s. w. für ein regelmäßiges Alterniren, das der südlichen aber, der Franzosen, Italiäner, Spanier und Portugiesen für eine beseeltere Freyheit[1] entschieden, und erst seit kurzem hat man den Deutschen Versbau, so viel es die Natur[1] der Sprache[3] gestattet, den letztgenannten Mustern anzunähern versucht..
[122] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 324: Einen ganz einzigen Vorzug hat die Griechische Sprache[3] an ihren Dialecten[1], welche nicht, wie bey andern Nationen, unvollkommne Abarten der allgemeinen Sprache[3] sind, sondern vielmehr Ausbildungen derselben in verschiednen Richtungen, so daß die Gesamtheit des Griechischen Nationalcharakters nur durch sie alle zusammen ausgedrückt wurde, und diese Dialecte[1] in der Büchersprache galten, ja gewisse Gattungen der Poesie[11] ihrer nicht entrathen könnten. ➢ vgl. [105].
[123] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 327: Mit vier Buchstaben[1]: S. P. Q. R. wurde die Gesamtheit des Staats und seine Verfassung ausgedrückt; ein Begriff bezeichnet, der alle Nationen in Ehrfurcht erhielt. .
[124] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 336: Das Deutsche ist wirklich so sehr eine lebende Sprache[3], als es nur Statt finden kann. Aus der bisherigen Darstellung muß es schon klar geworden seyn, welchen Weg es zugleich mit der nationalen Bildung[2] (denn dieß läuft immer parallel) einschlägt, und welch ein Ziel beyden vorgestellt ist. Universalität ist unsre wahre Eigenthümlichkeit: es ist auf nichts geringeres angelegt, als die Vorzüge der verschiedensten Nationalitäten zu vereinigen, sich in alle hineinzudenken und hineinzufühlen, und so einen kosmopolitischen Mittelpunkt für den menschlichen Geist[19] zu stiften. Nach dem Gange, welchen die Philosophie der Cultur[3] vorzeichnet, muß jede neue[1] Epoche derselben mit einem höheren Bewußtseyn verknüpft werden: es wird also auch die jetzt beginnende mehr den Charakter[1] der Freyheit[10] und Absichtlichkeit tragen als irgend eine frühere; und was uns so lange im äußern Glanze gegen die einseitige, beschränkte aber eben darum entschiedne Wirksamkeit andrer Nationen hat zurückstehen lassen: der Mangel einer Richtung, welcher, in ein Positives verwandelt, zur Allseitigkeit der Richtungen wird: muß in der Folge die Überlegenheit auf unsre Seite bringen. Es ist daher gewiß keine zu sanguinische Hoffnung anzunehmen, daß der Zeitpunkt nicht so gar entfernt ist, wo das Deutsche allgemeines Organ[1] der Mittheilung für die gebildeten Nationen seyn wird. .
[125] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 357: [M]an [muß] den Gedanken loben, der seit der Wiederbelebung der classischen[7] Literatur in Europa gegolten hat, die Beschäftigung mit den alten[10] Sprachen[3], ohne bestimmte nähere Zwecke, zur Erziehung überhaupt, als zur allgemeinen Ausbildung dienlich, mitzurechnen. Nur freylich wird die Sache meistens so pedantisch und und verkehrt getrieben, daß man wenig heilsame Wirkungen davon gewahr wird, und nicht sieht, was zB. die Engländer, die sich auf Schulen und Universitäten fast ausschließend mit Lesung der Classiker[2] beschäftigen, dadurch vor den Franzosen voraushaben, bey denen das Griechische eine wahre Seltenheit ist, und das Lateinische ziemlich flüchtig erlernt wird. Unter den Nationen[1] des südlichen Europa scheint sich vermöge der analogeren Conformation der Sprachen[3] das Latein immer noch mehr lebendig zu erhalten, und die Holländer haben in dem beharrlichen Studium der Classiker[2] überhaupt einen edleren Geschmack bewiesen, als man ihnen zutrauen sollte..
[126] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 5 f.: Wir sehen eine Menge Menschen, ja ganze Nationen, so sehr befangen in den Gewöhnungen ihrer Erziehung und Lebensweise, daß sie sich auch dann nicht davon losreißen können, wenn vom Genusse schöner[2] Kunst[9] die Rede ist. Nur dasjenige, was in ihrer Sprache[3], ihren Sitten und ihren gesellschaftlichen Verhältnissen einheimisch und hergebracht ist, erscheint ihnen als natürlich[4], schicklich und schön[2]. In dieser ausschließenden Ansicht und Empfindungsweise kann man es durch Bildung[4] zu einer großen Feinheit der Unterscheidung in dem engen Kreise bringen, worauf man sich nun einmal beschränkt hat. Aber ein ächter Kenner kann man nicht seyn ohne Universalität des Geistes[14], d. h. ohne die Biegsamkeit, welche uns in den Stand setzt, mit Verläugnung persönlicher Vorliebe und blinder Gewöhnung, uns in die Eigenheiten anderer Völker[1] 〈6〉 und Zeitalter zu versetzen, sie gleichsam aus ihrem Mittelpunkte heraus zu fühlen, und was die menschliche Natur[1] adelt, alles Schöne[2] und Große unter den äußerlichen Zuthaten, deren es zu seiner Verkörperung bedarf, ja bisweilen unter befremdlich scheinenden Verkleidungen zu erkennen und gehörig zu würdigen. Es giebt kein Monopol der Poesie[19] für gewisse Zeitalter und Völker[1]; folglich ist auch der Despotismus des Geschmacks, womit diese, gewisse vielleicht ganz willkührlich bey ihnen festgestellte Regeln allgemein durchsetzen wollen, immer eine ungültige Anmaßung. Poesie[19], im weitesten Sinne genommen, als die Fähigkeit das Schöne[2] zu ersinnen und es sichtbar oder hörbar darzustellen, ist eine allgemeine Gabe des Himmels, und selbst sogenannte Barbaren und Wilde haben nach ihrem Maaße Antheil daran. ➢ Volltext.
[127] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 30: Um Verwirrung zu verhüten, scheint es doch rathsamer, die verschiednen Litteraturen von einander zu sondern; die fremden[1] Einwirkungen lassen sich dennoch anmerken. Um so mehr, da bey einigen der neueren[3] Nationen ganz entschieden der Grundsatz der Nachahmung der Alten[10], bey andern der romantische[12] Geist[14] oder wenigstens eine um die classischen[7] Muster unbekümmerte Originalität vorgewaltet hat: jenes nämlich bey den Italiänern und Franzosen, dieses bey den Engländern und Spaniern. ➢ Volltext.
[128] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 149: Da die witzigen Köpfe der Franzosen sich erlaubt haben, alles in der Welt, und besonders die Geisteswerke andrer Nationen zu bespötteln, so wird man uns unsererseits auch wohl gönnen, uns gelegentlich daran zu ergötzen, wenn wir sehen, daß bey aller Sorgfalt ihre Trauerspieldichter der Klippe, die sie am meisten scheuten, dennoch dann und wann nicht haben entgehen können. Lessing hat das Lächerliche, wo es sich in der Anlage selbst findet, an der Rodogüne, Semiramis, Merope und Zaire, mit siegreichem Witze[4] verfolgt.
[129] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 392: [D]ie Kreuzzüge im Hintergrunde, der Schauplatz zu Jerusalem, das Zusammentreffen verschiedner Nationen und Religions-Verwandten auf diesem morgenlän〈393〉dischen[1/2] Boden, das alles giebt dem Ganzen [sc. Lessing, Nathan] einen romantischen[4/10] Anstrich [...]. ➢ Volltext .
[130] F. Schlegel, G. Forster (1797), 33: Jeder klassische[3] Schriftsteller ist ein Wohlthäter seiner Nazion, und hat gerechte Ansprüche auf ein öffentliches Ehrendenkmal. ➢ Volltext.
[131] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 40, Nr. 155: Die rohen kosmopolitischen Versuche der Carthager und andrer Völker[1] des Alterthums[3] erscheinen gegen die politische Universalität der Römer, wie die Naturpoesie ungebildeter Nazionen gegen die klassische[3] Kunst[12] der Griechen. Nur die Römer waren zufrieden mit dem Geist[12] des Despotismus, und verachteten den Buchstaben[8]; nur sie haben naive[2] Tyrannen gehabt. ➢ Volltext.
[132] F. Schlegel, Lucinde (1799), 76 f. (77): Die Liebe selbst sey ewig neu und ewig jung, aber ihre Sprache[4] sey frey und kühn, 〈77〉 nach alter klassischer[7] Sitte, nicht züchtiger wie die römische Elegie und die Edelsten der größten Nazion, und nicht vernünftiger wie der große Plato und die heilige Sappho.
[133] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 9: [I]ch glaube allerdings, es ist die Natur[2] selbst, welche die Frauen[1] mit Häuslichkeit umgiebt, und zur Religion[3] führt. Ich finde das alles schon in der Organisazion[5]. Fürchte nicht, daß ich Dir mit Anatomie kommen werde. Ich überlasse es einem künftigen Fontenelle oder Algarotti unsrer Nation, 〈10〉 das sonderbare Geheimniß des Geschlechtsunterschiedes mit Anstand und Eleganz für Damen darzustellen und zu enträthseln. Es bedarf gar nicht so vieler Umstände, um zu finden, daß die weibliche Organisation[5] ganz auf den einen schönen[6] Zweck der Mütterlichkeit gerichtet ist. ➢ Volltext.
[134] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 13: Ich lebe wenigstens als Autor in der Welt, und so könnte ich wohl mit dem strengsten Ernste darüber nachdenken, was auch in dieser Rücksicht für das Volk[4] das heilsamste sey, und was von den Priestern und den Regenten zu wünschen wäre. Vor allen Dingen aber kann es mich reizen, den Geist[12] der Zeitalter und der Nazionen, auch in der Religion[3] zu erspähen und zu errathen.
[135] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 66: Sie traten [...] mit einem unmäßigen Gelächter in die Gesellschaft, und aus den letzten Worten[2], die man hören konnte, ließ sich schließen, daß ihre Unterhaltung sich auf die sogenannten classischen[4] Dichter der Engländer bezog. Man sagte noch einiges über denselben Gegenstand, und Antonio, der sich gern bey Gelegenheit mit dergleichen polemischen Einfällen dem Gespräch einmischte, das er selten selbst führte, behauptete, die Grundsätze ihrer Kritik[2] und ihres Enthusiasmus wären im Smith über den Nationalreichthum zu suchen. Sie wären nur froh, wenn sie wieder einen Classiker in die öffentliche Schatzkammer tragen könnten. Wie jedes Buch auf dieser Insel ein Essay, so werde da auch jeder Schriftsteller, wenn er nur seine gehörige Zeit[6] gelegen habe, zum Classiker. Sie wären aus gleichem Grund und in gleicher Weise auf die Verfertigung der besten Scheeren stolz wie auf die der besten Poesie[11]. So ein Engländer lese den Shakspeare eigentlich nicht anders wie den Pope, den Dryden, oder wer sonst noch Classiker sei; bey dem einen denke er eben nicht mehr als bei dem andern. – Marcus meynte, das goldne Zeitalter sey nun einmal eine moderne[7] Krankheit, durch die jede Nation hindurch müsse, wie die Kinder durch die Pocken. ➢ Volltext.
[136] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 77: Von den Altvordern der Nation lernte er [sc. Dante] das eigenste und sonderbarste, das heiligste und das süßeste der neuen[3] gemeinen Mundart[1] zu classischer[3] Würde und Kraft zusammenzudrängen, und so die provenzalische Kunst der Reime zu veredeln [...]. ➢ Volltext.
[137] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 79: Der Versuch, das Romanzo durch einen würdigen Gegenstand und durch classische[3/5] Sprache[4] zur antiken[3] Würde der Epopöe zu erheben, das man sich als ein großes Kunstwerk[2] aller Kunstwerke[2] für die Nation, und nach seinem allegorischen Sinn[2] noch besonders für die Gelehrten dachte, blieb, so oft er auch wiederhohlt wurde, nur ein Versuch, der den rechten Punkt nicht treffen konnte. ➢ Volltext.
[138] F. Schlegel, an L. Tieck (15. 9. 1803), L, 136: Das Persische ist dem Deutschen so verwandt daß man beides fast für eine Sprache[3] ansehn kann; nur ist die eine so arabisirt, als die andre latinisirt. So gar der Gang der Poesie[3] und Litteratur bei beiden Nationen ist zum Erstaunen ähnlich; in der ältesten[1] Epoche eine Masse von alten[1] mythischen Nationalgedichten, auch in der Sprache[4] ganz einheimisch; und dann eine romantische[12] Zeit[3], wo das Arabische so durchaus angenommen, aber auch mehr geformt ward, wie in unsrer schwäbischen das Französische..
[139] F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. I (1804), 48: An einzelnen großen Geistern[32] jeder Art hat es überhaupt in Deutschland in keinem Jahrhundert gefehlt; und man darf wohl sagen, daß oftmals hier in Einem vereinigt war, was bei andern Nationen unter Hunderte vertheilt ist. Doch war das alles nur einzeln, und blieb ohne Folgen. Die alte[1] Dichtkunst war verlohren und vergessen, die Ausbildung der Prosa[1] gleichsam schon vor ihrer Entstehung gehindert, und immer mehr und mehr zerstörte die Nation sich selber. Eine Zerrüttung und Ein Bürgerkrieg folgte dem andern, und da die Reformation endlich durch die unglückliche Wendung, welche sie nahm, die Trennung der Nation gleichsam 〈49〉 auf ewig sanctionirte, da ganze Provinzen in eingebildeter Freiheit[7] sich losrissen, um endlich, wie es sich voraussehen ließ, unter fremdes[1] Joch zu sinken; da Ausländer jeder Art sich einnisteten; da die Fürsten selbst nach ausländischen Besitzungen und Verbindungen strebend, die vaterländischen Sitten vergaßen; was war natürlicher[4] und unvermeidlicher, als daß die Sprache[3] selbst entarten und verwildern mußte?.
[140] F. Schlegel, Gedanken (*1808–09), KFSA 19, 290 f. (291), Nr. 212: Die Sprache[3] d[er] Burgländischen Deutschen oder Sachsen 〈in der Haromßecker Gespannschaft〉 weicht von d.[er] Mundart[1] der Geisacher Kolonie sowohl als d[er] Leistritzer sehr ab. Die Sprache[3] der Sachsen im 〈291〉 Leistritzer District in d[er] Thorenburger Gespannschaft ist von d[er] Mundart[1] der Andreanischen Nation sehr verschieden, noch mehr aber der Einwohner von Regen, Zöpling, Botsch pp Viele Wörter[1] sind rein Deutsch, die meisten aber einem Hermanstädter ganz unbekannt..
[141] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 477: Da die spanische Dichtkunst überhaupt ohne allen fremdartigen Einfluß und durchaus rein romantisch[7] geblieben ist, da die christliche Ritterpoesie des Mittelalters bey dieser Nation am längsten bis in die Zeiten[3] der neuern[3] Bil〈478〉dung[5] fortgedauert, und die kunstreichste Form erlangt hat, so ist hier wohl der rechte Ort, das Wesen des Romantischen[12/7] überhaupt zu bestimmen. ➢ Volltext.
[142] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 482: In Einem Stücke wenigstens sollte man das spanische Drama und dessen Form sich zur Regel dienen lassen; ich meine darin, daß auch das Lust- oder überhaupt das bürgerliche Schauspiel dort durchgängig romantisch[7] und eben dadurch wahrhaft poetisch[1] ist. Ganz vergeblich sind und bleiben selbst auf der Bühne alle Versuche, die Darstellung der prosaischen[3] Wirklichkeit durch psychologischen Scharfsinn oder bloßen Modewitz zur Poesie[14] zu erheben, und wer irgend Gelegenheit hat, was andere Nationen Intriguen- oder Charakterstücke nennen, mit dem romantischen[7] Zauber der Calderonischen oder auch anderer spanischen Schauspiele zu vergleichen, der wird kaum Worte[2] finden, um den Abstand dieses poetischen[1] Reichthums mit der Armuth unsrer Bühne und besonders mit jenem Wesen was uns auf derselben für Witz[1] gelten soll, auszudrücken. ➢ Volltext.
[143] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 483: So wie aber unter den protestantischen Ländern England in der Verfassung der geistlichen[2] Gewalt und in den äußern Gebräuchen und Einrichtungen noch am meisten von der alten[6] Kirche beybehielt, so blühte auch hier die Poesie[11] zuerst wieder in kunstreicher Gestalt und schöner[1] Bildung[10] empor und zwar ganz sich anschließend an die romantische[7] Weise der südlichen katholischen Völker[1]. Spenser, Shakspeare, Milton bestätigen dieß. Wie sehr Shakspeare das Romantische[7] der alten[6] Ritterzeit und auch die südlicheren Farben der Fantasie[20] in seinen Darstellungen liebte, darf nicht erst erinnert werden; Spenser ist selbst Ritterdichter, und er wie Milton folgten bestimmten romantischen[7], besonders italienischen Vorbildern. Je näher die Litteratur uns tritt, je reicher sie in den neuern[3] Zeiten[3] anwächst, je nothwendiger wird es mir, meine Betrachtung nur auf solche Dichter und Schriftsteller zu beschränken, welche den Gipfel der Sprache[3] und Geistesbildung einer Nation bezeichnen, und welche eben darum auch für das Ganze und für andre Nationen die wichtigsten und lehrreichsten sind. In der That aber erschöpfen jene drey größten Dichter, welche England hervorgebracht hat, auch Alles was in der ältern[1] Epoche ihrer Poesie[11], im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert merkwürdig und groß ist. ➢ Volltext.
[144] A. W. Schlegel/C. Schlegel, Rez. Schulz (1797), 219: Man kann, ohne im geringsten undeutsch zu werden, das Schleppende und Schwerfällige, Fehler, denen unsre Sprache[3] durch die Natur[1] ihrer Wortfügungen und Wortstellungen nur allzusehr ausgesezt ist, mit dem raschen, flüchtigen Tritte der Französischen Prosa[5] vertauschen. Nichts würde uns im Grunde mehr von den Vorzügen dieses Musters entfernen als Gallicismen; denn keine Nation wacht sorgfältiger über die charakteristische[4] Reinheit ihrer Sprache[3], und verbannt alles, was sich nicht mit ihrer allgemeinen Beschaffenheit in Harmonie setzen läßt, mit größerer Strenge daraus, als die Französische. Diese Klippe, auf die man bey dem Bestreben nach Annäherung so leicht geräth, hat Hr. S. [sc. Friedrich Schulz] mehrentheils glücklich vermieden. Selbst wo er ganz nach fremden[1] Erfindungen arbeitet, überträgt er weniger wörtlich, und erinnert seltner an ein Original, als die deutsche Treue, die sich sonst auch im Uebersetzen[1] bewährt, es mit sich bringt. Vielleicht ist es ihm eben dadurch besser gelungen, den Eindruck im Ganzen wieder zu geben, wozu in dieser Gattung die Ungezwungenheit sehr wesentlich mitgehört..
[145] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 78: Alle Begriffe[1], und nur Begriffe[1] sind es, welche Worte[1] bezeichnen, sind nur für die Vernunft da, gehn von ihr aus: man steht mit ihnen also schon auf einem einseitigen Standpunkt. Aber von einem solchen aus erscheint das Nähere deutlich und wird als positiv gesetzt; das Fernere fließt zusammen und wird bald nur noch negativ berücksichtigt; so nennt jede Nation alle Andern Fremde[1], der Grieche alle Andern Barbaren, der Gläubige alle Andern Ketzer, oder Heiden, der Adel[2] alle Andern roturiers, der Student alle Andern Philister u. dgl. m. ➢ Volltext.
[146] Chr. F. D. Schubart, Jud. (1789), 652: Den Juden[1] | geht jezt ein günstiges Gestirn nach dem andern auf. In Frankreich wird ihnen die Nazionalversammlung große Freiheiten[8] einräumen; in Preussen wird ihr Würkungskreis immer weiter, und unter Joseph dem Zweiten geniessen sie der höchsten Duldung. [...] Joseph [...] ertheilte [...] allen Juden[1] in seinem Reiche das Stadtrecht, wodurch sie Häuser und Herrschaften kaufen, verkaufen, Edelleute, Freiherren und Grafen, und sogar Landstände werden können, alle bürgerliche Gewerbe zu treiben befugt sind, und in Kriegs- und bürgerlichen Bedienungen angestellt werden sollen und müssen. Die Juden[1] verdienen diese hohe Vorrechte, denn schon lange genug haben sie geächzt unter dem Druke der Nazionen; und doch ist die heilige Wahrheit ausgegangen von ihnen auf uns. Ich hoffe, die Zeit[3] soll nahe seyn, wo Christen und Juden[1] so friedlich beieinander wohnen werden, wie das neue[3] und alte[1] Testament in den christlichen Bibeln; denen es ganz wohl ist – in Einem Bande..
[147] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 261: Es ist eine große Bemerkung, daß die Franzosen von den frühesten Zeiten[3] an die ersten waren, die es wagten, den Mollton zum herrschenden zu machen. Unstreitig ist dadurch mit die Nation zu jener Weichlichkeit herabgestimmt worden, welche alle Völker[1], so wie die französischen Weisen selbst so lange an dieser großen Nation ahndeten[3]. – Allgemein eingeführter Mollton schmelzt Männermark zu Brey und läßt Toilettenpuppen den Ton[6] angeben..
[148] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 208: Wenn diese Anmerkungen ihre Richtigkeit haben, so können daher die Gründe angegeben werden, warum ohne irgend einen Mangel an Genie, bis itzt noch so wenig deutsche Schriftsteller sich hervorgethan haben, von denen man vermuthen kann, daß sie, sowol bey der deutschen Nachwelt, als auch bey andern
[149] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 209: Daß überhaupt aller Orten mehr claßische Dichter, als andre claßische Schriftsteller erscheinen, läßt sich leicht begreifen. Die Einbildungskraft und die Empfindungen zeigen sich allemal früher, als der Verstand und der Beobachtungsgeist; also können sie in einer
[150] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 3: Es scheinet, daß Hr. Wieland bey Bekanntmachung seines Idris die Absicht gehabt, Deutschland ein Werk dieser Gattung [sc. des Abenteuerlichen3] zu liefern, das in seiner Art claßisch[3/4] werden sollte, so wie es der Orlando furioso des Ariost in Italien ist. Es fehlt in der That diesem Werk nicht an glänzenden poetischen[3] Schönheiten[1]; doch scheint etwas mehr, als dieses erfoderlich zu seyn, um ein Buch bey einer ganzen Nation claßisch[4] zu machen..
[151] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 208: Es scheinet, daß der Mensch ein gewisses Maas von Verstandeskräften habe, in die Beschaffenheit sittlicher Gegenstände einzudringen, welches er nicht überschreiten kann, und daß die besten Köpfe jeder
[152] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 276: Für einen Dichter von Genie[3], der den Menschen[6] sowol aus der Geschicht[5], als aus der täglichen Beobachtung kennen gelernt hat, ist die Materie zum Drama unerschöpflich. Aus der Geschichte[5] selbst stellen sich die größten oder die mächtigsten Männer dar, denen ganze Nationen ihr gutes oder schlechtes Schiksal zu verdanken haben. Er weiß sie wieder ins Leben zurük zu führen, uns fürs Gesichte zu stellen, und uns zu Zeugen ihrer merkwürdigsten Thaten zu machen, daß wir die grossen Seelen eines Themistokles, eines Alexanders, eines Cicero, und andrer claßischer[3] Männer, in ihren Reden und Handlungen[1] sich in unsrer Gegenwart entfalten sehen..
[153] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 289: Wer das Glük hat, von Jugend auf mit Menschen von feinerm Gefühl und einer edlern Lebensart umzugehen, dessen Geschmak wird allmählig zu dem edlern gebildet. Wer aber von dem Glük diese Wolthat nicht erhalten hat, der muß desto aufmerksamer das Genie[5] und den Geschmak der besten Werke der Kunst[2] alter[10] und neuer[5] Völker[1] studiren. Mit Vorbeygehung aller Schriftsteller und Künstler, die nur einen zufälligen Ruhm, aus irgend einem mechanischen Theil derselben, oder nur einen vorübergehenden Beyfall erhalten haben, muß er sich an die ersten und claßischen[3] Männer jeder Art halten; an die, die nicht blos bey ihrer Nation, sondern bey allen Völkern[1], wo der Geschmak aufgekommen ist, für die ersten in ihrer Art gehalten werden. Für junge, noch ungebildete Genie[4], wenn die Natur[2] sie nicht vorzüglich bedacht hat, ist es allemal gefährlich, gutes, mittelmäßiges und schlechtes durch einander zu lesen, oder zu sehen. Es gehört ein ausnehmendes Genie[3] dazu, sich nach schlechten Mustern zu bilden, und gut zu werden..
[154] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 1041: Unter einer Nation, die schon zu Empfindungen der wahren Ehre und zu einem gewissen Adel[5] des Charakters[1] gelanget ist, ist das Gepräg der Niederträchtigkeit, das man bisweilen tief in die Physionomie eingedrükt sieht, etwas sehr häßliches[1] [...]..
[155] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), X: Der Ritterstand verband damals alle Nationen in Europa, die Ritter reiseten aus dem fernsten Norden bis nach Spanien und Italien, die Kreuzzüge machten diesen Bund noch enger und veranlaßten ein wunderbares Verhältniß zwischen dem Orient und dem Abendlande[2]; vom Norden so wie vom Morgen her kamen Sagen, die sich mit den einheimischen vermischten, große Kriegsbegebenheiten, prächtige Hofhaltungen, Fürsten und Kayser, welche der Dichtkunst gewogen waren, eine triumfirende Kirche, die Helden kanonisirte, alle diese günstigen Umstände vereinigten sich, um dem freien unabhängigen Adel[2] und den wohlhabenden Bürgern ein glänzendes wunderbares Leben zu erschaffen [...]. ➢ Volltext.
[156] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XV: Der Reim wird aber nicht bloß auf eine so beschränkte Weise gebraucht, wie es diese Nationen [sc. Italiäner und Spanier] nachher fast zum Gesetz in der Poesie[3] gemacht haben. Ausserdem, daß er die einzelnen Verse beschließt und mit einander verknüpft, ist ihm noch ein ganz verschiedener Sinn[2] beigelegt, welcher den künstlichen Formen ein unendliches Feld eröffnet. Andre Reime werden nehmlich 〈XVI〉 noch oft in die Mitte gestellt, oder zu Anfang, oder gegen das Ende gehäuft, wodurch ein Gedicht in seinem Hauptverhältnisse und seiner Melodie noch viele andere Nebentöne bekommen kann, die im Liede zart und flüchtig, wie in einem leichten Elemente spielen, sich ganz darinne verliehren, und immer wieder von neuem hervortreten. Einem ungeübten Ohre[3] dürfte das schönste dieser Art nur als kindische Spielerei erscheinen, wo der feinere Sinn[5] die zartesten Laute der Sehnsucht vernimmt, die sich in Thränen und Schluchzen auflöst, anderswo wie ein klagendes Echo aus dem Gemüthe, oder das Rieseln eines muntern Baches, dessen Wellen freudig zusammenklingen. ➢ Volltext.
[157] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), 493 f. (494): Unter den Dichtern aber erreichte Racine in Sprach- und Verskunst eine harmonische Vol〈494〉lendung, wie sie nach meinem Gefühl weder Milton im Englischen, noch auch Virgil im Römischen haben, und die nachher in der französischen Sprache[3] nie wieder erreicht worden ist. Für das Ganze der Poesie[1] hätte man wohl wünschen mögen, daß für die Dichtersprache besonders, neben dieser kunstreichen Vollendung, auch etwas mehr Freyheit[9] übrig gelassen wäre; daß man die altfranzösische Poesie[11] der Ritterzeit, die doch so vieles Schöne[1] und Liebliche, in Erfindung und Sprache[3] hervorgebracht, nicht so ganz unbedingt und ohne Ausnahme verworfen, verachtet und vergessen hätte. Man hätte immer, wie ja auch von den Italienern und andern Nationen geschehen war, einen kunstreichern und ernstern Styl mit dem dichterischen Geist[12] der Ritterzeit verbinden können. Die französische Poesie[1] und die Sprache[3] würde dann etwas mehr von jenem romantischen[2/7] Schwunge und jener alten[6] Dichter-Freyheit[9] erhalten haben, die ihr Voltaire so oft zurück wünscht, und die er ihr auch obwohl zu spät und nur mit halbem Gelingen zum Theil wieder zu geben suchte. ➢ Volltext.
[158] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 121 f. (122): Als Albrecht [Dürer] den Pinsel führte, da war der Deutsche auf dem Völkerschauplatz unsers Welttheils noch ein eigenthümlicher und ausgezeichneter Charakter[6] von festem Bestand; und seinen Bildern ist nicht nur in Gesichtsbildung und im ganzen Äußeren, 〈122〉 sondern auch im inneren Geiste[12], dieses ernsthafte, grade und kräftige Wesen des deutschen Charakters[2] treu und deutlich eingeprägt. In unsern Zeiten[3] ist dieser festbestimmte deutsche Charakter[2], und eben so die deutsche Kunst[4], verloren gegangen. Der junge Deutsche lernt die Sprachen[3] aller Völker[1] Europa's, und soll prüfend und richtend aus dem Geiste[10] aller Nationen Nahrung ziehen; – und der Schüler der Kunst[4] wird belehrt, wie er den Ausdruck Raphaels, und die Farben der venezianischen Schule, und die Wahrheit der Niederländer, und das Zauberlicht des Correggio, alles zusammen nachahmen, und auf diesem Wege zur alles übertreffenden Vollkommenheit gelangen solle. – O traurige Afterweisheit! O blinder Glaube des Zeitalters, daß man jede Art der Schönheit[1], und jedes Vorzügliche aller großen Künstler der Erde, zusammen〈123〉setzen, und durch das Betrachten aller, und das Erbetteln von ihren mannigfachen großen Gaben, ihrer aller Geist[20] in sich vereinigen, und sie alle besiegen könne! ➢ Volltext.
[159] Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 161 u. 163: Wem eine so schnelle und große Veränderung zuzuschreiben sey, ist unter den Franzosen selbst keine Frage. Die ganze Nation ist nur Eine Stimme[6], sie [ist] nicht der Pracht des Hofes unter Ludwig XIV. nicht dem Weinbau, Seidenbau, den Manufacturen, und der Handlung, die damals in Frankreich blüheten, nicht dem Zusammenfluß glüklicher Umstände, welche sich zum glänzendsten Wohlstande des Französischen Reichs in der ersten Hälfte der Regierung jenes großen Königs vereinigten – sondern den Arnaud, Pascal, Bourdaloue, Fenelon, Bossuet, La Brüyere, 〈162〉 u. a. unter den Prosaisten, und den Corneille, Racine, Moliere, Boileau und La Fontaine unter den Dichtern, zuzuschreiben, welche sich, nach des Schiksals Schluß, zusammen fanden, und durch ihre Werke die goldne Epoke der französischen Litteratur hervorbrachten. Und wodurch wurden alle diese Männer die Classischen[3/4] Schriftsteller ihres Volkes[1], und die Muster der besten Schreibart? Etwa dadurch, daß sie sich nach dem Geschmacke der obern Classen[2] in Paris bildeten, und die Sprache[3] schrieben, welche jene redeten? Pascal, dessen Lettres Provinciales bis auf diesen Tag für das vollkommenste Muster der schönsten französischen Sprache[3] und Schreibart gelten, hatte von Jugend auf in einer großen Abgeschiedenheit gelebt, und zu seiner Zeit war die Clelie, der große Cyrus und andre Werke dieser Art noch die Mode-Lecture der obern Classen[2] in Paris. Der große Corneille war nichts weniger als was man einen Weltmann nennt; er lebte in seinem Cabinet und im Schooße seiner Familie; mit den hohen Charaktern[6] und Idealen des alten[10] Roms und Griechenlandes besser bekannt als mit dem Adel[2] und dem vornehmen Bürgerstande zu Paris. Mit welchem Grunde sollte man also von diesen und den übrigen großen Schriftstellern der schönsten Zeit Ludwigs des XIV. sagen können: daß sie den guten Geschmack, der ihnen vor ihren Vorgängern einen so großen Vorzug giebt, von ihren Zeitgenossen erhalten hätten? anstatt daß alle Welt bißher gerade das Gegentheil ge〈163〉glaubt hat. Freylich reden die ersten guten Schriftsteller eines Volks[1] keine unerhörte selbst erfundene Sprache[3]; und ihre vortreflichen Werke setzen voraus, daß die Sprache[3], schon durch eine Menge Stufen nach und nach zu einem großen Reichthum an Worten und Redensarten, und selbst zu einigem Grade von Ausbildung und Politur gekommen sey. Viele gute Schriftsteller mußten vorher an der Französischen Sprache[3] gearbeitet haben, ehe sie von den Besten der Vollkommenheit nahe gebracht werden konnte. Aber wodurch thaten diese leztern es in allen Schrift-Arten ihren Vorgängern so sehr zuvor? Etwa dadurch, daß sie ihren Geschmack nach den obern Classen[2] ihrer Nation, oder dadurch, daß sie ihn nach den besten Mustern der Alten bildeten? Man braucht sie nur zu lesen, nur ihr eignes Geständniß zu hören, um von dem leztern überzeugt zu werden. Die Calpreneden, die Boyers, Pradons u. s. w. diese waren die Leute, die sich nach dem Geschmack ihres Publikums richteten, und dadurch die vergängliche Ehre eines augenbliklichen Beyfalls erschlichen: aber die Corneille und Racine schlugen einen ganz andern Weg ein; sie erhoben sich durch ihren mit der reinsten Blüthe Classischer[7] Gelehrsamkeit genährten Genie, durch einen Geschmak, den sie sowohl an den vollkommnen Mustern der Alten als an den fehlerhaften Werken ihrer Vorgänger und Zeitgenossen geschärft hatten, über den Geschmak ihres Publikums; wurden die Gesezgeber 〈164〉 desselben, anstatt seine Sklaven zu seyn. ➢ Volltext.
[2] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 291: Der Consul, [...] Ein Beamter, den in unsern Zeiten handelnde Staaten in fremde[1] Länder oder Städte schicken wo sich viele Kaufleute ihrer Nation aufhalten, um über sie 〈292〉 die Aufsicht zu führen, und für ihr Bestes zu sorgen.
[3] Brockhaus, Conv.-Lex. VII (1809), 290: Der Dialect[1] (a. d. Griech.) heißt die Mundart[1], die Aussprache der Wörter[1] nach Verschiedenheit der Nationen.
[4] Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 43: Zwar aßen die klassischen
Nazionen
, [...] die Griechen und Römer, noch später, als die Engländer.[5] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 14 f. (15): De la Condamine sagt von 〈15〉 einer kleinen Nation am Amazonenfluß: „ein Theil von ihren Wörtern[1] könnte nicht, auch nicht einmal sehr unvollständig geschrieben werden. Man müste wenigstens neun oder zehn Sylben dazu gebrauchen, wo sie in der Aussprache kaum drei auszusprechen scheinen.“ ➢ Volltext
[6] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 158: Man ist gewohnt, die Nationen der Erde in Jäger, Fischer, Hirten und Ackerleute abzutheilen und nach dieser Abtheilung nicht nur den Rang derselben in der Cultur[4], sondern auch die Cultur[4] selbst als eine nothwendige Folge dieser oder jener Le〈159〉bensweise zu bestimmen.
[7] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 230 f. (231): Auch die Etrusker also wurden bald von mehreren Völkern[1] be〈231〉dränget; und da sie mehr ein handelndes als ein kriegerisches Volk[1] waren: so mußte selbst ihre gebildetere Kriegskunst beinahe jedem neuen Anfall wilderer Nationen weichen.
[8] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 128: Wenn von der französischen oder deutschen Nation dereinst nichts, als arme Landleute übrig wären, würde man es in ihren Gesichtszügen lesen können, daß sie Völkern[1] angehört haben, die einen Descartes, Clairaut, Keppler und Leibnitz hervorgebracht haben?
[9] W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 268 f.: Bei den Griechen zeigt sich aber ein doppeltes, äusserst merkwürdiges, und vielleicht in der Geschichte einziges Phänomen. Als sie noch sehr viele Spuren der Rohheit anfangender Nationen verriethen, besassen sie schon eine überaus grosse Empfänglichkeit für jede Schönheit der Natur[2] und der Kunst[10], einen feingebildeten Takt, und einen richtigen Geschmack, nicht der Kritik[2], aber der Empfindung, und finden sich Instanzen gegen diesen Takt und diesen Geschmak so ist wenigstens jene Reizbarkeit und Empfänglichkeit unläugbar; und wiederum als die Kultur[4] schon auf einen sehr hohen Grad gestiegen war, er〈269〉hielt sich dennoch eine Einfachheit des Sinns[5] und Geschmaks, den man sonst nur in der Jugend der Nationen antrift. Die Entwikklung der Ursachen hievon gehört nicht hieher. Genug das Phänomen ist da.
[10] Maimon, Lebensgesch. I (1792), 3 f. (4): Zwey Brüder aus Gallizien, wo die Juden[1] viel verschlagener als in Litthauen sind, nahmen unter dem Namen Dersawzes oder Generalpächter, alle Güter des Fürsten Radzivil in Pacht, und setzten diese Güter durch mehr als gewöhnliche Thätigkeit, und bessere Oekonomie, nicht nur in bessern Stand, sondern bereicherten auch sich selbst in kurzer Zeit[6]. | Sie erhöheten die Pächte, ohne sich an das Geschrei ihrer Mitbrüder zu kehren, und ließen die Pachtgelder von ihren Unterpächtern mit aller Strenge abfordern [...] 〈4〉 [...] und wo sie einen Pächter fanden, der [...] den ganzen Tag im Müßiggange zubrachte und von Branntwein betrunken auf dem Ofen lag, so ließen sie ihn herunterbringen und durch Peitschen aus seiner Lethargie aufwecken; welches Verfahren den Herren Generalpächtern bey ihrer Nation den Namen der Tirannen erworben hat.
[11] Novalis, Über Goethe (*1798), NS 2, 641, Nr. 445: [W]ir können sichre Rechnung machen, daß unter uns die herrlichsten Kunstwercke[2] entstehn werden, denn in energischer Universalitaet kann keine Nation gegen uns auftreten.
[12] Schelling, Würzb. Syst. (!1804), SW I, 6, 572: Mythologie ist nicht in der Einzelheit möglich, kann nur aus der Totalität einer Nation, die sich als solche zugleich als Identität – als Individuum verhält, geboren werden.
[13] Schiller, Goldon. Mem. (1788), NA 22, 242 f. (243): Daß in der Konversationssprache sein Ton oft in das Gesuchte fällt, scheint der Übersetzer selbst gefühlt zu haben, und er sucht diesen Vorwurf der deutschen Sprache[3] überhaupt zuzuwälzen, die sich nicht wohl anders, wie er sagt, von dem Extrem des Platten soll entfernen können als durch das entgegengesetzte Extrem des Künstlichen. Da Hr. Schatz es wohl schwerlich mit so vielen unsrer klassischen[3] Schriftsteller wird aufnehmen wollen, die von der deutschen edlern Gesellschaftssprache Muster geliefert haben, so kann sich dieser Vorwurf nicht 〈243〉 wohl weiter als auf den Kreis des Umgangs erstrecken, den er selbst beobachtet hat; und wenn ihm dieser zwischen Platt und Gesucht keinen Mittelweg zeigte, so war es immer ein wenig rasch, dieses Urteil auf seine ganze Nation auszudehnen.
[14] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 266: Es giebt [...] in der menschlichen Schönheit[1] etwas allgemein geltendes, wenn es schon von jenen manierirt gebildeten Nationen nicht anerkannt wird; das darf uns nicht irren, machen es doch die Manieristen in der Kunst[4] mit dem einfachen Style der großen Meister eben so. Es begreift sich, daß Nationen die aus einer solchen einseitigen, ihnen von der Natur[2] aufgezwungnen National-Physiognomie nicht heraus können, in der bildenden Kunst[2], deren höchster Gegenstand die menschliche Gestalt ist, keine sonderlichen Fortschritte haben machen mögen, auch gar keine Anmuthung dazu haben; wie hingegen dieselbe, unter einer von dieser Seite so einzig begünstigten Nation, wie die Griechen waren, ganz vorzugsweise gedeihen mußte.
[15] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 78: Deutschland, als die Mutter der Reformation, hat auch an sich selbst die schlimmsten Wirkungen von ihr erfahren: [Es ist] in zwei Nationen, die nördliche und südliche geschieden, die ohne Zuneigung und Harmonie von einander nicht wissen, und sich hinderlich fallen, statt gemeinschaftlich herrliche Erscheinungen des Geistes[11] hervorzurufen [...]. ➢ Volltext
[16] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 210: Überhaupt darf man die damalige Leibeigenschaft nicht nach dem messen, was sie in den neueren[3] Zeiten[3] besonders in solchen Ländern geworden, wo der Adel[2] aus Deutschen Eroberern bestand, die Unterthanen aber Slawischen Stammes waren. Gegen diese Nation haben die Deutschen immer, vielleicht nicht mit Unrecht, eine große Verachtung gehabt; daß sie von Natur[1] zur Sclaverey bestimmt war, beweist der Zustand der Bauern in Polen und Rußland, wo der Adel[2] von derselben Abkunft ist, und es jenen doch eigentlich nicht besser ergeht, als in den durch Deutsche eroberten Slawischen Ländern.
[17] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 19: Shakspeare ist der Stolz seiner Nation. ➢ Volltext
[18] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 72 f. (73), Nr. 131: Die klass.[ischen][7] Metra können absolut nicht nachgemacht werden in den progr.[essiven][5] Sprachen[3]. – In den Neuern[3] hat die Stammsilbe oft forte und im Maaß vertritt s.[ie] die Länge, und eine andere hat die Höhe, den Akzent. Wir zählen 〈73〉 auch im Sprechen die Sylben; die Engl.[änder] schmeißen sie hastig hin. Südl.[iche] und klass.[ische][7] Nazionen mahlen sie ruhig, lassen jedem Klang s.[ein] Recht widerfahren. Hievon liegt der Grund gewiß sehr tief. 〈[...] Das klassische[7/5] Sprechen ist gleichsam ein ruhiges um s.[einer] selbst willen. Das Progr.[essive][5/3] eilt nach einem Ziel.〉
[19] F. Schlegel, Gedanken (*1808–09), KFSA 19, 288, Nr. 188: Vier deutsche Nationen giebt es – Niederländer, Sachsen, Schwaben und Oesterreicher. – [...] Die Bayern sind bloß falsche und abtrünnige Oesterreicher. Diese und die Niederländer sind die allgemeinen Deutschen – Sachsen und Schwaben besondre Nationen.
[20] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (21793), 1289 f.: Vielleicht wich schon die Römische Bauersprache in dem Laute des C ab, doch das ist nur eine Muthmaßung; das aber ist gewiß, daß die Aussprache dieses Buchstabens[7] sehr verderbt wurde, als Italien von fremden[1] Nationen überschwemmt wurde, oder auch, als die Römische Sprache[3] die Hof- und gelehrte 〈1290〉 Sprache[3] so vieler fremden[1] Völker[1] wurde, die nunmehr anfingen, dem c vor dem ä, e, i, ö, ü, y, ihren Zischlaut unterzuschieben..
[21] A. v. Arnim, Kronenwächt. I (1817), RuE 1, 634 f. (635): Der Kaiser steht hoch über der Zeit[5], er hat die Welt kennen gelernt, hat sich wie eine Erdbeerpflanze an zehn Stellen eingewurzelt, in Spanien, Portugal, Ungarn, Böhmen, und das alles, um sich gegen dies unser verwirrtes, übermächtiges, deutsches Adelsvolk und die Menge kleiner Fürsten zu sichern; es geht jetzt ins Große, der Adel[2] denkt nur ans Kleine, verachtet den Handel, statt ihn zu nutzen, verachtet das neue Kriegswesen und kann doch mit seiner Art nur bei kleinen Zügen etwas wirken; 〈635〉 es möchte noch jeder als Mensch[1] bestehen, während die Geschichte[1] alles zu Nationen zusammenfegt. .
[22] A. v. Arnim, Majorats-Herren (1820), 52: Kaum antwortete sie [...], so stand da ein langer finsterer Engländer vor ihr, mit der Art, Freiheit[13] und Anstand, die sie damals vor allen Nationen in Europa auszeichnete..
[23] Börne, Aph. u. Misz. (1829), SS 2, 280 f. (281): Die Juden[1] schelten sie [sc. Türken] immer noch 〈281〉 Hunde, obzwar diese jetzt fast mehr sind als Menschen[1] und zum Adel[4] der Nation gehören..
[24] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 10: Herr Büsch [...] nennt Activhandel den Handel eines Volks[1], das denselben durch sich selbst betreibt, bei den Fremden[1] beides, als Käufer und Verkäufer, erscheint, oder seine Waren andern Nationen selbst zuführt und deren Waren von ihnen hohlt; Passivhandel hingegen ist ihm derjenige, da ein Volk[1] den fremden[1] Käufer und Verkäufer bei sich erwartet..
[25] Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 138: Ueberhaupt ist Originalität, auch in sittlicher Hinsicht, ein Hauptzug des Englischen Charakters[1]; und sie scheint eben so sehr eine Folge der Englischen Freiheitsliebe als der Liebe zum Sonderbaren zu sein. Hierbei ist der Engländer offen, leidenschaftlich, standhaft, vorzüglich aber eingenommen für seine Nation und wider alle Fremden[1]..
[26] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 47: Dieß sind die wichtigsten Schriften dieses Dichters, dem mit Recht eine Stelle unter den vorzüglichsten Lyrikern unserer
Nation
gebührt. Eine correcte und classische Schreibart, ein harmonischer Versbau, ein volltönender Numerus, Zierlichkeit und Würde des Vortrags, Schönheit in der Wahl und Ausführung der Ideen, der ausgebildetste und geläutertste Geschmack und die glücklichste Nachahmung jener Vorzüge, die wir bei den Alten bewundern, erheben seine Originale und Uebersetzungen zu Meisterwerken..[27] Brockhaus, Conv.-Lex. VIII (1811), 52: Einen traurigen Beleg zu der Behauptung, daß der Mensch[1] sogar unter das Thier[1] sinken kann, das beim höchsten Hunger Geschöpfe seiner eignen Gattung zur Nahrung wählet, liefern die Nachrichten älterer[10] und neuerer[5] glaubwürdiger Schriftsteller über Menschenfressende Nationen und einzelne Menschenfresser..
[28] Ehrmann, Amalie (1788), 86 f. (87): Eine hiesige [sc. italienische] Opernsängerin ist so 〈87〉 sehr Maschine, daß sie sich blos hinter der Gardine hören lassen muß, wenn sie nicht will, daß fast alle Sinnen[4] des Zuschauers, außer dem Gehör, ihre Ankläger werden. – Was kümmert mich eine helle Kehle, wenn ihre Besizzerin nicht die Kunst[6] versteht, die Töne durch Seelen-Affekt in mein Herz zu gießen? – Ein bloses musikalisches[1] Instrument[1] thut mehr Wirkung auf die Empfindung der Zuhörer, weil das Auge dabei keine Foderung machen darf. – Ich höre hier allen Opernsängerinnen mit geschlossenen Augen zu, um mir den Aerger über ihre hölzerne Geschmaklosigkeit zu ersparen. – Schade ist es für eine so feurige Nazion, daß ihr die noch nöthige Kultur[3] fehlt; sie könnte große Fortschritte in der Schauspielkunst machen, wenn sie durch Lektur und gute Anleitung geführt würde. .
[29] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 192: Vorherrschende Toleranz der Juden[1] in Staaten, wo für Selbstdenker keine Toleranz ist, zeigt sonnenklar, worauf eigentlich abgesehen wird. [...] Ich will nicht etwa sagen, daß man die Juden[1] um ihres Glaubens willen verfolgen solle, sondern daß man überhaupt Niemand deswegen verfolgen solle. | Ich weiß, daß man vor verschiedenen gelehrten Tribunalen eher die ganze Sittlichkeit und ihr heiligstes Produkt, die Religion[1], angreifen darf, als die jüdische Nation. Denen sage ich, daß mich nie ein Jude[1] betrog, weil ich mich nie mit einem einließ, daß ich mehrmals Juden[1], die man neckte, mit eigner Gefahr und zu eignem Nachtheil in Schutz genommen habe, daß also nicht Privatanimosität aus mir redet..
[30] Fichte, Grundzg. d. Zeitalt. (1806), SW 7, 97 f.: Bei den beiden klassischen[3; 6?] Nationen unter den Alten, die wir näher kennen, den Griechen und Römern, wurde um vieles weniger geschrieben und gelesen, als bei uns, dagegen weit mehr gehört und Unterredung gepflogen. Fast alle ihre Schriften waren zuerst mündlich vorgetragen, 〈98〉 und darum ein Abbild gehaltener Rede für diejenigen, welche der Rede selbst nicht hatten beiwohnen können: und, unter anderen, auch aus diesem Umstande entsteht der grosse Vorzug, den die Alten im Stile vor den meisten neueren haben, indem der letzteren Schriften etwas für sich zu bedeuten begehren, und ihnen das Correctiv der lebendigen Rede grösstentheils abgeht..
[31] Fischer, Honigm. I (1802), 35: Achtung der Weiber war immer der richtigste Maasstab für die Cultur[4/3] einer Nation..
[32] G. Forster, Ansichten II (1791), W 2, 800: [I]n den Gelenken unserer Gastwirthe [ist] eine natürliche[3] Steifigkeit, die sich nur durch die Zauberkraft einer Equipage mit Sechsen, oder eines adlichen Wapenschildes vertreiben läßt. Die Huldigung, die sie dem Reichthum leisten, möchte man ihnen noch verzeihen: sie hat wenigstens einen Gegenstand; allein die Furcht vor der privilegirten Klasse[2] der Nation ist ein Schandfleck von angestammter Niederträchtigkeit, der die menschliche Natur[1] entehrt, am meisten da, wo der Adel[2] durch keinen Zügel, weder durch Eigennutz, noch durch Begriffe[1] von Ehre und Schande, sich gehalten fühlt, mithin, weil er die oberste Stelle ohne sein Verdienst besitzt, dem eigenthümlichen Werthe nach auf die allerunterste Stufe hinabgesunken ist, und die Verachtung aller übrigen, die alle besser und edler sind als er, in vollem Maße verdient..
[33] Goethe, Litt. Sanscül. (1795), 51 f.: Wer mit den Worten[1], deren er sich im Sprechen oder Schreiben bedient, bestimmte Begriffe[1] zu verbinden für eine unerläßliche Pflicht hält, wird die Ausdrücke: classischer[3] Autor, classisches[3] Werk höchst selten gebrauchen. Wann und wo entsteht ein classischer[3] Nationalautor? Wenn er in der Geschichte[3] seiner Nation große Begebenheiten und ihre Folgen in einer glücklichen und bedeutenden Einheit vorfindet; wenn er in den Gesinnun〈52〉gen seiner Landsleute Größe, in ihren Empfindungen Tiefe und in ihren Handlungen[1] Stärke und Consequenz nicht vermißt; wenn er selbst, vom Nationalgeiste durchdrungen, durch ein einwohnendes Genie[2] sich fähig fühlt, mit dem Vergangnen wie mit dem Gegenwärtigen zu sympathisiren; wenn er seine Nation auf einem hohen Grade der Kultur[4] findet, so daß ihm seine eigene Bildung[2] leicht wird; wenn er viele Materialien gesammelt, vollkommene oder unvollkommene Versuche seiner Vorgänger vor sich sieht, und so viel äußere und innere Umstände zusammentreffen, daß er kein schweres Lehrgeld zu zahlen braucht, daß er in den besten Jahren seines Lebens ein großes Werk zu übersehen, zu ordnen und in Einem Sinne[10] auszuführen fähig ist. ➢ Volltext.
[34] Goethe, Litt. Sanscül. (1795), 52 f.: Man halte diese Bedingungen, unter denen allein ein classischer[3] Schriftsteller, besonders ein prosaischer[1] möglich wird, gegen die Umstände, unter denen die besten Deutschen[1] dieses Jahrhunderts gearbeitet haben, so wird, wer klar sieht und billig denkt, dasjenige, was ihnen gelungen ist, mit Ehrfurcht bewundern und das was ihnen mißlang anständig bedauern. | Eine bedeutende Schrift ist, wie eine bedeutende Rede, nur Folge des Lebens; der Schriftsteller so wenig als der handelnde Mensch[1] bildet die Umstände, unter denen er gebohren wird und unter denen er wirkt. Jeder, auch das größte Genie[4], leidet von seinem Jahrhundert in einigen Stücken, wie er von andern Vortheil zieht, und einen vortrefflichen Nationalschriftsteller kann man nur von der Nation fordern. | 〈53〉 Aber auch der deutschen[1] Nation darf es nicht zum Vorwurfe gereichen, daß ihre geographische Lage sie eng zusammen hält, indem ihre politische sie zerstückelt. Wir wollen die Umwälzungen nicht wünschen, die in Deutschland classische[3] Werke vorbereiten könnten. ➢ Volltext.
[35] Goethe, Rez. Hebel [Allem. Ged.] (1805), WA I, 40, 304: Vielleicht könnte man sogar dem Verfasser zu bedenken geben, daß, wie es für eine Nation ein Hauptschritt zur Cultur[4] ist, wenn sie fremde Werke in ihre Sprache[3] übersetzt, es eben so ein Schritt zur Cultur[4] der einzelnen Provinz sein muß, wenn man ihr Werke derselben Nation in ihrem eigenen Dialekt[1] zu lesen gibt. Versuche doch der Verfasser aus dem sogenannten Hochdeutschen schickliche Gedichte in seinen oberrheinischen Dialekt[1] zu übersetzen. Haben doch die Italiäner ihren Tasso in mehrere Dialekte[1] übersetzt..
[36] Goethe, Not. u. Abhdlg. (1829), WA I, 7, 219: Bei der Mittheilung seiner Einsichten [...] findet er [sc. William Jones] manche Schwierigkeit, vorzüglich stellt sich ihm die Vorliebe seiner
Nation
für alte classische[
4]
Literatur entgegen, und wenn man ihn genau beobachtet, so wird man leicht gewahr, daß er, als ein kluger Mann, das Unbekannte an's Bekannte, das Schätzenswerthe an das Geschätzte anzuschließen sucht; er verschleiert seine Vorliebe für asiatische Dichtkunst und gibt mit gewandter Bescheidenheit meistens solche Beispiele, die er lateinischen und griechischen hochbelobten Gedichten gar wohl an die Seite stellen darf, um die anmuthigen Zartheiten des Orients auch Classicisten eingänglich zu machen..[37] Grosse, Genius II (1792), 98 f. (99): Er hatte auf 〈99〉 großen und anhaltenden Reisen das Gute und Schöne[1] fast aller Nationen gesammelt, um es in sich zu vereinigen: er sprach viele ihrer Sprachen[3] vollkommen, und verstand das Angenehme und Allgemeine noch mehrerer ihrer Wissenschaften[2]. Ganz Beobachter, ganz Gelehrter, ganz Hofmann, konnte er verbergen und zeigen, was er nur wollte..
[38] v. d. Hagen, Vorr. Nibel. (1810), XIII: Unter diesen Umständen bleibt hier für eine kritische[4] Ausgabe nichts anderes übrig, als die älteste[1] Handschrift, welche die stärkste Vermuthung der Ursprünglichkeit für sich hat, zum Grunde zu legen. Solches ist denn auch bei den Nibelungen geschehen und im Ganzen die Hohen Emser Handschrift für die älteste[1] und ächteste angenommen; die anderen, und für jetzo besonders die Münchener, sind jedoch stark zu Rathe gezogen: einmal, weil sie gewiß nicht viel jünger sind, und dann, weil das Nibelungen Lied, gleich dem edlem Golde, durch sich selber und seine eigene Trefflichkeit, sich viel reiner erhalten hat, als viele andere Werke jener Zeit, und namentlich die meisten der noch übrigen Nazionalgedichte. Der eigene Umstand, daß es, eben so unbegreiflich als unverantwortlich, bald nach seiner herrlichen Erscheinung in der jetzigen Gestalt, bis in die neueste[3] Zeit[3], fast gänzlich verschollen und vergessen war, ist, wiewohl für das Deutsche Volk[1] ein nicht zu berechnender Verlust, doch für das Gedicht selbst als ein Glück zu achten, indem es dadurch der besonders verderblichen Hand der späteren Abschreiber entzogen, und so wahrscheinlich der Untergang der guten alten[1] Handschriften verhindert wurde..
[39] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 405: So konnte denn ein neuer[1] Hauch und Geist[12] in die epische Poesie[1] nur durch die Weltanschauung und den religiösen Glauben, die Thaten und Schicksale neuer[1] Völkerschaften hereinkommen. Dieß ist bei den Germanen sowohl in ihrer heidnischen Ursprünglichkeit als auch nach ihrer Umwandlung durch das Christenthum, sowie bei den romanischen[2] Nationen in um so reicherer Weise der Fall, je weiter die Verzweigung dieser Völkergruppen wird, und in je mannigfaltigeren[1] Stufenfolgen sich das Prinzip der christlichen Weltanschauung und Wirklichkeit entfaltet. ➢ Volltext; vgl. [40].
[40] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 473: Wie in die epische Poesie[1] kommt [...] auch in die Lyrik ein ursprünglicher Gehalt und Geist[12] erst durch das Auftreten neuer[1] Nationen hinein. Dieß ist bei den germanischen, romanischen[2] und slawischen Völkerschaften der Fall, welche bereits in ihrer heidnischen Vorzeit, hauptsächlich aber nach ihrer Bekehrung zum Christenthume, sowohl im Mittelalter als auch in den letzten Jahrhunderten, eine dritte Hauptrichtung der Lyrik im allgemeinen Charakter[4] der romantischen[9] Kunstform immer mannigfacher und reichhaltiger ausbilden. ➢ Volltext; vgl. [39].
[41] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 473: Dieses Herüberneigen [der Epik] zur lyrischen Auffassung findet seinen wesentlichen Grund darin, daß sich das gesammte Leben dieser Nationen aus dem Princip der Subjektivität entwickelt [...] und sich dieser subjektiven Vertiefung in sich mehr und mehr bewußt wird. Am ungetrübtesten und vollständigsten bleibt dieß Princip bei den 〈474〉 germanischen Stämmen wirksam, während sich die slawischen umgekehrt aus der orientalischen[1] Versenkung in das Substantielle und Allgemeine erst herauszuringen haben. In der Mitte stehn die romanischen[2] Völker[1], welche in den eroberten Provinzen des römischen Reichs nicht nur die Reste römischer Kenntnisse und Bildung[5] überhaupt, sondern nach allen Seiten hin ausgearbeitete Zustände und Verhältnisse vor sich finden, und, indem sie sich damit verschmelzen, einen Theil ihrer ursprünglichen Natur[1] dahingeben müssen. ➢ Volltext.
[42] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 478: Klopstock [steht] groß im Sinne[1] der Nation, der Freiheit[6], Freundschaft, Liebe und protestantischen Festigkeit da, verehrungswerth in seinem Adel[5] der Seele und Poesie[3], in seinem Streben und Vollbringen, und wenn er auch nach manchen Seiten hin in der Beschränktheit seiner Zeit[5] befangen blieb, und viele bloß kritische[3/4?], grammatische und metrische, kalte Oden gedichtet hat, so ist doch seitdem, Schiller ausgenommen, keine in ernster männlicher Gesinnung so unabhängige edle Gestalt wieder aufgetreten. ➢ Volltext.
[43] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 502: So sind z. B. Tieck und die Herrn Schlegel's, die, in ihrer ironischen[3] Absichtlichkeit, des Gemüthes und Geistes[14] ihrer Nation und Zeit[5] nicht mächtig werden konnten, hauptsächlich gegen Schiller losgezogen, und haben ihn schlecht gemacht, weil er für uns Deutsche den rechten Ton getroffen hatte, und am populärsten geworden war. ➢ Volltext.
[44] Herder, Journ. m. Reise (*1769–70), SW 4, 424 f. (425): Derselbe Geist[12] der Monarchischen Sitten, den Montesquieu 〈425〉 an seiner Person so augenscheinlich malt, herrscht auch in ihrer Sprache[3]. Tugend, innere Stärke, hat diese wenig, wie die Nation; man macht mit dem Kleinsten das Größeste was man kann, wie eine Maschine durch ein Triebrad regiert wird. Nationalstärke, Eigenheit, die an ihrem Boden klebt, Originalität hat sie nicht so viel; aber das was Ehre auch hier heißt, das Vorurtheil jeder Person und jedes Buchs und jedes Worts[2] ist Hauptsache. Ein gewißer Adel[5] in Gedanken, eine gewisse Freiheit[15] im Ausdruck, eine Politeße in der Manier der Worte[1] und in der Wendung: das ist das Gepräge der Französischen Sprache[3], wie ihrer Sitten. .
[45] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 124: Die Kirchensprache der Rußischen Nation ist meistens Griechisch[5]: die christlichen Begriffe[4] der Letten sind deutsche Worte[1], oder deutsche Begriffe[4] lettisirt. ➢ Volltext.
[46] Herder, Philos. Gesch. Bild. (1774), 38: Ich glaube, der Stand, in den ich Griechenland stelle, trägt auch bei, „den ewigen Streit über die Originalität der Griechen oder ihre Nachahmung fremder[1] Nationen“ etwas zu entwirren: man hätte sich wie überall, also auch hier, lange vereinigt, hätte man sich nur besser verstanden. Daß Griechenland Samenkörner der Kultur[4], Sprache[3], Künste[2] und Wissenschaften[2] anderswoher erhalten, ist, dünkt mich, unläugbar, und es kann bey einigen, Bildhauerey, Baukunst, Mythologie, Litteratur, offenbar gezeigt werden..
[47] Herder, Engl. u. dt. Dichtk. (1777), 427: Wäre Bodmer ein Abt Millot, der den Säklenfleiß seines Cürne de St. Palaye in einer
histoire literaire des Troubadours
nach gefälligstem Auszuge hat verwandeln wollen; vielleicht wäre er weiter umher gekommen, als izt, da er den Schaz selbst gab und uns zutraute, daß wir uns nach dem Bissen schwäbischer [›mittelhochdeutscher‹]
Sprache leicht hinauf bemühen würden. Er hat sich geirrt: wir sollen von unsrer klassischen Sprache weg, sollen noch ein ander Deutsch lernen, um einige Liebesdichter zu lesen – das ist zu viel! Und so sind diese Gedichte nur etwa durch den Einigen Gleim in Nachbildung, wenig andre durch Uebersezung recht unter die Nazion
gekommen: Der Schaz 〈428〉
➢ Volltext
.[48] Herder, Engl. u. dt. Dichtk. (1777), 429: Wer sich nun noch ums rohe Volk bekümmern wollte, um ihre Grundsuppe von Mährchen, Vorurtheilen, Liedern, rauher Sprache: welch ein Barbar wäre er! Er käme, unsre klassische, sylbenzählende Literatur zu beschmizen, wie eine Nachteule unter die schönen, buntgekleideten, singenden Gefieder! – | Und doch bleibts immer und ewig, daß der Theil von Litteratur, der sich aufs Volk beziehet, volksmäßig seyn muß, oder er ist klassische Luftblase. Doch bleibts immer und ewig, daß wenn wir kein Volk haben, wir kein Publikum, keine
Nazion
, keine Sprache und Dichtkunst haben, die unser sey, die in uns lebe und wirke. Da schreiben wir denn nun ewig für Stubengelehrte und ekle Rezensenten, aus deren Munde und Magen wirs denn zurück empfangen, machen Romanzen, Oden, Heldengedichte, Kirchen- und Küchenlieder, wie sie niemand versteht, niemand will, niemand fühlet. Unsre klassische Literatur ist Paradiesvogel, so bunt, so artig, ganz Flug, ganz Höhe und – ohne Fuß auf die deutsche Erde. ➢ Volltext
.[49] Herder, Engl. u. dt. Dichtk. (1777), 430: [W]ir müssen Hand anlegen, aufnehmen, suchen
[sc. ältere deutsche Literatur]
, ehe wir Alle klassisch[8] gebildet dastehn, französische Lieder singen, wie französische Menuets tanzen, oder gar allesamt Hexameter und horazische Oden schreiben. Das Licht der sogenannten Kultur[4] will jedes Winkelchen erleuchten, und Sachen der Art liegen nur im Winkel. Legt also Hand an, meine Brüder, und zeigt unsrer Nazion, was sie ist und nicht ist? wie sie dachte und fühlte, oder wie sie denkt und fühlt. ➢ Volltext
.[50] Herder, Gesch. d. Menschh. I (1784), 45: Amerika ist vielleicht auch deswegen voll so viel kleiner Nationen, weil es nord- und südlich mit Flüssen, Seen und Bergen durchschnitten und zerhackt ist. Seiner Lage nach ists von außen das zugangbarste Land, da es aus zwei Halbinseln bestehet, die nur durch einen engen Isthmus zusammenhangen, an dem die tiefe Einbucht noch einen Archipelagus von Inseln bildet. Es ist also gleichsam ganz Ufer; und daher auch der Besitz fast aller europäischen Seemächte sowie im Kriege immer der Apfel des Spiels. Günstig ist diese Lage für uns Europäische Räuber; ungünstig war seine innere Durchschnittenheit für die Bildung[5] der alten[5] Einwohner. Sie lebten von einander durch Seen und Ströme, durch plötzlich abbrechende Höhen und Tiefen zu sehr gesondert, als daß die Cultur[7] Eines Erdstrichs oder das alte[1] Wort[2] der Tradition ihrer Väter sich, wie in dem breiten Asien, hätte bevestigen und ausbreiten mögen..
[51] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 138: Gesicht und Gehör endlich sind die edelsten Sinne[4], zu denen der Mensch[1] schon seiner organischen[2] Anlage nach vorzüglich geschaffen worden: denn bei ihm sind die Werkzeuge dieser Sinne[4] vor allen Thieren[2] Kunstreich ausgebildet. Zu welcher Schärfe haben manche Nationen Auge und Ohr[3] gebracht! Der Kalmucke sieht Rauch, wo ihn kein Europäisches Auge gewahr wird: der scheue Araber horcht weit umher in seiner stillen Wüste. .
[52] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 183 f. (184): Laßet uns also auf die Tugenden des Weibes[1] kommen, wie sie sich in der Geschichte[2] der Menschheit[2] offenbahren. Auch 〈184〉 unter den wildesten Völkern[1] unterscheidet sich das Weib[1] vom Mann durch eine zärtere Gefälligkeit, durch Liebe zum Schmuck und zur Schönheit[3]; auch da noch sind diese Eigenschaften kennbar, wo die Nation mit dem Klima[1] und dem schnödesten Mangel kämpfet. Ueberall schmückt sich das Weib[1], wie wenigen Putz es auch hie und da sich zu schmücken habe [...]. – – Reinlichkeit ist eine andre Weibertugend, dazu sie ihre Natur[12] zwingt und der Trieb zu gefallen reizet..
[53] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 96 ff. (97 f.): Sammlete Jemand eine Geschichte[7] der Juden[1] aus allen Ländern, in die sie zerstreuet sind; so zeigte sich damit ein Schaustück der Menschheit[1] [...]. Denn kein Volk[1] der Erde hat sich wie dieses verbreitet: kein Volk[1] der Erde hat sich wie dieses in allen Klimaten[2] so känntlich und rüstig erhalten. | Daß man hieraus aber ja keinen abergläubigen Schluß auf eine Revolution fasse, die durch dies Volk[1] dereinst noch für alle Erdvölker bewirkt werden müßte! Die bewirkt werden sollte, ist wahrscheinlich bewirkt, und zu einer andern zeigt sich weder im Volk[1] selbst noch in der Analogie der Geschichte[2] die mindeste Anlage. Die Erhaltung der Juden[1] erklärt sich eben so natürlich als die Erhaltung der Bramanen, Parsen und Zigeuner. | Uebrigens wird niemand einem Volk[1], das eine so wirksame Triebfeder in den Händen des Schicksals ward, seine großen Anlagen absprechen wollen, die in seiner ganzen Geschichte[3] sich deutlich zeigen. Sinnreich, verschlagen und arbeitsam wußte es sich jederzeit auch unter dem äußersten Druck andrer Völker[1] wie 〈97〉 in einer Wüste Arabiens mehr als vierzig Jahr zu erhalten. [...] Zwar ist in Kunstsachen die Jüdische Nation, ob sie gleich zwischen Aegyptern und Phöniciern wohnte, immer unerfahren geblieben [...]. Auch sind sie, ob sie gleich eine Zeitlang die Hafen des rothen Meers besassen und den Küsten der mittelländischen See so nahe wohnten [...], dennoch nie ein Seefahrendes Volk[1] worden. Wie die Aegypter, fürchteten sie das Meer und wohnten von jeher lieber unter andern Nationen [...]. Kurz, es ist ein Volk[1], das in der Erziehung verdarb, weil es nie zur Reife einer politischen Cultur[4] auf eignem Boden, mithin auch nicht zum wahren Gefühl der Ehre und Freiheit[7] gelangte. In den Wissenschaften[1], die ihre vortreflichsten Köpfe trieben, hat sich jederzeit mehr eine gesetzliche Anhänglichkeit und 〈98〉 Ordnung, als eine fruchtbare Freiheit[1] des Geistes[22] gezeiget und der Tugenden eines Patrioten hat sie ihr Zustand fast von jeher beraubet. Das Volk[1] Gottes[1] [...] ist [...] fast seit seiner Entstehung eine parasitische Pflanze[1] auf den Stämmen andrer Nationen, ein Geschlecht[7] schlauer Unterhändler beinah auf der ganzen Erde, das trotz aller Unterdrückung nirgend sich nach eigner Ehre und Wohnung, nirgend nach einem Vaterlande sehnet..
[54] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 294 f. (295): Jedermann weiß, [...] wie theuer z. B. Sicilien des Cicero Rede gegen den Verres, wie theuer Rom und ihm selbst seine Reden gegen Catilina, seine Angriffe auf den Antonius gewesen u. f. Damit eine Perle gerettet würde, 〈295〉 mußte also ein Schiff untergehen, und tausend Lebendige kamen um, blos damit auf ihrer Asche einige Blumen wüchsen, die auch der Wind zerstäubet. Um eine Aeneis des Virgils, um die ruhige Muse eines Horaz und seine urbanen Briefe[3] zu erkaufen, mußten Ströme von Römerblut vorher vergossen, zahllose Völker[1] und Reiche unterdrückt werden; waren diese schönen[6] Früchte eines erpreßten Goldnen Alters solches Aufwandes werth? Mit dem Römischen Rechte ists nicht anders; denn wem ist unbekannt, welche Drangsale die Völker[1] dadurch erlitten, wie manche menschlichere Einrichtung der verschiedensten Länder dadurch zerstört worden? Fremde[1] Völker[1] wurden nach Sitten gerichtet, die sie nicht kannten; sie wurden mit Lastern und ihren Strafen vertraut, von welchen sie nie gehört hatten; ja endlich der ganze Gang dieser Gesetzgebung, der sich nur zur Verfassung Roms schickte, hat er nicht nach tausend Unterdrückungen den Charakter[1] aller überwundenen Nationen so verlöscht: so verderbet, daß, statt des eigenthümlichen Gepräges derselben, zuletzt allenthalben nur der römische Adler erscheint, der nach ausgehackten Augen und verzehrten Eingeweiden traurige Leichname von Provinzen mit schwachen Flügeln deckte. Auch die lateinische Sprache[3] gewann nichts durch die überwundnen Völker[1], und diese gewannen nichts durch jene. Sie ward verderbt und zuletzt ein Romanisches[1] Gemisch nicht nur in den Provinzen, sondern in Rom selbst..
[55] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 302: Die Nationen blühen auf und ab; in eine abgeblühete Nation kommt keine junge, geschweige eine schönere[1] Blüthe wieder. Die Cultur[4] rückt fort, sie wird aber damit nicht vollkommener; am neuen[1] Ort werden neue[1] Fähigkeiten entwickelt; die alten[6] des alten[6] Orts gingen unwiederbringlich unter. Waren die Römer weiser und glücklicher, als es die Griechen waren? Und sind wirs mehr als beide?.
[56] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 321: Selbst unsre kurze Geschichte[7] beweiset es daher schon klar, daß mit der wachsenden wahren Aufklärung der Völker[1] die menschenfeindlichen, sinnlosen Zerstörungen derselben sich glücklich vermindert haben. Seit Roms Untergange ist in Europa kein cultiviertes Reich mehr entstanden, das seine ganze Einrichtung auf Kriege und Eroberungen gebauet hätte; denn die verheerenden Nationen der mittleren Zeiten[3] waren rohe, wilde Völker[1]. Je mehr aber auch sie Cultur[4] empfingen und ihr Eigenthum liebgewinnen lernten, desto mehr drang sich ihnen unvermerkt, ja oft wider ihren Willen, der schönere[1], ruhige Geist[14] des Kunstfleißes, des Ackerbaues, des Handels und der Wissenschaft[1] auf. Man lernte nutzen ohne zu vernichten, weil das Vernichtete sich 〈322〉 nicht mehr nutzen läßt, und so ward mit der Zeit[1], gleichsam durch die Natur[1] der Sache selbst, ein friedliches Gleichgewicht zwischen den Völkern[1], weil nach Jahrhunderten wilder Befehdung es endlich alle einsehen lernten, daß der Zweck, den Jeder wünschte, sich nicht anders erreichen ließe, als daß sie gemeinschaftlich dazu beitrügen..
[57] Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 41: Die Juden[1] betrachten wir hier nur als die parasitische Pflanze[1], die sich beinah allen europäischen Nationen angehängt und mehr oder minder von ihrem Saft an sich gezogen hat. Nach dem Untergange des alten[9] Roms waren ihrer vergleichungsweise nur noch wenige in Europa; durch die Verfolgungen der Araber kamen sie in großen Haufen herüber und haben sich selbst Nationenweise vertheilet. Daß sie den Aussatz in unsern Welttheil gebracht, ist unwahrscheinlich; ein ärgerer Aussatz wars, daß sie in allen barbarischen Jahrhunderten als Wechsler, Unterhändler und Reichsknechte niederträchtige Werkzeuge des Wuchers wurden und gegen eignen Gewinn die barbarisch-stolze Unwissenheit der Europäer im Handel dadurch stärkten. Grausam ging man oft mit ihnen um und erpreßte tyrannisch, was sie durch Geiz und Betrug oder durch Fleiß, Klugheit und Ordnung erworben hatten; indem sie aber solcher Begegnungen gewohnt waren und selbst darauf rechnen mußten, so überlisteten und erpreßten sie desto mehr. Indessen waren sie der damaligen Zeit[5] und sind noch jetzt manchen Ländern unentbehrlich; wie denn auch nicht zu läugnen ist, daß durch sie die hebräische Litteratur erhalten, in den dunkeln Zeiten[3] die von den Arabern erlangte Wissenschaft[3], Arzneikunde und Weltweisheit auch durch sie fortgepflanzt und sonst manches Gute geschafft worden, wozu sich kein andrer als ein Jude[1] gebrauchen ließ. Es wird eine Zeit[3] kommen, da man in Europa nicht mehr fra〈42〉gen wird, wer Jude[1] oder Christ sei; denn auch der Jude[1] wird nach europäischen Gesetzen leben und zum Besten des Staats beitragen. Nur eine barbarische Verfassung hat ihn daran hindern oder seine Fähigkeit schädlich machen mögen..
[58] Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 187: Nie hat sich die Galanterie der Rittersitten in Deutschland zu der feinen Lüsternheit ausgebildet, wie in wärmern, wohllüstigern Gegenden: denn schon das Klima[1] gebot eine größere Eingeschlossenheit in Häuser und Mauern, da andre Nationen ihren Geschäften und Vergnügungen unter freiem[1] Himmel nachgehen konnten..
[59] Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 225 f.: Das Band [...], dadurch alle römisch-katholische Länder unläugbar vereint wurden, die lateinische Mönchssprache, hatte auch manche Knoten. Nicht nur wurden die Muttersprachen der Völker[1], die Europa besassen, und mit ihnen die Völker[1] selbst in Roheit erhalten; sondern es kam unter andern auch hiedurch insonderheit das Volk[5] um seinen letzten Antheil an öffentlichen Verhandlungen, weil es kein Latein konnte. Mit der Landessprache ward jedesmal ein großer Theil des Nationalcharakters aus den Geschäften der Nation verdrängt, wo〈226〉gegen sich mit der lateinischen Mönchssprache auch jener fromme Mönchsgeist einschlich, der zu gelegener Zeit[7] zu schmeicheln, zu erschleichen, wohl auch zu verfälschen wußte. Daß die Acten sämmtlicher Nationen Europa's, ihre Gesetze, Schlüsse, Vermächtnisse, Kauf- und Lehninstrumente, endlich auch die Landesgeschichte so viele Jahrhunderte hindurch latein geschrieben wurden; dies konnte zwar der Geistlichkeit, als dem gelehrten Stande sehr nützlich, den Nationen selbst aber nicht anders als schädlich seyn. Nur durch die Cultur[3] der vaterländischen Sprache[3] kann sich ein Volk[1] aus der Barbarei heben; und Europa blieb auch deshalb so lange barbarisch, weil sich dem natürlichen[3] Organ[1] seiner Bewohner, fast ein Jahrtausend hin, eine fremde[5] Sprache[3] vordrang, ihnen selbst die Reste ihrer Denkmahle nahm und auf so lange Zeit[6] einen vaterländischen Codex der Gesetze, eine eigenthümliche Verfassung und Nationalgeschichte ihnen ganz unmöglich machte..
[60] Herder, Bef. d. Hum. VII (1796), 3 f. (4): Ueber diese Fragen [...] sind mir einige Fragmente zu Händen gekommen, die mir der Aufmerksamkeit [...] nicht unwerth scheinen. Die Blüthe der alten[9] Cultur[4] unter Griechen und Römern setzen sie entweder als bekannt voraus, oder es 〈4〉 fehlt die Untersuchung darüber in den mir zugekommenen Blättern. Diese bemerken vorzüglich, wie sich die mittlere und neue[9] Europäische Cultur[4] in und durch Dichtkunst und zwar bei den verschiedenen Nationen Europa's, nach besondern Veranlassungen, Hülfsmitteln und Zwecken gebildet habe? .
[61] Herder, Bef. d. Hum. VII (1796), 15 ff. (17): Zuerst giebt ihr Fragment es selbst zu, daß auch vor der sogenannten Erwekkung der Alten[10] in jedem Fach große Männer, Denker und Dichter gelebt haben; und eben so wenig wird bezweifelt werden können, daß seit dieser Entdeckung große Männer gelebt und geschrieben haben, die von den Alten[10] wenig oder nichts wußten. Ich darf von den ersten nur Dante, von 〈16〉 den letzten nur Shakespeare anführen; wie viel andre möchten zu nennen seyn! Die größten Erfindungen sind in den Zeiten[3] gemacht, die wir barbarische, rohe Zeiten[3] nennen; vielleicht haben in ihnen auch die größesten Männer gelebet. Damals standen die Köpfe noch nicht so dicht an einander; jeder hatte zum eignen Denken freien[1] Raum; um sie war Dämmerung; desto munterer aber wirkten sie, und dorften in der Mittagssonne der Alten[10] eben noch nicht erblinden. Wie Ein Roger Baco vor hundert Commentatoren des Aristoteles gilt: so giebt es romantische[1] Gedichte der mittleren, selbst der neueren[5] Zeit[3], bei denen man den Geschmack der Alten[10] gern vergißt und in ihnen wie im Feenreich lustwandelt. Ich erinnere Sie an so manche Romane[1], die uns der Graf Treßan und seine Gehülfen gegeben, ja 〈17〉 seit Wiederauflebung der Wissenschaften an die größesten Lichter aller cultivirten Nationen. Woher nahmen Ariost und die ihm vorgingen, woher Spenser, Shakespeare und zwar in seinen rührendsten Stücken Form und Inhalt? Nicht aus den Alten[10], sondern aus der Denkart des Volks[5] und seinem Geschmack in ihren und den mittleren Zeiten[3]..
[62] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 237 f. (238): Antike[4], Antiken[3], (vom lateinischen Worte[1] antiquus, längst verflossen, alt[1]) die Kunst[11] der Alten[10], Alterthümer[5]; im scharfen 〈238〉 Gegensatze zur Kunst[11] der Neuen[5] zur modernen[1] oder romantischen[12] Kunst[11]. Die antike[2] Kunst[11] (eigentlich nur die griechische[2] zu nennen) ist leichter zu beurtheilen, als in ihrem Stile zu schaffen. Ideale Ruhe, göttlicher Adel[5] in der Form und kühne Einfachheit sind die Kennzeichen, das Wesen der Antike[4]. Woher aber jene himmlische Ruhe, jene unnachahmliche Grazie, jene Abgeschlossenheit (Plastik) in der Antike[4]? – Griechenland war von Poesie[14] durchdrungen, nämlich von einer Phantasie[3], die ihre Ideale im Leben selbst vorfand, und dieselben in Formen bringen konnte, die wirklich vorhanden waren; die Kunst[11] besteht aber nur in dieser Verschmelzung des Ideals mit der Wirklichkeit, diese Erhebung des Irdischen zum übersinnlichen Genusse. Und wenn ein poetischer[1] Mensch derjenige ist, welcher bei Beschauung irdischer Gegenstände diesen sogleich ihre himmlische Beziehung in schöner[1] Form anweist, so waren die Griechen eine poetische[1] Nation, und die Kunst[4] lag ihnen nahe. Das Schöne[1] setzten sie über Alles, weil sie selbst schön[1] waren; sie vergötterten schöne[1] Menschen nach dem Tode; ihre Lebensaufgabe war Genuß des Schönen[1]..
[63] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 201: Die Gesetze der Einheit von Zeit[13], Ort und Handlung[3] wurden nicht nur als die festeste Norm befolgt, sondern sie dienten auch bei der Beurtheilung jedes tragischen Dichtwerks als Maßstab. Eine Verschmelzung dieser Nachahmung der antiken[2] Muster mit dem Geiste[12] der Nation finden wir bei den Heroen der französischen Tragödie Corneille [...] und Racine [...]. Diese beiden und Molière [...] rissen die Bühne aus ihrer ersten Rohheit. Doch blieb immer eine Steifheit, ein geziertes, hochtrabendes Wesen zurück, das selbst Voltaire [...] 〈202〉 [...] nicht verdrängen konnte. [...] Gegen jene klassischen[4/8] Vorbilder erhob sich in neuester[3] Zeit[3] die Schule der Romantiker[3], an deren Spitze Victor Hugo [...] steht. Sie hat zwar die altfranzösische Tragödie nicht verdrängen können, behauptet aber doch siegreich ihren Platz neben ihr, und wie aus allen Kämpfen der Art, so wird auch hier ein vermittelndes Princip aus den Eigenthümlichkeiten beider Schulen ein gutes, erfreuliches Resultat schaffen..
[64] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 222: Indem wir hier die weniger interessante[1] frühere Geschichte[3] der französischen Musik übergehen, wenden wir uns aus dem Gebiete ihrer Kindheit sogleich zu Lully, dem Schöpfer des Nationalgeschmacks. Dieser große Meister war zwar in Italien zu Florenz (1633) geboren; doch kam er schon in seinem 12. Jahre nach Paris, wo er, von Ludwig XIV. unterstützt, seine musikalische[1] Bildung[4] vollendete, und bis zu seinem Tode blieb. Dort componirte er Opern, welche die französische Nation ein halbes Jahrhundert hindurch entzückten, und viele andere klassische[3] Tonstücke..
[65] Hirschfeld, Gartenkunst I (1779), 121: Indessen da die Schriftsteller der andern Nationen entweder ganz schwiegen[5], oder gelegentlich in Werken, die von der Baukunst handelten, die alte[6] Manier empfohlen, so fiengen die Britten an, nach und nach in Schriften das Wesen der Gartenkunst aufzuklären. ➢ Volltext.
[66] Hoche, Lesesucht (1794), 43: Von dem zwölften Jahrhundert an waren die Romane[1], in Frankreich, Erzählungen jeder Geschichte[9] in der Landessprache, welche die romanische[1] hieß. Weil diese romanische[2] Geschichte[8] eigentlich für den ungelehrten Theil der Nation bestimmt war, der nur Krieg und Waffen kannte, und eben aus dieser Ursache das Wunderbare liebte: so erforderte sie auch eine eigene Behandlung. Daher es denn kam daß sie die Gestalt der Heldengedichte erhielt. Als aber bei den wieder auflebenden Wissenschaften[1] [...] die Geschichte[7] in der Landessprache [...] und die epischen Gedichte gleichfalls [...] geschrieben wurden: so machten die romanischen[6] Heldengedichte eine eigene Gattung aus, die nach gerade die gegenwärtige Gestalt erhalten haben. – Kann man unsere jetzigen Leser[1] und Leserinnen der dialogisirten oder romanischen[6] Geschichte[8], die jetzt wieder aufleben will, mit Recht in jene rohen Zeiten[3] zurück setzen? das sey ferne..
[67] Th. Huber, Holland (1811), 190 ff. (192): Meiner bekannten Liebhaberei gemäß, suchte ich an einem andern Tage die wilden Thiere[1] auf, welche hier auf königliche Kosten, jetzt in der Nähe 〈191〉 des botanischen Gartens, gehalten werden. [...] Da sie eine hohe helle Gallerie bewohnten, und aus vielen hohen, großen sonnigen Fenstern die Aussicht auf den botanischen Garten hatten, flößten sie mir etwas weniger Wehmuth ein, wie ihre Jammergenossen, die man uns in dunkeln Käfigen vorzeigt. Uebrigens ist nicht viel Mannigfaltiges da. Eine schöne[1] Frau Löwin, die erst vor einem Jahre Wittwe ward, und sehr friedlich mit einem Hunde mittlerer Größe in einem Bauer lebt – den rührenden Roman wie das feindselige Thier[1] zu diesem umgänglichen Humor[1] kam, erfuhr ich nicht. Denkt es euch so interessant[1] als ihr könnt. Daß Sklaverei nicht milde macht, erfuhren wir in unsern Tagen hinlänglich an gan〈192〉zen Nationen, warum diese Löwennatur eine so auffallende Ausnahme macht, bleibt mir ein Räthsel. Vielleicht macht sich der Uebergang von Freiheit[3/6] in Fesseln so sanft, wenn nicht Verderbniß mitten inne steht. ➢ Volltext.
[68] Th. Huber, Klosterber. (*1811–15), 169: Der Fürst hatte einen älteren[3] Bruder, einen unschädlichen [›untadeligen, unverdorbenen‹, vgl. DWB XI/3, 1315] Menschen[1], der in seiner Bildung[2] dem gemeinsten Adel[2] unsrer Nation um keinen Schritt vorgeeilt 〈170〉 war. Ein roher Mann, starr und treu..
[69] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 117: Die Eingebornen von Neu-Spanien haben eine noch weit dunkler braune Hautfarbe, als die Bewohner der heissesten Länder des südlichen America's. Diese Erscheinung ist um so merkwürdiger, da in der kaukasischen Raçe[1], welche man auch die europäisch-arabische Raçe[1] nennen könnte, die mittäglicheren Völker[1] eine minder weisse Haut haben, als die nördlichen. Haben daher verschiedene asiatische Nationen, welche Europa im sechsten Jahrhundert überschwemmten, auch gleich ein sehr dunkles Colorit; so scheint es doch, daß die Abweichungen der Hautfarbe bei den Völ〈118〉kern[1] der weissen Raçe[1] weniger ihrem Ursprung und ihrer Vermischung, als dem Local-Einfluß des Klima's[1] zuzuschreiben sind. Die Wirkung dieses Einflusses scheint bei den Americanern und Negern indeß gar nicht statt zu finden; indem diese Raçen[1], bei welchen sich der Kohlen-Wasserstoff in reichlicher Menge auf die Malpighi'sche Schleim- oder Nez-Haut absetzt, den Eindrücken der sie umgebenden Luft ganz besonders widerstehen..
[70] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 141: Nur in einem sehr kleinen Theil von Europa genießt der Landbauer die Früchte seiner Arbeit in Freiheit[6], und diese bürgerliche Freiheit[6] ist, wie wir gestehn müssen, nicht sowohl das Resultat einer weit vorgerückten Civilisation, als vielmehr die Wirkung der gewaltsamen Krisen, in welchen eine Classe[2], oder ein Staat die Uneinigkeit der andern benutzt hat. Die wahre Vervollkommnung der gesellschaftlichen Institutionen hängt freilich von der Aufklärung und intellectuellen Entwicklung ab; allein die Räder, welche einen Staat bewegen, greifen so sonderbar in einander ein, daß bei einem Theil der Nation diese Entwicklung sehr starke Fortschritte machen kann, ohne daß die Lage der letzten Klassen[2] dadurch besser würde. Von dieser traurigen Wahrheit liefert uns der ganze Norden die Bestätigung, [...] wo der Landmann, trotz der so sehr gerühmten Civilisation der höheren Classen[2], noch heutzutag in eben der Erniedrigung lebt, in welcher er sich drei bis vier Jahrhunderte früher befunden hat [...]..
[71] A. v. Humboldt, Cordill. I [TrN. N.] (1810), 54: Bei Xochicalco fand man vor 20 Jahren auch einen einzelnen Stein, worauf ein Adler, der einen Sclaven zerfleischt, in erhabener[1] Arbeit vorgestellt war, welches Bild ohne Zweifel auf einen Sieg anspielte, den die Azteken über irgend eine angränzende Nation davon getragen haben. [Original A. v. Humboldt, Vues des Cord. (1810), 40 f.: C'est aussi près de Xochicalco, qu'on a trouvé, il y a trente ans, une pierre isolée sur laquelle étoit représenté en relief un aigle déchirant an captif, image qui faisoit allusion sans doute 〈41〉 à une victoire remportée par les Aztèques sur quelque nation limitrophe.].
[72] W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 275: Ein [...] vorzüglich charakteristischer[1] Zug der Griechen ist die hohe Ausbildung des Schönheitsgefühls und des Geschmaks und vorzüglich die allgemeine Ausbreitung dieses Gefühls unter der ganzen Nation, wovon sich Beispiele in Menge aufzählen lassen. Nun aber ist keine Art der Ausbildung in allen Zeiten[3] und Erdstrichen so unentbehrlich, als gerade diese, die das ganze Wesen des Menschen, wie es an sich beschaffen sein möge, erst gleichsam in Eins vereint, und ihm die wahre Politur und den wahren Adel[5] ertheilt [...]..
[73] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 182: [W]enn er, mit dem classischen[3] Geiste[14] der Alten[10] vertraut, und von dem besten der Neueren[3] durchdrungen, zugleich so individuell gebildet ist, daß er nur unter seiner Nation und in seiner Zeit[3] emporkommen konnte, daß alles Fremde[1], was er sich aneignet, danach sich umgestaltet und er sich nur in seiner vaterländischen Sprache[3] darzustellen vermag, in jeder andern aber und zwar gerade für seine Eigenthümlichkeit schlechterdings unübersetzbar bleibt; wenn es ihm nun so gelingt, die Resultate seiner Erfahrungen über Menschenleben und Menschenglück in eine dichterische Idee zusammenzufassen, und diese Idee vollkommen auszuführen – dann mußte, und nur so konnte ein Gedicht, wie das gegenwärtige ist, entstehen..
[74] W. v. Humboldt, Versch. Sprachb. (*1827–29), GS I, 6.1, 115: Ich bemerke [...], dass ich alle Eigennamen, ohne Rücksicht auf die Aussprache, so schreibe, wie es der Gebrauch bei uns mit sich führt, oder wie die Nation sie schreibt, von der wir sie entlehnt haben. Wo es interessant[1] seyn kann, und die Aussprache sehr abweicht, füge ich sie in Klammern hinzu. Mejico zu schreiben oder Mechico nach deutscher Aussprache zu sagen, heisst die unrichtige Spanische Aussprache des Namens unter uns zu verpflanzen. Mexico, wie man es gewöhnlich ausspricht, ist eine Verdeutschung, die man ebenso beibehalten muss, wie Lissabon, Chili (wie unser ch gesprochen), Venedig und so viele andre, ebenso als man die Tiber, und nie ohne Auffallen der Tiber sagt. Alle Sprachen[9] ziehen einen Theil der fremden[1] Namen in ihr Gebiet hinüber..
[75] W. v. Humboldt, Versch. Sprachb. (*1827–29), GS I, 6.1, 131: Die Philologie ist [...], ohne sie, in anderer Erweiterung, zur Alterthumskunde zu machen, die auch besser wie eine Hülfswissenschaft von ihr angesehen, als selbst mit ihr vermischt wird, ihrem reinen Begriff[1] nach, auf die alte Literatur, die Sprachkunde auf die Sprachen[3] gerichtet. Zwar ist beides unzertrennlich verbunden, ja sogar Eins, gerade die Philologie hat die tiefste Sprachforschung zum Zweck, und die Sprachkunde muss, auch bei ganz ungebildeten und unliterärischen Nationen, Stücke verbundener Rede aufsuchen; allein bei den geistigen Einflüssen wissenschaftlicher Behandlung ist die Unmittelbarkeit oder Mittelbarkeit der Richtung nicht gleichgültig. .
[76] Immermann, Epigon. (1836), W 2, 459: Ein Unterschied der modernen[1] Zeit[3] von der griechischen[2] besteht darin, daß unter uns Neueren[3] das wahrhaft geniale Schöne[2] fast immer im Gegensatze zu der herrschenden Stimmung erwächst, welche dagegen ihrerseits das als vorhanden zu präkonisieren [›auszurufen‹] pflegt, woran es ihr eben ganz gebricht. Dagegen ging in jener glücklichen griechischen[2] Periode das besondre Genie[2] der Künstler[1] aus dem allgemeinen Talente der Nation hervor. Um an einem Beispiele meine Meinung klarzumachen, so glaubten wir an Klopstocks Oden, Bardieten und an den Nachahmungen derselben eine große vaterländische Poesie[11] zu besitzen, und doch waren diese frostigen Exerzitien am allerfernsten von einer solchen..
[77] Jerusalem, Dt. Spr. u. Litt. (1781), 10 f.: [U]ngeachtet der Entfernung, worinn die Verfasser durch alle Provinzen von Deutschland zerstreuet wohnen, ist doch in keiner dieser Schriften die Provinz mehr zu kennen, sondern sie sind für ganz Deutschland klaßisch[4], als Schriften von einer einzigen Akademie; und würden nun selbst schon hinreichend seyn, den Geschmack der Nation ferner auszubilden; wie denn auch mit jedem Jahre unsre Litteratur mit ähnlichen Schriften noch mehr bereichert wird. Bey die〈11〉sen Meisterstücken wird sie freylich mit jedem Jahre auch mit einer Menge von pedantischen, abentheuerlichen[3], wahnsinnigen Misgeburten überhäuft; aber dergleichen muß die ausgebildeteste Nation unter sich leiden, und wie vielmehr unser armes Vaterland, wo jährlich wenigstens Fünftausend neue Bücher, (eine schreckliche Manufaktur!) herauskommen..
[78] Kolbe, Wortmeng. (1809), 2: Sonderbar, daß bei den Franzosen die Wortmischer Pedanten heisen, indes umgekehrt bei uns die Gegner der Wortmischerei diesen Namen führen. Welche von beiden Nationen mag wol hier Recht haben? mag wol mit dem Wort[1] Pedant den richtigsten Begrif[1] verknüpfen?.
[79] Kolbe, Wortmeng. (1809), 108: Kränkeln wir, in selbstsüchtigem Dünkel noch immer an dem Wahn, daß wir, eine winzige Anzahl Gebildeter, die Gesamtheit vertreten oder gar einzig das Volk[1] sind? Den Kern der Nation, den kräftigsten, besten Teil derselben, bilden vielmehr jene Klassen[2], die wir abschäzig das Volk[5] nennen, sie, die von fremdem[1] Einflus unverdorben, den Urcharakter des Deutschen allein noch festgehalten haben; sie, auf deren Sin[9] und Manheit allein noch die Hofnung einer besseren Zukunft sich gründet..
[80] Kolbe, Wortmeng. (1809), 108: Müssen wir denn aus jedem Zeitwort Verbalwörter, müssen wir aus jedem Nenwort Beiwörter, etc. bilden können? Sind in diesem Punkt nicht alle Sprachen[3] mehr oder weniger beschränkt? Ist es die französische nicht auf eine fast bejammernswürdige Weise? Dennoch wissen die Schriftsteller der Nation sich zu helfen; sie wissen, was die störrige Sprache[3] ihnen unmittelbar verweigert, mittelbar auf tausendfachen Wegen volauf ihr wieder abzulokken. Wol ist es bequem, wenn man jedem Begrif[1] und jeder Begrifsbestimmung nach Wilkühr eine Hülle, sie sei beschaffen wie sie wolle, sogleich umlegen kan. Aber ist denn Bequemlichkeit das einzige, ist sie das höchste Gesez des Schriftstellers?.
[81] Krünitz, Oecon. Encycl. XIV (1778; 21786), 749: Französinn, eine Person weibliches Geschlechtes[1], welche aus Frankreich gebürtig ist. | Im engern Verstande[7] führen diejenigen Frauens-Personen französischer Nation[6] diesen Nahmen, (auch die Benennung Mademoiselle oder Mamsell, welche vermögende Leute zum Unterrichte ihrer Kinder in der französischen Sprache[17], oder auch in allerley Frauenzimmer-Wissenschaften, und zu deren Erziehung in den Sitten und Thorheiten der französischen Nation[1], in ihren Häusern zu halten pflegen. | [...] Diese Art des Privatunterrichts durch Französinnen, welchen beydes Geschlecht[2] in der Jugend, das weibliche Ge〈750〉schlecht[2] aber bis in den Eintritt in die große Welt genießt, ist [...] sehr gemein geworden. [...] Sie wollen der Jugend die Zeit[6] angenehm hinbringen, daher erzählen sie Fabeln, Liebes- Hexen- Gespenster- und Diebs-Histörchen: hierdurch verderben sie die so nöthige Einbildungskraft[1], und entwöhnen die Ernsthaftigkeit, daß ein rechtschaffener Informator genug zu thun hat, diese einfältige Bilder der Jugend nach und nach aus dem Kopfe zu bringen; ja viele schleppen sich auch damit die ganze Lebenszeit..
[82] Krünitz, Oecon. Encycl. LXV (1794; 21803), 269: Die lateinische Sprache[3] ist, eben so wie die griechische, ursprünglich aus der Sprache[3] der verwandten Nationen, die erst Deutschland und die nordischen Reiche bevölkerten, und von welchen hernach 〈270〉 ein Theil aus Deutschland nach Italien ging, und sich daselbst wohnhaft niederließ, entstanden. Daher können die ältesten lateinischen Wörter und Ausdrücke allein aus den deutschen Dialekten[1] hergeleitet und erkläret werden.| Die Aborigines, oder ersten Einwohner Italiens, sind aus Deutschland dahin gekommen, und haben also die Sprache[3], welche die ältesten Einwohner Deutschlandes redeten, dahin gebracht. Diese Sprache[3] ging nicht nur vor der lateinischen, sondern auch vor der griechischen, her, und in derselben Töchter-Sprachen, oder in der jezt genannten deutschen, niederländischen, dänischen, norwegischen, isländischen und schwedischen Sprache[3], findet man allein die ältesten Stamm-Wörter, so wie der griechischen, also auch der lateinischen Sprache[3]..
[83] Lichtenberg, Rez. Arch. I (1786), 793 f. (794): Nach Recensentens Urtheil hat der Verfasser [...] den Gesichtspunkt, aus dem der Charakter[1] dieses 〈794〉 edlen Volks[1] [sc. Engländer] betrachtet werden muß, besser gefaßt, als irgend ein Schriftsteller der ihm noch vorgekommen ist. Der Verf. fürchtet am Ende, nachdem er den Charakter[1] der Nation meisterhaft geschildert hat, man möchte ihn für partheyisch halten, und entschuldigt sich deswegen. (Dieses war gewiß nicht nöthig, jeder unbefangne Mann, der dieses Volk[1] und seine vortrefliche Verfassung kennen gelernt hat, der nicht den Charakter[1] einer Nation aus dem Abschaum derselben oder nach der Aufführung unmündiger Fähndriche beurtheilt, wird ihm mit ganzer Seele beypflichten, und was bekümmert sich ein solcher Schriftsteller um die übrigen?.
[84] Lichtenberg, Rez. Arch. I (1786), 804 f. (805): Fast übertrieben scheinen [...] die Weissagungen des Verf. von dem sich beschleunigenden Fall des brittischen Reichs. Sollte nicht bey der glücklichen Lage des Landes, bey seinem vortreflichen Boden und weiserer Behandlung der unermeßlichen Besitzthümer in Indien, duch Abstellung bisher, im Ueberfluß, überfebener unzähliger Misbräuche 〈805〉 und Nachlässigkeiten, [...] mit dem durch die bekannten Unfälle nicht nur nicht niedergeschlagenen, sondern vielmehr erwecketen Geist[15] der Nation nicht endlich neue Quellen von Reichthum und Größe ausgefunden werden [...]? Man ist oft zu sehr geneigt, die Wirkungen des thätigen Geistes[15] den glücklichen Umständen zuzuschreiben, und bedenkt nicht, daß wenn diese gefehlt hätten, er andere benutzt haben würde..
[85] Lichtenberg, Rez. Arch. II (1787), 1828 f. (1829): In dem ersten Abschnitt bemüht sich der Verf., die ersten Grundzüge des italiänischen Characters[1] zu zeichnen; des Guten findet er wenig, des Schlimmern viel. Unwissenheit, Mangel an Patriotismus und an Geselligkeit sind die Hauptfehler, die er den Italiänern vorwirft. Den letzten hätten wir am wenigsten erwartet. [...] Es ist überhaupt schwer, über den 〈1829〉 Character[1] einer unter sich selbst so verschiedenen Nation, als der italiänischen, im Allgemeinen zu urtheilen. – In den folgenden Abschnitten geht der Verf. die verschiedenen italiänischen Staaten durch und fängt mit Venedig an..
[86] Maimon, Lebensgesch. I (1792), 5 f. (6): Es giebt vielleicht kein andres Land außer Polen, wo Religionsfreyheit und Religionshaß so im gleichen Grade anzutreffen wäre. Die Juden[1] genießen da einer völlig freyen[1] Ausübung ihrer Religion[1] und aller übrigen bürgerlichen Freyheiten[6], haben auch sogar ihre eigne Gerichtsbarkeit. Von der andern Seite aber geht der Religionshaß so weit, daß der Nahme Jude[1] zum Abscheu ist, und 〈6〉 die Wirkung dieses zu den Zeiten[3] der Barbarey eingewurzelten Abscheus noch zu meinen Zeiten[3], ohngefähr vor dreyzehn Jahren, dauerte. Dieser anscheinende Widerspruch läßt sich aber sehr gut heben, wenn man bedenkt, daß die in Polen den Juden[1] zugestandene Religions- und bürgerliche Freyheit[6], nicht aus Achtung für die allgemeinen Rechte der Menschheit[2] entspringt, so wie auf der anderen Seite der Religionshaß und Verfolgung keineswegs die Wirkung einer weisen Politik ist, die dasjenige, was der Moralität und dem Wohlstand des Staates schädlich seyn kann, aus dem Wege zu räumen sucht, sondern beyde Folgen der in diesem Lande herrschenden politischen Unwissenheit und Trägheit sind. Da nehmlich die Juden[1] bey allen ihren Mängeln dennoch in diesem Lande beynahe die einzigen brauchbaren Menschen[1] sind, so sahe sich zwar die Polnische Nation gezwungen, zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse ihnen alle mögliche Freyheiten[6] zu bewilligen, doch mußte auch ihre moralische Unwissenheit und Trägheit auf der anderen Seite nothwendig Religionshaß und Verfolgung hervorbringen..
[87] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 5: Und wenn die Natur[2] Talente für die Beredsamkeit über Deutschland so reichlich ausstreute wie über den Boden irgend eines andern Landes, so sind es ja in Deutschland nur einzelne, die hören; es gibt kein Ganzes, keine Gemeinde, keine Stadt, keine Nation, die wie mit Einem Ohre[3] den Redner anhörte. Im Gespräch mit dem Einzelnen sind wir zu ungebunden, zu unbeschränkt; wir lassen uns gehen, wir reden nachlässig, und so verliert sich aus der Sprache[3] des Volks[1] der allgemeine, bindende Geist[12]; sie zerbröckelt sich in unzählige Dialekte[1] und Idiome; jede Sekte und jede Kotterie verunstaltet sie in ihrer eigenen Manier. Nun mögen die Klopstock, die Lessing, die Schiller, die Göthe alle Strahlen dieser zerstreuten Sprache[3] wie in einem Brennspiegel versammeln; das, was allen gemeinschaftlich ist in Wort[5] und Klang, mag von einzelnen wirklich niedergeschrieben, auch ausgesprochen werden: die Nation liest sie, verschluckt sie, aber hört sie nicht, spricht ihnen nicht nach. – Wer überhaupt lernt reden aus dem Papier, aus der todten Schrift? Hören muß und gehört werden, wer sprechen lernen will. – Der Taubgeborne ist nothwendig zugleich stumm..
[88] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 47: Wie könnte ich gezeigt haben, daß das Gespräch die Quelle der Beredsamkeit überhaupt sei, ohne jenes großen Deutschen zu gedenken, mit dem die deutsche Beredsamkeit erwacht, der mit der Flamme des Gesprächs alles ergriff, was dem deutschen Herzen nahe geht und was, da er seine Stimme[11] erhob, in unnatürlicher Verzauberung oder Versteinerung dalag, G. E. Lessing. Er ward gehört, er drang tiefer in das Ohr[3] und in die Seele seiner Nation als irgendein Zeitgenosse; er zwang durch ein echtes Talent der Rede die Nation zur Antwort [...]..
[89] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 155: Was ich von unsern hochdeutschen korrekten Schriftstellern denke, die sich schon vor dreißig Jahren untereinander zu klassischen[4] Autoren ernannten, die Literatur in allgemeinen deutschen Bibliotheken und gelehrten Zeitungen zu regieren unternahmen und ihr Zusammentreffen frischweg und ohne die eigentliche Nation weiter zu fragen, für das goldne Zeitalter der Literatur erklärten, habe ich hinlänglich angezeigt..
[90] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 275 f. (276): Wie haben wir [sc. die Deutschen] in diesen letzten fünfzig stummen Jahren sprechen gelernt? Wie hat sich diese Sprache[3] gebildet grade in der Zeit[3], wo alle Glieder der höheren Gesellschaft sich von ihr abwendeten? Es lebt in ihr ein Geist[12], der sie bildet und keiner vornehmen Stütze bedarf: wer das recht Empfundene, aus den Tiefen der Seele, aus jenen geheimnißvollen Wohnsitzen des Heiligen Kommende, wo das Gefühl der ritterlichen Ehre und Liebe, des stolzen Gehorsams usw. herrührt – aussprechen will, der kann diese Sprache[3] nicht entbehren; und wer nicht so etwas zu sagen hat, der würde ihr und ihrer Ausbildung nichts helfen können. Von selbst in den Mund legt sie sich nicht! ohne Karakter[2], ohne Selbständigkeit, ohne Ursprünglichkeit 〈276〉 der Geisteskraft ist es unmöglich, diese Sprache[3] gut zu sprechen. Mit Phrasen, die für jeden Mund passen, mit künstlich appretirtem Glanz, mit einem Schein von Geist[20] und Witz[1], den der Geistloseste sich aneignen könnte, kann sie nicht aufwarten: sie hat keine Corneilles, keine Racines, keine Bossuets, keine Akademien, welche ein ganzes folgendes Jahrhundert mit schönen Wendungen der Rede im voraus versehn; kein siècle de Louis XIV., das für lange Zeiten[3] nachher das Vortrefflichste schon vorweggesprochen hätte. Es fehlt ihr, habe ich gesagt, die gesellige Vollendung: das Bestreben der einzelnen deutschen Redner und einige glückliche Wendungen des öffentlichen Lebens der Nation können selbige erreichen, darum muß auch an die mechanischen Vorzüge der benachbarten Sprachen[3] erinnert werden. Ich habe es gethan, mit Anklage meines Vaterlandes gethan. Nichtsdestoweniger aber weil der neue[1/5], christliche Geist[12] aller Worte[1] und Wendungen dieser Sprache[3] sich nicht tödten läßt, so trägt sie das Siegel der Fortdauer an ihrer Stirn wie keine andre Sprache[3]. Um dieses Geistes[12] willen kann man festiglich glauben, daß die Sprache[3] der Besiegten länger leben werde als die der Sieger, und in diesem Sinne dann dreist verkünden, daß, weil die Sprache[3] fortdauern werde, auch das Volk[1] nicht untergehen könne..
[91] Novalis, Blüthenstaub (1798), 70, Nr. 2: Ein Kommandowort bewegt Armeen; das Wort[1] Freyheit[6/7] Nazionen. ➢ Volltext.
[92] Novalis, Über Goethe (*1798), NS 2, 641 f. (642), Nr. 445: Wenn ich die neuesten[3] Freunde der Litteratur des Alterthums[3] recht verstehe, so haben sie mit ihrer Foderung, die klassischen[7/3] Schriftsteller nachzuahmen nichts anders im Sinn[10], als uns zu 〈642〉 Künstlern zu bilden – Kunsttalent in uns zu erwecken. Keine moderne[1] Nation hat den Kunstverstand in so hohem Grad gehabt, als die Alten[10]. Alles ist bey ihnen Kunstwerk[2] – aber vielleicht dürfte man nicht zu viel sagen, wenn man annähme, daß sie es erst für uns sind, oder werden können. Der classischen[7/3] Litteratur geht es, wie der Antike[4]; sie ist uns eigentlich nicht gegeben – sie ist nicht vorhanden – sondern sie soll von uns erst hervorgebracht werden. Durch fleißiges und geistvolles Studium der Alten[10] entsteht erst eine klassische[7/3] Litteratur für uns – die die Alten[10] selbst nicht hatten..
[93] Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 593: [...] auf den Fortschritt in Künsten und Wissenschaften, welcher aber, von dem historischen (praktischen) Standpunkt aus betrachtet, eher ein Rückschritt, oder wenigstens ein anti-historischer Fortschritt ist, worüber wir uns auf die Geschichte selbst und auf das Urtheil und Beispiel der Nationen, welche in historischem Sinn die klassischen[3] sind (z. B. die Römer), berufen können..
[94] Schelling, Notizenbl. III (1802), 70: Es wäre eine Kritik[1] über die Kritik[1] erfoderlich gewesen, um die Frage zu beantworten: welche Elemente der Kantischen Philosophie eignen sich dazu aus der besondern und nationalen Kultur[4] der Deutschen in die allgemeine aufgenommen zu werden, und die französische Nation, deren Kultur[4] die der andern mehr oder weniger gebieterisch bestimmt und bis jetzt am meisten den Charakter[4] der Allgemeinheit sich zu geben gewußt hat, konnte hier zum bestimmtesten Maasstab dienen. ➢ Volltext.
[95] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 669: Ariosto hat eine sehr bekannte mythologische Welt, in der er sich bewegt. Der Hof Karls des Großen ist der Olymp des Jupiter der Ritterzeit. Die Sagen von den zwölf Paladinen sind und waren nach allen Seiten verbreitet und gehörten allen gebildeteren Nationen, den Spaniern, Italienern, Franzosen, Deutschen, Engländern gemeinschaftlich an. Das Wunderbare hatte sich vom Christenthum aus verbreitet und in der Berührung mit der Tapferkeit der späteren Zeit[3] sich zu einer romantischen[2] Welt entzündet. Auf diesem glücklicheren Boden nun konnte der Dichter nach Willkür schalten, neu erfinden, schmücken. Alle Mittel standen ihm zu Gebot, er hatte Tapferkeit, Liebe, Zauberei, er hatte zu dem allem noch den Gegensatz des Morgen-[2] und Abendlandes[2] und der verschiedenen Religionen. ➢ Volltext.
[96] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 680: Der Roman[1] des Cervantes ruht also auf einem sehr unvollkommenen, ja verrückten Helden, der aber zugleich so edler Natur[1] ist [...], daß ihn keine Schmach, die ihm widerfährt, eigentlich herabwürdiget. An diese Mischung (in Don Quixote) ließ sich eben das wunderbarste und reichste Gewebe knüpfen, das im ersten Moment so anziehend wie im letzten stets den gleichen Genuß gewährt und die Seele zur heitersten[4] Besonnenheit stimmt. Für den Geist[19] ist die nothwendige Begleitung des Helden, Sancho Pansa, gleichsam ein unaufhörlicher Festtag; eine unversiegbare Quelle der Ironie[1] ist geöffnet und ergießt sich in kühnen Spielen. Der Boden, auf dem das Ganze geschieht, versammelte in jener Zeit[3] alle romantischen[3] Principien, die es noch in Europa gab, verbunden mit der Pracht des geselligen Lebens. Hierin war der Spanier tausendfältig vor dem deutschen Dichter begünstigt. Er hatte die Hirten, die auf freiem Felde lebten, einen ritterlichen Adel[2], das Volk[1] der Mauren, die nahe Küste von Afrika, den Hintergrund der Begebenheiten der Zeit[3] und der Feldzüge gegen die Seeräuber, endlich eine Nation, unter welcher die Poesie[11] populär ist – selbst malerische[4] Trachten, für den gewöhnlichen Gebrauch die Maulthiertreiber und den Baccalaureus von Salar. ➢ Volltext.
[97] Schiller, Fiesko (1783), NA 4, 45: Die Rechte der Nation sind zertrümmert. Die republikanische Freiheit[6] hat einen Todesstoß..
[98] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 36: Das Genie[2] dieser Nation, durch den Geist[12] des Handels und den Verkehr mit so vielen Völkern[1] entwickelt, glänzte in nützlichen Erfindungen; im Schooße des Ueberflusses und der Freiheit[6] reiften alle edleren Künste[2]..
[99] Schiller, Abfall Niederl. (1788), NA 17, 288: Margaretha besaß Geschicklichkeit und Geist[20], eine gelernte Staatskunst auf einen regelmäßigen Fall mit Feinheit anzuwenden, aber ihr fehlte der schöpferische Sinn[6], für einen neuen[1] und außerordentlichen Fall eine neue[1] Maxime zu erfinden, oder eine alte[1] mit Weisheit zu übertreten. In einem Lande, wo die feinste Staatskunst Redlichkeit war, hatte sie den unglücklichen Einfall, ihre hinterlistige italienische Politik zu üben, und säete dadurch ein verderbliches Mißtrauen in die Gemüther. Die Nachgiebigkeit, die man ihr so freigebig zum Verdienste anrechnet, hatte der herzhafte Widerstand der Nazion ihrer Schwäche und Zaghaftigkeit abgepreßt; nie hat sie sich aus selbstgebohrnem Endschlusse über den Buchstaben[11] der königlichen Befehle erhoben, nie den barbarischen Sinn[2] ihres Auftrags aus eigner schöner[1] Menschlichkeit misverstanden. Selbst die wenigen Bewilligungen, wozu die Noth sie zwang, gab sie mit unsichrer zurückgezogner Hand, als hätte sie gefürchtet, zuviel zu geben, und sie verlor die Frucht ihrer Wohlthaten, weil sie mit filziger Genauigkeit daran stümmelte. Was sie zu wenig war in ihrem ganzen übrigen Leben, war sie zuviel auf dem Throne – eine Frau[1]. Es stand bei ihr, nach Granvella's Vertreibung, die Wohlthäterin des niederländischen Volks[1] zu werden, und sie ist es nicht geworden. Ihr höchstes Gut war das Wohlgefallen ihres Königs, ihr höchstes Unglück seine Misbilligung; bei allen Vorzügen ihres Geistes[22] bleibt sie ein gemeines 〈289〉 Geschöpf, weil ihrem Herzen der Adel[5] fehlte..
[100] Schiller, Egmont (1788), NA 22, 295: Die grausamen Prozeduren, welche, den strengen Religionsedikten gemäß, gegen die Ketzer ergiengen, die Insolenz der spanischen Truppen, welche [...], der Konstitution zuwider, in den Gränzstädten in Besatzung lagen, [...] mit den Privatbeschwerden gegen den Minister verbunden – alles dieses wirkte zusammen, die Nation mit Besorgnissen zu erfüllen, und den Adel[2] wie das Volk[5] gegen das Joch des Ministers zu empören. .
[101] Schiller, Send. Moses (1790), NA 17, 380: Woher sollte aber nun den Ebräern dieser Retter kommen? Schwerlich aus der Mitte der Egypter selbst, denn wie sollte sich einer von diesen für eine Nation verwenden, die ihm fremd[5] war, deren Sprache[3] er nicht einmal verstand, und sich gewiß nicht die Mühe nahm zu erlernen, die ihm eines bessern Schicksals eben so unfähig als unwürdig scheinen mußte. Aus ihrer eignen Mitte aber noch viel weniger, denn was hat die Unmenschlichkeit der Egypter im Verlauf einiger Jahrhunderte aus dem Volk[1] der Ebräer endlich gemacht? Das roheste, das bößartigste, das verworfenste Volk[1] der Erde, durch eine 300jährige Vernachlässigung verwildert, durch einen so langen knechtischen Druck verzagt gemacht und erbittert, durch eine erblich auf ihm haftende Infamie vor sich selbst erniedrigt, entnervt und gelähmt zu allen heroischen Entschlüßen; durch eine solange anhaltende Dummheit endlich fast bis zum Thier[10] herunter gestoßen. Wie sollte aus einer so verwahrloßten Menschenrasse ein freier Mann, ein erleuchteter 〈381〉 Kopf, ein Held oder ein Staatsmann hervorgehen?.
[102] Schiller, an Goethe (27. 4. 1798), NA 29, 229: Die unterstrichene Stelle in Humboldts Briefe[1] den ich Ihnen zurücksende, ist ihm vermuthlich selbst noch nicht so recht klar gewesen, und dann scheint das Ganze mehr eine Anschauung als einen deutlichen Begriff[1] auszusprechen. Er will, däucht mir, überhaupt nur sagen, daß das Gemeinsame, folglich Nationelle, in den Franzosen sowohl in ihren gewöhnlichen Erscheinungen als in ihren Vorzügen und Verirrungen eine Wirksamkeit des Verstandes und seiner Adhärentien nehmlich des Witzes[2], der Beobachtung etc sey, ohne verhältnißmäßige Mitwirkung des Ideenvermögens, und daß sie mehr physisch als moralisch rührbar seien. Das ist keine Frage daß sie beßere Realisten als Idealisten sind, und ich nehme daraus ein siegendes Argument, daß der Realism keinen Poeten machen kann..
[103] Schiller, Ged. II (1802), NA 2.1, 128: Edler Freund! Wo öfnet sich dem Frieden, | Wo der Freiheit[7] sich ein Zufluchtsort? | Das Jahrhundert ist im Sturm geschieden, | Und das neue[3] öfnet sich mit Mord. || Und die Grenzen aller Länder wanken, | Und die alten[1] Formen stürzen ein, | Nicht das Weltmeer sezt der Kriegswut Schranken, | Nicht der Nilgott und der alte[1] Rhein. || Zwo gewaltge Nationen ringen | Um der Welt alleinigen Besitz, | Aller Länder Freiheit[7] zu verschlingen, | Schwingen sie den Dreizack und den Blitz..
[104] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!
1801–02), KAV 1, 411: Die Nüchternheit [...], welche die Kunstrichter als Correctheit anpreisen, ist meistens nur Fantasielosigkeit und Armuth des Geistes[20]. Als Schwulst und Bombast pflegen eben diese alles zu verwerfen, was irgend über den Horizont des Herkommens und der Gewöhnung hinausgeht. Sie wenden dabey den schon ein andermal gerügten grundlosen Begriff vom Natürlichen[4] und Unnatürlichen an, indem sie mit ihrer Natur[2] nicht die große, unendliche, sondern die oft kläglich beschränkte Ansicht einer Nation, eines Zeitalters meynen. Nur auf eine solche Verschwendung von Bildern, welcher kein wahrer Schwung der Fantasie[2] zum Grunde liegt [...], paßt die Benennung des Schwulstes, oder des Bombastes, wenn die Fantasie[2] sich aus den heitern[4] Regionen schöner Anschaulichkeit in das Verworrne und Sinnlose verliert. Sonst aber kann eigentlich eine Metapher[1] niemals zu kühn seyn. Alle Dinge stehn in Beziehungen auf einander, alles bedeutet daher alles, jeder Theil des Universums spiegelt daher das Ganze: dieses sind eben so wohl philosophische als poetische Wahrheiten. Nach der einen großen Metapher[5], welche schon in der ursprünglichen Bildung[3] der Sprache[1] liegt, da nämlich das Sinnliche das zu bezeichnende Geistige vertreten muß, wodurch die Gleichheit dieser beyden entgegengesetzten Welten erklärt wird, kann eigentlich der Dichter nichts kühneres mehr wagen..[105] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 549 f.: Die Entstehung jener gewissermaßen unregelmäßigen aber unendlich reizenden Mannichfaltigkeit in der Sprache[3] muß man sich so denken, daß bey den vielen kleinen Völkerschaften, worein sich der Griech.[ische] Völkerstamm spaltete, bey den einen diese Formen, Ausdrücke und Sprecharten aufgekommen waren, bey andern jene; und daß bey nachher erfolgter Vermischung von allen etwas beybehalten ward. Wir werden durch diese Bemerkung auf einen Punkt geführt, der für die gesamte Griechische Bildung[5] äußerst wichtig ist: daß nämlich die Lage dieser Nation ganz dazu eingerichtet war, daß sie sich aufs mannichfaltigste individualisiren, und dann wieder durch lebhaften Verkehr, das Individuelle zu einem allgemeineren Charakter[1] verschmelzen mußte. Man sehe nur auf der Landcharte den Erdstrich an, welchen die Griechen inne hatten. Auf einer weiten ununterbrochnen Ebne hätten sie schwerlich das werden können, was sie wurden, und wären vielleicht, wie andre Nationen in Asien unter einer despotischen Regierungsform auf einer sehr niedrigen Stufe für immer fixirt geblieben. [...] 〈550〉 [...] | Bey einer solchen Nation mußten natürlicher[4] Weise Dialekte[1] entstehen: bey den Griechen allein aber (unter den Nationen wenigstens, die wir bey solchen Betrachtungen vor Augen zu haben pflegen) haben wir die Erscheinung, daß die Dialekte[1] nicht bloß untergeordnete, mehr oder weniger rohe oder verderbte, Abarten einer vollkommneren Hauptsprache blieben, sondern sich zu einem bestimmten im Verhältniß gegen die übrige Nation gültigen Charakter[1] entwickelten, und nicht bloß im gemeinen Leben, sondern auch in der Schrift gebraucht wurden, ja in verschiednen Gattungen der Poesie[11] kunstmäßig gebraucht werden mußten. ➢ vgl. [122].
[106] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 551: Zuvörderst was die älteste[1] epische Epoche betrifft, so fällt sie, genauer betrachtet, vor der eigentlichen Sonderung der Dialekte[1], in der höheren, oben angegebnen, Bedeutung dieses Wortes[1]. Wir finden beym Homer die Griechische Bildung[5] auf einer Stufe, wo die Bestandtheile der Nation durch Kriege, Wanderungen und mancherley Revolutionen sich gegenseitig durchdrungen hatten, [...] aber noch nicht wieder nach verschiednen eigenthümlichen Richtungen gesetzmäßiger aus einander gegangen waren. Deswegen behaupten die Alten[10], Homer habe geflissentlich alle Dialekte[1] durch einander gemischt, um sämtlichen Griechen verständlich zu seyn: der Wahrnehmung nach richtig, aber nur historisch unrichtig ausgedrückt..
[107] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!
1802–03), KAV 1, 714: Boileau ist einer von den Menschen, die sich durch die bloße Negation geltend gemacht haben. Durch die Armuth an Fantasie[1] gelangte er zum Ruf des Urtheils, durch den gänzlichen Mangel an Gefühl, zu dem des Verstandes; aber welchem Mangel er unter einer, nicht ganz mit Unrecht für witzig gehaltnen Nation, den Ruhm des Witzes[1] zu verdanken hat, dieß habe ich noch nicht ausfindig machen können..[108] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 46 f. (47): Die Philologie ist an sich ein liberales Studium, weil es bloß auf Uebung und Bildung[2] des Geistes[14] im allgemeinen abzweckt, und sich der Gemeinnützigkeit bestimmter Anwendungen entzieht. Man hat sie aber auch in der neueren[5] Epoche diesen unterwürfig machen wollen, 〈47〉 und dadurch auf Abwege geleitet. Die älteren[10] Philologen suchten den Schülern bloß den Buchstaben[11] der alten[10] Autoren zu eröffnen, in der Zuversicht, wenn sie selbigen treufleißig erlernt hätten, würde ihnen der Geist[30] nach dem Maaße ihres Sinnes[5] von selbst aufgehen. Jetzt hat man sie voreilig in diesen einzuweihen gedacht, ohne ihn selbst recht gefaßt zu haben: man hat in Noten viel über die Schönheiten[3] der Dichter gefaselt, man hat die Mythologie nach oberflächlichen Ansichten aus der sogenannten Geschichte[4] der Menschheit[2], d. h. aus Vergleichungen mit andern Nationen auf gleichen Stufen der Cultur[4] [...], zugestutzt, u. s. w. Was ist dabei herausgekommen? Die grammatische Gründlichkeit ist vernachlässigt, und das Höhere nicht erreicht worden. ➢ Volltext.
[109] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 77 f. (78): Europa, be〈78〉stimmt, nur eine einzige große Nation auszumachen, wozu auch die Anlage im Mittelalter da war, spaltete sich in sich: das wissenschaftliche Streben zog sich nach Norden, die Kunst[4] und Poesie[11] blieb im Süden; und da ohne die Reformation Rom verdienter Maßen der Mittelpunkt der Welt geblieben wäre, und die ganze europäische Bildung[5] italiänische Farbe und Gestaltung angenommen hätte, so gaben jetzt Frankreich und England den Ton an, und unnatürlich verbreitete sich von daher aus der Westwelt vieles auch über Deutschland, den eigentlichen Orient[2] von Europa. ➢ Volltext.
[110] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 14: Wenn [...] in einer allgemeinen Geschichte[7] der romantischen[12] Poesie[11] die Deutschen eine so unansehnliche Rolle spielen, ja fast daraus verschwinden, wenn wir besonders keine romantischen[12] Künstler aus der Vorzeit aufzuweisen haben, die sich den großen entgegenstellen ließen, worauf andre Nationen seit Jahrhunderten stolz sind: so können wir uns damit trösten, daß unter der allgemeinen prosaischen[3] Erstorbenheit bey uns zuerst das Gefühl für ächte Poesie[11] wieder erwacht ist; daß wir mitlebende Künstler besitzen, die nicht nur den alten[10] Meistern mit Glück nachfolgen, sondern etwas eigenthümliches wollen und anstreben, und eine noch nicht erreichte Stufe zu ersteigen, einen neuen[1] Styl der romantischen[12] Kunst[3] zu bilden angefangen haben, wie ihn die Wendungen fodern, welche der menschliche Geist[10] seitdem genommen, besonders die tiefere Ergründung seiner selbst; Künstler sage ich, die selbstständig und originell noch unerforschte Geheimnisse des menschlichen Gemüthes, dieses unerschöpflichen Räthsels, zu offenbaren wissen..
[111] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 147: Heutiges Tages, wo den meisten Menschen[1] und Nationen die Idee von der organischen[6] Bildung[10] und Construction eines poetischen[4] oder überhaupt Kunstganzen durchaus abhanden gekommen, geht es dem Dante eben, wie andern großen romantischen[12] Dichtern[1] z. B. Shakspeare und Cervantes, denen man eine Auszeichnung zu erweisen glaubt, wenn man sie Stellenweise lobt..
[112] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 51 f.: Philosophische Kritik[1], im wahren Sinne, findet nur da Statt, wo das Allgemeine auf etwas individuelles bezogen werden muß, zB. bey der Beurtheilung der Darstellungsweise, deren sich Philosophen aus verschiednen Zeitaltern und Nationen für ihre Systeme bedient haben, wobey denn auch die zweyte philologische Fertigkeit, Auslegungskunst, unentbehrlich ist. Häufig fehlte es den Philosophen in Beurtheilung ihrer Vorgänger eben an philologischem Geist[20], und sie glaubten gegen die Sache zu argumentiren, wenn sie bloß mit einem aus den Mängeln der Darstellung entsprungnen Misverstande kämpften. Das Geschäft zB. die Kritik[4] der reinen Vernunft[1] zu kritisiren würde demnach nicht darin bestehen, die Wahrheit und den Zusammenhang der darin vorgetragnen allgemeinen Sätze zu prüfen, sondern die darin eingefloßnen Subjectivitäten aus dem Charakter[2] des Urhebers, aus dem Gange seiner Forschung und der Stellung gegen das Zeitalter zu zeigen und auszuscheiden, wodurch es allein möglich wird jene von den Buchstaben[11] zu entfesseln, und ihren wahren Gehalt an〈52〉ders als durch Nachbetung der Worte[2] Kants zusammenzufassen, wogegen dieser leider zum neuen Beweise der persönlichen Einflüsse protestirt hat. .
[113] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 65: Die Symbolik beruht zwar auf allgemeinen Gesetzen der Fantasie[2] und des Schematismus, doch modificirt sie sich nach Zeitaltern und Nationen; und indem hier der Cirkel eintritt, in welchem der Philolog sich so oft befangen sieht, daß er eben dasjenige aus dem Gegenstande erst kennen lernen muß, wovon er die Kenntniß doch zu dessen richtiger Beurtheilung schon bedarf, so fällt auch diese Deutung symbolischer Monumente ihrer ganzen Analogie nach unter die höhere philologische Kritik[2]..[114] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 195: Die Erzählung von der Art wie Romulus die Stadt durch Eröffnung eines Asylums angelegt, deutet auf Entwicklung der Römischen Nation aus einem gemischten Haufen: und ihre Lage zwischen Etrurien und Latium spricht dafür. Auch ist zu bemerken, daß die Sprache[3] der Römer niemals von ihnen oder der Hauptstadt den Namen geführt, sondern die Lateinische geheißen: ein auffallender Beweis, daß sie schon vor Erbauung Roms vorhanden und gebildet war, und daß die Römer sich von einer größeren Völkerschaft, wozu sie gehörten, hauptsächlich nur durch politische Mittel ausgesondert..
[115] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 217: Überhaupt muß man sich hüten, von der großen Rolle Frankreichs im modernen Europa auf die früheren Zeiten zurückzuschließen. Hier mußte es sehr gegen Deutschland zurückstehen. Denn zuvörderst war es in zwey ganz verschiedne Sprachen[3] getheilt, die Französische und Provenzalische, und schon deswegen erscheinen die Franzosen weniger als Eine Nation. Das Französische blieb lange ein unförmlicher widerwärtiger Dialekt[1], während das Provenzalische durch liebliche Poesie[11] ausgebildet, weit höher geschätzt und im Auslande verbreitet war. Es ist eigentlich ein zufälliger und für die National-Cultur unstreitig sehr nachtheiliger Umstand, daß dieser nördlichere dürftige Sprößling des Lateinischen zur herrschenden Sprache[3] erhoben worden; wenn die Krone an ein südliches Fürstenhaus gekommen wäre, so würde es wahrscheinlich umgekehrt ergangen seyn, und man würde das Französische jetzt nur als ein unbedeutendes Patois kennen..
[116] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 238: Daß die nordischen Reiche nicht als in einer Continuität mit dem heutigen Deutschlande stehen, und von dort aus bevölkert worden, weiset, wie mich dünkt, schon der größere Abstand der, obwohl verwandten Sprachen[3] aus. Nach Holland und England zu verändert sich der Dialekt[1] durch das Plattdeutsche, Niederdeutsche (wie die Holländer ihre Sprache[3] nennen) und Friesische allmählich. Das Dänische aber ist dem Schwedischen weit näher verwandt als dem Deutschen, und wenn Dänemark ehedem von derselben Nation bewohnt war, welche unter dem Namen der Angeln und Sachsen England eroberten, so dürfte es nachher von einer scandinavischen Kolonie besetzt seyn. Die Verschiedenheit der Sprachen[3] ist vielleicht nur eine klimatische: das Dänische ist weich und auseinander geflossen, so wie ihr Klima[1] feucht und nebelicht, das Schwedische athmet eine rauhere Bergluft..
[117] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 248: Was das seltsamste ist, so verband sich mit dieser unerhörten Knechtschaft der Nation im Ganzen der wildeste zügelloseste Demokratismus eines zahlreichen Adels[2] der allein für die Nation galt. Das Lehnsystem, die Gradation der Vasallen unter einander hat hier niemals Statt gefunden, und so entbehrte Pohlen auch diese Wohlthat, die ihm durch Deutsche Eroberung würde zu Theil geworden seyn; denn es ist merkwürdig daß neben dem Lehnsystem die republikanische Freyheit[6] der Städte in den meisten Ländern sich auf das schönste entwickeln konnte, während sie hier nie aufkam. Frey[6] und adelich blieb gleichbedeutend, so wie Gesamtheit des Adels[2] und Nation: und die Freyheit[6] und Gleichheit dieser Adels-Republik unter 〈249〉 einem beschränkten Wahlkönige ist auf eine so tolle Art behauptet worden, daß die Verkehrtheit der Polnischen Verfassung und die Unordnungen ihres Reichstages zum Sprichworte haben werden müssen..
[118] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 250: Man hat sich sehr für Kosciusko's Entwürfe enthusiastisirt, allein es fragt sich ob ihr Misglücken mehr als ein augenblickliches Bedauern verdienen kann. Der knechtische Theil der Nation war für die Wohlthaten noch nicht reif, die er ihm verschaffen wollte, und kann wohl nur allmählich dazu vorbereitet werden, der höhere Adel[2] ausgeartet und verderbt..
[119] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 266: Da [...] die lokalen Geschichten des modernen Europa ohne Sinn[5] für die Zeitalter und die darin liegende Beziehung auf das Ganze, den Ausländern gänzlich uninteressant werden, ja nicht einmal allgemein bey den Mitgliedern einer Nation, wo es an Nationalität und Patriotismus fehlt, auf rege Theilnahme rechnen dürfen: so bescheiden sie sich von selbst, bloß zu bedingten lokalen Zwecken geschrieben zu seyn, als Handbücher der Geschäftsmänner und Juristen in einem Staat, der vielleicht nur wenige Meilen im Umkreise hat, und außer welchem kein Mensch um diese obscuren Geschichten sich bekümmert. Dieß Bewußtseyn hat dann auf die Form den nachtheiligsten Einfluß gehabt: je brauchbarer für solche Zwecke, desto unlesbarer und barbarischer sind gewöhnlich solche Geschichtbücher. | Bey solchen bloß technisch-praktischen Historien beruht natürlich die ganze Brauchbarkeit auf der Erweislichkeit der Thatsachen. Daher ist es Sitte geworden die Geschichtforschung mit in die Geschichtschreibung hinein zu tragen; und weitläuftig über Dinge für und wider zu discutiren, die ein Alter ganz kurz mit Erwähnung der beyden abweichenden Meynungen unentschieden hätte dahin gestellt seyn lassen. Ohne Sinn[5] für Erweise, zu denen eine lebendige Anschauung der Vergangenheit erfodert wird, hat man alles auf den todten Buchstaben[6/8] zu reduciren gesucht; und da unter schriftlichen Denkmälern keine einen höheren Grad von Glaubwürdigkeit zu haben scheinen, als Diplome, so ist es der größte Lobspruch solcher technischen Specialgeschichten geworden: sie seyen diplomatisch geschrieben. Es könnte sich treffen, daß eine dergleichen zwar nichts unrichtiges, aber auch nicht das rechte wahre enthielte. Selbst das in öffentlichen Akten verhandelte bekömmt durch den Geist[14] der Menschen erst seine lebendige Bedeutung..
[120] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 294: Man muß bey der Etymologie davon ausgehen, daß alle Wörter[1] durch Hinzufügung bestimmender Laute und ableitender Sylben aus den einfachsten syllabischen Zusammenfügungen entstanden sind. Die einzelnen Buchstaben[7] bedeuten aber schon an und für sich etwas, nur ist es sehr schwer, dieß zu fassen, weil es natürlich[4] schwankend und unbestimmt ist. Den größten Aufschluß hierüber muß die Betrachtung der Bewegungen welche mit den Sprachorganen zur Hervorbringung gewisser Laute vorgenommen werden, geben. Wiewohl die Alphabete verschiedner Nationen von einander abweichen, so giebt es doch auch hierin etwas gemeinschaftliches, ein Grundalphabet, welches nicht zufällig aus grade so vielen, und diesen oder jenen Lauten besteht, sondern worin gesetzmäßige Einheit ist, so daß es ein wahres System ausmacht, in welchem alles zusammenhängt, 〈295〉 sich gegenseitig fordert und bestimmt..
[121] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 312: Die accentuirten und nicht accentuirten Sylben hat man alsdann in ein ungefähres Gleichgewicht zu setzen gesucht, oder es hat sich dieß auch von selbst gemacht. [...] Was nun die Anordnung dabey betrifft, so hat sich der Geschmack und das Ohr[3] der nordischen Nationen[1], der Deutschen, Engländer u. s. w. für ein regelmäßiges Alterniren, das der südlichen aber, der Franzosen, Italiäner, Spanier und Portugiesen für eine beseeltere Freyheit[1] entschieden, und erst seit kurzem hat man den Deutschen Versbau, so viel es die Natur[1] der Sprache[3] gestattet, den letztgenannten Mustern anzunähern versucht..
[122] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 324: Einen ganz einzigen Vorzug hat die Griechische Sprache[3] an ihren Dialecten[1], welche nicht, wie bey andern Nationen, unvollkommne Abarten der allgemeinen Sprache[3] sind, sondern vielmehr Ausbildungen derselben in verschiednen Richtungen, so daß die Gesamtheit des Griechischen Nationalcharakters nur durch sie alle zusammen ausgedrückt wurde, und diese Dialecte[1] in der Büchersprache galten, ja gewisse Gattungen der Poesie[11] ihrer nicht entrathen könnten. ➢ vgl. [105].
[123] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 327: Mit vier Buchstaben[1]: S. P. Q. R. wurde die Gesamtheit des Staats und seine Verfassung ausgedrückt; ein Begriff bezeichnet, der alle Nationen in Ehrfurcht erhielt. .
[124] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 336: Das Deutsche ist wirklich so sehr eine lebende Sprache[3], als es nur Statt finden kann. Aus der bisherigen Darstellung muß es schon klar geworden seyn, welchen Weg es zugleich mit der nationalen Bildung[2] (denn dieß läuft immer parallel) einschlägt, und welch ein Ziel beyden vorgestellt ist. Universalität ist unsre wahre Eigenthümlichkeit: es ist auf nichts geringeres angelegt, als die Vorzüge der verschiedensten Nationalitäten zu vereinigen, sich in alle hineinzudenken und hineinzufühlen, und so einen kosmopolitischen Mittelpunkt für den menschlichen Geist[19] zu stiften. Nach dem Gange, welchen die Philosophie der Cultur[3] vorzeichnet, muß jede neue[1] Epoche derselben mit einem höheren Bewußtseyn verknüpft werden: es wird also auch die jetzt beginnende mehr den Charakter[1] der Freyheit[10] und Absichtlichkeit tragen als irgend eine frühere; und was uns so lange im äußern Glanze gegen die einseitige, beschränkte aber eben darum entschiedne Wirksamkeit andrer Nationen hat zurückstehen lassen: der Mangel einer Richtung, welcher, in ein Positives verwandelt, zur Allseitigkeit der Richtungen wird: muß in der Folge die Überlegenheit auf unsre Seite bringen. Es ist daher gewiß keine zu sanguinische Hoffnung anzunehmen, daß der Zeitpunkt nicht so gar entfernt ist, wo das Deutsche allgemeines Organ[1] der Mittheilung für die gebildeten Nationen seyn wird. .
[125] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 357: [M]an [muß] den Gedanken loben, der seit der Wiederbelebung der classischen[7] Literatur in Europa gegolten hat, die Beschäftigung mit den alten[10] Sprachen[3], ohne bestimmte nähere Zwecke, zur Erziehung überhaupt, als zur allgemeinen Ausbildung dienlich, mitzurechnen. Nur freylich wird die Sache meistens so pedantisch und und verkehrt getrieben, daß man wenig heilsame Wirkungen davon gewahr wird, und nicht sieht, was zB. die Engländer, die sich auf Schulen und Universitäten fast ausschließend mit Lesung der Classiker[2] beschäftigen, dadurch vor den Franzosen voraushaben, bey denen das Griechische eine wahre Seltenheit ist, und das Lateinische ziemlich flüchtig erlernt wird. Unter den Nationen[1] des südlichen Europa scheint sich vermöge der analogeren Conformation der Sprachen[3] das Latein immer noch mehr lebendig zu erhalten, und die Holländer haben in dem beharrlichen Studium der Classiker[2] überhaupt einen edleren Geschmack bewiesen, als man ihnen zutrauen sollte..
[126] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 5 f.: Wir sehen eine Menge Menschen, ja ganze Nationen, so sehr befangen in den Gewöhnungen ihrer Erziehung und Lebensweise, daß sie sich auch dann nicht davon losreißen können, wenn vom Genusse schöner[2] Kunst[9] die Rede ist. Nur dasjenige, was in ihrer Sprache[3], ihren Sitten und ihren gesellschaftlichen Verhältnissen einheimisch und hergebracht ist, erscheint ihnen als natürlich[4], schicklich und schön[2]. In dieser ausschließenden Ansicht und Empfindungsweise kann man es durch Bildung[4] zu einer großen Feinheit der Unterscheidung in dem engen Kreise bringen, worauf man sich nun einmal beschränkt hat. Aber ein ächter Kenner kann man nicht seyn ohne Universalität des Geistes[14], d. h. ohne die Biegsamkeit, welche uns in den Stand setzt, mit Verläugnung persönlicher Vorliebe und blinder Gewöhnung, uns in die Eigenheiten anderer Völker[1] 〈6〉 und Zeitalter zu versetzen, sie gleichsam aus ihrem Mittelpunkte heraus zu fühlen, und was die menschliche Natur[1] adelt, alles Schöne[2] und Große unter den äußerlichen Zuthaten, deren es zu seiner Verkörperung bedarf, ja bisweilen unter befremdlich scheinenden Verkleidungen zu erkennen und gehörig zu würdigen. Es giebt kein Monopol der Poesie[19] für gewisse Zeitalter und Völker[1]; folglich ist auch der Despotismus des Geschmacks, womit diese, gewisse vielleicht ganz willkührlich bey ihnen festgestellte Regeln allgemein durchsetzen wollen, immer eine ungültige Anmaßung. Poesie[19], im weitesten Sinne genommen, als die Fähigkeit das Schöne[2] zu ersinnen und es sichtbar oder hörbar darzustellen, ist eine allgemeine Gabe des Himmels, und selbst sogenannte Barbaren und Wilde haben nach ihrem Maaße Antheil daran. ➢ Volltext.
[127] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 30: Um Verwirrung zu verhüten, scheint es doch rathsamer, die verschiednen Litteraturen von einander zu sondern; die fremden[1] Einwirkungen lassen sich dennoch anmerken. Um so mehr, da bey einigen der neueren[3] Nationen ganz entschieden der Grundsatz der Nachahmung der Alten[10], bey andern der romantische[12] Geist[14] oder wenigstens eine um die classischen[7] Muster unbekümmerte Originalität vorgewaltet hat: jenes nämlich bey den Italiänern und Franzosen, dieses bey den Engländern und Spaniern. ➢ Volltext.
[128] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 149: Da die witzigen Köpfe der Franzosen sich erlaubt haben, alles in der Welt, und besonders die Geisteswerke andrer Nationen zu bespötteln, so wird man uns unsererseits auch wohl gönnen, uns gelegentlich daran zu ergötzen, wenn wir sehen, daß bey aller Sorgfalt ihre Trauerspieldichter der Klippe, die sie am meisten scheuten, dennoch dann und wann nicht haben entgehen können. Lessing hat das Lächerliche, wo es sich in der Anlage selbst findet, an der Rodogüne, Semiramis, Merope und Zaire, mit siegreichem Witze[4] verfolgt.
➢ Volltext
.[129] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 392: [D]ie Kreuzzüge im Hintergrunde, der Schauplatz zu Jerusalem, das Zusammentreffen verschiedner Nationen und Religions-Verwandten auf diesem morgenlän〈393〉dischen[1/2] Boden, das alles giebt dem Ganzen [sc. Lessing, Nathan] einen romantischen[4/10] Anstrich [...]. ➢ Volltext .
[130] F. Schlegel, G. Forster (1797), 33: Jeder klassische[3] Schriftsteller ist ein Wohlthäter seiner Nazion, und hat gerechte Ansprüche auf ein öffentliches Ehrendenkmal. ➢ Volltext.
[131] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 40, Nr. 155: Die rohen kosmopolitischen Versuche der Carthager und andrer Völker[1] des Alterthums[3] erscheinen gegen die politische Universalität der Römer, wie die Naturpoesie ungebildeter Nazionen gegen die klassische[3] Kunst[12] der Griechen. Nur die Römer waren zufrieden mit dem Geist[12] des Despotismus, und verachteten den Buchstaben[8]; nur sie haben naive[2] Tyrannen gehabt. ➢ Volltext.
[132] F. Schlegel, Lucinde (1799), 76 f. (77): Die Liebe selbst sey ewig neu und ewig jung, aber ihre Sprache[4] sey frey und kühn, 〈77〉 nach alter klassischer[7] Sitte, nicht züchtiger wie die römische Elegie und die Edelsten der größten Nazion, und nicht vernünftiger wie der große Plato und die heilige Sappho.
➢ Volltext
.[133] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 9: [I]ch glaube allerdings, es ist die Natur[2] selbst, welche die Frauen[1] mit Häuslichkeit umgiebt, und zur Religion[3] führt. Ich finde das alles schon in der Organisazion[5]. Fürchte nicht, daß ich Dir mit Anatomie kommen werde. Ich überlasse es einem künftigen Fontenelle oder Algarotti unsrer Nation, 〈10〉 das sonderbare Geheimniß des Geschlechtsunterschiedes mit Anstand und Eleganz für Damen darzustellen und zu enträthseln. Es bedarf gar nicht so vieler Umstände, um zu finden, daß die weibliche Organisation[5] ganz auf den einen schönen[6] Zweck der Mütterlichkeit gerichtet ist. ➢ Volltext.
[134] F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 13: Ich lebe wenigstens als Autor in der Welt, und so könnte ich wohl mit dem strengsten Ernste darüber nachdenken, was auch in dieser Rücksicht für das Volk[4] das heilsamste sey, und was von den Priestern und den Regenten zu wünschen wäre. Vor allen Dingen aber kann es mich reizen, den Geist[12] der Zeitalter und der Nazionen, auch in der Religion[3] zu erspähen und zu errathen.
➢ Volltext
.[135] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 66: Sie traten [...] mit einem unmäßigen Gelächter in die Gesellschaft, und aus den letzten Worten[2], die man hören konnte, ließ sich schließen, daß ihre Unterhaltung sich auf die sogenannten classischen[4] Dichter der Engländer bezog. Man sagte noch einiges über denselben Gegenstand, und Antonio, der sich gern bey Gelegenheit mit dergleichen polemischen Einfällen dem Gespräch einmischte, das er selten selbst führte, behauptete, die Grundsätze ihrer Kritik[2] und ihres Enthusiasmus wären im Smith über den Nationalreichthum zu suchen. Sie wären nur froh, wenn sie wieder einen Classiker in die öffentliche Schatzkammer tragen könnten. Wie jedes Buch auf dieser Insel ein Essay, so werde da auch jeder Schriftsteller, wenn er nur seine gehörige Zeit[6] gelegen habe, zum Classiker. Sie wären aus gleichem Grund und in gleicher Weise auf die Verfertigung der besten Scheeren stolz wie auf die der besten Poesie[11]. So ein Engländer lese den Shakspeare eigentlich nicht anders wie den Pope, den Dryden, oder wer sonst noch Classiker sei; bey dem einen denke er eben nicht mehr als bei dem andern. – Marcus meynte, das goldne Zeitalter sey nun einmal eine moderne[7] Krankheit, durch die jede Nation hindurch müsse, wie die Kinder durch die Pocken. ➢ Volltext.
[136] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 77: Von den Altvordern der Nation lernte er [sc. Dante] das eigenste und sonderbarste, das heiligste und das süßeste der neuen[3] gemeinen Mundart[1] zu classischer[3] Würde und Kraft zusammenzudrängen, und so die provenzalische Kunst der Reime zu veredeln [...]. ➢ Volltext.
[137] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 79: Der Versuch, das Romanzo durch einen würdigen Gegenstand und durch classische[3/5] Sprache[4] zur antiken[3] Würde der Epopöe zu erheben, das man sich als ein großes Kunstwerk[2] aller Kunstwerke[2] für die Nation, und nach seinem allegorischen Sinn[2] noch besonders für die Gelehrten dachte, blieb, so oft er auch wiederhohlt wurde, nur ein Versuch, der den rechten Punkt nicht treffen konnte. ➢ Volltext.
[138] F. Schlegel, an L. Tieck (15. 9. 1803), L, 136: Das Persische ist dem Deutschen so verwandt daß man beides fast für eine Sprache[3] ansehn kann; nur ist die eine so arabisirt, als die andre latinisirt. So gar der Gang der Poesie[3] und Litteratur bei beiden Nationen ist zum Erstaunen ähnlich; in der ältesten[1] Epoche eine Masse von alten[1] mythischen Nationalgedichten, auch in der Sprache[4] ganz einheimisch; und dann eine romantische[12] Zeit[3], wo das Arabische so durchaus angenommen, aber auch mehr geformt ward, wie in unsrer schwäbischen das Französische..
[139] F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. I (1804), 48: An einzelnen großen Geistern[32] jeder Art hat es überhaupt in Deutschland in keinem Jahrhundert gefehlt; und man darf wohl sagen, daß oftmals hier in Einem vereinigt war, was bei andern Nationen unter Hunderte vertheilt ist. Doch war das alles nur einzeln, und blieb ohne Folgen. Die alte[1] Dichtkunst war verlohren und vergessen, die Ausbildung der Prosa[1] gleichsam schon vor ihrer Entstehung gehindert, und immer mehr und mehr zerstörte die Nation sich selber. Eine Zerrüttung und Ein Bürgerkrieg folgte dem andern, und da die Reformation endlich durch die unglückliche Wendung, welche sie nahm, die Trennung der Nation gleichsam 〈49〉 auf ewig sanctionirte, da ganze Provinzen in eingebildeter Freiheit[7] sich losrissen, um endlich, wie es sich voraussehen ließ, unter fremdes[1] Joch zu sinken; da Ausländer jeder Art sich einnisteten; da die Fürsten selbst nach ausländischen Besitzungen und Verbindungen strebend, die vaterländischen Sitten vergaßen; was war natürlicher[4] und unvermeidlicher, als daß die Sprache[3] selbst entarten und verwildern mußte?.
[140] F. Schlegel, Gedanken (*1808–09), KFSA 19, 290 f. (291), Nr. 212: Die Sprache[3] d[er] Burgländischen Deutschen oder Sachsen 〈in der Haromßecker Gespannschaft〉 weicht von d.[er] Mundart[1] der Geisacher Kolonie sowohl als d[er] Leistritzer sehr ab. Die Sprache[3] der Sachsen im 〈291〉 Leistritzer District in d[er] Thorenburger Gespannschaft ist von d[er] Mundart[1] der Andreanischen Nation sehr verschieden, noch mehr aber der Einwohner von Regen, Zöpling, Botsch pp Viele Wörter[1] sind rein Deutsch, die meisten aber einem Hermanstädter ganz unbekannt..
[141] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 477: Da die spanische Dichtkunst überhaupt ohne allen fremdartigen Einfluß und durchaus rein romantisch[7] geblieben ist, da die christliche Ritterpoesie des Mittelalters bey dieser Nation am längsten bis in die Zeiten[3] der neuern[3] Bil〈478〉dung[5] fortgedauert, und die kunstreichste Form erlangt hat, so ist hier wohl der rechte Ort, das Wesen des Romantischen[12/7] überhaupt zu bestimmen. ➢ Volltext.
[142] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 482: In Einem Stücke wenigstens sollte man das spanische Drama und dessen Form sich zur Regel dienen lassen; ich meine darin, daß auch das Lust- oder überhaupt das bürgerliche Schauspiel dort durchgängig romantisch[7] und eben dadurch wahrhaft poetisch[1] ist. Ganz vergeblich sind und bleiben selbst auf der Bühne alle Versuche, die Darstellung der prosaischen[3] Wirklichkeit durch psychologischen Scharfsinn oder bloßen Modewitz zur Poesie[14] zu erheben, und wer irgend Gelegenheit hat, was andere Nationen Intriguen- oder Charakterstücke nennen, mit dem romantischen[7] Zauber der Calderonischen oder auch anderer spanischen Schauspiele zu vergleichen, der wird kaum Worte[2] finden, um den Abstand dieses poetischen[1] Reichthums mit der Armuth unsrer Bühne und besonders mit jenem Wesen was uns auf derselben für Witz[1] gelten soll, auszudrücken. ➢ Volltext.
[143] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 483: So wie aber unter den protestantischen Ländern England in der Verfassung der geistlichen[2] Gewalt und in den äußern Gebräuchen und Einrichtungen noch am meisten von der alten[6] Kirche beybehielt, so blühte auch hier die Poesie[11] zuerst wieder in kunstreicher Gestalt und schöner[1] Bildung[10] empor und zwar ganz sich anschließend an die romantische[7] Weise der südlichen katholischen Völker[1]. Spenser, Shakspeare, Milton bestätigen dieß. Wie sehr Shakspeare das Romantische[7] der alten[6] Ritterzeit und auch die südlicheren Farben der Fantasie[20] in seinen Darstellungen liebte, darf nicht erst erinnert werden; Spenser ist selbst Ritterdichter, und er wie Milton folgten bestimmten romantischen[7], besonders italienischen Vorbildern. Je näher die Litteratur uns tritt, je reicher sie in den neuern[3] Zeiten[3] anwächst, je nothwendiger wird es mir, meine Betrachtung nur auf solche Dichter und Schriftsteller zu beschränken, welche den Gipfel der Sprache[3] und Geistesbildung einer Nation bezeichnen, und welche eben darum auch für das Ganze und für andre Nationen die wichtigsten und lehrreichsten sind. In der That aber erschöpfen jene drey größten Dichter, welche England hervorgebracht hat, auch Alles was in der ältern[1] Epoche ihrer Poesie[11], im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert merkwürdig und groß ist. ➢ Volltext.
[144] A. W. Schlegel/C. Schlegel, Rez. Schulz (1797), 219: Man kann, ohne im geringsten undeutsch zu werden, das Schleppende und Schwerfällige, Fehler, denen unsre Sprache[3] durch die Natur[1] ihrer Wortfügungen und Wortstellungen nur allzusehr ausgesezt ist, mit dem raschen, flüchtigen Tritte der Französischen Prosa[5] vertauschen. Nichts würde uns im Grunde mehr von den Vorzügen dieses Musters entfernen als Gallicismen; denn keine Nation wacht sorgfältiger über die charakteristische[4] Reinheit ihrer Sprache[3], und verbannt alles, was sich nicht mit ihrer allgemeinen Beschaffenheit in Harmonie setzen läßt, mit größerer Strenge daraus, als die Französische. Diese Klippe, auf die man bey dem Bestreben nach Annäherung so leicht geräth, hat Hr. S. [sc. Friedrich Schulz] mehrentheils glücklich vermieden. Selbst wo er ganz nach fremden[1] Erfindungen arbeitet, überträgt er weniger wörtlich, und erinnert seltner an ein Original, als die deutsche Treue, die sich sonst auch im Uebersetzen[1] bewährt, es mit sich bringt. Vielleicht ist es ihm eben dadurch besser gelungen, den Eindruck im Ganzen wieder zu geben, wozu in dieser Gattung die Ungezwungenheit sehr wesentlich mitgehört..
[145] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 78: Alle Begriffe[1], und nur Begriffe[1] sind es, welche Worte[1] bezeichnen, sind nur für die Vernunft da, gehn von ihr aus: man steht mit ihnen also schon auf einem einseitigen Standpunkt. Aber von einem solchen aus erscheint das Nähere deutlich und wird als positiv gesetzt; das Fernere fließt zusammen und wird bald nur noch negativ berücksichtigt; so nennt jede Nation alle Andern Fremde[1], der Grieche alle Andern Barbaren, der Gläubige alle Andern Ketzer, oder Heiden, der Adel[2] alle Andern roturiers, der Student alle Andern Philister u. dgl. m. ➢ Volltext.
[146] Chr. F. D. Schubart, Jud. (1789), 652: Den Juden[1] | geht jezt ein günstiges Gestirn nach dem andern auf. In Frankreich wird ihnen die Nazionalversammlung große Freiheiten[8] einräumen; in Preussen wird ihr Würkungskreis immer weiter, und unter Joseph dem Zweiten geniessen sie der höchsten Duldung. [...] Joseph [...] ertheilte [...] allen Juden[1] in seinem Reiche das Stadtrecht, wodurch sie Häuser und Herrschaften kaufen, verkaufen, Edelleute, Freiherren und Grafen, und sogar Landstände werden können, alle bürgerliche Gewerbe zu treiben befugt sind, und in Kriegs- und bürgerlichen Bedienungen angestellt werden sollen und müssen. Die Juden[1] verdienen diese hohe Vorrechte, denn schon lange genug haben sie geächzt unter dem Druke der Nazionen; und doch ist die heilige Wahrheit ausgegangen von ihnen auf uns. Ich hoffe, die Zeit[3] soll nahe seyn, wo Christen und Juden[1] so friedlich beieinander wohnen werden, wie das neue[3] und alte[1] Testament in den christlichen Bibeln; denen es ganz wohl ist – in Einem Bande..
[147] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 261: Es ist eine große Bemerkung, daß die Franzosen von den frühesten Zeiten[3] an die ersten waren, die es wagten, den Mollton zum herrschenden zu machen. Unstreitig ist dadurch mit die Nation zu jener Weichlichkeit herabgestimmt worden, welche alle Völker[1], so wie die französischen Weisen selbst so lange an dieser großen Nation ahndeten[3]. – Allgemein eingeführter Mollton schmelzt Männermark zu Brey und läßt Toilettenpuppen den Ton[6] angeben..
[148] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 208: Wenn diese Anmerkungen ihre Richtigkeit haben, so können daher die Gründe angegeben werden, warum ohne irgend einen Mangel an Genie, bis itzt noch so wenig deutsche Schriftsteller sich hervorgethan haben, von denen man vermuthen kann, daß sie, sowol bey der deutschen Nachwelt, als auch bey andern
Nationen
, als claßische Schriftsteller werden angesehen werden..[149] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 209: Daß überhaupt aller Orten mehr claßische Dichter, als andre claßische Schriftsteller erscheinen, läßt sich leicht begreifen. Die Einbildungskraft und die Empfindungen zeigen sich allemal früher, als der Verstand und der Beobachtungsgeist; also können sie in einer
Nation
auch eher zur Vollkommenheit kommen, als die Talente, die nur auf eine gewisse Grösse des Verstandes gegründet sind..[150] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 3: Es scheinet, daß Hr. Wieland bey Bekanntmachung seines Idris die Absicht gehabt, Deutschland ein Werk dieser Gattung [sc. des Abenteuerlichen3] zu liefern, das in seiner Art claßisch[3/4] werden sollte, so wie es der Orlando furioso des Ariost in Italien ist. Es fehlt in der That diesem Werk nicht an glänzenden poetischen[3] Schönheiten[1]; doch scheint etwas mehr, als dieses erfoderlich zu seyn, um ein Buch bey einer ganzen Nation claßisch[4] zu machen..
[151] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 208: Es scheinet, daß der Mensch ein gewisses Maas von Verstandeskräften habe, in die Beschaffenheit sittlicher Gegenstände einzudringen, welches er nicht überschreiten kann, und daß die besten Köpfe jeder
Nation
, die sich die Cultur[3] des Verstandes ernstlich hat angelegen seyn lassen, den höchsten Grad dieses Maasses erreichen. Daher geschieht es denn, daß die Schriften dieser Männer, in welcher Nation
und in welchem Jahrhundert sie gelebt haben mögen, jeder andern Nation
, die ohngefehr auch den höchsten Grad der Vernunft erreicht hat, nothwendig gefallen müssen. Diese sind alsdenn die wahren claßischen Schriftsteller für alle Völker. | Der beste Schriftsteller einer Nation
aber, die jenen hohen Grad der Cultur[4] noch nicht erreicht hat, kann seiner Nation
sehr gefallen, kann einen allgemeinen Ruhm bey seinen Zeitverwandten haben, ohne in die Zahl der claßischen Schriftsteller zu gehören. Nicht die besten jeder Nation
sind claßische Schriftsteller, sondern die besten der Nation
, welche die Cultur[3/4] der Vernunft auf das höchste gebracht hat..[152] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 276: Für einen Dichter von Genie[3], der den Menschen[6] sowol aus der Geschicht[5], als aus der täglichen Beobachtung kennen gelernt hat, ist die Materie zum Drama unerschöpflich. Aus der Geschichte[5] selbst stellen sich die größten oder die mächtigsten Männer dar, denen ganze Nationen ihr gutes oder schlechtes Schiksal zu verdanken haben. Er weiß sie wieder ins Leben zurük zu führen, uns fürs Gesichte zu stellen, und uns zu Zeugen ihrer merkwürdigsten Thaten zu machen, daß wir die grossen Seelen eines Themistokles, eines Alexanders, eines Cicero, und andrer claßischer[3] Männer, in ihren Reden und Handlungen[1] sich in unsrer Gegenwart entfalten sehen..
[153] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 289: Wer das Glük hat, von Jugend auf mit Menschen von feinerm Gefühl und einer edlern Lebensart umzugehen, dessen Geschmak wird allmählig zu dem edlern gebildet. Wer aber von dem Glük diese Wolthat nicht erhalten hat, der muß desto aufmerksamer das Genie[5] und den Geschmak der besten Werke der Kunst[2] alter[10] und neuer[5] Völker[1] studiren. Mit Vorbeygehung aller Schriftsteller und Künstler, die nur einen zufälligen Ruhm, aus irgend einem mechanischen Theil derselben, oder nur einen vorübergehenden Beyfall erhalten haben, muß er sich an die ersten und claßischen[3] Männer jeder Art halten; an die, die nicht blos bey ihrer Nation, sondern bey allen Völkern[1], wo der Geschmak aufgekommen ist, für die ersten in ihrer Art gehalten werden. Für junge, noch ungebildete Genie[4], wenn die Natur[2] sie nicht vorzüglich bedacht hat, ist es allemal gefährlich, gutes, mittelmäßiges und schlechtes durch einander zu lesen, oder zu sehen. Es gehört ein ausnehmendes Genie[3] dazu, sich nach schlechten Mustern zu bilden, und gut zu werden..
[154] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 1041: Unter einer Nation, die schon zu Empfindungen der wahren Ehre und zu einem gewissen Adel[5] des Charakters[1] gelanget ist, ist das Gepräg der Niederträchtigkeit, das man bisweilen tief in die Physionomie eingedrükt sieht, etwas sehr häßliches[1] [...]..
[155] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), X: Der Ritterstand verband damals alle Nationen in Europa, die Ritter reiseten aus dem fernsten Norden bis nach Spanien und Italien, die Kreuzzüge machten diesen Bund noch enger und veranlaßten ein wunderbares Verhältniß zwischen dem Orient und dem Abendlande[2]; vom Norden so wie vom Morgen her kamen Sagen, die sich mit den einheimischen vermischten, große Kriegsbegebenheiten, prächtige Hofhaltungen, Fürsten und Kayser, welche der Dichtkunst gewogen waren, eine triumfirende Kirche, die Helden kanonisirte, alle diese günstigen Umstände vereinigten sich, um dem freien unabhängigen Adel[2] und den wohlhabenden Bürgern ein glänzendes wunderbares Leben zu erschaffen [...]. ➢ Volltext.
[156] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XV: Der Reim wird aber nicht bloß auf eine so beschränkte Weise gebraucht, wie es diese Nationen [sc. Italiäner und Spanier] nachher fast zum Gesetz in der Poesie[3] gemacht haben. Ausserdem, daß er die einzelnen Verse beschließt und mit einander verknüpft, ist ihm noch ein ganz verschiedener Sinn[2] beigelegt, welcher den künstlichen Formen ein unendliches Feld eröffnet. Andre Reime werden nehmlich 〈XVI〉 noch oft in die Mitte gestellt, oder zu Anfang, oder gegen das Ende gehäuft, wodurch ein Gedicht in seinem Hauptverhältnisse und seiner Melodie noch viele andere Nebentöne bekommen kann, die im Liede zart und flüchtig, wie in einem leichten Elemente spielen, sich ganz darinne verliehren, und immer wieder von neuem hervortreten. Einem ungeübten Ohre[3] dürfte das schönste dieser Art nur als kindische Spielerei erscheinen, wo der feinere Sinn[5] die zartesten Laute der Sehnsucht vernimmt, die sich in Thränen und Schluchzen auflöst, anderswo wie ein klagendes Echo aus dem Gemüthe, oder das Rieseln eines muntern Baches, dessen Wellen freudig zusammenklingen. ➢ Volltext.
[157] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), 493 f. (494): Unter den Dichtern aber erreichte Racine in Sprach- und Verskunst eine harmonische Vol〈494〉lendung, wie sie nach meinem Gefühl weder Milton im Englischen, noch auch Virgil im Römischen haben, und die nachher in der französischen Sprache[3] nie wieder erreicht worden ist. Für das Ganze der Poesie[1] hätte man wohl wünschen mögen, daß für die Dichtersprache besonders, neben dieser kunstreichen Vollendung, auch etwas mehr Freyheit[9] übrig gelassen wäre; daß man die altfranzösische Poesie[11] der Ritterzeit, die doch so vieles Schöne[1] und Liebliche, in Erfindung und Sprache[3] hervorgebracht, nicht so ganz unbedingt und ohne Ausnahme verworfen, verachtet und vergessen hätte. Man hätte immer, wie ja auch von den Italienern und andern Nationen geschehen war, einen kunstreichern und ernstern Styl mit dem dichterischen Geist[12] der Ritterzeit verbinden können. Die französische Poesie[1] und die Sprache[3] würde dann etwas mehr von jenem romantischen[2/7] Schwunge und jener alten[6] Dichter-Freyheit[9] erhalten haben, die ihr Voltaire so oft zurück wünscht, und die er ihr auch obwohl zu spät und nur mit halbem Gelingen zum Theil wieder zu geben suchte. ➢ Volltext.
[158] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 121 f. (122): Als Albrecht [Dürer] den Pinsel führte, da war der Deutsche auf dem Völkerschauplatz unsers Welttheils noch ein eigenthümlicher und ausgezeichneter Charakter[6] von festem Bestand; und seinen Bildern ist nicht nur in Gesichtsbildung und im ganzen Äußeren, 〈122〉 sondern auch im inneren Geiste[12], dieses ernsthafte, grade und kräftige Wesen des deutschen Charakters[2] treu und deutlich eingeprägt. In unsern Zeiten[3] ist dieser festbestimmte deutsche Charakter[2], und eben so die deutsche Kunst[4], verloren gegangen. Der junge Deutsche lernt die Sprachen[3] aller Völker[1] Europa's, und soll prüfend und richtend aus dem Geiste[10] aller Nationen Nahrung ziehen; – und der Schüler der Kunst[4] wird belehrt, wie er den Ausdruck Raphaels, und die Farben der venezianischen Schule, und die Wahrheit der Niederländer, und das Zauberlicht des Correggio, alles zusammen nachahmen, und auf diesem Wege zur alles übertreffenden Vollkommenheit gelangen solle. – O traurige Afterweisheit! O blinder Glaube des Zeitalters, daß man jede Art der Schönheit[1], und jedes Vorzügliche aller großen Künstler der Erde, zusammen〈123〉setzen, und durch das Betrachten aller, und das Erbetteln von ihren mannigfachen großen Gaben, ihrer aller Geist[20] in sich vereinigen, und sie alle besiegen könne! ➢ Volltext.
[159] Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 161 u. 163: Wem eine so schnelle und große Veränderung zuzuschreiben sey, ist unter den Franzosen selbst keine Frage. Die ganze Nation ist nur Eine Stimme[6], sie [ist] nicht der Pracht des Hofes unter Ludwig XIV. nicht dem Weinbau, Seidenbau, den Manufacturen, und der Handlung, die damals in Frankreich blüheten, nicht dem Zusammenfluß glüklicher Umstände, welche sich zum glänzendsten Wohlstande des Französischen Reichs in der ersten Hälfte der Regierung jenes großen Königs vereinigten – sondern den Arnaud, Pascal, Bourdaloue, Fenelon, Bossuet, La Brüyere, 〈162〉 u. a. unter den Prosaisten, und den Corneille, Racine, Moliere, Boileau und La Fontaine unter den Dichtern, zuzuschreiben, welche sich, nach des Schiksals Schluß, zusammen fanden, und durch ihre Werke die goldne Epoke der französischen Litteratur hervorbrachten. Und wodurch wurden alle diese Männer die Classischen[3/4] Schriftsteller ihres Volkes[1], und die Muster der besten Schreibart? Etwa dadurch, daß sie sich nach dem Geschmacke der obern Classen[2] in Paris bildeten, und die Sprache[3] schrieben, welche jene redeten? Pascal, dessen Lettres Provinciales bis auf diesen Tag für das vollkommenste Muster der schönsten französischen Sprache[3] und Schreibart gelten, hatte von Jugend auf in einer großen Abgeschiedenheit gelebt, und zu seiner Zeit war die Clelie, der große Cyrus und andre Werke dieser Art noch die Mode-Lecture der obern Classen[2] in Paris. Der große Corneille war nichts weniger als was man einen Weltmann nennt; er lebte in seinem Cabinet und im Schooße seiner Familie; mit den hohen Charaktern[6] und Idealen des alten[10] Roms und Griechenlandes besser bekannt als mit dem Adel[2] und dem vornehmen Bürgerstande zu Paris. Mit welchem Grunde sollte man also von diesen und den übrigen großen Schriftstellern der schönsten Zeit Ludwigs des XIV. sagen können: daß sie den guten Geschmack, der ihnen vor ihren Vorgängern einen so großen Vorzug giebt, von ihren Zeitgenossen erhalten hätten? anstatt daß alle Welt bißher gerade das Gegentheil ge〈163〉glaubt hat. Freylich reden die ersten guten Schriftsteller eines Volks[1] keine unerhörte selbst erfundene Sprache[3]; und ihre vortreflichen Werke setzen voraus, daß die Sprache[3], schon durch eine Menge Stufen nach und nach zu einem großen Reichthum an Worten und Redensarten, und selbst zu einigem Grade von Ausbildung und Politur gekommen sey. Viele gute Schriftsteller mußten vorher an der Französischen Sprache[3] gearbeitet haben, ehe sie von den Besten der Vollkommenheit nahe gebracht werden konnte. Aber wodurch thaten diese leztern es in allen Schrift-Arten ihren Vorgängern so sehr zuvor? Etwa dadurch, daß sie ihren Geschmack nach den obern Classen[2] ihrer Nation, oder dadurch, daß sie ihn nach den besten Mustern der Alten bildeten? Man braucht sie nur zu lesen, nur ihr eignes Geständniß zu hören, um von dem leztern überzeugt zu werden. Die Calpreneden, die Boyers, Pradons u. s. w. diese waren die Leute, die sich nach dem Geschmack ihres Publikums richteten, und dadurch die vergängliche Ehre eines augenbliklichen Beyfalls erschlichen: aber die Corneille und Racine schlugen einen ganz andern Weg ein; sie erhoben sich durch ihren mit der reinsten Blüthe Classischer[7] Gelehrsamkeit genährten Genie, durch einen Geschmak, den sie sowohl an den vollkommnen Mustern der Alten als an den fehlerhaften Werken ihrer Vorgänger und Zeitgenossen geschärft hatten, über den Geschmak ihres Publikums; wurden die Gesezgeber 〈164〉 desselben, anstatt seine Sklaven zu seyn. ➢ Volltext.
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