[1]
Fichte, Appellat. Publ. (1799), 27
: Sage man es, wie man wolle, dieser Ueberdruß an dem Vergänglichen, dieses Sehnen nach einem höhern, bessern und unvergänglichen liegt unaustilgbar im Gemüthe des Menschen[1]. Eben so unaustilgbar ertönt in ihm die Stimme, daß etwas Pflicht sey und 〈28〉 Schuldigkeit, und lediglich darum, weil es Schuldigkeit ist, gethan werden müsse.
[2]
W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 811
: Der wahrhaft tugendhafte Mann ist tugendhaft, weil seine Gesinnung es ist, weil diese sich einmal durch alle seine Empfindungen und Neigungen ergossen hat. Aber er hört darum nicht auf, wachsam zu seyn, er entnervt nicht seine Stärke. Sobald der Fall der Gefahr eintritt, weiß er die Stimme der Sinnlichkeit zu verachten, allein dem dürren Buchstaben[11] des Gesetzes zu gehorchen. Und gegen diese Gefahr sichert keine, noch so glückliche, Organisation[5], keine, noch so feine, geistige Ausbildung.
[3]
Schiller, Geisters. (
31798), NA 16, 109
: Ernsthafte Empfindungen und ehrwürdige Wahrheiten, an denen sein Herz sonst mit aller Wärme gehangen, fingen nun an, Gegenstände seines Spotts zu werden. An den Wahrheiten der Religion[2] rächte er sich für den Druck, worunter ihn Wahnbegriffe solange gehalten hatten; aber weil eine nicht zu verfälschende Stimme seines Herzens die Taumeleien seines Kopfes bekämpfte, so war mehr Bitterkeit als fröhlicher Mut in seinem Witze[4].
[4]
C. Böhmer, an A. Reichard (E. Febr. 1794), C 1, 323
: Ich frage Sie [...] offenherzig, [...] wollen auch Sie unnüzer weise dazu beytragen, meine Lage zu erschweeren? Oder wollen Sie nicht lieber der Stimme folgen, die Ihnen das gewiß immer da verbietet, wo Sie Ursach haben, jemand für unglücklich zu halten..
[5]
Ehrmann, Amalie (1788), 122 f. (123)
: Wem wird es glaublich scheinen, daß die Jugend eines elternlosen Mädchens der Tirann 〈123〉 ihrer Ruhe ist? – Will so ein Mädchen der Stimme ihrer rechtschaffenen Erziehung folgen, will sie, ohne ins Abentheuerliche[6] zu verfallen, ihr Herz rein behalten, was für Stürmen ist sie da nicht ausgesezt? – Es giebt ja der Niederträchtigen so viele, die auf die Verfolgung einer schwachen, wehrlosen Waise ein Recht der Unverschämtheit zu haben glauben..
[6]
Fichte, Appellat. Publ. (1799), 32
: Was wir [...] zu thun haben, [...] lehrt uns [...] die unmittelbar gebietende, unaustilgbare und untrügliche innere Stimme des Gewissens..
[7]
C. Michaelis, an L. Gotter (12. 1. 1781), C 1, 34 f. (35)
: Du frugst mich, liebe Louise, ob ich an Linken geschrieben hätte. Nein, das würde weder mit meiner Pflicht, noch mit meinen Grundsäzen bestehn können. L. correspondirt blos mit seinem Freund, der ihm wohl Nachricht von mir giebt, aber dem ich weder etwas an ihn, noch er etwas an mich aufträgt. Weiter werde ich mich nicht einlaßen. Ich bin nicht so romanhaft[2] gesint, daß ich dächte, L. oder keinen, und da ich das nicht bin, so würd ich schlecht zu handeln glauben, wenn ich weiter ginge. Beste theure Louise, ich will nicht meine guten Eltern, meinen geliebten Bruder betrüben, nicht meiner Schwester Fehler durch mein Beyspiel rechtfertigen, nicht meiner Louise 〈35〉 Freundschaft unwerth handeln, und wäre die Stimme der Leidenschaft auch noch so stark, so würd ich mich dennoch besiegen, denn die Redlichkeit meiner Gesinnungen und gutes Herz sind mir mehr wehrt als zeitliches Glück..
[8]
Moritz, Menschl. Elend (1786), 85
: Du wägst das menschliche Elend auf trüglichen Schalen, scheint eine geheime Stimme in mir zu sagen – im Ganzen genommen ist das Elend nirgends als in dem Kopfe dessen, der ein Belieben daran findet, es zusammen zu fassen – was einmal einzeln ist, bleibt ewig einzeln[.].
[9]
v. d. Recke, Cagliostro (1787), 153
: Ach! wenn ich noch in den damaligen Zustand meiner Seele zurük schaue; so seh' ich, daß nichts schwerer ist als die Nebel zu zertheilen, die Irrglauben mit Aberglauben verbunden uns verbreiten. Durch sie verleitet, weiß man die abenteuerlichsten[3] Lehren in das ehrwürdige Gewand der Religion[1] zu hüllen; und selbst bey den größten Trieben zur Tugend, können wir uns nicht mehr aus den Labyrinthen des finstersten Aberglaubens hinaus finden, so bald uns erst gewisse Dinge, gegen die Stimme der Vernunft[3], durch Vorspiegelung der Erlangung höherer Kräfte und höchster Glückseligkeit, aufgedrungen worden sind..
[10]
Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 186
: Es erweckt mir kein gutes Vorurtheil für einen Menschen[1], wenn er der Stimme des Triebes so wenig trauen darf, daß er gezwungen ist, ihn jedesmal erst vor dem Grundsatze der Moral abzuhören; vielmehr achtet man ihn hoch, wenn er sich demselben ohne Gefahr, durch ihn mißgeleitet zu werden, mit einer gewissen Sicherheit vertraut. Denn das beweist, daß beide Principien in ihm sich schon in derjenigen Uebereinstimmung befinden, welche das Siegel der vollendeten Menschheit[1] und dasjenige ist, was man unter einer schönen[2] Seele verstehet. | Eine schöne[2] Seele nennt man es, wenn sich das sittliche Gefühl aller Empfindungen des Menschen[1] endlich bis zu dem Grad versichert hat, daß es dem Affekt die Leitung des Willens ohne Scheu überlassen darf und nie Gefahr läuft, mit den Entscheidungen desselben im Widerspruch zu stehen. Daher sind bey einer schönen[2] Seele die einzelnen Handlungen[1] eigentlich nicht sittlich, sondern der ganze Charakter[1] ist es. Man kann ihr auch keine einzige darunter zum Ver〈187〉dienst anrechnen, weil eine Befriedigung des Triebes nie verdienstlich heißen kann. Die schöne[2] Seele hat kein andres Verdienst, als daß sie ist. Mit einer Leichtigkeit, als wenn bloß der Instinkt aus ihr handelte, übt sie der Menschheit[4] peinlichste Pflichten aus, und das heldenmüthigste Opfer, das sie dem Naturtriebe abgewinnt, fällt wie eine freywillige Wirkung eben dieses Triebs, in die Augen. Daher weiß sie selbst auch niemals um die Schönheit[1] ihres Handelns, und es fällt ihr nicht mehr ein, daß man anders handeln und empfinden könnte; dagegen ein schulgerechter Zögling der Sittenregel [...] jeden Augenblick bereit seyn wird, vom Verhältniß seiner Handlungen[1] zum Gesetz die strengste Rechnung abzulegen. Das Leben des Letztern wird einer Zeichnung gleichen, worin man die Regel durch harte Striche angedeutet sieht und an der allenfalls ein Lehrling die Prinzipien der Kunst[4] lernen könnte. Aber in einem schönen[2] Leben sind, wie in einem Titianischen Gemälde, alle jene schneidenden Grenzlinien verschwunden, und doch tritt die ganze Gestalt nur desto wahrer, lebendiger, harmonischer hervor. ➢ Volltext.
[11]
Schiller, Nothw. Grenz. (1795 [hier:
21800]), NA 21, 22
: So lange der Mensch[1] noch ein Wilder ist, seine Triebe bloß auf materielle Gegenstände gehen, und ein Egoism von der gröbern Art seine Handlungen[1] leitet, kann die Sinnlichkeit nur durch ihre blinde Stärke der Moralität gefährlich seyn, und sich den Vorschriften der Vernunft[1] bloß als eine Macht widersetzen. Die Stimme der Gerechtigkeit, der Mässigung, der Menschlichkeit wird von der lauter sprechenden Begierde überschrien. Er ist fürchterlich in seiner Rache, weil er die Beleidigung fürchterlich empfindet. Er raubt und mordet, weil seine Gelüste dem schwachen Zügel der Vernunft[1] noch zu mächtig sind. Er ist ein wüthendes Thier[4] gegen andre, weil ihn selbst der Naturtrieb noch thierisch beherrscht..
[12]
A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 402
: Der Mensch[1] allein trägt in abstrakten Begriffen[1] die Gewißheit seines Todes mit sich herum: diese kann ihn dennoch, was sehr seltsam ist, nur auf einzelne Augenblicke, wo ein Anlaß sie der Phantasie[1] vergegenwärtigt, ängstigen. Gegen die mächtige Stimme der Natur[13] vermag die Reflexion wenig. Auch in ihm, wie im Thiere[1], das nicht denkt, waltet als dauernder Zustand jene [...] 〈403〉 [...] Sicherheit vor, vermöge welcher keinen Menschen[1] der Gedanke des gewissen und nie fernen Todes merklich beunruhigt, sondern jeder dahinlebt, als müsse er ewig leben [...]. ➢ Volltext.