[1]
Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 29
: Daß auch in dem Physischen der Thiere[1] gewisse Eigenthümlichkeiten als Racenunterschiede sich charakterisiren, das haben schon zahllose Beobachtungen dem Naturforscher gelehrt; und doch ist die genaue Bestimmung der unter den Thiergeschöpfen existirenden Racen noch immer eine der schwersten Aufgaben der Zoologie. [...] Je mehr [...] die Naturgeschichte nur in Beschreibungen der natürlichen[2] Körper besteht, und je mehr sie dabei Arten und Classen[2] annimmt, welche bloß auf Aehnlichkeiten in den Formen beruhen; desto weniger läßt sich eine bestimmte Angabe der unter den niedrigern Thieren[1] vorhandenen Racen erwarten. Diese wird der Naturforscher nur dann mit Gewißheit angeben können, wenn ihm die durch Gesetze begründeten Thierstämme, so wie die allmählichen Abartungen ihrer Urgestalten nicht mehr fremd[4] sein werden.
[2]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 193
: In einem, von Weißen beherrschten, Lande sind die Familien, von welchen man annimmt, daß sie am wenigsten mit Negern- oder Mulatten-Blut vermischt seien, am geehrtesten; so wie es auch in Spanien für eine Art von Adel[1] gilt, weder von Juden[1] noch von Mauren abzustammen. In America entscheidet der größere oder geringere Grad von Weiß in der Farbe über den Rang, den man in der Gesellschaft behauptet. Ein Weißer, welcher baarfuß zu Pferd steigt, glaubt zum Adel[2] des Landes zu gehören, und die Farbe begründet sogar eine Art von Gleichheit unter den Menschen[1], welche, wie überall, wo die Civilisation erst wenig vorgerückt, oder schon rückgängig ist, gerne in Prärogativen der Raçe und Abstammung künsteln.
[3]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 203 f. (204)
: Vergessen wir ja nicht, daß sich die Gesellschaft in den vereinigten Staaten ganz anders, als in Mexico und den übrigen Continental-Gegenden der spanischen Colonien ge〈204〉bildet hat. Als die Europäer in die Alleghany-Gebirge eindrangen, fanden sie nichts, als ungeheure Wälder, in welchen einige Stämme von einem Jägervolk umherirrten, das durch nichts an seinen ungebauten Boden gefesselt war. Bei der Annäherung der neuen[1] Colonisten zogen sich die Urbewohner nach den westlichen Weideplätzen zurück, welche an den Mississipi und den Missury gränzen. So wurden freie[6] Menschen[1] Einer Raçe und Eines Ursprungs die ersten Elemente eines entstehenden Volks[1].
[4]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 261
: Edel [...] bezeichnet die Größe, Vorzüglichkeit oder Erhabenheit des Charakters[1] oder der Gesinnung. Man sagt von einem Menschen[1], der sich durch diese Eigenschaften auszeichnet: sein Wesen ist edel. – Bei Thieren[1] bezieht es sich auf die Gestalt, die Race, welche sich vor den andern durch Schönheit[1] 〈262〉 des Wuchses, Stärke etc. auszeichnet; so z. B. die arabischen Pferde, die edlen Schafe (Merino's)..
[5]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 97
: Da die letzte Epidemie [...] zu einer Zeit[7] geherrscht hat, wo die Heilkunde, selbst in der Hauptstadt, noch nicht einmal als Wissenschaft anerkannt war, so fehlen uns die genauere Nachrichten über diese Krankheit. Zuverläßig hat sie indeß einige Aehnlichkeit mit dem gelben Fieber oder dem schwarzen Erbrechen, greift aber keinen Weissen an, er mag nun ein Europäer seyn, oder von den Ur-Eingebornen abstammen. Die Individuen der kaukasischen Raçe scheinen diesem tödtlichen Typhus überhaupt gar nicht unterworfen zu seyn, während dagegen das gelbe Fieber, oder das schwarze Erbrechen die mexicanischen Indianer nur sehr selten angreift..
[6]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 106
: Die Bevölkerung besteht in Mexico aus denselben Elementen, wie in den übrigen spanischen Kolonien. Man unterscheidet daselbst folgende sieben Raçen: 1) Geborne Europäer [...]; 2) spanische Kreolen, oder Weisse, von europäischer Raçe in America geboren; 3) Metis, (Mestizos) die von Weissen und von Indianern; 4) Mulatten, welche von Negern und Indianern; 5) Zambos, die von Negern und Weissen abstammen; 6) Indianer selbst, oder die kupferfarbige Raçe der Ureinwohner; und 7) africanische Neger. Von den Unterabtheilungen abgesehen, ergeben sich daher vier Kasten: Weisse, unter dem allgemeinen Namen Spanier begriffen; Neger, Indianer, und die Menschen, welche aus der Vermischung der Raçen von Europäern, Africanern, americanischen Indianern und Malaien entstanden sind [...]..
[7]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 106 f. (107)
: In Neu-Spanien geht die Zahl der Indianer, blos die von reiner, ohne Vermischung mit Europäern oder Afri〈107〉canern gebliebener, Raçe gerechnet, über zwei und eine halbe Million [...]..
[8]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 112
: Da die Wanderungen der americanischen Völker[1] immer, wenigstens vom sechsten bis zum zwölften Jahrhundert, von Norden nach Süden gegangen sind, so ist es ganz klar, daß die indianische Bevölkerung von Neu-Spanien aus sehr heterogenen Elementen bestehen muß. In dem Maaß, wie die Bevölkerung sich südlich wandte, hielten einige Stämme auf ihren Wanderungen stille, und vermischten sich mit den Völkern[1], welche ihnen gerade nachfolgten; und wirklich beweist die große Manigfaltigkeit von Sprachen[3], welche noch heutzutag im Königreich von Mexico gesprochen werden, eine eben so große Manigfaltigkeit von Raçen und Abstammungen..
[9]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 116
: Zur Verschiedenheit der Gesichtszüge in einem Volke[1] trägt überhaupt die intellectuelle Cultur[4] am meisten bei, und bei noch barbarischen Völkern[1] giebt es mehr eine Stamm- oder Horden-Physiognomie, als den Individuen eigenthümliche Physiognomien. Vergleicht man die Hausthiere mit denen, welche in Wäldern leben, so glaubt man dieselbe Bemerkung zu machen. Ueberdieß ist der Europäer bei seinem Urtheil über die große Aehnlichkeit der Raçen mit schwarzbrauner Haut einer besondern Täuschung ausgesetzt; indem er sich durch eine, von der unsrigen so verschiedene, Hautfarbe überrascht findet, und die Gleichstimmigkeit des Colorits die Verschiedenheit der individuellen Züge lange Zeit[6] in seinen Augen verschwinden macht..
[10]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 116 f.
: In beiden America's ist es nur derselbe Typus; allein diejenigen Europäer, welche die großen Flüße, Orinoco und den Amazonenstrom beschifft, oder Gelegenheit gehabt haben, viele verschiedene Stämme unter der mönchischen Hierararchie in den Missionen beisammen zu sehen, haben gewiß die Beobachtung gemacht, daß die americanische Raçe Völker[1] enthält, die in ihren Gesichtszügen eben so wesentlich von einander abweichen, als die vielen Varietäten der kau〈117〉kasischen Raçe, der Circassier, Mauren und Perser..
[11]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 117
: Die Eingebornen von Neu-Spanien haben eine noch weit dunkler braune Hautfarbe, als die Bewohner der heissesten Länder des südlichen America's. Diese Erscheinung ist um so merkwürdiger, da in der kaukasischen Raçe, welche man auch die europäisch-arabische Raçe nennen könnte, die mittäglicheren Völker[1] eine minder weisse Haut haben, als die nördlichen. Haben daher verschiedene asiatische Nationen[1], welche Europa im sechsten Jahrhundert überschwemmten, auch gleich ein sehr dunkles Colorit; so scheint es doch, daß die Abweichungen der Hautfarbe bei den Völ〈118〉kern[1] der weissen Raçe weniger ihrem Ursprung und ihrer Vermischung, als dem Local-Einfluß des Klima's[1] zuzuschreiben sind. Die Wirkung dieses Einflusses scheint bei den Americanern und Negern indeß gar nicht statt zu finden; indem diese Raçen, bei welchen sich der Kohlen-Wasserstoff in reichlicher Menge auf die Malpighi'sche Schleim- oder Nez-Haut absetzt, den Eindrücken der sie umgebenden Luft ganz besonders widerstehen..
[12]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 121
: Uebrigens ist [...] Mangel an Bart der americanischen Raçe nicht characteristisch[4] eigen, in dem manche Horden des östlichen Asiens und besonders einige africanische Völkerschaften so wenig Bart haben, daß man beinah an dessen Daseyn überhaupt zweifeln könnte. Auch beweisen die Neger von Congo und die Cariben, zwo ausserordentlich starke Menschenraçen, die oft von eigentlich colossaler Natur[12] sind, daß es nur ein physiologischer Traum ist, ein unbärtiges Kinn als ein gewisses Zeichen von Ausartung und physischer Schwäche der menschlichen Gattung anzusehen..
[13]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 157 f. (158)
: Die Civilbeamten, welche jede Neuerung verabscheuen, und die Creolen, die Landeigenthümer sind, und meist ihren Vortheil dabei finden, wenn der Feldarbeiter in Erniedrigung und Elend hingehalten wird, behaupten, 〈158〉 daß man nichts bei den Eingebornen verändern dürfe, weil die Weissen, sobald man ihnen mehr Freiheit[6] gestatten würde, alles von der Rachsucht und der Anmaßung der indianischen Raçe zu fürchten hätten, Allein diese Sprache[11] hört man überall, wo es darauf ankommt, die Bauren Menschen- und Bürgerrechte genießen zu lassen, und ich habe in Mexico, Peru, und in Neu-Grenada alles das wiederholen hören, was man in verschiedenen Theilen von Deutschland, in Pohlen, Liefland und Rußland gegen die Aufhebung der Leibeigenschaft zu sagen pflegt..
[14]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 159
: Joseph Gabriel hatte eine sehr sorgfältige Erziehung in Lima genossen, und kehrte nach den Gebirgen zurück, nachdem er den spanischen Hof vergeblich um den Titel eines Marquis von Oropesa, der der Familie des Inca Sayri-Tupac zugehört, gebeten hatte. Aus Rachsucht empörte er die indianischen Bergbewohner, welche ohnedieß gegen den Corregidor, Arriaga, erbittert waren. Das Volk[3] erkannte ihn als einen Abkömmling seiner rechtmäßigen Souveräns und als Sohn der Sonne. Dieser junge Mensch[8] benutzte den Volks-Enthusiasmus, den er durch die Symbole der alten[6] Größe des Reichs von Cusco entflammt hatte; oft wand er die kaiserliche Binde der Incas um seine Stirne, und vermischte die christlichen Ideen sehr geschickt mit den Erinnerungen an den Sonnendienst. | Im Anfang seiner Feldzüge beschützte er die Geistlichen und die Americaner aller Farben, und ließ seine Wuth nur an den Europäern aus. Selbst unter den Metis und Creolen machte er sich eine Parthei; allein die Indianer, welche ihren neuen[1] Verbündeten nicht recht trauten, führten bald gegen Alles, was nicht von ihrer Raçe war, einen Vertilgungskrieg. Joseph Gabriel Tupac-Amaru [...] war indeß minder grausam, als sein Bruder Diego, und besonders sein Neffe, Andreas Condorcanqui, der in einem Alter von siebenzehn Jahren viel Talente, aber auch einen blutgeitzigen Character[2] entwickelte..
[15]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 161
: Unter den Bewohnern von reiner Raçe würden die Weissen die zweite Stelle erhalten, wenn man sie nur nach dieser Zahl anschlüge. Man theilt sie in Weisse, die in Europa geboren, und in solche, die von Europäern abstammend, in den spanischen Colonien von America oder den asiatischen Inseln zur Welt gekommen sind. Die ersten heissen Chapetones oder Gachupines; die andere Criollos. Die Eingebornen der canarischen Inseln, die man gewöhnlich mit dem Namen Isleños, (Leute von den Inseln) bezeichnet, sehen sich für Europäer an. Die spanischen Gesetze räumen allen Weißen dieselben Rechte ein, allein die, welche die Gesetze zur Ausübung bringen sollen, suchen eine Gleichheit zu zerstören, durch die sich der europäische Stolz beleidigt findet. Die Regierung mißtraut den Creolen, und giebt alle Plätze von Bedeutung den im alten[5] Spanien Gebornen..
[16]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 162
: Die Zahl der Individuen, welche die weiße Raçe ausmachen, (Casta de los blancos, oder de los Españoles) beträgt in ganz Neu-Spanien wahrscheinlich 1,200,000, von denen der vierte Theil die Provincias internas bewohnt..
[17]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 164
: Das Mißverhältniß zwischen den Europäern oder ihren Nachkommen, und den Kasten von indianischem oder africanischem Blut ist also in den südlichen Theilen von Neu-Spanien noch größer, als auf den französischen und englischen Antillen. Die Insel Cuba hingegen zeigt noch heutzutag eine weit größere und sehr tröstliche Verschiedenheit in der Vertheilung der Raçen..
[18]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 192
: Die von Negern und Indianerinnen Abstammenden tragen in Mexico, in Lima und selbst auf der Havanah den bisarren Namen, Chino, Chinesen; auf der Küste von Caraccas hingegen, und, wie die Gesetze beweisen, in Neu-Spanien selbst, nennt man sie Zambos. Heutzutag ist dieser letztere Namen indeß besonders auf die, von einem Neger und einer Mulattin, oder von einem Neger und einer China Abstammenden, eingeschränkt. Von den gewöhnlichen Zambos unterscheidet man die Zambos prietos, die von einem Neger und einer Zamba herkommen. Aus der Vermischung eines Weißen mit einer Mulattin entsteht die Kaste der Quarterons. Verheirathet sich eine Quarteronin mit einem Europäer oder einem Creolen, so heißt ihr Sohn ein Quinteron. Eine neue Vermischung mit der weißen Raçe verlöscht die Farbe so ganz, daß das Kind eines Weißen und einer Quinteronin gleichfalls weiß ist. Die Kasten von indianischem oder africanischem Blute behalten den Geruch, der der Hautausdünstung dieser beiden primitiven Raçen eigen ist..
[19]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 200
: Wie viele Probleme sind noch in einem Gebirgsland zu lösen, welches, unter einer und derselben Breite, die abwechselndsten Clima's[2], Bewohner von drei oder vier Primitiv-Raçen, und ein Gemisch dieser Raçen in allen denkbaren Combinationen darstellt!.
[20]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 204 f.
: Bei ihrer Ansiedlung [...] benutzten die Europäer alle Vortheile, die ihnen das Uebergewicht ihrer Civilisation, ihre List und das Ansehn, welches ihnen die Eroberung gab, gestattete. Aber diese besondre Lage, und das Gemisch der Raçen, deren Interessen einander geradezu entgegen sind, wurden auch zu einer unerschöpflichen Quelle von Haß und Unei〈205〉nigkeit. In dem Maas, wie die Abkömmlinge der Europäer zahlreicher wurden, als die, welche das Mutterland unmittelbar schickte, theilte sich die weiße Raçe in zwo Partheien, deren schmerzliche Nachgefühle nicht durch die Bande der Blutsverwandtschaft unterdrückt werden konnten..