[1]
C. Böhmer, an Ch. Michaelis (9. 11. 1785), C 1, 128
: Marianne hat mir nie ganz frey ihre Meinung von Meyer gestanden [...].
[2]
Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 243 f. (244)
: Wohl, dieses Eigenthum ist sein, und muß sein bleiben; bedarf er zur Benutzung desselben fremder[3] Kräfte, so mag er zusehen, 〈244〉 auf welche Bedingungen er ihrer habhaft werden kann; es entsteht ein freier Tauschhandel über Theile seines Eigenthums und die Kräfte derer, die er zur Bearbeitung des Ganzen dingt, wobei jeder Theil zu gewinnen sucht, so viel er kann.
[3]
Goethe, an Ch. v. Stein (12. 2. 1781), WA IV, 5, 51
: Wenn ich zu Hause bleibe, ist mir es ein angenehmer Gedancke daß zwischen mir und Ihnen nur die liebe freye Luft ist, und meine Seele keine widrigen Wohnungen überspringen darf um zu Ihnen zu kommen.
[4]
Goethe, an Lavater (22. 6. 1781), WA IV, 5, 150
: Glaube mir, das Unterirdische geht so natürlich[4] zu als das Überirdische, und wer bei Tage und unter freyem Himmel nicht Geister[1] bannt, ruft sie um Mitternacht in keinem Gewölbe.
[5]
C. Gotter, an A. Böhmer (18. 6. 1800), C 1, 605
: Wahrscheinlich hat sie nun schon genug Bäder gebraucht, um beurtheilen zu können ob sie ihr gute Wirkung thun, schreibe uns ja davon [...] und sage uns auch etwas von ihrer Stimmung, hoffentlich haben ihre geschwächten Nerven außer in den Augenblicken, wo sie leidet keinen Einfluß auf ihre sonstige Heiterkeit[4], und sie kann, so lange sie von unangenehmen körperlichen Empfindungen frey ist, die Zerstreuungen der Reise und alles, woran sie sonst so vielen Antheil nimmt, genießen.
[6]
Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 187
: Nie hat sich die Galanterie der Rittersitten in Deutschland zu der feinen Lüsternheit ausgebildet, wie in wärmern, wohllüstigern Gegenden: denn schon das Klima[1] gebot eine größere Eingeschlossenheit in Häuser und Mauern, da andre Nationen[1] ihren Geschäften und Vergnügungen unter freiem Himmel nachgehen konnten.
[7]
A. v. Humboldt, Gasarten (1799), 114
: Wenn man an stillen Sommerabenden aufs freye Feld geht, so kommt man durch einzelne, oft kaum 3 bis 5 Fuß breite Luftschichten, in denen man von einem plötzlichen Gefühl der Wärme auf eine wunderbare Weise afficirt wird. Diese Erscheinung ist sehr gemein und hat zu manchen abentheuerlichen[3] Volksglauben Anlaß gegeben.
[8]
Moritz, Dt. in Engld. (1783), 109
: Doch wieder auf unsre Postkutsche zu kommen, muß ich erinnern, daß es noch eine sonderbare Art nicht in, sondern auf derselben zu fahren giebt. Es sitzen nehmlich Personen von niedrigem Stande, oder die nicht viel bezahlen können, anstatt inwendig, oben auf der Kutsche, ohne daß ein Geländer oder Sitze oben angebracht wären, sondern sie sitzen ganz frei, und lassen die Beine herunterhängen. | Dieß nennt man on the Outside (auf der Außenseite) fahren, wofür nur halb so viel be〈110〉zahlt wird, als wenn man on the Inside (inwendig in der Kutsche) fährt.
[9]
B. v. Arnim, Briefw. Kind I (1835), 38
: Wenn man so einsam Nachts in der freien Natur[2] steht, da ist's als ob sie ein Geist[1] wär' 〈39〉 die den Menschen[2] um Erlösung bäte. Soll vielleicht der Mensch[2] die Natur[2] erlösen? ich muß einmal darüber nachdenken; schon gar zu oft hab' ich diese Empfindung gehabt als ob die Natur[2] mich jammernd wehmüthig um etwas bäte, daß es mir das Herz durchschnitt nicht zu verstehen[1] was sie verlangte. ➢ Volltext.
[10]
B. v. Arnim, Günder. II (1840), 18
: Du lebst und schwebst[7] in freier Luft, und die ganze Natur[19] trägt Deinen Geist[19] auf Händen [sc. ›Dein Geist19 ist vollkommen natürlich2‹]; ich dräng mich durch zwischen Witz[3] und Aberwitz, und hier und dort nimmt mich die Albernheit in Beschlag; und wenn ich Abends zum Schreiben komm, und muß das Unmögliche denken, was unmöglich ist auszusprechen, dann bin ich gleich traumtrunken, und dann schwindelt mir wenn ich die Augen öffne; die Wände drehen sich und der Menschen[1] Treiben dreht sich mit..
[11]
J. N. Forkel, Bach (1802), 26
: Um [...] eine [...] Harmonie hervor zu bringen, in welcher die einzelnen Stimmen[9] im höchsten Grade geschmeidig und biegsam gegen einander seyn müssen, wenn sie alle einen freyen, fließenden Gesang haben sollen, bediente sich Bach ganz besonderer Mittel, die in den damahligen musikalischen[1] Lehrbüchern noch nicht gelehrt wurden, die ihn aber sein großes Genie[2] lehrte. Sie lagen in der großen Freyheit[1], die er dem Gange seiner Stimmen[9] gab. Er übertrat dadurch alle hergebrachte und zu seiner Zeit[3] für heilig gehaltene Regeln dem Scheine nach, aber nicht in der That. Denn er erfüllte ihren Zweck, der in nichts anderm als in der Beförderung reiner Harmonie und Melodie, oder successiven und coexistirenden Wohlklangs bestehen kann, aufs vollkommenste, nur auf ungewöhnlichen Wegen..
[12]
J. N. Forkel, Bach (1802), 34
: Ganz anderer Art ist die Bachische Fuge. In ihr sind alle Forderungen erfüllt, die man sonst nur an freyere Compositionsgattungen zu machen wagt. Ein charaktervolles Thema; ununterbrochen bloß aus demselben hergeleiteter, eben so charaktervoller Gesang vom Anfange bis ans Ende; nicht bloß Begleitung in den übrigen Stimmen[9], sondern in jeder ein selbstständiger mit den andern einverstandener Gesang, wiederum vom Anfange bis ans Ende; Freyheit[13], Leichtigkeit und Fluß im Fortgang des Ganzen; unerschöpflicher Reichthum an Modulation, mit untadelhafter Reinheit verbunden [...], dieß sind die Eigenschaften der Bachischen Fuge [...]..
[13]
Goethe, Klass. u. Rom. (1820), 104 f. (105)
: Freylich wenn das Genie[4], der gute Kopf sich bestrebt das Alterthum[3] wieder zu beleben, seine Zeitgenossen in abgelegene Regionen zurückzuführen, ihnen das Entfernte, durch gefällige Abspiegelung, näher zu rücken, da finden sich große Schwierigkeiten; demjenigen Künstler[1] dagegen wird es leicht der sich umthut was die Zeitgenossen ohnehin lieben, wornach sie streben, welche Wahrheit ihnen behagt, welcher Irrthum ihnen am Herzen 〈105〉 liegt? Und dann ist er ja selbst ein Moderner[1], in diese Zustände von Jugend auf eingeweiht und darin befangen, seine Ueberzeugung schließt sich an die Ueberzeugung des Jahrhunderts. Nun lasse er seinem Talente freyen Lauf, und es ist kein Zweifel daß er den größten Theil des Publicums[2] mit sich hinreißen werde..
[14]
Grosse, Genius I (1791), 170
: Wir fiengen an weiter zu gehen; der große Raum des freyen Platzes verengerte sich allmählich und wir fanden uns endlich in einem kleinen Felsengange zusammengedrängt, der zwischen wildem Gestrüpp schroff und ungebahnt in die Tiefe hinabstieg. | Ich konnte mich hier nicht eines leisen Schauers erwehren. Der Weg schien in einen fremden[4] Abgrund zu führen. Alles trug das Gepräge der wüsten Zerstörung und doch sah man allem die Größe an, mit 〈171〉 der diese Zerstörung vollbracht seyn mußte..
[15]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 204 f. (205)
: Wie [...] ergreift das unauslöschliche Göttergelächter im Homer, das aus der seligen Ruhe der Götter[4] entspringt, und nur Heiterkeit[3] und nicht abstrakte Ausgelassenheit ist. Ebenso wenig auf der andern Seite darf das Weinen als haltungsloser Jammer in das ideale Kunstwerk[2] eintreten, wie z. B. solche abstrakte Trostlosigkeit [...] in Weber's Freischützen zu hören ist. In der Musik[4] überhaupt 〈205〉 ist der Gesang diese Freude und Lust sich zu vernehmen, wie die Lerche in den freien Lüften singt; Hinausschreien des Schmerzes und der Fröhlichkeit macht noch keine Musik[4], sondern selbst im Leiden muß der süße Ton[9] der Klage die Schmerzen durchziehn und klären, so daß es Einem schon der Mühe werth scheint so zu leiden, um solche Klage zu vernehmen. Dieß ist die süße Melodie, der Gesang in aller Kunst[10]. ➢ Volltext.
[16]
Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 195
: Weder Krieger noch Mönche nähren ein Land; und da [...] für den erwerbenden Stand so wenig gesorgt war, daß vielmehr alles [...] dahin ging, Bischöfen und Edeln die ganze Welt leibeigen zu machen: so siehet man, daß damit dem Staat seine lebendigste Triebfeder, der Fleiß der Menschen, ihr wirksamer freier[1/6] Erfindungsgeist auf lange geraubt war. Der Wehrsmann hielt sich zu groß, die Aecker zu bauen, und sank herab; der Edle und das Kloster wollte Leibeigne haben, und die Leibeigenschaft hat nie etwas Gutes gefördert..
[17]
Herder, Bef. d. Hum. VI (1795), 159
: Das Alterthum[3] [...] hatte soviel öffentliche Gebäude, prächtig durch ihre Größe; Akademieen, Colisäen, Theater u. f., die wie die Luft zum freien Gebrauch waren. Die neuere[5] Zeit[3] hat lauter eingeschränkte Besitzungen, öffentli〈160〉che Gebäude, wo der Eintritt vor der Thür bezahlt wird. Sind in unsern engen Kreisen Herz und Geist[22] beschränkter, wie in jenem uns romantischen[7] Alter: so streben wir jetzt desto sicherer nach einem nicht zu hoch gesteckten Ziele..
[18]
Herder, Bef. d. Hum. VII (1796), 15 f. (16)
: Zuerst giebt ihr Fragment es selbst zu, daß auch vor der sogenannten Erwekkung der Alten[10] in jedem Fach große Männer, Denker und Dichter gelebt haben; und eben so wenig wird bezweifelt werden können, daß seit dieser Entdeckung große Männer gelebt und geschrieben haben, die von den Alten[10] wenig oder nichts wußten. Ich darf von den ersten nur Dante, von 〈16〉 den letzten nur Shakespeare anführen; wie viel andre möchten zu nennen seyn! Die größten Erfindungen sind in den Zeiten[3] gemacht, die wir barbarische, rohe Zeiten[3] nennen; vielleicht haben in ihnen auch die größesten Männer gelebet. Damals standen die Köpfe noch nicht so dicht an einander; jeder hatte zum eignen Denken freien Raum; um sie war Dämmerung; desto munterer aber wirkten sie, und dorften in der Mittagssonne der Alten[10] eben noch nicht erblinden. Wie Ein Roger Baco vor hundert Commentatoren des Aristoteles gilt: so giebt es romantische[1] Gedichte der mittleren, selbst der neueren[9] Zeit[3], bei denen man den Geschmack der Alten[10] gern vergißt und in ihnen wie im Feenreich lustwandelt. Ich erinnere Sie an so manche Romane[1], die uns der Graf Treßan und seine Gehülfen gegeben, ja 〈17〉 seit Wiederauflebung der Wissenschaften an die größesten Lichter aller cultivirten Nationen[1]. Woher nahmen Ariost und die ihm vorgingen, woher Spenser, Shakespeare und zwar in seinen rührendsten Stücken Form und Inhalt? Nicht aus den Alten[10], sondern aus der Denkart des Volks[5] und seinem Geschmack in ihren und den mittleren Zeiten[3]..
[19]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 337
: Die Asturier rühmen sich das einzige Volk[1] in Spanien zu sein, welches sich von Vermischung mit Mauren und Juden[1] frei gehalten hat, daher sie über alle Maßen stolz sind..
[20]
Hülsen, Nat.-Betr. (1800), 53
: Nicht der flüchtigste Eindruck kann vorübergehen an dir, ohne daß die Phantasie[1] bleibendes Leben an ihm wecke. Eine längere Uebung erst hat dich gelehrt, die Farbe vom Tone[11] und die Ruhe von der Bewegung zu unterscheiden; und nur allmählig erst wandelten die Gestalten des Auges im Spiele des Lichts, und bildetest du fort der Töne[11] Melodien und ihren gemessenen Einklang. So erweiterte sich dein Blick im freien[1] Triebe des Lebens, und du riefest durch jede fortgehende Betrachtung deine Welt in eine höhere und freiere[10] Anschauung..
[21]
A. v. Humboldt, Gasarten (1799), 95
: Auch im Jura sahe ich zu Aarau im Eisenbergwerke das Thermometer auf 9°,9 steigen, da es im Freyen 14°,8 zeigte. Jenseit der hohen Alpenkette in der Custoza bey Vicenza beobachtete ich [...] 9°,6 als der freye Schatten zu 24° war [...]..
[22]
Laube, Jg. Eur. III (1837), 64
: Es war ein schlankes freies[22] Schiff, was mit Wind und Wellen kräftig rang – ich hasse die Dampfschiffe, diese künstliche[4] Vermittelung des Menschen[1] mit dem Elemente, diese repräsentative Schifffahrt, wo das freie[1], kräftige, gefährliche Ineinander des Menschen[1] und des Meeres gestört ist..
[23]
Maimon, Lebensgesch. I (1792), 5
: Es giebt vielleicht kein andres Land außer Polen, wo Religionsfreyheit und Religionshaß so im gleichen Grade anzutreffen wäre. Die Juden[1] genießen da einer völlig freyen Ausübung ihrer Religion[1] und aller übrigen bürgerlichen Freyheiten[6], haben auch sogar ihre eigne Gerichtsbarkeit. Von der andern Seite aber geht der Religionshaß so weit, daß der Nahme Jude[1] zum Abscheu ist, und 〈6〉 die Wirkung dieses zu den Zeiten[3] der Barbarey eingewurzelten Abscheus noch zu meinen Zeiten[3], ohngefähr vor dreyzehn Jahren, dauerte. Dieser anscheinende Widerspruch läßt sich aber sehr gut heben, wenn man bedenkt, daß die in Polen den Juden[1] zugestandene Religions- und bürgerliche Freyheit[6], nicht aus Achtung für die allgemeinen Rechte der Menschheit[2] entspringt, so wie auf der anderen Seite der Religionshaß und Verfolgung keineswegs die Wirkung einer weisen Politik ist, die dasjenige, was der Moralität und dem Wohlstand des Staates schädlich seyn kann, aus dem Wege zu räumen sucht, sondern beyde Folgen der in diesem Lande herrschenden politischen Unwissenheit und Trägheit sind. Da nehmlich die Juden[1] bey allen ihren Mängeln dennoch in diesem Lande beynahe die einzigen brauchbaren Menschen[1] sind, so sahe sich zwar die Polnische Nation[1] gezwungen, zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse ihnen alle mögliche Freyheiten[6] zu bewilligen, doch mußte auch ihre moralische Unwissenheit und Trägheit auf der anderen Seite nothwendig Religionshaß und Verfolgung hervorbringen..
[24]
Moritz, Dt. in Engld. (1783), 269
: Ich habe vergessen, Ihnen etwas von der Börse zu sagen: dieß prächtige Gebäude ist ein länglichtes Viereck, dessen Mitte ein offner freier Platz ist, wo sich die Kaufleute versammeln. Rund herum sind bedeckte Säulengänge, und an den verschiednen Pfeilern steht immer der Name der handelnden Nation[5] verzeichnet, welche man hier treffen will, damit man sich [...] einander finden könne..
[25]
Moritz, Dt. in Engld. (1783), 270
: In der Mitte des freien Platzes steht Karl des andern [›des Zweiten‹] steinerne Bildsäule..
[26]
Pückler-Muskau, Andeut. Landsch. (1834), 196
: Der etwas höher gelegene Platz [...] ist [...] der Hauptpunkt des Blumengartens, von wo sich eine freie Aussicht auf den See, den angränzenden pleasureground, und die gegenüberliegenden Terrassengärten der Stadt [...] ausbreitet. [...] Abends wird dieser Platz durch bunte[1] Laternen erleuchtet..
[27]
Ritter, Galvanism. (1798), X
: Offen und frey handelt die Natur[2], ihre Werkstätte hat weder Thüren noch Schlösser, Ruhetag hält sie auch nicht, denn rastlose Thätigkeit ist ihr Character[1]..
[28]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28 f. (29), Nr. 116
: Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Poesie[11] [...] 〈29〉 [...] kann [...] am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frey von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen[4] Reflexion in der Mitte schweben[5], diese Reflexion immer wieder potenziren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen. ➢ Volltext.
[29]
F. Schlegel, Ueber d. Philos. (1799), 14 f. (15)
: Liebst Du wohl, wenn Du nicht die Welt in dem Geliebten findest? Um sie in ihm finden, und in ihn hin〈15〉ein legen zu können, muß man sie schon besitzen, sie lieben, oder wenigstens Anlagen, Sinn[5] und Liebesfähigkeit für sie haben. Daß diese Kräfte cultivirt werden können, daß der Blick vom Auge unsers Geistes[19] immer weiter, fester und klarer werden soll, und unser inneres Ohr[3] empfänglicher für die Musik[8] aller Sphären der allgemeinen Bildung[5]; daß die Religion[3] in diesem Sinne[1] sich also lehren und lernen, obgleich nie erschöpfen lasse, leuchtet von selbst ein. Aber freilich sind Freundschaft und Liebe die Organe[1] alles sittlichen Unterrichts auch bey diesen Zweigen desselben unentbehrlich. Und gewiß werden zwey Liebende, wenn der Mann die Geliebte über den gewöhnlichen Dienst kleiner Hausgötter ins freye Ganze hinaus zu führen strebt, oder ihr die zwölf großen Götter[4] in Gestalt bekannter Laren zugesellt; und wenn sie gleich einer Priesterin der Vesta über das heilige Feuer auf dem reinen Altare in seiner Brust wacht, beyde zusammen schnellere und weitere Fortschritte spüren, als wenn jeder für sich allein mit heißem Bemühen nach Religion[3] gestrebt hätte. ➢ Volltext.
[30]
F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 461 f. (462)
: Das Genie[2] des Cervantes abgerechnet, dem wohl einiges frey stand, was einem andern zur Nachfolge nicht zu rathen wäre; so waren auch die Verhältnisse, unter denen er in Prosa[1] darstellte und dichtete, ungleich günstiger, als die seiner Nachfolger. Das 〈462〉 wirkliche Leben in Spanien war damals noch mehr ritterlich[1] und romantisch[3/4], als in sonst irgend einem Lande von Europa. Selbst der Mangel an einer allzustreng vervollkommneten bürgerlichen Ordnung, das freyere[17] und wildere Leben in den Provinzen konnte für die Poesie[15] günstiger seyn. | In allen diesen Versuchen, die prosaische[3] Wirklichkeit durch Witz[4] und Abentheuer, oder durch Geist[27] und Gefühlserregung zu einer Gattung der Dichtkunst zu erheben, sehen wir die Verfasser immer auf irgend eine Weise eine poetische[3] Ferne suchen; sey es nun in dem Künstlerleben des südlichen[3] Italiens, wie oft in den deutschen Romanen[1]; oder in den amerikanischen Wäldern und Wildnissen, was vielfältig bey den Ausländern versucht worden. Ja, wenn auch die Begebenheit ganz im Lande und in der Sphäre des einheimischen bürgerlichen Lebens spielt, immer strebt die Darstellung, so lange sie noch Darstellung bleibt, und nicht bloß in ein Gedankenspiel der Laune, des Witzes[2] und des Gefühls sich auflöst, auf irgend eine Weise aus der beengenden Wirklichkeit sich heraus zu arbeiten, und irgend eine Oeffnung, einen Eingang zu gewinnen in ein Gebiet, wo die Fantasie[1] sich freyer[1] bewegen kann; wären es auch nur Reiseabentheuer, Zweykämpfe, Entführungen, eine Räuberbande oder die Ereignisse und Verhältnisse einer fahrenden Schauspielergesellschaft. | Der Begriff[1] des Romantischen[3/4/1] in diesen Romanen[1], selbst in vielen der bessern und berühmtesten, fällt meistens ganz zusammen mit dem Polizeywidrigen. Ich 〈463〉 erinnere mich hiebey der Aeußerung eines berühmten Denkers, welcher der Meynung war, daß bey einer durchaus vollkommenen Polizey [...] ein Roman[1] schlechtweg unmöglich seyn würde, weil alsdann gar nichts im wirklichen Leben vorkommen könnte, was dazu irgend Veranlassung, oder einen wahrscheinlichen Stoff darbieten würde. ➢ Volltext.
[31]
A. W. Schlegel/C. Schlegel, Rez. Schulz (1797), 218
: Es ist auffallend und schon oft bemerkt worden, daß unsre Sprache[3] sich bis jetzt für den dichterischen Gebrauch weit mehr vervollkommt hat, als für den Vortrag in Prosa[5]. Wiederum ist es den Deutschen Schriftstellern im Ganzen immer noch besser mit den ernsteren Gattungen gelungen, welche Schwung und Würde fodern, als mit dem leichten und muntern Tone[3], worin sich die Geisteskräfte ohne Spannung und mühsame Arbeit nur spielend entfalten, und wo besonders ein aufgeweckter Witz[1] freyen Raum hat, sich im günstigsten Lichte zu zeigen. Wer viel unter Ausländern gelebt hat, dem kann es nicht entgangen seyn, daß sich im Französischen und selbst im Englischen das Gespräch mit einer Wahl der Ausdrücke, einer Zierlichkeit der Wendungen, einer Feinheit der Beziehungen und Unterscheidungen führen läßt, die man im Deutschen nicht auf denselben Grad zu treiben suchen dürfte, ohne in Ziererey und Steifheit zu verfallen..
[32]
A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 427 f. (428)
: [N]ur in abstracto können mehrere Vorstellungen, als Urtheile und Ketten von Schlüssen, im Bewußtsein neben einan〈428〉der liegen und dann frei von aller Zeitbestimmung gegen einander wirken, bis das stärkere die übrigen überwältigt und den Willen bestimmt. Dies ist die Wahlbestimmung, welche der Mensch[1] vor dem Thiere[1] voraus hat, und welche auch eines von den Dingen ist, die sein Daseyn so sehr viel quaalvoller als das des Thieres[1] machen; wie denn überhaupt unsere größten Schmerzen nicht in der Gegenwart, als anschauliche Vorstellungen oder unmittelbares Gefühl liegen: sondern in der Vernunft[1], als abstrakte Begriffe[1], quälende Gedanken, von denen das allein in der Gegenwart lebende Thier[1] völlig frei ist. ➢ Volltext.
[33]
Trahndorff, Baukunst d. Mittelalt. (1828), 31
: Die Baukunst des Mittelalters ist [...] nicht eine fortgehende Ausartung der altgriechischen, sondern sie arbeitete sich aus dem Verfall der leztern zu einer selbstständigen Eigenthümlichkeit empor, nicht blos das abwerfend, was die griechische[2] entstellte, sondern selbst das Wesentliche derselben. Das Byzantinische oder Romanische[4] ist daher nicht blos an Gebäuden zu suchen, die wirklich von griechischen[2] oder italienischen Künstlern[2] oder ihren Nachahmern aufgeführt wurden, sondern auch an solchen, die von deutschen[5] Künstlern[2], die nicht eigentlich nachahmen wollten, errichtet wurden, indem diese Künstler[2] sich nur nach und nach von dem Herrschenden frey machen konnten, um das Ziel einer selbstständigen Entwicklung zu erreichen..