[1]
Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 293
: Das macht überhaupt die Heiterkeit[4] der homerischen Götter, und die Ironie[1] in der Verehrung derselben aus, daß ihre Selbstständigkeit und ihr Ernst sich ebenso sehr wieder auflösen, insofern sie sich als die eigenen Mächte des menschlichen Gemüths darthun, und dadurch den Menschen[1] in ihnen bei sich selber seyn lassen. ➢ Volltext
[2]
Hegel [Hotho], Aesth. II (1837), 75
: Da nun aber die Götter aus ihrer Bestimmtheit des Charakters[2] zugleich in die Allgemeinheit zurückgebogen sind, so hat sich auch in ihrer Erscheinung zugleich das Selbstseyn des Geistes[19] als das Beruhen in sich und als die Sicherheit seiner in seinem Aeußern darzustellen. | [...] Darum sehen wir in der konkreten Individualität der Götter, bei dem eigentlich klassischen[3/7] Ideal, ebensosehr diesen Adel[5] und diese Hoheit des Geistes[19], in welcher sich, trotz seinem gänzlichen Hineingehn in die leibliche und sinnliche Gestalt, das Entferntseyn von aller Bedürftigkeit des Endlichen kund giebt. ➢ Volltext.
[3]
Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 370
: Bei Homer [...] schweben[5] die Götter in einem magischen Lichte zwischen Dichtung und Wirklichkeit; sie sind der Vorstellung nicht so weit nahe gebracht, daß uns ihre Erscheinung in alltäglicher Vollständigkeit entgegentreten könnte, und doch wieder ebensowenig so unbestimmt gelassen, daß sie keine lebendige Realität für unsere Anschauung haben sollten. Was sie thun ließe sich gleich gut aus dem Innern der handelnden Menschen[1] erklären, und weshalb sie uns einen Glauben an sie aufdringen, das ist das Substantielle, der Gehalt, der ihnen zu Grunde liegt. Nach dieser Seite ist es auch dem Dichter[1] Ernst mit ihnen, ihre Gestalt aber und äußere Wirklichkeit behandelt er selber ironisch[1]. ➢ Volltext.
[4]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 19 f. (20)
: In Rücksicht der nachzuahmenden Form stehen die poetischen[4] Materialisten im ewigen Widerspruch mit sich und der Kunst[8] und der Natur[2] [...]. Denn sie erlauben wirklich den Versfuß auch in größter und jeder Leidenschaft [...] – und im Sturme des Affekts höchsten Wohllaut und einigen starken Bilderglanz der Sprache[4] [...] 〈20〉 [...] – dann die Götter und Wunder des Epos und der Oper [...] – im Homer die langen Mordpredigten der Helden vor dem Morde [...] – in Don Quixotte einen romantischen[7] Wahnsinn, der unmöglich ist – [...] in Thümmel und andern den Eintritt von Oden ins Gespräch und noch das übrige Zahllose..
[5]
Schiller, Brf. Dän. (1785), NA 20, 102
: Ich komme aus dem Saal der Antiken[3] zu Mannheim. [...] Empfangen von dem allmächtigen Wehen des griechischen[2] Genius trittst du in diesen Tempel der Kunst[11]. Schon deine erste Ueberraschung hat etwas ehrwürdiges, heiliges. Eine unsichtbare Hand scheint die Hülle der Vergangenheit vor deinem Aug wegzustreifen, zwei Jahrtausende versinken vor deinem Fußtritt, du stehst auf einmal mitten im schönen[4/2] lachenden Griechenland, wandelst unter Helden und Grazien, und betest an, wie sie, vor romantischen[7] Göttern..
[6]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 101 ff. (103)
: Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre[4] spricht. | Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüth verlassen. Freylich, wem es da trocken ist, dem wird es nirgends quillen; und das ist eine bekannte Wahrheit, gegen die ich am wenigsten gesonnen bin mich aufzulehnen. Aber wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Aehnlichen, oder bey 〈102〉 gleicher Würde Feindlichen entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte[1] bilden. [...] | Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk[1] der Natur[2]. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigenthümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode, wenn ich so sagen darf. | Da finde ich nun eine große Aehnlichkeit mit jenem großen Witz[2] der romantischen[12/4] Poesie[22], der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Construction des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakspeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie[1], der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt, scheinen mir schon selbst eine indirekte Mythologie zu seyn. Die Organisazion[8] ist dieselbe und gewiß ist die Arabeske die älteste[1] und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie[2]. Weder dieser Witz[2] noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte[5] Natur[1/19] und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive[2] Tiefsinn den Schein des Verkehrten 〈103〉 und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie[11], den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft[1] aufzuheben und uns wieder in die schöne[1] Verwirrung der Fantasie[2], in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur[1/19] zu versetzen, für das ich kein schöneres[1] Symbol bis jetzt kenne, als das bunte[2] Gewimmel der alten[10] Götter. ➢ Volltext.
[7]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 744
: Maschine. (Epische und dramatische Dichtkunst) Durch dieses Wort[1] bezeichnet man die ganz unnatürlichen Mittel einen Knoten der Handlung in epischen und dramatischen Gedichten aufzulösen, dergleichen Wunderwerke, Erscheinungen der Götter, völlig außerordentliche, aus Noth von dem Poeten erdichtete Vorfälle, und andre Dinge sind, wodurch der Knoten mehr zerschnitten, als aufgelößt wird. [...] Die gesunde Critik[2] verwirft diese Maschinen als Erfindungen, die der Absicht des epischen und dramatischen Gedichtes gerad entgegen sind..
[8]
Wackenroder, an L. Tieck (5. 5. 1792), VL 2, 30
: Wer noch jetzt die Trümmer der nord[ischen] Mythol[ogie] zu einem Gebäude zusammensetzen, und die Lücken ausfüllen wollte, würde ein schönes[7] Flickwerk zu Stande bringen. Und es ist doch gar nicht zu läugnen, daß bey aller vortrefflichen, großen Simplicität, bey aller der erhabenen und feurigen Phantasie[20], die die alten[11] nord[ischen] Dichtungen zeigen, dennoch so viel Ungeheures was ans Lächerliche u[nd] Ungereimte gränzt, so viel schwerfälliges, so viele entsetzlich harte, unschmackhafte Bilder vorkommen, daß man, wenn man bestän〈31〉dig sein Auge auf die eingepelzten Götter[5] Skandinaviens heften wollte, allen Sinn[5] für ein sanftes Griechisches[6] Profil verlieren würde. Der Unterschied ist wie Nebeldämmerung u[nd] Morgenröthe, wie – – nun Du magst Dir selbst Vergleichungen aussinnen..
[9]
Wackenroder, an L. Tieck (5. 5. 1792), VL 2, 30 f. (31)
: Wer noch jetzt die Trümmer der nord[ischen] Mythol[ogie] zu einem Gebäude zusammensetzen, und die Lücken ausfüllen wollte, würde ein schönes[7] Flickwerk zu Stande bringen. Und es ist doch gar nicht zu läugnen, daß bey aller vortrefflichen, großen Simplicität, bey aller der erhabenen[3] und feurigen Phantasie[20], die die alten[11] nord[ischen] Dichtungen zeigen, dennoch so viel Ungeheures was ans Lächerliche u[nd] Ungereimte gränzt, so viel schwerfälliges, so viele entsetzlich harte, unschmackhafte Bilder vorkommen, daß man, wenn man bestän〈31〉dig sein Auge auf die eingepelzten Götter Skandinaviens heften wollte, allen Sinn[5] für ein sanftes Griechisches[6] Profil verlieren würde. Der Unterschied ist wie Nebeldämmerung u[nd] Morgenröthe, wie – – nun Du magst Dir selbst Vergleichungen aussinnen..