Wortliste
Adel
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Brief
Buchstabe
Dialekt
Freiheit
Ironie
ironisch
klassisch
Kritik
Ohr
progressiv
romantisch
Tier
Witz
Struktur
Semantik
Belege
[1]
Adelung, Gesch. Cultur (1782), 28: Der Feldbau ist [...] vor der engern bürgerlichen Gesellschaft immer sehr unbedeutend, und nur ein schwaches Nebenmittel, die zufälligen Lücken, welche das Thierreich lässet, auszufüllen. Der Mensch wäh〈29〉let also allemahl lieber das Thierreich zu seinem Unterhalte; und hier biethen sich ihm wieder zwey Wege dar. Entweder er sucht die eß- und nutzbaren Thiere[1] zu zähmen, sie durch Pflege und Wartung zu vervielfältigen, und sich von ihrem Ertrage zu nähren; oder er scheuet auch diese Mühe, siehet das Thierreich mit den Augen des Wolfes und Tigers an, kurz, er wird ein Jäger. ➢ Volltext
[2] Ahlefeld, Erna (1820), 193: Als er das heitere[3], wohlgebaute Haus auf seiner sanften Anhöhe erblickte, glühten eben die Fenster so feurig vom abendlichen Sonnenstrahl beglänzt, als wollten innere Flammen hervorlodern. Sanfte Lüfte säuselten in den blühenden Linden, die es wie ein dunkler Kranz umgaben, und trugen den lieblichen Duft, der ihm wie ein Gruß des Willkommens entgegen wehte, weit umher. Als er näher kam, bemerkte er allenthalben eine sorgsamere Cultur[2] als vormals. Das ist der eigenthümliche Segen der Häuslichkeit, dachte er bei sich selbst. Der Mensch ist nicht geboren, um unstät und flüchtig durch die Welt zu pilgern. Hat er sich erst ein Asyl gegründet, das ihn schützt vor den 〈194〉 Stürmen des Lebens, so gewinnt er es bald lieb, und schmückt es, wie das Kind seine Puppe. Er nimmt dann die engen Schranken, die ihn umbauen, unter der freundlichen Hülle nicht wahr, mit der sein Fleiß sie umgiebt, und dankbar [...] ist der Boden, den man mit Sorgfalt pflegt.
[3] A. v. Arnim, Isabella (1812), 129: Wenn er hinter einem Tische säße, würde man ihn schon für einen ordentlichen Menschen passiren lassen, er dürfe aber niemals aufstehen wegen unverhältnismäßiger Kürze seiner Beine, welche ihm Ähnlichkeit mit einem verkleideten Dachshunde gebe.
[4] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 64: Kein Mensch kann verbunden werden, ohne durch sich selbst: keinem Menschen kann ein Gesez gegeben werden, ohne von ihm selbst. Läßt er durch einen fremden[3] Willen sich ein Gesez auflegen, so thut er auf seine Menschheit[1] Verzicht und macht sich zum Thiere[11]; und das darf er nicht.
[5] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 238: Sterne[2], Thiere[1], Pflanzen[1] wissen und erfahren ihr Gesetz nicht; der Mensch aber existirt erst dem Gesetze seines Daseyns gemäß, wenn er weiß, was er selbst und was um ihn her ist; er muß die Mächte kennen, die ihn treiben und lenken [...]. ➢ Volltext
[6] Heine, Romant. Schule (1836), 207 f. (208): Kennt ihr China, das Vaterland der geflügelten Drachen und der porzellanenen Theekannen? [...] Die Natur[2] mit ihren grellen, verschnörkelten Erscheinungen, abentheuerlichen[3] Riesenblumen, Zwerg〈208〉bäumen, verschnitzelten Bergen, barock wollüstigen Früchten, aberwitzig geputzten Vögeln, ist dort eine ebenso fabelhafte Carrikatur wie der Mensch mit seinem spitzigen Zopfkopf, seinen Bücklingen, langen Nägeln, altklugem Wesen und kindisch einsilbiger Sprache[3]. ➢ Volltext
[7] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 151: Wir wachsen immer aus einer Kindheit, so alt[3] wir seyn mögen, sind immer im Gange, unruhig, ungesättigt: Das Wesentliche unsres Lebens ist nie Genuß, sondern immer Progreßion, und wir sind nie Menschen gewesen, bis wir – zu Ende gelebt haben; dahingegen die Biene, Biene war, als sie ihre erste Zelle bauete. ➢ Volltext
[8] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 138: Gesicht und Gehör endlich sind die edelsten Sinne[4], zu denen der Mensch schon seiner organischen[2] Anlage nach vorzüglich geschaffen worden: denn bei ihm sind die Werkzeuge dieser Sinne[4] vor allen Thieren[2] Kunstreich ausgebildet. Zu welcher Schärfe haben manche Nationen[1] Auge und Ohr[3] gebracht! Der Kalmucke sieht Rauch, wo ihn kein Europäisches Auge gewahr wird: der scheue Araber horcht weit umher in seiner stillen Wüste.
[9] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 15: Angenehm heißt Jemandem das, was ihn vergnügt; schön[1], was ihm blos gefällt; gut, was geschätzt, gebilligt, d. i. worin von ihm ein objectiver Werth gesetzt wird. Annehmlichkeit gilt auch für vernunftlose Thiere[1]; Schönheit[1] nur für Menschen d. i. thierische, aber doch vernünftige Wesen, aber auch nicht blos als solche (z. B. Geister[1]) sondern zugleich als thierische; das Gute aber für jedes vernünftige Wesen überhaupt.
[10] Kant, Metaph. d. Sitt. II (1797), 23 f. (24): Das Vermögen sich überhaupt irgend einen Zweck zu setzen, ist das Characteristische[1] der Menschheit[1] (zum Unterschiede von der Thierheit). Mit dem Zwecke der Menschheit[1] in unserer eigenen Person ist also auch 〈24〉 der Vernunftwille, mithin die Pflicht verbunden, sich um die Menschheit[1] durch Cultur[3] überhaupt verdient zu machen, sich das Vermögen zu Ausführung allerley möglichen Zwecke, so fern dieses in dem Menschen selbst anzutreffen ist, zu verschaffen oder es zu fördern, d. i. eine Pflicht zur Cultur[3] der rohen Anlagen seiner Natur1, als wodurch das Thier[11] sich allererst zum Menschen erhebt: mithin Pflicht an sich selbst.
[11] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 292, Nr, 291: Sollte der Mensch die Einheit für die Natur[2] (das Weltall) seyn i. e. das Differential der unendlich Großen, und das Integral der unendlich kleinen Natur[2] – das allgemeine homogenëisirende Princip – das Maaß aller Dinge – ihr gegenseitiges Realisirungsprincip – das Organ[1] ihres Contacts?
[12] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 566: Die Malerei[1] ist bloß allegorisch in denjenigen Gegenständen, die nicht um ihrer selbst willen dargestellt werden. – Denn was nicht um seiner selbst willen, bloß um eines andern willen, ist es bedeutend. | Anmerkung. Hieher gehören die untergeordneten Gattungen des Still-Lebens, der Blumen- und Frucht-, sowie im Ganzen auch der Thierstücke. Alle diese Gattungen sind entweder überhaupt keine Kunstgattungen oder von allegorischer Bedeutung. Was Thierstücke insbesondere betrifft, so ist die Natur[2] in der Produktion der Thiere[1] selbst gewissermaßen allegorisch, sie deutet ein Höheres, die menschliche Gestalt an, es sind unvollkommene Versuche, die höchste Totalität zu produciren. Selbst der Charakter[1], den sie in das Thier[1] wirklich gelegt hat, spricht sich in ihm nicht vollkommen aus, sondern ist bloß angedeutet und wird errathen. Aber auch der bekannte Charakter[1] des Thiers[1] ist nur eine einseitige Erscheinung des Totalcharakters der Erde, und inwiefern dieser im Menschen am vollkommensten ausgedrückt ist, des Menschen. ➢ Volltext
[13] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 157 f.: Bey dem Thiere[1] und der Pflanze[1] giebt die Natur[2] nicht bloß die Bestimmung an, sondern führt sie auch allein aus. Dem Menschen 〈158〉 aber giebt sie bloß die Bestimmung, und überläßt ihm selbst die Erfüllung derselben. Dieß allein macht ihn zum Menschen. ➢ Volltext
[14] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 193: Auf die Begierde und Verabscheuung erfolgt bey dem Thiere[1] eben so nothwendig Handlung[1], als Begierde auf Empfindung, und Empfindung auf den äußern Eindruck erfolgte. Es ist hier eine stetig fortlaufende Kette, wo jeder Ring nothwendig in den andern greift. Bey dem Menschen ist noch eine Instanz mehr, nehmlich der Wille, der als ein übersinnliches Vermögen weder dem Gesetz der Natur[19], noch dem der Vernunft[1], so unterworfen ist, daß ihm nicht vollkommen freye Wahl bliebe, sich entweder nach diesem oder nach jenem zu richten. Das Thier[1] muß streben den Schmerz los zu seyn, der Mensch kann sich entschließen, ihn zu behalten. ➢ Volltext
[15] Schiller, Path. (1793 [hier: 21801]), NA 20, 204: Bestimmt der Instinkt allein alle Erscheinungen am Menschen, so ist nichts mehr vorhanden, was an die Person erinnern könnte, und es ist bloß ein Naturwesen, also ein Thier[11], was wir vor uns haben; denn Thier[1] heißt jedes Naturwesen unter der Herrschaft des Instinkts.
[16] Schiller, Ästh. Erzieh. (1795), NA 20, 391: Eine grenzenlose Dauer des Daseyns und Wohlseyns, bloß um des Daseyns und Wohlseyns willen, ist bloß ein Ideal der Begierde, mithin eine Foderung, die nur von einer ins Absolute strebenden Thierheit kann aufgeworfen werden. Ohne also durch eine Vernunftäußerung dieser Art etwas für seine Menschheit[1] zu gewinnen, verliert er [sc. Mensch] dadurch bloß die glückliche Beschränktheit des Thiers[1], vor welchem er nun bloß den unbeneidenswerthen Vorzug besitzt, über dem Streben in die Ferne den Besitz der Gegenwart zu verlieren, ohne doch in der ganzen grenzenlosen Ferne je etwas anders als die Gegenwart zu suchen.
[17] R. Schumann, Tageb. I (*1826), I, 75: Den Menschen sey es angeboren, das Gute eher zu vergessen, als das Böse.
[18] Adelung, Gesch. Cultur (1782), 23 f. (24): Der erste Mensch kam aus den Händen seines Schöpfers mit allen menschlichen Fähigkeiten ausgerüstet, deren Ausbildung ihm selbst und dem natürlichen[4] Laufe der Dinge überlassen blieb. Diese mußte aber dem Anfange nach sehr bald erfolgen, weil die ganze Natur[2] um ihn her seine Fähigkeiten zur Thätigkeit aufforderte. Der erste Schritt dazu war die Erfindung vernehmlicher Töne[1], wodurch zugleich die verworrenen Bilder in seiner Seele zur Klarheit gebracht, und klare, und in der Folge deutliche Begriffe[1] erweckt wurden, welche immer mehr Licht in dieselbe brachten, je weiter er auf dem Wege der Spracherfindung fortging. Daß sich seine Sprachfähigkeit bey den Thieren[1] zu entwickeln angefangen, weil sie am nächsten um ihn waren, seine Aufmerksam〈24〉keit am meisten auf sich zogen, und der bequemste Gegenstand zur Erfindung der Sprache[1] waren, erhellet deutlich aus Mosis Erzählung. „Gott ließ,sagte er, die erschaffenen Thiere[1] vor Adam kommen, um zu sehen, wie er sie nennen würde, und welchen Nahmen Adam irgend einem lebendigen Thiere[1] geben würde, den sollte es haben. Adam gab auch wirklich allen zahmen Thieren[1], den Vögeln des Himmels, und allen wilden Thieren[1] Nahmen.“ ➢ Volltext.
[19] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (21793), 27: Abenteuerlich[3], [...] adj. [...] Wunderbar ohne alle Wahrscheinlichkeit, seltsam, thöricht. Eine abenteuerliche[3], (unglaubliche, fabelhafte) Geschichte[8]. Ein abenteuerlicher[3] Mensch, Einfall, Gedanke u. s. f..
[20] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (21793), 163: Der alte[16] Adam, eine biblische Benennung der Erbsünde, zum Andenken des durch den ersten Menschen auf das ganze Geschlecht[7] vererbten Übels..
[21] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (21793), 1924: Sinnliche Brunst erniedrigt den Menschen tief unter das 〈1925〉 Thier[1]..
[22] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 443: Gebären, [...] Junge zur Welt bringen, von dem weiblichen Geschlechte[2] aller Thiere[2] in der edlen Schreibart. [...] 〈444〉 Am häufigsten und eigentlichsten von Menschen..
[23] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 1100: Die Helle der Sonne, des Tages, der Nacht. Die Helle des Glases. Ingleichen figürlich, die Deutlichkeit, und ein hoher Grad derselben. Der Mensch hat mehr Helle in seinen Vorstellungen als das Thier[1]..
[24] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 1548: Wenn manches Thier[1] seine Kräfte kennete, es würde sich von dem Menschen oft nicht so mißbrauchen lassen..
[25] Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (21798), 176: Der Mênsch, [...] ein Individuum des menschlichen Geschlechtes[7], d. i. ein mit einer vernünftigen Seele begabtes Thier[2]..
[26] Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (21798), 854: Prügeln, [...] heftig schlagen, sehr schlagen, doch nur wenn der Gegenstand der heftigen Schläge ein Mensch oder Thier[1] ist..
[27] Adelung, Gramm.-krit. Wb. IV (21801), 579: Das Thier[2] [...]. Im weitesten Verstande[7], ein jedes lebendiges Geschöpf, ein Körper, welcher der Empfindung und freywilligen Bewegung fähig ist. Ein unvernünftiges Thier[2], zum Unterschiede von dem vernünftigen, welches doch unter dem Nahmen des Menschen am bekanntesten ist. Es wird hier nur als ein allgemeiner Ausdruck gebraucht, die Classe[1] oder das Geschlecht[7] zu bezeichnen. Wenn sich der Mensch zum Geschlecht[7] der Thiere[2] rechnen muß, so kann er doch auch in mancher andern Absicht seinen wahren Adel[5] und Vorzug erweisen, die ihm auf einen höhern Rang ein gegründetes Recht geben..
[28] Ahlefeld, Marie Müller (21814 [11799]), 9 f. (10): Aengstlich sprang ihr, als sie heraustrat, die englische Dogge entgegen [...]. Sie schien sich verlaufen zu haben, und eilte freundlich zu Marien, als wäre sie längst mit ihr bekannt. 〈10〉 Marie, deren weiches Herz von einem reichen Wohlwollen für Menschen und Thiere[1] erfüllt war, nahm den Flüchtling gütig auf [...]..
[29] Arndt, Erinn. (1840), 52: Er redete und deklamierte wie ein König, konnte aller Menschen und Tiere[1], aller Alter und Geschlechter[2] Töne[5], Stimmen[3] und Gebärden nachmachen, zeichnete vortrefflich und hatte jenen stillen und leisen Witz[1], der von sich nichts weiß und nie sich selbst belächelt..
[30] Arndt, Erinn. (1840), 277: Auf dem Lande [...] wohnen, wie auch in der Stadt, zwei Arten Menschen: Reiche und Arme, Vornehme und Geringe, Gebildete und Ungebildete, Adel[2] und Bauern – die einen zum Befehlen und Regieren, die andern zum Gehorchen und Dienen bequem..
[31] Arndt, Erinn. (1840), 299 f. (300): Ein armer Adel[2] löscht bei dem Volke[5] 〈300〉 die Idee des ganzen Standes aus. Er hat durch seine Geburt Ansprüche, die er ohne Vermögen schwerlich erfüllen kann. Er muß also dienstbar, glücksuchend, ja oft glückjagend sein wie Menschen aus den untersten Klassen[2] [...]. .
[32] A. v. Arnim, Kronenwächt. I (1817), RuE 1, 634 f. (635): Der Kaiser steht hoch über der Zeit[1], er hat die Welt kennen gelernt, hat sich wie eine Erdbeerpflanze an zehn Stellen eingewurzelt, in Spanien, Portugal, Ungarn, Böhmen, und das alles, um sich gegen dies unser verwirrtes, übermächtiges, deutsches Adelsvolk und die Menge kleiner Fürsten zu sichern; es geht jetzt ins Große, der Adel[2] denkt nur ans Kleine, verachtet den Handel, statt ihn zu nutzen, verachtet das neue Kriegswesen und kann doch mit seiner Art nur bei kleinen Zügen etwas wirken; 〈635〉 es möchte noch jeder als Mensch bestehen, während die Geschichte[1] alles zu Nationen[1] zusammenfegt. .
[33] B. v. Arnim, Günder. II (1840), 18: Du lebst und schwebst[7] in freier[1] Luft, und die ganze Natur[19] trägt Deinen Geist[19] auf Händen [sc. ›Dein Geist19 ist vollkommen natürlich2‹]; ich dräng mich durch zwischen Witz[3] und Aberwitz, und hier und dort nimmt mich die Albernheit in Beschlag; und wenn ich Abends zum Schreiben komm, und muß das Unmögliche denken, was unmöglich ist auszusprechen, dann bin ich gleich traumtrunken, und dann schwindelt mir wenn ich die Augen öffne; die Wände drehen sich und der Menschen Treiben dreht sich mit..
[34] B. v. Arnim, Günder. II (1840), 275: Es giebt gar viele Menschen, die große Weihgeschenke der Götter[4] mitbekommen haben, und keines derselben anzuwenden vermögen, denen es genügt über dem Boden der Gemeinheit sich erhaben zu glauben, blos weil der Buchstabe[8; 11] eines höheren Gesetzes in sie geprägt ist, aber der Geist[12; 30] ist nicht in ihnen aufgegangen und sie wissen nicht wie weit sie 〈276〉 entfernt sind jenen Seelenadel in sich verwirklicht zu haben auf den sie sich so mächtig zu gut thun..
[35] B. v. Arnim, Buch König (1843), 180: Der Gott[7] und das Thier[10], die im Menschen immer sich hin- und herzerren, bearbeiten da mit gegenseitigem Humor[1] das Feld der Weisheit..
[36] Aurbacher, Büchl. f. d. Jgd. (1834), 144: Mensch oder Thier[1] – beide haben Leben, und fühlen Wohl und Weh, und sind empfindlich für Freuden und für Schmerzen. Mensch oder Thier[1] beide sind Geschöpfe Gottes[1], des allgemeinen Vaters im Himmel, der alles erhält und ernährt, was da lebt auf Erden [...]..
[37] Beer, Paria (1826), SW, 154: Gadhi. | Stimmen[12]! horch, | Und Tritte naher Menschen! || Stimmen[12] (von außen). | Hierher! Licht! .
[38] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 3: Wenn wir Wesen annehmen, um eine Stuffe über die Menschen erhöht, aber der Natur[1] derselben verwandt; Geschöpfe, welche gegen unser Geschlecht in demselben Verhältnisse stehen, als wir gegen das der Thiere[1]; und wenn wir glauben, daß jene Wesen uns mit eben der unermüdeten Sorgfalt beobachten, als wir die uns untergeordneten thierischen Naturen[10]: so müßte nach unsern Begriffen[1], das Geschlecht der Menschen[1] der interessanteste[1] Gegenstand ihrer Beobachtungen sein. ➢ Volltext.
[39] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 39 f.: Dem Menschen gegenüber, als reizender, Empfindungen veranlassender, und die Sinnlichkeit berührender Stoff, erscheint, und wird eine Außenwelt angenommen, zu der auch die Geschöpfe seiner Gattung gehören. Der 〈40〉 Mensch als eine thierische Natur[10] und ein vernünftiges Wesen, steht in doppelter Beziehung auf dieselbe, in letzterer Rücksicht liefert sie ihm den Stoff für die innern Kräfte, in der erstern ist er durch Bedürfnisse aller Art, durch unzerreisbare Bande in jedem Augenblicke gefesselt. Ja dies Band ist noch enger bei dem Menschen, als bei den Thieren[1]; denn seine Bedürfnisse sind weit mannigfaltiger, und die Natur[2], um das thätige Spiel seiner Kräfte mehr zu begünstigen, hat ihn weit mittelbarer in ihren Schutz genommen. Daher muß er für seine Erhaltung in einem hohen Grade selbstthätig sein, er kann die Natur[2] nicht genießen, wie er sie vorfindet, sondern muß sie verwandeln und verändern, um sie seinen Bedürfnissen anzupassen. ➢ Volltext.
[40] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 42: Als höchste, einzelne Gattung tritt zulezt der Mensch auf. Seinem Grundstoffe nach gehört er, wie alles Irrdische, der Erde zu. [...] Er hat bestimmte Form und Farbe; und eine innere Organisation[5], wie eine Pflanze[1]; willkührliche Bewegung, Be〈43〉dürfnisse, Instinkte, Töne[1], wie das Thier[1]; aber neben diesen allen, besizt er noch Vernunft[1], durch welche er eine eigne Klasse[1] mit eigenthümlichen Erscheinungen konstituirt. ➢ Volltext.
[41] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 95: Das erste, was der Mensch in jedem Naturprodukte zu finden glaubt, ist ein seinem thierischen Leben und seiner Organisation[5] verwandtes Leben und Organisation[5]. Dieses paßt nun in der That bei einer großen Klasse[1] von Natur-Gegenständen, nehmlich bei den Geschlechtern[7] der Thiere[1]; nur daß der erfahrungslose Mensch, das Prädikat des thierischen Lebens auch auf die untergeordneten Klassen[1] und die Annäherungen zum Leben, auf das ganze Geschlecht[7] der Pflanzen[1], ja gemeiniglich noch tiefer ausdehnt. ➢ Volltext.
[42] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 96: Von allen Eigenschaften [...] ist es besonders eine, welche dem Menschen besonders auffällt, und welche er auch an der, ihm zunächst untergeordneten Gattung, an den Thieren[1] gewahr wird; es ist die Unterscheidung in zwei Geschlechter. ➢ Volltext.
[43] Börne, Aph. u. Misz. (1829), SS 2, 280 f. (281): Die Juden[1] schelten sie [sc. Türken] immer noch 〈281〉 Hunde, obzwar diese jetzt fast mehr sind als Menschen und zum Adel[4] der Nation[1] gehören..
[44] Börne, Ew. Jud. (*1821; 1829), SS 2, 514: Als ich in der geräuschvollen Mitte dieses Buches im Hauptquartier des Judenhasses angekommen war, gedachte ich zu spotten und dem Verfasser zu sagen: er möchte [...] einen Juden[1] lebendig aufschlitzen und sich überzeugen, daß Lunge und Leber, Herz und Nieren, Gehirn und Magen ganz so gebildet und geordnet seien wie bei Christen, und dann solle er mir erklären, wo die Anweisung der Natur[2] wäre, die Juden[1] nicht wie Menschen zu behandeln. Aber meine Ironie[3] fand nichts zu spitzen, die Wahrheit ist schon spitz genug. Der Verfasser hat dafür gesorgt, daß seine Grundsätze nicht karikiert werden können. [...] Er erschrickt gewaltig vor dem Anwachse jüdischer Bevölkerung und schreibt sie dem häufigen Zwiebelessen der Juden[1] zu..
[45] Börne, Ew. Jud. (*1821; 1829), SS 2, 537: Ich liebe nicht den Juden[1], nicht den Christen, weil Jude[1] oder Christ: ich liebe sie nur, weil sie Menschen sind und zur Freiheit[6] geboren. Freiheit[6] sei die Seele meiner Feder, bis sie stumpf geworden ist oder meine Hand gelähmt..
[46] Börne, Brf. Paris II (1832), 151: Ich habe nie begreifen können, wie gläubige Menschen so unduldsam seyn mögen gegen ungläubige. Es ist auch nur Adel- und Priesterstolz. Die Frommen sehen den Himmel für einen Hof an, und blicken mit Verachtung auf alle diejenigen herab, die nicht hoffähig sind wie sie..
[47] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 23: Allein die Menschheit[2] steht in diesem Erdtheile [sc. Afrika] ohne Zweifel auf der niedrigsten Stufe der Cultur[4] und Vollkommenheit; beide, die Natur[1/2] und die Menschen, welche letztern so oft die schönsten[6] Anlagen jener zerstören, scheinen sich vereinigt zu haben, dieses zu bewirken..
[48] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 170: Unsterblich sind Moses Verdienste um sein Volk[1], das wahrlich zu seiner Zeit[3] nicht dazu geeignet war, mitten unter Götzenanbetern den Glauben seiner Väter an einen Gott[1], der ganzen Welt Schöpfer, des Guten und Bösen weisen Regierer, dem einzig Freiheit[1] von Schuld und Verbrechen den Menschen angenehm mache, festzuhalten. Und doch gelang es ihm, sich ihrer Sinnlichkeit für die Sache der Vernunft[3] und der Religion[1] zu bemächtigen, und sie durch Staats- und Tempelgesetze immer auf den Einen zurückzuführen, der ihr eigentlichster Herr sei. Hätten seine Nachfolger den Geist[14/20?] von ihm geerbt, der Jude[1] würde nicht mehr im sclavischen Joche des Ceremoniendienstes den Gott[1] zu verehren glauben, der seine Kinder zur Freiheit[10] erschuf..
[49] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 326 f.: Romantisch[7/4]. Da die meisten Romane[1] die Menschen und Begebenheiten nicht so schildern, wie sie in der Natur[2] und in der wirklichen Welt erscheinen, sondern so, wie sie nach einem ästhetischen oder moralischen Ideale sein sollten, oder wie sie die oft überspannte Phantasie[3] des Dichters sich erträumt; so nennt man romantisch[7/4], im guten und schlimmen Sinne[1], alles, was entweder durch idealische[1] Vollkommenheit, oder durch abenteuerliche[3] Seltsamkeit und Verschrobenheit von dem Gewöhnlichen abweicht. So heißt ein Gesicht romantisch[7], wenn es bei dem sanften Ausdrucke von Unschuld, Zärtlichkeit, Offenheit ein reitzbares Gefühl für Freundschaft, Liebe[1], Menschlichkeit verräth – eine Gegend, eine Lage, wenn ihre erhabnen oder rührenden Schönheiten[1] nicht durch blinde Naturkraft zusammengestellt, sondern nach einem künstlichen Plane zu Erweckung sanfter oder erhabner Empfindungen absichtlich angelegt scheinen – ein Charakter[6], in dem Neigung zum Ungewöhnlichen, Freundschaft, Liebe[1], Patriotismus, hoher Glaube an die Tugend oder Erwartung eines seltsam glücklichen Ausgangs wohlgemeinter Unternehmungen u. s. w. oder auch schlichte Sitteneinfalt, Vernachlässigung des Herkommens, der Mode, der Formalitäten, der Hofsitte in den Handlungen des gemeinen Lebens, vornehmlich aber in der Wahl des Standes, des Gatten, der Freunde hervorstechend sind. Allerdings kann sowohl der Hang zu idealisiren, als die treue Anhänglichkeit an die Natur[2] auf Abwege verleiten, jener kann unter das gewöhnlich Gute herabsinken lassen, welches er zu überfliegen, diese von der Natur[2] entfernen, welcher er anzunähern strebt; allein die 〈327〉 Grundlage des Romantischen[7] ist edel und schön[1]. In der wirklichen Welt, d. h. in der Welt der gemeinen Menschen, die durch Eigennutz, Gewohnheit – Vorurtheil regiert wird, verstößt freilich ein romantischer[7] Sinn[5/9] mit jedem Schritte. Flache seelenlose Weltleute, Schlendriansmänner, die da in der Meinung stehen, alles müsse so sein, wie es bisher war und noch ist, glauben daher, einen uneigennützigen Charakter[6], ein edles Streben, sich und die Menschheit[2] zu vervollkommnen, nicht leichter herabwürdigen zu können, als durch den Vorwurf des Romantischen[7]..
[50] Brockhaus, Conv.-Lex. VIII (1811), 49: Sehr viel Wunderdinge erzählt die Fabel von seiner [Melampus'] Heil- und Wahrsagerkunst, welche letztere er von dem Phönicier Cadmus erlernt haben sollte. Doch erzählte man auch folgenden Ursprung dieser Gabe: Als nemlich ein paar Schlangen, welche er ganz jung in seinen Schutz genommen und sie aufgezogen hatte, einst, als er schlief, zu ihm hingekommen waren und seine Ohren[2] geleckt hatten, erschrack er beim Erwachen heftig, merkte aber bald, daß seine Ohren[3] durch die Schlangen geöffnet worden, so, daß er nun die Stimmen[3] der Vögel verstand, und alles, was diese den Menschen über die Zukunft andeuteten, ihnen entdecken konnte..
[51] Brockhaus, Conv.-Lex. VIII (1811), 52: Einen traurigen Beleg zu der Behauptung, daß der Mensch sogar unter das Thier[1] sinken kann, das beim höchsten Hunger Geschöpfe seiner eignen Gattung zur Nahrung wählet, liefern die Nachrichten älterer[10] und neuerer[5] glaubwürdiger Schriftsteller über Menschenfressende Nationen[1] und einzelne Menschenfresser..
[52] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 487: Cultur[3/1] wird nach dem Lateinischen im Allgemeinen das Bestreben genannt, die einer Sache inwohnenden Kräfte zweckmäßig zu entwickeln, und man spricht in diesem Sinne sowol von der Cultur[1] des Bodens, worunter dessen zweckmäßiger Anbau verstanden wird, als von der geistigen und körperlichen Cultur[3] oder Ausbildung des Menschen. Beide können nicht voneinander getrennt werden, wenn der Mensch eine allseitige und übereinstimmende Bildung[2] erhalten soll, und es ist daher eine Hauptaufgabe aller Erziehungs- oder Bildungsanstalten, die ebenmäßige Bildung[2] der Jugend nie aus dem Gesicht zu verlieren und sie zugleich in den Stand zu setzen, nach erlangter Selbständigkeit ebenso für ihre Fortbildung sorgen zu können. Daß der Mensch dies selbst vermag, stellt ihn so hoch über das Thier[1], allein ebendarum ist es auch seine Pflicht, in dem Bestreben, sich auszubilden oder zu cultiviren, nie still zu stehen..
[53] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. II (1838), 739: Liberalismus ist nur die Gesinnung des freien Mannes, derselbe mag übrigens in Verhältnissen leben, in welchen er will, der Adel[5] des Geistes[19], welcher sich seines göttlichen Ursprungs bewußt ist und eifrig darnach strebt, diesem seinen Ursprunge sich würdig zu bezeigen; der jede geistige Gemeinheit, Sünde und Laster von sich abhält, um der Ehre anderer Menschen und, was ihm noch weit höher steht, der Gnade Gottes[1] würdig zu sein..
[54] Claudius, Asmus VII (1803), 580 f. (581): Seht nun, lieben Kinder[4], [...] daß uns das Böse anhanget [...], dies nebst der Gebrechlichkeit 〈581〉 unsers Körpers, ist die Sünde, nämlich die Erbsünde, das natürliche[3] Verderben des Menschen[1], der alte[16] Mensch[6], das Fleisch, der alte[16] Adam, der Schlangensame, der geistliche Tod der zu allen Menschen[1] hindurchgedrungen ist usw..
[55] Ehrmann, Amalie (1788), 117: Der Mensch ist ein Thier[2], dessen Willen der Vernunft[1] untergeordnet ist, er hat durch diesen Willen seine thierischen Triebe einzuschränken, zu verfeinern gelernt, aber aus dem Körper ganz vertilgt sind sie darum nicht, diese Triebe der schwachen Menschheit[1]; – und eben darum verdienen die Menschen, die man zwingt den Keim der gährenden Menschheit[1] zu unterdrükken, mein wahrhaftes Mitleid..
[56] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 166: Verehre die Menschheit[1] in mir, sagst Du: Undankbarer, antwortet der Staat, wärest du denn ein Mensch, wenn ich dich nicht dazu gemacht hätte? Wendest du Ansprüche gegen mich, die ich selbst erst in dir geltend gemacht habe? O! hätte ich dich doch nie ahnden[3] lassen, daß du mehr seyest als ein Thier[11], so würde ich jezt nicht so viel Noth mit dir haben..
[57] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 180 f. (181): Aber ich will nicht alles ängstlich genau nehmen; einmal wenigstens will ich den Staat seiner Neigung überlassen, 〈181〉 alles Gute, was in der Gesellschaft ist, sich, und alles Böse in derselben unserer Widersetzlichkeit gegen seine heilsamen Verfügungen zuzuschreiben. Er mag [...] Institute gestiftet, die Lehrer auf dieselben berufen und bezahlt haben. Ich will ihn selbst daran nicht erinnern, daß ich, ohngeachtet seiner weisen Fürsorge, doch nie weder gelehrt noch klug geworden wäre, wenn ich nicht meine eigenen Kräfte gebraucht hätte. Mag er doch sogar das Vermögen besitzen, die Menschen wider ihren Willen weise zu machen, und mag er uns an seinen erhabenen Stützen, an denjenigen, auf die er ja wohl seine besten Kunststücke verwenden wird, an seinen Fürstenkindern und seinem Adel[2] glänzende Proben davon geben..
[58] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 191: Möchten doch immer die Juden[1] nicht an Jesum Christum, möchten sie doch sogar an keinen Gott[1] glauben, [...] – Menschenrechte müssen sie haben, ob sie gleich uns dieselben nicht zugestehen; denn sie sind Menschen, und ihre Ungerechtigkeit berechtigt uns nicht, ihnen gleich zu werden. Zwinge keinen Juden[1] wider seinen Willen, und leide nicht, daß es geschehe, wo du der nächste bist, der es hindern kann; das bist du ihm schlechterdings schuldig. Wenn du gestern gegessen hast und hungerst wieder, und hast nur auf heute Brod, so giebs dem Juden[1], der neben dir hungert, wenn er gestern nicht gegessen hat, und du thust sehr wohl daran. – Aber ihnen Bürgerrechte zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen allen die Köpfe abzuschneiden und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sey. Um uns vor ihnen zu schützen, dazu sehe ich wieder kein ander Mittel, als ihnen ihr gelobtes Land zu erobern, und sie alle dahin zu schicken..
[59] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 304 f. (305): Der mächtigste Vasall hätte seinen Feinden nicht Widerstand thun können, wenn er bloß seine edlen Lehnsmänner in das Feld geführt hätte; wie viel weniger denn der Besitzer eines geringen Dorfs, der doch auch seine Kriege hatte. Leibeigene Bauren thaten jezt Kriegsdienste. Die mächtigern Vasallen rechneten die in den Waffen geübtern Nachkommen ihrer Lehnsmänner, denen sie kein Lehn ertheilen konnten, als Anführer jener Leibeignen in ihren Fehden gebrauchen zu können, und ertheilten ihnen war〈305〉scheinlich um dieser Nuzbarkeit willen an ihren Höfen und vor ihren Gerichten die Vorrechte ihrer wahren Lehnsmänner. Dies ward zur Gewohnheit; und jezt maaßten auch diejenigen, denen Niemand sie ausdrüklich ertheilt hatte, diese Vorrechte, als etwas, das sich von selbst verstünde, sich selbst an [...], und so entstand die abentheuerliche[3] Meinung, daß man unmittelbar durch die Geburt Vorrechte vor andern Menschen und auf andere Menschen erhalten könne..
[60] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 375: Man läugnet am ehsten das, was noch so ziemlich glaublich ist, weil es uns zu natürlich[4] vorkommt; aber man baue den geläugneten Saz auf einen wunderbaren, und diesen auf einen noch wunderbarern, und vermehre Schritt vor Schritt das Abentheuerliche[3], und der Mensch wird gleichsam schwindelnd; er kommt nicht mehr zur kalten Besinnung; er ermüdet, und seine Bekehrung ist gemacht..
[61] Fichte, Grundl. WL (1794 [1795]), 41: Der Mensch soll sich der, an sich unerreichbaren Freiheit[10] ins Unendliche immer mehr nähern..
[62] Fichte, Grundl. WL (1794 [1795]), 122: Ideal- und Real-Grund sind im Begriffe der Wirksamkeit (mithin überall, denn nur im Begriffe der Wirksamkeit kommt ein Real-Grund vor) Eins und eben dasselbe. Dieser Saz, der den kritischen[2] Idealismus begründet, und durch ihn Idealismus und Realismus vereinigt, will den Menschen nicht eingehen; und daß er ihnen nicht eingehen will, liegt am Mangel der Abstraktion..
[63] Fichte, Grundl. WL (1794 [1795]), 123: Die meisten Menschen würden leichter dahin zu bringen seyn, sich für ein Stück Lava im Monde, als für ein Ich zu halten. Daher haben sie Kant nicht verstanden, und seinen Geist[26] nicht geahndet[3]; daher werden sie auch diese Darstellung, obgleich die Bedingung alles Philosophirens ihr an die Spitze gestellt ist, nicht verstehen. Wer hierüber noch nicht einig mit sich selbst ist, der versteht keine gründliche Philosophie, und er bedarf keine. Die Natur[13], deren Maschine er ist, wird ihn schon ohne alle sein Zuthun in allen Geschäften leiten, die er auszuführen hat..
[64] Fichte, Appellat. Publ. (1799), 27: Sage man es, wie man wolle, dieser Ueberdruß an dem Vergänglichen, dieses Sehnen nach einem höhern, bessern und unvergänglichen liegt unaustilgbar im Gemüthe des Menschen. Eben so unaustilgbar ertönt in ihm die Stimme[14], daß etwas Pflicht sey und 〈28〉 Schuldigkeit, und lediglich darum, weil es Schuldigkeit ist, gethan werden müsse..
[65] M. Forkel, Maria I (1784), 29: Er ist ein sehr angenehmer Mensch: schlank gewachsen, blondes Haar, [...] einen allerliebsten Mund, eine 〈30〉 griechische[6] Nase und Stirn, eine sanfte, liebliche Sprache[4]: kurz, er würde für jedes Mädchen ein gefährliches Geschöpf seyn [...]..
[66] M. Forkel, Maria I (1784), 291: Ich war schon als Mädchen lebhaft davon überzeugt, daß es eine Thorheit sey, ein Kind[1] in den Jahren, wo es noch keine Vernunft[8] hat, durch vernünftige Vorstellungen leiten zu wollen. In den ersten Jahren ist der Mensch bloß Thier[11], 〈292〉 und muß durch sinnliche Gefühle geleitet werden. Ihn ohne Schläge erziehen zu wollen, wäre eben so thöricht, als wenn ich einen Jagdhund [...] zu dressiren dächte, ohne den Stock zu gebrauchen..
[67] G. Forster, Reise u. d. Welt I (1778), 226 f. (227): Bey diesem alten[2] ehrwürdigen Paare, das uns bey Tisch bediente, hätten wir auf eine poetische[4] 〈227〉 Weise vergessen mögen, daß wir Menschen wären und auf den Gedanken kommen können, daß wir als Götter[4] von Philemon und Baucis bewirthet würden[.].
[68] G. Forster, Leitfad. Gesch. d. Menschh. (1789), 82: Kaum hatte ich jenes Gedicht wieder gelesen, so reihte sich in meinem Kopf ein ganzes Sistem der sogenannten Geschichte[4] der Menschheit[2] daran. Das Bindungsglied war jener so bekante, als gemißbrauchte Vergleich der verschiedenen Lebensepochen des einzelnen Menschen mit den Stufen der Kultur[4] bei ganzen Familien und Völkern[1]. .
[69] G. Forster, Rev. u. Gegenrev. (*1792; 1794), W 3, 425: [M]it einer Verschwendung von mehr als zwanzig Millionen Gulden, und mit Aufopferung von zwanzig tausend Menschen hatten die Priester und der Adel[2] ihren Zweck vollkommen erreicht, und von einem Monarchen, dessen Land sie ärmer und volkleerer gemacht hatten, die Rückgabe aller ihrer drückenden Privilegien ertrotzt. .
[70] Goethe, Werther (1774), WA I, 19, 15 f. (16): Wer [...] sieht, wie [...] unverdrossen dann doch auch der Unglückliche unter der Bürde seinen Weg fortkeucht, und alle gleich interessirt sind, das Licht dieser Sonne 〈16〉 noch eine Minute länger zu sehn; – ja der ist still, und [...] ist auch glücklich, weil er ein Mensch ist. Und dann, so eingeschränkt er ist, hält er doch immer im Herzen das süße Gefühl der Freiheit[5], und daß er diesen Kerker verlassen kann, wann er will..
[71] Goethe, an C. L. v. Knebel (17. 11. 1784), WA IV, 6, 389 f.: Hier schicke ich dir endlich die Abhandlung aus dem Knochenreiche, und bitte um deine Gedancken drüber. Ich habe mich enthalten das Resultat, worauf schon Herder in seinen Ideen deutet, schon ietzo mercken zu lassen, daß man nähmlich den Unterschied des Menschen vom Thier[1] in nichts einzelnem finden könne. Viel〈390〉mehr ist der Mensch aufs nächste mit den Thieren[1] verwandt. Die Übereinstimung des Ganzen macht ein iedes Geschöpf zu dem was es ist, und der Mensch ist Mensch sogut durch die Gestalt und Natur[1] seiner obern Kinlade, als durch Gestalt und Natur[1] des letzten Gliedes seiner kleinen Zehe Mensch..
[72] Goethe, Tasso (1790), WA I, 10, 158 f. (159): Was du dir hier erlaubst, das ziemt auch mir. | Und ist die Wahrheit wohl von hier verbannt? 〈159〉 Ist im Palast der freie Geist gekerkert? | Hat hier ein edler Mensch nur Druck zu dulden? | Mich dünkt, hier ist die Hoheit erst an ihrem Platz, | Der Seele Hoheit! Darf sie sich der Nähe | Der Großen dieser Erde nicht erfreun? | Sie darf's und soll's. Wir nahen uns dem Fürsten | Durch Adel[1/5] nur, der uns von Vätern kam; | Warum nicht durch's Gemüth, das die Natur[2] | Nicht jedem groß verlieh, wie sie nicht jedem | Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte..
[73] Goethe, Litt. Sanscül. (1795), 52: Man halte diese Bedingungen, unter denen allein ein classischer[3] Schriftsteller, besonders ein prosaischer[1] möglich wird, gegen die Umstände, unter denen die besten Deutschen[1] dieses Jahrhunderts gearbeitet haben, so wird, wer klar sieht und billig denkt, dasjenige, was ihnen gelungen ist, mit Ehrfurcht bewundern und das was ihnen mißlang anständig bedauern. | Eine bedeutende Schrift ist, wie eine bedeutende Rede, nur Folge des Lebens; der Schriftsteller so wenig als der handelnde Mensch bildet die Umstände, unter denen er gebohren wird und unter denen er wirkt. Jeder, auch das größte Genie[4], leidet von seinem Jahrhundert in einigen Stücken, wie er von andern Vortheil zieht, und einen vortrefflichen Nationalschriftsteller kann man nur von der Nation[1] fordern. | 〈53〉 Aber auch der deutschen[1] Nation[1] darf es nicht zum Vorwurfe gereichen, daß ihre geographische Lage sie eng zusammen hält, indem ihre politische sie zerstückelt. Wir wollen die Umwälzungen nicht wünschen, die in Deutschland classische[3] Werke vorbereiten könnten. ➢ Volltext.
[74] Goethe, Wilh. Meister II (1795), WA I, 21, 130: So haben die Dichter[1] in Zeiten[3] gelebt, wo das Ehrwürdige mehr erkannt ward, rief Wilhelm aus, und so sollten sie immer leben. Genugsam in ihrem Innersten ausgestattet bedurften sie wenig von außen; die Gabe, schöne[1] Empfindungen, herrliche Bilder den Menschen in süßen, sich an jeden Gegenstand anschmiegenden Worten[2] und Melodien mitzutheilen, bezauberte von jeher die Welt, und war für den Begabten ein reichliches Erbtheil. An der Könige Höfen, an den Tischen der Reichen, vor den Thüren der Verliebten horchte man auf sie, indem sich das Ohr[3] und die Seele für alles andere verschloß, wie man sich selig preis't und entzückt stille steht, wenn aus den Gebüschen, durch die man wandelt, die Stimme[3] der Nachtigall gewaltig rührend hervordringt!.
[75] Goethe, Wilh. Meister II (1795), WA I, 21, 191: [N]iemand glaube die ersten Eindrücke der Jugend überwinden zu können. Ist er in einer löblichen Freiheit[14] [...], in dem Umgange mit guten Menschen aufgewachsen, [...] so wird dieser Mensch ein reineres, vollkommneres und glücklicheres Leben führen, als ein anderer, der seine ersten Jugendkräfte im Widerstand und im Irrthum zugesetzt hat..
[76] Goethe, Vorw. Gilblas (1822), V f. (VI): In diesem Sinne[1] kann man solche Bücher [sc. Autobiographien] wahrhaft erbaulich nennen, wie es der Roman[1], moralische Erzählung, Novelle und dergleichen nicht 〈VI〉 seyn sollen: denn von ihnen als sittlichen Kunsterscheinungen verlangt man mit Recht eine innere Consequenz, die, wir mögen durch noch so viel Labyrinthe durchgeführt werden, doch wieder hervortreten und das Ganze in sich selbst abschliessen soll. | Das Leben des Menschen aber, treulich aufgezeichnet, stellt sich nie als ein Ganzes dar; den herrlichsten Anfängen folgen kühne Fortschritte, dann mischt sich der Unfall drein, der Mensch erholt sich, er beginnt, vielleicht auf einer höheren Stufe, sein altes[6] Spiel, das ihm gemäß war, dann verschwindet er, entweder frühzeitig, oder schwindet nach und nach, ohne daß auf jeden geknüpften Knoten eine Auflösung erfolgte..
[77] Goethe, an Zelter (9. 6. 1831), WA IV, 48, 225: Hier will ich [...] eines der größten Worte[2] niederschreiben, welches uns unsre Vorvordern zurückgelassen haben: | „Die Thiere[1] werden durch ihre Organe[2] unterrichtet.“ | Nun denke man sich, wie viel vom Thier[10] im Menschen übrig bleibt, und daß dieser die Fähigkeit hat, seine Organe[2] zu unterrichten, so wird man gern auf diese Betrachtungen immer wieder zurückkehren..
[78] Grosse, Genius I (1791), 199: Die Freiheit[6] ist für die Menschen ein unveräußerliches Familiengut. Wer es stiehlt, ist ein Verbrecher. Wer es gegen einen Schein von träger Glückseeligkeit eintauscht, ist ein Betrüger. [...] Unsere Vorfahren gaben uns Monarchen, wir fodern unsere Rechte zurück, und setzen ihnen einen noch höheren Gerichtshof..
[79] Hegel, Jacobi (1817), 21 f. (22): Es ist gleichmäßig eine Foderung an die Philosophie, diese Nothwendigkeit der sittlichen Bestimmungen und ihres Geltens, als auch das Höhere aufzuzeigen, in welchem sie gegründet sind, das eben darum auch Macht und Majestät über sie hat. – Ja, man könnte sogar geneigt werden, das Bewußtseyn dieser Majestät für den Ort der Wissenschaft[1] oder das Allerheiligste der Religion[1] aufzusparen, und es von einer populären Behandlung, in welcher Appellationen an das Gefühl und die innere Gewißheit des Subjects gestattet sind, fernzuhalten, wenn man nämlich 〈22〉 betrachtet, wie die Romantik[7] leicht auch in die Sittlichkeit einbricht, wie gern die Menschen lieber großmüthig als rechtlich, lieber edel als moralisch zu handeln geneigt sind und, indem sie sich wider den Buchstaben[11] des Gesetzes zu handeln erlauben, sich nicht so sehr vom Buchstaben[11] als vom Gesetz lossprechen..
[80] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 103 f.: Dieß Erheben aber des Ansich in's selbstbewußte Wissen bringt einen ungeheuren Unterschied hervor. Es ist der unendliche Unterschied, der z. B. den Menschen überhaupt vom Thiere[1] trennt. 〈104〉 Der Mensch ist Thier[2], doch selbst in seinen thierischen Funktionen bleibt er nicht als in einem Ansich stehen, wie das Thier[1], sondern wird ihrer bewußt, erkennt sie und erhebt sie, wie z. B. den Prozeß der Verdauung, zu selbstbewußter Wissenschaft[5]. Dadurch löst der Mensch die Schranke seiner ansichseyenden Unmittelbarkeit auf, so daß er deshalb gerade, weil er weiß, daß er Thier[2] ist, aufhört Thier[1] zu seyn, und sich das Wissen seiner als Geist[32] giebt. ➢ Volltext.
[81] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 127: Die Thiere[1] leben in Frieden mit sich und den Dingen um sie her, doch die geistige Natur[1] des Menschen treibt die Zweiheit und Zerrissenheit hervor, in deren Widerspruch er sich herumschlägt. ➢ Volltext.
[82] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 293: Das macht überhaupt die Heiterkeit[4] der homerischen Götter[5], und die Ironie[1] in der Verehrung derselben aus, daß ihre Selbstständigkeit und ihr Ernst sich ebenso sehr wieder auflösen, insofern sie sich als die eigenen Mächte des menschlichen Gemüths darthun, und dadurch den Menschen in ihnen bei sich selber seyn lassen. ➢ Volltext.
[83] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 333: Der Mensch [...] hat sich selbst und die Umgebung, in welcher er lebt, nicht nur auszuschmücken, sondern er muß die Außendinge auch praktisch zu seinen praktischen Bedürfnissen und Zwecken verwenden. In diesem Gebiete geht erst die volle Arbeit, Plage und Abhängigkeit des Menschen von der Endlichkeit und Prosa[4] des Lebens an, und es fragt sich daher hier vor allem, in wie weit auch dieser Kreis den Fordrungen der Kunst[8] gemäß könne dargestellt werden. | [...] Die nächste Weise, in welcher die Kunst[18] diese ganze Sphäre, um welche es handelt, zu beseitigen versucht hat, ist die Vorstellung eines sogenannten goldenen Zeitalters oder auch eines idyllischen Zustandes. Von der einen Seite her befriedigt dann dem Menschen die Natur[2] mühelos jedes Bedürfniß, das sich in ihm regen mag, von der anderen her begnügt er sich in seiner Unschuld mit dem was Wiese, Wald, Heerden, ein Gärtchen, eine Hütte u. s. f. ihm an Nahrung, Wohnung und sonstigen Annehmlichkeiten bieten können, indem alle Leidenschaften des Ehrgeizes oder der Habsucht, Neigungen, welche dem höheren Adel[5] der menschlichen Natur[1] zuwider erscheinen, noch durchweg schweigen[4]. ➢ Volltext.
[84] Hegel [Hotho], Aesth. II (1837), 401: Der Mensch kann zwar auch wie die Thiere[1] auf Vieren gehn, und die Kinder[1] thun es in der That; sobald aber das Bewußtsein zu erwachen beginnt, reißt der Mensch sich von dem thierischen Gebundensein an den Boden los, und steht frei[19] für sich aufrecht da. Dieß Stehn ist ein Wollen, denn hören wir auf, stehen zu wollen, so wird unser Körper zusammensinken und zu Boden fallen. ➢ Volltext.
[85] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 370: Bei Homer [...] schweben[5] die Götter[5] in einem magischen Lichte zwischen Dichtung und Wirklichkeit; sie sind der Vorstellung nicht so weit nahe gebracht, daß uns ihre Erscheinung in alltäglicher Vollständigkeit entgegentreten könnte, und doch wieder ebensowenig so unbestimmt gelassen, daß sie keine lebendige Realität für unsere Anschauung haben sollten. Was sie thun ließe sich gleich gut aus dem Innern der handelnden Menschen erklären, und weshalb sie uns einen Glauben an sie aufdringen, das ist das Substantielle, der Gehalt, der ihnen zu Grunde liegt. Nach dieser Seite ist es auch dem Dichter[1] Ernst mit ihnen, ihre Gestalt aber und äußere Wirklichkeit behandelt er selber ironisch[1]. ➢ Volltext.
[86] Heine, Romant. Schule (1836), 207: Kennt ihr China, das Vaterland der geflügelten Drachen und der porzellanenen Theekannen? [...] Die Natur[2] mit ihren grellen, verschnörkelten Erscheinungen, abentheuerlichen Riesenblumen, Zwerg〈208〉bäumen, verschnitzelten Bergen, barock wollüstigen Früchten, aberwitzig geputzten Vögeln, ist dort eine ebenso fabelhafte Carrikatur wie der Mensch[1] mit seinem spitzigen Zopfkopf, seinen Bücklingen, langen Nägeln, altklugem Wesen und kindisch einsilbiger Sprache[3]. ➢ Volltext.
[87] Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 55: Wahrscheinlich übertrift das Ohr[3] des Menschen an feiner und mannigfaltiger Aufnehmung und Unterscheidung der Töne[1] auch das Ohr[3] aller andern Thiere[2]. Mich dünkt, schon die Menge der Sprachen[3] allein wäre hinlänglicher Beweis. So wie der vortrefliche Lehrmeister des Gefühls, ist es noch Lehrmeister der Zunge und der Kehle. Ein vollkommen zartes, festes, reines, und noch mehr, ausgebildetes Gehör ist freylich auch eben so selten, wie alle hohe Schönheit[3]; und durch böse Gewohnheiten kann man diesen 〈56〉 göttlichen Sinn[3] sehr verderben. Wer ihn aber nicht einigermaaßen in Vortreflichkeit hat, soll sich nicht mit Gesang und Instrumenten[3] plagen, wo er nothwendig entscheidet..
[88] Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 113: Jeder, der nur einigermaaßen ein gutes Gehör hat, wird im Dunkeln seine Bekannten und Freunde auch am bloßen Ton[5] der Stimme[1] kennen, und von einander unterscheiden. Im Ton[5] der Stimme[1] liegt etwas Charakteristisches[1], was die besondre Art der Nerven anzeigt, woraus ein Mensch besteht. Für einen Blindgebornen ist er die sinnliche Schönheit[1]. Eine quikende, grelle, heisere, schreyende Stimme[1] benimmt einer Helena, einem Paris an Gestalt den Reiz. Ein erfahrnes zartes Ohr[3] ist eben so gut physiognomischer Sinn[5], als ein erfahrnes scharfes Auge..
[89] Heinse, Musik. Dialog. (1805), 41: Kein Ochse, kein Pferd, kein Esel und kein Hund gehorcht einem Geschöpfe von seiner Art; dem Menschen aber gehorchen sie! Warum? Sie wissen, daß er ein edleres Geschöpf sey, als sie. Und wir sollen andern Menschen gehorchen? Menschen, die nicht die Verdienste, das Genie[2] und die Talente haben, die wir besitzen? Sind wir nicht auf diese Art unglückseeliger, als die 〈42〉 Thiere[1]?.
[90] Heinse, Musik. Dialog. (1805), 90 f. (91): Nichts ist seltner, als ein Mann von 〈91〉 Genie[2]! Man kann allezeit eine Million Menschen gegen einen einzigen rechnen; und noch ersticken die mehrsten unter diesen Wenigen in der Blüthe! Die mehrsten Menschen sind Pöbel, oder Thiere[1], die durch die Auferziehung zu menschlichen Maschinen gemacht worden sind. | Leider sind die Menschen so sehr von ihrer göttlichen Würde herabgesunken, daß sie die Verdienste nach dem Adel[1] der Geburt schätzen!.
[91] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 3: Schon als Thier[11], hat der Mensch Sprache[16]..
[92] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 30: Und da die Menschen für uns die einzigen Sprachgeschöpfe sind, die wir kennen, und sich eben durch Sprache[1] von allen Thieren[1] unterscheiden: wo finge der Weg der Untersuchung sichrer an, als bei Erfahrungen über den Unterschied der Thiere[1] und Menschen? ➢ Volltext.
[93] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 41: Und nun folgt, daß wenn der Mensch Sinne[3] hat, die für Einen kleinen Fleck der Erde, für die Arbeit und den Genuß einer Weltspanne den Sinnen[3] des Thiers[1], das in dieser Spanne lebet, nachstehen an Schärfe: so bekommen sie eben dadurch „Vorzug der Freiheit[1/10]; Eben weil sie nicht für einen Punkt sind, so sind sie allgemeinere Sinne[3] der Welt.“ | Wenn der Mensch Vorstellungskräfte hat, die nicht auf den Bau einer Honigzelle und eines Spinngewebes bezirkt sind, und also auch den Kunstfähigkeiten der Thiere[1] in diesem Kreise nachstehen: so bekommen sie eben damit „weitere Aussicht.“ Er hat kein einziges Werk, bei 〈42〉 dem er also auch unverbesserlich handle; aber er hat freien Raum, sich an vielem zu üben, mithin sich immer zu verbessern. Jeder Gedanke ist nicht ein unmittelbares Werk der Natur[13], aber eben damit kanns sein eigen Werk werden. ➢ Volltext.
[94] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 66: Eben weil der Mensch keine so hinreißende Instinkte hat, als die Thiere[1]: weil er zu so Mancherlei und zu Allem schwächer fähig – kurz! weil er Mensch ist: so konnte er verarten. Würde er wohl so bärähnlich haben brummen, und so bärähnlich haben kriechen lernen, wenn er nicht gelenksame Organe[2], wenn er nicht gelenksame Glieder gehabt hätte? Würde jedes andre Thier[1], ein Affe und Esel es so weit gebracht haben? Würkte also nicht würklich seine menschliche Natur[1] dazu, daß er so unnatürlich werden konnte? ➢ Volltext.
[95] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 73: Bei den Morgenländern ists der gewöhnlichste Idiotismus geworden, das Anerkennen einer Sache Namengebung zu nennen: denn im Grunde der Seele sind beide Handlungen[1] Eins. Sie nennen den Menschen das redende Thier[2], und die unvernünftigen Thiere[2] die Stummen: der Ausdruck ist sinnlich Charakteristisch[2]: und das griechische[5] ἄλογος fasset beides. Es wird so nach die Sprache[1] ein natürliches[3] Organ[1] des Verstandes[2], [...] wie sich [...] der Instinkt der Biene seine Zelle bauet. | [...] Ich kann nicht den ersten menschlichen Gedanken denken, nicht das Erste besonnene Urtheil reihen, ohne daß 〈74〉 ich in meiner Seele dialogire oder zu dialogiren strebe; der erste menschliche Gedanke bereitet also seinem Wesen nach, mit andern dialogiren zu können! Das erste Merkmal, was ich erfasse, ist Merkwort für mich, und Mittheilungswort für andre! ➢ Volltext.
[96] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 77: Der Mensch ist also als ein horchendes, merkendes Geschöpf zur Sprache[1] natürlich[4] gebildet, und selbst ein Blinder und Stummer, siehet man, mußte Sprache[1] erfinden, wenn er nur nicht fühllos und taub ist. Setzet ihn gemächlich und behaglich auf eine einsame Insel: die Natur[2] wird sich ihm durchs Ohr[3] offenbaren: tausend Geschöpfe, die er nicht sehen kann, werden doch mit ihm zu sprechen scheinen, und, bliebe auch ewig sein Mund und sein Auge verschlossen, seine Seele bleibt nicht ganz ohne Sprache[1]. Wenn die Blätter des Baumes dem armen Einsamen Kühlung herabrauschen, wenn der vorbeimurmelnde Bach ihn in den Schlaf wieget, und der hinzusäuselnde West seine Wangen fächelt – das blöckende Schaaf giebt ihm Milch, die rieselnde Quelle Wasser, der rau〈78〉schende Baum Früchte – Interesse gnug, die wohlthätigen Wesen zu kennen, Dringniß gnug, ohne Augen und Zunge in seiner Seele sie zu nennen. Der Baum wird der Rauscher, der West Säusler, die Quelle Riesler heißen – Da liegt ein kleines Wörterbuch fertig und wartet auf das Gepräge der Sprachorgane. ➢ Volltext.
[97] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 89: In der Reihe der Wesen hat jedes Ding seine Stimme[3] und eine Sprache[12] nach seiner Stimme[3]. Die Sprache[12] der Liebe ist im Nest der Nachtigall süßer Gesang, wie in der Höle des Löwen Gebrüll: im Forste des Wildes wiehernde Brunst, und im Winkel der Katze Zetergeschrei; jede Gattung redet die ihrige, nicht für den Menschen, sondern für sich, und für sich so angenehm als Petrarchs Gesang an seine Laura! ➢ Volltext.
[98] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 154: Es müßte der dunkelste Schwärmer oder ein Vieh, der abstrakteste Götterseher oder eine träumende Monade seyn, der ganz ohne Worte[2] dächte. Und in der menschlichen Seele ist, wie wir selbst in Träumen und bei Verrükten sehen, kein solcher Zustand möglich. So kühn es klinge so ists wahr - der Mensch empfindet mit dem Verstande[2] und spricht, indem er denket[.] ➢ Volltext.
[99] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 171: Wenn nun Störche und Tauben Ehen[2] haben: so wüßte ich nicht, warum sie der Mensch aus mehrern Ursachen nicht hätte? ➢ Volltext.
[100] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 187 f. (188): Im eigentlichen metaphysischen Verstande[7] ist schon nie eine Sprache[7] bei Mann und Weib[1], Vater und Sohn, Kind und Greis möglich. Man gehe z. E. unter den Morgenländern die langen und kurzen Vocale, die mancherlei Hauche und Kehlbuchstaben, die leichte und so mannichfaltige Verwechselung der Buchstaben[7] von einerley Organ[2], die Ruhe, und Sprachzeichen, mit allen Verschiedenheiten, die sich schriftlich so schwer ausdrücken lassen, durch: Ton[5] und Accent: Vermehrung und Verringerung deßelben und hundert andere zufällige Kleinigkeiten in den Elementen der Sprache[1]: und bemerke auf der andern Seite die Verschiedenheit der Sprach〈188〉werkzeuge bei beiderlei Geschlecht, in der Jugend und im Alter, auch nur bei zween gleichen Menschen nach so manchen Zufällen und Einzelnheiten, die den Bau dieser Organe[2] verändern, bei so manchen Gewohnheiten, die zur zweiten Natur[1] werden u. s. w. ➢ Volltext.
[101] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 188: So wenig als es zween Menschen ganz von einerlei Gestalt und Gesichtszügen: so wenig kann es zwo Sprachen[3], auch nur der Aussprache nach, im Munde zweener Menschen geben, die doch nur Eine Sprache[3] wären. | Jedes Geschlecht wird in seine Sprache[3] Haus und Familienton bringen: das wird, der Aussprache nach, verschiedne Mundart[1]. | Clima[1], Luft und Wasser, Speise und Trank, werden auf die Sprachwerkzeuge und natürlich[4] auch auf die Sprache[3] einfließen. | Die Sitte der Gesellschaft und die mächtige Göttin der Gewohnheit werden bald nach Geberden und Anstand diese Eigenheiten und jene Verschiedenheiten einführen – ein Dialekt[1]. ➢ Volltext.
[102] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 193: Es sei so wenig Ähnlichkeit zwischen den Sprachen[3] der Erde auszuträumen, als zwischen den Bildungen[10] der Menschengattungen; und es hieße sehr unweise von Gott gedacht, nur ein Paar Menschen als Stammältern für die ganze Erde so schwach und schüchtern, zum Raube der Elemente und Thiere[4] in einen Erdewinkel dahingesezt und einem tausendfachen Ungefähr von Gefahren überlassen zu haben – – ➢ Volltext.
[103] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 203: „So wie nach aller Wahrscheinlichkeit das menschliche Geschlecht Ein progressives[2] Ganze von Einem Ursprunge in Einer großen Haushaltung ausmacht: so auch alle Sprachen[3], und mit ihnen die ganze Kette der Bildung[5].“ | Der sonderbare charakteristische[1] Plan ist bemerkt, der über Einen Menschen waltet: seine Seele ist gewohnt, immer das, was sie sieht, zu reihen, mit dem, was sie sahe, und durch Besonnenheit wird also „ein progressives[2] Eins aller Zustände des Lebens“ – mithin Fortbildung der Sprache[1]. ➢ Volltext.
[104] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 213: Man sollte denken, daß ein einsamer Mensch, ohne drängende Bedürfnisse, mit aller Gemächlichkeit der Lebensart [...] Sprache[1] erfinden; daß seine Muße ihn dazu antreiben werde, seine Seelenkräfte zu üben [...] u. s. w. Allein das Gegentheil ist klar. Er wird ohne Gesellschaft immer auf gewisse Weise verwildern, und bald in Unthätigkeit ermatten, wenn er sich nur erst in den Mittelpunkt gesezt hat, seine nöthigsten Bedürfnisse zu befriedigen. Er ist immer eine Blume, die aus ihren Wurzeln gerissen, von ihrem Stamm gebrochen, daliegt und welkt – – sezt ihn in Gesellschaft und mehrere Bedürfnisse: er habe für sich und andre zu sorgen; man sollte denken, diese neue Lasten nehmen ihm die Freiheit[1] sich empor zu heben; dieser Zuwachs von Peinlichkeiten die Muße zu erfinden; aber gerade umgekehrt. Das Bedürfniß strengt ihn an: die Peinlichkeit wekt ihn: die Rastlosigkeit hält seine Seele in Bewegung: er wird desto mehr thun, je wundersamer es wird, daß ers thue. ➢ Volltext.
[105] Herder, Gesch. d. Menschh. I (1784), 78: Der Menschen[1] ältere[3] Brüder sind die Thiere[1]. Ehe jene da waren, waren diese: und auch in jedem einzelnen Lande 〈79〉 fanden die Ankömmlinge des Menschengeschlechts die Gegend, wenigstens in einigen Elementen, schon besetzt: denn wovon sollte außer den Pflanzen[1] sonst der Ankömmling leben? Jede Geschichte[7] des Menschen[2] also, die ihn ausser diesem Verhältniß betrachtet, muß mangelhaft und einseitig werden. Freilich ist die Erde dem Menschen[2] gegeben; aber nicht ihm allein, nicht ihm zuvörderst; in jedem Element machten ihm die Thiere[1] seine Alleinherrschaft streitig. Dies Geschlecht[7] mußte er zähmen; mit jenem lange kämpfen. Einige entronnen seiner Herrschaft: mit andern lebet er in ewigem Kriege. Kurz, so viel Geschicklichkeit, Klugheit, Herz und Macht jede Art äußerte; so weit nahm sie Besitz auf der Erde..
[106] Herder, Gesch. d. Menschh. I (1784), 173: Kein Thier[1] frißt seines Gleichen aus Leckerei: kein Thier[1] mordet sein Geschlecht auf den Befehl eines Dritten mit kaltem Blut. Kein Thier[1] hat Sprache[1], wie der Mensch sie hat, noch weniger Schrift, Tradition, Religion[3], willkührliche Gesetze und Rechte..
[107] Herder, Gesch. d. Menschh. I (1784), 313 f.: Ich kann mir [...] nicht vorstellen, daß, da wir eine Mittelgattung von zwo Classen[1] und gewissermaaßen die Theilnehmer beider sind, der künftige Zustand von dem jetzigen so fern und ihm so ganz unmittheilbar sein sollte, als das Thier[10] im Menschen gern glauben möchte; vielmehr wer〈314〉den mir in der Geschichte[1] unsres Geschlechts manche Schritte und Erfolge ohne höhere Einwirkung unbegreiflich. Daß z. B. der Mensch sich selbst auf den Weg der Cultur[3] gebracht und ohne höhere Anleitung sich Sprache[1] und die erste Wissenschaft erfunden, scheinet mir unerklärlich und immer unerklärlicher, je einen längern rohen Thierzustand man bei ihm voraussetzt..
[108] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 184: Noch eines größern Ruhmes ist die sanfte Duldung, die unverdrossene Geschäftigkeit werth, in der sich ohne den Mißbrauch der Cultur[4], das zarte Geschlecht[2] überall auf der Erde auszeichnet. Mit Gelaßenheit trägt es das Joch, das ihm die rohe Uebermacht der Männer, ihre Liebe zum Müßiggange und zur Trägheit, endlich auch die Ausschweifungen seiner Vorfahren 〈185〉 selbst als eine geerbte Sitte auflegten und bei den armseligsten Völkern[1] finden sich hierinn oft die größesten Muster. Es ist nicht Verstellung, wenn in vielen Gegenden die mannbare Tochter zur beschwerlichen Ehe[1] gezwungen werden muß: sie entläuft der Hütte, sie fliehet in die Wüste: mit Thränen nimmt sie ihren Brautkranz, denn es ist die letzte Blüthe ihrer vertändelten, freieren[5] Jugend. [...] Zärtlich nimmt sie Abschied von allem, was ihrer Jugend so lieb war: als eine Verstorbene verläßt sie das Haus ihrer Eltern, verlieret ihren vorigen Namen und wird das Eigenthum eines Fremden[4], der vielleicht ihr Tyrann ist. Das unschätzbarste, was ein Mensch hat, muß sie ihm aufopfern, Besitz ihrer Person, Freiheit[5], Willen, ja vielleicht Gesundheit und Leben; und das Alles um Reize, die die keusche Jungfrau noch nicht kennet und die ihr vielleicht bald in einem Meer von Ungemächlichkeit verschwinden. Glücklich, daß die Natur[2] das weibliche[1] Herz mit einem unnennbar-zarten und starken Gefühl für den persönlichen Werth des 〈186〉 Mannes ausgerüstet und geschmückt hat. Durch dies Gefühl erträgt sie auch seine Härtigkeiten: sie schwingt sich in einer süßen Begeisterung[3] so gern zu allem auf, was ihr an ihm edel, groß, tapfer, ungewöhnlich dünket: mit erhebender Theilnehmung hört sie männliche Thaten, die ihr, wenn der Abend kommt, die Last des beschwerlichen Tages versüßen und es zum Stolz ihr machen, daß sie, da sie doch einmal zugehören muß, einem solchen Mann gehöre. Die Liebe des Romantischen[7] im weiblichen[1] Charakter[1] ist also eine wohlthätige Gabe der Natur[2], Balsam für sie und belohnende Aufmunterung des Mannes: denn der schönste[6] Kranz des Jünglings war immer die Liebe der Jungfrau..
[109] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 51: [D]a [...] die meisten Menschen, und noch mehr die großen Staatskörper, sehr harte, eiserne Thiere[7] sind, denen die Gefahr nah ankommen müßte, ehe sie ihren alten[1] 〈52〉 Gang ändern: so bleibt ohne Wunder und Zeichen alles, wie es ist [...]..
[110] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 163 f. (164): Allerdings [...] gaben die republicanischen Verfassungen, die mit der Zeit[1] überall in Griechenland eingeführet wurden, der Kunst[2] einen weitern Raum. In einem Gemeinwesen waren Gebäude zur Versammlung des Volks[1], zum öffentlichen Schatz, zu gemeinschaftlichen Uebungen und Vergnügungen nöthig, und so entstanden z. B. in Athen die prächtigen Gymnasien, Theater und Galerien, das Odeum und Prytaneum, der Pnyx u. f. Da in den griechischen[2] Republiken alles im Namen des Volks[1] oder der Stadt getrieben ward: so war auch nichts zu kostbar, was auf die Schutzgötter derselben oder auf die Herrlichkeit ihres Namens verwandt wurde, dagegen einzelne, selbst die vornehmsten Bürger sich mit schlechteren Häusern begnügten. Dieser Gemeingeist, alles wenigstens dem Scheine nach für das Ganze zu thun, war die Seele der griechischen[2] Staaten, den ohne Zweifel auch Winckelmann meinte, wenn er die Freiheit[6] der 〈164〉 griechischen[2] Republiken als das Goldne Zeitalter der Kunst[2] pries. Pracht und Größe [...] flossen in dem zusammen, was den Staat anging. [...] Perikles [...] that mehr für die Künste[2], als zehn atheniensischen Könige würden getan haben. Alles was er bauete, war im großen Geschmack, weil es den Göttern[4] und der ewigen Stadt gehörte; und gewiß würden wenige der griechischen[2] Städte und Inseln solche Gebäude errichtet, solche Kunstwerke[4] befördert haben, wenn sie nicht voneinander getrennte, im Ruhm wetteifernde Freistaaten gewesen wären. Da überdem bei demokratischen Republiken der Führer des Volks[1] dem Volk[1] gefallen mußte, was wählte er lieber als die Gattung des Aufwandes, die nebst dem Wohlgefallen der Schutzgötter auch dem Volk[1] in die Augen fiel und viele Menschen nährte?.
[111] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 43: Adel[2]. Fast bei allen Völkern[1] der alten[9] und neuen[5] Welt, findet man, sobald sie sich ein Wenig über die Stufe der eigentlichen Wildheit erhoben haben, sobald die Cultur[3] eine günstige Veränderung in ihrem Zustande macht, und sie sich unter ein religiöses und moralisches Gesetz beugen, eine Klasse[2] von Menschen, welche gewisse Vorrechte vor den andern genießt, welche die Wissenschaften[2], die Künste[2], so weit sie bei dem Volke[1] ausgebildet sind, besitzt, und 〈44〉 nicht selten auf die Regierung den größten Einfluß hat. So war es in Otaheite, in Indien, in Mexiko, in Afrika, so war und ist es noch jetzt in Europa. Woher diese Rechte der einen Klasse[2] stammen, möchte vielleicht gar nicht zu ergründen sein, wenigstens ist man, so viel auch schon darüber geschrieben wurde, zu keinem Resultat gekommen..
[112] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 91: Affe, das gelehrigste und abrichtungsfähigste Thier[1], in Gestalt und Gesten dem Menschen am ähnlichsten, gehört zu den Säugethieren, hat vier Füße und wird in 3 Hauptgeschlechter eingetheilt: – die eigentlichen Affen, Paviane und Meerkatzen..
[113] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 261: Edel [...] bezeichnet die Größe, Vorzüglichkeit oder Erhabenheit des Charakters[1] oder der Gesinnung. Man sagt von einem Menschen, der sich durch diese Eigenschaften auszeichnet: sein Wesen ist edel. – Bei Thieren[1] bezieht es sich auf die Gestalt, die Race[1], welche sich vor den andern durch Schönheit[1] 〈262〉 des Wuchses, Stärke etc. auszeichnet; so z. B. die arabischen Pferde, die edlen Schafe (Merino's)..
[114] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 50: In jener schönern[1] Zeit[3], wo noch die ganze Natur[2] dem Menschen näher stand, wo jeder Baum, jede Blume lebte und selbst das zutraulichere Thier[1] den Menschen mit sprechenden Augen ansah, in den Tagen, wo der Mensch noch ein harmloses Kind war, und unbefangen mit den ihn umgebenden Gegenständen spielte, in jener Zeit[3] einer einfachen unschuldigen Sinnlichkeit entstand die Fabel..
[115] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 349: In der Thierwelt verhält sich das Gehirn zur Körpermasse geringer als beim Menschen; Thiere[1] mit viel Anlagen haben mehr Gehirn als träge Geschöpfe. Bei kleinen Geschöpfen und Gewürmen hat es die Zootomie nachgewiesen, und gewiß entbehren die so reich begabten thätigen Insekten, wo unsere Werkzeuge nicht mehr ausreichen, dieses Organ[2] besserer Lebenskräfte nicht..
[116] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. V (1835), 353: Der gemeine Hund, das bekannte Hausthier, der treue Gefährte des Menschen, sein Hüter und Beschützer, das einzige Thier[1], welches mit unwandelbarer Liebe sich an den Menschen kettet, bildet zahlreiche Klassen[1], welche sich durch Gestalt, Größe, Farbe, verschiedene Wohnung, Nahrung, Gewohnheiten etc. unterscheiden..
[117] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. V (1835), 405: In jenem Leidensmoment, als der Mensch Christus seine göttliche Seele aushauchte, zerriß ein tausendjähriger Schleier, der die Menschheit[2] umnebelt hielt; das Feuerzeichen des Göttlichen flammte Licht, Wärme, Segen und Freiheit[2] bringend über den 〈406〉 Erdkreis [...]..
[118] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. V (1835), 405: Christus, das Ideal der gereinten, erhobenen Menschlichkeit, irdisch fühlend als Mensch, himmlisch wirkend als Gott[2], die leuchtende Verschmelzung dieser Doppelnatur [...] stieg, obgleich aus David's Stamme, um die Demuth als Quell und Anfang jeder Besserung und Erhebung zu manifestiren, von keinem Throne herab, sondern aus einer niedern Hütte [...]..
[119] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VII (1836), 367: Thiere[1] und Naturmenschen haben einen weit schärfern Geruchsinn als kultivirte Menschen..
[120] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IX (1837), 365 f.: Sehr bezeichnend nennen die Orientalen die Thiere[1] „die Stummen der Erde,“ da nur die Sprache[1], welche mit dem Denken wesentlich ein und dasselbe ist, und sich zu ihm wie sich die Folge zur Ursache verhält, den Menschen über die Thierwelt erhebt und den Göttern[4] näher bringt. Ohne Sprache[1] würde ihm das Siegel der Gottheit fehlen; sie ist der Athem seines 〈366〉 wahren Lebens; ohne sie glich er dem unvernünftigen Thiere[1], das nur verworrenen Eindrücken folgt; ohne sie könnte man sich bei ihm keine bestimmte Ideenreihe denken, denn sie eben ist das Vermögen des Menschen in das Chaos seiner Vorstellungen Ordnung zu bringen, denselben eine Form zu geben und sie mittelst der Stimme[1/3?] in richtigen Absätzen (artikulirt) mitzutheilen. Die Thiersprache enthält dagegen nur unartikulirte Laute zur Bezeichnung einiger Gefühle, aber nicht Worte[1] als Nachhalle der Gedanken: – daher es ziemlich problematisch erscheint, wenn der Franzose Düpont 11 Wörter[1] aus der Tauben-, 11 aus der Hühner-, 33 aus der Hunde-, 14 aus der Katzen-, 22 aus der Rindersprache und die der Raben ganz verstehen will..
[121] Herwegh, Lit. u. Volk (1839), W 2, 46: Wo einst ein Sänger und Dichter[1] von Millionen begriffen wurde, da werden jetzt oft zehn Dichter[1] nicht von tausend Menschen begriffen. Deren, die schreiben, sind beinahe mehr, als deren, die lesen. Es gibt in der modernen[9] Welt mehr einzelne über die Masse sich erhebende Talente, dafür aber bei weitem weniger durchschnittliche Bildung[6]. .
[122] Hirt, Baukunst (1809), 25: Jeder Bau [...] erhält seine eigenthümliche Physiognomie; denn so wie es nicht zwey Menschen giebt, die vollkommen dieselbe Bildung[10] haben, so kann es auch nicht zwey Gebäude, die gerade sich in allem gleich sind, geben. Ein anderes Lokal, eine kleine Veränderung in der Bestimmung, eine andere Himmelsgegend, eine geringe Veränderung in den Maaßver〈26〉hältnissen, ein anderer Geist[12] der Verzierung wechselt die Ansichten, erfordert neue Berechnung, giebt neue Resultate..
[123] Hoven, Lebenserinn. (1840), 350: Man betrachte unsern jetzigen Adel[2], und man sieht, daß die Adeligen ganz andere Menschen geworden sind als ihre Vorfahren auf ihren Burgen, die Unwissenheit und Brutalität für Prärogativen ihres Standes hielten..
[124] Th. Huber, Klosterber. (*1811–15), 169: Der Fürst hatte einen älteren[3] Bruder, einen unschädlichen [›untadeligen, unverdorbenen‹, vgl. DWB XI/3, 1315] Menschen, der in seiner Bildung[2] dem gemeinsten Adel[2] unsrer Nation[1] um keinen Schritt vorgeeilt 〈170〉 war. Ein roher Mann, starr und treu..
[125] A. v. Humboldt, Basalte Rhein (1790), 21: Es ist in der That rührend zu lesen, wie kläglich der Herr Abt den sittlichen Zustand eines Volks[1] in unbasaltischen Gegenden schildert. Die Einwohner des nördlichen Deutschlands und der Schweiz werden zu schlaffen, sinnlichen Menschen herabgewürdigt. Die Harzgegend sinkt in der Cultur[4] tief unter die Rheinischen und Hessischen Gebirge herab; die Basalte erscheinen als ein lange verkanntes Beförderungsmittel [...] zur schnellen Aus〈22〉breitung der Reformation etc..
[126] A. v. Humboldt, Gasarten (1799), 3: Je mannigfaltiger[1] die Beziehungen sind, in welche der Mensch mit den Gegenständen um sich her tritt, je 〈4〉 mächtiger und vielseitiger er auf die belebte und unbelebte Natur[2] einwirkt, desto mehr gewinnt unter verwickelten Verhältnissen seine intellectuelle Bildung[10]. Instrumente[1] und Maschinen sind besonders deshalb wichtig, weil sie entweder die Anwendung menschlicher Kräfte, welche nun auch auf andere Punkte gerichtet werden können, ganz ersparen; oder weil sie uns in den Stand setzen, Dinge zu unternehmen, welche (ohne jene Hülfsmittel) hätten ununternommen bleiben müssen. Jede mechanische Erfindung erweitert daher das Feld menschlicher Erkenntniß[2], nicht bloß durch das, was sie unmittelbar leistet, sondern zugleich durch den allgemeinen Einfluß, den sie auf den Umfang unserer ganzen Thätigkeit ausübt..
[127] A. v. Humboldt, Gasarten (1799), 14: Mit qualvoller Pein empfindet der gefühlvolle Mensch sein Unvermögen, oder vielmehr die Unvollkommenheit seiner Kunst[6], wenn er einen Verunglückten zu retten strebt..
[128] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 99: Beschäftigen die Manufacturen gleich nur wenige Arme in Neu-Spanien, so gehn doch viele derselben für den Ackerbau durch die Nothwendigkeit der Transporte von Waaren, Erzeugnissen der Bergwerke, Eisen, Pulver und Quecksilber, welche alle durch Maulthiere von der Küste nach der Hauptstadt, von da nach den Minen und überhaupt auf dem ganzen Rücken der Cordilleren geschehen müssen, verloren. | Viele tausend Menschen und Thiere[3] bringen ihr ganzes Leben auf den großen Routen zwischen Vera-Cruz und Mexico, zwischen Mexico und Acapulco, Oaxaca und Durango, und den Querstraßen zu, auf denen die Gewerke in den dürren und unangebauten Gegenden ihre Mundvorräthe erhalten. Diese Classe[2] von Bewohnern, welche die Oeconomisten in ihrem System steril und nicht producirend nennen, ist in America also viel größer, als man in einem Lande erwarten sollte, dessen Manufactur-Industrie noch so niedrig steht..
[129] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 189 f. (190): Ein Sclave z. B. der sich durch seine Industrie einiges Geld erworben hat, kann seinen Herrn zwingen, ihn gegen die mässige Summe von 〈190〉 1500 bis 2000 Livres in Freiheit[6] zu setzen, und diese kann ihm nicht verweigert werden, wenn jener auch gleich die Vorstellung macht, daß ihn der Sclave das Dreifache gekostet habe, oder daß er ein besonders einträgliches Handwerk verstehe. Letzterer gewinnt seine Freiheit[6], wenn er grausam behandelt worden ist, schon dadurch, sobald der Richter sich der Sache des Unterdrückten annimmt. Indeß begreift man leicht, daß dieses wohlthätige Gesetz oft genug umgangen wird. Allein ich habe doch im Juli 1803, und in Mexico selbst, das Beispiel von zwo Negersclavinnen gesehen, denen die obrigkeitliche Person [...] die Freiheit[6] zusprach, weil ihre Gebieterin [...] ihnen viele Wunden mit Scheeren, Stecknadeln und Federmessern beigebracht hatte. In diesem abscheulichen Proceß wurde die Dame beschuldigt, daß sie ihren Sclaven mit einem Schlüssel die Zähne ausgebrochen habe, wenn sie sich über Zahnweh, das sie am Arbeiten hinderte, beklagten. – Die römischen Matronen waren wahrlich nicht erfinderischer in den Handlungen[1] ihrer Rache; denn die Barbarei ist in allen Jahrhunderten dieselbe, wenn die Menschen ihren Leidenschaften den Zügel schießen lassen können, und die Regierungen eine, den Gesetzen der Natur[11], und somit dem Wohl der Gesellschaft entgegenlaufende, Ordnung[1] der Dinge dulden..
[130] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 193: In einem, von Weißen beherrschten, Lande sind die Familien, von welchen man annimmt, daß sie am wenigsten mit Negern- oder Mulatten-Blut vermischt seien, am geehrtesten; so wie es auch in Spanien für eine Art von Adel[1] gilt, weder von Juden[1] noch von Mauren abzustammen. In America entscheidet der größere oder geringere Grad von Weiß in der Farbe über den Rang, den man in der Gesellschaft behauptet. Ein Weißer, welcher baarfuß zu Pferd steigt, glaubt zum Adel[2] des Landes zu gehören, und die Farbe begründet sogar eine Art von Gleichheit unter den Menschen, welche, wie überall, wo die Civilisation erst wenig vorgerückt, oder schon rückgängig ist, gerne in Prärogativen der Raçe[1] und Abstammung künsteln..
[131] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 203 f. (204): Vergessen wir ja nicht, daß sich die Gesellschaft in den vereinigten Staaten ganz anders, als in Mexico und den übrigen Continental-Gegenden der spanischen Colonien ge〈204〉bildet hat. Als die Europäer in die Alleghany-Gebirge eindrangen, fanden sie nichts, als ungeheure Wälder, in welchen einige Stämme von einem Jägervolk umherirrten, das durch nichts an seinen ungebauten Boden gefesselt war. Bei der Annäherung der neuen[1] Colonisten zogen sich die Urbewohner nach den westlichen Weideplätzen zurück, welche an den Mississipi und den Missury gränzen. So wurden freie[6] Menschen Einer Raçe[1] und Eines Ursprungs die ersten Elemente eines entstehenden Volks[1]..
[132] A. v. Humboldt, Cordill. I [TrN. N.] (1810), 73: Ein todter Mensch, sagen die Eingebornen, ist zu ewigem Stillschweigen gebracht: ihrer Meinung nach ist leben reden; und, wie wir bald sehen werden, viel reden ein Zeichen von Macht und Adel[1]..
[133] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 813: [I]nsofern man in der höchsten Abstraction die vernünftige Eigenschaft rein absondert, geht der Instinct einer [...] bloßen Vernunft[1] allein auf Personalität mit Ausschließung der Person und des Daseyns, weil beide [...] Individualität verlangen. [...] Dieser Instinct umfasst [...] die doppelte Natur[1] des Menschen. Er geht auf Erhaltung des Daseyns, wie jeder Trieb überhaupt: allein als auch der vernünftigen Natur[1] angehörend, nur auf Erhaltung des dem Menschen eigenthümlichen Daseyns. Die eigenthümliche Natur[1] des Menschen aber ist Vernunft[1] und Freyheit[10]. Vermöge dieses Instincts ist sich der Mensch daher einer Kraft bewußt, mit welcher er, allen Antrieben der Sinne[3] entgegen, allein der Vernunft[1] zu folgen vermag; ja er fühlt sich sogar, dieß zu thun, durch einen unaustilgbaren Trieb gedrungen. Wie dieser Trieb entsteht, wie er wirkt, begreift er nicht; versucht er auch, wenn er weise ist, nicht zu erklären. Denn erklären lässt sich nur das Abhängige, Vermittelte; dieser Trieb aber ist das Letzte, Unvermittelte..
[134] Iffland, Erbtheil (1802), 171: Marquis! – Lassen Sie uns daheim treue Bürger seyn, weil wir lieber das seyn wollen, als gebietende Herrn. Zeigen Sie es hier zu Lande, daß es einen hohen Adel[1/5] gebe, weit über das Pergament hinaus, der darin besteht, dem Menschen leicht zu machen, was ihn drückt..
[135] Immermann, Münchh. (1838–39), W 3, 482: „[...] Bauer [...] und hoher Aristokrat stimmen darin überein, daß ersterer sowohl als letzterer weniger sich, als ihrer Gattung angehören, zuvörderst Bauer sind und Aristokrat und erst nachher Mensch.“ | Der [...] Kavalier [...] versetzte [...]: „Sie haben, Herr Prediger, dieses mehr aus Büchern. Ich versichere Sie, daß wir mit der Zeit[1] fortgeschritten sind. Wir heiraten sogar Jüdinnen.“ | „Exzellenz“, fuhr der Diakonus mit aller Vergessenheit eines deutschen Gelehrten heraus, „der Adel[2], den Sie meinen, ist ein reines Garnichts und kommt mir höchstens vor wie der Schwamm im Hause.“.
[136] Jahn, Dt. Volksth. (1810), 202: Wundergeschichten! Das größte Wunder, wie ein Mensch ohne Verstand[3] Dinge erfinden will, die unter und über und wider allen Verstand[4] sind. Geistergeschichten! Wo Geister[1] spuken weht kein Geist[28]..
[137] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 65 ff. (67): Es ist einerlei, wie man diesen überirdischen Engel des innern Lebens, diesen Todesengel des Weltlichen im Menschen nennt oder seine Zeichen aufzählt: genug, wenn man ihn nur – nicht in seinen Verkleidungen verkennt. Bald zeigt er sich den in Schuld und Leib tief eingehüllten Menschen als ein Wesen, vor 〈66〉 dessen Gegenwart, nicht vor dessen Wirkung wir uns entsetzen [...]; wir nennen das Gefühl Geisterfurcht, und das Volk[5] sagt [...], um das Unendliche auszudrücken, bloß: es. Bald zeigt sich der Geist[1] als den Unendlichen, und der Mensch betet. Wär' er nicht, wir wären mit den Gärten der Erde zufrieden; aber er zeigt uns in tiefen Himmeln die rechten Paradiese. – Er zieht die Abendröthe vom romantischen[8/11] Reiche weg, und wir blicken in die schimmernden Mond-Länder voll Nachtblumen, Nachtigallen, Funken, Feen und Spiele hinein. | Er gab zuerst Religion[3] – Todesfurcht – griechisches[2] Schicksal – Aberglauben – und Prophezeiung [...] – und den Durst der Liebe – 〈67〉 den Glauben an einen Teufel – die Romantik[13], diese verkörperte Geisterwelt, so wie die griechische[2] Mythologie, diese vergötterte Körperwelt..
[138] Kant, Crit. pract. Vern. (1788), 108: Der Mensch ist ein bedürftiges Wesen, so fern er zur Sinnenwelt gehört und so fern hat seine Vernunft[2] allerdings einen nicht abzulehnenden Auftrag, von Seiten der Sinnlichkeit, sich um das Interesse derselben zu bekümmern und sich practische Maximen, auch in Absicht auf die Glückseligkeit dieses, und, wo möglich, auch eines zukünftigen Lebens, zu machen. Aber er ist doch nicht so ganz Thier[11], um gegen alles, was Vernunft[2] für sich selbst sagt, gleichgültig zu seyn, und diese blos zum Werkzeuge der Befriedigung seines Bedürfnisses, als Sinnenwesens, zu gebrauchen. Denn im Werthe über die bloße Thierheit erhebt ihn das gar nicht, daß er Vernunft[2] hat, wenn sie ihm nur zum Behuf desjenigen dienen soll, was bey Thieren[1] der Instinct verrichtet; sie wäre alsdenn nur eine besondere Manier, deren sich die Natur[2] bedient hätte, um den Menschen zu demselben Zwecke, dazu sie Thiere[1] bestimmt hat, auszurüsten, ohne ihn zu einem höheren Zwecke zu bestimmen. ➢ Volltext.
[139] Kant, Metaph. d. Sitt. I (1797), 111: Gleichwie aus der Pflicht des Menschen gegen sich selbst [...] ein Recht [... beyder Geschlechter[9] entsprang, sich, als Personen, wechselseitig einander, auf dingliche Art, durch Ehe[1] zu erwerben: so folgt, aus der Zeugung in dieser Gemeinschaft, eine Pflicht der Erhaltung und Versorgung in Absicht auf ihr Erzeugniß, d. i. die Kinder [...]..
[140] Kant, Metaph. d. Sitt. I (1797), 192: Nun ist ein angeerbter Adel[1] ein Rang, der vor dem Verdienst vorher geht, und dieses auch mit keinem Grunde hoffen läßt, ein Gedankending, ohne alle Realität. Denn, wenn der Vorfahr Verdienst hatte, so konnte er dieses doch nicht auf seine Nachkommen vererben, sondern diese mußten es sich immer selbst erwerben [...]. Weil nun von keinem Menschen angenommen werden kann, er werde seine Freiheit[6] wegwerfen, so ist es unmöglich, daß der allgemeine Volkswille zu 〈193〉 einem solchen grundlosen Prärogativ zusammenstimme, mithin kann der Souverän es auch nicht geltend machen. – – Wenn indessen gleich eine solche Anomalie in das Maschinenwesen einer Regierung von alten[1] Zeiten[3] (des Lehnswesens, das fast gänzlich auf den Krieg angelegt war) eingeschlichen, von Untertanen, die mehr als Staatsbürger, nämlich geborne Beamte (wie etwa ein Erbprofessor) sein wollen, so kann der Staat diesen von ihm begangenen Fehler eines widerrechtlich erteilten erblichen Vorzugs nicht anders, als durch Eingehen und Nichtbesetzung der Stellen allmählich wiederum gut machen, und so hat er provisorisch ein Recht, diese Würde dem Titel nach fortdauern zu lassen, bis selbst in der öffentlichen Meinung die Einteilung in Souverän, Adel[2] und Volk[5] der einzigen natürlichen[4] in Souverän und Volk[4] Platz gemacht haben wird..
[141] Kellner, Töne (1787), 1185: Ein Ton[1] ist die zitternde Bewegung der Luft, die, von Körpern gewürkt, in den Organen[2] des Gehörs eine Veränderung hervorbringt. Die Töne[1] sind entweder articulirte, die von Menschen hervorgebracht werden, um Andern ihre Gedanken mitzutheilen, (Gedankenzeichen) oder unarticulirte, die durch eine Würkung auf jede Art von Körper hervorgebracht werden, und keine bestimmte Gedankenzeichen sind. Die Tonkunst hat nur unarticulirte Töne[1] zum Hauptgegenstand und wesentlichem Bestandtheil. Da nun diese unarticulirten Töne[1] sowohl durch die menschliche Stimme[1] als durch Würkungen auf Körper erweckt werden, letztere aber bey weitem nicht alle Gegenstände der Tonkunst sind: so müssen wir einen allgemeinen Maaßstab annehmen, nachdem wir alle Töne[1] prüfen, ob sie musikalische[1] sind oder nicht. Dieser Maaßstab ist nach vielen Erfahrungen und Beobachtun〈1186〉gen die menschliche Stimme[1], die uns auch sogar lehrt, welchen Grad der Anmuth jeder Ton[1] hat, wenn nicht lebhafte berichtigte Einbildungskraft[1] und das feine tiefblickende Gefühl des Meisters in dieser Sache unsre Führer wären. Doch hat sie uns auf jenen unbezweifelt wahren Satz geleitet: daß die Töne[1], welche die menschliche Stimme[1] ungezwungen nachahmt, die schönsten[1]; die aber, welche in aller Beziehung weit außer ihrem Gebiete liegen, viel weniger schön[1] und angenehm sind, und jenen immer den Vorzug einräumen müssen..
[142] Klingemann, Poesie (1800), 55: Die Poesie[19] geht durch die ganze Kunst[2]; sie ist das Innerliche in ihr, und der geheime wunderliche Geist[12], der später erst durch sie zur Erscheinung kommt. Die Kunst[2] selbst ist nur Organ[1] der Poesie[19], sie aber ist die Seele des Ganzen, und das heilige Feuer, das unsichtbar sich entzündet. So ist die Dichtkunst allein nicht ihre einzige Heimath; sondern sie herrscht unumschränkt auch in der Skulptur und Mahlerei[2], und redet zart und geistig aus der Musik[4] uns an. Sie ist es eben, wodurch die Kunst[2] sich ausbreitet, und allgemein wird; denn Poesie[19] ist die Grundanlage der Menschheit[1] überhaupt, und sie zeichnet sich nur, dem Grade nach, stärker oder schwächer in den Einzelnen aus. | Die Poesie[19] ist das eigentlich Absichtslose, oder die Natur[19] in der Kunst[2]; Niemand vermag sie zu erringen, oder durch Kunst[2] sich anzueignen; sie ist vielmehr eine freie[5] Gunst der Götter[4], und wird dem Menschen schon bei seiner Geburt zu Theile..
[143] Klingemann, Nachtw. Bonavent. (1804), 105: Ist es doch besser mit dem ersten Doktor Darwin [⦿] die Affen für unsere Vorfahren anzunehmen, als so lange zu zögern bis ein zweiter gar andere wilde Thiere[4] zu unsern Adscendenten macht, welches er vielleicht durch eben so gute Wahrscheinlichkeitsgründe belegen könnte, da die meisten Menschen, wenn man ihnen das Untertheil des Gesichts und den Mund, mit dem sie die gleissenden Worte[2] verschwenden, verdekt, in ihren Physiognomien eine auffallende Geschlechtsähnlichkeit besonders mit Raubvögeln, als z. B. Geiern, 〈106〉 Falken u. s. w. erhalten, ja da auch der alte[1; 8?] Adel[2] seine Stammbäume eher zu den Raubthieren, als Affen hinaufführen kann, welches, ausser ihrer Vorliebe zur Räuberei im Mittelalter, auch noch aus ihren Wappen erhellet, in denen sie meistentheils Löwen, Tieger, Adler und andere dergleichen wilde Thiere[4] führen..
[144] Knigge, Noldmann (1791), 173: Man wollte es unbillig finden, daß einem Menschen, der keine Familie hinterließ, nicht das Recht zustehen sollte, das liebe, schöne[6] Geld, welches er gesammelt hatte, nach seinem Tode einem Freunde zuzusichern, sondern daß diese Reichtümer in den öffentlichen Schatz kommen sollten..
[145] S. v. Knorring, Evremont III (1836), 20: Der Graf [...] machte die Wittwe des Herrn St. Julien darauf aufmerksam, daß es auch gerecht sei, daß dessen Adoptivsohn den so lange geführten Namen ablege und den ihm durch die Geburt zukommenden führe. Es war ihm nicht schwer, die Schwester des Grafen Evremont zu überzeugen, daß bei der Wendung, die die öffentlichen Angelegenheiten Frankreichs genommen hatten, dieß für den jungen Mann vortheilhaft sei, um so mehr, da nicht nur dort ein neuer[3] Adel[2] entstand, sondern Napoleon unverkennbar die alten[1] Familien um sich zu sammeln suchte, und man so in der Ferne hoffen konnte, den jungen Mann wieder als Grafen anerkannt zu sehen; eine Hoffnung, die weder dem Grafen selbst, noch der Wittwe St. Juliens gleichgültig war, denn wie der Mensch auch meint sein Herz gereinigt und sich über Vorurtheile erhoben zu haben, so lassen sich doch Gefühle, die von frühester Kindheit an ihm unbewußt genährt werden 〈21〉 und mit ihm gewachsen sind, wohl verläugnen, sie gänzlich auszurotten aber ist er niemals im Stande..
[146] Köstlin, Sonnt. (H1807), 88: Ich [...] endige meine Plage, länger mich in diese Kirche zu träumen, länger mit meinen Gedanken zu verweilen zwischen disen steinernen Wänden, die mir das Herz versteinern. [...] Dort sind wir ganz überwölkt, abgeschlossen durch eine steinerne Kluft von allem fröhlichen Leben [...]. Kein Strahl der ewigen Freyheit[2] und Lust der Natur[2] soll uns spielen um's Herz, damit wir nicht erwachen zur Erinnerung unsres eignen göttlichen Seyns. Verdorben soll sich der Mensch glauben, er soll sein Innerstes von dem giftigen Krebs einer an〈89〉gebohrenen Sünde zerfressen wähnen, damit er ihre Arzney gläubig empfange..
[147] Köstlin, Sonnt. (H1807), 89: C. [...] Wohl ist die Farbe der Nacht etwas mystisches geheimnisvolles. Sehen wir ja auch über die Gräber den schwarzen Flor gebreitet – – | [...] Aber wie durch den Schleyer der Nacht die ewige Gestirne uns herniederwinken, so bedeutet die schwarze Hülle des Grabes ein unvergängliches Reich des Lichtes jenseits dieser Hülle. | B. Und so mögen wir denn glauben, daß dises auch der Sinn[2] war jener Sitte, sich in die Farbe der Nacht zu kleiden, dieser Sitte in ihrer ersten Unschuld und Reinheit: nemlich ein Ertödten des Endlichen am Menschen zur Auferstehung in der 〈90〉 Welt des Ewigen und Göttlichen. – Ach, daß ich immer jener alten[1/11] Zeit[3] gedenken muß! Da berührte noch der Himmel die Erde, und die Erde hieng an ihm, wie seine sehnsuchtsvolle Braut. .
[148] Köstlin, Sonnt. (H1807), 91: Nur in dem Werden und Vergehen aller endlichen Formen ist das Leben des Ewigen. Das einmal Vergangne kehrt nie wieder. Aber die Menschen werden wieder herausgehen aus den todten Mauern, und mit frohem Erstaunen, wie ein aus schweren Träumen erwachter, die ihnen wieder leuchtende Erde und die ihnen wieder redende Gestirne begrüssen. Die Naturgeister werden wieder spielen um die kindlichen Gemüther, und der verwandte Geist[32] wird zur alten[6] Freyheit[1] erwachen..
[149] Laube, Jg. Eur. III (1837), 64: Es war ein schlankes freies[22] Schiff, was mit Wind und Wellen kräftig rang – ich hasse die Dampfschiffe, diese künstliche[4] Vermittelung des Menschen mit dem Elemente, diese repräsentative Schifffahrt, wo das freie[1], kräftige, gefährliche Ineinander des Menschen und des Meeres gestört ist..
[150] Lenz, Landpred. (1777), 315: Auf der andern Seite gibt es einen Stolz der niedern Stände, der ebenso unerträglich ist. Das heißt, wenn sie einen gewissen Trotz, der zu nichts führt, als alle Verhältnisse, die unter Menschen eingerichtet sind, einzureißen, für die notwendigste Eigenschaft eines braven Menschen halten, der sich, wie sie sagen, nicht unterdrücken läßt. Sie bedenken nicht, daß eben dieser Stoß in die Rechte der andern einen Gegenstoß veranlaßt, der gerade das macht, was sie Unterdrückung nennen und am Ende die traurige Spalte zwischen den beiden Ständen, ich meine 〈316〉 dem Adel[2] und dem edlen Bürger zurückläßt, die einander doch so unentbehrlich sind..
[151] Maimon, Lebensgesch. I (1792), 5 f. (6): Es giebt vielleicht kein andres Land außer Polen, wo Religionsfreyheit und Religionshaß so im gleichen Grade anzutreffen wäre. Die Juden[1] genießen da einer völlig freyen[1] Ausübung ihrer Religion[1] und aller übrigen bürgerlichen Freyheiten[6], haben auch sogar ihre eigne Gerichtsbarkeit. Von der andern Seite aber geht der Religionshaß so weit, daß der Nahme Jude[1] zum Abscheu ist, und 〈6〉 die Wirkung dieses zu den Zeiten[3] der Barbarey eingewurzelten Abscheus noch zu meinen Zeiten[3], ohngefähr vor dreyzehn Jahren, dauerte. Dieser anscheinende Widerspruch läßt sich aber sehr gut heben, wenn man bedenkt, daß die in Polen den Juden[1] zugestandene Religions- und bürgerliche Freyheit[6], nicht aus Achtung für die allgemeinen Rechte der Menschheit[2] entspringt, so wie auf der anderen Seite der Religionshaß und Verfolgung keineswegs die Wirkung einer weisen Politik ist, die dasjenige, was der Moralität und dem Wohlstand des Staates schädlich seyn kann, aus dem Wege zu räumen sucht, sondern beyde Folgen der in diesem Lande herrschenden politischen Unwissenheit und Trägheit sind. Da nehmlich die Juden[1] bey allen ihren Mängeln dennoch in diesem Lande beynahe die einzigen brauchbaren Menschen sind, so sahe sich zwar die Polnische Nation[1] gezwungen, zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse ihnen alle mögliche Freyheiten[6] zu bewilligen, doch mußte auch ihre moralische Unwissenheit und Trägheit auf der anderen Seite nothwendig Religionshaß und Verfolgung hervorbringen..
[152] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 40: Schönheit[[[[BedeutungsVerweis ID='431' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] gleicht dem Genie[[[[BedeutungsVerweis ID='343' Anzeige='2' Formatierung='1']]]]; sie ist freie[[[[BedeutungsVerweis ID='696' Anzeige='5' Formatierung='1']]]] Gabe der Götter[[[[BedeutungsVerweis ID='189' Anzeige='4' Formatierung='1']]]], und als solche hat der Wille der Menschen[[[[BedeutungsVerweis ID='686' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] keinen Theil daran. Was selbst erworbner Reiz des Betragens langsam hervorbringt, ist bei ihr das Werk eines Augenblicks: die angenehme Rührung, welche mein Herz bewegte, goß einen höhern Reiz über die ganze Natur[[[[BedeutungsVerweis ID='40' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] um mich her. Der Glanz der Abendsonne schien mit überirdischer Klarheit auf den Baumwipfeln zu ruhen – der Rheinstrom und die romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Ferne, 〈41〉 die einsamen Höhen und der frische duftige Wiesengrund mit dem lebendigen Gewühl von Menschen[[[[BedeutungsVerweis ID='686' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] und Thieren[[[[BedeutungsVerweis ID='474' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] – das zarte Laub, das, kaum entfaltet, freudig im Abendwind flüsterte. – Alles schien verklärt, harmonisch, ahnungsvoll..
[153] Mereau, Amd. u. Ed. II (1803), 184: O! es wird eine Zeit[3] kommen, wo alle Menschen wiederum niederfallen, vor 〈185〉 dem ewigen Wesen, das alle Religionen[1] versteht! und ich ahnde[1], hoffend, daß sie nicht fern ist!.
[154] C. Michaelis, an L. Gotter (6. 2. 1783), C 1, 70: Daß mir das übrige ihres Tagebuchs ganz gefiele, kan ich nicht sagen. Mich däucht es sind so viel Wiederholungen und Worte[1], mit denen sie [sc. Friederike Münter (später Friederike Brun)] kaum selbst immer einen Sinn[1] verbindet, weil sie nicht selbst gemacht und gedacht, sondern aus Dichtern[4] genommen sind, die ihr so im Gedächtniß zu schweben[5] scheinen, daß sie sich mit ihnen verwechselt. Sie hat sich in den sehr poetischen[1] Schwung geworfen, und nichts ist wohl verzeihlicher, da sie so jung ist, aber dies müste gemildert, ihr Herz fester und ihr Verstand[1] schärfer gemacht werden. Das erste würde dann jene Weichheit, die so leicht in Empfindeley ausartet, und der zweyte seine Sonderbarkeit verlieren. Sie schien mir überhaupt mehr Talente als Verstand[1] zu haben, wenn ich das Verstand[1] nenne, Menschen und Sachen nach ihrem wahren (unpoetischen) Gesichtspunkt zu beurtheilen [...]..
[155] Mnioch, Hell. u. Rom. (1802), 229, V. 124: Als Ort des Sehnens lieben wir die Welt. | So auch mit Sehnsucht-Düften überhüllt | Die neue[5] Kunst[10] dem Menschen wohl gefällt, | Hellenisch Leben, du bist uns verlohren, | Drum haben das romant'sche[12] wir erkohren. ➢ Volltext.
[156] Moritz, Dt. in Engld. (1783), 62 f. (63): O lieber Freund, wenn man hier siehet, wie der geringste Karrenschieber an dem was vorgeht seine Theilnehmung bezeigt, wie die kleinsten Kinder schon in den Geist[17] des Volks[7] mit einstimmen, kurz, wie ein jeder sein Gefühl zu er〈63〉kennen giebt, daß er auch ein Mensch und ein Engländer sey, so gut wie sein König und sein Minister, dabei wird einem doch ganz anders zu Muthe, als wenn wir bei uns in Berlin die Soldaten exerciren sehen..
[157] Moritz, Menschl. Elend (1786), 82: [S]o fängt man [...] an, nachdem man schon sehr lange Conchylien, Schmetterlinge, und allerlei Gewürme klassifizirt hat, auch das menschliche Elend in Klassen[1] zu ordnen, damit es [...] Menschen, die einen Staat zu beherrschen haben, mit einem Blick, wie auf einer Landkarte, übersehen und eins nach dem andern, so wie die Noth am dringendsten wäre, abhelfen könnten[.].
[158] Moritz, Bild. Nachahm. (1788), 7: [W]eil [...] der edle Mensch, um edel zu seyn, der körperlichen Schönheit[1] nicht bedarf, so scheiden sich hier [...] die Begriffe[1] von Schön[1] und Edel, indem durch das letztre die innre Seelenschönheit, im Gegensatz gegen die Schönheit[1] auf der Oberfläche, bezeichnet wird. In so fern nun aber die äussre Schönheit[1] zugleich mit ein Abdruck der innern Seelenschönheit ist, faßt sie auch das Edle in sich, und sollte es, ihrer Natur[1] nach, eigentlich stets in sich fassen. Hiedurch hebt sich aber demohngeachtet der Unterschied zwischen schön[1] und edel nicht wieder auf. Denn unter einer edlen Stellung denken wir uns z. B. eine solche, die zugleich eine gewisse innere Seelenwürde bezeichnet: irgend eine leidenschaftliche Stellung aber kann demohngeachtet immer noch eine schöne[1] Stellung seyn, wenn gleich nicht eine solche innere Seelenwür〈8〉de ausdrücklich dadurch bezeichnet wird; nur darf sie einem gewissen Grade von innerer Würde nie geradezu widersprechen; sie darf nie unedel seyn..
[159] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 14: [D]ie Sprache[1] ist das göttliche Siegel, wodurch alle sonderbaren, eignen und weitläufigen Gedanken des einzelnen Menschen erst zu ernsthaften und wahrhaftigen Gedanken werden. Das schönste[2], was die Seele in ihrem einsamen Bezirke hegt, bleibt Vision und Traum[1] und ohne Einfluß auf die Welt, also ohne freundliche Bestätigung von Außen, bis es deutlich gesagt werden kann [...]..
[160] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 266 f. (267): [E]s drängte diese liebenswürdige Natur[17] [sc. Schiller] sich zu dem Göttlichen zu erheben oder das Göttliche herabzuziehn: er sehnte sich wie jeder ordentliche und vollständige Mensch nach der Verbindung des Göttlichen und Menschlichen [...]. Die griechischen[2] Götter[4] trugen wenigstens Masken von Menschen, und so übertrug er in rührendem Irrthume alle jene romantischen[7] Empfindungen seines Herzens, 〈267〉 welche er mit der Luft der neuern[3] Zeiten[3] eingesogen, auf jene alten[10], kalten, geschlechtslosen Gestalten [...]..
[161] Mundt, Dt. Prosa (1837), 7: Wird [...] bei dem sogenannten göttlichen Ursprung der Sprache[1] Gott[1] wie ein Schullehrer gedacht, der uns die Wörter[1] erfunden und zuerst Fibel und Grammatik verfertigt, so wäre diese Vorstellung, obwohl sonstigem populairen Verhältniß zu Gott[1] analog, doch ebenso unsinnig, als wenn man behauptet hat: die Thiere[1] würden Alles erreichen, was der Mensch ist, wenn sie nur die Sprache[1] besäßen. Das Thier[1] kann eben, weil es kein Mensch ist, die Sprache[1] nicht besitzen, und die Thiersubstanz wird in den eigenthümlichen Lauten, die ihr vergönnt sind, hinlänglich sich und Andern klar, ohne noch etwas in sich zu tragen, was nicht lautbar an ihr werden könnte..
[162] Novalis, Verm. Bem. (*1797–98), NS 2, 462, Nr. 105: Halb berauscht kann ein Kunstwerck[2] seyn – Im ganzen Rausche zerfließt das Kunstwerck[2] – Aus dem Menschen wird ein Thier[11] – Der Karacter[1] des Thiers[11/1] ist dythirambisch. Das Thier[11/1] ist ein übersättigtes Leben – die Pflanze[1] ein mangelhaftes Leben. Der Mensch ein freyes[10] Leben..
[163] Novalis, Blüthenstaub (1798), 75 f. (76), Nr. 22: Das willkührlichste Vorurtheil ist, daß dem Menschen das Vermögen außer sich zu seyn, mit Bewußtseyn jenseits der Sinne[4] zu seyn, versagt sey. Der Mensch vermag in jedem Augenblicke ein übersinnliches Wesen zu seyn. Ohne dies wäre er nicht Weltbürger, er wäre ein Thier[11]. Freylich ist die Besonnenheit, Sichselbstfindung, in diesem Zustande sehr schwer, da er so unaufhörlich, so nothwendig mit dem Wechsel unsrer übrigen Zustände verbunden ist. Je mehr wir uns aber dieses Zustandes bewußt zu seyn vermögen, desto lebendiger, mächtiger, genügender ist die Überzeugung, die daraus entsteht; der Glaube an 〈76〉 ächte Offenbarungen des Geistes[1/19]. ➢ Volltext.
[164] Novalis, Blüthenstaub (1798), 86, Nr. 57: Witz[3], als Prinzip der Verwandtschaften ist zugleich das menstruum universale [⦿]. Witzige Vermischungen sind z. B. Jude[1] und Kosmopolit, Kindheit und Weisheit, Räuberey und Edelmuth, Tugend und Hetärie, Überfluß und Mangel an Urtheilskraft in der Naivetät und so fort ins Unendliche. | [Nr. 58] Der Mensch erscheint am würdigsten, wenn sein erster Eindruck der Eindruck eines absolut witzigen Einfalls ist: nämlich Geist[12] und bestimmtes Individuum zugleich zu seyn. Einen jeden vorzüglichen Menschen muß gleichsam ein Geist[12] zu durchschweben scheinen, der die sichtbare Erscheinung idealisch parodirt. Bey manchen Menschen ist es als ob dieser Geist[12] der sichtbaren Erscheinung ein Gesicht schnitte. ➢ Volltext.
[165] Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 272: Ein wahrhaftes Königspaar ist für den ganzen Menschen, was eine Constitution für den bloßen Verstand[9] ist. Man kann sich für eine Constitution nur, wie für einen Buchstaben[9] interessiren. Ist das Zeichen nicht ein schönes[2] Bild, oder ein Gesang, so ist Anhänglichkeit an Zeichen, die verkehrteste aller Neigungen. – Was ist ein Gesetz, wenn es nicht Ausdruck des Willens einer geliebten, achtungswehrten Person ist? Bedarf der mystische Souverain nicht, wie jede Idee, eines Symbols, und welches Symbol ist würdiger und passender, als ein liebenswürdiger treflicher Mensch? Die Kürze des Ausdrucks ist doch wohl etwas werth, und ist nicht ein Mensch ein kürzerer, schönerer[1] Ausdruck eines Geistes[30] als ein Collegium?.
[166] Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 273: Meinethalben mag jetzt der Buchstabe[8/9] an der Zeit[7] seyn. Es ist kein großes Lob für die Zeit[9], daß sie so weit von der Natur[19] entfernt, so sinnlos für Familienleben, so abgeneigt der schönsten[1] poetischen[1] Gesellschaftsform ist. Wie würden unsre Kosmopoliten erstaunen, wenn ihnen die Zeit[3] des ewigen Friedens erschiene und sie die höchste gebildetste Menschheit[3] in monarchischer Form erblickten? Zerstäubt wird dann der papierne Kitt seyn, der jetzt die Menschen zusammenkleistert, und der Geist[12/30] wird die Gespenster, die statt seiner in Buchstaben[8/9] erschienen und von Federn und Pressen zerstückelt ausgingen, verscheuchen, und alle Menschen wie ein paar Liebende zusammen schmelzen..
[167] Novalis, Allg. Brouill. (*1798–99), NS 3, 454, Nr. 983: Der W[issenschaft] ist es wie den Menschen gegangen – um sie leichter bearbeiten und bilden zu können, hat man sie in einzelne Wissenschaften (und Staaten) eingetheilt – der Eintheilungsgrund war hier und dort zufällig und fremd[5]..
[168] Novalis, Hymn. (1800), 195: Unendlich war die Erde – der Götter[4] Aufenthalt, und ihre Heymath. Seit Ewigkeiten stand ihr geheimnißvoller Bau. Ueber des Morgens rothen Bergen, in des Meeres heiligem Schooß wohnte die Sonne, das allzündende, lebendige Licht. Ein alter[2] Riese trug die selige Welt. Fest unter Bergen lagen die Ursöhne der Mutter Erde. Ohnmächtig in ihrer zerstörenden Wuth gegen das neue[3] herrliche Göttergeschlecht und dessen Verwandten, die fröhlichen Menschen. Des Meers dunkle, grüne Tiefe war einer Göttin Schooß. In den krystallenen Grotten schwelgte ein üppiges Volk[2]..
[169] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 6: Ich hörte einst von alten[1] Zeiten[3] reden; wie da die Thiere[1] und Bäume und Felsen mit den Menschen gesprochen hätten. Mir ist grade so, als wollten sie allaugenblicklich anfangen, und als könnte ich es ihnen ansehen, was sie mir sagen wollten. Es muß noch viel Worte[1] geben, die ich nicht weiß: wüßte ich mehr, so könnte ich viel besser alles begreifen. .
[170] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 22: In alten[1] Zeiten[3] muß die ganze Natur[2] lebendiger und sinnvoller gewesen seyn, als heut zu Tage. Wirkungen, die jetzt kaum noch die Thiere[1] zu bemerken scheinen, und die Menschen eigentlich allein noch empfinden und genießen, bewegten damals leblose Körper; und so war es möglich, daß kunstreiche Menschen allein Dinge möglich machten und Erscheinungen hervorbrachten, die uns jetzt völlig unglaublich und fabelhaft dünken. So sollen vor uralten Zeiten[3] in den Ländern des jetzigen Griechischen[3] Kaiserthums, wie uns Reisende berichtet, die diese Sagen noch dort unter dem gemeinen Volke[5] angetroffen haben, Dichter gewesen seyn, die durch den seltsamen Klang wunderbarer Werkzeuge das geheime Leben der Wälder, die in den Stämmen verborgenen Geister[1/12] aufgeweckt, in wüsten, verödeten Gegenden den todten Pflanzensaamen erregt, und blühende Gärten hervorgerufen, grausame Thiere[4] gezähmt und verwilderte Menschen zu Ordnung und Sitte gewöhnt, sanfte Neigungen und Künste[1] des Friedens in ihnen rege gemacht, reißende Flüsse in milde Gewässer verwandelt, und selbst die todtesten Steine in regelmäßige tanzende Bewegungen hingerissen haben..
[171] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 67: Der Boden war weich und ziemlich eben; die Wände so wie die Decke waren ebenfalls nicht rauh und unregelmäßig; aber was die Aufmerksamkeit Aller vorzüglich beschäftigte, war die unzählige Menge von Knochen und Zähnen, die den Boden bedeckten. Viele waren völlig erhalten, an andern sah man Spuren der Verwesung, und die, welche aus den Wänden hin und wieder hervorragten, schienen steinartig geworden zu seyn. Die Meisten waren von ungewöhnlicher Größe und Stärke. Der Alte[2] freute sich über diese Überbleibsel einer uralten Zeit[3]; nur den Bauern war nicht wohl dabey zu Muthe, denn sie hielten sie für deutliche Spuren naher Raubthiere, so überzeugend ihnen auch der Alte[2] die Zeichen eines undenklichen Alterthums[1] daran aufwies, und sie fragte, ob sie je etwas von Verwüstungen unter ihren Heerden und vom Raube benachbarter Menschen gespürt hätten, und ob sie jene Knochen für Knochen bekannter Thiere[1] oder Menschen halten könnten?.
[172] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. I (1830), 40: Doch auf die gelehrte und liebenswürdige Dame zurückzukommen, [...] welche, soviel ich weiß, noch jetzt als Grundsatz aufstellt [...]: daß der Adel[2] wirklich von einer andern Sorte Blut, als andere Menschen, durchströmt werde [...]. Dieser Adel[2] bleibe also vor allem rein und abgeschlossen, lehrt sie, er entehre sich weder durch Industrie noch gemeinnützige Spekulationen, welches eine gewisse Frau von Tonne, in einer sehr gehaltreichen Schrift, als einen Hauptgrund des Verfalles des Adels[2] im Lande aufführt. Etwas schriftstellern und künstlern (auch für Geld, ja selbst für bürgerliches Geld) bleibt jedoch dem Adel[2] erlaubt, wie man überhaupt Künstlern eine Mittelstufe zwischen Adelichen und Bürgerlichen gestattet..
[173] Ritter, Fragm. I (1810), 37, Nr. 56: Pflanzen[1] und Thiere[1] laufen um den Menschen, wie Planeten und Monden um die Sonne. Alles lebt nur durch und für den Menschen, er ist die Centralsonne des Organismus[2] auf Erden. ➢ Volltext.
[174] Ritter, Fragm. II (1810), 207, Nr. 639: Der Mensch ist unter den Thieren[2], was der fliegende Fisch unter den übrigen ist. Er kann sich bisweilen über das Wasser erheben, immer aber fällt er bald wieder herunter..
[175] Schelling, Philos. d. Erf. (1798), SW I, 1, 470: Was nicht progressiv[3] ist, ist kein Objekt der Geschichte[4]. | Der Begriff[1] von progressiv[3] aber muß genauer bestimmt werden. Der Mechanismus z. B. ist, obgleich eine Folge von Handlungen in ihm stattfindet, nicht progressiv[3], weil diese Handlungen im Kreise gehen, wo dann jeder solcher Cyklus von Handlungen nur Einer (immer wiederholten) Handlung gleichgerechnet werden kann. – So gibt es aus demselben Grunde auch keine Geschichte[1] der Thiere[1], als nur im uneigentlichsten Sinn. Erstens keine Geschichte[1] des einzelnen Thiers[1] (als solchen). Denn es ist eingeschlossen in einem Cirkel von Handlungen, über den es nie hinaustritt; was es ist, ist es auf immer, was es seyn wird, ist ihm durch Gesetze eines höhern zwar, aber doch unverbrüchlichen, Mechanismus vorgezeichnet. Dem Menschen aber ist seine Geschichte[1] nicht vorgezeichnet, er kann und soll seine Geschichte[1] sich selbst machen; denn das eben ist der Charakter[1] des Menschen, daß seine Geschichte[1], obgleich sie in praktischer Hinsicht planmäßig seyn soll, doch (eben deßwegen) in theoretischer Rücksicht es nicht seyn kann. – Analogisch nur spricht man von einer Geschichte[1] solcher Thiere[1], in denen 〈471〉 Kunsttrieb ist, z. B. von einer Geschichte[1] des Bibers, der Bienen u. s. w., weil man an ihrer produktiven Arbeitsamkeit ein Analogon von Freiheit[10] wahrzunehmen glaubt, obgleich auch das Täuschung ist, weil, wenn wir den innern Mechanismus der organischen[2] Kräfte eines solchen Thiers[1] einsehen könnten, alle Zufälligkeit jener Produkte verschwinden würde – (vom Gedicht, das auf ächt poetische[4] Art entstanden ist, muß keine Geschichte[1] möglich seyn). .
[176] Schelling, Darst. Syst. (1801), 123: Der potenzirteste positive Pol der Erde ist das Gehirn der Thiere[1], und unter diesen des Menschen. ➢ Volltext.
[177] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 543: Die thierische Natur[1] überhaupt und einzelne thierische Leiber sind an sich von symbolischer Bedeutung, die Natur[2] selbst wird in ihnen 〈544〉 symbolisch. Thierstücke können also nur entweder durch das Herausheben der symbolischen Bedeutung der Gestalten [...] oder nur durch eine höhere Beziehung einigen Kunstwerth haben. Einige holländische Maler sind bis zu Darstellung von Hühnerhöfen heruntergegangen. Wenn eine solche Schilderei noch einigermaßen tolerirt wird, so ist es, weil auch ein Hühnerhof auf das Innere eines Hauses, die Armuth oder den Reichthum des Besitzers kann schließen lassen. Höhere Beziehung und Bedeutung erhalten Thierstücke, wo Thiere[1] wirklich in Handlung[2] und im Kampf entweder untereinander oder mit Menschen dargestellt werden. ➢ Volltext.
[178] Schelling, Würzb. Syst. (!1804), SW I, 6, 488: Die Pflanze[1] ist [...] ein Organ[1] der Erde, [...] ein Organ[1], wodurch sie zur Sonne spricht [...], das Thier[1] ist ein Organ[1] der Sonne, aber wodurch diese [...] zur Erde spricht. Der Mensch dagegen ist losgerissen von der Erde wie das Thier[1] und aufgerichtet wie die Pflanze[1]. Er ist Organ[1] der Erde, 〈489〉 wodurch sie nicht nur die Sonne, sondern die ganze himmlische Umwölbung faßt [...]. Er ist aber ebenso Organ[1] der Sonne, wodurch sie die Erde erkennt und zur Erde spricht, auf der er, ein sichtbarer Gott[4], wandelt, durch seine Bewegung Nähe und Ferne verbindend, und alles umwandelnd und bildend wie die Natur[2]..
[179] Schelling, Bild. Künste (1807), 15: Den Gestirnen ist die erhabenste Zahl und Meßkunst lebendig eingebohren, die sie, ohne einen Begriff[1] derselben, in ihren Bewegungen ausüben. Deutlicher obwohl ihnen selbst umfaßlich erscheint die lebendige Erkenntniß in den Thieren[1], welche wir darum, sind sie gleich besinnungslos, unzählige Wirkungen vollbringen sehen, die viel herrlicher sind als sie selbst: den Vogel, der von Musik[6] berauscht in seelenvollen Tönen[11] sich selbst übertrifft, das kleine Kunstbegabte Geschöpf, das ohne Uebung und Unterricht leichte Werke der Architektur vollbringt, alle aber geleitet von einem übermächtigen Geist[12], der schon in einzelnen Blicken von Erkenntniß leuchtet, aber noch nirgends als die volle Sonne, wie im Menschen, hervortritt..
[180] Schiller, Zushg. thier. Nat. (1780), NA 20, 56: [D]er Mensch mußte Thier[1] seyn, eh er wußte daß er ein Geist[31] war, er mußte am Staube kriechen, eh er den Newtonischen Flug durch Universum wagte..
[181] Schiller, an C. G. Körner (28.–31. 7. 1787), NA 24, 117: Auf dem Spaziergang mit Wieland im Stern hatte ich durch Wieland einige Weimarische Menschen kennen lernen, die an uns vorbei passierten. Ein Spaß begegnete mir. Wir stießen auf drei Frauenzimmer, worunter die mittlere und größte sehr hübsch war. Eine andre junge und eine alte[2] waren dabei, die sich sehr vertraut mit Wieland unterhielt. Ich blieb in einiger Entfernung gleichgültig zurück, unterließ aber nicht meine Augen an der schönen[1] zu weiden. Als sie weg waren, frug ich Wieland ziemlich hastig, wer diese Schöne[1] gewesen. „Ein Fräulein von – –“ (ich weiß den Namen nicht mehr) war die Antwort. – Und die anderen? – „Meine Frau[3] und Tochter.“ Ich wurde roth biß über die Ohren[1], weil ich erstaunlich gleichgültig nach den leztern gefragt hatte, denn Wieland hatte mich seiner Familie noch nicht vorgestellt gehabt und also kannte ich sie nicht. Er half mir aber aus dieser Verlegenheit, indem er sich selbst über die Schönheit[1] der andern verbreitete..
[182] Schiller, an L. F. Huber (14. 9. 1787), NA 24, 156: Ich war anfangs neugierig auf die regierende Herzogin [...]. [...] Man sagt daß sie ein edles Geschöpf sey, aber sie ist kalt und viele halten sie für stolz. Daß ich mich ihr nicht vorstellen laße wirst Du sehr billigen, wenn ich Dir sage, daß es nicht erwartet wird. Es ohne das zu thun, da ich keine Garderobe habe nach Hof zu gehen, da ich für diese Welt gar nicht gemacht bin, da ich als ein unbedeutender bürgerlicher Mensch unter dem Adel[2] doch eine sehr precaire Rolle spielen müßte, die meinem Stolze weh thun würde und da ich sie nie anders als in einer Theegesellschaft und niemals allein sprechen kann, würde sehr lächerlich seyn..
[183] Schiller, an F. Chr. v. Augustenburg (13. 7. 1793), NA 26, 263: Wenn die Kultur[8] ausartet, so geht sie in eine weit bösartigere Verderbniß über, als die Barbarey je erfahren kann. Der sinnliche Mensch kann nicht tiefer als zum Thier[10] herabstürzen; fällt aber der aufgeklärte, so fällt er bis zum Teuflischen herab, und treibt ein ruchloses Spiel mit dem heiligsten der Menschheit[1]..
[184] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 139: [S]o würde [...] der Mensch in Gefahr schweben[5], gerade da, wo er sich durch den Gebrauch seiner Freyheit[10] zu den reinen Intelligenzen[2] erhebt, als Erscheinung zu sinken und in dem Urtheile des Geschmacks zu verlieren, was er vor dem Richterstuhl der Vernunft[1] gewinnt. ➢ Volltext.
[185] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 159: Bey der Gestalt des Menschen begnügen wir uns [...] nicht damit, daß sie uns bloß den allgemeinen Begriff[1] der Menschheit[1], oder was etwa die Natur[2] zu Erfüllung desselben an diesem Individium wirkte, vor Augen stelle, denn das würde er mit jeder technischen Bildung[10] gemein haben. Wir erwarten noch von seiner Gestalt, daß sie uns zugleich offenbare, inwieweit er in seiner Freyheit[10] dem Naturzweck entgegenkam, d. i. daß sie Karakter[2] zeige. ➢ Volltext.
[186] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 159 f. (160): Die Bildung[10] eines Menschen ist also nur in so weit seine Bildung[10], als sie mimisch ist; 〈160〉 aber auch so weit sie mimisch ist, ist sie sein. Denn, wenn gleich der größere Theil dieser mimischen Züge, ja wenn gleich alle bloßer Ausdruck der Sinnlichkeit wären und ihm also schon als bloßem Thiere[11] zukommen könnten, so war er bestimmt und fähig, die Sinnlichkeit durch seine Freyheit[10] einzuschränken. Die Gegenwart solcher Züge beweist also den Nichtgebrauch jener Fähigkeit und die Nichterfüllung jener Bestimmung; ist also ebenso gewiß moralisch sprechend, als die Unterlassung einer Handlung[1], welche die Pflicht gebietet, eine Handlung[1] ist. ➢ Volltext.
[187] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 174: Der [...] Geist[19] läßt die von ihm abhängende Natur[12], sowohl da, wo sie im Dienst seines Willens handelt, als da, wo sie seinem Willen vorgreifen will, erfahren, daß er ihr Herr ist. Unter seiner strengen Zucht wird also die Sinnlichkeit unterdrückt erscheinen, und der innere Widerstand wird sich von außen durch Zwang verraten. Eine solche Verfassung des Gemüths kann [...] der Schönheit[1] nicht günstig seyn, welche die Natur[12] nicht anders als in ihrer Freyheit[1] hervorbringt, und es wird daher auch nicht Grazie seyn können, wodurch die mit dem Stoffe kämpfende moralische Freyheit[10] sich kenntlich macht. | Wenn hingegen der Mensch, unterjocht vom Bedürfniß, den Naturtrieb ungebunden über sich herrschen läßt, so verschwindet mit seiner innern Selbständigkeit auch jede Spur derselben in seiner Gestalt. [...] Nachgelassen hat aller 〈175〉 Widerstand der moralischen Kraft, und die Natur[13] in ihm ist in volle Freyheit[1] gesetzt. Aber eben dieser gänzliche Nachlaß der Selbstthätigkeit, der im Moment des sinnlichen Verlangens und noch mehr im Genuß zu erfolgen pflegt, setzt augenblicklich auch die rohe Materie in Freyheit[1], die durch das Gleichgewicht der thätigen und leidenden Kräfte bisher gebunden war. Die todten Naturkräfte fangen an, über die lebendigen der Organisation[3] die Oberhand zu bekommen, die Form von der Masse, die Menschheit[1] von gemeiner Natur[13] unterdrückt zu werden..
[188] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 186: Es erweckt mir kein gutes Vorurtheil für einen Menschen, wenn er der Stimme[14] des Triebes so wenig trauen darf, daß er gezwungen ist, ihn jedesmal erst vor dem Grundsatze der Moral abzuhören; vielmehr achtet man ihn hoch, wenn er sich demselben ohne Gefahr, durch ihn mißgeleitet zu werden, mit einer gewissen Sicherheit vertraut. Denn das beweist, daß beide Principien in ihm sich schon in derjenigen Uebereinstimmung befinden, welche das Siegel der vollendeten Menschheit[1] und dasjenige ist, was man unter einer schönen[2] Seele verstehet. | Eine schöne[2] Seele nennt man es, wenn sich das sittliche Gefühl aller Empfindungen des Menschen endlich bis zu dem Grad versichert hat, daß es dem Affekt die Leitung des Willens ohne Scheu überlassen darf und nie Gefahr läuft, mit den Entscheidungen desselben im Widerspruch zu stehen. Daher sind bey einer schönen[2] Seele die einzelnen Handlungen[1] eigentlich nicht sittlich, sondern der ganze Charakter[1] ist es. Man kann ihr auch keine einzige darunter zum Ver〈187〉dienst anrechnen, weil eine Befriedigung des Triebes nie verdienstlich heißen kann. Die schöne[2] Seele hat kein andres Verdienst, als daß sie ist. Mit einer Leichtigkeit, als wenn bloß der Instinkt aus ihr handelte, übt sie der Menschheit[4] peinlichste Pflichten aus, und das heldenmüthigste Opfer, das sie dem Naturtriebe abgewinnt, fällt wie eine freywillige Wirkung eben dieses Triebs, in die Augen. Daher weiß sie selbst auch niemals um die Schönheit[1] ihres Handelns, und es fällt ihr nicht mehr ein, daß man anders handeln und empfinden könnte; dagegen ein schulgerechter Zögling der Sittenregel [...] jeden Augenblick bereit seyn wird, vom Verhältniß seiner Handlungen[1] zum Gesetz die strengste Rechnung abzulegen. Das Leben des Letztern wird einer Zeichnung gleichen, worin man die Regel durch harte Striche angedeutet sieht und an der allenfalls ein Lehrling die Prinzipien der Kunst[4] lernen könnte. Aber in einem schönen[2] Leben sind, wie in einem Titianischen Gemälde, alle jene schneidenden Grenzlinien verschwunden, und doch tritt die ganze Gestalt nur desto wahrer, lebendiger, harmonischer hervor. ➢ Volltext.
[189] Schiller, Ästh. Erzieh. (1795), NA 20, 393: Es sey nun, daß die Vernunft[1] in dem Menschen noch gar nicht gesprochen habe, und das Physische noch mit blinder Nothwendigkeit über ihn herrsche; oder daß sich die Vernunft[1] noch nicht genug von den Sinnen[3] gereinigt habe, und das Moralische dem Physischen noch diene, so ist in beyden Fällen das einzige in ihm gewalthabende Princip ein materielles und der Mensch, wenigstens seiner letzten Tendenz nach, ein sinnliches Wesen; mit dem einzigen Unterschied, daß er in dem ersten Fall ein vernunftloses, in dem zweyten ein vernünftiges Thier[11] ist. Er soll aber keines von beyden, er soll Mensch seyn; die Natur[13] soll ihn nicht ausschließend und die Vernunft[1] soll ihn nicht bedingt beherrschen..
[190] Schiller, Ged. I (1799), NA 1, 432: Freiheit[3] liebt das Thier[1] der Wüste, | Frei[5] im Aether herrscht der Gott[4], | Ihrer Brust gewaltge Lüste | Zähmet das Naturgebot, | Doch der Mensch, in ihrer Mitte, | Soll sich an den Menschen reihn, | Und allein durch seine Sitte | Kann er frei[10] und mächtig seyn..
[191] Schiller, Nothw. Grenz. (1795 [hier: 21800]), NA 21, 22: So lange der Mensch noch ein Wilder ist, seine Triebe bloß auf materielle Gegenstände gehen, und ein Egoism von der gröbern Art seine Handlungen[1] leitet, kann die Sinnlichkeit nur durch ihre blinde Stärke der Moralität gefährlich seyn, und sich den Vorschriften der Vernunft[1] bloß als eine Macht widersetzen. Die Stimme[14] der Gerechtigkeit, der Mässigung, der Menschlichkeit wird von der lauter sprechenden Begierde überschrien. Er ist fürchterlich in seiner Rache, weil er die Beleidigung fürchterlich empfindet. Er raubt und mordet, weil seine Gelüste dem schwachen Zügel der Vernunft[1] noch zu mächtig sind. Er ist ein wüthendes Thier[4] gegen andre, weil ihn selbst der Naturtrieb noch thierisch beherrscht..
[192] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 92 f.: Nicht dem Menschen allein, auch vielen Gattungen von Thieren[1] dringt das Gefühl ihres Zustandes gewisse Laute ab, die von verwandten Geschöpfen mit einer ähnlichen, oft fast eben so starken, Erschütterung der Nerven, wie die, welche sie erzeugte, vernommen werden. Bey manchen bleibt die Stimme[1] nur für die dringendste Noth, für die heftigsten Leidenschaften aufgespart, und selbst ihre Geselligkeit ist meistens stumm. Anderen hin〈93〉gegen ist bey einer Organisation[5], die sich der menschlichen weit weniger nähert, zum Theil auch bey beschränkteren Anlagen und einem geringern Maaße von Gelehrigkeit, der vielfachste, beredteste Ausdruck sogar der zarteren Regungen, und, wie es scheint, eine unermüdliche Lust an ihren eignen Tönen[1] gegönnet. | Wenn man den Menschen, bloß nach seiner körperlichen Zusammensetzung betrachtet, zu jenem rechnet: (und dieß hat allen Anschein für sich; denn zu unsrer Demüthigung gleichen wir dem häßlichsten[1] Affen viel mehr als der Nachtigall) so ist es allerdings einleuchtend, daß der Schrey körperlicher Schmerzen oder thierischer Begierden, vom ersten Wimmern des Neugebohrnen bis zum letzten Aechzen des Sterbenden, sich nie bis zur Rede erheben kann; und der Empfindung wird folglich mit Recht aller Antheil an ihrer Entstehung abgesprochen. Selbst die einfachen Ausrufe der Leidenschaft, (Interjektionen) welche auch die verfeinteste Sprache[3] noch gelten läßt, sind eigentlich nicht mehr jene unwillkührlich hervorgebrachten Laute selbst, sondern vertreten sie nur durch ihren gemilderten Ausdruck, und fliessen also mit allen übrigen Wörtern[1] aus der gemeinschaftlichen Quelle der Nachahmung her. ➢ Volltext.
[193] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 99: In der Empfänglichkeit des Menschen allein, wäre sie auch noch so vieles zarter und umfassender als in den übrigen Thieren[2], liegt kein unterscheidendes Kennzeichen seiner Natur[1]. Er würde also, wie wir es an jenen sehen, mit den Vorzügen seiner Organisazion[5] durch alle Geschlechter[10] hin beständig auf eben dem Punkte beharren, wäre ihm nicht eine selbstthätige Richtung derselben verliehen. ➢ Volltext.
[194] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 281: Das Symbolische der aufrechten Stellung [...] ist schon erwähnt worden. Es deutet auf die nähere freyere[5] Beziehung, worin der Mensch zur Sonne und dadurch zum ganzen übrigen Universum steht, da die Thiere[1] an die Scholle gefesselt, gleichsam Leibeigne der Erde sind..
[195] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 455: Es giebt kein andres Mittel sich der Gewalt des Schicksals zu entziehen, als sich in die Arme der Vorsehung zu werfen. Dieß that denn auch die Welt, als das Schicksal eben an allem Großen und Herrlichen des Alterthums[3] seine letzten Tücken übte; als die schöne[1] Kunstwelt Griechenlands nach Gesetzen der organischen[6] Auflösung in sich zerfallen war, und die prachtvolle Weltherrschaft Roms durch die Last ihrer eignen Größe erdrückt ward, und die Nemesis des Römischen Übermuthes in barbarischen Horden hereinbrach. Da verlohren die alten[10] Götter[4] ihre Kraft, die laute Freude der Feste schwieg[4], die Orakel verstummten, und der Mensch, gleichsam aus seinem 〈geliebten〉 irdischen Wohnsitze ohne Rückhalt vertrieben, mußte eine höhere geistige Heimath suchen..
[196] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 147: Heutiges Tages, wo den meisten Menschen und Nationen[1] die Idee von der organischen[6] Bildung[10] und Construction eines poetischen[4] oder überhaupt Kunstganzen durchaus abhanden gekommen, geht es dem Dante eben, wie andern großen romantischen[12] Dichtern[1] z. B. Shakspeare und Cervantes, denen man eine Auszeichnung zu erweisen glaubt, wenn man sie Stellenweise lobt..
[197] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 107: Innere Freyheit[10] und äußere Nothwendigkeit, dieß sind die beyden Pole der tragischen Welt. Jede dieser Ideen wird erst durch den Gegensatz der andern zur vollen Erscheinung gebracht. Da das Gefühl innrer Selbstbestimmung den Menschen über die unumschränkte Herrschaft des Triebes, des angebohrnen Instinktes erhebt, ihn mit einem Worte[2] von der Vormundschaft der Natur[13] losspricht, so kann auch die Nothwendigkeit, welche er neben ihr anerkennen soll, keine bloße Natur-Nothwendigkeit 〈108〉 seyn, sondern sie muß jenseits der sinnlichen Welt im Abgrunde des Unendlichen liegen; folglich stellt sie sich als die unergründliche Macht des Schicksals dar. ➢ Volltext.
[198] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 349: Hierin ist die Komödie der Fabel am nächsten verwandt: wie die Fabel vernunftbegabte Thiere[1] aufführt, so jene dem thierischen Triebe mit Verstand[1] dienende Menschen. Dem thierischen Triebe, das heißt der Sinnlichkeit, und noch allgemeiner ausgedrückt, der Selbstliebe. Wie Heroismus und Aufopferung zur tragischen Person adelt, so sind die komischen Personen ausgemachte Egoisten. ➢ Volltext.
[199] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 91: Wir sehen hier eine neue[1] Bestimmung im Begriff[1] der Handlung[1], nämlich die Beziehung auf die Idee der sittlichen Freyheit[10], kraft welcher allein der Mensch als der erste Urheber seiner Entschlüsse betrachtet wird. [...] Wir haben in dieser Beziehung auf eine höhere Idee allerdings die Einheit und Ganzheit der Tragödie im Sinne der Alten[10] gesucht: nämlich ihr absoluter Anfang ist die Bewährung der Freyheit[10], die Anerkennung der Nothwendigkeit ihr absolutes Ende. ➢ Volltext.
[200] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 24, Nr. 66: Verworrenheit, Ungeschick, Inconsequenz [...], Fehler der progreßiven[3/5] Menschen. 〈Vornehm = Classisch[7].〉 Ohne Classizität werden progreßive[3] Menschen regreßiv. 〈Unser ganzes Zeitalter auch ein progreßiver[3] Mensch; daher dieselbe Toleranz nöthig. –〉 Da liegt die Deduction der φλ [Philologie], die Nothwendigkeit d[es] Studiums d[er] Alten[10]..
[201] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 32 f. (33): Schon in den frühesten Zeitaltern der Europäischen Bildung[5] finden sich unverkennbare Spuren des künstlichen Ursprungs der 〈33〉 modernen[1] Poesie[11]. Die Kraft, der Stoff war zwar durch Natur[13] gegeben: das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2] war aber nicht der Trieb, sondern gewisse dirigirende Begriffe[1] [...]. Selbst der individuelle Charakter[1] dieser Begriffe[1] war durch Umstände veranlaßt, und durch die äußre Lage nothwendig bestimmt. Daß aber der Mensch nach diesen Begriffen[1] sich selbst bestimmte, den gegebnen Stoff ordnete, und die Richtung seiner Kraft determi〈34〉nierte; das war ein freyer[10] Aktus des Gemüths. Dieser Aktus ist aber eben der ursprüngliche Quell, der erste bestimmende Anstoß der künstlichen Bildung[2], welcher also mit vollem Recht der Freyheit[10] zugeschrieben wird. Die Phantasterey der Romantischen[12] Poesie[11], hat nicht etwa wie Orientalischer[1] Bombast eine abweichende Naturanlage zum Grunde. Es sind vielmehr abenteuerliche[3] Begriffe[1], durch welche eine an sich glückliche, dem Schönen[2] nicht ungünstige Phantasie[1] eine verkehrte Richtung genommen hatte. Sie stand also unter der Herrschaft von Begriffen[1]; und so dürftig und dunkel diese auch seyn mochten, so war doch der Verstand[2] das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2]..
[202] F. Schlegel, Fragm. Poes. u. Litt. (*1799), KFSA 16, 274, Nr. 252: Poesie[2/11] ist d[er] ursprüngl[iche] Zustand d.[es] Menschen und auch d[er] letzte. Alle oriental[ische][1] φ [Philosophie] nur π [Poesie][11]. Die höchste Moral wird Poesie[11]. Nur durch Poesie[11] kann der Mensch sein Dasein zum Dasein d[er] Menschheit[2] erweitern. Nur in ihr sind Alle Mittel jedes Einen. – Der Witz[4] ist d[ie] Rückkehr zur Poesie[11]. –.
[203] F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 205 f. (206): Beim ersten Aufschwunge der noch ungeschwächten Geisteskraft ist die europäische Philosophie überall Idealismus [...]. [...] Freilich hat man noch nicht gefunden, daß eine solche Philo〈206〉sophie bei irgend einem Volke[1] entstanden sei, das wirklich sich selbst überlassen und von den Quellen und Strömen der alten gemeinsamen Ueberlieferung ganz weit entfernt lag; und wenn diese Weisheit wirklich so ganz aus sich selbst geschöpft wäre, als sie es vorgiebt, so würde sie sich wohl auch selbst besser aus den unsäglichen Verirrungen helfen können, in die sie sich auf diesem Wege jederzeit verwickelt hat. Diese häufen sich immer so sehr und so schnell, daß die Philosophie bald skeptisch wird, bis sie endlich, wenn die Verstandeskräfte durch langes Zweifeln hinlänglich geschwächt worden, zu der blos empirischen Denkart herabsinkt, wo der Gedanke der Gottheit, wenn er auch dem Nahmen nach stehen bleibt, doch im Grunde vernichtet wird, überhaupt die Idee ganz verschwindet, und der Mensch unter dem Vorwand einer vernünftigen Beschränkung auf den allein nützlichen Erfahrungskreis, den höheren Geist[14], der ihn doch allein wesentlich vom Thier[1] unterscheidet, als ein falsches Streben aufgiebt. ➢ Volltext.
[204] Schleiermacher, Religion (1799), 52: Spekulazion und Praxis haben zu wollen ohne Religion[3], ist verwegener Übermuth, es ist freche Feindschaft gegen die Götter[4/6], es ist der unheilige Sinn[10] des Prometheus, der feigherzig stahl, was er in ruhiger Sicherheit hätte fordern und erwarten können. Geraubt nur hat der Mensch das Gefühl seiner Unendlichkeit und Gottähnlichkeit, und es kann ihm als unrechtes Gut nicht gedeihen, wenn er nicht auch seiner Beschränktheit sich bewußt wird, der Zufälligkeit seiner ganzen Form, des geräuschlosen Verschwindens seines ganzen Daseins im Unermeßlichen. Auch haben die Götter[4/6] von je an diesen Frevel gestraft. Pra〈53〉xis ist Kunst[2], Spekulazion ist Wissenschaft[1], Religion[3] ist Sinn[5] und Geschmak fürs Unendliche. Ohne diese, wie kann sich die erste über den gemeinen Kreis abenteuerlicher[3] und hergebrachter Formen erheben? wie kann die andere etwas beßeres werden als ein steifes und mageres Skelet? ➢ Volltext.
[205] Schleiermacher, Brf. Lucind. (1800), 1: Ein tüchtiges Urtheil, wie wir es über die Bücher fällen, die so vorkommen, wirst Du doch nicht erwarten? Du weißt ja, [...] wie ich scheu und bedächtig und ehrerbietig mit Allem umgehe, was sich mir als ein eigen gebildetes Wesen ankündigt, sei es ein Mensch oder ein Gedanke oder ein gebildetes Werk, und wie 〈2〉 lange und unersättlich ich bei der Anschauung verweile, ehe ich mich an etwas wage, was einer Uebersicht oder einem Urtheil ähnlich ist. Und nun gar dieses Werk, welches wie eine Erscheinung aus einer künftigen Gott[1] weiß wie weit noch entfernten Welt da steht! Gewiß, sie könnte eben so lange vollendet sein, als sie nun unvollendet ist, ehe ich es mir erlauben würde, in diesem Sinne[1] etwas über die Composition und die Kunst[13] darin überhaupt zu sagen, das heißt wirklich zu meinen. Verhielte sich auch der zweite Theil zu dem ersten nur wie die Rückseite einer Schaumünze oder das Gegenstück eines Gemäldes; so würde ich mir bis zur Vollendung Schweigen[2] und Ungewißheit gebieten, wieviel Betrachtungen dieser Art sich mir auch aufdrängen, seitdem ich mit dem Geist12 und Charakter[1] des Buchs recht gesättigt bin, und seitdem Friedrich Schlegel seine Ansicht von der romantischen[1] Poesie[1] in so klaren Worten[2] von sich gegeben hat. Doch lieber Freund, dieses Aufschieben eines vollendeten Urtheils geht bei mir nicht nur auf die Composition, sondern auf Alles, und ich müßte zu meinem Unglück weniger hohe Begriffe[1] von dem haben, was die Kritik[2] eigentlich leisten kann und soll, wenn es anders wäre. ➢ Volltext.
[206] Schleiermacher, Meth. d. Übers. (1813), SW 3.2, 234: Wenn wir in die Zeiten[3] zurükkgehn, wo die romanischen[1] Sprachen[3] anfingen sich zu bilden, wer kann sagen, welche Sprache[3] damals den dortigen Menschen sei angeboren gewesen? und wer wird läugnen wollen, daß denen, welche eine wissenschaftliche Bestrebung ergriffen, das lateinische mehr Muttersprache gewesen als das volgare? ➢ Volltext.
[207] Schleiermacher, Meth. d. Übers. (1813), SW 3.2, 236: Wie Einem Lande, so auch Einer Sprache[3] oder der andern, muß der Mensch sich entschließen anzugehören, oder er schwebt[5] haltungslos in unerfreulicher Mitte. Es ist recht, daß noch jetzt unter uns lateinisch geschrieben wird von Amtswegen, um das Bewußtsein lebendig zu erhalten, daß dies unserer Vorfahren wissenschaftliche und heilige Muttersprache gewesen ist; es ist heilsam, daß es auch sonst geschehe im Gebiet der gemeinsamen europäischen Wissenschaft[1], des leichten Verkehrs wegen; aber gelingen wird es auch in diesem Fall nur in dem Maaß, als für eine solche Darstellung der Gegenstand alles ist, und die eigene Ansicht und Verknüpfung wenig. Dasselbe ist der Fall mit dem romanischen[1]. Wer gezwungen und von Amtswegen eine solche Sprache[3] schreibt, der wird sich doch wol bewußt sein, daß seine Gedanken im ersten Entstehen deutsch[2] sind, und daß er nur sehr früh während der Embryo sich noch gestaltet schon anfängt sie zu übersezen[1]; und wer sich einer Wissenschaft[2] wegen 〈237〉 dazu aufopfert, der wird sich auch nur da leicht ungezwungen und ohne geheimes Uebersezen[1] finden, wo er sich ganz in der Gewalt des Gegenstandes fühlt. [...] Die Production in der fremden[4] Sprache[3] ist keine ursprüngliche; sondern Erinnerungen an einen bestimmten Schriftsteller oder auch an die Weise eines gewissen Zeitalters, das gleichsam eine allgemeine Person vorstellt, schweben der Seele fast wie ein lebendiges äußeres Bild vor, und die Nachahmung desselben leitet und bestimmt die Production. ➢ Volltext.
[208] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 8: Der Hauptunterschied zwischen allen unsern Vorstellungen ist der des Intuitiven und Abstrakten. Letzteres macht nur eine Klasse[1] von Vorstellungen aus, die Begriffe[1]: und diese sind auf der Erde allein das Eigenthum des Menschen, dessen ihn von allen Thieren[1] unterscheidende Fähigkeit zu denselben von jeher Vernunft[1] genannt worden ist. ➢ Volltext.
[209] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 30: Aus dem Gesagten ergiebt sich, daß alle Thiere[1] Verstand[1] haben, selbst die unvollkommensten: denn sie alle erkennen Objekte, und diese Erkenntniß bestimmt als Motiv ihre Bewegungen. – Der Verstand[1] ist in allen Thieren[1] und allen Menschen der nämliche, hat überall die selbe einfache Form: Erkenntniß der Kausalität, Uebergang von Wirkung auf Ursach und von Ursach auf Wirkung, und nichts außerdem. Aber die Grade seiner Schärfe und die Ausdehnung seiner Erkenntnißsphäre sind höchst verschieden, mannigfaltig und vielfach abgestuft, vom niedrigsten Grad, welcher nur das Kausalitätsverhältniß zwischen dem unmittelbaren Objekt und den mittelbaren erkennt, also eben hinreicht, durch den Uebergang von der Einwirkung, welche der Leib erlitten auf dessen Ursach, diese als Objekt im Raum anzuschauen, bis zu den höheren Graden der Erkenntniß des kausalen Zusammenhanges der bloß mittelbaren Objekte unter einander, welche bis zum Verstehn der zusammengesetztesten Verkettungen von Ursachen und Wirkungen in der Natur[2] geht. Denn auch dieses letztere gehört immer noch dem Verstande[1] an, nicht der Vernunft[1], deren abstrakte Begriffe[1] nur dienen können, jenes unmittelbar Verstandene aufzunehmen, und zu fixiren, nie das Verstehn selbst hervorzubringen. ➢ Volltext.
[210] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 33 f.: Wie bei den Menschen die Grade der Schärfe des Verstandes[1] sehr verschieden sind, so sind sie zwischen den verschiedenen Thiergattungen es wohl noch mehr. Bei allen, selbst denen, welche der Pflanze[1] am nächsten stehn, ist doch so viel Verstand[1] da, als zum Uebergang von der Wirkung im unmittelbaren Objekt zum vermittelten als Ursach, also zur Anschauung, zur Apprehension eines Objekts, hinreicht: denn diese eben macht sie zu Thieren[1], indem sie ihnen die Möglichkeit giebt einer Bewegung nach Motiven und dadurch des Aufsuchens, wenigstens Ergreifens der Nahrung; statt daß die Pflanzen[1] nur Bewegung auf Reize haben, deren unmittelbare Einwirkung sie abwarten müssen, oder verschmachten, nicht ihnen nachgehn oder sie ergreifen können. In den vollkommensten Thieren[1] bewundern wir ihre große Sagacität: so beim Hunde, Elephanten, Affen, beim Fuchse, dessen Klugheit Büffon so meisterhaft geschildert hat. An diesen allerklügsten Thieren[1] können wir ziemlich genau abmessen, wie viel der Verstand[1] ohne Beihülfe der Vernunft[1], d. h. der abstrakten Erkenntniß in Begriffen[1], vermag: an uns selbst können wir dieses nicht so erkennen, weil Verstand[1] und Vernunft[1] sich da immer wechselseitig unterstützen. Wir finden deshalb oft die Verstandesäußerungen der Thiere[1] bald 〈34〉 über, bald unter unserer Erwartung: einerseits überrascht uns die Sagacität jenes Elephanten, der, nachdem er auf seiner Reise in Europa schon über viele Brücken gegangen war, sich einst weigert, eine zu betreten, über welche er doch wie sonst den übrigen Zug von Menschen und Pferden gehn sieht, weil sie ihm für sein Gewicht zu leicht gebaut scheint: andrerseits wieder wundern wir uns, daß die klugen Orang-Utangs das vorgefundene Feuer, an dem sie sich wärmen, nicht durch Nachlegen von Holz unterhalten: ein Beweis, daß dieses schon eine Ueberlegung erfordert, die ohne abstrakte Begriffe[1] nicht zu Stande kommt. Daß die Erkenntniß von Ursache und Wirkung, als die allgemeine Verstandesform, auch sogar a priori den Thieren[1] einwohne, ist zwar schon daraus völlig gewiß, daß sie ihnen, wie uns, die vorhergehende Bedingung aller anschaulichen Erkenntniß der Außenwelt ist: will man jedoch noch einen besonderen Beleg dazu, so betrachte man z. B. nur, wie selbst ein ganz junger Hund nicht wagt vom Tische zu springen, so sehr er es auch wünscht, weil er die Wirkung der Schwere seines Leibes vorhersieht, ohne übrigens diesen besonderen Fall schon aus Erfahrung zu kennen. Wir müssen indessen bei Beurtheilung des Verstandes[1] der Thiere[1] uns hüten, nicht ihm zuzuschreiben, was Aeußerung des Instinkts ist, einer von ihm, wie auch von der Vernunft[1], gänzlich verschiedenen Eigenschaft, die aber oft der vereinigten Thätigkeit jener Beiden sehr analog wirkt. ➢ Volltext.
[211] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 40: Nun leitet [...] das Gesetz der Kausalität [...] uns nothwendig zu der sichern Annahme, daß, in der Zeit[1], jeder höher organisirte[5] Zustand der Materie erst auf einen roheren gefolgt ist: daß nämlich Thiere[1] früher als Menschen, Fische früher als Landthiere, Pflanzen[1] auch früher als diese, das Unorganische vor allem Organischen[3] dagewesen ist; daß folglich die ursprüngliche Masse eine lange Reihe von Veränderungen durchzugehn gehabt, bevor das erste Auge sich öffnen konnte. ➢ Volltext.
[212] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 53 ff.: Dieses neue, höher potenzirte Bewußtseyn, dieser abstrakte Reflex alles Intuitiven im nichtanschaulichen Begriff[1] der Vernunft[1], ist es allein, der dem Menschen jene Besonnenheit verleiht, welche sein Bewußtseyn von dem des Thieres[1] so durchaus unterscheidet, und wodurch sein ganzer Wandel auf Erden so verschieden ausfällt von dem seiner unvernünftigen Brüder. Gleich sehr übertrifft er sie an Macht und an Leiden. Sie leben in der Gegenwart allein: er dabei zugleich in Zukunft und Vergangenheit. Sie befriedigen das augenblickliche Bedürfniß: er sorgt durch die künstlichsten Anstalten für seine Zukunft [...] 〈54〉 [...]. Sie sind dem Eindruck des Augenblicks, der Wirkung des anschaulichen Motivs gänzlich anheimgefallen; ihn bestimmen abstrakte Begriffe[1] unabhängig von der Gegenwart: daher führt er überlegte Pläne aus, oder handelt nach Maximen, ohne Rücksicht auf die Umgebung und die zufälligen Eindrücke des Augenblicks, kann daher z. B. mit Gelassenheit die künstlichen Anstalten zu seinem eigenen Tode treffen, kann sich verstellen, bis zur Unerforschlichkeit, und sein Geheimniß mit ins Grab nehmen [...]. Das Thier[1] [...] bestimmt der gegenwärtige Eindruck: nur die Furcht vor dem gegenwärtigen Zwange kann seine Begierde zähmen, bis jene Furcht endlich zur Gewohnheit geworden ist und nunmehr als solche es bestimmt: das ist Dressur. Das Thier[1] empfindet und schaut an; der Mensch denkt überdies und weiß. Das Thier[1] theilt seine Empfindung und Stimmung mit, durch Geberde und Laut: der Mensch theilt dem andern Gedanken mit, durch Sprache[1], oder verbirgt Gedanken, durch Sprache[1]. Sprache[1] ist das erste Erzeugniß und das nothwendige Werkzeug seiner Vernunft[1], welche durch deren Hülfe allein ihre wichtigsten Leistungen zu Stande bringt, nämlich das übereinstimmende Handeln mehrerer Individuen, das planvolle Zusammenwirken vieler Tausende, die Civilisation, den Staat: ferner die Wissenschaft, das Aufbewahren früherer 〈55〉 Erfahrung, das Zusammenfassen des Gemeinsamen in einen Begriff[1], das Mittheilen der Wahrheit, das Verbreiten des Irrthums, das Denken und Dichten, die Dogmen und die Superstitionen. Das Thier[1] lernt den Tod erst im Tode kennen: der Mensch geht mit Bewußtseyn in jeder Stunde seinem Tode näher [...]. ➢ Volltext.
[213] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 55: Daß alle diese so mannigfaltigen und so weit reichenden Aeußerungen aus einem gemeinschaftlichen Princip entspringen, aus jener besonderen Geisteskraft, die der Mensch vor dem Thiere[1] voraus hat, und welche man Vernunft[1], το λογιμον, ratio, genannt hat, ist die einstimmige Meinung aller Zeiten[5] und Völker[1]. Auch wissen alle Menschen sehr wohl die Aeußerungen dieses Vermögens zu erkennen und zu sagen, was vernünftig, was unvernünftig sei, wo die Vernunft[1] im Gegensatz mit andern Fähigkeiten und Eigenschaften des Menschen auftritt, und endlich, was wegen des Mangels derselben auch vom klügsten Thiere[1] nie zu erwarten steht. ➢ Volltext.
[214] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 57: Wie der Verstand[1] nur eine Funktion hat: unmittelbare Erkenntniß des Verhältnisses von Ursache und Wirkung, und die Anschauung der wirklichen Welt, wie auch alle Klugheit, Sagacität und Erfindungsgabe, so mannigfaltig auch ihre Anwendung ist, doch ganz offenbar nichts Anderes sind, als Aeußerungen jener einfachen Funktion; so hat auch die Vernunft[1] eine Funktion: Bildung[1] des Begriffs[1]: und aus dieser einzigen erklären sich sehr leicht und ganz und gar von selbst alle jene oben angeführten Erscheinungen, die das Leben des Menschen von dem des Thieres[1] unterscheiden, und auf die Anwendung oder Nicht-Anwendung jener Funktion deutet schlechthin Alles, was man überall und jederzeit vernünftig oder unvernünftig genannt hat. ➢ Volltext.
[215] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 58 f. (59): Der Sinn[1] der Rede wird unmittelbar vernommen, genau und bestimmt aufgefaßt, ohne daß in der Regel sich Phantasmen einmengten. Es ist die Vernunft[1], die zur Vernunft[1] spricht, sich in ihrem Gebiete hält, und was sie mittheilt und empfängt, sind abstrakte Begriffe[1], nichtanschauliche Vorstellungen, welche ein für alle Mal gebildet und verhältnißmäßig in geringer Anzahl, doch alle unzähli〈59〉gen Objekte der wirklichen Welt befassen, enthalten und vertreten. Hieraus allein ist es erklärlich, daß nie ein Thier[1] sprechen und vernehmen kann, obgleich es die Werkzeuge der Sprache[11] und auch die anschaulichen Vorstellungen mit uns gemein hat; aber eben weil die Worte[1] jene ganz eigenthümliche Klasse[1] von Vorstellungen bezeichnen, deren subjektives Korrelat die Vernunft[1] ist, sind sie für das Thier[1] ohne Sinn[1] und Bedeutung. So ist die Sprache[11], wie jede andere Erscheinung, die wir der Vernunft[1] zuschreiben, und wie Alles, was den Menschen vom Thiere[1] unterscheidet, durch dieses Eine und Einfache als seine Quelle zu erklären: die Begriffe[1], die abstrakten, nicht anschaulichen, allgemeinen, nicht in Zeit[1] und Raum individuellen Vorstellungen. Nur in einzelnen Fällen gehn wir von den Begriffen[1] zur Anschauung über, bilden uns Phantasmen als anschauliche Repräsentanten der Begriffe[1], denen sie jedoch nie adäquat sind. ➢ Volltext.
[216] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 125 f.: Schon am Eingang unserer Betrachtung der Vernunft[1] haben wir im Allgemeinen bemerkt, wie sehr das Thun und der Wandel des Menschen von dem des Thieres[1] sich unterscheidet, und daß dieser Unterschied doch allein als Folge der Anwesenheit abstrakter Begriffe[1] im Bewußtseyn anzusehn ist. Der Einfluß dieser auf unser ganzes Daseyn ist so durchgreifend und bedeutend, daß er uns zu den Thieren[1] gewissermaaßen in das Verhältniß setzt, welches die sehenden Thiere[1] zu den augenlosen (gewisse Würmer und Zoophyten) haben: letztere erkennen durch das Getast allein das ihnen im Raum 〈126〉 unmittelbar Gegenwärtige, sie Berührende: die Sehenden dagegen einen weiten Kreis von Nahem und Fernem. Eben so nun beschränkt die Abwesenheit der Vernunft[1] die Thiere[1] auf die ihnen in der Zeit[1] unmittelbar gegenwärtigen anschaulichen Vorstellungen, d. i. realen Objekte: wir hingegen, vermöge der Erkenntniß in abstracto, umfassen, neben der engen wirklichen Gegenwart, noch die ganze Vergangenheit und Zukunft, nebst dem weiten Reich der Möglichkeit: wir übersehn das Leben frei nach allen Seiten, weit hinaus über die Gegenwart und Wirklichkeit. Was also im Raum und für die sinnliche Erkenntniß das Auge ist, das ist gewissermaaßen in der Zeit[1] und für die innere Erkenntniß die Vernunft[1]. Wie aber die Sichtbarkeit der Gegenstände ihren Werth und Bedeutung doch nur dadurch hat, daß sie die Fühlbarkeit derselben verkündigt, so liegt der ganze Werth der abstrakten Erkenntniß immer in ihrer Beziehung auf die anschauliche. Daher auch legt der natürliche[2] Mensch immer viel mehr Werth auf das unmittelbar und anschaulich Erkannte, als auf die abstrakten Begriffe[1], das bloß Gedachte: er zieht die empirische und metaphysische Erkenntniß der logischen vor: umgekehrt aber sind diejenigen gesinnt, welche mehr in Worten[2], als Thaten leben, mehr in Papier und Bücher, als in die wirkliche Welt gesehn haben, und die in ihrer größten Ausartung zu Pedanten und Buchstabenmenschen werden. ➢ Volltext.
[217] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 190 f.: Auf den obern Stufen der Objektität des Willens sehn wir die Individualität bedeutend hervortreten, besonders beim Menschen, als die große Verschiedenheit individueller Karaktere[2], d. h. als vollständige Persönlichkeit, schon äußerlich ausgedrückt durch stark gezeichnete individuelle Physiognomie, welche die gesammte Korporisation mitbegreift. Diese Individualität hat bei weitem in solchem Grade kein Thier[1]; sondern nur die vollkommensten Thiere[1] haben einen schwachen Anstrich davon, über den jedoch der Gattungskarakter noch ganz und gar vorherrscht, ebendeshalb auch nur wenig Individualphysiognomie. Je weiter abwärts, desto mehr verliert sich jede Spur von Individualkarakter in den allgemeinen der Spe〈191〉cies, deren Physiognomie auch allein übrig bleibt. Man kennt den psychologischen Karakter[1] der Gattung, und weiß daraus genau, was vom Individuo zu erwarten steht; da hingegen in der Menschenspecies jedes Individuum für sich studirt und ergründet seyn will, was, um mit einiger Sicherheit sein Verfahren zum voraus zu bestimmen, wegen der erst mit der Vernunft[1] eingetretenen Möglichkeit der Verstellung, von der größten Schwierigkeit ist. Ohne Zweifel ist es mit diesem Unterschiede der Menschengattung von allen andern zusammenhängend, daß die Furchen und Windungen des Gehirns, bei allen Thieren[1] weit symmetrischer an beiden Seiten und konstanter bei jedem Individuo dieselben sind, als beim Menschen [...]. Ferner ist es als ein Phänomen jenes den Menschen von allen Thieren[1] unterscheidenden eigentlichen Individualkarakters anzusehn, daß bei den Thieren[1] der Geschlechtstrieb seine Befriedigung ohne merkliche Auswahl sucht, während diese Auswahl beim Menschen, und zwar auf eine von aller Reflexion unabhängige, instinktmäßige Weise, so hoch getrieben wird, daß sie bis zur gewaltigen Leidenschaft steigt. Während nun also jeder Mensch als eine besonders bestimmte und karakterisirte Erscheinung des Willens, ja gewissermaaßen als eine eigene Idee anzusehn ist, bei den Thieren[1] aber dieser Individualkarakter im Ganzen fehlt und nur noch die Species eine eigenthümliche Bedeutung hat, ja seine Spur immer mehr verschwindet, je weiter sie vom Menschen abstehn, die Pflanzen[1] endlich gar keine andre Eigenthümlichkeit 〈192〉 des Individuums mehr haben, als solche, die sich aus äußern günstigen oder ungünstigen Einflüssen des Bodens und Klima's[1] und andern Zufälligkeiten vollkommen erklären lassen; so verschwindet endlich im unorganischen Reiche der Natur[2] gänzlich alle Individualität. ➢ Volltext.
[218] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 223: Thier[1] und Pflanze[1] sind die herabsteigende Quinte und Terz des Menschen, das unorganische Reich ist die untere Oktav. ➢ Volltext.
[219] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 255 f.: Dem Dienste des Willens bleibt [...] die Erkenntniß in der Regel immer unterworfen, wie sie ja zu diesem Dienste hervorgegangen, ja dem Willen gleichsam so entsprossen ist, wie der Kopf dem Rumpf. Bei den Thieren[1] ist diese Dienstbarkeit der Erkenntniß unter dem Willen gar nie aufzuheben. Bei den Menschen tritt solche Aufhebung nur als Ausnahme ein [...]. Dieser Unterschied zwischen Mensch und Thier[1] ist äußerlich ausgedrückt durch die Verschiedenheit des Verhältnisses des Kopfes zum Rumpf. Bei den unvollkommnen Thieren[1] sind beide noch ganz verwachsen: bei allen ist der Kopf zur Erde gerichtet, wo die Ob〈256〉jekte des Willens liegen: selbst bei den vollkommneren sind Kopf und Rumpf noch viel mehr Eines, als beim Menschen, dessen Haupt dem Leibe frei aufgesetzt erscheint, nur von ihm getragen, nicht ihm dienend. Diesen menschlichen Vorzug stellt im höchsten Grade der Apoll von Belvedere dar: das weitumherblickende Haupt des Musengottes steht so frei auf den Schultern, daß es dem Leibe ganz entwunden, der Sorge für ihn nicht mehr unterthan erscheint. ➢ Volltext.
[220] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 402: Der Mensch allein trägt in abstrakten Begriffen[1] die Gewißheit seines Todes mit sich herum: diese kann ihn dennoch, was sehr seltsam ist, nur auf einzelne Augenblicke, wo ein Anlaß sie der Phantasie[1] vergegenwärtigt, ängstigen. Gegen die mächtige Stimme[14] der Natur[13] vermag die Reflexion wenig. Auch in ihm, wie im Thiere[1], das nicht denkt, waltet als dauernder Zustand jene [...] 〈403〉 [...] Sicherheit vor, vermöge welcher keinen Menschen der Gedanke des gewissen und nie fernen Todes merklich beunruhigt, sondern jeder dahinlebt, als müsse er ewig leben [...]. ➢ Volltext.
[221] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 427: Das Thier[1] [...] hat nur anschauliche, der Mensch, durch die Vernunft[1], auch abstrakte Vorstellungen, Begriffe[1]. Obgleich nun Thier[1] und Mensch mit gleicher Nothwendigkeit durch die Motive bestimmt werden, so hat doch der Mensch eine eigentliche Wahlbestimmung vor dem Thiere[1] voraus, welche auch oft für eine Freiheit[10] des Willens in den einzelnen Thaten angesehn werden [sic], obwohl sie nichts anderes ist, als die Möglichkeit eines ganz durchgekämpften Konflikts zwischen mehreren Motiven, davon das stärkere ihn dann mit Nothwendigkeit bestimmt; während das Thier[1] nicht vom stärkeren, sondern stets vom zunächst gegenwärtigen Motiv bestimmt wird. Denn in concreto wirkt immer nur ein Motiv zur Zeit[11], weil die anschaulichen Vorstellungen in einer breitelosen Zeitreihe liegen. Das Thier[1], welches nur solche Vorstellungen hat, wird daher immer durch die jedesmal gegenwärtige Vorstellung, wenn sie nur überhaupt ein Motiv für seinen Willen ist, nothwendig bestimmt, ohne Ueberlegung und ohne Wahl. ➢ Volltext.
[222] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 427 f. (428): [N]ur in abstracto können mehrere Vorstellungen, als Urtheile und Ketten von Schlüssen, im Bewußtsein neben einan〈428〉der liegen und dann frei[1] von aller Zeitbestimmung gegen einander wirken, bis das stärkere die übrigen überwältigt und den Willen bestimmt. Dies ist die Wahlbestimmung, welche der Mensch vor dem Thiere[1] voraus hat, und welche auch eines von den Dingen ist, die sein Daseyn so sehr viel quaalvoller als das des Thieres[1] machen; wie denn überhaupt unsere größten Schmerzen nicht in der Gegenwart, als anschauliche Vorstellungen oder unmittelbares Gefühl liegen: sondern in der Vernunft[1], als abstrakte Begriffe[1], quälende Gedanken, von denen das allein in der Gegenwart lebende Thier[1] völlig frei[1] ist. ➢ Volltext.
[223] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 452: Dem bei weitem größten Theil der Menschen aber sind die rein intellektuellen Genüsse nicht zugänglich; der Freude, die im reinen Erkennen liegt, sind sie fast ganz unfähig: sie sind gänzlich auf das Wollen verwiesen: wenn daher irgend etwas ihren Antheil abgewinnen, ihnen interessant[1] seyn soll, so muß es (dies liegt auch schon in der Wortbedeutung) irgendwie ihren Willen anregen, sei es auch nur durch eine ferne und nur in der Möglichkeit liegende Beziehung auf ihn: er darf aber nie ganz aus dem Spiele bleiben, weil ihr Daseyn bei Weitem mehr im Wollen als im Erkennen liegt: Aktion und Reaktion ist ihr einziges Element. Die naiven[1] Aeußerungen dieser Beschaffenheit kann man aus Kleinigkeiten und all〈453〉täglichen Erscheinungen abnehmen: so z. B. schreiben sie an sehenswerthen Orten, die sie besuchen, ihre Namen hin, um so zu reagiren, um auf den Ort zu wirken, da er nicht auf sie wirkte: ferner können sie nicht leicht ein fremdes[4], seltenes Thier[1] bloß betrachten, sondern müssen es reizen, necken, mit ihm spielen, um nur Aktion und Reaktion zu empfinden; ganz besonders aber zeigt jenes Bedürfniß der Willensanregung sich an der Erfindung und Erhaltung des Kartenspieles, welches recht eigentlich der Ausdruck der kläglichen Seite der Menschheit[1] ist. ➢ Volltext.
[224] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 701: Für das Vermögen der Begriffe[1] habe ich die Vernunft[1] erklärt. Diese ganz eigene Klasse[1] allgemeiner, nicht anschaulicher, nur durch Worte[1] symbolisirter und fixirter Vorstellungen ist es, die den Menschen vom Thiere[1] unterscheidet und ihm die Herrschaft auf Erden giebt. Wenn das Thier[1] der Sklave der Gegenwart ist, keine andere, als unmittelbar sinnliche Motive kennt und daher, wenn sie sich ihm darbieten, so nothwendig von ihnen gezogen oder abgestoßen wird, wie das Eisen vom Magnet; so ist dagegen im Menschen durch die Gabe der Vernunft[1] die Besonnenheit aufgegangen. Diese läßt ihn, rückwärts und vorwärts blickend, sein Leben und den Lauf der Welt leicht im Ganzen übersehn, macht ihn unabhängig von der Gegenwart, läßt ihn überlegt, planmäßig und mit Bedacht zu Werke gehn, zum Bösen wie zum Guten. Aber was er thut, thut er mit voll〈702〉kommnem Selbstbewußtseyn: er weiß genau, wie sein Wille sich entscheidet, was er jedesmal erwählt und welche andere Wahl, der Sache nach, möglich war, und aus diesem selbstbewußten Wollen lernt er sich selbst kennen und spiegelt sich an seinen Thaten. ➢ Volltext.
[225] R. Schumann, Tageb. I (*1828), 101: Die Natur[2] ist das große, entfaltete Schnupftuch Gottes, gestikt mit seinem ewig-blühenden Namen, an dem der Mensch alle Schmerzensthränen abtrocknen kann, aber auch die Freudenthränen..
[226] R. Schumann, Tageb. I (*1828), 101: Wenn der Mensch Etwas sagen will, was er nicht kann, so nimmt er die Sprache[2] der Töne[11] oder die der Blumen – denn die Blumenwelt ist ja so heilig als die Tonwelt u. in Schmerzen oder in der Freude geht der Mensch am liebsten an die Saiten oder in die Natur[2], u. beyde sind ja Bürgen einer Gottheit u. einer Unendlichkeit..
[227] Seume, Ged. (31810 [11801]), 87: Menschen, Widerspruch im großen Ringe, | Räthsel in der Kette dieser Welt, | Zwischen Thier[1] und Engel Mitteldinge, | Durch Vernunft[1] geadelt und entstellt..
[228] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), III: Daß die Menschen nicht mehr einzeln, oder in kleinen Horden, gleich den Thieren[1] des Feldes herum irren, um eine kümmerliche Nahrung zu suchen; daß sie beständige Wohnplätze und einen zuverläßigen Unterhalt haben; daß sie in großen Gesellschaften, und unter guten Gesetzen leben, ist eine Wolthat, die sie dem Verstand[2] zu danken haben, der die mechanischen Künste[1] erfunden, Wissenschaften und Gesetze ausgedacht hat..
[229] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 291: Die Einbildungskraft[1] ist eine der vorzüglichsten Eigenschaften der Seele, deren Mangel den Menschen noch unter die Thiere[1] erniedrigen würde; weil er alsdenn, als eine blosse Maschine, nur durch gegenwärtige Eindrüke und allemal nach Maaßgebung ihrer Stärke würd in Würksamkeit gesetzt werden..
[230] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 610: Ohne Zweifel wollte die Natur[2] durch die von allen Seiten auf uns zuströhmenden Annehmlichkeiten unsre Gemüther überhaupt zu der Sanftmuth und Empfindsamkeit bilden, wodurch das rauhe Wesen, das eine übertriebene Selbstliebe und stärkere Leidenschaften geben, mit Lieblichkeit gemäßiget wird. Diese Schönheiten[3] sind einer in uns liegenden feineren Empfindsamkeit angemessen; durch den Eindruk, den die Farben, Formen und Stimmen[3] der Natur[2] auf uns machen, wird sie beständig gereizt, und dadurch wird ein zarteres Gefühl in uns rege, Geist[22] und Herz werden geschäftiger und nicht nur die gröbern Empfindungen, die wir mit den Thieren[1] gemein haben, sondern auch die sanften Eindrüke werden in uns würksam. Dadurch werden wir zu Menschen; unsre Thätigkeit wird vermehret, weil wir mehrere Dinge interessant[1] finden, es entsteht eine allgemeine Bestrebung aller in uns liegenden Kräfte, wir heben uns aus dem Staub empor, und nähern uns dem Adel[5] höherer Wesen. Wir finden nun die Natur[2] nicht mehr zu der bloßen Befriedigung unsrer thierischen Bedürfnisse, sondern zu einem feinern Genuß und zu allmähliger Erhöhung unsers Wesens eingerichtet..
[231] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 612: In dem Menschen, dessen Geist[22] und Herz so unaufhörlich von allen Arten des Vollkommenen gereizt und gerührt werden, entsteht nothwendig eine Entwiklung und allmählige Verfeinerung aller Seelenkräfte. Die Dummheit und Unempfindlichkeit des rohen natürlichen[2] Menschen verschwindet nach und nach; und aus einem Thier[11], das vielleicht eben so wild war, als irgend ein anderes [Thier1], wird ein Mensch gebildet, dessen Geist[19] reich an Annehmlichkeiten und dessen Gemüthsart liebenswürdig ist..
[232] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 710: Für Werke, die blos zur niedrigen Wollust reizen, lassen sich schlechterdings keine Entschuldigungen anführen, die bey vernünftigen Menschen den geringsten Eindruk machten. Die fleischlichen Triebe, so weit die Natur[2] ihrer bedarf, sind bey Menschen, die ihr Temperament nicht durch Ausschweifungen zu Grunde gerichtet haben, allezeit stark und lebhaft genug; also ist es Narrheit sie über ihren Endzwek zu reizen: aber für verworfene Wollüstlinge zu arbeiten, erniedriget den Künstler. Wer sollte ohne Schaam sich zum Diener solcher unter das Thier[1] erniedrigten Menschen machen, wenn sie auch von hohem Stande wären?.
[233] L. Tieck, an S. Tieck (?ca. Ostern 1794), MZM, 350: [S]ei munter, so viel du es kannst, denn Heiterkeit[4] ist die wahre Medicin des Lebens, eine trübe Laune macht unsre Seelenkräfte stumpfer und der Mensch schrumpft darunter wie eine Mumie zusammen..
[234] L. Tieck, Phant. ü. d. Kunst (1799), 120: Die Musik[1] ist der letzte Geisterhauch, das feinste Element, aus dem die verborgensten Seelenträume, wie aus einem unsichtbaren Bache ihre Nahrung ziehn; sie spielt um den Menschen, will nichts und alles, sie ist ein Organ[1], feiner als die Sprache[1], vielleicht zarter als seine Gedanken, der Geist[32] kann sie nicht mehr als Mittel, als Organ[1] brauchen, sondern sie ist Sache 〈121〉 selbst, darum lebt sie und schwingt sich in ihren eignen Zauberkreisen. ➢ Volltext.
[235] L. Tieck, Zerbino (1799), 315: Cervantes. Das muß ich doch meinem Freunde Shakspeare erzählen, wenn er wieder kömmt. | Nestor. Also der Teufelskerl ist auch hier? Eine kuriose Gesellschaft! Es giebt doch auch nicht einen einzigen klassischen[5] und korrekten Menschen hier, an dem man sein Gemüth auf eine verständige Weise erquicken könnte..
[236] L. Tieck, Gesellsch. Land. (1825), W 3, 258: Es bleibt aber immer eine merkwürdige Anstalt, um diesen Adel[2]. Ein ganzes großes Institut, unzählige Menschen, die an einer fixen Idee leiden, und die doch eben nicht gefährlich werden, oder in das eigentliche Rasen verfallen, weil die Gesunden so halb und halb in ihre verkehrten Vorstellungen einzugehen scheinen, ja sich zuweilen dieser und jener in die nämliche Anstalt mit freiem Entschlusse aufnehmen läßt. Ja, Freund, für den Psychologen ist das eine Erscheinung, an der noch vieles zu lernen ist..
[237] Uhland, Adelskammer (1817), 667: Wir machen dem Adel[2] seine Rechte nicht streitig. Aber man spreche nicht, wie man groß genug getan hat, von Söhnen Gottes[1] und Söhnen der Menschen[1], von Geburt gleich Verdienst. Adelsvorurteil erkennen wir nicht an. Uns ist der Regent ein Mensch[1], den der Staatsvertrag hoch gestellt hat; soll uns der Adel[2] ein Halbgott sein? Wird er das selbst verlangen? Halbgötter gehören der Fabelwelt an, Mensch[6] ist eine ewige Würde..
[238] J. H. Voß, F. Stolberg (1819), 100: Hier auf dem gesegneten Stein aus Münster, stolz im Priesterornat, jener düstere, einem Trappisten vergleichbare Pfaf, und vor ihm mit demütiger Geberde Friz Stolberg samt seiner Sofie? abschwörend den göttlichen, durch Luther wieder errungenen Glauben der Bibel, die St.[olberg] von nun an nicht lesen darf ohne Vergünstigung? abschwörend, was den Menschen über das Thier[1] erhebt, wodurch der Mensch Gottes[1] Ebenbild ward, die heilige Vernunft[3]? O der tiefen, der jammervollen Entwürdigung! ➢ Volltext.
[239] Wackenroder, an seine Eltern (22. 6. 1793), VL 2, 180: In Nürnb[erg] bin ich im rothen Roß abgetreten. Von dem Äußern dieser großen, labyrinthischen Stadt können sie sich wirklich durch Ihre in Kupfer gestochenen u[nd] illuminirten kleinen Prospekte, den beßten Begriff[1] machen. Ich finde mit Vergnügen viele mir längst bekannte Gegenden der Stadt hier in der Natur[2], u[nd] erkenne sie bald. Die Stadt hat wegen der vielen, schwarzen, mit Gothischem Prunk an Bildern u[nd] Zierrathen reich überladenen Kirchen, wegen der alten[1], ganz v[on] Quadern gebauten, festen Häuser, die häufig mit Figuren v[on] Menschen u[nd] Thieren[1] bemahlt, u[nd] auch mit sehr alten[1] Basreliefs in Stein geziert sind, ein antikes[6], abentheuerliches[3] Ansehen. Aber sowohl aus- als inwendig, scheinen mir doch fast alle Häuser keine Spur v[on] modernem[7] Geschmack zu haben. Keine einzige neumodische Façade. Die Hausthür ist [...] fast immer verschlossen; man klingelt, sie springt auf; man geht durch dunkle Winkel eine schlechte Treppe hinauf, u[nd] findet selbst Männer wie H[errn] v[on] Murr u[nd] H[errn] Schaffer Panzer, in Zimmern, die nur durch eine Bibliothek angenehm werden, an Fenstem mit kleinen runden Scheiben, nach dem Hofe oder einem Gäßchen zu, sitzen. Freilich will ich nicht auf alle übrigen Häuser v[on] diesen schließen. Allein v[on] außen wenigstens sind sie alle antik[6]. .
[240] Wackenroder, an seine Eltern (1793), VL 2, 210: Die Domherren sind bey ihrem ehrwürdig seyn sollenden hohen Adel[1] v[on] 16 Ahnen, die übermüthigsten u[nd] ausgelassensten Menschen..
[241] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 133: Seit meiner frühen Jugend her, da ich den Gott[1] der Menschen zuerst aus den uralten heiligen Büchern unserer Religion[1] kennen lernte, war mir die Natur[2] immer das gründlichste und deutlichste Erklärungsbuch über sein Wesen und seine Eigenschaften. Das Säuseln in den Wipfeln des Waldes, und das Rollen des Donners, haben mir geheimnißvolle Dinge von ihm erzählet, die ich in Worten[2] nicht aufsetzen kann. Ein schönes[1] Thal, von abentheuerlichen[3] Felsengestalten umschlossen, oder ein glatter Fluß, worin gebeugte Bäume sich spiegeln, oder eine 〈134〉 heitere[1/5] grüne Wiese von dem blauen Himmel beschienen, – ach diese Dinge haben in meinem inneren Gemüthe mehr wunderbare Regungen zuwege gebracht, haben meinen Geist[19] von der Allmacht und Allgüte Gottes[1] inniger erfüllt, und meine ganze Seele weit mehr gereinigt und erhoben, als es je die Sprache[2] der Worte[1] vermag. Sie ist, dünkt mich, ein allzu irdisches und grobes Werkzeug, um das Unkörperliche, wie das Körperliche, damit zu handhaben. ➢ Volltext.
[242] Weißenthurn, Braut (1817), 136: Baroninn. Ist denn der Mensch von Adel[1]? | Wolf. Wenn gleich nicht von altem[1] Adel[1/5], doch vom besten. | Baroninn. Wie verstehen Sie das? 〈137〉 | Wolf. Ich verstehe darunter den Adel[5], der aus Herz und Seele quillt, der alles um sich her froh und glücklich machen will, der, wo Geld helfen kann, mit beyden Händen in die Tasche greift, und wo nicht Geld, nur das theilnehmende Wort[2] gilt, Trost und Hülfe aus dem Herzen schöpft. Das ist der Adel[5] vor dem ich mich tief bücke, und am liebsten meinen Hut abnehme. | Baroninn. Also der sentimentale[2], gemüthliche Adel[5]? | Wolf. Ohne den zehen Adelsdiplome doch keinen Edelmann machen; wenn aber eines zum andern kömmt, dann ist der Mann hoch und wohl, und würdig geboren, dann erlebt Gott[1], sein Fürst und die Welt Freude an ihm..
[243] Wieland, Gold. Spiegel (1772 [hier: 1795]), 61: Das Ohr[3] ist, nach dem Auge, der vollkommenste unsrer Sinne[4]. Gewöhnet es an kunstlose, aber seelenvolle Melodien, aus welchen schöne[1] Gefühle atmen, die das Herz in sanfte Bebungen setzen, oder die einschlummernde Seele in süße Träume wiegen. Freude, Liebe, und Unschuld stimmen den Menschen in Harmonie mit sich selbst, mit allen guten Menschen, mit der ganzen Natur[2]. So lang euch diese beseelen, wird jede eurer Bewegungen, der gewöhnliche Ton[5] eurer Stimme[3], eure Sprache[11] selbst wird Musik[5] sein..
[244] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 193: Vielerlei sind der Sprachen[9], Zungen und Charaktere[9] auf der Welt, die einander nicht verstehen; die Poesie[11] aber ist die heilige Flammenzunge, die aus aller Herzen zu aller Herzen spricht und jeden Menschen mit süßem Verständnis bewegt. Die Poesie[11] ist die Natur[19], die ursprüngliche Menschheit[1], die sich mit jeder besonderen Erscheinung der Menschheit[1] auf dem Felde der Geschichte[1] gattet und daher, so allgemein menschlich sie in ihrer Quelle ist, doch jedesmal einer besonderen Menschheit[3], einem gewissen Zeitalter eigentümlich angehört. Man kann daher mit Recht von einer katholischen und griechischen[2] Poesie[11] sprechen, von einer romantischen[13] und klassischen[7], nur wird man sich hüten, den Gegensatz unmittelbar in das Wesen der Poesie[11] selbst zu setzen, die Poesie[11] ist nur die eine bei allen Völkern[1], Zeiten[5] und Zuständen, aber der Strahl dieser einen Sonne bricht sich tausendfach in der geistigen Atmosphäre und verursacht dadurch ein buntes[2] Farbenspiel von Weltpoesien, deren Verständnis, nach Rückerts Ausdruck, allein zur Weltversöhnung führt..
[2] Ahlefeld, Erna (1820), 193: Als er das heitere[3], wohlgebaute Haus auf seiner sanften Anhöhe erblickte, glühten eben die Fenster so feurig vom abendlichen Sonnenstrahl beglänzt, als wollten innere Flammen hervorlodern. Sanfte Lüfte säuselten in den blühenden Linden, die es wie ein dunkler Kranz umgaben, und trugen den lieblichen Duft, der ihm wie ein Gruß des Willkommens entgegen wehte, weit umher. Als er näher kam, bemerkte er allenthalben eine sorgsamere Cultur[2] als vormals. Das ist der eigenthümliche Segen der Häuslichkeit, dachte er bei sich selbst. Der Mensch ist nicht geboren, um unstät und flüchtig durch die Welt zu pilgern. Hat er sich erst ein Asyl gegründet, das ihn schützt vor den 〈194〉 Stürmen des Lebens, so gewinnt er es bald lieb, und schmückt es, wie das Kind seine Puppe. Er nimmt dann die engen Schranken, die ihn umbauen, unter der freundlichen Hülle nicht wahr, mit der sein Fleiß sie umgiebt, und dankbar [...] ist der Boden, den man mit Sorgfalt pflegt.
[3] A. v. Arnim, Isabella (1812), 129: Wenn er hinter einem Tische säße, würde man ihn schon für einen ordentlichen Menschen passiren lassen, er dürfe aber niemals aufstehen wegen unverhältnismäßiger Kürze seiner Beine, welche ihm Ähnlichkeit mit einem verkleideten Dachshunde gebe.
[4] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 64: Kein Mensch kann verbunden werden, ohne durch sich selbst: keinem Menschen kann ein Gesez gegeben werden, ohne von ihm selbst. Läßt er durch einen fremden[3] Willen sich ein Gesez auflegen, so thut er auf seine Menschheit[1] Verzicht und macht sich zum Thiere[11]; und das darf er nicht.
[5] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 238: Sterne[2], Thiere[1], Pflanzen[1] wissen und erfahren ihr Gesetz nicht; der Mensch aber existirt erst dem Gesetze seines Daseyns gemäß, wenn er weiß, was er selbst und was um ihn her ist; er muß die Mächte kennen, die ihn treiben und lenken [...]. ➢ Volltext
[6] Heine, Romant. Schule (1836), 207 f. (208): Kennt ihr China, das Vaterland der geflügelten Drachen und der porzellanenen Theekannen? [...] Die Natur[2] mit ihren grellen, verschnörkelten Erscheinungen, abentheuerlichen[3] Riesenblumen, Zwerg〈208〉bäumen, verschnitzelten Bergen, barock wollüstigen Früchten, aberwitzig geputzten Vögeln, ist dort eine ebenso fabelhafte Carrikatur wie der Mensch mit seinem spitzigen Zopfkopf, seinen Bücklingen, langen Nägeln, altklugem Wesen und kindisch einsilbiger Sprache[3]. ➢ Volltext
[7] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 151: Wir wachsen immer aus einer Kindheit, so alt[3] wir seyn mögen, sind immer im Gange, unruhig, ungesättigt: Das Wesentliche unsres Lebens ist nie Genuß, sondern immer Progreßion, und wir sind nie Menschen gewesen, bis wir – zu Ende gelebt haben; dahingegen die Biene, Biene war, als sie ihre erste Zelle bauete. ➢ Volltext
[8] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 138: Gesicht und Gehör endlich sind die edelsten Sinne[4], zu denen der Mensch schon seiner organischen[2] Anlage nach vorzüglich geschaffen worden: denn bei ihm sind die Werkzeuge dieser Sinne[4] vor allen Thieren[2] Kunstreich ausgebildet. Zu welcher Schärfe haben manche Nationen[1] Auge und Ohr[3] gebracht! Der Kalmucke sieht Rauch, wo ihn kein Europäisches Auge gewahr wird: der scheue Araber horcht weit umher in seiner stillen Wüste.
[9] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (21793), 15: Angenehm heißt Jemandem das, was ihn vergnügt; schön[1], was ihm blos gefällt; gut, was geschätzt, gebilligt, d. i. worin von ihm ein objectiver Werth gesetzt wird. Annehmlichkeit gilt auch für vernunftlose Thiere[1]; Schönheit[1] nur für Menschen d. i. thierische, aber doch vernünftige Wesen, aber auch nicht blos als solche (z. B. Geister[1]) sondern zugleich als thierische; das Gute aber für jedes vernünftige Wesen überhaupt.
[10] Kant, Metaph. d. Sitt. II (1797), 23 f. (24): Das Vermögen sich überhaupt irgend einen Zweck zu setzen, ist das Characteristische[1] der Menschheit[1] (zum Unterschiede von der Thierheit). Mit dem Zwecke der Menschheit[1] in unserer eigenen Person ist also auch 〈24〉 der Vernunftwille, mithin die Pflicht verbunden, sich um die Menschheit[1] durch Cultur[3] überhaupt verdient zu machen, sich das Vermögen zu Ausführung allerley möglichen Zwecke, so fern dieses in dem Menschen selbst anzutreffen ist, zu verschaffen oder es zu fördern, d. i. eine Pflicht zur Cultur[3] der rohen Anlagen seiner Natur1, als wodurch das Thier[11] sich allererst zum Menschen erhebt: mithin Pflicht an sich selbst.
[11] Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 292, Nr, 291: Sollte der Mensch die Einheit für die Natur[2] (das Weltall) seyn i. e. das Differential der unendlich Großen, und das Integral der unendlich kleinen Natur[2] – das allgemeine homogenëisirende Princip – das Maaß aller Dinge – ihr gegenseitiges Realisirungsprincip – das Organ[1] ihres Contacts?
[12] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 566: Die Malerei[1] ist bloß allegorisch in denjenigen Gegenständen, die nicht um ihrer selbst willen dargestellt werden. – Denn was nicht um seiner selbst willen, bloß um eines andern willen, ist es bedeutend. | Anmerkung. Hieher gehören die untergeordneten Gattungen des Still-Lebens, der Blumen- und Frucht-, sowie im Ganzen auch der Thierstücke. Alle diese Gattungen sind entweder überhaupt keine Kunstgattungen oder von allegorischer Bedeutung. Was Thierstücke insbesondere betrifft, so ist die Natur[2] in der Produktion der Thiere[1] selbst gewissermaßen allegorisch, sie deutet ein Höheres, die menschliche Gestalt an, es sind unvollkommene Versuche, die höchste Totalität zu produciren. Selbst der Charakter[1], den sie in das Thier[1] wirklich gelegt hat, spricht sich in ihm nicht vollkommen aus, sondern ist bloß angedeutet und wird errathen. Aber auch der bekannte Charakter[1] des Thiers[1] ist nur eine einseitige Erscheinung des Totalcharakters der Erde, und inwiefern dieser im Menschen am vollkommensten ausgedrückt ist, des Menschen. ➢ Volltext
[13] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 157 f.: Bey dem Thiere[1] und der Pflanze[1] giebt die Natur[2] nicht bloß die Bestimmung an, sondern führt sie auch allein aus. Dem Menschen 〈158〉 aber giebt sie bloß die Bestimmung, und überläßt ihm selbst die Erfüllung derselben. Dieß allein macht ihn zum Menschen. ➢ Volltext
[14] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 193: Auf die Begierde und Verabscheuung erfolgt bey dem Thiere[1] eben so nothwendig Handlung[1], als Begierde auf Empfindung, und Empfindung auf den äußern Eindruck erfolgte. Es ist hier eine stetig fortlaufende Kette, wo jeder Ring nothwendig in den andern greift. Bey dem Menschen ist noch eine Instanz mehr, nehmlich der Wille, der als ein übersinnliches Vermögen weder dem Gesetz der Natur[19], noch dem der Vernunft[1], so unterworfen ist, daß ihm nicht vollkommen freye Wahl bliebe, sich entweder nach diesem oder nach jenem zu richten. Das Thier[1] muß streben den Schmerz los zu seyn, der Mensch kann sich entschließen, ihn zu behalten. ➢ Volltext
[15] Schiller, Path. (1793 [hier: 21801]), NA 20, 204: Bestimmt der Instinkt allein alle Erscheinungen am Menschen, so ist nichts mehr vorhanden, was an die Person erinnern könnte, und es ist bloß ein Naturwesen, also ein Thier[11], was wir vor uns haben; denn Thier[1] heißt jedes Naturwesen unter der Herrschaft des Instinkts.
[16] Schiller, Ästh. Erzieh. (1795), NA 20, 391: Eine grenzenlose Dauer des Daseyns und Wohlseyns, bloß um des Daseyns und Wohlseyns willen, ist bloß ein Ideal der Begierde, mithin eine Foderung, die nur von einer ins Absolute strebenden Thierheit kann aufgeworfen werden. Ohne also durch eine Vernunftäußerung dieser Art etwas für seine Menschheit[1] zu gewinnen, verliert er [sc. Mensch] dadurch bloß die glückliche Beschränktheit des Thiers[1], vor welchem er nun bloß den unbeneidenswerthen Vorzug besitzt, über dem Streben in die Ferne den Besitz der Gegenwart zu verlieren, ohne doch in der ganzen grenzenlosen Ferne je etwas anders als die Gegenwart zu suchen.
[17] R. Schumann, Tageb. I (*1826), I, 75: Den Menschen sey es angeboren, das Gute eher zu vergessen, als das Böse.
[18] Adelung, Gesch. Cultur (1782), 23 f. (24): Der erste Mensch kam aus den Händen seines Schöpfers mit allen menschlichen Fähigkeiten ausgerüstet, deren Ausbildung ihm selbst und dem natürlichen[4] Laufe der Dinge überlassen blieb. Diese mußte aber dem Anfange nach sehr bald erfolgen, weil die ganze Natur[2] um ihn her seine Fähigkeiten zur Thätigkeit aufforderte. Der erste Schritt dazu war die Erfindung vernehmlicher Töne[1], wodurch zugleich die verworrenen Bilder in seiner Seele zur Klarheit gebracht, und klare, und in der Folge deutliche Begriffe[1] erweckt wurden, welche immer mehr Licht in dieselbe brachten, je weiter er auf dem Wege der Spracherfindung fortging. Daß sich seine Sprachfähigkeit bey den Thieren[1] zu entwickeln angefangen, weil sie am nächsten um ihn waren, seine Aufmerksam〈24〉keit am meisten auf sich zogen, und der bequemste Gegenstand zur Erfindung der Sprache[1] waren, erhellet deutlich aus Mosis Erzählung. „Gott ließ,sagte er, die erschaffenen Thiere[1] vor Adam kommen, um zu sehen, wie er sie nennen würde, und welchen Nahmen Adam irgend einem lebendigen Thiere[1] geben würde, den sollte es haben. Adam gab auch wirklich allen zahmen Thieren[1], den Vögeln des Himmels, und allen wilden Thieren[1] Nahmen.“ ➢ Volltext.
[19] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (21793), 27: Abenteuerlich[3], [...] adj. [...] Wunderbar ohne alle Wahrscheinlichkeit, seltsam, thöricht. Eine abenteuerliche[3], (unglaubliche, fabelhafte) Geschichte[8]. Ein abenteuerlicher[3] Mensch, Einfall, Gedanke u. s. f..
[20] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (21793), 163: Der alte[16] Adam, eine biblische Benennung der Erbsünde, zum Andenken des durch den ersten Menschen auf das ganze Geschlecht[7] vererbten Übels..
[21] Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (21793), 1924: Sinnliche Brunst erniedrigt den Menschen tief unter das 〈1925〉 Thier[1]..
[22] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 443: Gebären, [...] Junge zur Welt bringen, von dem weiblichen Geschlechte[2] aller Thiere[2] in der edlen Schreibart. [...] 〈444〉 Am häufigsten und eigentlichsten von Menschen..
[23] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 1100: Die Helle der Sonne, des Tages, der Nacht. Die Helle des Glases. Ingleichen figürlich, die Deutlichkeit, und ein hoher Grad derselben. Der Mensch hat mehr Helle in seinen Vorstellungen als das Thier[1]..
[24] Adelung, Gramm.-krit. Wb. II (21796), 1548: Wenn manches Thier[1] seine Kräfte kennete, es würde sich von dem Menschen oft nicht so mißbrauchen lassen..
[25] Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (21798), 176: Der Mênsch, [...] ein Individuum des menschlichen Geschlechtes[7], d. i. ein mit einer vernünftigen Seele begabtes Thier[2]..
[26] Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (21798), 854: Prügeln, [...] heftig schlagen, sehr schlagen, doch nur wenn der Gegenstand der heftigen Schläge ein Mensch oder Thier[1] ist..
[27] Adelung, Gramm.-krit. Wb. IV (21801), 579: Das Thier[2] [...]. Im weitesten Verstande[7], ein jedes lebendiges Geschöpf, ein Körper, welcher der Empfindung und freywilligen Bewegung fähig ist. Ein unvernünftiges Thier[2], zum Unterschiede von dem vernünftigen, welches doch unter dem Nahmen des Menschen am bekanntesten ist. Es wird hier nur als ein allgemeiner Ausdruck gebraucht, die Classe[1] oder das Geschlecht[7] zu bezeichnen. Wenn sich der Mensch zum Geschlecht[7] der Thiere[2] rechnen muß, so kann er doch auch in mancher andern Absicht seinen wahren Adel[5] und Vorzug erweisen, die ihm auf einen höhern Rang ein gegründetes Recht geben..
[28] Ahlefeld, Marie Müller (21814 [11799]), 9 f. (10): Aengstlich sprang ihr, als sie heraustrat, die englische Dogge entgegen [...]. Sie schien sich verlaufen zu haben, und eilte freundlich zu Marien, als wäre sie längst mit ihr bekannt. 〈10〉 Marie, deren weiches Herz von einem reichen Wohlwollen für Menschen und Thiere[1] erfüllt war, nahm den Flüchtling gütig auf [...]..
[29] Arndt, Erinn. (1840), 52: Er redete und deklamierte wie ein König, konnte aller Menschen und Tiere[1], aller Alter und Geschlechter[2] Töne[5], Stimmen[3] und Gebärden nachmachen, zeichnete vortrefflich und hatte jenen stillen und leisen Witz[1], der von sich nichts weiß und nie sich selbst belächelt..
[30] Arndt, Erinn. (1840), 277: Auf dem Lande [...] wohnen, wie auch in der Stadt, zwei Arten Menschen: Reiche und Arme, Vornehme und Geringe, Gebildete und Ungebildete, Adel[2] und Bauern – die einen zum Befehlen und Regieren, die andern zum Gehorchen und Dienen bequem..
[31] Arndt, Erinn. (1840), 299 f. (300): Ein armer Adel[2] löscht bei dem Volke[5] 〈300〉 die Idee des ganzen Standes aus. Er hat durch seine Geburt Ansprüche, die er ohne Vermögen schwerlich erfüllen kann. Er muß also dienstbar, glücksuchend, ja oft glückjagend sein wie Menschen aus den untersten Klassen[2] [...]. .
[32] A. v. Arnim, Kronenwächt. I (1817), RuE 1, 634 f. (635): Der Kaiser steht hoch über der Zeit[1], er hat die Welt kennen gelernt, hat sich wie eine Erdbeerpflanze an zehn Stellen eingewurzelt, in Spanien, Portugal, Ungarn, Böhmen, und das alles, um sich gegen dies unser verwirrtes, übermächtiges, deutsches Adelsvolk und die Menge kleiner Fürsten zu sichern; es geht jetzt ins Große, der Adel[2] denkt nur ans Kleine, verachtet den Handel, statt ihn zu nutzen, verachtet das neue Kriegswesen und kann doch mit seiner Art nur bei kleinen Zügen etwas wirken; 〈635〉 es möchte noch jeder als Mensch bestehen, während die Geschichte[1] alles zu Nationen[1] zusammenfegt. .
[33] B. v. Arnim, Günder. II (1840), 18: Du lebst und schwebst[7] in freier[1] Luft, und die ganze Natur[19] trägt Deinen Geist[19] auf Händen [sc. ›Dein Geist19 ist vollkommen natürlich2‹]; ich dräng mich durch zwischen Witz[3] und Aberwitz, und hier und dort nimmt mich die Albernheit in Beschlag; und wenn ich Abends zum Schreiben komm, und muß das Unmögliche denken, was unmöglich ist auszusprechen, dann bin ich gleich traumtrunken, und dann schwindelt mir wenn ich die Augen öffne; die Wände drehen sich und der Menschen Treiben dreht sich mit..
[34] B. v. Arnim, Günder. II (1840), 275: Es giebt gar viele Menschen, die große Weihgeschenke der Götter[4] mitbekommen haben, und keines derselben anzuwenden vermögen, denen es genügt über dem Boden der Gemeinheit sich erhaben zu glauben, blos weil der Buchstabe[8; 11] eines höheren Gesetzes in sie geprägt ist, aber der Geist[12; 30] ist nicht in ihnen aufgegangen und sie wissen nicht wie weit sie 〈276〉 entfernt sind jenen Seelenadel in sich verwirklicht zu haben auf den sie sich so mächtig zu gut thun..
[35] B. v. Arnim, Buch König (1843), 180: Der Gott[7] und das Thier[10], die im Menschen immer sich hin- und herzerren, bearbeiten da mit gegenseitigem Humor[1] das Feld der Weisheit..
[36] Aurbacher, Büchl. f. d. Jgd. (1834), 144: Mensch oder Thier[1] – beide haben Leben, und fühlen Wohl und Weh, und sind empfindlich für Freuden und für Schmerzen. Mensch oder Thier[1] beide sind Geschöpfe Gottes[1], des allgemeinen Vaters im Himmel, der alles erhält und ernährt, was da lebt auf Erden [...]..
[37] Beer, Paria (1826), SW, 154: Gadhi. | Stimmen[12]! horch, | Und Tritte naher Menschen! || Stimmen[12] (von außen). | Hierher! Licht! .
[38] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 3: Wenn wir Wesen annehmen, um eine Stuffe über die Menschen erhöht, aber der Natur[1] derselben verwandt; Geschöpfe, welche gegen unser Geschlecht in demselben Verhältnisse stehen, als wir gegen das der Thiere[1]; und wenn wir glauben, daß jene Wesen uns mit eben der unermüdeten Sorgfalt beobachten, als wir die uns untergeordneten thierischen Naturen[10]: so müßte nach unsern Begriffen[1], das Geschlecht der Menschen[1] der interessanteste[1] Gegenstand ihrer Beobachtungen sein. ➢ Volltext.
[39] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 39 f.: Dem Menschen gegenüber, als reizender, Empfindungen veranlassender, und die Sinnlichkeit berührender Stoff, erscheint, und wird eine Außenwelt angenommen, zu der auch die Geschöpfe seiner Gattung gehören. Der 〈40〉 Mensch als eine thierische Natur[10] und ein vernünftiges Wesen, steht in doppelter Beziehung auf dieselbe, in letzterer Rücksicht liefert sie ihm den Stoff für die innern Kräfte, in der erstern ist er durch Bedürfnisse aller Art, durch unzerreisbare Bande in jedem Augenblicke gefesselt. Ja dies Band ist noch enger bei dem Menschen, als bei den Thieren[1]; denn seine Bedürfnisse sind weit mannigfaltiger, und die Natur[2], um das thätige Spiel seiner Kräfte mehr zu begünstigen, hat ihn weit mittelbarer in ihren Schutz genommen. Daher muß er für seine Erhaltung in einem hohen Grade selbstthätig sein, er kann die Natur[2] nicht genießen, wie er sie vorfindet, sondern muß sie verwandeln und verändern, um sie seinen Bedürfnissen anzupassen. ➢ Volltext.
[40] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 42: Als höchste, einzelne Gattung tritt zulezt der Mensch auf. Seinem Grundstoffe nach gehört er, wie alles Irrdische, der Erde zu. [...] Er hat bestimmte Form und Farbe; und eine innere Organisation[5], wie eine Pflanze[1]; willkührliche Bewegung, Be〈43〉dürfnisse, Instinkte, Töne[1], wie das Thier[1]; aber neben diesen allen, besizt er noch Vernunft[1], durch welche er eine eigne Klasse[1] mit eigenthümlichen Erscheinungen konstituirt. ➢ Volltext.
[41] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 95: Das erste, was der Mensch in jedem Naturprodukte zu finden glaubt, ist ein seinem thierischen Leben und seiner Organisation[5] verwandtes Leben und Organisation[5]. Dieses paßt nun in der That bei einer großen Klasse[1] von Natur-Gegenständen, nehmlich bei den Geschlechtern[7] der Thiere[1]; nur daß der erfahrungslose Mensch, das Prädikat des thierischen Lebens auch auf die untergeordneten Klassen[1] und die Annäherungen zum Leben, auf das ganze Geschlecht[7] der Pflanzen[1], ja gemeiniglich noch tiefer ausdehnt. ➢ Volltext.
[42] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 96: Von allen Eigenschaften [...] ist es besonders eine, welche dem Menschen besonders auffällt, und welche er auch an der, ihm zunächst untergeordneten Gattung, an den Thieren[1] gewahr wird; es ist die Unterscheidung in zwei Geschlechter. ➢ Volltext.
[43] Börne, Aph. u. Misz. (1829), SS 2, 280 f. (281): Die Juden[1] schelten sie [sc. Türken] immer noch 〈281〉 Hunde, obzwar diese jetzt fast mehr sind als Menschen und zum Adel[4] der Nation[1] gehören..
[44] Börne, Ew. Jud. (*1821; 1829), SS 2, 514: Als ich in der geräuschvollen Mitte dieses Buches im Hauptquartier des Judenhasses angekommen war, gedachte ich zu spotten und dem Verfasser zu sagen: er möchte [...] einen Juden[1] lebendig aufschlitzen und sich überzeugen, daß Lunge und Leber, Herz und Nieren, Gehirn und Magen ganz so gebildet und geordnet seien wie bei Christen, und dann solle er mir erklären, wo die Anweisung der Natur[2] wäre, die Juden[1] nicht wie Menschen zu behandeln. Aber meine Ironie[3] fand nichts zu spitzen, die Wahrheit ist schon spitz genug. Der Verfasser hat dafür gesorgt, daß seine Grundsätze nicht karikiert werden können. [...] Er erschrickt gewaltig vor dem Anwachse jüdischer Bevölkerung und schreibt sie dem häufigen Zwiebelessen der Juden[1] zu..
[45] Börne, Ew. Jud. (*1821; 1829), SS 2, 537: Ich liebe nicht den Juden[1], nicht den Christen, weil Jude[1] oder Christ: ich liebe sie nur, weil sie Menschen sind und zur Freiheit[6] geboren. Freiheit[6] sei die Seele meiner Feder, bis sie stumpf geworden ist oder meine Hand gelähmt..
[46] Börne, Brf. Paris II (1832), 151: Ich habe nie begreifen können, wie gläubige Menschen so unduldsam seyn mögen gegen ungläubige. Es ist auch nur Adel- und Priesterstolz. Die Frommen sehen den Himmel für einen Hof an, und blicken mit Verachtung auf alle diejenigen herab, die nicht hoffähig sind wie sie..
[47] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 23: Allein die Menschheit[2] steht in diesem Erdtheile [sc. Afrika] ohne Zweifel auf der niedrigsten Stufe der Cultur[4] und Vollkommenheit; beide, die Natur[1/2] und die Menschen, welche letztern so oft die schönsten[6] Anlagen jener zerstören, scheinen sich vereinigt zu haben, dieses zu bewirken..
[48] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 170: Unsterblich sind Moses Verdienste um sein Volk[1], das wahrlich zu seiner Zeit[3] nicht dazu geeignet war, mitten unter Götzenanbetern den Glauben seiner Väter an einen Gott[1], der ganzen Welt Schöpfer, des Guten und Bösen weisen Regierer, dem einzig Freiheit[1] von Schuld und Verbrechen den Menschen angenehm mache, festzuhalten. Und doch gelang es ihm, sich ihrer Sinnlichkeit für die Sache der Vernunft[3] und der Religion[1] zu bemächtigen, und sie durch Staats- und Tempelgesetze immer auf den Einen zurückzuführen, der ihr eigentlichster Herr sei. Hätten seine Nachfolger den Geist[14/20?] von ihm geerbt, der Jude[1] würde nicht mehr im sclavischen Joche des Ceremoniendienstes den Gott[1] zu verehren glauben, der seine Kinder zur Freiheit[10] erschuf..
[49] Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 326 f.: Romantisch[7/4]. Da die meisten Romane[1] die Menschen und Begebenheiten nicht so schildern, wie sie in der Natur[2] und in der wirklichen Welt erscheinen, sondern so, wie sie nach einem ästhetischen oder moralischen Ideale sein sollten, oder wie sie die oft überspannte Phantasie[3] des Dichters sich erträumt; so nennt man romantisch[7/4], im guten und schlimmen Sinne[1], alles, was entweder durch idealische[1] Vollkommenheit, oder durch abenteuerliche[3] Seltsamkeit und Verschrobenheit von dem Gewöhnlichen abweicht. So heißt ein Gesicht romantisch[7], wenn es bei dem sanften Ausdrucke von Unschuld, Zärtlichkeit, Offenheit ein reitzbares Gefühl für Freundschaft, Liebe[1], Menschlichkeit verräth – eine Gegend, eine Lage, wenn ihre erhabnen oder rührenden Schönheiten[1] nicht durch blinde Naturkraft zusammengestellt, sondern nach einem künstlichen Plane zu Erweckung sanfter oder erhabner Empfindungen absichtlich angelegt scheinen – ein Charakter[6], in dem Neigung zum Ungewöhnlichen, Freundschaft, Liebe[1], Patriotismus, hoher Glaube an die Tugend oder Erwartung eines seltsam glücklichen Ausgangs wohlgemeinter Unternehmungen u. s. w. oder auch schlichte Sitteneinfalt, Vernachlässigung des Herkommens, der Mode, der Formalitäten, der Hofsitte in den Handlungen des gemeinen Lebens, vornehmlich aber in der Wahl des Standes, des Gatten, der Freunde hervorstechend sind. Allerdings kann sowohl der Hang zu idealisiren, als die treue Anhänglichkeit an die Natur[2] auf Abwege verleiten, jener kann unter das gewöhnlich Gute herabsinken lassen, welches er zu überfliegen, diese von der Natur[2] entfernen, welcher er anzunähern strebt; allein die 〈327〉 Grundlage des Romantischen[7] ist edel und schön[1]. In der wirklichen Welt, d. h. in der Welt der gemeinen Menschen, die durch Eigennutz, Gewohnheit – Vorurtheil regiert wird, verstößt freilich ein romantischer[7] Sinn[5/9] mit jedem Schritte. Flache seelenlose Weltleute, Schlendriansmänner, die da in der Meinung stehen, alles müsse so sein, wie es bisher war und noch ist, glauben daher, einen uneigennützigen Charakter[6], ein edles Streben, sich und die Menschheit[2] zu vervollkommnen, nicht leichter herabwürdigen zu können, als durch den Vorwurf des Romantischen[7]..
[50] Brockhaus, Conv.-Lex. VIII (1811), 49: Sehr viel Wunderdinge erzählt die Fabel von seiner [Melampus'] Heil- und Wahrsagerkunst, welche letztere er von dem Phönicier Cadmus erlernt haben sollte. Doch erzählte man auch folgenden Ursprung dieser Gabe: Als nemlich ein paar Schlangen, welche er ganz jung in seinen Schutz genommen und sie aufgezogen hatte, einst, als er schlief, zu ihm hingekommen waren und seine Ohren[2] geleckt hatten, erschrack er beim Erwachen heftig, merkte aber bald, daß seine Ohren[3] durch die Schlangen geöffnet worden, so, daß er nun die Stimmen[3] der Vögel verstand, und alles, was diese den Menschen über die Zukunft andeuteten, ihnen entdecken konnte..
[51] Brockhaus, Conv.-Lex. VIII (1811), 52: Einen traurigen Beleg zu der Behauptung, daß der Mensch sogar unter das Thier[1] sinken kann, das beim höchsten Hunger Geschöpfe seiner eignen Gattung zur Nahrung wählet, liefern die Nachrichten älterer[10] und neuerer[5] glaubwürdiger Schriftsteller über Menschenfressende Nationen[1] und einzelne Menschenfresser..
[52] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 487: Cultur[3/1] wird nach dem Lateinischen im Allgemeinen das Bestreben genannt, die einer Sache inwohnenden Kräfte zweckmäßig zu entwickeln, und man spricht in diesem Sinne sowol von der Cultur[1] des Bodens, worunter dessen zweckmäßiger Anbau verstanden wird, als von der geistigen und körperlichen Cultur[3] oder Ausbildung des Menschen. Beide können nicht voneinander getrennt werden, wenn der Mensch eine allseitige und übereinstimmende Bildung[2] erhalten soll, und es ist daher eine Hauptaufgabe aller Erziehungs- oder Bildungsanstalten, die ebenmäßige Bildung[2] der Jugend nie aus dem Gesicht zu verlieren und sie zugleich in den Stand zu setzen, nach erlangter Selbständigkeit ebenso für ihre Fortbildung sorgen zu können. Daß der Mensch dies selbst vermag, stellt ihn so hoch über das Thier[1], allein ebendarum ist es auch seine Pflicht, in dem Bestreben, sich auszubilden oder zu cultiviren, nie still zu stehen..
[53] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. II (1838), 739: Liberalismus ist nur die Gesinnung des freien Mannes, derselbe mag übrigens in Verhältnissen leben, in welchen er will, der Adel[5] des Geistes[19], welcher sich seines göttlichen Ursprungs bewußt ist und eifrig darnach strebt, diesem seinen Ursprunge sich würdig zu bezeigen; der jede geistige Gemeinheit, Sünde und Laster von sich abhält, um der Ehre anderer Menschen und, was ihm noch weit höher steht, der Gnade Gottes[1] würdig zu sein..
[54] Claudius, Asmus VII (1803), 580 f. (581): Seht nun, lieben Kinder[4], [...] daß uns das Böse anhanget [...], dies nebst der Gebrechlichkeit 〈581〉 unsers Körpers, ist die Sünde, nämlich die Erbsünde, das natürliche[3] Verderben des Menschen[1], der alte[16] Mensch[6], das Fleisch, der alte[16] Adam, der Schlangensame, der geistliche Tod der zu allen Menschen[1] hindurchgedrungen ist usw..
[55] Ehrmann, Amalie (1788), 117: Der Mensch ist ein Thier[2], dessen Willen der Vernunft[1] untergeordnet ist, er hat durch diesen Willen seine thierischen Triebe einzuschränken, zu verfeinern gelernt, aber aus dem Körper ganz vertilgt sind sie darum nicht, diese Triebe der schwachen Menschheit[1]; – und eben darum verdienen die Menschen, die man zwingt den Keim der gährenden Menschheit[1] zu unterdrükken, mein wahrhaftes Mitleid..
[56] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 166: Verehre die Menschheit[1] in mir, sagst Du: Undankbarer, antwortet der Staat, wärest du denn ein Mensch, wenn ich dich nicht dazu gemacht hätte? Wendest du Ansprüche gegen mich, die ich selbst erst in dir geltend gemacht habe? O! hätte ich dich doch nie ahnden[3] lassen, daß du mehr seyest als ein Thier[11], so würde ich jezt nicht so viel Noth mit dir haben..
[57] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 180 f. (181): Aber ich will nicht alles ängstlich genau nehmen; einmal wenigstens will ich den Staat seiner Neigung überlassen, 〈181〉 alles Gute, was in der Gesellschaft ist, sich, und alles Böse in derselben unserer Widersetzlichkeit gegen seine heilsamen Verfügungen zuzuschreiben. Er mag [...] Institute gestiftet, die Lehrer auf dieselben berufen und bezahlt haben. Ich will ihn selbst daran nicht erinnern, daß ich, ohngeachtet seiner weisen Fürsorge, doch nie weder gelehrt noch klug geworden wäre, wenn ich nicht meine eigenen Kräfte gebraucht hätte. Mag er doch sogar das Vermögen besitzen, die Menschen wider ihren Willen weise zu machen, und mag er uns an seinen erhabenen Stützen, an denjenigen, auf die er ja wohl seine besten Kunststücke verwenden wird, an seinen Fürstenkindern und seinem Adel[2] glänzende Proben davon geben..
[58] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 191: Möchten doch immer die Juden[1] nicht an Jesum Christum, möchten sie doch sogar an keinen Gott[1] glauben, [...] – Menschenrechte müssen sie haben, ob sie gleich uns dieselben nicht zugestehen; denn sie sind Menschen, und ihre Ungerechtigkeit berechtigt uns nicht, ihnen gleich zu werden. Zwinge keinen Juden[1] wider seinen Willen, und leide nicht, daß es geschehe, wo du der nächste bist, der es hindern kann; das bist du ihm schlechterdings schuldig. Wenn du gestern gegessen hast und hungerst wieder, und hast nur auf heute Brod, so giebs dem Juden[1], der neben dir hungert, wenn er gestern nicht gegessen hat, und du thust sehr wohl daran. – Aber ihnen Bürgerrechte zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen allen die Köpfe abzuschneiden und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sey. Um uns vor ihnen zu schützen, dazu sehe ich wieder kein ander Mittel, als ihnen ihr gelobtes Land zu erobern, und sie alle dahin zu schicken..
[59] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 304 f. (305): Der mächtigste Vasall hätte seinen Feinden nicht Widerstand thun können, wenn er bloß seine edlen Lehnsmänner in das Feld geführt hätte; wie viel weniger denn der Besitzer eines geringen Dorfs, der doch auch seine Kriege hatte. Leibeigene Bauren thaten jezt Kriegsdienste. Die mächtigern Vasallen rechneten die in den Waffen geübtern Nachkommen ihrer Lehnsmänner, denen sie kein Lehn ertheilen konnten, als Anführer jener Leibeignen in ihren Fehden gebrauchen zu können, und ertheilten ihnen war〈305〉scheinlich um dieser Nuzbarkeit willen an ihren Höfen und vor ihren Gerichten die Vorrechte ihrer wahren Lehnsmänner. Dies ward zur Gewohnheit; und jezt maaßten auch diejenigen, denen Niemand sie ausdrüklich ertheilt hatte, diese Vorrechte, als etwas, das sich von selbst verstünde, sich selbst an [...], und so entstand die abentheuerliche[3] Meinung, daß man unmittelbar durch die Geburt Vorrechte vor andern Menschen und auf andere Menschen erhalten könne..
[60] Fichte, Urth. d. Publ. (1793), 375: Man läugnet am ehsten das, was noch so ziemlich glaublich ist, weil es uns zu natürlich[4] vorkommt; aber man baue den geläugneten Saz auf einen wunderbaren, und diesen auf einen noch wunderbarern, und vermehre Schritt vor Schritt das Abentheuerliche[3], und der Mensch wird gleichsam schwindelnd; er kommt nicht mehr zur kalten Besinnung; er ermüdet, und seine Bekehrung ist gemacht..
[61] Fichte, Grundl. WL (1794 [1795]), 41: Der Mensch soll sich der, an sich unerreichbaren Freiheit[10] ins Unendliche immer mehr nähern..
[62] Fichte, Grundl. WL (1794 [1795]), 122: Ideal- und Real-Grund sind im Begriffe der Wirksamkeit (mithin überall, denn nur im Begriffe der Wirksamkeit kommt ein Real-Grund vor) Eins und eben dasselbe. Dieser Saz, der den kritischen[2] Idealismus begründet, und durch ihn Idealismus und Realismus vereinigt, will den Menschen nicht eingehen; und daß er ihnen nicht eingehen will, liegt am Mangel der Abstraktion..
[63] Fichte, Grundl. WL (1794 [1795]), 123: Die meisten Menschen würden leichter dahin zu bringen seyn, sich für ein Stück Lava im Monde, als für ein Ich zu halten. Daher haben sie Kant nicht verstanden, und seinen Geist[26] nicht geahndet[3]; daher werden sie auch diese Darstellung, obgleich die Bedingung alles Philosophirens ihr an die Spitze gestellt ist, nicht verstehen. Wer hierüber noch nicht einig mit sich selbst ist, der versteht keine gründliche Philosophie, und er bedarf keine. Die Natur[13], deren Maschine er ist, wird ihn schon ohne alle sein Zuthun in allen Geschäften leiten, die er auszuführen hat..
[64] Fichte, Appellat. Publ. (1799), 27: Sage man es, wie man wolle, dieser Ueberdruß an dem Vergänglichen, dieses Sehnen nach einem höhern, bessern und unvergänglichen liegt unaustilgbar im Gemüthe des Menschen. Eben so unaustilgbar ertönt in ihm die Stimme[14], daß etwas Pflicht sey und 〈28〉 Schuldigkeit, und lediglich darum, weil es Schuldigkeit ist, gethan werden müsse..
[65] M. Forkel, Maria I (1784), 29: Er ist ein sehr angenehmer Mensch: schlank gewachsen, blondes Haar, [...] einen allerliebsten Mund, eine 〈30〉 griechische[6] Nase und Stirn, eine sanfte, liebliche Sprache[4]: kurz, er würde für jedes Mädchen ein gefährliches Geschöpf seyn [...]..
[66] M. Forkel, Maria I (1784), 291: Ich war schon als Mädchen lebhaft davon überzeugt, daß es eine Thorheit sey, ein Kind[1] in den Jahren, wo es noch keine Vernunft[8] hat, durch vernünftige Vorstellungen leiten zu wollen. In den ersten Jahren ist der Mensch bloß Thier[11], 〈292〉 und muß durch sinnliche Gefühle geleitet werden. Ihn ohne Schläge erziehen zu wollen, wäre eben so thöricht, als wenn ich einen Jagdhund [...] zu dressiren dächte, ohne den Stock zu gebrauchen..
[67] G. Forster, Reise u. d. Welt I (1778), 226 f. (227): Bey diesem alten[2] ehrwürdigen Paare, das uns bey Tisch bediente, hätten wir auf eine poetische[4] 〈227〉 Weise vergessen mögen, daß wir Menschen wären und auf den Gedanken kommen können, daß wir als Götter[4] von Philemon und Baucis bewirthet würden[.].
[68] G. Forster, Leitfad. Gesch. d. Menschh. (1789), 82: Kaum hatte ich jenes Gedicht wieder gelesen, so reihte sich in meinem Kopf ein ganzes Sistem der sogenannten Geschichte[4] der Menschheit[2] daran. Das Bindungsglied war jener so bekante, als gemißbrauchte Vergleich der verschiedenen Lebensepochen des einzelnen Menschen mit den Stufen der Kultur[4] bei ganzen Familien und Völkern[1]. .
[69] G. Forster, Rev. u. Gegenrev. (*1792; 1794), W 3, 425: [M]it einer Verschwendung von mehr als zwanzig Millionen Gulden, und mit Aufopferung von zwanzig tausend Menschen hatten die Priester und der Adel[2] ihren Zweck vollkommen erreicht, und von einem Monarchen, dessen Land sie ärmer und volkleerer gemacht hatten, die Rückgabe aller ihrer drückenden Privilegien ertrotzt. .
[70] Goethe, Werther (1774), WA I, 19, 15 f. (16): Wer [...] sieht, wie [...] unverdrossen dann doch auch der Unglückliche unter der Bürde seinen Weg fortkeucht, und alle gleich interessirt sind, das Licht dieser Sonne 〈16〉 noch eine Minute länger zu sehn; – ja der ist still, und [...] ist auch glücklich, weil er ein Mensch ist. Und dann, so eingeschränkt er ist, hält er doch immer im Herzen das süße Gefühl der Freiheit[5], und daß er diesen Kerker verlassen kann, wann er will..
[71] Goethe, an C. L. v. Knebel (17. 11. 1784), WA IV, 6, 389 f.: Hier schicke ich dir endlich die Abhandlung aus dem Knochenreiche, und bitte um deine Gedancken drüber. Ich habe mich enthalten das Resultat, worauf schon Herder in seinen Ideen deutet, schon ietzo mercken zu lassen, daß man nähmlich den Unterschied des Menschen vom Thier[1] in nichts einzelnem finden könne. Viel〈390〉mehr ist der Mensch aufs nächste mit den Thieren[1] verwandt. Die Übereinstimung des Ganzen macht ein iedes Geschöpf zu dem was es ist, und der Mensch ist Mensch sogut durch die Gestalt und Natur[1] seiner obern Kinlade, als durch Gestalt und Natur[1] des letzten Gliedes seiner kleinen Zehe Mensch..
[72] Goethe, Tasso (1790), WA I, 10, 158 f. (159): Was du dir hier erlaubst, das ziemt auch mir. | Und ist die Wahrheit wohl von hier verbannt? 〈159〉 Ist im Palast der freie Geist gekerkert? | Hat hier ein edler Mensch nur Druck zu dulden? | Mich dünkt, hier ist die Hoheit erst an ihrem Platz, | Der Seele Hoheit! Darf sie sich der Nähe | Der Großen dieser Erde nicht erfreun? | Sie darf's und soll's. Wir nahen uns dem Fürsten | Durch Adel[1/5] nur, der uns von Vätern kam; | Warum nicht durch's Gemüth, das die Natur[2] | Nicht jedem groß verlieh, wie sie nicht jedem | Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte..
[73] Goethe, Litt. Sanscül. (1795), 52: Man halte diese Bedingungen, unter denen allein ein classischer[3] Schriftsteller, besonders ein prosaischer[1] möglich wird, gegen die Umstände, unter denen die besten Deutschen[1] dieses Jahrhunderts gearbeitet haben, so wird, wer klar sieht und billig denkt, dasjenige, was ihnen gelungen ist, mit Ehrfurcht bewundern und das was ihnen mißlang anständig bedauern. | Eine bedeutende Schrift ist, wie eine bedeutende Rede, nur Folge des Lebens; der Schriftsteller so wenig als der handelnde Mensch bildet die Umstände, unter denen er gebohren wird und unter denen er wirkt. Jeder, auch das größte Genie[4], leidet von seinem Jahrhundert in einigen Stücken, wie er von andern Vortheil zieht, und einen vortrefflichen Nationalschriftsteller kann man nur von der Nation[1] fordern. | 〈53〉 Aber auch der deutschen[1] Nation[1] darf es nicht zum Vorwurfe gereichen, daß ihre geographische Lage sie eng zusammen hält, indem ihre politische sie zerstückelt. Wir wollen die Umwälzungen nicht wünschen, die in Deutschland classische[3] Werke vorbereiten könnten. ➢ Volltext.
[74] Goethe, Wilh. Meister II (1795), WA I, 21, 130: So haben die Dichter[1] in Zeiten[3] gelebt, wo das Ehrwürdige mehr erkannt ward, rief Wilhelm aus, und so sollten sie immer leben. Genugsam in ihrem Innersten ausgestattet bedurften sie wenig von außen; die Gabe, schöne[1] Empfindungen, herrliche Bilder den Menschen in süßen, sich an jeden Gegenstand anschmiegenden Worten[2] und Melodien mitzutheilen, bezauberte von jeher die Welt, und war für den Begabten ein reichliches Erbtheil. An der Könige Höfen, an den Tischen der Reichen, vor den Thüren der Verliebten horchte man auf sie, indem sich das Ohr[3] und die Seele für alles andere verschloß, wie man sich selig preis't und entzückt stille steht, wenn aus den Gebüschen, durch die man wandelt, die Stimme[3] der Nachtigall gewaltig rührend hervordringt!.
[75] Goethe, Wilh. Meister II (1795), WA I, 21, 191: [N]iemand glaube die ersten Eindrücke der Jugend überwinden zu können. Ist er in einer löblichen Freiheit[14] [...], in dem Umgange mit guten Menschen aufgewachsen, [...] so wird dieser Mensch ein reineres, vollkommneres und glücklicheres Leben führen, als ein anderer, der seine ersten Jugendkräfte im Widerstand und im Irrthum zugesetzt hat..
[76] Goethe, Vorw. Gilblas (1822), V f. (VI): In diesem Sinne[1] kann man solche Bücher [sc. Autobiographien] wahrhaft erbaulich nennen, wie es der Roman[1], moralische Erzählung, Novelle und dergleichen nicht 〈VI〉 seyn sollen: denn von ihnen als sittlichen Kunsterscheinungen verlangt man mit Recht eine innere Consequenz, die, wir mögen durch noch so viel Labyrinthe durchgeführt werden, doch wieder hervortreten und das Ganze in sich selbst abschliessen soll. | Das Leben des Menschen aber, treulich aufgezeichnet, stellt sich nie als ein Ganzes dar; den herrlichsten Anfängen folgen kühne Fortschritte, dann mischt sich der Unfall drein, der Mensch erholt sich, er beginnt, vielleicht auf einer höheren Stufe, sein altes[6] Spiel, das ihm gemäß war, dann verschwindet er, entweder frühzeitig, oder schwindet nach und nach, ohne daß auf jeden geknüpften Knoten eine Auflösung erfolgte..
[77] Goethe, an Zelter (9. 6. 1831), WA IV, 48, 225: Hier will ich [...] eines der größten Worte[2] niederschreiben, welches uns unsre Vorvordern zurückgelassen haben: | „Die Thiere[1] werden durch ihre Organe[2] unterrichtet.“ | Nun denke man sich, wie viel vom Thier[10] im Menschen übrig bleibt, und daß dieser die Fähigkeit hat, seine Organe[2] zu unterrichten, so wird man gern auf diese Betrachtungen immer wieder zurückkehren..
[78] Grosse, Genius I (1791), 199: Die Freiheit[6] ist für die Menschen ein unveräußerliches Familiengut. Wer es stiehlt, ist ein Verbrecher. Wer es gegen einen Schein von träger Glückseeligkeit eintauscht, ist ein Betrüger. [...] Unsere Vorfahren gaben uns Monarchen, wir fodern unsere Rechte zurück, und setzen ihnen einen noch höheren Gerichtshof..
[79] Hegel, Jacobi (1817), 21 f. (22): Es ist gleichmäßig eine Foderung an die Philosophie, diese Nothwendigkeit der sittlichen Bestimmungen und ihres Geltens, als auch das Höhere aufzuzeigen, in welchem sie gegründet sind, das eben darum auch Macht und Majestät über sie hat. – Ja, man könnte sogar geneigt werden, das Bewußtseyn dieser Majestät für den Ort der Wissenschaft[1] oder das Allerheiligste der Religion[1] aufzusparen, und es von einer populären Behandlung, in welcher Appellationen an das Gefühl und die innere Gewißheit des Subjects gestattet sind, fernzuhalten, wenn man nämlich 〈22〉 betrachtet, wie die Romantik[7] leicht auch in die Sittlichkeit einbricht, wie gern die Menschen lieber großmüthig als rechtlich, lieber edel als moralisch zu handeln geneigt sind und, indem sie sich wider den Buchstaben[11] des Gesetzes zu handeln erlauben, sich nicht so sehr vom Buchstaben[11] als vom Gesetz lossprechen..
[80] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 103 f.: Dieß Erheben aber des Ansich in's selbstbewußte Wissen bringt einen ungeheuren Unterschied hervor. Es ist der unendliche Unterschied, der z. B. den Menschen überhaupt vom Thiere[1] trennt. 〈104〉 Der Mensch ist Thier[2], doch selbst in seinen thierischen Funktionen bleibt er nicht als in einem Ansich stehen, wie das Thier[1], sondern wird ihrer bewußt, erkennt sie und erhebt sie, wie z. B. den Prozeß der Verdauung, zu selbstbewußter Wissenschaft[5]. Dadurch löst der Mensch die Schranke seiner ansichseyenden Unmittelbarkeit auf, so daß er deshalb gerade, weil er weiß, daß er Thier[2] ist, aufhört Thier[1] zu seyn, und sich das Wissen seiner als Geist[32] giebt. ➢ Volltext.
[81] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 127: Die Thiere[1] leben in Frieden mit sich und den Dingen um sie her, doch die geistige Natur[1] des Menschen treibt die Zweiheit und Zerrissenheit hervor, in deren Widerspruch er sich herumschlägt. ➢ Volltext.
[82] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 293: Das macht überhaupt die Heiterkeit[4] der homerischen Götter[5], und die Ironie[1] in der Verehrung derselben aus, daß ihre Selbstständigkeit und ihr Ernst sich ebenso sehr wieder auflösen, insofern sie sich als die eigenen Mächte des menschlichen Gemüths darthun, und dadurch den Menschen in ihnen bei sich selber seyn lassen. ➢ Volltext.
[83] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 333: Der Mensch [...] hat sich selbst und die Umgebung, in welcher er lebt, nicht nur auszuschmücken, sondern er muß die Außendinge auch praktisch zu seinen praktischen Bedürfnissen und Zwecken verwenden. In diesem Gebiete geht erst die volle Arbeit, Plage und Abhängigkeit des Menschen von der Endlichkeit und Prosa[4] des Lebens an, und es fragt sich daher hier vor allem, in wie weit auch dieser Kreis den Fordrungen der Kunst[8] gemäß könne dargestellt werden. | [...] Die nächste Weise, in welcher die Kunst[18] diese ganze Sphäre, um welche es handelt, zu beseitigen versucht hat, ist die Vorstellung eines sogenannten goldenen Zeitalters oder auch eines idyllischen Zustandes. Von der einen Seite her befriedigt dann dem Menschen die Natur[2] mühelos jedes Bedürfniß, das sich in ihm regen mag, von der anderen her begnügt er sich in seiner Unschuld mit dem was Wiese, Wald, Heerden, ein Gärtchen, eine Hütte u. s. f. ihm an Nahrung, Wohnung und sonstigen Annehmlichkeiten bieten können, indem alle Leidenschaften des Ehrgeizes oder der Habsucht, Neigungen, welche dem höheren Adel[5] der menschlichen Natur[1] zuwider erscheinen, noch durchweg schweigen[4]. ➢ Volltext.
[84] Hegel [Hotho], Aesth. II (1837), 401: Der Mensch kann zwar auch wie die Thiere[1] auf Vieren gehn, und die Kinder[1] thun es in der That; sobald aber das Bewußtsein zu erwachen beginnt, reißt der Mensch sich von dem thierischen Gebundensein an den Boden los, und steht frei[19] für sich aufrecht da. Dieß Stehn ist ein Wollen, denn hören wir auf, stehen zu wollen, so wird unser Körper zusammensinken und zu Boden fallen. ➢ Volltext.
[85] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 370: Bei Homer [...] schweben[5] die Götter[5] in einem magischen Lichte zwischen Dichtung und Wirklichkeit; sie sind der Vorstellung nicht so weit nahe gebracht, daß uns ihre Erscheinung in alltäglicher Vollständigkeit entgegentreten könnte, und doch wieder ebensowenig so unbestimmt gelassen, daß sie keine lebendige Realität für unsere Anschauung haben sollten. Was sie thun ließe sich gleich gut aus dem Innern der handelnden Menschen erklären, und weshalb sie uns einen Glauben an sie aufdringen, das ist das Substantielle, der Gehalt, der ihnen zu Grunde liegt. Nach dieser Seite ist es auch dem Dichter[1] Ernst mit ihnen, ihre Gestalt aber und äußere Wirklichkeit behandelt er selber ironisch[1]. ➢ Volltext.
[86] Heine, Romant. Schule (1836), 207: Kennt ihr China, das Vaterland der geflügelten Drachen und der porzellanenen Theekannen? [...] Die Natur[2] mit ihren grellen, verschnörkelten Erscheinungen, abentheuerlichen Riesenblumen, Zwerg〈208〉bäumen, verschnitzelten Bergen, barock wollüstigen Früchten, aberwitzig geputzten Vögeln, ist dort eine ebenso fabelhafte Carrikatur wie der Mensch[1] mit seinem spitzigen Zopfkopf, seinen Bücklingen, langen Nägeln, altklugem Wesen und kindisch einsilbiger Sprache[3]. ➢ Volltext.
[87] Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 55: Wahrscheinlich übertrift das Ohr[3] des Menschen an feiner und mannigfaltiger Aufnehmung und Unterscheidung der Töne[1] auch das Ohr[3] aller andern Thiere[2]. Mich dünkt, schon die Menge der Sprachen[3] allein wäre hinlänglicher Beweis. So wie der vortrefliche Lehrmeister des Gefühls, ist es noch Lehrmeister der Zunge und der Kehle. Ein vollkommen zartes, festes, reines, und noch mehr, ausgebildetes Gehör ist freylich auch eben so selten, wie alle hohe Schönheit[3]; und durch böse Gewohnheiten kann man diesen 〈56〉 göttlichen Sinn[3] sehr verderben. Wer ihn aber nicht einigermaaßen in Vortreflichkeit hat, soll sich nicht mit Gesang und Instrumenten[3] plagen, wo er nothwendig entscheidet..
[88] Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 113: Jeder, der nur einigermaaßen ein gutes Gehör hat, wird im Dunkeln seine Bekannten und Freunde auch am bloßen Ton[5] der Stimme[1] kennen, und von einander unterscheiden. Im Ton[5] der Stimme[1] liegt etwas Charakteristisches[1], was die besondre Art der Nerven anzeigt, woraus ein Mensch besteht. Für einen Blindgebornen ist er die sinnliche Schönheit[1]. Eine quikende, grelle, heisere, schreyende Stimme[1] benimmt einer Helena, einem Paris an Gestalt den Reiz. Ein erfahrnes zartes Ohr[3] ist eben so gut physiognomischer Sinn[5], als ein erfahrnes scharfes Auge..
[89] Heinse, Musik. Dialog. (1805), 41: Kein Ochse, kein Pferd, kein Esel und kein Hund gehorcht einem Geschöpfe von seiner Art; dem Menschen aber gehorchen sie! Warum? Sie wissen, daß er ein edleres Geschöpf sey, als sie. Und wir sollen andern Menschen gehorchen? Menschen, die nicht die Verdienste, das Genie[2] und die Talente haben, die wir besitzen? Sind wir nicht auf diese Art unglückseeliger, als die 〈42〉 Thiere[1]?.
[90] Heinse, Musik. Dialog. (1805), 90 f. (91): Nichts ist seltner, als ein Mann von 〈91〉 Genie[2]! Man kann allezeit eine Million Menschen gegen einen einzigen rechnen; und noch ersticken die mehrsten unter diesen Wenigen in der Blüthe! Die mehrsten Menschen sind Pöbel, oder Thiere[1], die durch die Auferziehung zu menschlichen Maschinen gemacht worden sind. | Leider sind die Menschen so sehr von ihrer göttlichen Würde herabgesunken, daß sie die Verdienste nach dem Adel[1] der Geburt schätzen!.
[91] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 3: Schon als Thier[11], hat der Mensch Sprache[16]..
[92] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 30: Und da die Menschen für uns die einzigen Sprachgeschöpfe sind, die wir kennen, und sich eben durch Sprache[1] von allen Thieren[1] unterscheiden: wo finge der Weg der Untersuchung sichrer an, als bei Erfahrungen über den Unterschied der Thiere[1] und Menschen? ➢ Volltext.
[93] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 41: Und nun folgt, daß wenn der Mensch Sinne[3] hat, die für Einen kleinen Fleck der Erde, für die Arbeit und den Genuß einer Weltspanne den Sinnen[3] des Thiers[1], das in dieser Spanne lebet, nachstehen an Schärfe: so bekommen sie eben dadurch „Vorzug der Freiheit[1/10]; Eben weil sie nicht für einen Punkt sind, so sind sie allgemeinere Sinne[3] der Welt.“ | Wenn der Mensch Vorstellungskräfte hat, die nicht auf den Bau einer Honigzelle und eines Spinngewebes bezirkt sind, und also auch den Kunstfähigkeiten der Thiere[1] in diesem Kreise nachstehen: so bekommen sie eben damit „weitere Aussicht.“ Er hat kein einziges Werk, bei 〈42〉 dem er also auch unverbesserlich handle; aber er hat freien Raum, sich an vielem zu üben, mithin sich immer zu verbessern. Jeder Gedanke ist nicht ein unmittelbares Werk der Natur[13], aber eben damit kanns sein eigen Werk werden. ➢ Volltext.
[94] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 66: Eben weil der Mensch keine so hinreißende Instinkte hat, als die Thiere[1]: weil er zu so Mancherlei und zu Allem schwächer fähig – kurz! weil er Mensch ist: so konnte er verarten. Würde er wohl so bärähnlich haben brummen, und so bärähnlich haben kriechen lernen, wenn er nicht gelenksame Organe[2], wenn er nicht gelenksame Glieder gehabt hätte? Würde jedes andre Thier[1], ein Affe und Esel es so weit gebracht haben? Würkte also nicht würklich seine menschliche Natur[1] dazu, daß er so unnatürlich werden konnte? ➢ Volltext.
[95] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 73: Bei den Morgenländern ists der gewöhnlichste Idiotismus geworden, das Anerkennen einer Sache Namengebung zu nennen: denn im Grunde der Seele sind beide Handlungen[1] Eins. Sie nennen den Menschen das redende Thier[2], und die unvernünftigen Thiere[2] die Stummen: der Ausdruck ist sinnlich Charakteristisch[2]: und das griechische[5] ἄλογος fasset beides. Es wird so nach die Sprache[1] ein natürliches[3] Organ[1] des Verstandes[2], [...] wie sich [...] der Instinkt der Biene seine Zelle bauet. | [...] Ich kann nicht den ersten menschlichen Gedanken denken, nicht das Erste besonnene Urtheil reihen, ohne daß 〈74〉 ich in meiner Seele dialogire oder zu dialogiren strebe; der erste menschliche Gedanke bereitet also seinem Wesen nach, mit andern dialogiren zu können! Das erste Merkmal, was ich erfasse, ist Merkwort für mich, und Mittheilungswort für andre! ➢ Volltext.
[96] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 77: Der Mensch ist also als ein horchendes, merkendes Geschöpf zur Sprache[1] natürlich[4] gebildet, und selbst ein Blinder und Stummer, siehet man, mußte Sprache[1] erfinden, wenn er nur nicht fühllos und taub ist. Setzet ihn gemächlich und behaglich auf eine einsame Insel: die Natur[2] wird sich ihm durchs Ohr[3] offenbaren: tausend Geschöpfe, die er nicht sehen kann, werden doch mit ihm zu sprechen scheinen, und, bliebe auch ewig sein Mund und sein Auge verschlossen, seine Seele bleibt nicht ganz ohne Sprache[1]. Wenn die Blätter des Baumes dem armen Einsamen Kühlung herabrauschen, wenn der vorbeimurmelnde Bach ihn in den Schlaf wieget, und der hinzusäuselnde West seine Wangen fächelt – das blöckende Schaaf giebt ihm Milch, die rieselnde Quelle Wasser, der rau〈78〉schende Baum Früchte – Interesse gnug, die wohlthätigen Wesen zu kennen, Dringniß gnug, ohne Augen und Zunge in seiner Seele sie zu nennen. Der Baum wird der Rauscher, der West Säusler, die Quelle Riesler heißen – Da liegt ein kleines Wörterbuch fertig und wartet auf das Gepräge der Sprachorgane. ➢ Volltext.
[97] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 89: In der Reihe der Wesen hat jedes Ding seine Stimme[3] und eine Sprache[12] nach seiner Stimme[3]. Die Sprache[12] der Liebe ist im Nest der Nachtigall süßer Gesang, wie in der Höle des Löwen Gebrüll: im Forste des Wildes wiehernde Brunst, und im Winkel der Katze Zetergeschrei; jede Gattung redet die ihrige, nicht für den Menschen, sondern für sich, und für sich so angenehm als Petrarchs Gesang an seine Laura! ➢ Volltext.
[98] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 154: Es müßte der dunkelste Schwärmer oder ein Vieh, der abstrakteste Götterseher oder eine träumende Monade seyn, der ganz ohne Worte[2] dächte. Und in der menschlichen Seele ist, wie wir selbst in Träumen und bei Verrükten sehen, kein solcher Zustand möglich. So kühn es klinge so ists wahr - der Mensch empfindet mit dem Verstande[2] und spricht, indem er denket[.] ➢ Volltext.
[99] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 171: Wenn nun Störche und Tauben Ehen[2] haben: so wüßte ich nicht, warum sie der Mensch aus mehrern Ursachen nicht hätte? ➢ Volltext.
[100] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 187 f. (188): Im eigentlichen metaphysischen Verstande[7] ist schon nie eine Sprache[7] bei Mann und Weib[1], Vater und Sohn, Kind und Greis möglich. Man gehe z. E. unter den Morgenländern die langen und kurzen Vocale, die mancherlei Hauche und Kehlbuchstaben, die leichte und so mannichfaltige Verwechselung der Buchstaben[7] von einerley Organ[2], die Ruhe, und Sprachzeichen, mit allen Verschiedenheiten, die sich schriftlich so schwer ausdrücken lassen, durch: Ton[5] und Accent: Vermehrung und Verringerung deßelben und hundert andere zufällige Kleinigkeiten in den Elementen der Sprache[1]: und bemerke auf der andern Seite die Verschiedenheit der Sprach〈188〉werkzeuge bei beiderlei Geschlecht, in der Jugend und im Alter, auch nur bei zween gleichen Menschen nach so manchen Zufällen und Einzelnheiten, die den Bau dieser Organe[2] verändern, bei so manchen Gewohnheiten, die zur zweiten Natur[1] werden u. s. w. ➢ Volltext.
[101] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 188: So wenig als es zween Menschen ganz von einerlei Gestalt und Gesichtszügen: so wenig kann es zwo Sprachen[3], auch nur der Aussprache nach, im Munde zweener Menschen geben, die doch nur Eine Sprache[3] wären. | Jedes Geschlecht wird in seine Sprache[3] Haus und Familienton bringen: das wird, der Aussprache nach, verschiedne Mundart[1]. | Clima[1], Luft und Wasser, Speise und Trank, werden auf die Sprachwerkzeuge und natürlich[4] auch auf die Sprache[3] einfließen. | Die Sitte der Gesellschaft und die mächtige Göttin der Gewohnheit werden bald nach Geberden und Anstand diese Eigenheiten und jene Verschiedenheiten einführen – ein Dialekt[1]. ➢ Volltext.
[102] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 193: Es sei so wenig Ähnlichkeit zwischen den Sprachen[3] der Erde auszuträumen, als zwischen den Bildungen[10] der Menschengattungen; und es hieße sehr unweise von Gott gedacht, nur ein Paar Menschen als Stammältern für die ganze Erde so schwach und schüchtern, zum Raube der Elemente und Thiere[4] in einen Erdewinkel dahingesezt und einem tausendfachen Ungefähr von Gefahren überlassen zu haben – – ➢ Volltext.
[103] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 203: „So wie nach aller Wahrscheinlichkeit das menschliche Geschlecht Ein progressives[2] Ganze von Einem Ursprunge in Einer großen Haushaltung ausmacht: so auch alle Sprachen[3], und mit ihnen die ganze Kette der Bildung[5].“ | Der sonderbare charakteristische[1] Plan ist bemerkt, der über Einen Menschen waltet: seine Seele ist gewohnt, immer das, was sie sieht, zu reihen, mit dem, was sie sahe, und durch Besonnenheit wird also „ein progressives[2] Eins aller Zustände des Lebens“ – mithin Fortbildung der Sprache[1]. ➢ Volltext.
[104] Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 213: Man sollte denken, daß ein einsamer Mensch, ohne drängende Bedürfnisse, mit aller Gemächlichkeit der Lebensart [...] Sprache[1] erfinden; daß seine Muße ihn dazu antreiben werde, seine Seelenkräfte zu üben [...] u. s. w. Allein das Gegentheil ist klar. Er wird ohne Gesellschaft immer auf gewisse Weise verwildern, und bald in Unthätigkeit ermatten, wenn er sich nur erst in den Mittelpunkt gesezt hat, seine nöthigsten Bedürfnisse zu befriedigen. Er ist immer eine Blume, die aus ihren Wurzeln gerissen, von ihrem Stamm gebrochen, daliegt und welkt – – sezt ihn in Gesellschaft und mehrere Bedürfnisse: er habe für sich und andre zu sorgen; man sollte denken, diese neue Lasten nehmen ihm die Freiheit[1] sich empor zu heben; dieser Zuwachs von Peinlichkeiten die Muße zu erfinden; aber gerade umgekehrt. Das Bedürfniß strengt ihn an: die Peinlichkeit wekt ihn: die Rastlosigkeit hält seine Seele in Bewegung: er wird desto mehr thun, je wundersamer es wird, daß ers thue. ➢ Volltext.
[105] Herder, Gesch. d. Menschh. I (1784), 78: Der Menschen[1] ältere[3] Brüder sind die Thiere[1]. Ehe jene da waren, waren diese: und auch in jedem einzelnen Lande 〈79〉 fanden die Ankömmlinge des Menschengeschlechts die Gegend, wenigstens in einigen Elementen, schon besetzt: denn wovon sollte außer den Pflanzen[1] sonst der Ankömmling leben? Jede Geschichte[7] des Menschen[2] also, die ihn ausser diesem Verhältniß betrachtet, muß mangelhaft und einseitig werden. Freilich ist die Erde dem Menschen[2] gegeben; aber nicht ihm allein, nicht ihm zuvörderst; in jedem Element machten ihm die Thiere[1] seine Alleinherrschaft streitig. Dies Geschlecht[7] mußte er zähmen; mit jenem lange kämpfen. Einige entronnen seiner Herrschaft: mit andern lebet er in ewigem Kriege. Kurz, so viel Geschicklichkeit, Klugheit, Herz und Macht jede Art äußerte; so weit nahm sie Besitz auf der Erde..
[106] Herder, Gesch. d. Menschh. I (1784), 173: Kein Thier[1] frißt seines Gleichen aus Leckerei: kein Thier[1] mordet sein Geschlecht auf den Befehl eines Dritten mit kaltem Blut. Kein Thier[1] hat Sprache[1], wie der Mensch sie hat, noch weniger Schrift, Tradition, Religion[3], willkührliche Gesetze und Rechte..
[107] Herder, Gesch. d. Menschh. I (1784), 313 f.: Ich kann mir [...] nicht vorstellen, daß, da wir eine Mittelgattung von zwo Classen[1] und gewissermaaßen die Theilnehmer beider sind, der künftige Zustand von dem jetzigen so fern und ihm so ganz unmittheilbar sein sollte, als das Thier[10] im Menschen gern glauben möchte; vielmehr wer〈314〉den mir in der Geschichte[1] unsres Geschlechts manche Schritte und Erfolge ohne höhere Einwirkung unbegreiflich. Daß z. B. der Mensch sich selbst auf den Weg der Cultur[3] gebracht und ohne höhere Anleitung sich Sprache[1] und die erste Wissenschaft erfunden, scheinet mir unerklärlich und immer unerklärlicher, je einen längern rohen Thierzustand man bei ihm voraussetzt..
[108] Herder, Gesch. d. Menschh. II (1785), 184: Noch eines größern Ruhmes ist die sanfte Duldung, die unverdrossene Geschäftigkeit werth, in der sich ohne den Mißbrauch der Cultur[4], das zarte Geschlecht[2] überall auf der Erde auszeichnet. Mit Gelaßenheit trägt es das Joch, das ihm die rohe Uebermacht der Männer, ihre Liebe zum Müßiggange und zur Trägheit, endlich auch die Ausschweifungen seiner Vorfahren 〈185〉 selbst als eine geerbte Sitte auflegten und bei den armseligsten Völkern[1] finden sich hierinn oft die größesten Muster. Es ist nicht Verstellung, wenn in vielen Gegenden die mannbare Tochter zur beschwerlichen Ehe[1] gezwungen werden muß: sie entläuft der Hütte, sie fliehet in die Wüste: mit Thränen nimmt sie ihren Brautkranz, denn es ist die letzte Blüthe ihrer vertändelten, freieren[5] Jugend. [...] Zärtlich nimmt sie Abschied von allem, was ihrer Jugend so lieb war: als eine Verstorbene verläßt sie das Haus ihrer Eltern, verlieret ihren vorigen Namen und wird das Eigenthum eines Fremden[4], der vielleicht ihr Tyrann ist. Das unschätzbarste, was ein Mensch hat, muß sie ihm aufopfern, Besitz ihrer Person, Freiheit[5], Willen, ja vielleicht Gesundheit und Leben; und das Alles um Reize, die die keusche Jungfrau noch nicht kennet und die ihr vielleicht bald in einem Meer von Ungemächlichkeit verschwinden. Glücklich, daß die Natur[2] das weibliche[1] Herz mit einem unnennbar-zarten und starken Gefühl für den persönlichen Werth des 〈186〉 Mannes ausgerüstet und geschmückt hat. Durch dies Gefühl erträgt sie auch seine Härtigkeiten: sie schwingt sich in einer süßen Begeisterung[3] so gern zu allem auf, was ihr an ihm edel, groß, tapfer, ungewöhnlich dünket: mit erhebender Theilnehmung hört sie männliche Thaten, die ihr, wenn der Abend kommt, die Last des beschwerlichen Tages versüßen und es zum Stolz ihr machen, daß sie, da sie doch einmal zugehören muß, einem solchen Mann gehöre. Die Liebe des Romantischen[7] im weiblichen[1] Charakter[1] ist also eine wohlthätige Gabe der Natur[2], Balsam für sie und belohnende Aufmunterung des Mannes: denn der schönste[6] Kranz des Jünglings war immer die Liebe der Jungfrau..
[109] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 51: [D]a [...] die meisten Menschen, und noch mehr die großen Staatskörper, sehr harte, eiserne Thiere[7] sind, denen die Gefahr nah ankommen müßte, ehe sie ihren alten[1] 〈52〉 Gang ändern: so bleibt ohne Wunder und Zeichen alles, wie es ist [...]..
[110] Herder, Gesch. d. Menschh. III (1787), 163 f. (164): Allerdings [...] gaben die republicanischen Verfassungen, die mit der Zeit[1] überall in Griechenland eingeführet wurden, der Kunst[2] einen weitern Raum. In einem Gemeinwesen waren Gebäude zur Versammlung des Volks[1], zum öffentlichen Schatz, zu gemeinschaftlichen Uebungen und Vergnügungen nöthig, und so entstanden z. B. in Athen die prächtigen Gymnasien, Theater und Galerien, das Odeum und Prytaneum, der Pnyx u. f. Da in den griechischen[2] Republiken alles im Namen des Volks[1] oder der Stadt getrieben ward: so war auch nichts zu kostbar, was auf die Schutzgötter derselben oder auf die Herrlichkeit ihres Namens verwandt wurde, dagegen einzelne, selbst die vornehmsten Bürger sich mit schlechteren Häusern begnügten. Dieser Gemeingeist, alles wenigstens dem Scheine nach für das Ganze zu thun, war die Seele der griechischen[2] Staaten, den ohne Zweifel auch Winckelmann meinte, wenn er die Freiheit[6] der 〈164〉 griechischen[2] Republiken als das Goldne Zeitalter der Kunst[2] pries. Pracht und Größe [...] flossen in dem zusammen, was den Staat anging. [...] Perikles [...] that mehr für die Künste[2], als zehn atheniensischen Könige würden getan haben. Alles was er bauete, war im großen Geschmack, weil es den Göttern[4] und der ewigen Stadt gehörte; und gewiß würden wenige der griechischen[2] Städte und Inseln solche Gebäude errichtet, solche Kunstwerke[4] befördert haben, wenn sie nicht voneinander getrennte, im Ruhm wetteifernde Freistaaten gewesen wären. Da überdem bei demokratischen Republiken der Führer des Volks[1] dem Volk[1] gefallen mußte, was wählte er lieber als die Gattung des Aufwandes, die nebst dem Wohlgefallen der Schutzgötter auch dem Volk[1] in die Augen fiel und viele Menschen nährte?.
[111] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 43: Adel[2]. Fast bei allen Völkern[1] der alten[9] und neuen[5] Welt, findet man, sobald sie sich ein Wenig über die Stufe der eigentlichen Wildheit erhoben haben, sobald die Cultur[3] eine günstige Veränderung in ihrem Zustande macht, und sie sich unter ein religiöses und moralisches Gesetz beugen, eine Klasse[2] von Menschen, welche gewisse Vorrechte vor den andern genießt, welche die Wissenschaften[2], die Künste[2], so weit sie bei dem Volke[1] ausgebildet sind, besitzt, und 〈44〉 nicht selten auf die Regierung den größten Einfluß hat. So war es in Otaheite, in Indien, in Mexiko, in Afrika, so war und ist es noch jetzt in Europa. Woher diese Rechte der einen Klasse[2] stammen, möchte vielleicht gar nicht zu ergründen sein, wenigstens ist man, so viel auch schon darüber geschrieben wurde, zu keinem Resultat gekommen..
[112] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 91: Affe, das gelehrigste und abrichtungsfähigste Thier[1], in Gestalt und Gesten dem Menschen am ähnlichsten, gehört zu den Säugethieren, hat vier Füße und wird in 3 Hauptgeschlechter eingetheilt: – die eigentlichen Affen, Paviane und Meerkatzen..
[113] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 261: Edel [...] bezeichnet die Größe, Vorzüglichkeit oder Erhabenheit des Charakters[1] oder der Gesinnung. Man sagt von einem Menschen, der sich durch diese Eigenschaften auszeichnet: sein Wesen ist edel. – Bei Thieren[1] bezieht es sich auf die Gestalt, die Race[1], welche sich vor den andern durch Schönheit[1] 〈262〉 des Wuchses, Stärke etc. auszeichnet; so z. B. die arabischen Pferde, die edlen Schafe (Merino's)..
[114] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 50: In jener schönern[1] Zeit[3], wo noch die ganze Natur[2] dem Menschen näher stand, wo jeder Baum, jede Blume lebte und selbst das zutraulichere Thier[1] den Menschen mit sprechenden Augen ansah, in den Tagen, wo der Mensch noch ein harmloses Kind war, und unbefangen mit den ihn umgebenden Gegenständen spielte, in jener Zeit[3] einer einfachen unschuldigen Sinnlichkeit entstand die Fabel..
[115] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 349: In der Thierwelt verhält sich das Gehirn zur Körpermasse geringer als beim Menschen; Thiere[1] mit viel Anlagen haben mehr Gehirn als träge Geschöpfe. Bei kleinen Geschöpfen und Gewürmen hat es die Zootomie nachgewiesen, und gewiß entbehren die so reich begabten thätigen Insekten, wo unsere Werkzeuge nicht mehr ausreichen, dieses Organ[2] besserer Lebenskräfte nicht..
[116] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. V (1835), 353: Der gemeine Hund, das bekannte Hausthier, der treue Gefährte des Menschen, sein Hüter und Beschützer, das einzige Thier[1], welches mit unwandelbarer Liebe sich an den Menschen kettet, bildet zahlreiche Klassen[1], welche sich durch Gestalt, Größe, Farbe, verschiedene Wohnung, Nahrung, Gewohnheiten etc. unterscheiden..
[117] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. V (1835), 405: In jenem Leidensmoment, als der Mensch Christus seine göttliche Seele aushauchte, zerriß ein tausendjähriger Schleier, der die Menschheit[2] umnebelt hielt; das Feuerzeichen des Göttlichen flammte Licht, Wärme, Segen und Freiheit[2] bringend über den 〈406〉 Erdkreis [...]..
[118] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. V (1835), 405: Christus, das Ideal der gereinten, erhobenen Menschlichkeit, irdisch fühlend als Mensch, himmlisch wirkend als Gott[2], die leuchtende Verschmelzung dieser Doppelnatur [...] stieg, obgleich aus David's Stamme, um die Demuth als Quell und Anfang jeder Besserung und Erhebung zu manifestiren, von keinem Throne herab, sondern aus einer niedern Hütte [...]..
[119] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VII (1836), 367: Thiere[1] und Naturmenschen haben einen weit schärfern Geruchsinn als kultivirte Menschen..
[120] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IX (1837), 365 f.: Sehr bezeichnend nennen die Orientalen die Thiere[1] „die Stummen der Erde,“ da nur die Sprache[1], welche mit dem Denken wesentlich ein und dasselbe ist, und sich zu ihm wie sich die Folge zur Ursache verhält, den Menschen über die Thierwelt erhebt und den Göttern[4] näher bringt. Ohne Sprache[1] würde ihm das Siegel der Gottheit fehlen; sie ist der Athem seines 〈366〉 wahren Lebens; ohne sie glich er dem unvernünftigen Thiere[1], das nur verworrenen Eindrücken folgt; ohne sie könnte man sich bei ihm keine bestimmte Ideenreihe denken, denn sie eben ist das Vermögen des Menschen in das Chaos seiner Vorstellungen Ordnung zu bringen, denselben eine Form zu geben und sie mittelst der Stimme[1/3?] in richtigen Absätzen (artikulirt) mitzutheilen. Die Thiersprache enthält dagegen nur unartikulirte Laute zur Bezeichnung einiger Gefühle, aber nicht Worte[1] als Nachhalle der Gedanken: – daher es ziemlich problematisch erscheint, wenn der Franzose Düpont 11 Wörter[1] aus der Tauben-, 11 aus der Hühner-, 33 aus der Hunde-, 14 aus der Katzen-, 22 aus der Rindersprache und die der Raben ganz verstehen will..
[121] Herwegh, Lit. u. Volk (1839), W 2, 46: Wo einst ein Sänger und Dichter[1] von Millionen begriffen wurde, da werden jetzt oft zehn Dichter[1] nicht von tausend Menschen begriffen. Deren, die schreiben, sind beinahe mehr, als deren, die lesen. Es gibt in der modernen[9] Welt mehr einzelne über die Masse sich erhebende Talente, dafür aber bei weitem weniger durchschnittliche Bildung[6]. .
[122] Hirt, Baukunst (1809), 25: Jeder Bau [...] erhält seine eigenthümliche Physiognomie; denn so wie es nicht zwey Menschen giebt, die vollkommen dieselbe Bildung[10] haben, so kann es auch nicht zwey Gebäude, die gerade sich in allem gleich sind, geben. Ein anderes Lokal, eine kleine Veränderung in der Bestimmung, eine andere Himmelsgegend, eine geringe Veränderung in den Maaßver〈26〉hältnissen, ein anderer Geist[12] der Verzierung wechselt die Ansichten, erfordert neue Berechnung, giebt neue Resultate..
[123] Hoven, Lebenserinn. (1840), 350: Man betrachte unsern jetzigen Adel[2], und man sieht, daß die Adeligen ganz andere Menschen geworden sind als ihre Vorfahren auf ihren Burgen, die Unwissenheit und Brutalität für Prärogativen ihres Standes hielten..
[124] Th. Huber, Klosterber. (*1811–15), 169: Der Fürst hatte einen älteren[3] Bruder, einen unschädlichen [›untadeligen, unverdorbenen‹, vgl. DWB XI/3, 1315] Menschen, der in seiner Bildung[2] dem gemeinsten Adel[2] unsrer Nation[1] um keinen Schritt vorgeeilt 〈170〉 war. Ein roher Mann, starr und treu..
[125] A. v. Humboldt, Basalte Rhein (1790), 21: Es ist in der That rührend zu lesen, wie kläglich der Herr Abt den sittlichen Zustand eines Volks[1] in unbasaltischen Gegenden schildert. Die Einwohner des nördlichen Deutschlands und der Schweiz werden zu schlaffen, sinnlichen Menschen herabgewürdigt. Die Harzgegend sinkt in der Cultur[4] tief unter die Rheinischen und Hessischen Gebirge herab; die Basalte erscheinen als ein lange verkanntes Beförderungsmittel [...] zur schnellen Aus〈22〉breitung der Reformation etc..
[126] A. v. Humboldt, Gasarten (1799), 3: Je mannigfaltiger[1] die Beziehungen sind, in welche der Mensch mit den Gegenständen um sich her tritt, je 〈4〉 mächtiger und vielseitiger er auf die belebte und unbelebte Natur[2] einwirkt, desto mehr gewinnt unter verwickelten Verhältnissen seine intellectuelle Bildung[10]. Instrumente[1] und Maschinen sind besonders deshalb wichtig, weil sie entweder die Anwendung menschlicher Kräfte, welche nun auch auf andere Punkte gerichtet werden können, ganz ersparen; oder weil sie uns in den Stand setzen, Dinge zu unternehmen, welche (ohne jene Hülfsmittel) hätten ununternommen bleiben müssen. Jede mechanische Erfindung erweitert daher das Feld menschlicher Erkenntniß[2], nicht bloß durch das, was sie unmittelbar leistet, sondern zugleich durch den allgemeinen Einfluß, den sie auf den Umfang unserer ganzen Thätigkeit ausübt..
[127] A. v. Humboldt, Gasarten (1799), 14: Mit qualvoller Pein empfindet der gefühlvolle Mensch sein Unvermögen, oder vielmehr die Unvollkommenheit seiner Kunst[6], wenn er einen Verunglückten zu retten strebt..
[128] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 99: Beschäftigen die Manufacturen gleich nur wenige Arme in Neu-Spanien, so gehn doch viele derselben für den Ackerbau durch die Nothwendigkeit der Transporte von Waaren, Erzeugnissen der Bergwerke, Eisen, Pulver und Quecksilber, welche alle durch Maulthiere von der Küste nach der Hauptstadt, von da nach den Minen und überhaupt auf dem ganzen Rücken der Cordilleren geschehen müssen, verloren. | Viele tausend Menschen und Thiere[3] bringen ihr ganzes Leben auf den großen Routen zwischen Vera-Cruz und Mexico, zwischen Mexico und Acapulco, Oaxaca und Durango, und den Querstraßen zu, auf denen die Gewerke in den dürren und unangebauten Gegenden ihre Mundvorräthe erhalten. Diese Classe[2] von Bewohnern, welche die Oeconomisten in ihrem System steril und nicht producirend nennen, ist in America also viel größer, als man in einem Lande erwarten sollte, dessen Manufactur-Industrie noch so niedrig steht..
[129] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 189 f. (190): Ein Sclave z. B. der sich durch seine Industrie einiges Geld erworben hat, kann seinen Herrn zwingen, ihn gegen die mässige Summe von 〈190〉 1500 bis 2000 Livres in Freiheit[6] zu setzen, und diese kann ihm nicht verweigert werden, wenn jener auch gleich die Vorstellung macht, daß ihn der Sclave das Dreifache gekostet habe, oder daß er ein besonders einträgliches Handwerk verstehe. Letzterer gewinnt seine Freiheit[6], wenn er grausam behandelt worden ist, schon dadurch, sobald der Richter sich der Sache des Unterdrückten annimmt. Indeß begreift man leicht, daß dieses wohlthätige Gesetz oft genug umgangen wird. Allein ich habe doch im Juli 1803, und in Mexico selbst, das Beispiel von zwo Negersclavinnen gesehen, denen die obrigkeitliche Person [...] die Freiheit[6] zusprach, weil ihre Gebieterin [...] ihnen viele Wunden mit Scheeren, Stecknadeln und Federmessern beigebracht hatte. In diesem abscheulichen Proceß wurde die Dame beschuldigt, daß sie ihren Sclaven mit einem Schlüssel die Zähne ausgebrochen habe, wenn sie sich über Zahnweh, das sie am Arbeiten hinderte, beklagten. – Die römischen Matronen waren wahrlich nicht erfinderischer in den Handlungen[1] ihrer Rache; denn die Barbarei ist in allen Jahrhunderten dieselbe, wenn die Menschen ihren Leidenschaften den Zügel schießen lassen können, und die Regierungen eine, den Gesetzen der Natur[11], und somit dem Wohl der Gesellschaft entgegenlaufende, Ordnung[1] der Dinge dulden..
[130] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 193: In einem, von Weißen beherrschten, Lande sind die Familien, von welchen man annimmt, daß sie am wenigsten mit Negern- oder Mulatten-Blut vermischt seien, am geehrtesten; so wie es auch in Spanien für eine Art von Adel[1] gilt, weder von Juden[1] noch von Mauren abzustammen. In America entscheidet der größere oder geringere Grad von Weiß in der Farbe über den Rang, den man in der Gesellschaft behauptet. Ein Weißer, welcher baarfuß zu Pferd steigt, glaubt zum Adel[2] des Landes zu gehören, und die Farbe begründet sogar eine Art von Gleichheit unter den Menschen, welche, wie überall, wo die Civilisation erst wenig vorgerückt, oder schon rückgängig ist, gerne in Prärogativen der Raçe[1] und Abstammung künsteln..
[131] A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 203 f. (204): Vergessen wir ja nicht, daß sich die Gesellschaft in den vereinigten Staaten ganz anders, als in Mexico und den übrigen Continental-Gegenden der spanischen Colonien ge〈204〉bildet hat. Als die Europäer in die Alleghany-Gebirge eindrangen, fanden sie nichts, als ungeheure Wälder, in welchen einige Stämme von einem Jägervolk umherirrten, das durch nichts an seinen ungebauten Boden gefesselt war. Bei der Annäherung der neuen[1] Colonisten zogen sich die Urbewohner nach den westlichen Weideplätzen zurück, welche an den Mississipi und den Missury gränzen. So wurden freie[6] Menschen Einer Raçe[1] und Eines Ursprungs die ersten Elemente eines entstehenden Volks[1]..
[132] A. v. Humboldt, Cordill. I [TrN. N.] (1810), 73: Ein todter Mensch, sagen die Eingebornen, ist zu ewigem Stillschweigen gebracht: ihrer Meinung nach ist leben reden; und, wie wir bald sehen werden, viel reden ein Zeichen von Macht und Adel[1]..
[133] W. v. Humboldt, Rez. Jacobi (1794), 813: [I]nsofern man in der höchsten Abstraction die vernünftige Eigenschaft rein absondert, geht der Instinct einer [...] bloßen Vernunft[1] allein auf Personalität mit Ausschließung der Person und des Daseyns, weil beide [...] Individualität verlangen. [...] Dieser Instinct umfasst [...] die doppelte Natur[1] des Menschen. Er geht auf Erhaltung des Daseyns, wie jeder Trieb überhaupt: allein als auch der vernünftigen Natur[1] angehörend, nur auf Erhaltung des dem Menschen eigenthümlichen Daseyns. Die eigenthümliche Natur[1] des Menschen aber ist Vernunft[1] und Freyheit[10]. Vermöge dieses Instincts ist sich der Mensch daher einer Kraft bewußt, mit welcher er, allen Antrieben der Sinne[3] entgegen, allein der Vernunft[1] zu folgen vermag; ja er fühlt sich sogar, dieß zu thun, durch einen unaustilgbaren Trieb gedrungen. Wie dieser Trieb entsteht, wie er wirkt, begreift er nicht; versucht er auch, wenn er weise ist, nicht zu erklären. Denn erklären lässt sich nur das Abhängige, Vermittelte; dieser Trieb aber ist das Letzte, Unvermittelte..
[134] Iffland, Erbtheil (1802), 171: Marquis! – Lassen Sie uns daheim treue Bürger seyn, weil wir lieber das seyn wollen, als gebietende Herrn. Zeigen Sie es hier zu Lande, daß es einen hohen Adel[1/5] gebe, weit über das Pergament hinaus, der darin besteht, dem Menschen leicht zu machen, was ihn drückt..
[135] Immermann, Münchh. (1838–39), W 3, 482: „[...] Bauer [...] und hoher Aristokrat stimmen darin überein, daß ersterer sowohl als letzterer weniger sich, als ihrer Gattung angehören, zuvörderst Bauer sind und Aristokrat und erst nachher Mensch.“ | Der [...] Kavalier [...] versetzte [...]: „Sie haben, Herr Prediger, dieses mehr aus Büchern. Ich versichere Sie, daß wir mit der Zeit[1] fortgeschritten sind. Wir heiraten sogar Jüdinnen.“ | „Exzellenz“, fuhr der Diakonus mit aller Vergessenheit eines deutschen Gelehrten heraus, „der Adel[2], den Sie meinen, ist ein reines Garnichts und kommt mir höchstens vor wie der Schwamm im Hause.“.
[136] Jahn, Dt. Volksth. (1810), 202: Wundergeschichten! Das größte Wunder, wie ein Mensch ohne Verstand[3] Dinge erfinden will, die unter und über und wider allen Verstand[4] sind. Geistergeschichten! Wo Geister[1] spuken weht kein Geist[28]..
[137] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 65 ff. (67): Es ist einerlei, wie man diesen überirdischen Engel des innern Lebens, diesen Todesengel des Weltlichen im Menschen nennt oder seine Zeichen aufzählt: genug, wenn man ihn nur – nicht in seinen Verkleidungen verkennt. Bald zeigt er sich den in Schuld und Leib tief eingehüllten Menschen als ein Wesen, vor 〈66〉 dessen Gegenwart, nicht vor dessen Wirkung wir uns entsetzen [...]; wir nennen das Gefühl Geisterfurcht, und das Volk[5] sagt [...], um das Unendliche auszudrücken, bloß: es. Bald zeigt sich der Geist[1] als den Unendlichen, und der Mensch betet. Wär' er nicht, wir wären mit den Gärten der Erde zufrieden; aber er zeigt uns in tiefen Himmeln die rechten Paradiese. – Er zieht die Abendröthe vom romantischen[8/11] Reiche weg, und wir blicken in die schimmernden Mond-Länder voll Nachtblumen, Nachtigallen, Funken, Feen und Spiele hinein. | Er gab zuerst Religion[3] – Todesfurcht – griechisches[2] Schicksal – Aberglauben – und Prophezeiung [...] – und den Durst der Liebe – 〈67〉 den Glauben an einen Teufel – die Romantik[13], diese verkörperte Geisterwelt, so wie die griechische[2] Mythologie, diese vergötterte Körperwelt..
[138] Kant, Crit. pract. Vern. (1788), 108: Der Mensch ist ein bedürftiges Wesen, so fern er zur Sinnenwelt gehört und so fern hat seine Vernunft[2] allerdings einen nicht abzulehnenden Auftrag, von Seiten der Sinnlichkeit, sich um das Interesse derselben zu bekümmern und sich practische Maximen, auch in Absicht auf die Glückseligkeit dieses, und, wo möglich, auch eines zukünftigen Lebens, zu machen. Aber er ist doch nicht so ganz Thier[11], um gegen alles, was Vernunft[2] für sich selbst sagt, gleichgültig zu seyn, und diese blos zum Werkzeuge der Befriedigung seines Bedürfnisses, als Sinnenwesens, zu gebrauchen. Denn im Werthe über die bloße Thierheit erhebt ihn das gar nicht, daß er Vernunft[2] hat, wenn sie ihm nur zum Behuf desjenigen dienen soll, was bey Thieren[1] der Instinct verrichtet; sie wäre alsdenn nur eine besondere Manier, deren sich die Natur[2] bedient hätte, um den Menschen zu demselben Zwecke, dazu sie Thiere[1] bestimmt hat, auszurüsten, ohne ihn zu einem höheren Zwecke zu bestimmen. ➢ Volltext.
[139] Kant, Metaph. d. Sitt. I (1797), 111: Gleichwie aus der Pflicht des Menschen gegen sich selbst [...] ein Recht [... beyder Geschlechter[9] entsprang, sich, als Personen, wechselseitig einander, auf dingliche Art, durch Ehe[1] zu erwerben: so folgt, aus der Zeugung in dieser Gemeinschaft, eine Pflicht der Erhaltung und Versorgung in Absicht auf ihr Erzeugniß, d. i. die Kinder [...]..
[140] Kant, Metaph. d. Sitt. I (1797), 192: Nun ist ein angeerbter Adel[1] ein Rang, der vor dem Verdienst vorher geht, und dieses auch mit keinem Grunde hoffen läßt, ein Gedankending, ohne alle Realität. Denn, wenn der Vorfahr Verdienst hatte, so konnte er dieses doch nicht auf seine Nachkommen vererben, sondern diese mußten es sich immer selbst erwerben [...]. Weil nun von keinem Menschen angenommen werden kann, er werde seine Freiheit[6] wegwerfen, so ist es unmöglich, daß der allgemeine Volkswille zu 〈193〉 einem solchen grundlosen Prärogativ zusammenstimme, mithin kann der Souverän es auch nicht geltend machen. – – Wenn indessen gleich eine solche Anomalie in das Maschinenwesen einer Regierung von alten[1] Zeiten[3] (des Lehnswesens, das fast gänzlich auf den Krieg angelegt war) eingeschlichen, von Untertanen, die mehr als Staatsbürger, nämlich geborne Beamte (wie etwa ein Erbprofessor) sein wollen, so kann der Staat diesen von ihm begangenen Fehler eines widerrechtlich erteilten erblichen Vorzugs nicht anders, als durch Eingehen und Nichtbesetzung der Stellen allmählich wiederum gut machen, und so hat er provisorisch ein Recht, diese Würde dem Titel nach fortdauern zu lassen, bis selbst in der öffentlichen Meinung die Einteilung in Souverän, Adel[2] und Volk[5] der einzigen natürlichen[4] in Souverän und Volk[4] Platz gemacht haben wird..
[141] Kellner, Töne (1787), 1185: Ein Ton[1] ist die zitternde Bewegung der Luft, die, von Körpern gewürkt, in den Organen[2] des Gehörs eine Veränderung hervorbringt. Die Töne[1] sind entweder articulirte, die von Menschen hervorgebracht werden, um Andern ihre Gedanken mitzutheilen, (Gedankenzeichen) oder unarticulirte, die durch eine Würkung auf jede Art von Körper hervorgebracht werden, und keine bestimmte Gedankenzeichen sind. Die Tonkunst hat nur unarticulirte Töne[1] zum Hauptgegenstand und wesentlichem Bestandtheil. Da nun diese unarticulirten Töne[1] sowohl durch die menschliche Stimme[1] als durch Würkungen auf Körper erweckt werden, letztere aber bey weitem nicht alle Gegenstände der Tonkunst sind: so müssen wir einen allgemeinen Maaßstab annehmen, nachdem wir alle Töne[1] prüfen, ob sie musikalische[1] sind oder nicht. Dieser Maaßstab ist nach vielen Erfahrungen und Beobachtun〈1186〉gen die menschliche Stimme[1], die uns auch sogar lehrt, welchen Grad der Anmuth jeder Ton[1] hat, wenn nicht lebhafte berichtigte Einbildungskraft[1] und das feine tiefblickende Gefühl des Meisters in dieser Sache unsre Führer wären. Doch hat sie uns auf jenen unbezweifelt wahren Satz geleitet: daß die Töne[1], welche die menschliche Stimme[1] ungezwungen nachahmt, die schönsten[1]; die aber, welche in aller Beziehung weit außer ihrem Gebiete liegen, viel weniger schön[1] und angenehm sind, und jenen immer den Vorzug einräumen müssen..
[142] Klingemann, Poesie (1800), 55: Die Poesie[19] geht durch die ganze Kunst[2]; sie ist das Innerliche in ihr, und der geheime wunderliche Geist[12], der später erst durch sie zur Erscheinung kommt. Die Kunst[2] selbst ist nur Organ[1] der Poesie[19], sie aber ist die Seele des Ganzen, und das heilige Feuer, das unsichtbar sich entzündet. So ist die Dichtkunst allein nicht ihre einzige Heimath; sondern sie herrscht unumschränkt auch in der Skulptur und Mahlerei[2], und redet zart und geistig aus der Musik[4] uns an. Sie ist es eben, wodurch die Kunst[2] sich ausbreitet, und allgemein wird; denn Poesie[19] ist die Grundanlage der Menschheit[1] überhaupt, und sie zeichnet sich nur, dem Grade nach, stärker oder schwächer in den Einzelnen aus. | Die Poesie[19] ist das eigentlich Absichtslose, oder die Natur[19] in der Kunst[2]; Niemand vermag sie zu erringen, oder durch Kunst[2] sich anzueignen; sie ist vielmehr eine freie[5] Gunst der Götter[4], und wird dem Menschen schon bei seiner Geburt zu Theile..
[143] Klingemann, Nachtw. Bonavent. (1804), 105: Ist es doch besser mit dem ersten Doktor Darwin [⦿] die Affen für unsere Vorfahren anzunehmen, als so lange zu zögern bis ein zweiter gar andere wilde Thiere[4] zu unsern Adscendenten macht, welches er vielleicht durch eben so gute Wahrscheinlichkeitsgründe belegen könnte, da die meisten Menschen, wenn man ihnen das Untertheil des Gesichts und den Mund, mit dem sie die gleissenden Worte[2] verschwenden, verdekt, in ihren Physiognomien eine auffallende Geschlechtsähnlichkeit besonders mit Raubvögeln, als z. B. Geiern, 〈106〉 Falken u. s. w. erhalten, ja da auch der alte[1; 8?] Adel[2] seine Stammbäume eher zu den Raubthieren, als Affen hinaufführen kann, welches, ausser ihrer Vorliebe zur Räuberei im Mittelalter, auch noch aus ihren Wappen erhellet, in denen sie meistentheils Löwen, Tieger, Adler und andere dergleichen wilde Thiere[4] führen..
[144] Knigge, Noldmann (1791), 173: Man wollte es unbillig finden, daß einem Menschen, der keine Familie hinterließ, nicht das Recht zustehen sollte, das liebe, schöne[6] Geld, welches er gesammelt hatte, nach seinem Tode einem Freunde zuzusichern, sondern daß diese Reichtümer in den öffentlichen Schatz kommen sollten..
[145] S. v. Knorring, Evremont III (1836), 20: Der Graf [...] machte die Wittwe des Herrn St. Julien darauf aufmerksam, daß es auch gerecht sei, daß dessen Adoptivsohn den so lange geführten Namen ablege und den ihm durch die Geburt zukommenden führe. Es war ihm nicht schwer, die Schwester des Grafen Evremont zu überzeugen, daß bei der Wendung, die die öffentlichen Angelegenheiten Frankreichs genommen hatten, dieß für den jungen Mann vortheilhaft sei, um so mehr, da nicht nur dort ein neuer[3] Adel[2] entstand, sondern Napoleon unverkennbar die alten[1] Familien um sich zu sammeln suchte, und man so in der Ferne hoffen konnte, den jungen Mann wieder als Grafen anerkannt zu sehen; eine Hoffnung, die weder dem Grafen selbst, noch der Wittwe St. Juliens gleichgültig war, denn wie der Mensch auch meint sein Herz gereinigt und sich über Vorurtheile erhoben zu haben, so lassen sich doch Gefühle, die von frühester Kindheit an ihm unbewußt genährt werden 〈21〉 und mit ihm gewachsen sind, wohl verläugnen, sie gänzlich auszurotten aber ist er niemals im Stande..
[146] Köstlin, Sonnt. (H1807), 88: Ich [...] endige meine Plage, länger mich in diese Kirche zu träumen, länger mit meinen Gedanken zu verweilen zwischen disen steinernen Wänden, die mir das Herz versteinern. [...] Dort sind wir ganz überwölkt, abgeschlossen durch eine steinerne Kluft von allem fröhlichen Leben [...]. Kein Strahl der ewigen Freyheit[2] und Lust der Natur[2] soll uns spielen um's Herz, damit wir nicht erwachen zur Erinnerung unsres eignen göttlichen Seyns. Verdorben soll sich der Mensch glauben, er soll sein Innerstes von dem giftigen Krebs einer an〈89〉gebohrenen Sünde zerfressen wähnen, damit er ihre Arzney gläubig empfange..
[147] Köstlin, Sonnt. (H1807), 89: C. [...] Wohl ist die Farbe der Nacht etwas mystisches geheimnisvolles. Sehen wir ja auch über die Gräber den schwarzen Flor gebreitet – – | [...] Aber wie durch den Schleyer der Nacht die ewige Gestirne uns herniederwinken, so bedeutet die schwarze Hülle des Grabes ein unvergängliches Reich des Lichtes jenseits dieser Hülle. | B. Und so mögen wir denn glauben, daß dises auch der Sinn[2] war jener Sitte, sich in die Farbe der Nacht zu kleiden, dieser Sitte in ihrer ersten Unschuld und Reinheit: nemlich ein Ertödten des Endlichen am Menschen zur Auferstehung in der 〈90〉 Welt des Ewigen und Göttlichen. – Ach, daß ich immer jener alten[1/11] Zeit[3] gedenken muß! Da berührte noch der Himmel die Erde, und die Erde hieng an ihm, wie seine sehnsuchtsvolle Braut. .
[148] Köstlin, Sonnt. (H1807), 91: Nur in dem Werden und Vergehen aller endlichen Formen ist das Leben des Ewigen. Das einmal Vergangne kehrt nie wieder. Aber die Menschen werden wieder herausgehen aus den todten Mauern, und mit frohem Erstaunen, wie ein aus schweren Träumen erwachter, die ihnen wieder leuchtende Erde und die ihnen wieder redende Gestirne begrüssen. Die Naturgeister werden wieder spielen um die kindlichen Gemüther, und der verwandte Geist[32] wird zur alten[6] Freyheit[1] erwachen..
[149] Laube, Jg. Eur. III (1837), 64: Es war ein schlankes freies[22] Schiff, was mit Wind und Wellen kräftig rang – ich hasse die Dampfschiffe, diese künstliche[4] Vermittelung des Menschen mit dem Elemente, diese repräsentative Schifffahrt, wo das freie[1], kräftige, gefährliche Ineinander des Menschen und des Meeres gestört ist..
[150] Lenz, Landpred. (1777), 315: Auf der andern Seite gibt es einen Stolz der niedern Stände, der ebenso unerträglich ist. Das heißt, wenn sie einen gewissen Trotz, der zu nichts führt, als alle Verhältnisse, die unter Menschen eingerichtet sind, einzureißen, für die notwendigste Eigenschaft eines braven Menschen halten, der sich, wie sie sagen, nicht unterdrücken läßt. Sie bedenken nicht, daß eben dieser Stoß in die Rechte der andern einen Gegenstoß veranlaßt, der gerade das macht, was sie Unterdrückung nennen und am Ende die traurige Spalte zwischen den beiden Ständen, ich meine 〈316〉 dem Adel[2] und dem edlen Bürger zurückläßt, die einander doch so unentbehrlich sind..
[151] Maimon, Lebensgesch. I (1792), 5 f. (6): Es giebt vielleicht kein andres Land außer Polen, wo Religionsfreyheit und Religionshaß so im gleichen Grade anzutreffen wäre. Die Juden[1] genießen da einer völlig freyen[1] Ausübung ihrer Religion[1] und aller übrigen bürgerlichen Freyheiten[6], haben auch sogar ihre eigne Gerichtsbarkeit. Von der andern Seite aber geht der Religionshaß so weit, daß der Nahme Jude[1] zum Abscheu ist, und 〈6〉 die Wirkung dieses zu den Zeiten[3] der Barbarey eingewurzelten Abscheus noch zu meinen Zeiten[3], ohngefähr vor dreyzehn Jahren, dauerte. Dieser anscheinende Widerspruch läßt sich aber sehr gut heben, wenn man bedenkt, daß die in Polen den Juden[1] zugestandene Religions- und bürgerliche Freyheit[6], nicht aus Achtung für die allgemeinen Rechte der Menschheit[2] entspringt, so wie auf der anderen Seite der Religionshaß und Verfolgung keineswegs die Wirkung einer weisen Politik ist, die dasjenige, was der Moralität und dem Wohlstand des Staates schädlich seyn kann, aus dem Wege zu räumen sucht, sondern beyde Folgen der in diesem Lande herrschenden politischen Unwissenheit und Trägheit sind. Da nehmlich die Juden[1] bey allen ihren Mängeln dennoch in diesem Lande beynahe die einzigen brauchbaren Menschen sind, so sahe sich zwar die Polnische Nation[1] gezwungen, zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse ihnen alle mögliche Freyheiten[6] zu bewilligen, doch mußte auch ihre moralische Unwissenheit und Trägheit auf der anderen Seite nothwendig Religionshaß und Verfolgung hervorbringen..
[152] Mereau, Amd. u. Ed. I (1803), 40: Schönheit[[[[BedeutungsVerweis ID='431' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] gleicht dem Genie[[[[BedeutungsVerweis ID='343' Anzeige='2' Formatierung='1']]]]; sie ist freie[[[[BedeutungsVerweis ID='696' Anzeige='5' Formatierung='1']]]] Gabe der Götter[[[[BedeutungsVerweis ID='189' Anzeige='4' Formatierung='1']]]], und als solche hat der Wille der Menschen[[[[BedeutungsVerweis ID='686' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] keinen Theil daran. Was selbst erworbner Reiz des Betragens langsam hervorbringt, ist bei ihr das Werk eines Augenblicks: die angenehme Rührung, welche mein Herz bewegte, goß einen höhern Reiz über die ganze Natur[[[[BedeutungsVerweis ID='40' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] um mich her. Der Glanz der Abendsonne schien mit überirdischer Klarheit auf den Baumwipfeln zu ruhen – der Rheinstrom und die romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Ferne, 〈41〉 die einsamen Höhen und der frische duftige Wiesengrund mit dem lebendigen Gewühl von Menschen[[[[BedeutungsVerweis ID='686' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] und Thieren[[[[BedeutungsVerweis ID='474' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] – das zarte Laub, das, kaum entfaltet, freudig im Abendwind flüsterte. – Alles schien verklärt, harmonisch, ahnungsvoll..
[153] Mereau, Amd. u. Ed. II (1803), 184: O! es wird eine Zeit[3] kommen, wo alle Menschen wiederum niederfallen, vor 〈185〉 dem ewigen Wesen, das alle Religionen[1] versteht! und ich ahnde[1], hoffend, daß sie nicht fern ist!.
[154] C. Michaelis, an L. Gotter (6. 2. 1783), C 1, 70: Daß mir das übrige ihres Tagebuchs ganz gefiele, kan ich nicht sagen. Mich däucht es sind so viel Wiederholungen und Worte[1], mit denen sie [sc. Friederike Münter (später Friederike Brun)] kaum selbst immer einen Sinn[1] verbindet, weil sie nicht selbst gemacht und gedacht, sondern aus Dichtern[4] genommen sind, die ihr so im Gedächtniß zu schweben[5] scheinen, daß sie sich mit ihnen verwechselt. Sie hat sich in den sehr poetischen[1] Schwung geworfen, und nichts ist wohl verzeihlicher, da sie so jung ist, aber dies müste gemildert, ihr Herz fester und ihr Verstand[1] schärfer gemacht werden. Das erste würde dann jene Weichheit, die so leicht in Empfindeley ausartet, und der zweyte seine Sonderbarkeit verlieren. Sie schien mir überhaupt mehr Talente als Verstand[1] zu haben, wenn ich das Verstand[1] nenne, Menschen und Sachen nach ihrem wahren (unpoetischen) Gesichtspunkt zu beurtheilen [...]..
[155] Mnioch, Hell. u. Rom. (1802), 229, V. 124: Als Ort des Sehnens lieben wir die Welt. | So auch mit Sehnsucht-Düften überhüllt | Die neue[5] Kunst[10] dem Menschen wohl gefällt, | Hellenisch Leben, du bist uns verlohren, | Drum haben das romant'sche[12] wir erkohren. ➢ Volltext.
[156] Moritz, Dt. in Engld. (1783), 62 f. (63): O lieber Freund, wenn man hier siehet, wie der geringste Karrenschieber an dem was vorgeht seine Theilnehmung bezeigt, wie die kleinsten Kinder schon in den Geist[17] des Volks[7] mit einstimmen, kurz, wie ein jeder sein Gefühl zu er〈63〉kennen giebt, daß er auch ein Mensch und ein Engländer sey, so gut wie sein König und sein Minister, dabei wird einem doch ganz anders zu Muthe, als wenn wir bei uns in Berlin die Soldaten exerciren sehen..
[157] Moritz, Menschl. Elend (1786), 82: [S]o fängt man [...] an, nachdem man schon sehr lange Conchylien, Schmetterlinge, und allerlei Gewürme klassifizirt hat, auch das menschliche Elend in Klassen[1] zu ordnen, damit es [...] Menschen, die einen Staat zu beherrschen haben, mit einem Blick, wie auf einer Landkarte, übersehen und eins nach dem andern, so wie die Noth am dringendsten wäre, abhelfen könnten[.].
[158] Moritz, Bild. Nachahm. (1788), 7: [W]eil [...] der edle Mensch, um edel zu seyn, der körperlichen Schönheit[1] nicht bedarf, so scheiden sich hier [...] die Begriffe[1] von Schön[1] und Edel, indem durch das letztre die innre Seelenschönheit, im Gegensatz gegen die Schönheit[1] auf der Oberfläche, bezeichnet wird. In so fern nun aber die äussre Schönheit[1] zugleich mit ein Abdruck der innern Seelenschönheit ist, faßt sie auch das Edle in sich, und sollte es, ihrer Natur[1] nach, eigentlich stets in sich fassen. Hiedurch hebt sich aber demohngeachtet der Unterschied zwischen schön[1] und edel nicht wieder auf. Denn unter einer edlen Stellung denken wir uns z. B. eine solche, die zugleich eine gewisse innere Seelenwürde bezeichnet: irgend eine leidenschaftliche Stellung aber kann demohngeachtet immer noch eine schöne[1] Stellung seyn, wenn gleich nicht eine solche innere Seelenwür〈8〉de ausdrücklich dadurch bezeichnet wird; nur darf sie einem gewissen Grade von innerer Würde nie geradezu widersprechen; sie darf nie unedel seyn..
[159] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 14: [D]ie Sprache[1] ist das göttliche Siegel, wodurch alle sonderbaren, eignen und weitläufigen Gedanken des einzelnen Menschen erst zu ernsthaften und wahrhaftigen Gedanken werden. Das schönste[2], was die Seele in ihrem einsamen Bezirke hegt, bleibt Vision und Traum[1] und ohne Einfluß auf die Welt, also ohne freundliche Bestätigung von Außen, bis es deutlich gesagt werden kann [...]..
[160] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 266 f. (267): [E]s drängte diese liebenswürdige Natur[17] [sc. Schiller] sich zu dem Göttlichen zu erheben oder das Göttliche herabzuziehn: er sehnte sich wie jeder ordentliche und vollständige Mensch nach der Verbindung des Göttlichen und Menschlichen [...]. Die griechischen[2] Götter[4] trugen wenigstens Masken von Menschen, und so übertrug er in rührendem Irrthume alle jene romantischen[7] Empfindungen seines Herzens, 〈267〉 welche er mit der Luft der neuern[3] Zeiten[3] eingesogen, auf jene alten[10], kalten, geschlechtslosen Gestalten [...]..
[161] Mundt, Dt. Prosa (1837), 7: Wird [...] bei dem sogenannten göttlichen Ursprung der Sprache[1] Gott[1] wie ein Schullehrer gedacht, der uns die Wörter[1] erfunden und zuerst Fibel und Grammatik verfertigt, so wäre diese Vorstellung, obwohl sonstigem populairen Verhältniß zu Gott[1] analog, doch ebenso unsinnig, als wenn man behauptet hat: die Thiere[1] würden Alles erreichen, was der Mensch ist, wenn sie nur die Sprache[1] besäßen. Das Thier[1] kann eben, weil es kein Mensch ist, die Sprache[1] nicht besitzen, und die Thiersubstanz wird in den eigenthümlichen Lauten, die ihr vergönnt sind, hinlänglich sich und Andern klar, ohne noch etwas in sich zu tragen, was nicht lautbar an ihr werden könnte..
[162] Novalis, Verm. Bem. (*1797–98), NS 2, 462, Nr. 105: Halb berauscht kann ein Kunstwerck[2] seyn – Im ganzen Rausche zerfließt das Kunstwerck[2] – Aus dem Menschen wird ein Thier[11] – Der Karacter[1] des Thiers[11/1] ist dythirambisch. Das Thier[11/1] ist ein übersättigtes Leben – die Pflanze[1] ein mangelhaftes Leben. Der Mensch ein freyes[10] Leben..
[163] Novalis, Blüthenstaub (1798), 75 f. (76), Nr. 22: Das willkührlichste Vorurtheil ist, daß dem Menschen das Vermögen außer sich zu seyn, mit Bewußtseyn jenseits der Sinne[4] zu seyn, versagt sey. Der Mensch vermag in jedem Augenblicke ein übersinnliches Wesen zu seyn. Ohne dies wäre er nicht Weltbürger, er wäre ein Thier[11]. Freylich ist die Besonnenheit, Sichselbstfindung, in diesem Zustande sehr schwer, da er so unaufhörlich, so nothwendig mit dem Wechsel unsrer übrigen Zustände verbunden ist. Je mehr wir uns aber dieses Zustandes bewußt zu seyn vermögen, desto lebendiger, mächtiger, genügender ist die Überzeugung, die daraus entsteht; der Glaube an 〈76〉 ächte Offenbarungen des Geistes[1/19]. ➢ Volltext.
[164] Novalis, Blüthenstaub (1798), 86, Nr. 57: Witz[3], als Prinzip der Verwandtschaften ist zugleich das menstruum universale [⦿]. Witzige Vermischungen sind z. B. Jude[1] und Kosmopolit, Kindheit und Weisheit, Räuberey und Edelmuth, Tugend und Hetärie, Überfluß und Mangel an Urtheilskraft in der Naivetät und so fort ins Unendliche. | [Nr. 58] Der Mensch erscheint am würdigsten, wenn sein erster Eindruck der Eindruck eines absolut witzigen Einfalls ist: nämlich Geist[12] und bestimmtes Individuum zugleich zu seyn. Einen jeden vorzüglichen Menschen muß gleichsam ein Geist[12] zu durchschweben scheinen, der die sichtbare Erscheinung idealisch parodirt. Bey manchen Menschen ist es als ob dieser Geist[12] der sichtbaren Erscheinung ein Gesicht schnitte. ➢ Volltext.
[165] Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 272: Ein wahrhaftes Königspaar ist für den ganzen Menschen, was eine Constitution für den bloßen Verstand[9] ist. Man kann sich für eine Constitution nur, wie für einen Buchstaben[9] interessiren. Ist das Zeichen nicht ein schönes[2] Bild, oder ein Gesang, so ist Anhänglichkeit an Zeichen, die verkehrteste aller Neigungen. – Was ist ein Gesetz, wenn es nicht Ausdruck des Willens einer geliebten, achtungswehrten Person ist? Bedarf der mystische Souverain nicht, wie jede Idee, eines Symbols, und welches Symbol ist würdiger und passender, als ein liebenswürdiger treflicher Mensch? Die Kürze des Ausdrucks ist doch wohl etwas werth, und ist nicht ein Mensch ein kürzerer, schönerer[1] Ausdruck eines Geistes[30] als ein Collegium?.
[166] Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 273: Meinethalben mag jetzt der Buchstabe[8/9] an der Zeit[7] seyn. Es ist kein großes Lob für die Zeit[9], daß sie so weit von der Natur[19] entfernt, so sinnlos für Familienleben, so abgeneigt der schönsten[1] poetischen[1] Gesellschaftsform ist. Wie würden unsre Kosmopoliten erstaunen, wenn ihnen die Zeit[3] des ewigen Friedens erschiene und sie die höchste gebildetste Menschheit[3] in monarchischer Form erblickten? Zerstäubt wird dann der papierne Kitt seyn, der jetzt die Menschen zusammenkleistert, und der Geist[12/30] wird die Gespenster, die statt seiner in Buchstaben[8/9] erschienen und von Federn und Pressen zerstückelt ausgingen, verscheuchen, und alle Menschen wie ein paar Liebende zusammen schmelzen..
[167] Novalis, Allg. Brouill. (*1798–99), NS 3, 454, Nr. 983: Der W[issenschaft] ist es wie den Menschen gegangen – um sie leichter bearbeiten und bilden zu können, hat man sie in einzelne Wissenschaften (und Staaten) eingetheilt – der Eintheilungsgrund war hier und dort zufällig und fremd[5]..
[168] Novalis, Hymn. (1800), 195: Unendlich war die Erde – der Götter[4] Aufenthalt, und ihre Heymath. Seit Ewigkeiten stand ihr geheimnißvoller Bau. Ueber des Morgens rothen Bergen, in des Meeres heiligem Schooß wohnte die Sonne, das allzündende, lebendige Licht. Ein alter[2] Riese trug die selige Welt. Fest unter Bergen lagen die Ursöhne der Mutter Erde. Ohnmächtig in ihrer zerstörenden Wuth gegen das neue[3] herrliche Göttergeschlecht und dessen Verwandten, die fröhlichen Menschen. Des Meers dunkle, grüne Tiefe war einer Göttin Schooß. In den krystallenen Grotten schwelgte ein üppiges Volk[2]..
[169] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 6: Ich hörte einst von alten[1] Zeiten[3] reden; wie da die Thiere[1] und Bäume und Felsen mit den Menschen gesprochen hätten. Mir ist grade so, als wollten sie allaugenblicklich anfangen, und als könnte ich es ihnen ansehen, was sie mir sagen wollten. Es muß noch viel Worte[1] geben, die ich nicht weiß: wüßte ich mehr, so könnte ich viel besser alles begreifen. .
[170] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 22: In alten[1] Zeiten[3] muß die ganze Natur[2] lebendiger und sinnvoller gewesen seyn, als heut zu Tage. Wirkungen, die jetzt kaum noch die Thiere[1] zu bemerken scheinen, und die Menschen eigentlich allein noch empfinden und genießen, bewegten damals leblose Körper; und so war es möglich, daß kunstreiche Menschen allein Dinge möglich machten und Erscheinungen hervorbrachten, die uns jetzt völlig unglaublich und fabelhaft dünken. So sollen vor uralten Zeiten[3] in den Ländern des jetzigen Griechischen[3] Kaiserthums, wie uns Reisende berichtet, die diese Sagen noch dort unter dem gemeinen Volke[5] angetroffen haben, Dichter gewesen seyn, die durch den seltsamen Klang wunderbarer Werkzeuge das geheime Leben der Wälder, die in den Stämmen verborgenen Geister[1/12] aufgeweckt, in wüsten, verödeten Gegenden den todten Pflanzensaamen erregt, und blühende Gärten hervorgerufen, grausame Thiere[4] gezähmt und verwilderte Menschen zu Ordnung und Sitte gewöhnt, sanfte Neigungen und Künste[1] des Friedens in ihnen rege gemacht, reißende Flüsse in milde Gewässer verwandelt, und selbst die todtesten Steine in regelmäßige tanzende Bewegungen hingerissen haben..
[171] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 67: Der Boden war weich und ziemlich eben; die Wände so wie die Decke waren ebenfalls nicht rauh und unregelmäßig; aber was die Aufmerksamkeit Aller vorzüglich beschäftigte, war die unzählige Menge von Knochen und Zähnen, die den Boden bedeckten. Viele waren völlig erhalten, an andern sah man Spuren der Verwesung, und die, welche aus den Wänden hin und wieder hervorragten, schienen steinartig geworden zu seyn. Die Meisten waren von ungewöhnlicher Größe und Stärke. Der Alte[2] freute sich über diese Überbleibsel einer uralten Zeit[3]; nur den Bauern war nicht wohl dabey zu Muthe, denn sie hielten sie für deutliche Spuren naher Raubthiere, so überzeugend ihnen auch der Alte[2] die Zeichen eines undenklichen Alterthums[1] daran aufwies, und sie fragte, ob sie je etwas von Verwüstungen unter ihren Heerden und vom Raube benachbarter Menschen gespürt hätten, und ob sie jene Knochen für Knochen bekannter Thiere[1] oder Menschen halten könnten?.
[172] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. I (1830), 40: Doch auf die gelehrte und liebenswürdige Dame zurückzukommen, [...] welche, soviel ich weiß, noch jetzt als Grundsatz aufstellt [...]: daß der Adel[2] wirklich von einer andern Sorte Blut, als andere Menschen, durchströmt werde [...]. Dieser Adel[2] bleibe also vor allem rein und abgeschlossen, lehrt sie, er entehre sich weder durch Industrie noch gemeinnützige Spekulationen, welches eine gewisse Frau von Tonne, in einer sehr gehaltreichen Schrift, als einen Hauptgrund des Verfalles des Adels[2] im Lande aufführt. Etwas schriftstellern und künstlern (auch für Geld, ja selbst für bürgerliches Geld) bleibt jedoch dem Adel[2] erlaubt, wie man überhaupt Künstlern eine Mittelstufe zwischen Adelichen und Bürgerlichen gestattet..
[173] Ritter, Fragm. I (1810), 37, Nr. 56: Pflanzen[1] und Thiere[1] laufen um den Menschen, wie Planeten und Monden um die Sonne. Alles lebt nur durch und für den Menschen, er ist die Centralsonne des Organismus[2] auf Erden. ➢ Volltext.
[174] Ritter, Fragm. II (1810), 207, Nr. 639: Der Mensch ist unter den Thieren[2], was der fliegende Fisch unter den übrigen ist. Er kann sich bisweilen über das Wasser erheben, immer aber fällt er bald wieder herunter..
[175] Schelling, Philos. d. Erf. (1798), SW I, 1, 470: Was nicht progressiv[3] ist, ist kein Objekt der Geschichte[4]. | Der Begriff[1] von progressiv[3] aber muß genauer bestimmt werden. Der Mechanismus z. B. ist, obgleich eine Folge von Handlungen in ihm stattfindet, nicht progressiv[3], weil diese Handlungen im Kreise gehen, wo dann jeder solcher Cyklus von Handlungen nur Einer (immer wiederholten) Handlung gleichgerechnet werden kann. – So gibt es aus demselben Grunde auch keine Geschichte[1] der Thiere[1], als nur im uneigentlichsten Sinn. Erstens keine Geschichte[1] des einzelnen Thiers[1] (als solchen). Denn es ist eingeschlossen in einem Cirkel von Handlungen, über den es nie hinaustritt; was es ist, ist es auf immer, was es seyn wird, ist ihm durch Gesetze eines höhern zwar, aber doch unverbrüchlichen, Mechanismus vorgezeichnet. Dem Menschen aber ist seine Geschichte[1] nicht vorgezeichnet, er kann und soll seine Geschichte[1] sich selbst machen; denn das eben ist der Charakter[1] des Menschen, daß seine Geschichte[1], obgleich sie in praktischer Hinsicht planmäßig seyn soll, doch (eben deßwegen) in theoretischer Rücksicht es nicht seyn kann. – Analogisch nur spricht man von einer Geschichte[1] solcher Thiere[1], in denen 〈471〉 Kunsttrieb ist, z. B. von einer Geschichte[1] des Bibers, der Bienen u. s. w., weil man an ihrer produktiven Arbeitsamkeit ein Analogon von Freiheit[10] wahrzunehmen glaubt, obgleich auch das Täuschung ist, weil, wenn wir den innern Mechanismus der organischen[2] Kräfte eines solchen Thiers[1] einsehen könnten, alle Zufälligkeit jener Produkte verschwinden würde – (vom Gedicht, das auf ächt poetische[4] Art entstanden ist, muß keine Geschichte[1] möglich seyn). .
[176] Schelling, Darst. Syst. (1801), 123: Der potenzirteste positive Pol der Erde ist das Gehirn der Thiere[1], und unter diesen des Menschen. ➢ Volltext.
[177] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 543: Die thierische Natur[1] überhaupt und einzelne thierische Leiber sind an sich von symbolischer Bedeutung, die Natur[2] selbst wird in ihnen 〈544〉 symbolisch. Thierstücke können also nur entweder durch das Herausheben der symbolischen Bedeutung der Gestalten [...] oder nur durch eine höhere Beziehung einigen Kunstwerth haben. Einige holländische Maler sind bis zu Darstellung von Hühnerhöfen heruntergegangen. Wenn eine solche Schilderei noch einigermaßen tolerirt wird, so ist es, weil auch ein Hühnerhof auf das Innere eines Hauses, die Armuth oder den Reichthum des Besitzers kann schließen lassen. Höhere Beziehung und Bedeutung erhalten Thierstücke, wo Thiere[1] wirklich in Handlung[2] und im Kampf entweder untereinander oder mit Menschen dargestellt werden. ➢ Volltext.
[178] Schelling, Würzb. Syst. (!1804), SW I, 6, 488: Die Pflanze[1] ist [...] ein Organ[1] der Erde, [...] ein Organ[1], wodurch sie zur Sonne spricht [...], das Thier[1] ist ein Organ[1] der Sonne, aber wodurch diese [...] zur Erde spricht. Der Mensch dagegen ist losgerissen von der Erde wie das Thier[1] und aufgerichtet wie die Pflanze[1]. Er ist Organ[1] der Erde, 〈489〉 wodurch sie nicht nur die Sonne, sondern die ganze himmlische Umwölbung faßt [...]. Er ist aber ebenso Organ[1] der Sonne, wodurch sie die Erde erkennt und zur Erde spricht, auf der er, ein sichtbarer Gott[4], wandelt, durch seine Bewegung Nähe und Ferne verbindend, und alles umwandelnd und bildend wie die Natur[2]..
[179] Schelling, Bild. Künste (1807), 15: Den Gestirnen ist die erhabenste Zahl und Meßkunst lebendig eingebohren, die sie, ohne einen Begriff[1] derselben, in ihren Bewegungen ausüben. Deutlicher obwohl ihnen selbst umfaßlich erscheint die lebendige Erkenntniß in den Thieren[1], welche wir darum, sind sie gleich besinnungslos, unzählige Wirkungen vollbringen sehen, die viel herrlicher sind als sie selbst: den Vogel, der von Musik[6] berauscht in seelenvollen Tönen[11] sich selbst übertrifft, das kleine Kunstbegabte Geschöpf, das ohne Uebung und Unterricht leichte Werke der Architektur vollbringt, alle aber geleitet von einem übermächtigen Geist[12], der schon in einzelnen Blicken von Erkenntniß leuchtet, aber noch nirgends als die volle Sonne, wie im Menschen, hervortritt..
[180] Schiller, Zushg. thier. Nat. (1780), NA 20, 56: [D]er Mensch mußte Thier[1] seyn, eh er wußte daß er ein Geist[31] war, er mußte am Staube kriechen, eh er den Newtonischen Flug durch Universum wagte..
[181] Schiller, an C. G. Körner (28.–31. 7. 1787), NA 24, 117: Auf dem Spaziergang mit Wieland im Stern hatte ich durch Wieland einige Weimarische Menschen kennen lernen, die an uns vorbei passierten. Ein Spaß begegnete mir. Wir stießen auf drei Frauenzimmer, worunter die mittlere und größte sehr hübsch war. Eine andre junge und eine alte[2] waren dabei, die sich sehr vertraut mit Wieland unterhielt. Ich blieb in einiger Entfernung gleichgültig zurück, unterließ aber nicht meine Augen an der schönen[1] zu weiden. Als sie weg waren, frug ich Wieland ziemlich hastig, wer diese Schöne[1] gewesen. „Ein Fräulein von – –“ (ich weiß den Namen nicht mehr) war die Antwort. – Und die anderen? – „Meine Frau[3] und Tochter.“ Ich wurde roth biß über die Ohren[1], weil ich erstaunlich gleichgültig nach den leztern gefragt hatte, denn Wieland hatte mich seiner Familie noch nicht vorgestellt gehabt und also kannte ich sie nicht. Er half mir aber aus dieser Verlegenheit, indem er sich selbst über die Schönheit[1] der andern verbreitete..
[182] Schiller, an L. F. Huber (14. 9. 1787), NA 24, 156: Ich war anfangs neugierig auf die regierende Herzogin [...]. [...] Man sagt daß sie ein edles Geschöpf sey, aber sie ist kalt und viele halten sie für stolz. Daß ich mich ihr nicht vorstellen laße wirst Du sehr billigen, wenn ich Dir sage, daß es nicht erwartet wird. Es ohne das zu thun, da ich keine Garderobe habe nach Hof zu gehen, da ich für diese Welt gar nicht gemacht bin, da ich als ein unbedeutender bürgerlicher Mensch unter dem Adel[2] doch eine sehr precaire Rolle spielen müßte, die meinem Stolze weh thun würde und da ich sie nie anders als in einer Theegesellschaft und niemals allein sprechen kann, würde sehr lächerlich seyn..
[183] Schiller, an F. Chr. v. Augustenburg (13. 7. 1793), NA 26, 263: Wenn die Kultur[8] ausartet, so geht sie in eine weit bösartigere Verderbniß über, als die Barbarey je erfahren kann. Der sinnliche Mensch kann nicht tiefer als zum Thier[10] herabstürzen; fällt aber der aufgeklärte, so fällt er bis zum Teuflischen herab, und treibt ein ruchloses Spiel mit dem heiligsten der Menschheit[1]..
[184] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 139: [S]o würde [...] der Mensch in Gefahr schweben[5], gerade da, wo er sich durch den Gebrauch seiner Freyheit[10] zu den reinen Intelligenzen[2] erhebt, als Erscheinung zu sinken und in dem Urtheile des Geschmacks zu verlieren, was er vor dem Richterstuhl der Vernunft[1] gewinnt. ➢ Volltext.
[185] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 159: Bey der Gestalt des Menschen begnügen wir uns [...] nicht damit, daß sie uns bloß den allgemeinen Begriff[1] der Menschheit[1], oder was etwa die Natur[2] zu Erfüllung desselben an diesem Individium wirkte, vor Augen stelle, denn das würde er mit jeder technischen Bildung[10] gemein haben. Wir erwarten noch von seiner Gestalt, daß sie uns zugleich offenbare, inwieweit er in seiner Freyheit[10] dem Naturzweck entgegenkam, d. i. daß sie Karakter[2] zeige. ➢ Volltext.
[186] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 159 f. (160): Die Bildung[10] eines Menschen ist also nur in so weit seine Bildung[10], als sie mimisch ist; 〈160〉 aber auch so weit sie mimisch ist, ist sie sein. Denn, wenn gleich der größere Theil dieser mimischen Züge, ja wenn gleich alle bloßer Ausdruck der Sinnlichkeit wären und ihm also schon als bloßem Thiere[11] zukommen könnten, so war er bestimmt und fähig, die Sinnlichkeit durch seine Freyheit[10] einzuschränken. Die Gegenwart solcher Züge beweist also den Nichtgebrauch jener Fähigkeit und die Nichterfüllung jener Bestimmung; ist also ebenso gewiß moralisch sprechend, als die Unterlassung einer Handlung[1], welche die Pflicht gebietet, eine Handlung[1] ist. ➢ Volltext.
[187] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 174: Der [...] Geist[19] läßt die von ihm abhängende Natur[12], sowohl da, wo sie im Dienst seines Willens handelt, als da, wo sie seinem Willen vorgreifen will, erfahren, daß er ihr Herr ist. Unter seiner strengen Zucht wird also die Sinnlichkeit unterdrückt erscheinen, und der innere Widerstand wird sich von außen durch Zwang verraten. Eine solche Verfassung des Gemüths kann [...] der Schönheit[1] nicht günstig seyn, welche die Natur[12] nicht anders als in ihrer Freyheit[1] hervorbringt, und es wird daher auch nicht Grazie seyn können, wodurch die mit dem Stoffe kämpfende moralische Freyheit[10] sich kenntlich macht. | Wenn hingegen der Mensch, unterjocht vom Bedürfniß, den Naturtrieb ungebunden über sich herrschen läßt, so verschwindet mit seiner innern Selbständigkeit auch jede Spur derselben in seiner Gestalt. [...] Nachgelassen hat aller 〈175〉 Widerstand der moralischen Kraft, und die Natur[13] in ihm ist in volle Freyheit[1] gesetzt. Aber eben dieser gänzliche Nachlaß der Selbstthätigkeit, der im Moment des sinnlichen Verlangens und noch mehr im Genuß zu erfolgen pflegt, setzt augenblicklich auch die rohe Materie in Freyheit[1], die durch das Gleichgewicht der thätigen und leidenden Kräfte bisher gebunden war. Die todten Naturkräfte fangen an, über die lebendigen der Organisation[3] die Oberhand zu bekommen, die Form von der Masse, die Menschheit[1] von gemeiner Natur[13] unterdrückt zu werden..
[188] Schiller, Anm. u. Würd. (1793), 186: Es erweckt mir kein gutes Vorurtheil für einen Menschen, wenn er der Stimme[14] des Triebes so wenig trauen darf, daß er gezwungen ist, ihn jedesmal erst vor dem Grundsatze der Moral abzuhören; vielmehr achtet man ihn hoch, wenn er sich demselben ohne Gefahr, durch ihn mißgeleitet zu werden, mit einer gewissen Sicherheit vertraut. Denn das beweist, daß beide Principien in ihm sich schon in derjenigen Uebereinstimmung befinden, welche das Siegel der vollendeten Menschheit[1] und dasjenige ist, was man unter einer schönen[2] Seele verstehet. | Eine schöne[2] Seele nennt man es, wenn sich das sittliche Gefühl aller Empfindungen des Menschen endlich bis zu dem Grad versichert hat, daß es dem Affekt die Leitung des Willens ohne Scheu überlassen darf und nie Gefahr läuft, mit den Entscheidungen desselben im Widerspruch zu stehen. Daher sind bey einer schönen[2] Seele die einzelnen Handlungen[1] eigentlich nicht sittlich, sondern der ganze Charakter[1] ist es. Man kann ihr auch keine einzige darunter zum Ver〈187〉dienst anrechnen, weil eine Befriedigung des Triebes nie verdienstlich heißen kann. Die schöne[2] Seele hat kein andres Verdienst, als daß sie ist. Mit einer Leichtigkeit, als wenn bloß der Instinkt aus ihr handelte, übt sie der Menschheit[4] peinlichste Pflichten aus, und das heldenmüthigste Opfer, das sie dem Naturtriebe abgewinnt, fällt wie eine freywillige Wirkung eben dieses Triebs, in die Augen. Daher weiß sie selbst auch niemals um die Schönheit[1] ihres Handelns, und es fällt ihr nicht mehr ein, daß man anders handeln und empfinden könnte; dagegen ein schulgerechter Zögling der Sittenregel [...] jeden Augenblick bereit seyn wird, vom Verhältniß seiner Handlungen[1] zum Gesetz die strengste Rechnung abzulegen. Das Leben des Letztern wird einer Zeichnung gleichen, worin man die Regel durch harte Striche angedeutet sieht und an der allenfalls ein Lehrling die Prinzipien der Kunst[4] lernen könnte. Aber in einem schönen[2] Leben sind, wie in einem Titianischen Gemälde, alle jene schneidenden Grenzlinien verschwunden, und doch tritt die ganze Gestalt nur desto wahrer, lebendiger, harmonischer hervor. ➢ Volltext.
[189] Schiller, Ästh. Erzieh. (1795), NA 20, 393: Es sey nun, daß die Vernunft[1] in dem Menschen noch gar nicht gesprochen habe, und das Physische noch mit blinder Nothwendigkeit über ihn herrsche; oder daß sich die Vernunft[1] noch nicht genug von den Sinnen[3] gereinigt habe, und das Moralische dem Physischen noch diene, so ist in beyden Fällen das einzige in ihm gewalthabende Princip ein materielles und der Mensch, wenigstens seiner letzten Tendenz nach, ein sinnliches Wesen; mit dem einzigen Unterschied, daß er in dem ersten Fall ein vernunftloses, in dem zweyten ein vernünftiges Thier[11] ist. Er soll aber keines von beyden, er soll Mensch seyn; die Natur[13] soll ihn nicht ausschließend und die Vernunft[1] soll ihn nicht bedingt beherrschen..
[190] Schiller, Ged. I (1799), NA 1, 432: Freiheit[3] liebt das Thier[1] der Wüste, | Frei[5] im Aether herrscht der Gott[4], | Ihrer Brust gewaltge Lüste | Zähmet das Naturgebot, | Doch der Mensch, in ihrer Mitte, | Soll sich an den Menschen reihn, | Und allein durch seine Sitte | Kann er frei[10] und mächtig seyn..
[191] Schiller, Nothw. Grenz. (1795 [hier: 21800]), NA 21, 22: So lange der Mensch noch ein Wilder ist, seine Triebe bloß auf materielle Gegenstände gehen, und ein Egoism von der gröbern Art seine Handlungen[1] leitet, kann die Sinnlichkeit nur durch ihre blinde Stärke der Moralität gefährlich seyn, und sich den Vorschriften der Vernunft[1] bloß als eine Macht widersetzen. Die Stimme[14] der Gerechtigkeit, der Mässigung, der Menschlichkeit wird von der lauter sprechenden Begierde überschrien. Er ist fürchterlich in seiner Rache, weil er die Beleidigung fürchterlich empfindet. Er raubt und mordet, weil seine Gelüste dem schwachen Zügel der Vernunft[1] noch zu mächtig sind. Er ist ein wüthendes Thier[4] gegen andre, weil ihn selbst der Naturtrieb noch thierisch beherrscht..
[192] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 92 f.: Nicht dem Menschen allein, auch vielen Gattungen von Thieren[1] dringt das Gefühl ihres Zustandes gewisse Laute ab, die von verwandten Geschöpfen mit einer ähnlichen, oft fast eben so starken, Erschütterung der Nerven, wie die, welche sie erzeugte, vernommen werden. Bey manchen bleibt die Stimme[1] nur für die dringendste Noth, für die heftigsten Leidenschaften aufgespart, und selbst ihre Geselligkeit ist meistens stumm. Anderen hin〈93〉gegen ist bey einer Organisation[5], die sich der menschlichen weit weniger nähert, zum Theil auch bey beschränkteren Anlagen und einem geringern Maaße von Gelehrigkeit, der vielfachste, beredteste Ausdruck sogar der zarteren Regungen, und, wie es scheint, eine unermüdliche Lust an ihren eignen Tönen[1] gegönnet. | Wenn man den Menschen, bloß nach seiner körperlichen Zusammensetzung betrachtet, zu jenem rechnet: (und dieß hat allen Anschein für sich; denn zu unsrer Demüthigung gleichen wir dem häßlichsten[1] Affen viel mehr als der Nachtigall) so ist es allerdings einleuchtend, daß der Schrey körperlicher Schmerzen oder thierischer Begierden, vom ersten Wimmern des Neugebohrnen bis zum letzten Aechzen des Sterbenden, sich nie bis zur Rede erheben kann; und der Empfindung wird folglich mit Recht aller Antheil an ihrer Entstehung abgesprochen. Selbst die einfachen Ausrufe der Leidenschaft, (Interjektionen) welche auch die verfeinteste Sprache[3] noch gelten läßt, sind eigentlich nicht mehr jene unwillkührlich hervorgebrachten Laute selbst, sondern vertreten sie nur durch ihren gemilderten Ausdruck, und fliessen also mit allen übrigen Wörtern[1] aus der gemeinschaftlichen Quelle der Nachahmung her. ➢ Volltext.
[193] A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II (1795), Hor. IV.11, 99: In der Empfänglichkeit des Menschen allein, wäre sie auch noch so vieles zarter und umfassender als in den übrigen Thieren[2], liegt kein unterscheidendes Kennzeichen seiner Natur[1]. Er würde also, wie wir es an jenen sehen, mit den Vorzügen seiner Organisazion[5] durch alle Geschlechter[10] hin beständig auf eben dem Punkte beharren, wäre ihm nicht eine selbstthätige Richtung derselben verliehen. ➢ Volltext.
[194] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 281: Das Symbolische der aufrechten Stellung [...] ist schon erwähnt worden. Es deutet auf die nähere freyere[5] Beziehung, worin der Mensch zur Sonne und dadurch zum ganzen übrigen Universum steht, da die Thiere[1] an die Scholle gefesselt, gleichsam Leibeigne der Erde sind..
[195] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 455: Es giebt kein andres Mittel sich der Gewalt des Schicksals zu entziehen, als sich in die Arme der Vorsehung zu werfen. Dieß that denn auch die Welt, als das Schicksal eben an allem Großen und Herrlichen des Alterthums[3] seine letzten Tücken übte; als die schöne[1] Kunstwelt Griechenlands nach Gesetzen der organischen[6] Auflösung in sich zerfallen war, und die prachtvolle Weltherrschaft Roms durch die Last ihrer eignen Größe erdrückt ward, und die Nemesis des Römischen Übermuthes in barbarischen Horden hereinbrach. Da verlohren die alten[10] Götter[4] ihre Kraft, die laute Freude der Feste schwieg[4], die Orakel verstummten, und der Mensch, gleichsam aus seinem 〈geliebten〉 irdischen Wohnsitze ohne Rückhalt vertrieben, mußte eine höhere geistige Heimath suchen..
[196] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 147: Heutiges Tages, wo den meisten Menschen und Nationen[1] die Idee von der organischen[6] Bildung[10] und Construction eines poetischen[4] oder überhaupt Kunstganzen durchaus abhanden gekommen, geht es dem Dante eben, wie andern großen romantischen[12] Dichtern[1] z. B. Shakspeare und Cervantes, denen man eine Auszeichnung zu erweisen glaubt, wenn man sie Stellenweise lobt..
[197] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 107: Innere Freyheit[10] und äußere Nothwendigkeit, dieß sind die beyden Pole der tragischen Welt. Jede dieser Ideen wird erst durch den Gegensatz der andern zur vollen Erscheinung gebracht. Da das Gefühl innrer Selbstbestimmung den Menschen über die unumschränkte Herrschaft des Triebes, des angebohrnen Instinktes erhebt, ihn mit einem Worte[2] von der Vormundschaft der Natur[13] losspricht, so kann auch die Nothwendigkeit, welche er neben ihr anerkennen soll, keine bloße Natur-Nothwendigkeit 〈108〉 seyn, sondern sie muß jenseits der sinnlichen Welt im Abgrunde des Unendlichen liegen; folglich stellt sie sich als die unergründliche Macht des Schicksals dar. ➢ Volltext.
[198] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 349: Hierin ist die Komödie der Fabel am nächsten verwandt: wie die Fabel vernunftbegabte Thiere[1] aufführt, so jene dem thierischen Triebe mit Verstand[1] dienende Menschen. Dem thierischen Triebe, das heißt der Sinnlichkeit, und noch allgemeiner ausgedrückt, der Selbstliebe. Wie Heroismus und Aufopferung zur tragischen Person adelt, so sind die komischen Personen ausgemachte Egoisten. ➢ Volltext.
[199] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 91: Wir sehen hier eine neue[1] Bestimmung im Begriff[1] der Handlung[1], nämlich die Beziehung auf die Idee der sittlichen Freyheit[10], kraft welcher allein der Mensch als der erste Urheber seiner Entschlüsse betrachtet wird. [...] Wir haben in dieser Beziehung auf eine höhere Idee allerdings die Einheit und Ganzheit der Tragödie im Sinne der Alten[10] gesucht: nämlich ihr absoluter Anfang ist die Bewährung der Freyheit[10], die Anerkennung der Nothwendigkeit ihr absolutes Ende. ➢ Volltext.
[200] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 24, Nr. 66: Verworrenheit, Ungeschick, Inconsequenz [...], Fehler der progreßiven[3/5] Menschen. 〈Vornehm = Classisch[7].〉 Ohne Classizität werden progreßive[3] Menschen regreßiv. 〈Unser ganzes Zeitalter auch ein progreßiver[3] Mensch; daher dieselbe Toleranz nöthig. –〉 Da liegt die Deduction der φλ [Philologie], die Nothwendigkeit d[es] Studiums d[er] Alten[10]..
[201] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 32 f. (33): Schon in den frühesten Zeitaltern der Europäischen Bildung[5] finden sich unverkennbare Spuren des künstlichen Ursprungs der 〈33〉 modernen[1] Poesie[11]. Die Kraft, der Stoff war zwar durch Natur[13] gegeben: das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2] war aber nicht der Trieb, sondern gewisse dirigirende Begriffe[1] [...]. Selbst der individuelle Charakter[1] dieser Begriffe[1] war durch Umstände veranlaßt, und durch die äußre Lage nothwendig bestimmt. Daß aber der Mensch nach diesen Begriffen[1] sich selbst bestimmte, den gegebnen Stoff ordnete, und die Richtung seiner Kraft determi〈34〉nierte; das war ein freyer[10] Aktus des Gemüths. Dieser Aktus ist aber eben der ursprüngliche Quell, der erste bestimmende Anstoß der künstlichen Bildung[2], welcher also mit vollem Recht der Freyheit[10] zugeschrieben wird. Die Phantasterey der Romantischen[12] Poesie[11], hat nicht etwa wie Orientalischer[1] Bombast eine abweichende Naturanlage zum Grunde. Es sind vielmehr abenteuerliche[3] Begriffe[1], durch welche eine an sich glückliche, dem Schönen[2] nicht ungünstige Phantasie[1] eine verkehrte Richtung genommen hatte. Sie stand also unter der Herrschaft von Begriffen[1]; und so dürftig und dunkel diese auch seyn mochten, so war doch der Verstand[2] das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2]..
[202] F. Schlegel, Fragm. Poes. u. Litt. (*1799), KFSA 16, 274, Nr. 252: Poesie[2/11] ist d[er] ursprüngl[iche] Zustand d.[es] Menschen und auch d[er] letzte. Alle oriental[ische][1] φ [Philosophie] nur π [Poesie][11]. Die höchste Moral wird Poesie[11]. Nur durch Poesie[11] kann der Mensch sein Dasein zum Dasein d[er] Menschheit[2] erweitern. Nur in ihr sind Alle Mittel jedes Einen. – Der Witz[4] ist d[ie] Rückkehr zur Poesie[11]. –.
[203] F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 205 f. (206): Beim ersten Aufschwunge der noch ungeschwächten Geisteskraft ist die europäische Philosophie überall Idealismus [...]. [...] Freilich hat man noch nicht gefunden, daß eine solche Philo〈206〉sophie bei irgend einem Volke[1] entstanden sei, das wirklich sich selbst überlassen und von den Quellen und Strömen der alten gemeinsamen Ueberlieferung ganz weit entfernt lag; und wenn diese Weisheit wirklich so ganz aus sich selbst geschöpft wäre, als sie es vorgiebt, so würde sie sich wohl auch selbst besser aus den unsäglichen Verirrungen helfen können, in die sie sich auf diesem Wege jederzeit verwickelt hat. Diese häufen sich immer so sehr und so schnell, daß die Philosophie bald skeptisch wird, bis sie endlich, wenn die Verstandeskräfte durch langes Zweifeln hinlänglich geschwächt worden, zu der blos empirischen Denkart herabsinkt, wo der Gedanke der Gottheit, wenn er auch dem Nahmen nach stehen bleibt, doch im Grunde vernichtet wird, überhaupt die Idee ganz verschwindet, und der Mensch unter dem Vorwand einer vernünftigen Beschränkung auf den allein nützlichen Erfahrungskreis, den höheren Geist[14], der ihn doch allein wesentlich vom Thier[1] unterscheidet, als ein falsches Streben aufgiebt. ➢ Volltext.
[204] Schleiermacher, Religion (1799), 52: Spekulazion und Praxis haben zu wollen ohne Religion[3], ist verwegener Übermuth, es ist freche Feindschaft gegen die Götter[4/6], es ist der unheilige Sinn[10] des Prometheus, der feigherzig stahl, was er in ruhiger Sicherheit hätte fordern und erwarten können. Geraubt nur hat der Mensch das Gefühl seiner Unendlichkeit und Gottähnlichkeit, und es kann ihm als unrechtes Gut nicht gedeihen, wenn er nicht auch seiner Beschränktheit sich bewußt wird, der Zufälligkeit seiner ganzen Form, des geräuschlosen Verschwindens seines ganzen Daseins im Unermeßlichen. Auch haben die Götter[4/6] von je an diesen Frevel gestraft. Pra〈53〉xis ist Kunst[2], Spekulazion ist Wissenschaft[1], Religion[3] ist Sinn[5] und Geschmak fürs Unendliche. Ohne diese, wie kann sich die erste über den gemeinen Kreis abenteuerlicher[3] und hergebrachter Formen erheben? wie kann die andere etwas beßeres werden als ein steifes und mageres Skelet? ➢ Volltext.
[205] Schleiermacher, Brf. Lucind. (1800), 1: Ein tüchtiges Urtheil, wie wir es über die Bücher fällen, die so vorkommen, wirst Du doch nicht erwarten? Du weißt ja, [...] wie ich scheu und bedächtig und ehrerbietig mit Allem umgehe, was sich mir als ein eigen gebildetes Wesen ankündigt, sei es ein Mensch oder ein Gedanke oder ein gebildetes Werk, und wie 〈2〉 lange und unersättlich ich bei der Anschauung verweile, ehe ich mich an etwas wage, was einer Uebersicht oder einem Urtheil ähnlich ist. Und nun gar dieses Werk, welches wie eine Erscheinung aus einer künftigen Gott[1] weiß wie weit noch entfernten Welt da steht! Gewiß, sie könnte eben so lange vollendet sein, als sie nun unvollendet ist, ehe ich es mir erlauben würde, in diesem Sinne[1] etwas über die Composition und die Kunst[13] darin überhaupt zu sagen, das heißt wirklich zu meinen. Verhielte sich auch der zweite Theil zu dem ersten nur wie die Rückseite einer Schaumünze oder das Gegenstück eines Gemäldes; so würde ich mir bis zur Vollendung Schweigen[2] und Ungewißheit gebieten, wieviel Betrachtungen dieser Art sich mir auch aufdrängen, seitdem ich mit dem Geist12 und Charakter[1] des Buchs recht gesättigt bin, und seitdem Friedrich Schlegel seine Ansicht von der romantischen[1] Poesie[1] in so klaren Worten[2] von sich gegeben hat. Doch lieber Freund, dieses Aufschieben eines vollendeten Urtheils geht bei mir nicht nur auf die Composition, sondern auf Alles, und ich müßte zu meinem Unglück weniger hohe Begriffe[1] von dem haben, was die Kritik[2] eigentlich leisten kann und soll, wenn es anders wäre. ➢ Volltext.
[206] Schleiermacher, Meth. d. Übers. (1813), SW 3.2, 234: Wenn wir in die Zeiten[3] zurükkgehn, wo die romanischen[1] Sprachen[3] anfingen sich zu bilden, wer kann sagen, welche Sprache[3] damals den dortigen Menschen sei angeboren gewesen? und wer wird läugnen wollen, daß denen, welche eine wissenschaftliche Bestrebung ergriffen, das lateinische mehr Muttersprache gewesen als das volgare? ➢ Volltext.
[207] Schleiermacher, Meth. d. Übers. (1813), SW 3.2, 236: Wie Einem Lande, so auch Einer Sprache[3] oder der andern, muß der Mensch sich entschließen anzugehören, oder er schwebt[5] haltungslos in unerfreulicher Mitte. Es ist recht, daß noch jetzt unter uns lateinisch geschrieben wird von Amtswegen, um das Bewußtsein lebendig zu erhalten, daß dies unserer Vorfahren wissenschaftliche und heilige Muttersprache gewesen ist; es ist heilsam, daß es auch sonst geschehe im Gebiet der gemeinsamen europäischen Wissenschaft[1], des leichten Verkehrs wegen; aber gelingen wird es auch in diesem Fall nur in dem Maaß, als für eine solche Darstellung der Gegenstand alles ist, und die eigene Ansicht und Verknüpfung wenig. Dasselbe ist der Fall mit dem romanischen[1]. Wer gezwungen und von Amtswegen eine solche Sprache[3] schreibt, der wird sich doch wol bewußt sein, daß seine Gedanken im ersten Entstehen deutsch[2] sind, und daß er nur sehr früh während der Embryo sich noch gestaltet schon anfängt sie zu übersezen[1]; und wer sich einer Wissenschaft[2] wegen 〈237〉 dazu aufopfert, der wird sich auch nur da leicht ungezwungen und ohne geheimes Uebersezen[1] finden, wo er sich ganz in der Gewalt des Gegenstandes fühlt. [...] Die Production in der fremden[4] Sprache[3] ist keine ursprüngliche; sondern Erinnerungen an einen bestimmten Schriftsteller oder auch an die Weise eines gewissen Zeitalters, das gleichsam eine allgemeine Person vorstellt, schweben der Seele fast wie ein lebendiges äußeres Bild vor, und die Nachahmung desselben leitet und bestimmt die Production. ➢ Volltext.
[208] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 8: Der Hauptunterschied zwischen allen unsern Vorstellungen ist der des Intuitiven und Abstrakten. Letzteres macht nur eine Klasse[1] von Vorstellungen aus, die Begriffe[1]: und diese sind auf der Erde allein das Eigenthum des Menschen, dessen ihn von allen Thieren[1] unterscheidende Fähigkeit zu denselben von jeher Vernunft[1] genannt worden ist. ➢ Volltext.
[209] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 30: Aus dem Gesagten ergiebt sich, daß alle Thiere[1] Verstand[1] haben, selbst die unvollkommensten: denn sie alle erkennen Objekte, und diese Erkenntniß bestimmt als Motiv ihre Bewegungen. – Der Verstand[1] ist in allen Thieren[1] und allen Menschen der nämliche, hat überall die selbe einfache Form: Erkenntniß der Kausalität, Uebergang von Wirkung auf Ursach und von Ursach auf Wirkung, und nichts außerdem. Aber die Grade seiner Schärfe und die Ausdehnung seiner Erkenntnißsphäre sind höchst verschieden, mannigfaltig und vielfach abgestuft, vom niedrigsten Grad, welcher nur das Kausalitätsverhältniß zwischen dem unmittelbaren Objekt und den mittelbaren erkennt, also eben hinreicht, durch den Uebergang von der Einwirkung, welche der Leib erlitten auf dessen Ursach, diese als Objekt im Raum anzuschauen, bis zu den höheren Graden der Erkenntniß des kausalen Zusammenhanges der bloß mittelbaren Objekte unter einander, welche bis zum Verstehn der zusammengesetztesten Verkettungen von Ursachen und Wirkungen in der Natur[2] geht. Denn auch dieses letztere gehört immer noch dem Verstande[1] an, nicht der Vernunft[1], deren abstrakte Begriffe[1] nur dienen können, jenes unmittelbar Verstandene aufzunehmen, und zu fixiren, nie das Verstehn selbst hervorzubringen. ➢ Volltext.
[210] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 33 f.: Wie bei den Menschen die Grade der Schärfe des Verstandes[1] sehr verschieden sind, so sind sie zwischen den verschiedenen Thiergattungen es wohl noch mehr. Bei allen, selbst denen, welche der Pflanze[1] am nächsten stehn, ist doch so viel Verstand[1] da, als zum Uebergang von der Wirkung im unmittelbaren Objekt zum vermittelten als Ursach, also zur Anschauung, zur Apprehension eines Objekts, hinreicht: denn diese eben macht sie zu Thieren[1], indem sie ihnen die Möglichkeit giebt einer Bewegung nach Motiven und dadurch des Aufsuchens, wenigstens Ergreifens der Nahrung; statt daß die Pflanzen[1] nur Bewegung auf Reize haben, deren unmittelbare Einwirkung sie abwarten müssen, oder verschmachten, nicht ihnen nachgehn oder sie ergreifen können. In den vollkommensten Thieren[1] bewundern wir ihre große Sagacität: so beim Hunde, Elephanten, Affen, beim Fuchse, dessen Klugheit Büffon so meisterhaft geschildert hat. An diesen allerklügsten Thieren[1] können wir ziemlich genau abmessen, wie viel der Verstand[1] ohne Beihülfe der Vernunft[1], d. h. der abstrakten Erkenntniß in Begriffen[1], vermag: an uns selbst können wir dieses nicht so erkennen, weil Verstand[1] und Vernunft[1] sich da immer wechselseitig unterstützen. Wir finden deshalb oft die Verstandesäußerungen der Thiere[1] bald 〈34〉 über, bald unter unserer Erwartung: einerseits überrascht uns die Sagacität jenes Elephanten, der, nachdem er auf seiner Reise in Europa schon über viele Brücken gegangen war, sich einst weigert, eine zu betreten, über welche er doch wie sonst den übrigen Zug von Menschen und Pferden gehn sieht, weil sie ihm für sein Gewicht zu leicht gebaut scheint: andrerseits wieder wundern wir uns, daß die klugen Orang-Utangs das vorgefundene Feuer, an dem sie sich wärmen, nicht durch Nachlegen von Holz unterhalten: ein Beweis, daß dieses schon eine Ueberlegung erfordert, die ohne abstrakte Begriffe[1] nicht zu Stande kommt. Daß die Erkenntniß von Ursache und Wirkung, als die allgemeine Verstandesform, auch sogar a priori den Thieren[1] einwohne, ist zwar schon daraus völlig gewiß, daß sie ihnen, wie uns, die vorhergehende Bedingung aller anschaulichen Erkenntniß der Außenwelt ist: will man jedoch noch einen besonderen Beleg dazu, so betrachte man z. B. nur, wie selbst ein ganz junger Hund nicht wagt vom Tische zu springen, so sehr er es auch wünscht, weil er die Wirkung der Schwere seines Leibes vorhersieht, ohne übrigens diesen besonderen Fall schon aus Erfahrung zu kennen. Wir müssen indessen bei Beurtheilung des Verstandes[1] der Thiere[1] uns hüten, nicht ihm zuzuschreiben, was Aeußerung des Instinkts ist, einer von ihm, wie auch von der Vernunft[1], gänzlich verschiedenen Eigenschaft, die aber oft der vereinigten Thätigkeit jener Beiden sehr analog wirkt. ➢ Volltext.
[211] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 40: Nun leitet [...] das Gesetz der Kausalität [...] uns nothwendig zu der sichern Annahme, daß, in der Zeit[1], jeder höher organisirte[5] Zustand der Materie erst auf einen roheren gefolgt ist: daß nämlich Thiere[1] früher als Menschen, Fische früher als Landthiere, Pflanzen[1] auch früher als diese, das Unorganische vor allem Organischen[3] dagewesen ist; daß folglich die ursprüngliche Masse eine lange Reihe von Veränderungen durchzugehn gehabt, bevor das erste Auge sich öffnen konnte. ➢ Volltext.
[212] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 53 ff.: Dieses neue, höher potenzirte Bewußtseyn, dieser abstrakte Reflex alles Intuitiven im nichtanschaulichen Begriff[1] der Vernunft[1], ist es allein, der dem Menschen jene Besonnenheit verleiht, welche sein Bewußtseyn von dem des Thieres[1] so durchaus unterscheidet, und wodurch sein ganzer Wandel auf Erden so verschieden ausfällt von dem seiner unvernünftigen Brüder. Gleich sehr übertrifft er sie an Macht und an Leiden. Sie leben in der Gegenwart allein: er dabei zugleich in Zukunft und Vergangenheit. Sie befriedigen das augenblickliche Bedürfniß: er sorgt durch die künstlichsten Anstalten für seine Zukunft [...] 〈54〉 [...]. Sie sind dem Eindruck des Augenblicks, der Wirkung des anschaulichen Motivs gänzlich anheimgefallen; ihn bestimmen abstrakte Begriffe[1] unabhängig von der Gegenwart: daher führt er überlegte Pläne aus, oder handelt nach Maximen, ohne Rücksicht auf die Umgebung und die zufälligen Eindrücke des Augenblicks, kann daher z. B. mit Gelassenheit die künstlichen Anstalten zu seinem eigenen Tode treffen, kann sich verstellen, bis zur Unerforschlichkeit, und sein Geheimniß mit ins Grab nehmen [...]. Das Thier[1] [...] bestimmt der gegenwärtige Eindruck: nur die Furcht vor dem gegenwärtigen Zwange kann seine Begierde zähmen, bis jene Furcht endlich zur Gewohnheit geworden ist und nunmehr als solche es bestimmt: das ist Dressur. Das Thier[1] empfindet und schaut an; der Mensch denkt überdies und weiß. Das Thier[1] theilt seine Empfindung und Stimmung mit, durch Geberde und Laut: der Mensch theilt dem andern Gedanken mit, durch Sprache[1], oder verbirgt Gedanken, durch Sprache[1]. Sprache[1] ist das erste Erzeugniß und das nothwendige Werkzeug seiner Vernunft[1], welche durch deren Hülfe allein ihre wichtigsten Leistungen zu Stande bringt, nämlich das übereinstimmende Handeln mehrerer Individuen, das planvolle Zusammenwirken vieler Tausende, die Civilisation, den Staat: ferner die Wissenschaft, das Aufbewahren früherer 〈55〉 Erfahrung, das Zusammenfassen des Gemeinsamen in einen Begriff[1], das Mittheilen der Wahrheit, das Verbreiten des Irrthums, das Denken und Dichten, die Dogmen und die Superstitionen. Das Thier[1] lernt den Tod erst im Tode kennen: der Mensch geht mit Bewußtseyn in jeder Stunde seinem Tode näher [...]. ➢ Volltext.
[213] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 55: Daß alle diese so mannigfaltigen und so weit reichenden Aeußerungen aus einem gemeinschaftlichen Princip entspringen, aus jener besonderen Geisteskraft, die der Mensch vor dem Thiere[1] voraus hat, und welche man Vernunft[1], το λογιμον, ratio, genannt hat, ist die einstimmige Meinung aller Zeiten[5] und Völker[1]. Auch wissen alle Menschen sehr wohl die Aeußerungen dieses Vermögens zu erkennen und zu sagen, was vernünftig, was unvernünftig sei, wo die Vernunft[1] im Gegensatz mit andern Fähigkeiten und Eigenschaften des Menschen auftritt, und endlich, was wegen des Mangels derselben auch vom klügsten Thiere[1] nie zu erwarten steht. ➢ Volltext.
[214] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 57: Wie der Verstand[1] nur eine Funktion hat: unmittelbare Erkenntniß des Verhältnisses von Ursache und Wirkung, und die Anschauung der wirklichen Welt, wie auch alle Klugheit, Sagacität und Erfindungsgabe, so mannigfaltig auch ihre Anwendung ist, doch ganz offenbar nichts Anderes sind, als Aeußerungen jener einfachen Funktion; so hat auch die Vernunft[1] eine Funktion: Bildung[1] des Begriffs[1]: und aus dieser einzigen erklären sich sehr leicht und ganz und gar von selbst alle jene oben angeführten Erscheinungen, die das Leben des Menschen von dem des Thieres[1] unterscheiden, und auf die Anwendung oder Nicht-Anwendung jener Funktion deutet schlechthin Alles, was man überall und jederzeit vernünftig oder unvernünftig genannt hat. ➢ Volltext.
[215] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 58 f. (59): Der Sinn[1] der Rede wird unmittelbar vernommen, genau und bestimmt aufgefaßt, ohne daß in der Regel sich Phantasmen einmengten. Es ist die Vernunft[1], die zur Vernunft[1] spricht, sich in ihrem Gebiete hält, und was sie mittheilt und empfängt, sind abstrakte Begriffe[1], nichtanschauliche Vorstellungen, welche ein für alle Mal gebildet und verhältnißmäßig in geringer Anzahl, doch alle unzähli〈59〉gen Objekte der wirklichen Welt befassen, enthalten und vertreten. Hieraus allein ist es erklärlich, daß nie ein Thier[1] sprechen und vernehmen kann, obgleich es die Werkzeuge der Sprache[11] und auch die anschaulichen Vorstellungen mit uns gemein hat; aber eben weil die Worte[1] jene ganz eigenthümliche Klasse[1] von Vorstellungen bezeichnen, deren subjektives Korrelat die Vernunft[1] ist, sind sie für das Thier[1] ohne Sinn[1] und Bedeutung. So ist die Sprache[11], wie jede andere Erscheinung, die wir der Vernunft[1] zuschreiben, und wie Alles, was den Menschen vom Thiere[1] unterscheidet, durch dieses Eine und Einfache als seine Quelle zu erklären: die Begriffe[1], die abstrakten, nicht anschaulichen, allgemeinen, nicht in Zeit[1] und Raum individuellen Vorstellungen. Nur in einzelnen Fällen gehn wir von den Begriffen[1] zur Anschauung über, bilden uns Phantasmen als anschauliche Repräsentanten der Begriffe[1], denen sie jedoch nie adäquat sind. ➢ Volltext.
[216] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 125 f.: Schon am Eingang unserer Betrachtung der Vernunft[1] haben wir im Allgemeinen bemerkt, wie sehr das Thun und der Wandel des Menschen von dem des Thieres[1] sich unterscheidet, und daß dieser Unterschied doch allein als Folge der Anwesenheit abstrakter Begriffe[1] im Bewußtseyn anzusehn ist. Der Einfluß dieser auf unser ganzes Daseyn ist so durchgreifend und bedeutend, daß er uns zu den Thieren[1] gewissermaaßen in das Verhältniß setzt, welches die sehenden Thiere[1] zu den augenlosen (gewisse Würmer und Zoophyten) haben: letztere erkennen durch das Getast allein das ihnen im Raum 〈126〉 unmittelbar Gegenwärtige, sie Berührende: die Sehenden dagegen einen weiten Kreis von Nahem und Fernem. Eben so nun beschränkt die Abwesenheit der Vernunft[1] die Thiere[1] auf die ihnen in der Zeit[1] unmittelbar gegenwärtigen anschaulichen Vorstellungen, d. i. realen Objekte: wir hingegen, vermöge der Erkenntniß in abstracto, umfassen, neben der engen wirklichen Gegenwart, noch die ganze Vergangenheit und Zukunft, nebst dem weiten Reich der Möglichkeit: wir übersehn das Leben frei nach allen Seiten, weit hinaus über die Gegenwart und Wirklichkeit. Was also im Raum und für die sinnliche Erkenntniß das Auge ist, das ist gewissermaaßen in der Zeit[1] und für die innere Erkenntniß die Vernunft[1]. Wie aber die Sichtbarkeit der Gegenstände ihren Werth und Bedeutung doch nur dadurch hat, daß sie die Fühlbarkeit derselben verkündigt, so liegt der ganze Werth der abstrakten Erkenntniß immer in ihrer Beziehung auf die anschauliche. Daher auch legt der natürliche[2] Mensch immer viel mehr Werth auf das unmittelbar und anschaulich Erkannte, als auf die abstrakten Begriffe[1], das bloß Gedachte: er zieht die empirische und metaphysische Erkenntniß der logischen vor: umgekehrt aber sind diejenigen gesinnt, welche mehr in Worten[2], als Thaten leben, mehr in Papier und Bücher, als in die wirkliche Welt gesehn haben, und die in ihrer größten Ausartung zu Pedanten und Buchstabenmenschen werden. ➢ Volltext.
[217] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 190 f.: Auf den obern Stufen der Objektität des Willens sehn wir die Individualität bedeutend hervortreten, besonders beim Menschen, als die große Verschiedenheit individueller Karaktere[2], d. h. als vollständige Persönlichkeit, schon äußerlich ausgedrückt durch stark gezeichnete individuelle Physiognomie, welche die gesammte Korporisation mitbegreift. Diese Individualität hat bei weitem in solchem Grade kein Thier[1]; sondern nur die vollkommensten Thiere[1] haben einen schwachen Anstrich davon, über den jedoch der Gattungskarakter noch ganz und gar vorherrscht, ebendeshalb auch nur wenig Individualphysiognomie. Je weiter abwärts, desto mehr verliert sich jede Spur von Individualkarakter in den allgemeinen der Spe〈191〉cies, deren Physiognomie auch allein übrig bleibt. Man kennt den psychologischen Karakter[1] der Gattung, und weiß daraus genau, was vom Individuo zu erwarten steht; da hingegen in der Menschenspecies jedes Individuum für sich studirt und ergründet seyn will, was, um mit einiger Sicherheit sein Verfahren zum voraus zu bestimmen, wegen der erst mit der Vernunft[1] eingetretenen Möglichkeit der Verstellung, von der größten Schwierigkeit ist. Ohne Zweifel ist es mit diesem Unterschiede der Menschengattung von allen andern zusammenhängend, daß die Furchen und Windungen des Gehirns, bei allen Thieren[1] weit symmetrischer an beiden Seiten und konstanter bei jedem Individuo dieselben sind, als beim Menschen [...]. Ferner ist es als ein Phänomen jenes den Menschen von allen Thieren[1] unterscheidenden eigentlichen Individualkarakters anzusehn, daß bei den Thieren[1] der Geschlechtstrieb seine Befriedigung ohne merkliche Auswahl sucht, während diese Auswahl beim Menschen, und zwar auf eine von aller Reflexion unabhängige, instinktmäßige Weise, so hoch getrieben wird, daß sie bis zur gewaltigen Leidenschaft steigt. Während nun also jeder Mensch als eine besonders bestimmte und karakterisirte Erscheinung des Willens, ja gewissermaaßen als eine eigene Idee anzusehn ist, bei den Thieren[1] aber dieser Individualkarakter im Ganzen fehlt und nur noch die Species eine eigenthümliche Bedeutung hat, ja seine Spur immer mehr verschwindet, je weiter sie vom Menschen abstehn, die Pflanzen[1] endlich gar keine andre Eigenthümlichkeit 〈192〉 des Individuums mehr haben, als solche, die sich aus äußern günstigen oder ungünstigen Einflüssen des Bodens und Klima's[1] und andern Zufälligkeiten vollkommen erklären lassen; so verschwindet endlich im unorganischen Reiche der Natur[2] gänzlich alle Individualität. ➢ Volltext.
[218] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 223: Thier[1] und Pflanze[1] sind die herabsteigende Quinte und Terz des Menschen, das unorganische Reich ist die untere Oktav. ➢ Volltext.
[219] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 255 f.: Dem Dienste des Willens bleibt [...] die Erkenntniß in der Regel immer unterworfen, wie sie ja zu diesem Dienste hervorgegangen, ja dem Willen gleichsam so entsprossen ist, wie der Kopf dem Rumpf. Bei den Thieren[1] ist diese Dienstbarkeit der Erkenntniß unter dem Willen gar nie aufzuheben. Bei den Menschen tritt solche Aufhebung nur als Ausnahme ein [...]. Dieser Unterschied zwischen Mensch und Thier[1] ist äußerlich ausgedrückt durch die Verschiedenheit des Verhältnisses des Kopfes zum Rumpf. Bei den unvollkommnen Thieren[1] sind beide noch ganz verwachsen: bei allen ist der Kopf zur Erde gerichtet, wo die Ob〈256〉jekte des Willens liegen: selbst bei den vollkommneren sind Kopf und Rumpf noch viel mehr Eines, als beim Menschen, dessen Haupt dem Leibe frei aufgesetzt erscheint, nur von ihm getragen, nicht ihm dienend. Diesen menschlichen Vorzug stellt im höchsten Grade der Apoll von Belvedere dar: das weitumherblickende Haupt des Musengottes steht so frei auf den Schultern, daß es dem Leibe ganz entwunden, der Sorge für ihn nicht mehr unterthan erscheint. ➢ Volltext.
[220] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 402: Der Mensch allein trägt in abstrakten Begriffen[1] die Gewißheit seines Todes mit sich herum: diese kann ihn dennoch, was sehr seltsam ist, nur auf einzelne Augenblicke, wo ein Anlaß sie der Phantasie[1] vergegenwärtigt, ängstigen. Gegen die mächtige Stimme[14] der Natur[13] vermag die Reflexion wenig. Auch in ihm, wie im Thiere[1], das nicht denkt, waltet als dauernder Zustand jene [...] 〈403〉 [...] Sicherheit vor, vermöge welcher keinen Menschen der Gedanke des gewissen und nie fernen Todes merklich beunruhigt, sondern jeder dahinlebt, als müsse er ewig leben [...]. ➢ Volltext.
[221] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 427: Das Thier[1] [...] hat nur anschauliche, der Mensch, durch die Vernunft[1], auch abstrakte Vorstellungen, Begriffe[1]. Obgleich nun Thier[1] und Mensch mit gleicher Nothwendigkeit durch die Motive bestimmt werden, so hat doch der Mensch eine eigentliche Wahlbestimmung vor dem Thiere[1] voraus, welche auch oft für eine Freiheit[10] des Willens in den einzelnen Thaten angesehn werden [sic], obwohl sie nichts anderes ist, als die Möglichkeit eines ganz durchgekämpften Konflikts zwischen mehreren Motiven, davon das stärkere ihn dann mit Nothwendigkeit bestimmt; während das Thier[1] nicht vom stärkeren, sondern stets vom zunächst gegenwärtigen Motiv bestimmt wird. Denn in concreto wirkt immer nur ein Motiv zur Zeit[11], weil die anschaulichen Vorstellungen in einer breitelosen Zeitreihe liegen. Das Thier[1], welches nur solche Vorstellungen hat, wird daher immer durch die jedesmal gegenwärtige Vorstellung, wenn sie nur überhaupt ein Motiv für seinen Willen ist, nothwendig bestimmt, ohne Ueberlegung und ohne Wahl. ➢ Volltext.
[222] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 427 f. (428): [N]ur in abstracto können mehrere Vorstellungen, als Urtheile und Ketten von Schlüssen, im Bewußtsein neben einan〈428〉der liegen und dann frei[1] von aller Zeitbestimmung gegen einander wirken, bis das stärkere die übrigen überwältigt und den Willen bestimmt. Dies ist die Wahlbestimmung, welche der Mensch vor dem Thiere[1] voraus hat, und welche auch eines von den Dingen ist, die sein Daseyn so sehr viel quaalvoller als das des Thieres[1] machen; wie denn überhaupt unsere größten Schmerzen nicht in der Gegenwart, als anschauliche Vorstellungen oder unmittelbares Gefühl liegen: sondern in der Vernunft[1], als abstrakte Begriffe[1], quälende Gedanken, von denen das allein in der Gegenwart lebende Thier[1] völlig frei[1] ist. ➢ Volltext.
[223] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 452: Dem bei weitem größten Theil der Menschen aber sind die rein intellektuellen Genüsse nicht zugänglich; der Freude, die im reinen Erkennen liegt, sind sie fast ganz unfähig: sie sind gänzlich auf das Wollen verwiesen: wenn daher irgend etwas ihren Antheil abgewinnen, ihnen interessant[1] seyn soll, so muß es (dies liegt auch schon in der Wortbedeutung) irgendwie ihren Willen anregen, sei es auch nur durch eine ferne und nur in der Möglichkeit liegende Beziehung auf ihn: er darf aber nie ganz aus dem Spiele bleiben, weil ihr Daseyn bei Weitem mehr im Wollen als im Erkennen liegt: Aktion und Reaktion ist ihr einziges Element. Die naiven[1] Aeußerungen dieser Beschaffenheit kann man aus Kleinigkeiten und all〈453〉täglichen Erscheinungen abnehmen: so z. B. schreiben sie an sehenswerthen Orten, die sie besuchen, ihre Namen hin, um so zu reagiren, um auf den Ort zu wirken, da er nicht auf sie wirkte: ferner können sie nicht leicht ein fremdes[4], seltenes Thier[1] bloß betrachten, sondern müssen es reizen, necken, mit ihm spielen, um nur Aktion und Reaktion zu empfinden; ganz besonders aber zeigt jenes Bedürfniß der Willensanregung sich an der Erfindung und Erhaltung des Kartenspieles, welches recht eigentlich der Ausdruck der kläglichen Seite der Menschheit[1] ist. ➢ Volltext.
[224] A. Schopenhauer, Wille u. Vorst. (1819 [1818]), 701: Für das Vermögen der Begriffe[1] habe ich die Vernunft[1] erklärt. Diese ganz eigene Klasse[1] allgemeiner, nicht anschaulicher, nur durch Worte[1] symbolisirter und fixirter Vorstellungen ist es, die den Menschen vom Thiere[1] unterscheidet und ihm die Herrschaft auf Erden giebt. Wenn das Thier[1] der Sklave der Gegenwart ist, keine andere, als unmittelbar sinnliche Motive kennt und daher, wenn sie sich ihm darbieten, so nothwendig von ihnen gezogen oder abgestoßen wird, wie das Eisen vom Magnet; so ist dagegen im Menschen durch die Gabe der Vernunft[1] die Besonnenheit aufgegangen. Diese läßt ihn, rückwärts und vorwärts blickend, sein Leben und den Lauf der Welt leicht im Ganzen übersehn, macht ihn unabhängig von der Gegenwart, läßt ihn überlegt, planmäßig und mit Bedacht zu Werke gehn, zum Bösen wie zum Guten. Aber was er thut, thut er mit voll〈702〉kommnem Selbstbewußtseyn: er weiß genau, wie sein Wille sich entscheidet, was er jedesmal erwählt und welche andere Wahl, der Sache nach, möglich war, und aus diesem selbstbewußten Wollen lernt er sich selbst kennen und spiegelt sich an seinen Thaten. ➢ Volltext.
[225] R. Schumann, Tageb. I (*1828), 101: Die Natur[2] ist das große, entfaltete Schnupftuch Gottes, gestikt mit seinem ewig-blühenden Namen, an dem der Mensch alle Schmerzensthränen abtrocknen kann, aber auch die Freudenthränen..
[226] R. Schumann, Tageb. I (*1828), 101: Wenn der Mensch Etwas sagen will, was er nicht kann, so nimmt er die Sprache[2] der Töne[11] oder die der Blumen – denn die Blumenwelt ist ja so heilig als die Tonwelt u. in Schmerzen oder in der Freude geht der Mensch am liebsten an die Saiten oder in die Natur[2], u. beyde sind ja Bürgen einer Gottheit u. einer Unendlichkeit..
[227] Seume, Ged. (31810 [11801]), 87: Menschen, Widerspruch im großen Ringe, | Räthsel in der Kette dieser Welt, | Zwischen Thier[1] und Engel Mitteldinge, | Durch Vernunft[1] geadelt und entstellt..
[228] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), III: Daß die Menschen nicht mehr einzeln, oder in kleinen Horden, gleich den Thieren[1] des Feldes herum irren, um eine kümmerliche Nahrung zu suchen; daß sie beständige Wohnplätze und einen zuverläßigen Unterhalt haben; daß sie in großen Gesellschaften, und unter guten Gesetzen leben, ist eine Wolthat, die sie dem Verstand[2] zu danken haben, der die mechanischen Künste[1] erfunden, Wissenschaften und Gesetze ausgedacht hat..
[229] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 291: Die Einbildungskraft[1] ist eine der vorzüglichsten Eigenschaften der Seele, deren Mangel den Menschen noch unter die Thiere[1] erniedrigen würde; weil er alsdenn, als eine blosse Maschine, nur durch gegenwärtige Eindrüke und allemal nach Maaßgebung ihrer Stärke würd in Würksamkeit gesetzt werden..
[230] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 610: Ohne Zweifel wollte die Natur[2] durch die von allen Seiten auf uns zuströhmenden Annehmlichkeiten unsre Gemüther überhaupt zu der Sanftmuth und Empfindsamkeit bilden, wodurch das rauhe Wesen, das eine übertriebene Selbstliebe und stärkere Leidenschaften geben, mit Lieblichkeit gemäßiget wird. Diese Schönheiten[3] sind einer in uns liegenden feineren Empfindsamkeit angemessen; durch den Eindruk, den die Farben, Formen und Stimmen[3] der Natur[2] auf uns machen, wird sie beständig gereizt, und dadurch wird ein zarteres Gefühl in uns rege, Geist[22] und Herz werden geschäftiger und nicht nur die gröbern Empfindungen, die wir mit den Thieren[1] gemein haben, sondern auch die sanften Eindrüke werden in uns würksam. Dadurch werden wir zu Menschen; unsre Thätigkeit wird vermehret, weil wir mehrere Dinge interessant[1] finden, es entsteht eine allgemeine Bestrebung aller in uns liegenden Kräfte, wir heben uns aus dem Staub empor, und nähern uns dem Adel[5] höherer Wesen. Wir finden nun die Natur[2] nicht mehr zu der bloßen Befriedigung unsrer thierischen Bedürfnisse, sondern zu einem feinern Genuß und zu allmähliger Erhöhung unsers Wesens eingerichtet..
[231] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 612: In dem Menschen, dessen Geist[22] und Herz so unaufhörlich von allen Arten des Vollkommenen gereizt und gerührt werden, entsteht nothwendig eine Entwiklung und allmählige Verfeinerung aller Seelenkräfte. Die Dummheit und Unempfindlichkeit des rohen natürlichen[2] Menschen verschwindet nach und nach; und aus einem Thier[11], das vielleicht eben so wild war, als irgend ein anderes [Thier1], wird ein Mensch gebildet, dessen Geist[19] reich an Annehmlichkeiten und dessen Gemüthsart liebenswürdig ist..
[232] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 710: Für Werke, die blos zur niedrigen Wollust reizen, lassen sich schlechterdings keine Entschuldigungen anführen, die bey vernünftigen Menschen den geringsten Eindruk machten. Die fleischlichen Triebe, so weit die Natur[2] ihrer bedarf, sind bey Menschen, die ihr Temperament nicht durch Ausschweifungen zu Grunde gerichtet haben, allezeit stark und lebhaft genug; also ist es Narrheit sie über ihren Endzwek zu reizen: aber für verworfene Wollüstlinge zu arbeiten, erniedriget den Künstler. Wer sollte ohne Schaam sich zum Diener solcher unter das Thier[1] erniedrigten Menschen machen, wenn sie auch von hohem Stande wären?.
[233] L. Tieck, an S. Tieck (?ca. Ostern 1794), MZM, 350: [S]ei munter, so viel du es kannst, denn Heiterkeit[4] ist die wahre Medicin des Lebens, eine trübe Laune macht unsre Seelenkräfte stumpfer und der Mensch schrumpft darunter wie eine Mumie zusammen..
[234] L. Tieck, Phant. ü. d. Kunst (1799), 120: Die Musik[1] ist der letzte Geisterhauch, das feinste Element, aus dem die verborgensten Seelenträume, wie aus einem unsichtbaren Bache ihre Nahrung ziehn; sie spielt um den Menschen, will nichts und alles, sie ist ein Organ[1], feiner als die Sprache[1], vielleicht zarter als seine Gedanken, der Geist[32] kann sie nicht mehr als Mittel, als Organ[1] brauchen, sondern sie ist Sache 〈121〉 selbst, darum lebt sie und schwingt sich in ihren eignen Zauberkreisen. ➢ Volltext.
[235] L. Tieck, Zerbino (1799), 315: Cervantes. Das muß ich doch meinem Freunde Shakspeare erzählen, wenn er wieder kömmt. | Nestor. Also der Teufelskerl ist auch hier? Eine kuriose Gesellschaft! Es giebt doch auch nicht einen einzigen klassischen[5] und korrekten Menschen hier, an dem man sein Gemüth auf eine verständige Weise erquicken könnte..
[236] L. Tieck, Gesellsch. Land. (1825), W 3, 258: Es bleibt aber immer eine merkwürdige Anstalt, um diesen Adel[2]. Ein ganzes großes Institut, unzählige Menschen, die an einer fixen Idee leiden, und die doch eben nicht gefährlich werden, oder in das eigentliche Rasen verfallen, weil die Gesunden so halb und halb in ihre verkehrten Vorstellungen einzugehen scheinen, ja sich zuweilen dieser und jener in die nämliche Anstalt mit freiem Entschlusse aufnehmen läßt. Ja, Freund, für den Psychologen ist das eine Erscheinung, an der noch vieles zu lernen ist..
[237] Uhland, Adelskammer (1817), 667: Wir machen dem Adel[2] seine Rechte nicht streitig. Aber man spreche nicht, wie man groß genug getan hat, von Söhnen Gottes[1] und Söhnen der Menschen[1], von Geburt gleich Verdienst. Adelsvorurteil erkennen wir nicht an. Uns ist der Regent ein Mensch[1], den der Staatsvertrag hoch gestellt hat; soll uns der Adel[2] ein Halbgott sein? Wird er das selbst verlangen? Halbgötter gehören der Fabelwelt an, Mensch[6] ist eine ewige Würde..
[238] J. H. Voß, F. Stolberg (1819), 100: Hier auf dem gesegneten Stein aus Münster, stolz im Priesterornat, jener düstere, einem Trappisten vergleichbare Pfaf, und vor ihm mit demütiger Geberde Friz Stolberg samt seiner Sofie? abschwörend den göttlichen, durch Luther wieder errungenen Glauben der Bibel, die St.[olberg] von nun an nicht lesen darf ohne Vergünstigung? abschwörend, was den Menschen über das Thier[1] erhebt, wodurch der Mensch Gottes[1] Ebenbild ward, die heilige Vernunft[3]? O der tiefen, der jammervollen Entwürdigung! ➢ Volltext.
[239] Wackenroder, an seine Eltern (22. 6. 1793), VL 2, 180: In Nürnb[erg] bin ich im rothen Roß abgetreten. Von dem Äußern dieser großen, labyrinthischen Stadt können sie sich wirklich durch Ihre in Kupfer gestochenen u[nd] illuminirten kleinen Prospekte, den beßten Begriff[1] machen. Ich finde mit Vergnügen viele mir längst bekannte Gegenden der Stadt hier in der Natur[2], u[nd] erkenne sie bald. Die Stadt hat wegen der vielen, schwarzen, mit Gothischem Prunk an Bildern u[nd] Zierrathen reich überladenen Kirchen, wegen der alten[1], ganz v[on] Quadern gebauten, festen Häuser, die häufig mit Figuren v[on] Menschen u[nd] Thieren[1] bemahlt, u[nd] auch mit sehr alten[1] Basreliefs in Stein geziert sind, ein antikes[6], abentheuerliches[3] Ansehen. Aber sowohl aus- als inwendig, scheinen mir doch fast alle Häuser keine Spur v[on] modernem[7] Geschmack zu haben. Keine einzige neumodische Façade. Die Hausthür ist [...] fast immer verschlossen; man klingelt, sie springt auf; man geht durch dunkle Winkel eine schlechte Treppe hinauf, u[nd] findet selbst Männer wie H[errn] v[on] Murr u[nd] H[errn] Schaffer Panzer, in Zimmern, die nur durch eine Bibliothek angenehm werden, an Fenstem mit kleinen runden Scheiben, nach dem Hofe oder einem Gäßchen zu, sitzen. Freilich will ich nicht auf alle übrigen Häuser v[on] diesen schließen. Allein v[on] außen wenigstens sind sie alle antik[6]. .
[240] Wackenroder, an seine Eltern (1793), VL 2, 210: Die Domherren sind bey ihrem ehrwürdig seyn sollenden hohen Adel[1] v[on] 16 Ahnen, die übermüthigsten u[nd] ausgelassensten Menschen..
[241] Wackenroder, Herz. (1797 [1796]), 133: Seit meiner frühen Jugend her, da ich den Gott[1] der Menschen zuerst aus den uralten heiligen Büchern unserer Religion[1] kennen lernte, war mir die Natur[2] immer das gründlichste und deutlichste Erklärungsbuch über sein Wesen und seine Eigenschaften. Das Säuseln in den Wipfeln des Waldes, und das Rollen des Donners, haben mir geheimnißvolle Dinge von ihm erzählet, die ich in Worten[2] nicht aufsetzen kann. Ein schönes[1] Thal, von abentheuerlichen[3] Felsengestalten umschlossen, oder ein glatter Fluß, worin gebeugte Bäume sich spiegeln, oder eine 〈134〉 heitere[1/5] grüne Wiese von dem blauen Himmel beschienen, – ach diese Dinge haben in meinem inneren Gemüthe mehr wunderbare Regungen zuwege gebracht, haben meinen Geist[19] von der Allmacht und Allgüte Gottes[1] inniger erfüllt, und meine ganze Seele weit mehr gereinigt und erhoben, als es je die Sprache[2] der Worte[1] vermag. Sie ist, dünkt mich, ein allzu irdisches und grobes Werkzeug, um das Unkörperliche, wie das Körperliche, damit zu handhaben. ➢ Volltext.
[242] Weißenthurn, Braut (1817), 136: Baroninn. Ist denn der Mensch von Adel[1]? | Wolf. Wenn gleich nicht von altem[1] Adel[1/5], doch vom besten. | Baroninn. Wie verstehen Sie das? 〈137〉 | Wolf. Ich verstehe darunter den Adel[5], der aus Herz und Seele quillt, der alles um sich her froh und glücklich machen will, der, wo Geld helfen kann, mit beyden Händen in die Tasche greift, und wo nicht Geld, nur das theilnehmende Wort[2] gilt, Trost und Hülfe aus dem Herzen schöpft. Das ist der Adel[5] vor dem ich mich tief bücke, und am liebsten meinen Hut abnehme. | Baroninn. Also der sentimentale[2], gemüthliche Adel[5]? | Wolf. Ohne den zehen Adelsdiplome doch keinen Edelmann machen; wenn aber eines zum andern kömmt, dann ist der Mann hoch und wohl, und würdig geboren, dann erlebt Gott[1], sein Fürst und die Welt Freude an ihm..
[243] Wieland, Gold. Spiegel (1772 [hier: 1795]), 61: Das Ohr[3] ist, nach dem Auge, der vollkommenste unsrer Sinne[4]. Gewöhnet es an kunstlose, aber seelenvolle Melodien, aus welchen schöne[1] Gefühle atmen, die das Herz in sanfte Bebungen setzen, oder die einschlummernde Seele in süße Träume wiegen. Freude, Liebe, und Unschuld stimmen den Menschen in Harmonie mit sich selbst, mit allen guten Menschen, mit der ganzen Natur[2]. So lang euch diese beseelen, wird jede eurer Bewegungen, der gewöhnliche Ton[5] eurer Stimme[3], eure Sprache[11] selbst wird Musik[5] sein..
[244] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 193: Vielerlei sind der Sprachen[9], Zungen und Charaktere[9] auf der Welt, die einander nicht verstehen; die Poesie[11] aber ist die heilige Flammenzunge, die aus aller Herzen zu aller Herzen spricht und jeden Menschen mit süßem Verständnis bewegt. Die Poesie[11] ist die Natur[19], die ursprüngliche Menschheit[1], die sich mit jeder besonderen Erscheinung der Menschheit[1] auf dem Felde der Geschichte[1] gattet und daher, so allgemein menschlich sie in ihrer Quelle ist, doch jedesmal einer besonderen Menschheit[3], einem gewissen Zeitalter eigentümlich angehört. Man kann daher mit Recht von einer katholischen und griechischen[2] Poesie[11] sprechen, von einer romantischen[13] und klassischen[7], nur wird man sich hüten, den Gegensatz unmittelbar in das Wesen der Poesie[11] selbst zu setzen, die Poesie[11] ist nur die eine bei allen Völkern[1], Zeiten[5] und Zuständen, aber der Strahl dieser einen Sonne bricht sich tausendfach in der geistigen Atmosphäre und verursacht dadurch ein buntes[2] Farbenspiel von Weltpoesien, deren Verständnis, nach Rückerts Ausdruck, allein zur Weltversöhnung führt..
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