[1]
Wieland, Gold. Spiegel (1772 [hier: 1795]), 61
: Das Ohr[3] ist, nach dem Auge, der vollkommenste unsrer Sinne[4]. Gewöhnet es an kunstlose, aber seelenvolle Melodien, aus welchen schöne[1] Gefühle atmen, die das Herz in sanfte Bebungen setzen, oder die einschlummernde Seele in süße Träume wiegen. Freude, Liebe, und Unschuld stimmen den Menschen[1] in Harmonie mit sich selbst, mit allen guten Menschen[1], mit der ganzen Natur[2]. So lang euch diese beseelen, wird jede eurer Bewegungen, der gewöhnliche Ton[5] eurer Stimme[3], eure Sprache[11] selbst wird Musik sein.
[2]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (
21813), 147 f. (148)
: Zwei romantische[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Gattungen ohne Christentum, einander in Ausbildung wie in Klima[[[[BedeutungsVerweis ID='409' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] fremd[[[[BedeutungsVerweis ID='173' Anzeige='5' Formatierung='1']]]], sind die indische und die der Edda. Die altnordische, mehr ans Erhabne gränzende fand im Schattenreiche ihrer klimatischen verfinsterten Schauernatur, in ihren Nächten und auf ihren Gebirgen zum Gespensterorkus eine gränzenlose Geisterwelt, worin die enge Sinnenwelt zerfloß und versank; dahin gehört Os〈148〉sian [...] mit seinen Abend- und Nachtstücken, in welchen die himmlischen Nebelsterne der Vergangenheit über dem dicken Nachtnebel der Gegenwart stehen und blinken; und nur in der Vergangenheit findet er Zukunft und Ewigkeit. | Alles ist in seinem Gedichte Musik, aber entfernte und dadurch verdoppelte und ins Unendliche verschwommene, gleichsam ein Echo, das nicht durch rauh-treues Wiedergeben der Töne[[[[BedeutungsVerweis ID='578' Anzeige='1' Formatierung='1']]]], sondern durch abschwächendes Mildern derselben entzückt. | Die indische Romantik[[[[BedeutungsVerweis ID='651' Anzeige='7' Formatierung='1']]]] bewegt sich in einer allbelebenden Religion[[[[BedeutungsVerweis ID='393' Anzeige='1' Formatierung='1']]]], welche von der Sinnenwelt durch Vergeistigung die Schranken wegbrach; diese wurde so groß wie die 〈149〉 Geisterwelt, aber nicht voll Polter-, sondern voll Schmeichelgeister, und Erde und Himmel sanken, wie auf einem Meere, einander zu..
[3]
Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 31
: Je nachdem [...] die Poesie[1] entweder einen bestimmten Gegenstand nachahmt, wie die bildenden Künste[2] thun, oder je nachdem sie, wie die Tonkunst, bloß einen bestimmten Zustand des Gemüths hervorbringt, ohne dazu eines bestimmten Gegenstandes nöthig zu haben, kann sie bildend (plastisch[3]) oder musikalisch[7] genannt werden. Der letztere Ausdruck bezieht sich also nicht bloß auf dasjenige, was in der Poesie[11], wirklich und der Materie nach, Musik ist, sondern überhaupt auf alle diejenigen Effekte derselben, die sie hervorzubringen vermag, ohne die Einbildungskraft durch ein bestimmtes Objekt zu beherrschen; und in diesem Sinne[1] nenne ich Klopstock vorzugsweise einen musikalischen[7] Dichter..
[4]
R. Schumann, Symph. Spohr (1835), 65
: Man müßte zum drittenmal nachdichten, wenn man für die, welche diese Symphonie [⦿] nicht gehört, ein Bild entwerfen wollte; denn der Dichter verdankt die Worte[2] seiner Begeisterung[3] für die Tonkunst, die Spohr wiederum mit Musik[5] übersetzt[2] hat. Ließe sich ein Zuhörer finden, der, von dem Gedicht und von den Ueberschriften zu den einzelnen Sätzen der Symphonie nicht unterrichtet, uns Rechenschaft von den Bildern, welche sie in ihm erweckt, geben könnte, so wäre das eine Probe, ob der Tondichter seine Aufgabe glücklich gelöst habe. Leider wußte auch ich schon vorher von der Absicht der Symphonie und sah mich wider Willen gezwungen, den Gestalten der Musik[4], die sich mir nur zu deutlich aufdrangen, das noch materiellere Gewand der Pfeifer'schen Dichtung umzuwerfen. | [...] Beethoven hat gar wohl die Gefahr gekannt, die er bei der Pastoral-Symphonie lief. In den paar Worten[2] „mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei[5]“, die er ihr voransetzte, liegt eine ganze Aesthetik für Componisten, und es ist sehr lächerlich, wenn ihn Maler auf Portraits an einem Bach sitzen, den Kopf in die Hand drücken und das Plätschern belauschen lassen. Bei unsrer Symphonie, däucht mir, war die ästhetische Gefahr noch größer..