[1]
Novalis, an K. L. Reinhold (5. 10. 1791), NS 4, 92
: Ich sehe in einem Moment der glücklichsten Vergeistigung das bunte Jahrmarktsgewühl meines bisherigen Lebens vor mir [...]: Ich sehe mich in allen den lächerlichen, sonderbaren, abenteuerlichen[3] und unnatürlichen Masken, mit welchen mich eine herrenlose Fantasie[2] und die Grille des Augenblicks bekleidete [...].
[2]
Novalis, Aftdg II (*1799–1800), 175
: Ruinen sind die Mütter dieser blühenden Kinder. Die bunte, lebendige Schöpfung zieht ihre Nahrung aus den Trümmern vergangner Zeiten[3].
[3]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 15 f. (16)
: Was nun die dichterische Gattung betrifft, womit wir uns hier beschäftigen, so verglichen wir die antike[2] Tragödie mit einer Gruppe in der Sculptur: die Figuren entsprechen dem Charakter[7], ihre Gruppirung der Handlung[3], und hierauf ist, als auf das einzige Dargestellte, die Betrachtung bey beyden Arten von Kunstwerken[2] ausschließlich gerichtet. Das romantische[12/4] Drama denke man sich hingegen als ein großes Gemälde, wo außer der Gestalt und Bewegung in reicheren Gruppen auch noch die Umgebung der Personen mit abgebildet ist, nicht blos die nächste, sondern ein bedeutender Ausblick in die Ferne, und dieß alles unter einer magischen Beleuchtung, welche den Eindruck so oder anders bestimmen hilft. | Ein solches Gemählde wird weniger vollkommen begränzt seyn als die Gruppe, denn es ist wie ein ausgeschnittnes Bruchstück aus dem optischen Schauplatze der Welt. [...] 〈16〉 [...] | Gerade dergleichen Schönheiten[1] sind dem romantischen[12/4] Drama eigenthümlich. Es sondert nicht strenge wie die alte[10] Tragödie den Ernst und die Handlung[1] unter den Bestandtheilen des Lebens aus; es faßt das ganze bunte Schauspiel desselben mit allen 〈17〉 Umgebungen zusammen, und indem es nur das zufällig neben einander befindliche abzubilden scheint, befriedigt es die unbewußten Foderungen der Fantasie[3], vertieft uns in Betrachtungen über die unaussprechliche Bedeutung des durch Anordnung, Nähe und Ferne, Colorit und Beleuchtung harmonisch gewordnen Scheines, und leiht gleichsam der Aussicht eine Seele. ➢ Volltext
[4]
C. de la Motte Fouqué, an A. W. Schlegel (16. 6. 1806), KJ, 342
: Ich habe immer einige Scheu das lang Ueberdachte langsam ans Licht treten zu lassen. Es muß sich mir im rechten Augenblicke wie mit Gewalt entreißen, und dann Welle auf Welle fortströmen, bis nichts mehr im Innern verschlossen bleibt, und ich wieder stiller[2], ja gleichgültiger werde. Daher kann ich auch weder zu jeder Zeit[7] reden noch schreiben, sondern ich muß es erwarten bis mich das überfließende Maaß drängt und treibt, ohne das Herz oder die Kraft zu haben, so reiche Momente frei[10] in mir erzeugen zu können. Es hat mich diese dürftige Schwehrfälligkeit schon oft bitter gekränkt, weil dies Unvermögen Künstler Naturen fremd[4] ist, und fremd[4] bleiben muß, und ich dennoch oft mit rechter Liebe[5] mein innerstes Leben entfalten und aus den verschlossnen Tiefen, Ahndungen[2] und Zweifel, Hoffnung und Erinnerung im bunten Spiele hervorrufen möchte! ➢ Volltext.
[5]
Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 67] (1810), 632
: Der Ausdruck eines kindlichen, heitern[5] Gemüts herrscht in Haydns Compositionen. Seine Symphonie führt uns in unabsehbare, grüne Hayne, in ein lustiges, buntes Gewühl glücklicher Menschen. Jünglinge und Mädchen schweben[6] in Reihentänzen vorüber; lachende Kinder hinter Bäumen, hinter Rosenbüschen lauschend, werfen sich neckend mit Blumen. Ein Leben voll Liebe, voll Seligkeit, wie vor der Sünde, in ewiger Jugend; kein Leiden, kein Schmerz; nur süsses, wehmüthiges Verlangen nach der geliebten Gestalt, die ferne im Glanz des Abendrothes daher schwebt[6], nicht näher kömmt und nicht verschwindet; und so lange sie da ist, wird es nicht Nacht, denn sie selbst ist das Abendroth, von dem Berg und Hain erglühen. ➢ Volltext.
[6]
Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 86] (1813), 391
: Das gewagte Gleichnis, dass die ältere[[[[BedeutungsVerweis ID='429' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] Kirchenmusik der Italiener sich zu der neueren[[[[BedeutungsVerweis ID='438' Anzeige='3' Formatierung='1']]]] deutschen verhalte, wie die Peterskirche zum strassburger Münster, möchte ziemlich treffend seyn. Die grandiosen Verhältnisse jenes Baues erheben das Gemüth, indem sie commensurabel bleiben: aber mit einer seltsamen, inneren Beunruhigung staunt der Beschauer den Münster an, der sich in den kühnsten Windungen, in den sonderbarsten Verschlingungen bunter, phantastischer[[[[BedeutungsVerweis ID='413' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] Figuren und Zierrathen hoch in die Lüfte erhebt; allein selbst diese Unruhe regt ein, das Unbekannte, das Wundervolle ahnendes[[[[BedeutungsVerweis ID='726' Anzeige='3' Formatierung='1']]]] Gefühl auf, und der Geist[[[[BedeutungsVerweis ID='139' Anzeige='19' Formatierung='1']]]] überlässt sich willig dem Traume, in dem er das Ueberirdische, das Unendliche zu erkennen glaubt. Nun, und eben dies ist ja der Eindruck des Rein-Romantischen[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]], wie es in Mozarts, in Haydns phantastischen[[[[BedeutungsVerweis ID='414' Anzeige='4' Formatierung='1']]]] Compositionen lebt und webt! ➢ Volltext.
[7]
Klein, Rheinreise (1828), 20 f. (21)
: Das Gemälde des Rheingau's, welches sich hier mit seiner ganzen Lebendigkeit und in jugendlicher Frische entfaltet, hat einen eigenthümlichen Reiz; Vergangenheit und Gegenwart beschäftigen zugleich Phantasie[1] und Auge. Während auf einer Seite mannichfaltig[1] gefärbte Wolkenmassen über dem Taunus gleichsam zu alten[10] Römerburgen sich gestaltend, tiefer abwärts mit Epheu umrankte Wartthürme zerfallener Schlösser aus deutscher Ritterzeit auf den Vorsprüngen des Gebirges sich wirklich erheben, scheint links Kaiser Karl der Große mit seinen eisengepanzerten Helden über Ingelheims altem[11] Palaste zu schweben[5], und zahlreiche Kreuzfahrer das Ufer zu bedecken. [...] 〈21〉 [...] Friedliche Dörfer, geschäftiges Treiben größerer Flecken, stolze Landhäuser, stille friedliche Hütten, ehrwürdige Kirchtürme, ferne Einsiedeleien wechseln zwischen weinbekränzten Hügeln, Obstgärten, Getreidefeldern. Grüne Thalgründe, wiesenbedeckte Flächen mischen sich mit schroffen Felsen in buntem Gewühle von verschiedenartiger Beleuchtung. Der seichte Fluß, zum weiten See ausgebreitet, dessen silberhelle Wellen um die vielen blühenden Auen in seiner Mitte spielen, scheint absichtlich zu zögern, um den Schiffenden Zeit zu lassen zur Beschauung des herrlichen Ganzen. Der Freund der Idylle, wie jener der Romantik[2], des frohen wie des ernsten Lebens, fühlt sich mächtig ergriffen, jeder stimmt ein in das Lob des reizenden Landes..
[8]
Laube, Jg. Eur. III (1837), 25
: Hippolyt, schrie er, [...] es giebt romantische[4] Geschäfte, noch siegen die Kaufleute nicht über die alte[1] herrliche Welt mit den bunten, unerwartet 〈26〉 wechselnden Erscheinungen. Hippolyt, die Liebe[1] läßt nicht alle Romantik[4] untergehn. Tallon will morgen Margarethen entführen [...]..
[9]
C. Schlegel, an A. W. Schlegel (24. 2. 1801), C 2, 45
: Kleine Intermezzos machten die Sache noch bunter[.].
[10]
F. Schlegel, Goethe's Meister (1798), 164 f. (165)
: Dieses Frische der Farben, dieses kindlich Bunte, diese Liebe zum Putz und Schmuck, dieser geistreiche Leichtsinn und flüchtige Muthwillen ha〈165〉ben etwas was man Aether der Fröhlichkeit nennen möchte, und was zu zart und zu fein ist, als daß der Buchstabe[9] seinen Eindruck nachbilden und wiedergeben könnte. Nur dem, der vorlesen kann, und sie vollkommen versteht, muß es überlassen bleiben, die Ironie[3/1], die über dem ganzen Werke [sc. Goethe: Wilh. Meister (1795–96)] schwebt[5], hier aber vorzüglich laut wird, denen die den Sinn[5] dafür haben, ganz fühlbar zu machen. Dieser sich selbst belächelnde Schein von Würde und Bedeutsamkeit in dem periodischen Styl, diese scheinbaren Nachläßigkeiten, und Tautologien, welche die Bedingungen so vollenden, daß sie mit dem Bedingten wieder eins werden [...], dieses höchst Prosaische[3] mitten in der poetischen[1] Stimmung des dargestellten oder komödirten Subjekts, der absichtliche Anhauch von poetischer[1] Pedanterie bey sehr prosaischen[3] Veranlassungen; sie beruhen oft auf einem einzigen Wort, ja auf einem Akzent. ➢ Volltext.
[11]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 101 ff. (103)
: Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre[4] spricht. | Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüth verlassen. Freylich, wem es da trocken ist, dem wird es nirgends quillen; und das ist eine bekannte Wahrheit, gegen die ich am wenigsten gesonnen bin mich aufzulehnen. Aber wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Aehnlichen, oder bey 〈102〉 gleicher Würde Feindlichen entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte[1] bilden. [...] | Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk[1] der Natur[2]. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigenthümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode, wenn ich so sagen darf. | Da finde ich nun eine große Aehnlichkeit mit jenem großen Witz[2] der romantischen[12/4] Poesie[22], der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Construction des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakspeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie[1], der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt, scheinen mir schon selbst eine indirekte Mythologie zu seyn. Die Organisazion[8] ist dieselbe und gewiß ist die Arabeske die älteste[1] und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie[2]. Weder dieser Witz[2] noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte[5] Natur[1/19] und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive[2] Tiefsinn den Schein des Verkehrten 〈103〉 und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie[11], den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft[1] aufzuheben und uns wieder in die schöne[1] Verwirrung der Fantasie[2], in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur[1/19] zu versetzen, für das ich kein schöneres[1] Symbol bis jetzt kenne, als das bunte Gewimmel der alten[10] Götter[5]. ➢ Volltext.
[12]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 113 f.
: Sie behaupteten, Friedrich Richters Romane[1] seyen keine Romane[1], sondern ein buntes Allerley von kränklichem Witz[4]. [...] 〈114〉 [...] Das bunte Allerley von kränklichem Witz[4] gebe ich zu, aber ich nehme es in Schutz und behaupte dreist, daß solche Grotesken und Bekenntnisse noch die einzigen romantischen[1/4] Erzeugnisse unsers unromantischen Zeitalters sind. ➢ Volltext.
[13]
Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 193
: Vielerlei sind der Sprachen[9], Zungen und Charaktere[9] auf der Welt, die einander nicht verstehen; die Poesie[11] aber ist die heilige Flammenzunge, die aus aller Herzen zu aller Herzen spricht und jeden Menschen[1] mit süßem Verständnis bewegt. Die Poesie[11] ist die Natur[19], die ursprüngliche Menschheit[1], die sich mit jeder besonderen Erscheinung der Menschheit[1] auf dem Felde der Geschichte[1] gattet und daher, so allgemein menschlich sie in ihrer Quelle ist, doch jedesmal einer besonderen Menschheit[3], einem gewissen Zeitalter eigentümlich angehört. Man kann daher mit Recht von einer katholischen und griechischen[2] Poesie[11] sprechen, von einer romantischen[13] und klassischen[7], nur wird man sich hüten, den Gegensatz unmittelbar in das Wesen der Poesie[11] selbst zu setzen, die Poesie[11] ist nur die eine bei allen Völkern[1], Zeiten[5] und Zuständen, aber der Strahl dieser einen Sonne bricht sich tausendfach in der geistigen Atmosphäre und verursacht dadurch ein buntes Farbenspiel von Weltpoesien, deren Verständnis, nach Rückerts Ausdruck, allein zur Weltversöhnung führt..