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Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 102
: Für den Dichter ist die Poesie[11/2] an beschränkte Werkzeuge gebunden, und eben dadurch wird sie zur Kunst[2]. Die Sprache[1] überhaupt hat ihren bestimmten Kreis. Noch enger ist der Umfang einer besondern Volkssprache. Durch Übung und Nachdenken lernt der Dichter seine Sprache[3] kennen. Er weiß, was er mit ihr leisten kann, genau, und wird keinen thörichten Versuch machen, sie über ihre Kräfte anzuspannen. Nur selten wird er alle ihre Kräfte in Einen Punkt zusammen drängen, denn sonst wird er ermüdend, und vernichtet selbst die kostbare Wirkung einer gutangebrachten Kraftäußerung. Auf seltsame Sprünge richtet sie nur ein Gaukler, kein Dichter ab. Überhaupt können die Dichter nicht genug von den Musikern und Mahlern lernen. In diesen Künsten[2] wird es recht auffallend, wie nöthig es ist, wirthschaftlich mit den Hülfsmitteln der Kunst[2] umzugehn, und wie viel auf geschickte Verhältnisse ankommt. Dagegen könnten freylich jene Künstler auch von uns die poetische[2] Unabhängigkeit und den innern Geist[12] jeder Dichtung und Erfindung, jedes ächten Kunstwerks überhaupt, dankbar annehmen. Sie sollten poetischer[2] und wir musikalischer und mahlerischer[3] seyn – beydes nach der Art und Weise unserer Kunst[2]..