Wortliste
Struktur
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Semantik 
romantisch, Adj. — Das Wort geht zurück auf ein altfranzösisches/mittelfranzösisches Substantiv romanz, roman(t) ›galloromani­sche Volkssprache Nordfrankreichs, Altfranzösisch (im Unterschied zum Latein der Gelehrten)‹ bzw. ›in dieser Sprache verfasstes (meist aus dem Lateinischen übersetztes) erzählendes Ge­dicht in Versen oder – später – in Prosa‹. ⦿ Von dort entlehnt wird engl. romant, romaunt ›Roman, aben­teuerliche Vers- oder Prosaerzählung‹ (im OED VIII, 770c erstmals 1530 belegt), dessen Adjektivableitung romantic ›romanhaft, nach Art der Romane‹ Ende des 17. Jahrhunderts in der Form romantisch entweder direkt oder über das entsprechende, seinerseits vom engl. romantic herstammende frz. romantique ins Dt. übernommen wird ⦿: Erstbeleg ist wohl Gotthard Heideggers Mythoscopia romantica oder Discours von den so benannten Romans (1698). Synonym verwendet werden über längere Zeit romanisch und roman­zisch (vgl. DWB VIII, 1155); das zur selben etymologischen Familie gehörende romanhaft wird insbe­son­dere im ersten Drittel des Untersuchungszeitraums zur semantischen Differenzierung genutzt (vgl. 3). — Kenntnis der Herkunft und Etymologie des Wortes (wiewohl vermutlich nicht der Verworrenheit der Ent­lehnungsverhältnisse im einzelnen) bezeugen F. Schlegel, Gespr. üb. Poesie (1800), 122, und A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 12, sowie Dramat. Lit. I (1809), 13. – Ebenfalls verworrene Verhältnisse lassen sich im semantischen Be­reich feststellen. Eine Bedeutungsbestimmung erscheint in besonderer Weise schwierig (und erschien auch schon den Zeitgenossen so ⦿). Es ist teilweise kaum möglich, einzelne Verwendungs­wei­sen des Wortes zu unterscheiden (vgl. DWB VIII, 1156). Jede Gliederung des Bedeutungsspektrums kann daher nur eine unter verschiedenen möglichen sein. So differiert die hier vorgeschlagene etwa von Pikulik 1992, 74 ff., zwar nicht substantiell, weicht aber in der Gruppierung bzw. Isolierung einzelner Aspekte beim An­satz der Bedeutungspositionen erkennbar ab. Teilweise lässt sich auf sie die in der Romantikforschung übliche Unterscheidung projizieren, wie sie in Anlehnung an Eichner 1972 z. B. von Behler 1992 vertreten wird. Die semantischen Positionen 12 und 13 sowie möglicherweise 15 entsprechen in etwa dem ,histo­risch-chronologischen‘ Verständnis von r., 14 dem ,zeitgenössischen‘ ⦿, 3, 2, 5, 6, 7, 8, 9, 10 und 11 in etwa dem ,typologischen‘, in welchem die inhaltliche Bestimmung der ,Gattung‘ oder ,Stilrichtung‘ des Romantischen erfolgt. Als romantisch bezeichnet werden können der Charakter oder auch einzelne Bestandteile eines unter ästhetischen Aspekten rezipierbaren Ganzen, vor allem Elemente eines literarischen Wer­kes, bestimmte in ihm behandelte oder dargestellte Themen und Gegenstände, die es seinerseits r. machen. ⦿ Romantische Prinzipien, Phänomene oder Elemente sind Bukolik, Rittertum, Abenteuer, Poesie, Liebe, Ehre, das Christentum (der Katholizismus), der Orient, das Phantastische, Wunderbare, auch das Metaphysische, Übersinnliche; das Romantische besteht in (Selbst-)Reflexion sowie einer Vermischung und Verschmelzung von Divergentem, es bringt Gegensätze zum Ausgleich. – Im Überblick lassen sich inhaltliche Gemeinsamkeiten der Wortbedeutungen bzw. ein­zel­ner semantischer Nuancen nennen: So tritt der Aspekt der Mischung und Synthesis bei 3, 10, 12, 13, 14 und 15 hervor. Bei 3, 6, 12, 13 und 14 klingt der Aspekt der bunten Vielfalt an. 3, 7, 12 und 13 verbindet der Aspekt des Idealisch-Verklärenden, 3, 6, 8, 9, 10, 12, 13 und 14 der des Individuell-Subjektiven. Bewusst auf­ge­grif­fen schließlich wird im Rahmen der frühromantischen Theorie der durch die Etymologie implizierte Aspekt des Poetisch-Ästhetischen; er ist (zumindest kollokationsweise) in allen Verwendungen des Wortes zu erkennen. – Geht man, wie Schanze 2018, absehend von der Etymologie und der älteren Wortge­schich­te, von der Bedeutung des Wortes im späten 18. Jahrhundert aus, so muss die Wortbil­dungs­ver­wandt­schaft zu Roman und die Bedeutung des Romanhaften, -artigen, -ähnlichen oder auch -geeigneten in den Vordergrund gestellt werden; zu ihr lassen sich dann zunächst als übertragene Verwendungen die historisch älteren Bedeutungen 3, 2, 4 und 5 stellen. Eichner (1972, 5) weist darauf hin, dass Bedeutungsaspekte wie ›extravagant‹, ›übertrieben‹, ›absurd‹, ›unrealistisch‹ und ›erlogen‹. Romanliteratur sei gleichwohl mit Vergnügen rezipiert worden, was sich auf die Verwendung des Wortes ausgewirkt habe. Im Laufe der Zeit habe sich der positiv wertende Wortgebrauch allmählich durch­ge­setzt, „particularly as applied to landscapes“ (ebd.): vgl. 3. Der auf häufigen und unreflektierten (modischen) Gebrauch des Ausdrucks r. zurückzuführende Verlust der ursprünglich mit ihm verbundenen semantischen Aspekte des Romanhaften und Märchenhaft-Wunderbaren wird bereits im Untersuchungszeitraum re­flek­tiert (Adelung, Gramm.-krit. Wb. III [21798], 1155; vgl. 3 [1]). Ebenfalls ausgehend von der Romantheorie – mit bewusster (provokanter) Verwendung des zu diesem Zeitpunkt bereits alles und nichts sagenden Allerweltswortes r. – erfolgt in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts die frühromantische Theorie- und Begriffsbildung, v. a. bei F. Schlegel und Novalis. Sie führt, in Anlehnung an Schillers Unterscheidung von naiver und sentimentaler Dichtung (1795/96), zu neuen Bedeutungsaspekten, insbesondere den unter 9, 10, 11 sowie 12 dargestellten. Unter dem Vorzeichen der wiederaufflammenden Querelle des ancies et des modernes bilden sich, zunächst im spätaufklärerisch-klassizistischen Diskurs, im frühen 19. Jahrhundert die Bedeutungen 13 und 14 heraus. – Semantische Beziehungen der Einzel­be­deu­tun­gen zueinander (Erläuterungen unter den einzelnen Bedeutungspositionen):
 

— Literatur: Eichner 1972; Kainz 1974; Schulz 1983, 70 ff.; Ueding 1987, 99–102; Hoffmeister 1990, 1–12; Eggebrecht 1991, 478–481 u. 590 ff.; Behler 1992, 18 ff.; Pikulik 1992, 73 ff.; Segeberg 1994, 31–36; Schulz 1996; Bär 1999, 18–57; Tadday 1999; Borchmeyer 2002; Stierle 2010; Schanze 2018.
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