Wortliste
Struktur
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Semantik 
9. ›vermittelt, indirekt wirksam oder zugänglich, medial gebrochen; subjektiv gebrochen, transzendental, sich selbst reflektierend oder mitreflektierend‹, wobei Schillers Konzeption der sentimentalischen Dichtung im Gegensatz zur naiven anklingt: Paradigmatisch für die antike Literatur ist die ,objektiv‘ darstellende Gattung des Epos, für die moderne hingegen der Roman1, der die eigene Stimmung des Autors in die Darstellung miteinbezieht [14]. Der reine Dichter (der klassisch-antike) ist bei Brentano [2] derjenige, der ,objektiv‘, d. h. einen Gegenstand als solchen darstellt; demgegenüber heißt romantisch der moderne Dich­ter, der den Brechungsfaktor seiner eigenen Individualität und Subjektivität in die Darstellung einbezieht. Das R.9 erscheint als Perspektiv (›Fernrohr‹) [1], als Medium [4]; eine r.3 Gegend kann doppelt genossen werden, wenn sie durch ein Fernrohr betrachtet wird (Vulpius, Rinald. III [1799], 133). Auch der sexuelle Genuss wird dadurch gesteigert, dass man ihn reflektiert (F. Schlegel, Lucinde [1799], 9): „Ich genoß nicht bloß, sondern ich fühlte und genoß auch den Genuß“. – Als Übertragung von 1 (mit Bezug auf bestimmte Erzählperspek­tiven/Erzählerfiguren in zeitgenössischen Romanen) deutbar. Offen zu 7 und 8, antisem ⦿ zu 6 und apisosem ⦿ zu 10.
Belege 
[1] Brentano, Godwi (1801), SWB 16, 314: Alles, was zwischen unserm Auge und einem entfernten zu Sehenden als Mittler steht, uns den entfernten Gegenstand nähert, ihm aber zugleich etwas von dem seinigen mitgiebt, ist romantisch. [...] Godwi setzte hinzu, das Romantische ist also ein Perspectiv oder vielmehr die Farbe des Glases und die Bestimmung des Gegenstandes durch die Form des Glases.

[2] Brentano, Godwi (1801), SWB 16, 316: [N]ach meiner Meinung ist jedes reine, schöne Kunstwerk, das seinen Gegenstand bloß darstellt, leichter zu übersetzen, als ein Romantisches[12/9], welches seinen Gegenstand nicht allein bezeichnet, sondern seiner Bezeichnung selbst noch ein Colorit giebt, denn dem Uebersetzer des Romantischen[12/9] wird die Gestalt der Darstellung selbst ein Kunstwerk, das er übersetzen soll. Nehmen sie zum Beispiel eben den Tasso, mit was hat der neue rhythmische Uebersetzer zu ringen, entweder muß er die Religiosität, den Ernst und die Glut des Tasso selbst besitzen, und dann bitten wir ihn herzlich, lieber selbst zu erfinden, hat er dieses alles aber nicht, oder ist er gar mit Leib und Seele ein Protestant, so muß er sich erst ins Katholische übersetzen, und so muß er sich auch wieder geschichtlich in Tasso’s Gemüth und Sprache übersetzen, er muß entsetzlich viel übersetzen, ehe er an die eigentliche Uebersetzung selbst kömmt, denn die romantischen[12/9] Dichter haben mehr als bloße Darstellung, sie haben sich selbst noch stark.

[3] Brentano, Godwi (1801), SWB 16, 319 (1): Das Romantische[12/9] [...] ist eine Uebersetzung.

[4] Brentano, Godwi (1801), SWB 16, 319 (2): In diesem Augenblick erhellte sich der dunkle Saal, es ergoß sich ein milder grüner Schein von dem Wasserbecken [...]. | Sehen Sie, wie romantisch, ganz nach Ihrer Definition. Das grüne Glas ist das Medium der Sonne.

[5] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 173: Der Chor [...] war Repräsentant einer harmonisch frey[13] versammelten Menge d. i. eines Volksfestes. Dieß war er immer, wenn er auch, wie in den Tragödien eine ernste ja traurige Handlung[3] feyerte. Es war immer Feyer, ein wirkliches Volksfest konnte sich ja auch auf dergleichen beziehen, denn wir müssen hier ganz unsern rohen Begriff[1] entfernen, die Volksfeste waren die künstlerisch organisirte[7] öffentliche Geselligkeit überhaupt, der schönste[1] Selbstgenuß der Staaten. – So war in der Ode aus der ihr eignen contemplativen Concentration die heiterste[5] Geselligkeit wiederhergestellt. Daher die Neigung zur Fröhlichkeit auch in der höheren Lyrik der Alten[10], die auf uns gekommnen Gesänge des Pindar athmen in der That festliche Freude an einer festlichen Freude. | Bey den Neueren[3] geht nun die Richtung im allgemeinen mehr auf das Subjektive und Ideale, und es findet sich kein solches Gegengewicht, welches den lyrischen Sänger in die äußere Welt zurückriefe. Daher ist der Charakter[1] der eigenthümlich romantischen[12/9] Ode, der Canzone, statt der geselligen Heiterkeit[4] des Chores, vielmehr einsiedlerisch schwermüthig, und es ist ein vorwaltender Hang zur beschaulichen Vertiefung in sich selbst, in die Abgründe des eignen Gemüths, sichtbar.

[6] Goethe, Max. u. Refl. (*?1829; 1836), WA I, 41.2, 246 f..

[7] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 466.

[8] Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 473.

[9] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 93.

[10] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 23 f. (24).

[11] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 166, Nr. 964.

[12] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28, Nr. 116.

[13] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 129, Nr. 418.

[14] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 122 ff. (123 f.).

[15] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 179.














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