Wortliste
Struktur
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Semantik 
10. ›Tierheit, tierische Natur, die oder eine Gesamtheit von tierischen Eigenschaften, die der Mensch mit dem Tier1 gemeinsam hat (und über die er sich durch zusätzliche, ausschließlich ihm eigene Charakteristika erhebt)‹, konkret: Abhängigkeit von sinnlichen Eindrücken, Instinkthaftigkeit, Naturnotwendigkeit aller Handlungen und Empfindungen, Mangel an Vernunft1, an Freiheit10, an Moralität, an Kultur4; Metonymie zu 1. Auch ›Evolutionsstadium, Zustand der menschlichen Gattungsentwicklung vor dem eigentlichen Menschsein‹ [1, 5].
Belege 
[1] Goethe, an Zelter (9. 6. 1831), WA IV, 48, 225: Hier will ich [...] eines der größten Worte[2] niederschreiben, welches uns unsre Vorvordern zurückgelassen haben: | „Die Thiere[1] werden durch ihre Organe[2] unterrichtet.“ | Nun denke man sich, wie viel vom Thier[10] im Menschen[1] übrig bleibt, und daß dieser die Fähigkeit hat, seine Organe[2] zu unterrichten, so wird man gern auf diese Betrachtungen immer wieder zurückkehren.

[2] Herder, Gesch. d. Menschh. I (1784), 313: Ich kann mir [...] nicht vorstellen, daß, da wir eine Mittelgattung von zwo Classen[1] und gewissermaaßen die Theilnehmer beider sind, der künftige Zustand von dem jetzigen so fern und ihm so ganz unmittheilbar sein sollte, als das Thier im Menschen[1] gern glauben möchte; vielmehr wer⟨314⟩den mir in der Geschichte[1] unsres Geschlechts manche Schritte und Erfolge ohne höhere Einwirkung unbegreiflich. Daß z. B. der Mensch[1] sich selbst auf den Weg der Cultur[3] gebracht und ohne höhere Anleitung sich Sprache[1] und die erste Wissenschaft erfunden, scheinet mir unerklärlich und immer unerklärlicher, je einen längern rohen Thierzustand man bei ihm voraussetzt.

[3] Herder, Bef. d. Hum. I (1793), 111: Jeder Mensch hat ein wildes Thier in sich; wenige wissen es zu bändigen, die meisten lassen ihm den Zügel, wenn die Furcht der Gesetze sie nicht zurückhält.

[4] Hoffmann, J. Callot (1814), 5 f.: Selbst das Gemeinste aus dem Alltagsleben – sein Bauerntanz, zu dem Musikanten aufspielen, die wie Vögelein in den Bäumen sitzen, – erscheint in dem Schimmer einer gewissen romantischen[4] Originalität, so daß das dem Fantastischen[2] hingegebene Gemüth auf eine wunderbare Weise davon angesprochen wird. – Die Ironie[1], welche, indem sie das Menschliche mit dem Thier in Conflikt setzt, den Menschen mit seinem ärmlichen Thun ⟨6⟩ und Treiben verhöhnt, wohnt nur in einem tiefen Geiste[19], und so enthüllen Callots aus Thier und Mensch geschaffene groteske Gestalten dem ernsten, tiefer eindringenden Beschauer alle die geheimen Andeutungen, die unter dem Schleyer der Skurilität verborgen liegen.

[5] Schiller, Schaubühne (1785), NA 20, 90: Unsre Natur[1], gleich unfähig, länger im Zustand des Thiers fortzudauren, als die feinern Arbeiten des Verstands[2] fortzusezen, verlangte einen mittleren Zustand, der beide widersprechenden Enden vereinigte, die harte Spannung zu sanfter Harmonie herabstimmte, und den wechselsweisen Uebergang eines Zustands in den andern erleichterte. Diesen Nuzen leistet überhaupt nun der ästhetische Sinn[5], oder das Gefühl für das Schöne[1].

[6] B. v. Arnim, Buch König (1843), 180.

[7] Görres, Tt. Volksb. (1807), 178.

[8] Schiller, Schaubühne (1785), NA 20, 100.

[9] Schiller, Send. Moses (1790), NA 17, 380.

[10] Schiller, an F. Chr. v. Augustenburg (13. 7. 1793), NA 26, 263.

[11] Weißenthurn, Manuscr. (1834), S 13, 47.














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